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JAHRESTREFFEN DREI JAHRZEHNTE SCHNELLER TRAF IN FALL DER MAUER KEIN ANDERER Abschied von Dr. Rauball Erinnerungen aus Ost und spricht über und Premiere von Immel 14 West mit Doll und Littbarski 26 sein erstes Länderspiel 34 INHALT 2 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

6 DFB-All-Stars Premierenspiel gegen die Azzurri Legends in Fürth.

14 CdN-Jahrestreffen Eine Rückkehr, ein Abschied und zwei Geburtstage beim Wiedersehen in Hamburg.

26 30 Jahre Mauerfall über den Wende­ herbst 1989. INHALT CDN-MAGAZIN 40 | 2019 3

34 Mein erstes Länderspiel Uwe Rahn über sein ­spektakuläres Debüt 1984 gegen Schweden.

EDITORIAL DIE MANNSCHAFT AKTUELL IM BLICKPUNKT

Vorwort des Länderspiele gegen Zum 75. Geburtstag CdN-Vorsitzenden Argentinien und Estland von Günter Netzer Lothar Matthäus 4 WICHTIGE SEIN LEBEN, ERKENNTNISSE 22 EIN SEGEN 40

DFB-ALL-STARS 30 JAHRE MAUERFALL INSIDE CDN Legendenspiel gegen Italien in Fürth Thomas Doll über den Herbst ’89 Organisation aller SECHSER IM LOTTO 6 „CHAOS IN HERZ CdN-Angelegenheiten UND HIRN“ 26 TEAMWORK FÜR Jürgen Klinsmann im Interview LEGENDEN 42 „EIN PERFEKTES Der Berliner DREHBUCH“ 10 als DFB-Kapitän BLICK NACH DRÜBEN 30 DIAGONALPÄSSE Bilderbogen 44 ACHT STUNDEN ... ACHT STERNE 12 SERIE: MEIN ERSTES IN MEMORIAM 47 LÄNDERSPIEL

AKTUELL IM BLICKPUNKT Uwe Rahns Debüt 1984 RUNDE GEBURTSTAGE 48 „ E I N T R A U M , CdN-Jahrestreffen DEN ICH NICHT PERLEN IN HAMBURG 14 GETRÄUMT HATTE“ 34 JUBILÄEN 49

Regionales Treffen in ZEITZEUGEN Der neue DFB-Präsident Fritz Keller Oskar Schmitt über STARKER AUFTRITT 18 das WM-Finale 1954 Bilderbogen ALLES RICHTIG ECHTE FREUNDE 20 GEMACHT 38 EDITORIAL 4 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

„WIR KÖNNEN TÜREN ÖFFNEN“

Liebe Freunde,

für unseren Club der Nationalspieler gab es in den vergan­ mich an das zweite Jahrestreffen unseres Clubs vor zehn genen Wochen mehrere große Veranstaltungen: darunter das ­Jahren erinnert. Das Treffen fand damals ebenfalls in Hamburg Jahrestreffen in Hamburg am Rande des Länderspiels gegen statt, ich war zum ersten Mal dabei. Und auf dem Spielfeld im die Nieder­lande und die Premiere der neuen DFB-All-Stars mit Spiel gegen Finnland standen Adler, Westermann, Gentner dem Spiel gegen die Azzurri Legends in Fürth. Bei beiden und Trochowski. Diese Vier sind für mich gute Beispiele für Veranstal­tungen konnte ich leider nicht anwesend sein. Ich das, was den Club ausmacht. Überhaupt habe ich festgestellt, möchte diese Plattform hier nutzen, um zu betonen, wie sehr dass immer mehr Spieler, die in den vergangenen zehn, ich dies bedauere. Und ich bitte um Verständnis. Ich glaube, 15 Jahren noch auf dem Spielfeld aktiv waren, inzwischen Ihr kennt das: Es gibt Konstellationen, bei denen man Kompro­ ­präsente Mitglieder des CdN sind. Unser Club wird jünger – misse eingehen muss und nicht allen Seiten gerecht werden diese Entwicklung finde ich sehr positiv. Ich hoffe, dass sie kann. Es war jeweils so, dass ich andere und sogar noch wich­ sich in unserem Kreis wohlfühlen und dass sie das Zusam­men­ tigere Termine hatte, privat und beruflich, und leider ließen gehörigkeitsgefühl,­ dieses besondere Miteinander erleben sich diese­ auch nicht verschieben. Kurz: Es ging einfach nicht. und genießen. Aber glaubt mir – mein Engagement und mein Ehrgeiz für unseren Club der Nationalspieler sind ungebrochen. In diesem Zusammenhang freue ich mich ganz besonders, dass in Hamburg erstmals den Weg in den Beim Blick auf die Teilnehmerliste des Jahrestreffens in Hamburg CdN gefunden hat. Eike und ich kennen uns schon lange, sind mir die Namen René Adler, Heiko Westermann, Christian ­angefangen mit diversen Auftritten in den Junioren-National­ Gentner und ins Auge gesprungen. Sie haben mannschaften bis hin zu unserer gemeinsamen Zeit beim EDITORIAL CDN-MAGAZIN 40 | 2019 5

A-Team. Er hat schwierige Zeiten durchgemacht, das wissen die Italiener! An dieser Stelle möchte ich mich bedanken. Bei wir alle. Nun ist er wieder da, er hat sich gefangen, ihm geht allen Spielern, bei und Andy Brehme, bei den Ver­ es besser. Dies zu sehen, ist einfach nur schön! Ich kann mir antwortlichen im DFB hinter den Kulissen. Auch bei unseren vorstellen, dass es für ihn nicht einfach war, zum Treffen nach italienischen Freunden, die mit einer­ tollen Mannschaft ange­ Hamburg zu kommen. Ich kann ihn da auch verstehen. treten sind. Die Premiere war ein voller Erfolg. Trotzdem bin Aber jetzt hat er erlebt, wie sehr er bei uns willkommen ist! ich sicher, dass an der einen oder anderen Stelle noch Opti­ Er hatte einen tollen Abend! Und alle haben sich gefreut, ihn mierungen möglich sind. Künftig will ich meinen Teil dazu mal wiederzusehen! leisten, das Potenzial solcher Spiele noch besser auszureizen.

Für mich ist er damit ein gutes Beispiel. Spieler, die ein biss­ chen in Vergessenheit geraten sind, die Probleme haben, Herzliche Grüße, ­gesundheitliche oder wirtschaftliche, sollen erkennen, dass Euer wir als CdN für sie da sind. Wir können Türen öffnen, wir ­können Halt geben, wir können zuhören und wir können ­helfen, wo und wie wir können.

Ein Wort noch zum Legenden-Länderspiel. Wie gesagt: Wie gerne hätte ich mitgemacht! Zumal in Fürth, quasi 20 Kilo­ Lothar Matthäus meter vor meinem Heimatort Herzogenaurach. Zumal gegen CdN-Vorsitzender DFB-ALL-STARS 6 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

DFB-ALL-STARS: VISITENKARTE DES CDN SECHSER IM LOTTO

Deutschland gegen Italien – ein großer Klassiker des europäischen ­Fußballs. Deutschland gegen Italien – mit dem Duell der Altinternationalen feierte am 7. Oktober 2019 eine weitere Auswahlmannschaft des Deutschen Fußball-Bundes ihre Premiere – die DFB-All-Stars, das Aushängeschild des Clubs der National­spieler. Ein gelungener Start! In ein neues Kapitel? DFB-ALL-STARS CDN-MAGAZIN 40 | 2019 7

SECHSER IM LOTTO

lles war gut an diesem 7. Oktober in Fürth. Gute Braun-Stiftung. Vier Weltmeister aus den vier deutschen Welt­ ­Unterhaltung für die Zuschauer auf den Rängen. Guter meister-Teams überreichten den Scheck: Horst Eckel (1954), Fußball von guten Fußballern auf dem Spielfeld. Gut Berti Vogts (1974), Jürgen Klinsmann (1990) und Roman Wei­ Awar auch das Ergebnis bei dieser Premiere der DFB- denfeller (2014). Eine gute Tat für einen guten Zweck! All-Stars gegen die Azzurri Legends. 3:3. Entsprechend gut war die Stimmung hinterher beim fröhlichen Zusammensein Die guten Spieler wurden angeleitet von guten Trainern. beider Teams. Gut war auch die Aktion, die sich die deutsche Mehr als das. Vier Weltmeister als Spieler auf den beiden Trainer­ Mannschaft hatte einfallen lassen: Spieler­ und Trainer spende­ bänken – Berti Vogts (1974) und sein Co-Trainer Andy Brehme ten 10.000 Euro für die „Initiative Kinderträume“ der Egidius- (1990) sowie und (beide 1982). DFB-ALL-STARS 8 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

Dazu etliche Weltmeister auf beiden Seiten auf dem Spielfeld; ­attraktiver geht kaum. Mit , dem Weltfuß­ baller 2006, mit , Francesco Totti, Gennaro ­Gat­tuso, Gianluca Zambrotta, Christian Zaccardo, Simone ­Perrotta, und Fabio Grosso hatte Italiens Fußball­ verband neun Stars aus seinem Weltmeister-Team 2006 ­nominiert. Dazu die Altmeister (64) und (60), zwei Weltmeister von 1982. 1 ZEHN JAHRE ÄLTER 2 3

Das DFB-Team hielt mit klangvollen Namen dagegen. Welt- und/oder Europameister wie Jürgen Klinsmann, Guido Buch­ wald, oder waren ebenso dabei wie die 2006-Sommermärchen-Sympathieträger ­, , David Odonkor, Gerald Asa­ moah und . Dazu Marko Rehmer, Vizewelt­ meister 2002, oder Roman Weidenfeller, der Torwart aus dem Weltmeister-Kader 2014. Und nicht zu vergessen , Perry Bräu­tigam, , , Piotr ­Trochowski, Alexander Zickler und Philipp Wollscheid.

Im Schnitt waren die Italiener zehn Jahre jünger. Darauf wies auch Berti Vogts in seiner Ansprache vor dem Spiel hin. „Das sind gute Fußballer“, sagte Vogts zudem. „Wichtig ist, dass Ihr 5 miteinander spielt. Ich will keine Egoismen sehen. Spielt ein­ fach, sucht den Nebenmann, helft Euch. Wenn Ihr das macht, wird es für die Italiener ganz schwierig, Euch zu schlagen.“

Und es wurde schwierig. Zunächst sah es sogar so aus, als würden die Gastgeber den Platz tatsächlich als Sieger ver­ lassen. 2:0 waren die DFB-All-Stars nach einem Eigentor von Cannavaro (10.) und einem Treffer von Jürgen Klinsmann (19.) in ­Führung gegangen. Es war bemerkenswert, mit welchem ­Willen die Spieler in den weißen Trikots agierten, wie sie ­umsetzten, was Berti Vogts vorgegeben hatte: sie halfen sich, spielten einfach und effizient.

Dann wendete sich das Blatt. Luca Toni (21.), stürmisch ge­ feiert von den vielen Tifosi unter den 6.500 Zuschauern, 8 Francesco Totti (34.) und Damiano Tommasi (79.) brachten die Azzurri Legends in Front. Doch die DFB-All-Stars wollten ­dieses Spiel nicht ver­lieren. Noch einmal wurden letzte Kräfte mobilisiert, noch einmal die eigenen Grenzen überschritten und damit Chancen erspielt. Neuville und Klinsmann schei­ terten zunächst, dann aber sorgte der Jüngste unter den ­Senioren für die Erlösung. Philipp Wollscheid (30) sorgte mit der letzten Aktion des Spiels für den verdienten Ausgleich. 3:3 – damit hatten beide Mannschaften gewonnen, sechs ­Tore, ein Sechser im Lotto. Als Acht-Sterne-Treffen war sie an­ gekündigt, die Begegnung der Altinternationalen der jeweils viermaligen Weltmeister. Eine Acht-Sterne-Gala ist es gewor­ den, dieses Spiel der Legenden­ aus Deutschland und Italien. DFB-ALL-STARS CDN-MAGAZIN 40 | 2019 9

1_Gute Sache. Die All-Stars spenden 10.000 Euro für die „Initiative Kinderträume“ der DFB-Stiftung Egidius Braun. 2_Hitzkopf? lässt Dampf ab. 3_Andrea Pirlo und Piotr Trochowski. 4_Berti Vogts hat alles unter Kontrolle. Es gab niemanden, der sich nicht begeistert äußerte. 5_Hinfallen, aufstehen, rennen: David Odonkor. „Ein ­tolles Spiel, ein toller Abend“, sagte Bruno Conti. 6_Ulf Kirsten lässt seinen Ärger raus. ­„Dieses Spiel war Werbung für den Fußball“, fand Thomas 7_Mit letzter Kraft: bedankt sich bei den Fans. Berthold. „Wir hatten Spaß, die Zuschauer hatten Spaß. 8_Unentschieden – gewonnen. Auch die Azzurri Legends Es sind sechs Tore gefallen, was will man mehr?“, fragte fühlen sich als Sieger. ­David Odonkor. Soweit­ die Spieler. Und die Verbandsspitze? 9_Ausgleich mit der letzten Aktion. Jens Nowotny jubelt War auch begeistert. „Wir haben es jetzt geschafft, auch mit dem Torschützen Philipp Wollscheid. beim DFB ein Legendenspiel auf die Beine zu bringen. Man merkte, welch großen Spaß alle Spieler hatten. Und es 4 ­machte großen Spaß, ihnen dabei zuzuschauen“, sagte der 1. DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch.

BEGINN EINER NEUEN ÄRA?

Das Debüt der DFB-All-Stars war eine gute Visitenkarte auch für den Club der Nationalspieler. Fürth fügt sich in das Vor­ haben, dem Club zu einem schärferen Profil und höherer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zu verhelfen. Die Verbin­ dung zu den Fans soll gefördert und gefestigt, die Interaktion ausgebaut werden. So wie nach dem Spiel gegen die Azzurri Legends, als die Spieler noch lange Autogramme schrieben, für Selfies posierten und mit den Fans sprachen. In diesem 7 Sinn verstehen sich die DFB-All-Stars als sportliches Aus­ hängeschild des CdN und genauso als Brücke zu den Fans. 6 Davon ist der 73-jährige Schorsch Volkert „voll überzeugt“. Für den zwölfmaligen Nationalspieler war es eine Selbstver­ ständlichkeit, das Spiel vor Ort zu verfolgen. Und nicht nur, weil er in der Nähe wohnt und daher eine kurze Anreise hatte. Mitspielen kann er nicht mehr, mitfiebern sehr wohl. Schon jetzt ist er Fan der neuen DFB-All-Stars. „Ganz sicher wird sich jedes CdN-Mitglied mit diesem Team und seinem Auftreten identifizieren. Diese Zusammenstellung aus erfahrenen und jüngeren Spielern spiegelt doch das personelle Profil unseres Clubs wider. Der Zusammenhalt und die Grundidee unseres Clubs werden damit gefördert“, sagte er.

