Erfahrungen Erinnerungen Gedanken
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Hanfried Müller Erfahrungen Erinnerungen Gedanken Zur Geschichte von Kirche und Gesellschaft in Deutschland seit 1945 GNN Verlag ISBN 978-3-89819-314-6 © 2010 by GNN Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbrei- tung, Verlagsgesellschaft für Sachsen/Berlin mbH, Badeweg 1, D- 04435 Schkeuditz Alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: GNN Schkeuditz 4 Noch kurz vor seinem Tode am 3. März 2009 war Hanfried Müller mit sei- ner »Autobiographie« befaßt, in der ein Kapitel deutscher Geschichte und Kirchengeschichte festgehalten werden sollte. Nicht um seine Person ging es ihm also und schon gar nicht um private Befindlichkeit, wohl aber um eine Geschichtsschreibung, die gesellschaftliche und kirchenpolitische Verhältnisse und Entwicklungen im Fokus persönlicher Erfahrungen und Erinnerungen widerspiegelt. Seine Aufzeichnungen sind ein Torso geblieben. Dennoch enthält bereits der publizierbare Text eine solche Fülle an grundsätzlicher historischer Einsicht und politischer Erkenntnis, daß seine Lektüre weit über den Blickwinkel subjektiver Wertungen hinausträgt. Von Hanfried Müller war, selbstredend, keine Retrospektive zu erwarten, der sich bürgerliches Herrschaftsbewußtsein und schon gar nicht deutsche Kleinbürgerlichkeit akkommodieren könnten. Schließlich verstieß er als Sohn aus »guter Gesellschaft« gegen die ehernen Prinzipien dieser Gesell- schaft; und schon zu seinen Lebzeiten ist ihm sein Klassenverrat niemals verziehen worden. Seine »Erinnerungen« zeichnen nach, warum und wie er und seine Frau Rosemarie Müller-Streisand einen Weg gegangen sind, der - ebenso außer- gewöhnlich wie konsequent - mitten in den Klassenkampf des Kalten Krieges führte, mithin also auch in die Auseinandersetzung mit einem Kir- chenverständnis, dem weitgehend die Signaturen einer konservativen Partei eigneten und das schon deshalb Müllers reformatorische Theologie als Zumutung und Provokation empfinden mußte. Die Aufzeichnungen enden 1973. Die bereits detailliert konzipierten Kapi- tel V. bis VII. blieben fragmentarisch. Doch lassen sie sich kompensieren durch die Lektüre der 1982 bis 2006 von Hanfried Müller herausgegebenen »Weißenseer Blätter«1, die in der DDR - in jeder Hinsicht - ein Unikat wa- ren und von all jenen begeistert aufgenommen wurden, die auch Hanfried Müllers politische Biographie nicht nur mit historischem Interesse lesen, sondern als ein Geschichtsdokument von hochaktueller politischer, theo- logischer und analytischer Bedeutung. Dieter Kraft 1 Unter www.weissenseerblaetter.de sind die Jahrgänge 1994 bis 2006 im Inter- net zugänglich. Ausgewählte Beiträge aus den Jahren 1982 bis 1992 wurden nachgedruckt in dem Band »Wider die Resignation der Linken«, der vom GNN-Verlag noch bezogen werden kann. 5 INHALTSVERZEICHNIS Statt eines Vorwortes: Geschichtsschreibung und Erinnerung an erlebte Geschichte 11 I. Kapitel Autobiographisches bis zur Übersiedlung in die DDR Statt einer Einleitung: Das Subjekt dieser Erinnerungen und Reflexionen 13 Kriegsgefangenschaft - Der Tag der Befreiung 1945 19 Studienbeginn im Nachkriegsdeutschland 1945/1946 24 Die antifaschistisch-demokratische Umwälzung in den