Weder Glanz Noch
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Deutschland „Ein Signal des Auf- CDU bruchs“ müsse vom Bon- ner Treffen ausgehen, Weder Glanz mahnt Hessen-Chef Ro- land Koch, der in knapp vier Monaten die erste noch Mut Landtagswahl nach dem Unionsdebakel im Bund Der Neuanfang nach 25 bestehen muß. Da dürfe sich die Partei „nicht solch Jahren Kohl droht Wolfgang irrsinnige Debatte an die Schäuble zu mißlingen. Backe hängen“. Sein Konzept für eine moderne Mit einem verjüngten, CDU wird nicht sichtbar. fein austarierten Füh- rungsteam wollte Schäuble orbert Blüm ist ein Kämpfer. Zur der CDU Zuversicht ein- Not nimmt es der scheidende Ar- hauchen. Aber die alten Nbeitsminister auch mit zwei Partei- Unionskämpen krallen vorsitzenden der CDU gleichzeitig auf – sich an ihren Posten fest, mit dem alten wie dem neuen. die jüngeren Aufsteiger Wolfgang Schäuble, der designierte verstrahlen wenig Glanz, neue, bittet ihn seit mehr als zwei und ihm selbst fehlt Mut Wochen eindringlich, beim Parteitag zum radikalen Neuanfang. Anfang November nicht wieder für einen Das Personal der Frak- Parteivize zu kandidieren. Fünf Kandi- tions- und Parteispitze daten kabbeln sich um vier Stellvertre- dürfe sich nicht sortieren terposten, einer wird notgedrungen wie ein Vogelschwarm durchfallen. Blüm will nicht zurück- zwischen zwei Stromma- stecken – obwohl er im Januar als Partei- sten, mahnt der nieder- chef in Nordrhein-Westfalen abtreten sächsische CDU-Vorsit- wird: „Ich glaube, daß ich noch gebraucht zende Christian Wulff: werde.“ „Einer klatscht in die Hän- Das rief den Patriarchen der Partei auf de, alle Vögel fliegen auf – den Plan. Es gehe nicht darum, wer sich ei- um kurz darauf wieder nen halben Stern mehr an die Brust heften auf demselben Kabel zu könne, erklärte Helmut Kohl am vorigen landen, nur an anderer Donnerstag im CDU-Vorstand seinem Stelle.“ REUTERS FOTOS: Weggefährten Blüm. Jeder müsse sich „in Als Parteivize will Designierter Parteichef Schäuble*: „Dann mache ich das“ die Gesamtverantwortung stellen“. Doch Schäuble vor allem Volker Blüm blieb bockig: Er werde kämpfen, weil Rühe, 56, neben sich haben. Von ihm könnte von den ungeduldigen Nachfolge- er für etwas stehe – den sozialen Flügel erwartet er weniger konzeptionelle Inspi- kandidaten daheim als vorzeitiges Rück- der Union. ration. Er schätzt den Hamburger als zugsignal gedeutet werden. Sie könnten Seit der NRW-Chef die Vize-Frage zum machtbewußten Instinktpolitiker, dessen ihm 2001 die Spitzenkandidatur im Ländle Richtungsentscheid stilisiert hat, bangt manchmal bollernde, rüpelige Gangart streitig machen. Schäuble um den Erfolg seines ersten Par- er in den Verbalgefechten mit Rot-Grün Eine vertrackte Lage für Schäuble: Jede teitags als CDU-Chef. Nichts kann der gut brauchen kann. Auch der Niedersach- Niederlage eines Vize-Kandidaten würde Kohl-Nachfolger weniger brauchen als ei- se Wulff ist Schäubles Wunschkandidat: als fatales Omen gedeutet. nen offenen Flügelkampf. Der 39jährige wäre das einzig neue Ge- Auch die Berufung von Angela Merkel sicht in seiner Stellvertreter- zur neuen Generalsekretärin half beim Po- runde. stenschieben nicht weiter. Als Stellver- Die Probleme für den neu- treterkandidatin war sie zwar weg, aber en Parteichef begannen, als das CDU-Statut fordert, daß mindestens sich neben der scheidenden eine Frau zur Vize-Runde gehören soll. Umweltministerin Angela Schäuble schlug deshalb Teufel wie Blüm Merkel, 44, gleich zwei Alt- eine Rochade vor. funktionäre für die Stell- Der Stuttgarter