Mit den All-Stars will der DFB auch verbandspolitische Zeichen setzen. Der internationale Terminkalender mit seiner größer 9 werdenden Anzahl an Turnier- und Pflichtspielen lässt die Austragung von Freundschaftsspielen auf A-Team-Niveau gegen hochklassige Gegner wie Italien zunehmend schwieriger werden. „Daher kommt einer Begegnung wie jetzt in Fürth zwischen den Altinternationalen unserer Verbände eine noch größere Bedeutung zu, um die freundschaftlichen Beziehungen zwi­ schen den einzelnen Ländern und Verbänden zu festigen und zu vertiefen“, sagte DFB-Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius.

Fortsetzung folgt? Keine Frage: Bereitschaft ist vorhanden. Jens Nowotny spricht im Namen aller Spieler, wenn er sagt: „Aus diesem ersten Kapitel kann eine große Geschichte werden. Und für den CdN eine neue Ära.“ Wolfgang Tobien DFB-ALL-STARS 10 CDN-MAGAZIN 40 | 2019 DFB-ALL-STARS CDN-MAGAZIN 40 | 2019 11

„EIN PERFEKTES DREHBUCH“

Jürgen Klinsmann (55) wurde als Spieler 1990 in Italien Weltmeister, bei der Europa­ meisterschaft 1996 in England führte er Deutschland als Kapitän zum Titel. Bei der ­ Heim-WM 2006 war er Trainer einer begeisternden deutschen Mannschaft. Klinsmann hat viel gesehen und viel erlebt. Nun kommt eine weitere Erfahrung hinzu. Bei der Premiere der neuen DFB-All-Stars hat er das deutsche Team im Spiel gegen die Azzurri Legends (3:3) als Kapitän aufs Feld geführt. Im Interview spricht er über den Abend in Fürth und über eine mögliche Zukunft solcher Legendenspiele.

Herr Klinsmann, Sie waren sofort be- ihre Tochter oder das Enkelkind mitzu­ ­Diagonalpässen das Spiel verlagert. Das geistert für das Thema DFB-All-Stars. nehmen, dann war das Spiel schon ist auch heute noch ein Genuss. Warum glauben Sie, dass Spiele von deswegen ein großer Erfolg. Legenden-Mannschaften eine Berei- Und bei den DFB-All-Stars? cherung für den DFB und den Fußball Und sportlich – wie bewerten Sie das insgesamt sind? 3:3 gegen die Azzurri Legends? Aus Trainerperspektive war es für mich schön, meine Jungs von 2006 wiederzu­ Für Tottenham Hotspur und Inter Mai­ Es ging natürlich in erster Linie um sehen. David Odonkor ist rauf und runter land habe ich an solchen Spielen auch Spaß – aber alle, die da unten auf dem gerannt ohne Ende, er ist fast noch schon teilgenommen. Das war jeweils Platz waren, wollen gewinnen. Des­ schneller geworden als früher. Auch Oli­ großartig. Die Grundidee ist einfach wegen waren sie mal Profisportler, weil ver Neuville. Was der für einen Biss hatte. richtig gut. Solche Spiele verbinden sie ehrgeizig sind und weil sie es nicht Bei ihm dachte ich oft, jetzt geht nichts mehrere Generationen von Spielern, leiden können, Spiele zu verlieren. Die­ mehr, jetzt ist er tot. Und in der nächs- und genauso von Fans, die mit diesen sen inneren Antrieb wird niemand von ten Sekunde ist er wieder abge­zogen, Spielern mitgelitten und sich mitgefreut uns jemals verlieren – der ist einfach da. ­Wahnsinn. Überhaupt: Wie sich alle rein­ haben. Deswegen finde ich es schön, gehängt haben, war einfach stark. Da dass der DFB diese Initiative ergriffen Philipp Wollscheid hat mit der letz- ­könnte ich jeden nennen, Michael Schulz hat. Und deswegen habe ich mich so ten Aktion den Ausgleich erzielt. Wie vielleicht ganz besonders, aber im Grun­ auf den Abend gefreut. wichtig war das Tor zum 3:3 für Ihren de wirklich alle. Bei allen war zu spüren, Blick auf das Spiel? dass sie ihre Grenzen kennenlernen und Jetzt ist das Spiel gespielt, Sie haben sie überwinden wollten.­ Ein paar Tage die Mannschaft als Kapitän geführt. Auch ohne den Ausgleich wäre es ein lang werden bei Vielen viele Knochen Wie fällt Ihr Fazit der Premiere der toller Abend gewesen, aber so war es wehtun. Aber niemand­ wird das bereuen. DFB-All-Stars aus? einfach ein perfektes Drehbuch. Mich hat es auch für den Philipp gefreut, mit Wie ist Ihre Vorstellung der Zukunft Es hat sich alles erfüllt, was wir uns von seiner Jugend und insgesamt hat er von All-Star-Spielen? War das heute diesem Spiel erhofft haben. Vor allem ­unserer Mannschaft sehr gutgetan. Dass etwas Einmaliges? hat es richtig viel Spaß gemacht. Wir das Spiel dann Remis ausgeht, ist so et­ bringen die Spieler mehrerer Genera­ was wie ein Sechser im Lotto. Ich glaube, Für mich könnten All-Star-Spiele eine tionen wieder zusammen. Wir bringen dass es niemanden gibt, der das Stadion neue Stufe des CdN werden. Ich kann mir sie auch wieder näher zum DFB. Und in Fürth unzufrieden verlassen hat. da viele Modelle vorstellen: Vier-Natio­nen-­ genauso die Fans. Für uns war es schön Turniere, kleine Europameisterschaften. zu erleben, wie groß die Identifikation Gab es Spieler, von denen Sie beson- Insbesondere im Golf, aber auch im noch ist. Es ist einfach eine Verbindung ders beeindruckt waren? ­Tennis gibt es sehr erfolgreiche Senioren- da, die über das Spielfeld hinausreicht. Touren. Warum sollte etwas Vergleichbares Die Spieler stehen für bestimmte Cannavaro war schon stark, der Typ ist nicht im Fußball funktionieren? Vielleicht Höhe­punkte, und damit auch für die einfach faszinierend, ein Fels in der wird man eines Tages sagen, dass das Fans für viele prägende Erlebnisse. Brandung. Auch Pirlo. Wie er das Spiel Spiel gegen die Azzurri Legends der erste Vielfach verbinden die Fans mit den dirigiert, in einer Ruhe, in einer Gelas­ Schritt zu dieser Entwick­lung war. Ich Spielern wertvolle Erinnerungen. Und senheit. Das sind schon tolle Fußballer. kann für alle Spieler sprechen: Es war ein wenn sie das motiviert, ins Stadion zu Totti nicht zu vergessen. Wenn er seine großes Vergnügen! gehen und im besten Fall ihren Sohn, Trickkiste auspackt oder mit seinen Interview: Steffen Lüdeke

DFB-ALL-STARS 12 CDN-MAGAZIN 40 | 2019 ACHT STUNDEN ... DFB-ALL-STARS CDN-MAGAZIN 40 | 2019 13

... ACHT STERNE JAHRESTREFFEN IN HAMBURG 14 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

PERLEN IN HAMBURG

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Eine Rückkehr, ein Abschied und zwei Geburtstagskinder – das Jahres­ treffen des Clubs der National­spieler im Rahmen des Länderspiels­ ­gegen die Niederlande in Hamburg war eine gelungene Veranstaltung. Besonders erfreulich war, 4 wie sich Generationen und Regionen miteinander vermischten.

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or drei Jahren ist Eike Immel heimgekehrt nach Stadtallen­ dorf. Von dort war er 1975 als 2 V15-Jähriger weggegangen, um in der mit mehr als 500 Spielen und in der Nationalmannschaft bei 19 Einsätzen Karriere als Fußball­ profi zu machen. Seit diesem Sommer ist er Trainer der Zweiten Mannschaft von Eintracht Stadtallendorf in der Mar­ burger Kreisliga A. Und jetzt, im Herbst 2019, hat er zurückgefunden in den Kreis einstiger Mitstreiter, älterer und jüngerer Kollegen aus der National­ mannschaft. „Ich hatte viel zu bewäl­ tigen und zu überstehen, und brauchte 3 viel Zeit, um mich in meinem Leben wieder zurechtzufinden“, sagt er. Zu­ rückgekehrt ist er in den Kreis des Clubs der Nationalspieler bei einem ganz be­ sonderen Anlass – dem Jahrestreffen 2019 im Rahmen des Länderspiels ge­ gen die Niederlande in Hamburg.

Lange hat es gedauert, bis sich der ­inzwischen 58 Jahre alte ehemalige ­Torwart entschloss, erstmals an einem 6 Treffen des 2008 gegründeten CdN teilzunehmen. Turbulente Jahre, eine 1_, . harte Zeit voller gesundheitlicher, pri­ 5 2_, Rüdiger Abramczik. vater und finanzieller Probleme liegen 3_Knut Reinhardt, , inzwischen hinter Immel. Und ent­ Thomas Helmer. sprechend groß war die Wiedersehens­ 4_Jens Nowotny, René Adler, freude; auf beiden Seiten. Es war so Simon Rolfes. ­etwas wie die Heimkehr eines verlore­ 5_Eike Immel, Dr. Reinhard Rauball. nen Sohnes. „Eike war einer von uns und 6_Dieter Zembski, Stefan Reisch. er bleibt natürlich einer von uns“, sagte 7_Philipp Wollscheid, Stefan Reinartz. der neun Jahre ältere Hannes Bongartz. 8_Horst Heldt, . Dr. Reinhard Rauball, der beim CdN- 9_, . Jahrestreffen als Interims-Präsident des 10_Rainer Ernst mit Ehefrau. DFB zugegen war, unterhielt sich lange 11_, Bruno Labbadia, und intensiv mit Immel. Die beiden , . ­kennen sich seit rund 40 Jahren aus 12_, . ­gemeinsamen Dortmunder Tagen. 13_, Jens Nowotny. 9 14_Stefan Beinlich, . Dr. Rauball nimmt Abschied

„Dieses zwölfte große Zusammensein verdeutlicht, welch konstante, verläss­ liche und anerkannte Größe diese Insti­ tution in unserem DFB inzwischen ist. Der DFB ist dankbar und wird nie ver­ gessen, zu welch hohem weltweiten Ansehen und welch großer Wertschät­ zung ihr Auftreten, ihre Leistungen und großartigen Erfolge den deutschen Fußball geführt haben“, sagte Dr. Rauball in seiner Begrüßungsrede, die auch eine Art Abschiedsrede war. Mit dem DFB- 14 Bundestag am 27. September schied er

13 JAHRESTREFFEN IN HAMBURG 16 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

nach zwölf Jahren aus dem DFB-Präsi­ dium aus. In Hamburg sagte Dr. Rauball am Ende seiner Rede: „Der DFB braucht Sie vor allem aber weiterhin als Re­prä­ sentanten, Vorbilder und Botschafter für seine vielfältigen sportlichen und gesellschaftspolitischen Aufgaben. Ich persönlich bin heute aber zunächst ein­ mal glücklich, so viele gute Bekannte und 1 2 mir freundschaftlich verbundene Fuß­ 5 ballspieler anzutreffen. Ich wünsche allen 1_, viel Spaß und einen schönen Abend.“ Perry Bräutigam, Eike Immel. 2_Alfred Heiß, Karl-Heinz Thielen. Von Abramczik bis Zewe 3_Hans-Jürgen Ripp, Jimmy Hartwig, Caspar Memering, Bernard Dietz. Fußballprominenz aus Ost und West 4_Uwe Bein, . war auch diesmal in hoher Zahl ver­ 5_, treten. Von A wie Abramczik und Allofs mit Begleitung. bis Z wie Zapf und Zewe, unter ihnen 6_, Georg Volkert, zahlreiche Weltmeister, Olympiasieger Bernard Dietz, Karlheinz Förster. und Europameister. Es war wie ein Klas­ 7_Gerd Strack, Hannes Bongartz. sentreffen ohne Altersbegrenzung mit 8_Jörg Heinrich, Marko Rehmer. 60 Jahren Altersunterschied zwischen 9_, Rudi Kargus. dem 90-jährigen Willi Sippel aus dem 10_Perry Bräutigam, Bruno Labbadia, ehemaligen Saarland-Nationalteam bis . hin zu Philipp Wollscheid und Stefan 11_Wolfgang Seguin, , Reinartz mit gerade mal 30 Jahren. . 12_, Uli Borowka, Das Jahrestreffen hatte zwei Geburts­ Manfred Schwabl. tagskinder – mit ein wenig Schummeln. 13_Bernd Dörfel, . Holger Fach, der Abwehrchef aus dem 14_Caspar Memering, Bernard Dietz. Westen, wurde 57 Jahre alt; Andreas 15_Rainer Nachtigall (ganz links), Thom, der Ausnahmestürmer aus dem Manfred Walter (ganz rechts). Osten, stand am Abend des 6. Sep­ 16_, Gerd Backhaus, tember Stunden davor, 54 zu werden. Otto Fräßdorf. Beide gratulierten einander mit herz­ licher Umarmung und verdeutlichten 8 9 damit, was längst eine Selbstverständ­ lichkeit ist: Aus dem früheren Neben­ einander der Nationalspieler aus West und Ost ist ein Miteinander geworden. So wurden an diesem Abend Rüdiger Abramczik und Torsten Gütschow, die einst so unwiderstehlichen Flügel­ stürmer von Schalke 04 und Dynamo , Arm in Arm gesehen, plau­ derten Wolfgang Seguin und Bruno Labbadia miteinander oder starteten Bernard Dietz, der Kapitän der Europa­ meister von 1980, und Joachim Streich, der Rekordspieler und Rekordschütze der DDR-Nationalmannschaft, mit einem 12 gemeinsamen Frühstück in den Tag 16 ­dieses harmonischen Jahrestreffens. ­Eines Beisammenseins, dem Eike Immel mit seiner Rückkehr in den Kreis der Ehemaligen eine besonders schöne Note­ hinzufügte. Wolfgang Tobien JAHRESTREFFEN IN HAMBURG CDN-MAGAZIN 40 | 2019 17

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14 REGIONALES TREFFEN IN DORTMUND 18 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

STARKER AUFTRITT

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as Regionale Treffen des Clubs der Nationalspieler in Dortmund war ein Wiedersehen alter Bekannter, bei dem sich der neue DFB-Präsident viele neue Freunde Dmachte. Fritz Keller gesellte sich in den Kreis der Alt­ internationalen und stellte sich, unaufgeregt und ­unprätentiös, als neuer DFB-Präsident den ehemaligen Nationalspielern vor. 13 Tage vorher war Keller von den Delegierten des DFB-­ Bundestags in am Main ohne Gegenstimme zum 13. Präsidenten in der Geschichte des Deutschen Fußball- Bundes gewählt worden. In Dortmund erlebte der frühere Präsident des SC Freiburg nun sein erstes Länderspiel als oberster Repräsentant des DFB. 2 Und damit auch sein erstes Regionales Treffen des Clubs der Nationalspieler. Von Tisch zu Tisch ging Keller, mit jedem Ein­ zelnen wechselte er ein persönliches Wort. Kurz reingehört: „Demnächst komme ich zu Ihnen nach “, versprach er , Werders Aufsichtsrats-Vorsitzendem. „Wir haben uns ja schon gestern gesprochen“, sagte er zu Jürgen Croy, dem Torhüter des DDR-Olympiasieger-Teams von 1976, der am Abend zuvor Ehrengast des Jahrestreffens des Vereins „Freunde der Nationalmannschaft“ war. „Spielt Ihr Sohn auch Fußball?“, erkundigte er sich beim siebenmaligen National­ spieler Knut Reinhardt. Als Grundschul-Lehrer für Mathematik und Sport muss dieser sich eigentlich keine Sorgen über seine Altersversorgung machen, urteilte jedoch über den an seiner Seite stehenden Filius Nick scherzhaft: „Sein linker Fuß 3 sichert mir später die Rente.“

4 5 REGIONALES TREFFEN IN DORTMUND CDN-MAGAZIN 40 | 2019 19

1_Fritz Keller mit und Mirko Votava. 2_Fritz Keller und Herbert Laumen. 3_Fritz Keller begrüßt Wolfgang Paul. 4_Fritz Keller und Siggi Held. 5_Sebastian Kehl, Fritz Keller, Roman Weidenfeller. 6_Fritz Keller im Gespräch mit Marco Bode. 7_Lothar Kurbjuweit, Jürgen Croy, Fritz Keller, Joachim Streich. 8_Knut Reinhardt und Fritz Keller. 9_Fritz Keller und . 10_Fritz Keller begrüßt Michael Schulz.