Köpfen. Karl Barth und Günter Dehn. Studium in Bonn 1945-1947 25 Einschub: Das »wir« in diesen Erinnerungen als Dual Eine Verständnishilfe 40 Die Entdeckung des reformatorischen Luther. Hans Iwand und Ernst Wolf. Studium und politische Entwicklung in Göttingen 1948-1952 42 Kalter Krieg Vom Antifaschismus zum Antikommunismus 1948/1949 54 Begegnung mit dem Historisch-Dialektischen Materialismus Arbeitskreis zum Studium des Marxismus 65 Die Entdeckung der Klassenfrage als einer sozialen Grundfrage 68 Das andere Deutschland - Der dritte Deutsche Volkskongreß 74 Wider die Remilitarisierung Westdeutschlands 84 Ost-West-Spaltung in der Kirche - Tagung der Kirchlich- Theologischen Arbeitsgemeinschaft in Dresden 1949 88 Exkommunikation - Tagung der Kirchlich-Theologischen 91 Arbeitsgemeinschaft in Berlin 1950 Übersiedlung in die DDR 1952 97 6 II. Kapitel Wir lernen die DDR von innen kennen Exilant oder Immigrant 1952/53 - 1957 Aspiranturen an der Humboldt-Universität 102 Schwieriger Start: Der Konflikt zwischen FDJ und Junger Gemeinde 105 Einschub: Eine Dokumentation Ein enttäuschender Briefwechsel mit Martin Niemöller 108 Wie wir den Putsch vom 17. Juni 1953 erlebten 114 Linke Orthodoxie zwischen den Fronten. Kirchenkampf oder Kulturkampf? 1953-1958 126 Erste Begegnung mit der DDR-CDU Das Büro Otto Nuschke und die CDU 128 Erste Kontakte mit der SED Die Arbeitsgruppe Kirchenfragen im ZK und Willi Barth 136 Das SfS bzw. MfS 145 Theologische Weiterarbeit zur Reformation im 16. und 20. Jahrhundert. Luther und Bonhoeffer 153 Reise nach Moskau 1956 168 Zwischen Kathedralen und Mausoleum 170 »Stalinismus« 173 »Entstalinisierung« 176 Poststalinistische Krise 180 Die konterrevolutionäre Krise in Ungarn 1956 185 III. Kapitel Neue kirchenpolitische Rahmenbedingungen in der DDR 1957-1968 Das Staatssekretariat für Kirchenfragen entsteht Die Zeit mit Werner Eggerath 1957-1960 189 7 Das »Triumvirat« - Bassarak, Seidowsky und wir 191 Militärseelsorgevertrag und Atomare Aufrüstung der BRD 194 Contra Dibelium 196 Aus Lehrern und Schülern werden Freunde. Heinrich Vogel 201 Zwischenspiel: Ein kirchlich-theologisches Presse-Projekt scheitert 204 Zur kirchenpolitischen Ausgangslage 1958 in der DDR 1. Der Evangelische Pfarrerbund 206 2. Die Christliche Friedenskonferenz in Prag 208 3. Der Weißenseer Arbeitskreis (WAK) 210 Widersprüchliche Tendenzen bei der Entstehung des WAK 211 Streit um den Berliner Kirchentag 1960 213 Staatsrat und Staatsratserklärung. Gespräch vom 9. Februar 1960. Waren und sind wir »Sektierer«? 217 Der Souveränitätsakt vom 13. August 1961 Eine neue Phase beginnt 220 »Wandel durch Annäherung« - auch kirchenpolitisch 223 Die »Zehn Artikel über Freiheit und Dienst der Kirche« 225 Der Weißenseer Arbeitskreis am Scheideweg 227 Sieben theologische Sätze von der Freiheit der Kirche zum Dienen 231 Neuanfang in der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität scheitert 235 Professor solo titulo Oder: Was tut ein Hochschullehrer ohne Studenten? 