sollte seiner Kultus- vertreterwahl meldeten: ne- ministerin Annette Schavan den Vortritt ben Blüm der Stuttgarter lassen. Als Ministerpräsident hätte Teufel Ministerpräsident Erwin Teu- ohnehin Sitz und Stimme im CDU-Präsi- fel, 59. dium. Oder Christa Thoben, Stellvertre- Den blassen Schwaben- terin in NRW, möge an Stelle Blüms kan- Premier treibt vordringlich didieren, der Ex-Arbeitsminister könne die Sorge um, sein Verzicht anschließend aber als einfacher Präside auf den Stellvertreterposten gewählt werden. Mehr Rechte als die ein- fachen Präsidiumsmitglieder hätten die * Oben: mit Angela Merkel und Noch- Stellvertreter ohnehin nicht. Generalsekretär Peter Hintze; unten: Teufel und Blüm ließen sich jedoch nicht am Montag vergangener Woche auf einem Schnellboot der Bundesmarine überzeugen. Wenn kein elegantes Aus- Christdemokrat Rühe*: Bollern gegen Rot-Grün in Rostock. weichmanöver mehr gelingt, folgt auf dem 108 der spiegel 44/1998 Parteitag die offene Kampfabstimmung. Dabei kann jede Kandidatur scheitern, das Rennen ist völlig offen. Selbst Rita Süssmuth, frisch hinzugetre- tene Kandidatin der Frauen-Union, ist der Posten nicht sicher. Die CDU hat keine zwingende Quote für weibliche Bewerber. Nicht einmal den Frauen selbst gilt die 61jährige Noch-Präsidentin des Bundestags als Symbol des Aufbruchs. Er könne nicht mehr als einen ernsthaf- ten Führungsversuch machen und Ge- spräche führen, sagte Schäuble im Bun- desvorstand schon leicht resigniert. In ei- nem „System des Bitte und Danke“, das keines von Befehl und Gehorsam sei, ge- lange er aber „irgendwann ans Ende“. Auch in der Fraktion hatte Schäuble als Vorsitzender versucht, langgediente Stell- vertreter zum freiwilligen Rückzug zu be- wegen. Sie weigerten sich – und wurden abgestraft. Ex-Verteidigungsminister Ru- pert Scholz fiel am vorigen Donnerstag ebenso durch wie der ehemalige General- sekretär Heiner Geißler. Es reüssierten Nachwuchskader wie der Finanzexperte Friedrich Merz, 42. Die einfachen Abgeordneten erzwangen den Wechsel und zeigten damit mehr Mut als der neue Chef. Schäuble hatte die Idee verworfen, den schnittig-forschen Merz als Generalsekretär vorzuschlagen. Der zwei- te Mann der Partei dürfe nicht dem Vor- sitzenden „sehr ähnlich“ sein. Er müsse „die ganze Breite der Volkspartei dar- stellen“. Doch nach den Personaldebatten be- ginnt erst das eigentliche Problem der CDU: Sie muß sich entscheiden, in wel- che Richtung sie sich nach Kohls Abgang wendet. Will sie den Schulterschluß mit Ge- werkschaften und Kirchen suchen, sich „sozialer“ gebärden – wie Blüm, Geißler, aber auch ein junger Wilder, der Saarland- Chef Peter Müller, verlangen? Oder einen neoliberalen Kurs einschlagen, wie viele in der Jungen Union und der Fraktion for- dern? Oder sich gar dem Rechtsschwenk des Bayern-Premiers Edmund Stoiber anschließen, der als dringende Aufgabe der Union die Förderung eines „aufgeklärten Patriotismus“ sieht? Eine schnelle Rückkehr an die Macht er- wartet kaum einer in der Parteiführung, es sei denn, spottet ein CDU-Vorstand, „die anderen machen alles falsch, und wir ma- chen alles richtig“. Beides ist unwahrscheinlich. Schäubles Rolle wäre dann mehr Nachlaßverwalter denn Erbe des ewigen Kanzlers Kohl. Er müßte anderen den Weg in die Kanzler- schaft ebnen. Ihm selbst, so ließ er Anfang Oktober auf einer Klausur der NRW-Parlamentarier durchblicken, sind solche Gedanken nicht fremd.Wenn es seine Aufgabe sei, den Weg für den Bayern-Star Stoiber zu ebnen, so Schäuble, „dann mache ich das“. ™ der spiegel 44/1998.