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Keller war anzumerken, wie wohl und willkommen er sich im Kreis des Clubs der Nationalspieler fühlt und auch, welchen Respekt er vor den Erfolgen und Leistungen der Ehemaligen hat. Keller präsentiert sich gleichwohl als Präsident ohne ­Berührungsängste. Dort eine herzliche Umarmung mit ­, hier ein Klaps auf die Schulter von Willi ­Neuberger. Dort ein „Schön, dass Sie hier sind“ zu Joachim Streich, hier ein kräftiger Händedruck mit Hannes Bongartz. Dort ein „Wunderbar, dass ich Sie kennenlerne“ zu Siggi Held, hier ein längeres Gespräch mit Otto Rehhagel, der in Dortmund gern gesehener Gast im Kreis des CdN war. „Holt mir mal nen Hocker“, scherzte er, als das Foto mit und Roman Weidenfeller geschossen wurde. 8

Mit Menschen kann der neue Präsident – das wurde am Rande des Länderspiels gegen Argentinien einmal mehr deutlich. Keller nahm sich Zeit, er fachsimpelte über die großen Partien zwischen Deutschland und Argentinien und strahlte aus, mit welcher Begeisterung er in sein neues Amt startet. „Herr Keller hat mich mit seiner lockeren und dennoch ­sou­veränen Art stark beein­ druckt“, sagte Harald Irmscher, 1972 Bronzemedaillengewinner mit dem DDR-Olympiateam und 1974 WM-Teilnehmer zu der bemerkenswerten, weil nicht alltäglichen­ Vorstellungstour des neuen Verbandschefs. ­Irmscher sprach damit aus, was alle emp­ fanden. Und auch Irmschers Schlusswort ist keine Einzelmeinung: „Fritz Keller tut dem DFB gut. Als Präsident wird er mit Sicherheit­ die Weichen­ für eine positive Zukunft stellen.“ Wolfgang Tobien 9

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1_Thomas Helmer, Mirko Votava. 2_Siggi Held, Wolfgang Paul. 3_Toni Schumacher, Eike Immel. 4_Jürgen Croy, Joachim Streich, Christa Croy. 5_Willi Neuberger, Siggi Held. 6_Rüdiger Schnuphase, .

11 REGIONALES TREFFEN IN DORTMUND CDN-MAGAZIN 40 | 2019 21 ECHTE FREUNDE

Vier Tore auf dem Rasen, vier Generationen beim Regionalen Treffen des CdN im Signal-Iduna-Park. Von Wolfgang Paul, dem Kapitän der 1966er-Europapokalsieger- Mannschaft, über und Andy Möller, den Europameistern von 1996, bis hin zu Roman Weidenfeller, dem Weltmeister von 2014. 2:2 hieß es am Ende zwischen Deutschland und Argentinien – die vier Treffer bildeten eine würdige Begleitung für ein gelungenes Treffen des CdN.

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7_Willi Neuberger, Theo Redder. 8_Michael Rummenigge, Andy Möller. 9_Mirko Votava, Otto Rehhagel, Christoph Daum. 10_Christian Wörns, Matthias Sammer. 11_Hannes Bongartz, Michael Schulz. 12_Eike Immel, Knut Reinhardt. AKTUELL IM BLICKPUNKT 22 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

1 WICHTIGE ERKENNTNISSE­ AKTUELL IM BLICKPUNKT CDN-MAGAZIN 40 | 2019 23

Nach einem 2:2 im Prestigeduell in ­Dortmund gegen Argentinien hat die ­deutsche Nationalmannschaft beim 3:0 in Tallinn gegen Estland ihre Pflicht erfüllt und drei wertvolle Punkte im Rahmen der Qualifikation für die EURO 2020 mit nach Hause genommen. Am Ende einer ungewöhnlichen Länderspielphase hat Deutschland vier neue Nationalspieler und Joachim Löw viele neue Erkenntnisse gewonnen.

ür seine Analyse holte Joachim Löw ein wenig aus. Der Bundestrainer sprach über die vielen Absagen vor dem Lehrgang, die personellen Probleme, die sich auch F­danach Tag für Tag verschärft hätten, die Jugend der Mannschaft, die neuen Gesichter. Die Nationalmannschaft befindet sich im Umbruch, darauf wies Löw einmal mehr hin. Auch auf die Ausschläge nach oben und unten, die bei einem solchen Prozess normal wären.

Löw blickte auf die vergangenen Monate, auf Licht und Schat­ ten, wobei für Löw die hellen Momente überwiegen. Und es stimmt ja auch: Seit dem Neubeginn im Frühjahr 2019 hatte die Nationalmannschaft schon viele gute Momente, diverse exzellente sogar, was fehlte, war die Konstanz. Ein Spiel über 90 Minuten auf hohem Niveau, von Anpfiff bis Abpfiff, war ihr sehr selten gelungen. Es fehlte mitunter die Mitte, die Ba­ lance, die Kunst, Angriffswirbel und Stabilität zu vereinbaren. Im Herbst 2019 hat sich dies geändert, so jedenfalls die erste Deutung der Löw´schen Analyse. „In der ersten Halbzeit ­haben wir ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht“, sagte der ­Bundestrainer. Und nach ein paar weiteren Ausführungen: „In der zweiten Halbzeit haben wir eine gute Reaktion gezeigt.“

45 gute Minuten, plus 45 gute Minuten, in Summe: 90 gute Minuten. Alles gut also? Nicht ganz. Die Einschränkung ist nicht klein und sie gilt, weil Löw über 180 Minuten Fußball sprach, er redete im Plural, über die Spiele gegen Argentinien und Estland. Die Fakten: Im Spiel in Dortmund gegen Argen­ tinien stand am Ende ein 2:2, im Spiel in Tallinn im Rahmen der Qualifikation für die EURO 2020 am Ende ein 3:0-Erfolg. 2 Die Folgen: Im Wettbewerb um die Startberechtigung beim Europa-Turnier im kommenden Sommer liegen Deutschland und die Niederlande mit jeweils 15 Punkten aus sechs Spielen an der Spitze der Gruppe C, gefolgt von Nordirland mit zwölf Punkten. Vor den abschließenden Spielen im Novem- ber in Mönchengladbach gegen Belarus (16.11.) und dem 1_Serge Gnabry trifft, wie er will. In seiner Bilanz stehen ­Finale gegen Nordirland in Frankfurt (19.11.) ist die Chance nun zehn Tore in elf Länderspielen. für Löw und seine Mannschaft groß, auf einem der ersten 2_Ein Spieler weniger, drei Tore mehr. Deutschland holt ­beiden Plätze einzulaufen und damit auf direktem Weg ein drei wichtige Punkte in Estland. EM-Ticket zu lösen. AKTUELL IM BLICKPUNKT 24 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

Der Lehrgang Oktober 2019 war ein besonderer; insbeson­ dere mit Blick auf das kickende Personal. Kurzfristige Absagen vor Länderspielen ist der Bundestrainer gewohnt. Klar, hier eine Verletzung, dort eine Krankheit, das kommt schon vor. In der Häufung wie vor dem Treffen in Dortmund – das hatte Löw noch nie erlebt. Zu den schon länger verletzten Leroy Sané, Antonio Rüdiger, Leon Goretzka, Nico Schulz, Julian Draxler und Thilo Kehrer gesellten sich kurzfristig , Jonas Hector und Matthias Ginter. Hinzu kamen Timo Werner, Ilkay Gündogan und Niklas Stark, die für das Spiel gegen Argen­ tinien aus unterschiedlichen Gründen passen mussten. ­Mathematiker haben ausgerechnet: 13 Spieler standen Löw nicht zur Verfügung – Rekord.

Löw machte aus der Not eine Jugend und schenkte sein ­Vertrauen Spielern, die bis dahin nur in den Junioren-Natio­ nalmannschaften für Deutschland gespielt hatten. Im Spiel gegen Argentinien kamen auf diese Weise Robin Koch, Luca 1 Waldschmidt, und Suat Serdar zu ihrem ersten Einsatz für das A-Team, in der Ära Löw waren sie die Debü­ tanten Nummer 102, 103, 104 und 105.

Einsatz-Garantie für Serge Gnabry

Wenn Löw mit Blick auf Halbzeit eins des Spiels gegen Ar­ gentinien von einem „sehr, sehr guten Spiel“ sprach, dann meinte er dies erstens in Anbetracht der Ausfall-Liste und zweitens bezogen nicht nur, aber insbesondere auf einen Spieler: Serge Gnabry. Dessen Treffer zum 1:0 war gekonnt vorbe­reitet von Lukas Klostermann, er war vor allem aber ein 3 ­Zeugnis individueller Klasse. Nach der Eingabe von Kloster­ mann war Gnabry im Strafraum der Argentinier umringt von sechs (!) Gegenspielern. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass es nicht viele Fußballer gibt, die diese Situation so zu lösen im Stande sind, wie Gnabry dies getan hat. Mit dem ersten ­Kontakt lupfte er den Ball über das Bein eines Verteidigers, Gnabry ging hinterher, dachte und handelte schneller als ­seine Gegenspieler und spitzelte den Ball im Fallen mit dem Außenrist an Agustin Marchesin im Tor der Argentinier vorbei. Weltklasse. Es war Gnabrys zehntes Tor im elften Länderspiel. Weltklasse. Auch am zweiten Treffer hatte Gnabry Aktien. Diesmal glänzte er als Vorlagengeber, als er nach Zuspiel von Klostermann den Ball zentimetergenau und exakt getimt in den Lauf des antretenden Kai Havertz gab und dieser letztlich nur noch einschieben brauchte (22.). Gnabry spielte so auffal­ lend, dass Löw dem 24-Jährigen später für die Zukunft eine Art Einsatzgarantie ausstellte. „Er hat einfach hervorragende Voraussetzungen“, sagte Löw. „Wie er sich bewegt, wie er in 5 die Räume geht, wie torgefährlich er ist, welche Technik er hat. Das ist schon sehr, sehr stark. Wenn er sich weiter so ­präsentiert, wie in den vergangenen Monaten, dann gibt es 1_Gegen Argentinien führte Joshua Kimmich das DFB-Team keine Frage, dann muss er bei uns auf dem Platz stehen.“ zum ersten­ Mal als Kapitän aufs Feld. 2_Augen zu und durch. Julian Brandt setzt sich energisch in Szene. Man konnte sich schon die Augen reiben in Dortmund, in den 3_Gegen Argentinien stark, gegen Estland Rot: Emre Can. ersten 45 Minuten, nicht nur bei Gnabry. Mit den vielen 4_Wo ist der Ball? Lukas Klostermann sucht das Spielgerät. AKTUELL IM BLICKPUNKT CDN-MAGAZIN 40 | 2019 25

­Neulingen agierte Deutschland tempo- und ideenreich, ziel­ strebig und schnörkellos. Zwar war auch der Gegner ohne ­diverse Topstars angetreten, allen voran ohne den gesperrten Lionel Messi. Aber Argentinien ist Argentinien, eine span­ nende Mannschaft mit spannenden Spielern. Das zeigte sich nach dem Seitenwechsel. In dem Maß, wie Deutschland ­abbaute, legten die Südamerikaner zu. Mit den Toren von ­Lucas Alario (66.) und Lucas Ocampos (85.) spiegelte sich dies auch im Ergebnis wider. 2:2, in der Bilanz gegen Argentinien 2 stehen nun acht Siege, zehn Niederlagen und fünf Remis. Löw ärgerte sich natürlich über die Gegentreffer und den ­Leistungsabfall, überbewerten wollte er beides aber nicht. „Für mich überwiegt das Positive“, sagte er.

Qualifikations-Garantie für Deutschland

Dortmund war gewissermaßen die Kür vor der Pflicht. Vier Tage später wurde es ernst, es ging nach Tallinn, es ging gegen Estland. Im Juni hatte die Mannschaft gegen den­ selben Gegner beim 8:0 in Mainz vor Spielfreude gesprüht, ­sogar ein Torrekord lag damals in der Luft. Diesmal lag – ­zumindest in den ersten 45 Minuten – eher eine Überraschung in der Luft. Geschuldet war dies auch der frühen Roten Karte für Emre Can, der noch gegen Argentinien zu den besten ­Akteuren gehört hatte. Deutschland spielte für 76 Minuten in Unterzahl und tat sich mit dieser Konstellation lange Zeit nicht leicht. Richtig viel fiel ihr nicht ein, um den numerisch überlegenen, aber spielerisch unterlegenen Gegner in Verle­ genheit zu bringen. Ein Distanzschuss von 4 nach 25 Minuten und ein Freistoß ans Lattenkreuz von kurz vor der Halbzeit waren die größten Chancen.

Die „gute Reaktion“, die Löw nach dem Wechsel der Seiten gesehen hatte, war aber keine Einbildung. Deutschland ­­spielte dominanter, schneller, erspielte sich Chancen und ­wurde belohnt. Der auch ansonsten starke Ilkay Gündogan traf zweimal (51., 57.), jeweils wurde der Ball nach seinem Schuss noch abgefälscht. Den Schlusspunkt setzte Timo ­Werner mit einem echten Stürmer-Tor. Nach einem Diagonal­ pass von Gündogan ließ Werner einen Verteidiger ins Leere grätschen und behielt auch vor Torhüter Sergei Lepmets die Nerven (71.). Das Spiel war entschieden, die Mission erfüllt.