249 Auf dem Wege zu organisatorischer Verselbständigung der evangelischen Kirchen 258 8 IV. Kapitel Abend- oder Morgenrot? Die Ambivalenz der Jahre 1967-1973 Eine neue Hochschulpolitik kündigt sich an Gespräch mit Roland Bauer 271 Konterrevolutionäre Vorwehen in Mariánské Lázně 275 »Frühling auf allen Fährten und nirgends ein Ziel«. Wie ich die Anfänge der bundsdeutschen Studentenbewegung erlebte 279 Gespräch mit Paul Verner und die sozialistische Verfassung in der DDR 282 Volksaussprache zur neuen Verfassung der DDR 287 Konterrevolution in der ČSSR 290 Einschub: Statt heutiger Erinnerung ein Brief von damals 294 Der erlahmte Boykott bricht vollends zusammen Die III. Hochschulreform kommt in Gang 314 Die »Evangelische Dogmatik in Überblick« 320 Personenindex 325 * V. Kapitel Ein Interim. Patt oder Matt? Sozialismus als Hort der Geborgenheit? 1977-1985 Unfriedliche Koexistenz-Falle - Ulbricht hatte noch gewarnt Angepaßte Renitenz: Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR Auf dem Wege über die Stagnation zur konterevolutionären Krise Verlogener Frieden Das Gespräch Honecker/Schönherr am 6. März 1978 Die Falle von Helsinki schnappt - Hermlins Schriftstellertreffen Ende 1981 Notrufe und Entstehung der Weißenseer Blätter 1981/1982 Die ersten Jahrgänge der Weißenseer Blätter 9 VI. Kapitel Aufbruch aus der Stagnation oder Konterrevolution? Verwirrung um Gorbatschow 1986-1999 Warum ich im Ernstfall für den Kommunismus votiere Wider die Resignation der Linken Dokumentation: Offener Brief an meine Freunde in der SED Solidarität mit den Geschlagenen - Erste Analysen der Niederlage Illusionen und Desillusionierungen rund um die PDS Ende des Sozialismus in Europa - Ende des Friedens in der Welt VII. Kapitel Rückblick: Wer ist schuld? - Kritik und Selbstkritik Konterrevolution und/oder »Zusammenbruch«? Ein Mißverständnis des Sozialismus: Weg oder Ziel? Dialektik von nationaler Ausgangsposition und internationalem Ziel des Sozialismus Umstrittene Revolutionsanalogien - Sozialismus Weg oder Ziel? »Sozialismus« - »Frühsozialismus« - »Frühkommunismus« Das Dilemma des »Vaterländischen Krieges« zur Überwindung des Faschismus Das Problem des regionalen Sieges des Sozialismus in nur einem Lande und der Solidarität der kommunistischen Internationale Der Verfall der Kultur in zügellosem Imperialismus und Faschismus Vernichtungskriege und Völkerwanderungen Von der Kunst parteilicher Selbstkritik oder: Warum zersplittert der Kommunismus? Die Demagogien von »Gewaltenteilung«, »Rechtsstaat« und »Unrechtsstaat« Trotz alledem: »Und sie bewegt sich doch!« 10 Statt eines Vorwortes Geschichtsschreibung und Erinnerung an erlebte Geschichte Subjektive Gedanken und persönliche Erinnerungen aus der Zeit zwi- schen der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung in Deutschland 1945 und der imperialistischen Konterrevolution in Europa 1989 möchte ich hier notieren, nicht so sehr objektive Fakten und Daten. Ich beschränke mich also darauf zu erzählen, wie ein kirchlich und poli- tisch engagierter Christ und Bürger, zuweilen in Beratungsgremien, fast nie in Leitungsgremien eingebunden, also weder von »oben«, noch von »unten«, sondern aus einer Mittellage kirchlicher und politischer Exi- stenz heraus Höhe- und Wendepunkte dieser Geschichte erlebt und verstanden hat.2 Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen historischen Fakten und der Erinnerung daran. Dabei sind »aktenkundige Fakten« nicht einmal immer zuverlässiger als Erinnerungen. Denn