Und der Bundestrainer letztlich zufrieden. „Es war eine schwierige Woche, es waren schwierige Tage. Wir mussten viel improvisieren. Die Woche war nicht einfach, aber es gibt 7 für mich gute Erkenntnisse“, sagte Löw. Der Bundestrainer wagte sogar eine Prognose, die alles andere als defensiv ist. 6 Nach der Einsatz-Garantie für Gnabry gab Löw eine Qualifi­ kations-Garantie für seine Mannschaft. „Die Ausgangssituati­ 5_Robin Koch war einer von vier Debütanten dieser on ist unverändert. Die letzten beiden Spiele wollen wir Länderspielreise. ­gewinnen, die letzten beiden Spiele werden wir gewinnen“, 6_Timo Werner macht den Deckel drauf, 3:0. sagte Löw und schloss seinen Vortrag mit dieser ­Ankündigung: 7_Joachim Löw hat gegen Argentinien und Estland mehr Licht „Wir werden uns qualifizieren.“ als Schatten gesehen. Steffen Lüdeke 30 JAHRE MAUERFALL 26 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

„CHAOS IN HERZ UND HIRN“

Thomas Doll (53) hat 29 Länder- spiele für die Auswahl der DDR und 18 für die deutsche Nationalmann- schaft absolviert. Im Interview ­erinnert er sich an den Herbst ’89 und seine Kindheit in Malchin. 30 JAHRE MAUERFALL CDN-MAGAZIN 40 | 2019 27

Herr Doll, welche Erinnerungen haben Sie an den Tag des Mauerfalls am 9. November 1989? Wir waren in der Sportschule in . Ich war damals mit Andy Thom auf einem Zimmer. Wenn ich mich richtig erinne­ re, war es so, dass wir irgendwie mitbekommen haben, dass es unruhig wurde. Es wurde laut auf dem Flur, irgendwer­ hat ­gerufen, dass wir schnell runterkommen sollen. Andy und ich sind dann rüber zum Zimmer von „Wuschi“ ­Rohde und dann gemeinsam runter in den Fernsehraum.

Und dann? Waren wir überwältigt. Wir haben die Nachrichten gesehen, die Bilder aus Berlin, die Freude der Menschen. Es war alles unwirklich und für uns irgendwie schwer zu fassen. Natürlich haben auch wir uns gefreut, aber bei vielen Details bin ich mir nicht mehr ganz sicher.

Matthias Sammer berichtet, dass die Champagner-Korken knallten. Ich habe meine Zweifel, dass wir damals in der Sportschule Zugriff auf Champagner hatten (lacht). Wahrscheinlich war es eher ein Wermut oder ein Wein. Ein Bierchen haben wir auf jeden Fall aufgemacht.

Wie groß war Ihre Freude? Mir und vielen anderen ging es so, dass alles irgendwie schwer einzuordnen war. Wir waren in der Sportschule, um uns auf ein extrem wichtiges Spiel vorzubereiten, wir hatten die große Chance, uns für die WM zu qualifizieren, das Größte, was es für Fußballer gibt. Und dann passiert ein so großartiges und ­großes Ereignis außerhalb des Sports – diese Welten über­ schnitten sich und haben für Chaos in Hirn und Herz gesorgt.

Sie haben sich also nicht uneingeschränkt gefreut? Vor allem habe ich mich wahnsinnig für meine Mutter gefreut. Wir haben ja eine spezielle Familiengeschichte.

Nämlich? Die Familie meiner Mutter ist zu großen Teilen schon vor dem Mauerbau in den Westen gegangen. Nach dem Mauerbau konnte meine Mutter über Jahre hinweg ihre eigene Mutter nicht treffen. Vieles ist heimlich passiert, wenn uns die ­Verwandtschaft aus dem Westen besucht hat, die Brüder und Schwestern meiner Mutter. Die Arbeit meines Vaters hat das Ganze dann noch einmal zusätzlich verkompliziert.

Er war beim Rat des Kreises. Genau. Westkontakte waren da keine Hilfe. Er hat später seine Arbeit sogar deswegen verloren. Daher, wie gesagt, habe ich mich am 9. November in erster Linie für meine Eltern gefreut. Es gab in der DDR erheblich schlimmere Schicksale als das meiner Familie. Menschen wurden auf der Flucht erschossen, Menschen kamen ins Gefängnis, wurden gefoltert, Menschen haben andere Menschen denunziert. Gruselig. Furchtbar. ­Dagegen ist das Schicksal der Familie Doll Kindergeburtstag. Aber ich weiß und wusste, wie sehr meine Eltern und gerade meine Mutter damals gelitten haben. Und daher gingen meine Gedanken am 9. November auch sofort in diese Richtung. 30 JAHRE MAUERFALL 28 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

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1_Thomas Doll 1988 im Trikot des BFC Dynamo. 2_Der gebürtige Mecklenburger spielte 29 Mal für die DDR-Auswahl. 3_Thomas Helmer, Guido Buchwald und Thomas Doll enttäuscht nach der Finalniederlage bei der EURO 1992 gegen Dänemark.

Waren Sie auch erleichtert, dass sich mit dem 9. November ­Beginn des Spiels noch ausgepfiffen wurde, macht drei Tore. abzeichnete, dass die Revolution in der DDR tatsächlich Wir sind eigentlich nur nebenhergelaufen, sind nicht in die weitgehend gewaltfrei bleiben würde? Zweikämpfe gekommen, wir haben nichts von dem umge­ Absolut. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mehrfach nicht setzt, was wir uns vorgenommen hatten. viel zur Eskalation gefehlt hat. Einmal haben wir selbst ­er­fahren, wie sensibel die Situation war. , Frank Wie lange hat der Ärger über die verpasste WM-Teilnahme „Wuschi“ Rohde, Andy Thom und ich haben uns mal – die Freude über den Fall der Mauer verdrängt? mit Hüten ver­ ­kleidet – unter die Demonstranten in Berlin Das sind zwei unterschiedliche Ebenen, die nicht sehr gemischt. Die Spannung war damals spürbar, auch die viel mit­einander zu tun haben. Im Rückblick kann man die Furcht der ­Menschen. Sie haben für die Freiheit ihr Dinge ­natürlich klarer einordnen. Wir hatten die Freiheit Leben riskiert, dafür kann man nicht genug Danke sagen. ­geschenkt bekommen, da ist ein verlorenes Fußballspiel Es war ja alles andere als ausgeschlossen, dass die DDR- kaum relevant. Führung den Schießbefehl gibt. Diese Befürchtung schwang die ganze Zeit mit. Wie unfrei haben Sie sich in der DDR gefühlt? Unsere Familiengeschichte habe ich ja schon angerissen. Hätten Sie am Morgen des 9. November für möglich Eine Zäsur war für mich daneben, als ich wegen unserer West­ ­gehalten, dass am Abend DDR-Bürger in den Westen kontakte nicht mit zu einem Jugendturnier nach Groningen spazieren­ können? fahren durfte. Wegen angeblicher Fluchtgefahr. Ich weiß Nee, nein, definitiv nicht. Ich hatte aber auch vieles andere im noch, wie sauer ich damals war. Kopf. Es waren bewegende und bemerkenswerte Zeiten für mich – ich war kurz zuvor zum ersten Mal Vater geworden, am Bestand diese Gefahr denn? Haben Sie mit dem Gedanken 10. August ’89 kam meine Tochter zur Welt. Auch an sie habe gespielt, die DDR zu verlassen? ich am Abend des 9. November natürlich gedacht, an die neue Nein, gar nicht. Flucht war für mich nie ein Thema. Welt, in der sie aufwachsen wird. Warum nicht? Wie schwer war es angesichts der politischen Änderungen Weil der Leidensdruck für mich nicht groß genug war. Und vor in der Heimat, die Konzentration auf das WM-Spiel gegen allem, weil ich immer wieder zurück zu meiner Familie wollte. Österreich zu richten? Ich wusste ja auch, dass meine Eltern gewaltige Probleme Aus rein sportlicher Perspektive war der Mauerfall nicht das bekommen hätten, wenn ich abgehauen wäre. Und das hätte Beste. Es gibt viele Geschichten über Spielervermittler, die bei ich ihnen nie angetan. Mein Zuhause war immer mein Zu­ uns in Österreich im Hotel gewesen wären. Ich will das nicht hause, mein Anker, der Platz, an dem ich mich wohl und sicher ausschließen, aber mitbekommen habe ich davon nichts. gefühlt habe. Für mich ging es auch nie darum, dass ich un­ ­Unser Hotel war etwas außerhalb von Wien, abgelegen in bedingt ganz viel Geld verdienen und ein Star werden wollte. ­einer Sportschule. Aber natürlich waren unsere Gedanken Ich wollte Fußball spielen, und das konnte ich auch in der auch in der Heimat und natürlich hat darunter die Konzentra­ DDR. Aber es gab mehrere Situationen, in denen mir bewusst tion gelitten. Wir haben 3:0 verloren, Toni Polster, der zu wurde, in was für einem System ich lebte. 29

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4_Thomas Doll flankiert von Lothar Matthäus und Ulf Kirsten beim Spiel „20 Jahre Fußball-Einheit“ 2010 in Leipzig. 5_Zusammen beim BFC, zusammen in der Nationalmannschaft: Andreas Thom (links) und Thomas Doll.

Zum Beispiel? Nach dem Mauerfall haben Sie diese neue Freiheit genutzt. Besonders drastisch war es bei einer Reise nach Ungarn. Als Spieler waren Sie unter anderem in Hamburg, in Rom Das war zu einer Zeit, als ich als junger Spieler meine ersten und in Bari, als Trainer in Deutschland, der Türkei, in Saudi- Schritte in der Ersten Mannschaft von Hansa Rostock gesetzt Arabien, in Ungarn und jetzt auf Zypern. Wie passt das zu hatte. Ich hatte damals mehr als die erlaubte Menge an Ost- dem jungen Thomas­ Doll, der sich eine Flucht in den ­Westen Mark dabei. Die Familie wollte gute Baby-Kleidung, und dafür nicht ­vorstellen konnte? hatte ich 600 Ost-Mark in einem doppelten Boden in meiner Ich war schon immer offen und neugierig. Und ich glaube, Sporttasche versteckt. Das ist aufgeflogen, weil mich jemand dass diese Offenheit schon in meiner Kindheit angelegt ist. verpfiffen hatte. Und das gab richtig Ärger. Ich wurde verhört, Wegen des Fußballs bin ich mit 13 Jahren von zu Hause weg, wie ein Schwerverbrecher, unfassbar. ich musste früh selbstständig werden. Oft war das hart, an das Heimweh und an die Sehnsucht nach meiner Familie und Sie sind wenig später von Rostock zum BFC Dynamo ­meinen Freunden erinnere ich mich noch sehr deutlich. ­gewechselt. Ausgerechnet zum Verein von Erich Mielke … Am Schlimmsten war es an den Wochenenden, wenn es sich Das war eine rein sportliche Entscheidung, Hansa war abge­ nach einem Spiel am Samstag nicht gelohnt hat, für einen stiegen und der BFC schlicht und einfach die beste Adresse. halben Sonntag nach Hause zu fahren. Dann war ich nicht Mir ist der Wechsel auch deswegen leichtgefallen, weil ich ­selten fast ganz allein im Internat. Das war das Gegenteil von viele Spieler von der Nationalmannschaft kannte. Für meine einfach, aber ich denke, dass es mir für meinen weiteren Karriere war dieser Schritt aus vielen Gründen die richtige Ent­ ­Werdegang sehr geholfen hat. Wobei ich auch den Vorteil scheidung. Überall, wo wir waren, sind wir damals angefeindet habe, dass ich vom Gemüt her eher extrovertiert bin und worden. Als Spieler des BFC geht man ständig durch ein Stahl­ ­gerne auf andere zugehe. bad – so etwas härtet ab. Wenn Sie auf Ihr Leben in der DDR blicken – würden Sie Als Spieler des BFC Dynamo haben Sie in einer ­geteilten ­sagen, dass Sie eine glückliche Kindheit und Jugend hatten? Stadt gelebt. Wissen Sie noch, wann Sie nach dem ­ Ja. Manche können das nicht verstehen, und deswegen sage Mauerfall zum ersten Mal als Privatperson in den Westen ich es immer wieder. In der DDR war sehr viel sehr schlecht, Berlins gegangen sind? das heißt aber nicht, dass es allen DDR-Bürgern immer sehr Ziemlich schnell, nachdem wir aus Wien vom Spiel gegen schlecht ging. Als Kinder waren wir ständig draußen, wir ­Österreich zurück waren. Für mich war es weniger auf- ­haben rumgetobt, wir haben Flöße gebaut, wir haben Fußball regend, als für die meisten anderen DDR-Bürger. Als Jugend­ gespielt, wir haben Völkerball gespielt, alles Mögliche, immer licher bin ich über den Fußball etliche Male auch ins­ draußen. Wir hatten ja nichts anderes; aber das war gut. Uns westliche Ausland gereist. Spiele in Frankreich, Schweden, musste man an den Ohren ziehen und in die Wohnung rein­ wir hatten Trainings­lager in Spanien, wir waren in Marokko, holen, heute muss man die Kinder an den Ohren ziehen, um sie Tunesien, ich habe ­Indien erlebt. Als ich dann in West-Berlin mal aus der Wohnung rauszubekommen. Ich hatte eine tolle war, stand ich nicht staunend vor einer neuen bunten Welt. Kindheit und erinnere mich immer wieder gerne an sie zurück. Aber es war ein schönes Gefühl, diese Freiheit zu spüren – das war großartig. Interview: Steffen Lüdeke 30 JAHRE MAUERFALL 30 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

Pierre Littbarski (59) hat die Teilung Deutsch- lands zu großen Teilen im geteilten­ Berlin ­erlebt. Als die Mauer fiel, war der West-­ Berliner Junge schon längst flügge geworden, beim FC in Köln wurde er zum Bundesliga- und ­später zum National- spieler. An die Zeit der Wende und seine Kind- heit in Berlin hat er noch genaue Erinnerungen. Der ­Fußball spielt darin die Hauptrolle.

BLICK NACH DRÜBEN

ls Günter Schabowski davon ausging, dass das alles „Uns als Fußballer hat das politische Geschehen­ damals nicht „sofort, unverzüglich“ in Kraft treten werde, hatte so interessiert. Wir haben zwar mitbekommen, was in der DDR ­Pierre Littbarski­ ganz andere Sorgen. Von der denk­ passiert ist, aber das war nie ein ­großes Gesprächsthema in Awürdigen Pressekonferenz, die der Sekretär für Infor­ der Mannschaft. Eigentlich hatten wir im Kopf nur für Fußball mationswesen der DDR in Berlin sechs Kilometer von Litt­ Platz – wenn im Fernsehen Nachrichten kamen, haben wir barskis Elternhaus entfernt hielt, bekam­ der Fußballer nichts umgeschaltet“, erzählt Littbarski. Der West-Berliner Junge, für mit. Wie auch? Er stand am Abend dieses 9. November 1989 den jede Fahrrad-Rotzbengeligkeit endete,­ wenn die Mauer in im Kabinengang des Betzenberg-Stadions in Kaisers­lautern und Sicht kam („Vor der hatten wir echten Respekt“), hatte schon wartete darauf, dass das DFB-Pokal-Achtelfinale seines 1. FC als D-Jugend-Kicker von Hertha 03 Zehlendorf mitbekommen, Köln beim 1. FC Kaiserslautern losgeht. „Wir hatten“, so er­ dass bei Auswärtsspielen in Rudow oder Frohnau hinter den innert sich der Weltmeister von 1990 mit einem Lächeln, Sportplätzen das Niemandsland lauerte. „damals einen Trainer, der schon darauf aufgepasst hat, dass uns nichts ablenkte.“ Und einem Christoph Daum mitten in Oberliga-Stamm-Gucker der unmittelbaren Spielvorbereitung hätte man nicht mit his­ torischen Umwälzungen kommen können. Und was heißt Dennoch versucht er gar nicht erst, ­seinen Erinnerungen schon historische Umwälzungen? Welche­ Tragweite der ­einen historischen Anstrich zu geben. Dabei hatte ihn die Schabowski-Satz „Die ständige Ausreise kann über alle Grenz­ DDR als solche durchaus interessiert. Weniger wegen der übergangsstellen der DDR zur BRD ­beziehungsweise zu Berlin- Tante in Ost-Berlin, auch nicht wegen der Verwandten in West erfolgen“ haben sollte, wusste­ ohnehin niemand sofort. oder wegen der Erinnerungen der Mutter an 30 JAHRE MAUERFALL CDN-MAGAZIN 40 | 2019 31

BLICK NACH

DRÜBEN 1

deren Heimatstadt ­Leipzig. Sondern wegen des Fernseh­ programms am Samstag. Denn bevor die Sportschau in der ARD begann, lief im DDR-Fernsehen die Oberliga, die höchste Spielklasse „drüben“.­ Pierre Littbarski war Stamm-Gucker. „Ich kannte die ­alle“, schwärmt er noch heute, „Rüdiger Schnuphase, Jürgen Sparwasser, Dixie ­Dörner, Joachim Streich, und viele ­andere.“ So viel Fußball im (West-)Fernsehen gab es damals noch nicht, man nahm als fußballbegeisterter Knirps mit, was man kriegen konnte. Und wenn es die Zusammen­ fassung von Carl Zeiss gegen Stal Mielec an irgend­ einem ­Europapokal-Mittwoch war. Jürgen Croy, der DDR-­ Nationaltorwart, war für den 14­ -jährigen Pierre ein Star. 2 1974 durfte der Balljunge Littbarski beim WM-Spiel der DDR gegen Chile im Berliner Olympiastadion dem Keeper 1_Im ersten Länderspiel nach dem Fall der Mauer führt der Berliner aus ­Zwickau den Ball in die Hand drücken. „Er hat dann Pierre Littbarski die deutsche Mannschaft als Kapitän aufs Feld. ­sowas wie ,Danke‘ gemurmelt“, erinnert sich Littbarski mit 2_Littbarski prägt das Spiel gegen Wales. Inklusive Vorlage einem Hauch von Ehrfurcht, „das war dann schon ein zum 2:1 und verschossenem Elfmeter. ­besonderer Moment für mich“. 30 JAHRE MAUERFALL 32 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

Dass Littbarski, in Schöneberg, Wilmersdorf und Charlotten­ burg aufgewachsen, selbst einmal Profi werden sollte, daran war damals noch nicht zu denken – was irgendwie auch an der Mauer lag. „Bei Hertha“, sagt Littbarski und meint die große Hertha, also Hertha­ BSC, „wollten sie mich nicht, weil ich zu schmächtig war. Und Scouts aus Westdeutschland kamen so gut wie gar nicht nach Berlin, weil ihnen die Reise­ mit den Kontrollen im Transit einfach zu mühsam war.“ Der kleine Dribbler von hätte eine Zukunft beim 1 ­Finanzamt vor sich gehabt, hätte er nicht bei einem Jugend­ turnier in den Spielen gegen den 1. FC Köln geglänzt und hätte nicht Köln-Manager Karl-Heinz Thielen zufällig zugeguckt.­ Also hieß es ab 1978: Bundesliga statt Finanz­amt. Was ab da vor allem nervte: Die Transitfahrten mit dem Käfer, den ­Littbarski für 1.000 Mark von gekauft hatte und dessen Rückbank in Marienborn ständig auf Geheiß der Grenzer umgeklappt werden musste, wenn Littbarski von Köln in die Heimat nach Berlin fuhr. „Die Kontrollen und die Angst, auf der Transitstrecke zu schnell zu sein – das habe ich gehasst. Das war Stress.“

Freundschaft mit Falko Götz

Das Pokalspiel in Kaiserslautern am Tag des Mauerfalls ging mit 1:2 verloren, was eine mittelgroße Überraschung war. Denn die Domstädter waren damals hinter den Bayern das zweite deutsche Top-Team, amtierender ­Vizemeister und ­aktueller Bundesliga-­Tabellenführer. Zur Mannschaft gehörten mit Littbarski, und Thomas Häßler drei spätere Weltmeister, dazu Liga-Größen wie Andrzej Rudy, , Frank Ordenewitz, Uwe Rahn – und Falko­ Götz. Mit dem im Vogtland geborenen Offensivspieler, der 1983 aus der DDR in den Westen geflohen war, konnte Littbarski ­Ost-West-Themen ­diskutieren, beide sind bis heute freund­ schaftlich verbunden. „Ein paar Jahre später“, so erinnert sich Littbarski, „hat er mir mal als Geburtstagsgeschenk ein Bild malen lassen – darauf ist er zu sehen, wie er aus dem Fenster über die Mauer guckt, und auf der anderen Seite stehe ich mit Einkaufstüten in der Hand.“ Für Littbarski ist dieses Gemälde 3 so etwas wie die Zusammenfassung seiner Mauer-Erinnerungen. „Wenn wir als Kinder die ­Tante im Osten besuchten, begann ­direkt hinter dem Grenzübergang eine andere Welt. Mit zwölf, 13 Jahren bekommst du mit, dass es irgendwie ­anders ist, ­irgendwie komisch. Wenn wir dort zum Fleischer gingen, ­haben wir gesagt, wir gehen ins Fliesengeschäft – weil es da außer ein paar Scheiben Wurst nur Fliesen gab.“ Aber: „Der politische Hintergrund war uns nicht bewusst. Erst mit Anfang,­ Mitte 20 habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren, wie es zur deutschen Teilung und zur Teilung Berlins ­gekommen war.“

Mit Falko Götz hätte er am 9. November und in den Tagen danach womöglich darüber geredet, wie es in West und Ost weitergeht, aber Littbarski hatte ohne seinen Kölner Freund und Mitspieler etwas ganz anderes zu erledigen: Das entschei­ dende Qualifikationsspiel zur WM 1990 stand an, die DFB- 30 JAHRE MAUERFALL CDN-MAGAZIN 40 | 2019 33

Auswahl benötigte gegen Wales einen Sieg, um beim Turnier in Italien überhaupt dabei zu sein. Zur Vorbereitung auf das Spiel trafen sich Teamchef und die Natio­ 1_Platz für eine Bildunterschrift nalmannschaft in der Sportschule Hennef. Als in Berlin immer 2_Platz für eine Bildunterschrift mehr ­Menschen „Die Mauer muss weg“ riefen, die ersten 3_Platz für eine Bildunterschrift ­Brocken aus dem Trennwall gemeißelt wurden und täglich 4_Platz für eine Bildunterschrift neue Grenzübergangsstellen ihren Betrieb aufnahmen, stand 5_Platz für eine Bildunterschrift Littbarski auf dem Trainingsplatz, spielte abends mit den ­Nationalmannschafts-Kollegen Karten und ließ sich von ­Beckenbauer erklären, wie er zusammen mit Andreas Möller und Thomas Häßler das Kreativzentrum hinter dem Sturmduo Jürgen ­Klinsmann/Rudi Völler bilden sollte – und dass er in Vertretung des verletzten Lothar Matthäus die Kapitänsbinde tragen wird. Für den Blick nach Berlin war da kaum Zeit und kaum Gelegenheit.

Gänsehaut am Brandenburger Tor

Es ging gut aus, sechs Tage nach dem Schabowski-Auftritt gewann Deutschland nach 0:1-Rückstand und einem ver­ schossenen Elfmeter von Littbarski mit 2:1, weil Völler einen Ball im Fallen über die Linie müllerte und weil im Müngers­ dorfer Stadion in Köln der West-Berliner Littbarski dem West- Berliner Häßler den Siegtreffer auflegte. „Das wichtigste Spiel meiner Trainer-Karriere“, sollte Beckenbauer später einmal 1_Der größte Erfolg. diese Partie nennen. „Deutschland fährt zur WM“ war für Pierre Littbarski­ und Lothar „Deutschland auf dem Weg zur Wiedervereinigung“ ein ernst­ Matthäus feiern in Rom den hafter Schlagzeilen-Konkurrent. Nach der DDR erkundigt hat Titel bei der WM 1990. sich Littbarski nach dem Schlusspfiff gegen Wales dennoch – 2_Mit Falko Götz verbindet weil er wissen wollte, wie das entscheidende Quali-Spiel der Littbarski bis heute eine ostdeutschen Auswahl in Österreich ausge­gangen war. „Der Freundschaft. Fußball war immer das, was mich am meisten interessiert hat“, 3_Erstes Ausrufezeichen. sagt er. „Und mit Matthias Sammer, Ulf Kirsten­ oder Andreas Mit Hertha 03 Zehlendorf Thom waren da ja auch wieder tolle Spieler dabei.“ zieht Littbarski 1978 ins Endspiel der deutschen Die DDR hatte in Wien mit 0:3 verloren, es war das letzte A-Junioren-Meisterschaft ein. ­große Spiel der „anderen“­ deutschen Nationalmannschaft. Was die Öffnung der Mauer ­bedeuten könnte, sickerte aber erst langsam in die Köpfe der Fußballer. In Littbarskis Erin­ nerung fehlt dieser eine Wiedervereinigungs-Moment, das Umarmen der Verwandtschaft, der Augenblick der bedenken­ losen Freude. „Aber ich erinnere mich daran, dass bei ­meinen Verwandten die Frage ,Wie geht es jetzt mit uns persönlich weiter?‘ eine viel größere Rolle spielte als die Frage, was mit Deutschland wird.“ Und die Erkenntnis, „dass sich im Osten die Menschen teilweise überrannt fühlten“, kam relativ schnell. Den Wert der Einheit und damit auch der Einheit seiner ­Heimatstadt zu erkennen, brauchte Zeit. „Aber wenn ich heute in Berlin bin“, so Littbarski, „weiß ich immer noch ganz genau: Damals, als ich Kind war, ging es bis hier – und heute­ geht die Straße einfach weiter. Für mich ist das etwas Besonderes. Wer heute durch das Brandenburger Tor geht, für den ist das normal. Ich bekomme dabei immer noch Gänsehaut.“

Andreas Pahlmann SERIE: MEIN ERSTES LÄNDERSPIEL 34 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

Uwe Rahn (57) benötigte nur einen ­Ballkontakt, um Länderspielgeschichte zu schreiben. Am 17. Oktober 1984 wurde Rahn beim WM-Qualifikationsspiel in Köln gegen Schweden in der 75. Spielminute von Teamchef Franz Beckenbauer für ­eingewechselt, 19 Sekunden später lag der Ball im Netz. Es war Rahns Debüt für Deutsch- land – und bis heute hat kein Debütant schneller getroffen. 35 Jahre später erinnert sich Rahn an diese 19 Sekunden und an seine Zeit in der Nationalmannschaft.

„EIN TRAUM, DEN ICH NICHT GETRÄUMT HATTE“

Herr Rahn, wenn Joachim Löw heute einen Spieler nominiert, greift er zum Handy. Wie war das damals bei Ihnen? Waren Sie überrascht, als Franz Beckenbauer sich gemeldet hat? Sagen wir mal so: Es kam nicht aus dem Nichts. Ich hatte ­damals in Gladbach über längere Zeit eine gute Phase, habe gut gespielt, vorbereitet, getroffen. Und mein Name wurde in der Presse immer häufiger mit der Nationalmannschaft in Ver­ bindung gebracht. Eines Tages hatte ich dann in meiner Post einen Brief vom DFB. Völlig überraschend war das dann nicht.

Hat die Nominierung dennoch etwas mit Ihnen gemacht? Oder haben Sie die Nominierung eher nüchtern zur ­Kenntnis genommen? Natürlich war es toll, ich war stolz und habe es allen erzählt. Die Nominierung war ein Privileg für mich, eine große Bestäti­ gung. Ich weiß noch, dass wir kurz vor dem Treffen mit der Nationalmannschaft und kurz nach der Nominierung mit Gladbach gegen Braunschweig gespielt haben. Wir haben 10:0 gewonnen, ich habe drei Tore gemacht. Man kann also sagen, dass mich die Nominierung beflügelt hat. SERIE: MEIN ERSTES LÄNDERSPIEL CDN-MAGAZIN 40 | 2019 35

Hat Ihnen , Ihr Trainer in Gladbach, bei der Abreise zur Nationalmannschaft noch etwas mit auf den Weg gegeben? Er hat sich für mich gefreut, hat mir gesagt, dass ich diese ­Einladung verdient habe. Er hat versucht, mir Selbstvertrauen zu geben und geraten, keine besonderen Dinge zu versuchen. Spiel dein Spiel, hat er gesagt, sei locker, alles andere ergibt sich dann.

Als Neuling werden Sie nach der Ankunft beim Team in ­Hennef ziemlich schnell ein Gespräch mit dem Teamchef gehabt haben. Was ich noch weiß: Franz Beckenbauer hat mir keine Verspre­ chungen gemacht. Er hat gesagt, dass er mal schauen muss, wie das Spiel läuft und dass er zunächst auf andere Spieler setzt. Als ehr­geiziger Spieler ist man da natürlich erstmal ­enttäuscht, aber mit Abstand von 35 Jahren habe ich mehr Verständnis. Es war das erste Spiel in der Quali, zum Kader gehörten Spieler wie Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler, dahinter Klaus Allofs und Felix Magath. Das waren Größen – und ich war ein junger Spieler.

Wie waren Ihre ersten Eindrücke im Kreis der besten Fuß- baller des Landes? Eine gewisse Aufgeregtheit kann ich nicht leugnen. Ein paar Spieler waren mir zwar besser bekannt, Lothar Matthäus, Frank Mill, Andreas­ Brehme, aber viele auch nur flüchtig von kurzen Begegnungen im Rahmen der Bundesligaspiele. Aber ich weiß noch, wie angenehm das Ankommen war. Ich habe mich sehr schnell sehr wohl gefühlt, die Atmosphäre war kollegial und positiv.

Das Spiel gegen Schweden war das erste, vor dem die ­Mannschaft die Nationalhymne mitgesungen hat. Wie ist das entstanden? Es gab im Vorfeld die Ansage, die Hymne mitzusingen. Das haben wir dann gemacht. Viele von uns mussten dafür den Text erst noch lernen, auch ich. Im Rückblick ist dieses Bild fast niedlich – wir haben auf den Zimmern gesessen und die Hymne geübt. Es ging dabei aber nicht um ein Statement oder so, sondern schlicht und einfach darum, zu befolgen, was der Teamchef von uns verlangt hat.

Sie haben auf der Bank gesessen. Hat auch die Bank mitge- sungen? Ja, und wie!

Rein ins Spiel. Deutschland ist überlegen, diverse Chancen werden vergeben, Andreas Ravelli im Tor der Schweden ­erwischt einen Sahnetag. Hand aufs Herz: Stieg mit jeder vergebenen Möglichkeit Ihre Hoffnung, noch zum Debüt zu kommen? Nein, nein, nein. Das hat ja auch etwas mit dem Charakter zu tun. Natürlich habe ich gehofft, irgendwann eingewechselt zu werden. Aber Fußballer sind Mannschaftsspieler, aus Egois­ mus der eigenen Mannschaft den Erfolg zu missgönnen – das funktioniert nicht. Es war auch nicht so, dass ich dieses Spiel als meine einzige und letzte Chance gesehen habe. Ich war selbstbewusst und mir sicher, früher oder später meine ­Chance in der Nationalmannschaft zu bekommen. SERIE: MEIN ERSTES LÄNDERSPIEL 36 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

1 Mittwoch, 17. Oktober 1984, Müngersdorfer Stadion, Köln Deutschland – Schweden 2:0 (0:0)

DEUTSCHLAND Toni Schumacher (T), Ditmar Jakobs, , Karlheinz Förster, Hans-Peter Briegel, , Lothar Matthäus, (59. Klaus Allofs), Felix Magath (75. Uwe Rahn), Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler. Teamchef: Franz Beckenbauer

SCHWEDEN Andreas Ravelli (T), Glenn Hysén, Sven Dahlkvist, Stig Fredriksson, Ingemar Erlandsson (33. Hasse Borg), Mats Gren, Tord Holmgren, Tommy Holmgren, Ulf Eriksson, Glenn Strömberg, Dan Corneliusson (68. Hasse Holmqvist). Trainer: Lars Arnesson

TORE 1:0 Uwe Rahn (75.), 2:0 Karl-Heinz Rummenigge (88.)

SCHIEDSRICHTER Bob Valentine (Schottland) ZUSCHAUER 61.000 1_Uwe Rahn wird für Felix Magath eingewechselt und ist damit deutscher Nationalspieler. 2_19 Sekunden, ein Kontakt, ein Tor. Rahn schreibt Fußballgeschichte. 3_Hoch die Hände. Im Kölner Stadion hat Rahn auch für Gladbach häufig getroffen. 4_Geschafft: Rahn nach dem 2:0-Sieg mit Toni Schumacher.

Dann kam von Beckenbauer das Signal: bitte warmmachen! ­näher kam, war für mich die Option „Unten“ die Beste. Wobei Ab diesem Zeitpunkt herrschte eine einzigartige Stimmung in bei so einem Treffer auch einiges Zufall ist. Das Tor hatte ich Köln. Ich hatte eine sehr gute Quote in diesem Stadion, mit Glad­ gar nicht mehr im Blick. Für mich war die Aufgabe zunächst, bach hatte ich beim FC fast immer getroffen. Irgendwie lag eine den Ball unter dem fallenden Ravelli hindurch zu bekommen. Spannung in der Luft. „Jetzt läuft er sich warm, jetzt passiert Dass er dann so knapp und über Bande ins Tor geht – das war etwas“ – dieser Gedanke in den Köpfen der Fans war fühlbar. einfach auch Glück.

Sie waren auf dem Platz – und wenig später lag der Ball Ihre Länderspielkarriere war mit dem Debüt nicht zu Ende. im Netz. Welche Worte haben Sie für die 19 Sekunden Es folgten noch 13 weitere Spiele. ­zwischen Einwechslung und Tor? Zu wenig. Ich habe gesehen, wie Allofs sich im Mittelfeld gegen zwei Schweden durchsetzt, hab gesehen, dass ein Passweg auf War das Spiel gegen Schweden schon der Höhepunkt Ihrer mich offen ist, hab ihm mit einer Geste bedeutet, wo ich den Zeit beim DFB? Ball hinhaben will, er hat den Ball optimal getimt, ich schließ Ich habe noch ein paar Spiele gemacht und auch noch ein paar ab, der Ball geht an Ravelli vorbei, Innenpfosten, rein, Tor. Mal getroffen – aber ganz klar: An das Erlebnis „Schweden“, So lässt sich der Vorgang beschreiben, aber so richtig be­ an mein Debüt und das Tor kommt nichts anderes ran. greifen lässt er sich wohl nicht. Es war ein Traum, den ich gar nicht geträumt hatte. Beim ersten Länderspiel mit dem Auch nicht die WM ’86 in Mexiko? Sie sind Vizeweltmeister. ersten Ballkontakt das erste Tor zu erzielen – das ist schon Für mich war es ein grandioses Erlebnis, bei dieser WM dabei sehr, sehr speziell. zu sein. Erst recht mit der Vorgeschichte.

Bei Ihrem Abschluss gab es zwei Optionen: Unter Ravelli Ihr Bänderriss. durch ins kurze Eck oder der Lupfer in die lange Ecke. Genau. Beim Waldlauf war ich auf eine Wurzel getreten. Nicht Es wäre auch denkbar gewesen, den Ball mit dem Außenrist wenige haben mir danach nicht zugetraut, dass ich es zur im Bogen links um ihn herum zu zirkeln. Aber als er noch WM schaffen würde. Aber ich habe es geschafft. Vor Ort 37

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war es ein überwältigendes und faszinierendes Erlebnis. So baller des Jahres gewählt. Besteht ein Zusammenhang eine WM aus der Perspektive eines Spielers zu erleben – ­zwischen der WM in Mexiko und Ihren starken Leistungen in wer träumt nicht davon? der folgenden Spielzeit? Vielleicht. Jedenfalls habe ich keinen Knacks bekommen. Aber Sie waren enttäuscht, dass Sie im gesamten Turnier nicht zum Einsatz gekommen sind. Nach der besten Spielzeit Ihrer Karriere folgte für Sie ­ledig- Ich konnte meine Rolle einschätzen. Ich war noch immer ein lich noch ein Länderspiel. Können Sie heute erklären, ­warum? junger Spieler, ich war Herausforderer und mir war auch klar, Es sind viele Kleinigkeiten. Viele Blessuren haben mich aus dass Beckenbauer eher erst auf andere setzt. Dass ich über­ dem Tritt gebracht, ich kann auch ehrlich zugeben, dass haupt keine Möglichkeit bekommen habe, mich zu zeigen, war ­meine Leistung nicht immer so gestimmt hat. Andere haben natürlich nicht einfach. Vor dem letzten Gruppenspiel gegen ihre Chance bekommen und genutzt. Und ich war dann relativ Dänemark waren wir schon für das Achtelfinale qualifiziert,­ in schnell nicht mehr gefragt. diesem Spiel, fand ich, hätte ich eine Chance verdient gehabt. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Karriere insgesamt? Wie sehen Sie Beckenbauers Entscheidungen im Rückblick? Ich hätte gerne noch mehr Spiele mit der Nationalmannschaft Ich hege keinen Groll. Ich habe viel mitgenommen aus Mexiko gemacht und ich hätte gerne auch mal einen Titel mit meinen und denke lieber an die vielen positiven Erlebnisse. Ich weiß Mannschaften gewonnen. Das fehlt mir. Aber ich habe mir den noch, wie ich beim Endspiel aus der Kabine kam und mir Traum von der Bundesliga erfüllt und ich habe mir den Traum ­Diego Maradona über den Weg lief. Das bedeutet mir von der Nationalmannschaft erfüllt. Ich glaube, dass ich viel etwas. Es ist ja nicht Nichts, es bis dahin geschafft zu haben. mehr richtig als falsch gemacht habe. Ich habe viele tolle Ich habe von der WM profitiert, auch vom Training bei der Menschen kennengelernt, habe viele interessante Erfah­ Nationalmannschaft. rungen gemacht. Der Fußball war für mich ein wesentliches Kapitel eines bislang großartigen Lebens. Wie könnte ich da Es folgte Ihre beste Saison, in der Spielzeit 1986/1987 nicht zufrieden sein?! ­wurden Sie mit 24 Toren Torschützenkönig und zum Fuß­ Interview: Steffen Lüdeke und Udo Muras ZEITZEUGEN 38 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

WUNDER VON BERN

ALLES RICHTIG GEMACHT

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62.471 Menschen erwarben er gelernte Zimmermann aus beschlossen er und zwei Landsleute, Ebern in Franken, das ziemlich die bei Bauern ein Praktikum machten: nach offiziellen Angaben genau in der Mitte zwischen Wir fahren nach Bern! der FIFA Karten für das D­Coburg und Bamberg liegt, hat WM-Finale am 4. Juli 1954. ein erstaunliches Gedächtnis und noch Karten gab es angeblich keine mehr, immer glänzen seine Augen, wenn er aber mit der Zuversicht der Jugend fuh­ Nur wenige leben noch, und vom einzigen Fußballspiel erzählt, das ren sie an jenem Sonntag, der Deutsch­ von denen werden auch er je besucht hat. Mit Fußball habe er ja land verändern sollte, trotzdem los. Mit eigentlich „nicht viel am Hut“ gehabt, dem Fahrrad und bei strömendem nicht mehr viele so gut von damals als junger Mann. Man hatte an­ ­Regen. „Als wir in Bern ankamen, war den Ereignissen an jenem dere Sorgen in den Jahren nach dem vor dem Stadion ein Transparent aufge­ deutschen Fußballfeiertag Krieg. Schmitt hatte den heute ausge­ stellt worden. ‚Dem Weltmeister Ungarn storbenen Beruf des Wagners gelernt, unseren Glückwunsch‘.“ Schmitt zwei­ ­erzählen können, wie Oskar in dem gab es aber bald keine Arbeit felt nicht, dass es Schweizer angefertigt Schmitt (88). mehr. So schulte er um auf Zimmer­ hatten, was noch eine Rolle spielen mann und ging 1951 nach Köln, wo die wird. Natürlich waren die Ungarn der Gesellen in Baracken lebten und einen große Favorit. Die drei Abenteurer hielt Stundenlohn von 1,68 Mark bekamen. das nicht ab, doch zunächst brauchten Es sprach sich herum, dass man in der sie Tickets. Heute undenkbar: Pfiffige Schweiz viel mehr Geld machen konnte, Schweizer hatten hunderte Tickets im und so kam er dem „Wunder von Bern“ Vorfeld erworben und versuchten nun, im Sommer 1954 eher zufällig ganz ihr Geschäft zu machen. Auch mit Oskar ­nahe. Schmitt erhielt eine Anstellung in Schmitt und seinen Freunden, die gleich Höchstetten, 27 Kilometer von Bern den ersten Händlern drei Stehplatz­ entfernt. Natürlich bekam er mit, dass karten für je 8 Franken (umgerechnet die Fußball-WM lief und wie prächtig 6,90 DM) abkauften. „Ein paar Meter sich die Deutschen schlugen. Als sie weiter hätten wir sie für sechs Franken es tatsächlich bis ins Finale schafften, bekommen“, weiß Schmitt. Offiziell ZEITZEUGEN CDN-MAGAZIN 40 | 2019 39

1_Gute Wahl. Oskar Schmitt hat in seinem Leben ein Spiel live gesehen: das WM-Finale 1954. 2_Als Zimmermann ging Oskar Schmitt zu Beginn der 50er-Jahre in die Schweiz.

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kosteten die günstigsten Karten fünf gewinnen. Sie gewannen es, weil Rahn im Berner „Kornkeller“. Es hätten zwar Franken, aber um bei einem Fußball­ aus dem Hintergrund schoss. noch ein paar Bier mehr werden können, wunder dabei sein zu können, bringt denn Schweizer am Nebentisch wollten man schon mal Opfer. Schmitt und seine Freunde, Namens­ die „Weltmeister“ einladen. Doch sie vetter Martin Schmitt und Franz Seiffert, lehnten ab – wegen des Transparents, Der knieende Puskás lagen sich in den Armen und schauten dass die Ungarn schon voreilig zum immer wieder bang auf die Stadionuhr. ­Sieger erklärt hat: „Irgendwo hatten wir Auch das Wetter forderte seinen Tribut, Dann fiel ein Tor für die Ungarn, durch auch unseren Stolz.“ Nicht nur freude­ „während des Spiels nieselte es andau­ Puskás. Aber der Linienrichter hob die trunken machten sie sich um halb zwölf ernd, wir waren patschnass“. Natürlich Fahne, Schiedsrichter Ling entschied auf die Rückfahrt. Die Arbeitswoche waren die günstigsten Plätze im Wank­ auf Abseits. Den Wutausbruch des ­begann für die beiden Bauersknechte dorf-Stadion nicht überdacht, „aber wir ­„Majors“ hat Schmitt noch vor Augen: und Zimmermann Schmitt schon früh sahen gut, standen dicht am Spiel­ „Puskás kniete auf dem Boden, trom­ am nächsten Morgen. feldrand ziemlich in der Mitte“. Was sie melte mit den Fäusten auf den Rasen zu sehen bekamen, ist Legende. Die und riss Grasbüschel aus.“ Keine Kamera Oskar Schmitt hat später kein Länder­ schnelle Führung der Ungarn, die auf 2:0 hat das festgehalten, solche Bilder spiel oder Bundesligaspiel mehr im davonzogen, der schnelle Anschluss­ ­würden heute um die Welt gehen. Oskar ­Stadion gesehen. Obwohl er Zeuge des treffer durch , über den sich Schmitt hat sie gesehen und er hat den deutschen Fußballwunders geworden Schmitt besonders freute, „denn bei uns erlösenden Schlusspfiff gehört, hat die ist, hat ihn der Sport nicht infiziert. Er sind ja alle Nürnberg-Fans“. Rahn glich Nationalhymne mitgesungen und sich hat andere Interessen, zum Beispiel aus, im Publikum ging ein Fieber um. auch ein bisschen wie ein Weltmeister ­Geschichte und Kleintierzucht. Er heira­ Schmitt: „Die Begeis­terung war groß, gefühlt. Bern war auch sein Spiel des tete 1962, hat drei Kinder, arbeitete selbst für mich als Fußballlaie.“ Jeder Lebens: Weltmeister beim ersten und weiter als Zimmermann und schaut sich Laie konnte sehen, dass Torwart Toni einzigen Spiel, wer sonst kann das sagen? die wichtigsten Spiele eben im Fern­ ­Turek über sich hinauswuchs an jenem sehen an. Beim vielleicht wichtigsten Tag und dass die Männer in den weißen Natürlich musste der Sieg zünftig gefei­ von allen aber, da war er dabei, „es war Trikots und schwarzen Hosen das Spiel ert werden, angesichts der nächtlichen ein unvergessliches Erlebnis!“ ihres Lebens machen mussten, um zu Rückfahrt beließen sie es bei zwei Bier Udo Muras 75. GEBURTSTAG GÜNTER NETZER 40 CDN-MAGAZIN 40 | 2019 SEIN LEBEN, EIN SEGEN

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Freigeist, Rebell, Hoch- ­begabter – Günter Netzer werden viele Gesichter ­zugeschrieben. Eine Dar­ stellung ist unzweifelhaft: Er gehört zu den besten ­Fußballern der deutschen Geschichte. Und er hat ­Geschichten und Anek- doten geliefert, die bis heute Kultstatus haben. Eine Würdigung zum 75. Geburtstag. 3 75. GEBURTSTAG GÜNTER NETZER CDN-MAGAZIN 40 | 2019 41

r gilt als der Inbegriff des Spiel­ zu Weisweiler: „Ich habe ihm alles zu machers – quasi schon von klein verdanken. Er hat Borussia Mönchen­ auf hat das seine Berechtigung. gladbach gemacht, und er hat mich EOhne Günter Netzer hätte es in ­gemacht.“ der Gasthausstraße in Mönchenglad­ bach in den 50er-Jahren etliche Fuß­ Im Borussen-Dress lief Netzer in 230 ballspiele weniger gegeben, denn Bundesligapartien auf, 37 Mal trug er Klein-Günter war im Wortsinn der Ball- das DFB-Trikot. Gemessen an seinem Lieferant. Seine Mutter betrieb einen Können war seine Länderspielkarriere Tante-­Emma-Laden – zum Sortiment die eines Unvollendeten. Netzer ver­ gehörten auch Gummibälle. Dieses Privi­ passte zwei Weltmeisterschaften und leg wusste der junge Netzer zu nutzen, seine Rolle bei der dritten, dem Tri- und so durfte er, als Ball-Lieferant, schon umph 1974 im eigenen Land, reduzierte mit fünf bei den Großen mitspielen. sich auf einen 21-Minuten-Einsatz im Gruppenspiel gegen die DDR. Es gab noch mehr glückliche Fügungen in Netzers Leben – und wenn es einen Aus der Tiefe des Raumes (Fußball-)Gott gibt, dann hat er auf ­Günter Netzer immer ganz besonders Sein bestes Länderspiel machte er am gut aufgepasst. So war es schon ganz zu 29. April 1972. Es war der erste deut­ Beginn: Er war fünf Tage auf der Welt, da sche Sieg in Wembley, 3:1 gegen Eng­ fielen Bomben auf das Krankenhaus, land. Danach schrieb FAZ-Journalist 2 aber es fanden sich rettende Hände, Karl-Heinz Bohrer die berühmten Worte: die die Säuglingsstation rechtzeitig „Der aus der Tiefe des Raumes plötzlich ­eva­kuierten. Netzer war fünf Jahre alt, vorstoßende Netzer hatte thrill.“ Worte, da durfte er erstmals hören, dass ihm die Netzer sein Leben lang verfolgten. ­Großes beschieden war. „Der Günter, Sie gaben ihm das Image des Genialen, der kann ja mit dem Ball umgehen wie des Einzigen, der das Spiel wirklich ver­ kein anderer. Der wird mal sicher was“, stand. Acht Wochen nach Wembley sagte der Nachbar der stolzen Mutter war er Europameister und Deutschlands und die erinnerte sich noch oft an diese Fußballer des Jahres. Prophezeiung. Denn sie wurde wahr. So sehr, dass man Netzer auch heute noch Netzer war auch neben dem Platz ein nicht groß vorstellen muss. Idol, er kam an bei der rebellischen Achtundsechziger-Generation. Wegen Die Geschichte seines Lebens seiner langen Haare, seiner flotten 4 ­Autos, seiner hübschen Freundinnen. Er Netzer war der erste Pop-Star der hatte Kontakt in die Film- und Künstler­ ­Bundesliga. Ein junger Wilder, der sich szene, trank mit Frank Sinatra in New mit seinen Vorgesetzten anlegte und York Cocktails und war der erste Fuß­ seinen eigenen Weg ging. Der in New baller, der eine Disco eröffnete. York mit Berti Vogts nachts eine Feuer­ leiter herunterkletterte und sich in In der Borussen-Mannschaft war er bis ­einem Taxi über den Broadway fahren zum Abschied 1973 nach nicht ließ. Netzer war „der King“, wie sie ihn immer beliebt, aber stets geachtet. intern riefen: überragender Dirigent, „Was mich immer gerettet hat, war die Vorbereiter und Torschütze in einem. Tatsache, dass ich vernünftig Fußball Netzer schwebte so weit über allen gespielt habe“, sagte Netzer später, als 5 ­anderen, dass er sich auch mit Trainer der letzte Ball längst gekickt war. Heute anlegen konnte. Die blickt Netzer mit Genugtuung auf die 1_Günter Netzer blickt zufrieden legendäre Krönung der Renitenz: im ersten siebeneinhalb Jahrzehnte seines auf sein bisheriges Leben. Pokalfinale 1973 gegen Köln saß er Lebens. „Ich bin ein zufriedener Mensch 2_Spielmacher, Stratege, Netzer ­zunächst auf der Bank, in der Verlän­ und fühle mich privilegiert“, sagt er. war eine echte Nummer 10. gerung wechselte er sich gegen den „Das war keine Selbstverständlichkeit, 3_Bei der WM 1974 im Spiel ­erschöpften Christian Kulik selbst ein dieses Leben. Man trägt immer einen gegen die DDR. („Ich spiele dann jetzt!“) und schoss Teil dazu bei, aber es war auch ver­ 4_Fußballgeschichte: Selbst eingewechselt, prompt das Siegtor. Es ist die Ge- dammt viel Glück dabei. Ich bin überaus getroffen, Pokalsieger 1973. schichte seines Lebens, ein häufig er­ dankbar für das, was mir da segens­ 5_Bei der Eröffnung seiner Diskothek zähltes Stück deutscher Fußballkultur. reicherweise passiert ist.“ in Mönchengladbach. Heute sagt Netzer über sein Verhältnis Udo Muras INSIDE CDN 42 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

TEAMWORK FÜR LEGENDEN

Jahrestreffen, Legendenspiel und Regionales Treffen in Dortmund – drei Höhepunkte für den CdN wurden erfolgreich organisiert. Ein Verdienst auch von Marlen Hassinger und Roland Gerfin, die im DFB unter der Verantwortung von Director Michael Kirchner für die Belange des Clubs der ­Nationalspieler zuständig sind.

enn das DFB-Präsidium tagt, werden häufig wich­ die Zahl der Gäste auf 500. Nicht jedes der großen Stadien tige und weitreichende Entscheidungen getrof­ verfügt in den VIP-Bereichen über Räumlichkeiten, die fen. Dazu gehört: Die Festlegung der Termine ­genügend Platz für eine so große Zahl an Personen bieten. Wund Orte der Spiele der Nationalmannschaft. Wenn feststeht, wann und wo gegen wen gespielt wird, setzt Im Rahmen des Projekts CdN ist Hassinger hauptsächlich im DFB an vielen Stellen eine Reaktion ein. So wie im Büro zuständig für die Regionalen Treffen und die Jahrestreffen. von Marlen Hassinger und Roland Gerfin. Die beiden sind Sie ist seit 2014 im DFB, nach Abschluss ihrer Ausbildung zur zuständig für das Projekt Club der Nationalspieler, und damit Kauffrau für Büromanagement kam sie über kurze Umwege auch für einen Leuchtturm innerhalb des Projekts – das in die Abteilung Veranstaltungsmanagement und dort in ­große Jahrestreffen. Und wenn feststeht, wann, gegen den Bereich Sonderprojekte, zu denen der CdN gehört. wen und wo die Mannschaft die nächsten Heim-Länderspiele Für Hassinger ist dies eine der schönsten Aufgaben im DFB. bestreitet, beginnt in Büro 240 des Hermann-Neuberger- Sie hat eine Zeit lang aktiv gespielt, für sie ist es nach wie vor Hauses in Frankfurt am Main ein Prozess, an dessen Ende etwas Besonderes, mit Nationalspielern und Ehemaligen in das große Jahrestreffen steht. Kontakt zu kommen. Gelegenheiten dafür gibt es nicht zu wenig. Beim kurzen Plausch im Rahmen der Treffen, an­ Die wichtigste Entscheidung ist dabei die Festlegung des sonsten telefonisch oder per E-Mail, wenn Hassinger gerne ­Rahmens. Marlen Hassinger nennt dazu die Parameter: Rückfragen beantwortet oder hilft, wenn ein Ticket verloren „Ein attraktiver Gegner und ein großes Stadion.“ So wie wurde oder die Anmeldung zu spät erfolgt oder wenn sich ­Hamburg, so wie die Niederlande. Wobei das Fassungsver­ der Name der Begleitperson ändert. Oder, oder, oder. Be­ mögen der Tribünen nur ein Aspekt ist, ebenso wichtig sind sonders freut sie sich über Feedback und ganz besonders, die Dimensionen im Inneren. Rund 250 Zusagen haben die wenn es positiv ausfällt. „Es ist immer schön, wenn die Arbeit Jahrestreffen im Schnitt, mit einer Begleitperson addiert sich gesehen und anerkannt wird“, sagt sie. INSIDE CDN CDN-MAGAZIN 40 | 2019 43

TEAMWORK FÜR LEGENDEN

viel Vertrauen, können uns aber jederzeit an ihn wenden und von seiner Erfahrung profitieren. Für diese Konstellation bin ich sehr dankbar.“

Regionale Strukturen im CdN

Roland Gerfin würde das genauso sagen. Er sitzt Hassinger im Büro gegenüber, unterstützt sie bei der Organisation der ­Regionalen Treffen und des Jahrestreffens. Gerfin arbeitet seit 2018 fest im DFB, zuvor war der Sportwissenschaftler für eine Agentur im Auftrag des DFB zuständig für den Fan Club Nationalmannschaft. Nach seinem Wechsel zum ­Verband hat er sich gemeinsam mit Hassinger der Aufgabe verschrieben, den CdN zu entwickeln, den Service und die Angebote für die Mitglieder zu verbessern. Dazu gehört das Einziehen von regionalen Strukturen. Ein erster Schritt dabei war, dass mit Jens Nowotny ein Regional-Vorstand für NRW gewonnen werden konnte. „Wenn ein Netzwerk-Treffen in Nordrhein-Westfalen stattfindet, ist es sinnvoll, wenn nicht wir aus Frankfurt dies in die Hand nehmen, sondern, wenn das jemand übernimmt, der vor Ort ist und der die CdN-ler per­ Für 2019 gilt: Die Wahl fiel auf Hamburg. Nach dieser internen sönlich kennt“, sagt Gerfin. So wie Nowotny. Für die Zukunft Festlegung richtet Hassinger die offizielle Anfrage an DFB- hofft Gerfin, dass andere CdN-ler dem Beispiel Nowotnys Generalsekretär Dr. Friedrich Curtius. Von dieser Stelle aus folgen und bald über alle Regionen Deutschlands verteilt, muss das Vorhaben bewilligt, das Budget besprochen und CdN-Mitglieder als regionale Vorstände im Einsatz sind. Auch festgelegt werden. Dann legt Hassinger los. Einer der ersten an der club-internen Kommunikation wurde und wird gear­ Schritte besteht im Save-the-Date-Schreiben an alle Mitglie­ beitet. „Wir werden auf der Website eine Art Messenger ein­ der. Es folgen: Absprachen mit den Dienstleistern, mit dem richten, über den die Mitglieder miteinander kommunizieren Bereich Hospitality, dem Protokoll und dem Brand Manage­ können“, sagt er. „Ein großer Vorteil ist, dass man dabei keine ment. Ein Beispiel: Welche Bilder werden im CdN-Bereich Kontaktdaten benötigt, um sich auszutauschen und mitei­ platziert, welche Protagonisten passen zum CdN und zur nander in Kontakt zu kommen“, sagt Gerfin. Stadt? Acht Wochen vor dem Spiel erfolgt die Einladung an den Kreis des CdN. Ein Prozess, der mittlerweile weit­ Seine Hauptaufgabe im Bereich des CdN lag zuletzt in der gehend elektronisch läuft. „Wir schreiben aber auch noch Organi­sation des Legenden-Spiels der DFB-All-Stars. Schon Briefe, die per Post zugestellt werden“, sagt Hassinger. Sie länger existierte der Gedanke, eine offizielle Legendenmann­ findet es charmant, dass nicht alle CdN-ler eine E-Mail-­ schaft des DFB zu etablieren und diese mit Spielen gegen Adresse haben. „Darin spiegelt sich ja auch, wie viele Genera­ hoch­karätige Gegner auch für die gute Sache antreten zu tionen im CdN vertreten sind“, sagt sie. ­lassen. Aachen und Hamburg waren als Austragungsorte im Gespräch, die Niederlande als Gegner. Nun war es soweit – Wobei Hassinger Wert darauf legt, dass der CdN im DFB mit dem Legenden-Länderspiel der DFB-All-Stars in Fürth keine One-man-Show ist. „Wir arbeiten im Team“, sagt sie und ­gegen die Azzurri Legends wurde auch Gerfins Arbeit belohnt. betont auch die Unterstützung durch Michael Kirchner, den verantwortlichen DFB-Director. „Wir bekommen von ihm Steffen Lüdeke DIAGONALPÄSSE 44 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

Zuwachs in der Hall of Fame

Die Hall of Fame des deutschen Fuß­ balls ist personell vergrößert worden. Eine Fachjury wählte auf Initiative des Deutschen Fußballmuseums Dortmund , Hans-Jürgen Dörner, Wolf­ gang Overath, Jürgen Klinsmann und Trainer Helmut Schön in die Ruhmes­ , die nunmehr 29 deutsche Fuß­ ballgrößen umfasst. „Wir haben in der Jury hart um jeden Namen gerungen, mussten einmal sogar in die Stichwahl. Einzig bei waren sich alle einig“, sagte Manuel Neukirchner, der Direktor des Deutschen Fußball­ museums.

Nicolai Müller geht nach Australien Im Rahmen der USA-Reise 2013 ab­ Ab 2020 in ARD-Diensten: Weltmeister . solvierte Nicolai Müller seine beiden Länderspiele für Deutschland. Der da­ Schweinsteiger der EURO 2020 wird Schweinsteiger malige Mainzer galt als großer Hoff­ wird TV-Experte ­zunächst bis zur WM 2022 in Katar bei nungsträger, doch Verletzungen mach­ der ARD als Experte fungieren. Ange­ ten ihm immer wieder zu schaffen. Sein letztes Spiel war ein Sieg. Mit sichts von Schweinsteigers Vita hätte ­Chicago Fire gewann Bastian Schwein­ das „Erste“ kaum einen besseren Fach­ steiger in der Major League Soccer mit mann finden können: Weltmeister 2014, 5:2 bei Orlando City – dann verkündete achtmal Deutscher Meister, siebenmal er, was viele zuvor schon gemutmaßt DFB-Pokalsieger, Champions League- hatten: Schweinsteiger beendet seine Sieger 2013 mit dem FC Bayern, Europa einzigartige, glanzvolle und erfolgrei­ ­League-Sieger mit Manchester United che Karriere. Nach 342 Spielen für den 2017, dazu fußballerische und persön­ FC Bayern München, 18 für Manchester liche Horizont-Erweiterung in der Zeit United, 86 für Chicago Fire und 121 bei Manchester United und zuletzt bei Auftritten für die deutsche National­ Chicago Fire! „Schweinsteiger ist ein mannschaft stellte eine der prägends­ bodenständiger, glaubwürdiger und ten Figuren der vergangenen Jahre die einnehmender Charakter, der zum einen Fußball-Schuhe endgültig in die Ecke. Fußballspiele sehr gut lesen und ana­ „Mein Abschied als aktiver Spieler lysieren kann, dem zum andern aber stimmt mich ein bisschen wehmütig, oft auch der Schalk im Nacken sitzt“, aber ich freue mich auf die spannenden sagt ARD-Sportkoordinator Axel Bal­ Aufgaben, die mich bald erwarten. Dem kausky über den neuen Mitarbeiter. Und Fußball werde ich treu bleiben“, schrieb Schweinsteiger? Freut sich auf die neue er auf Instagram. Rolle. „Die Aufgabe als Experte reizt mich deshalb, weil sie die Möglichkeit Wenig später gab es die nächste Nach­ bietet, die Spiele aus meinem eigenen richt aus dem Hause Schweinsteiger: Blickwinkel zu betrachten, Spielweisen Der 35-Jährige vollzieht einen spekta­ und Aufstellungen zu hinterfragen und kulären Seitenwechsel. Beginnend mit zu analysieren“, sagte er. Zukünftig in „Down Under“: Nicolai Müller. DIAGONALPÄSSE CDN-MAGAZIN 40 | 2019 45

Für ihn kamen keine weiteren Einsätze nalspieler freut sich sehr über seine fußball verkörpert wie kaum ein anderer. für Deutschland hinzu. Nun verlässt er neue Aufgabe: „Die Entwicklung der Mit ihm wollen wir ein klares Signal Deutschland, der 32-Jährige löste sei­ Eintracht in den vergangenen Jahren ist ­setzen, auf welche Elemente wir in Zu­ nen Vertrag bei und in allen Bereichen beachtlich. Ich hatte kunft im Nachwuchsfußball bei Ein­ schloss sich dem australischen Erst­ die Gelegenheit, viele wertvolle Erfah­ tracht Frankfurt ein besonderes Augen­ ligisten Western Sydney Wanderers an. rungen im Bereich des Spitzen- und merk legen wollen. Andy ist national In Sydney trifft er auf viele alte Be­ Nachwuchsfußballs zu sammeln, die ich und international hoch angesehen und kannte. Zu seinen neuen Teamkollegen nun gerne am Riederwald einbringen gut vernetzt.“ gehören und Pirmin möchte“, sagt der Welt- und Europa­ Schwegler, trainiert wird das Team von meister. „Insbesondere der Förderung . „Für ihn ist das ein der individuellen spielerischen Qualität Schnuphase ­echtes Abenteuer, er wird die Zeit dort des Eintracht-Nachwuchses will ich übergibt an Loose genießen", sagte der Frankfurter Sport­ mich verstärkt zuwenden.“ vorstand . Am 30. September war für Rüdiger Sportvorstand Fredi Bobic ist von der Schnuphase (65) der letzte Arbeitstag Personalie Möller voll überzeugt: „Wir in der Geschäftsstelle des Thüringer Möller kehrt zur haben in den vergangenen Wochen Fußball-Verbandes (TFV). Nach mehr als Eintracht zurück ­gemeinsam mit dem Verein einen Pro­ elfeinhalb Jahren beendet er seine zess zur strukturellen Neuausrichtung ­Tätigkeit als Auswahltrainer und Mitar­ Andreas Möller ist neuer Leiter des des Nachwuchsleistungszentrums ein­ beiter für Qualifizierung in der TFV- Nachwuchsleistungszentrums von Ein­ geleitet und streben eine breitere per­ Zentrale. Mit ihm verliert der Verband tracht Frankfurt. Darauf haben sich das sonelle Aufstellung an“, sagte Bobic. ein Aushängeschild, denn Schnuphase Präsidium von Eintracht Frankfurt e. V. „Mit Andreas Möller holen wir nicht nur bestritt für die DDR-Nationalmannschaft und der Vorstand der Eintracht Frank­ einen der erfolgreichsten Fußballer 45 Spiele (sechs Tore) und kam in der furt Fußball AG Anfang Oktober ein­ Deutschlands zu uns, sondern einen DDR-Oberliga für den FC Rot-Weiß Er­ stimmig geeinigt. Möller erhält einen ­erwiesenen Fachmann, der die erklärte furt und den FC Carl Zeiss Jena in ins­ Vertrag bis zum 30. Juni 2022, seine neue Schwerpunktsetzung im deut­ gesamt 320 Partien zum Einsatz (123 Tätigkeit hat er mit sofortiger Wirkung schen Nachwuchsfußball auf indivi­ Tore). Rüdiger Schnuphase wurde 1982 aufgenommen. Der 85-malige Natio­ duelle spielerische Klasse und Tempo­ zum „Fuß­baller des Jahres“ gewählt und

„Back to the roots“: Welt- und Europameister Andy Möller. Ballübergabe an Norman Loose: Rüdiger Schnuphase. DIAGONALPÄSSE 46 CDN-MAGAZIN 40 | 2019 war 1981/82 als Abwehrchef Torschüt­ der CdN-Vorsitzende das Gesamter­ Hitzlsperger an der zenkönig der Oberliga (19). Bemerkens­ gebnis ermitteln. Die Bekanntgabe der Spitze des VfB wert ist auch sein langjähriges Engage­ Gewinnerin und des Gewinners ist für ment im Projekt „Anstoß für ein neues den 3. Dezember 2019 geplant. ist neuer Vor­ Leben“, bei dem er mit jungen Strafge­ standsvorsitzender des Zweitligisten fangenen einmal pro Woche trainierte. VfB Stuttgart. Der 37-Jährige wurde Sam wechselt vom Aufsichtsrat der VfB Stuttgart Sein „Zuspiel“ übernimmt mit Norman nach Österreich 1893 AG dazu berufen, wie der Tradi­ Loose (38) ein ehemaliger Zweitliga­ tionsclub mitteilte. „Der VfB braucht spieler (110 Spiele), der unter anderem Der frühere Nationalspieler Sidney Sam keinen Neustart auf allen Ebenen, son­ auch in Erfurt, beim VfB Leipzig, Unter­ hat einen neuen Arbeitgeber gefunden. dern muss sich noch mehr auf seine haching und Erzgebirge Aue spielte. Der 31-Jährige unterschrieb beim SCR Stärken be­sinnen und an manchen Er arbeitet bereits seit Juli 2019 im Altach in Österreich einen Vertrag bis ­Stellen mehr Schwung aufnehmen“, Sachgebiet „Gesellschaftliche Verant­ zum Saisonende. Sam war zuletzt ver­ sagte Hitzls­perger in einer Vereinsmit­ wortung“, ist A-Lizenz-Inhaber und sam­ einslos, sein Vertrag beim Zweitligisten teilung. Der 52-malige Nationalspieler melte Erfahrungen als Trainer im Nach­ VfL Bochum war im Sommer ausge­ trat sein neues Amt Mitte Oktober an, wuchs- und Männerbereich bei Rot-Weiß laufen. „Nach über zwölf Jahren in den sein Vertrag ist zunächst befristet bis Erfurt. Loose wird den Ball von Rüdiger ersten beiden deutschen Ligen freue zum 31. Oktober 2022. Neben der Ver­ Schnuphase im Auswahlbereich auf­ ich mich jetzt noch einmal auf eine antwortung für den Sport übernimmt nehmen und als Landestrainer fungieren. neue Herausforderung“, sagte Sam. der 52-fache Nationalspieler noch die „Der SCRA ist ein sehr ehrgeiziger Ver­ Bereiche Unternehmensstrategie und ein, der sich in den vergangenen Tagen Kommunikation. Hitzlsperger („Der VfB Matthäus, Kuntz und Neuer sehr um mich bemüht hat." ist ein großer Club mit vielen Möglich­ wählen „Amateure des Jahres“ keiten, die er aber nicht immer voll aus­ schöpft“) will seine neue Aufgabe nun Die besten deutschen Fußball-Ama­ mit viel Schwung angehen. „Ich weiß, teure können sich auch in diesem Jahr dass Ex-Fußballer gerne kritisch beur­ auf die Urteilsfähigkeit von Rekord­ teilt werden – und auch die Größe der nationalspieler Lothar Matthäus ver­ Aufgabe ist mir bewusst“, sagte der lassen. Wie im vergangenen Jahr ist Deutsche Meister von 2007. „Aber mich Matthäus auch diesmal Mitglied der hat schon immer mehr interessiert als prominenten Jury bei der großen FUSS­ allein das Ergebnis vom Wochenende. BALL.DE-Aktion „Amateure des Jahres Ich will hier gemeinsam etwas bewegen.“ 2019“. Zusammen mit Weltmeister

­Manuel Neuer, Europameister und U 21- Nationaltrainer , Dr. Rainer Spendengala der Koch, dem 1. DFB-Vizepräsidenten, den Matthias-Ginter-Stiftung Vorjahresssiegern Melanie Bölzle und Thomas Ballbach sowie einem speziel­ Matthias Ginter (25) und seine Frau len User-Voting auf FUSSBALL.DE wird Neuer Vertrag in Altach: Sidney Sam. Christina haben Mitte Oktober die ­zweite Spendengala der Matthias-Gin­ ter-Stiftung gefeiert. Gast der Feier im Historischen Kaufhaus am Münsterplatz in Freiburg waren unter anderem Bun­ destrainer Joachim Löw, Ober­bürger­ meister Martin Horn, SC-Vorstand Oliver Leki sowie die SC-Spieler Chris­tian ­Günter und Dominique Heintz. Mit der vor eineinhalb Jahren gegründeten Stif­ tung unterstützt das Ehepaar Ginter Projekte für Kinder und Jugendliche in und um Freiburg. Die Spendengala soll­ te helfen, weitere Mittel zu akquirieren. „Es ist wichtig, dass man den Blick auch über den Fußballplatz hinaus richtet", sagte Ginter vor Beginn der Spenden­ gala. Die Stiftung übernimmt unter an­ derem Essenspatenschaften, sie hat das BBZ in Stegen gefördert, per Spende Sozial engagiert: Matthias Ginter und Ehefrau Christina. auch den Bau der neuen Kinderklinik, die DIAGONALPÄSSE CDN-MAGAZIN 40 | 2019 47

Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke Hinkel folgt Tedesco und den Verein „Tigerherz – wenn Eltern nach Moskau Krebs haben“. Eine sehr gute und sehr private Nachricht konnten die Gastgeber Neue Herausforderung für Andreas an diesem Abend auch noch verkünden: ­Hinkel. Der 37-Jährige unterschrieb Christina und Matthias Ginter erwarten ­einen Vertrag als Co-Trainer von Do­ im kommenden März ihr erstes Kind. menico Tedesco bei Spartak Moskau. ­Hinkel hatte im Frühjahr 2019 die Fuß­ ball-Lehrer-Lizenz erworben und bis Doll mit gutem Start ­Saisonende als Trainer der Zweiten bei Apoel Nikosia Mannschaft des VfB Stuttgart gear­ beitet. Nun verlässt er Deutschland. Nach seinem Aus bei hat „Domenico und ich kennen und schät­ Thomas Doll (53) schnell eine neue zen uns schon seit unserer gemein­ ­Aufgabe gefunden. Doll übernahm die samen Zeit in der U 17 des VfB Stuttgart. Verantwortung als Trainer bei Apoel Der Kontakt ist nie abgerissen. Und uns ­Nikosia. Mit den Zyprioten hatte Doll war immer klar, dass wir gerne mal gleich große Aufgaben vor der Brust. ­wieder zusammenarbeiten würden“, Im Rahmen der Champions League- sagt Hinkel jetzt. „Als die Anfrage kam, Qualifikation scheiterte Apoel nach haben wir uns intensiv damit beschäf­ ­einem 0:0 im Hinspiel nach einer tigt. Spartak ist ja nicht irgendein Klub, 0:2-Niederlage im Rückspiel nur knapp sondern der beliebteste Verein des an Ajax Amsterdam. Danach gab es die ­Landes mit einer großartigen Historie ersten Erfolge und Titel. Apoel glückte und unglaublich vielen, leidenschaft­ die Qualifikation für die Europa League lichen Fans", sagt der 37-Jährige. Hinkel und der Triumph im Super-Cup auf hat 21 Mal für die deutsche National­ ­Zypern. Im Stadion von Larnaca be­ mannschaft gespielt. Als Profi war er für siegte Meister Apoel Pokalsieger AEL den VfB Stuttgart, den FC Sevilla, Celtic Limassol mit 1:0. Glasgow und den SC Freiburg aktiv. Auf dem Sprung: Andreas Hinkel.

Wir trauern um Harald Nickel, der am 4. August 2019 im Alter von 66 Jahren gestorben ist.

„Um Elfmeter so zu schießen, muss man drohte für Titelverteidiger Gladbach das cool sein“, hat Harald Nickel immer über frühe Aus, erst recht, nachdem Ales­ Harald Nickel gesagt. Und so hat er sie sandro Altobelli Inter nach 25 Minuten geschossen: Fast aus dem Stand, mit in Führung geschossen hatte. Zwölf nur ein, zwei Schritten Anlauf. Nickel hat ­Minuten später hatte Nickel seinen gro­ damit den Torhütern die Chance ge­ ßen Auftritt. Im Mittelfeld kommt er an nommen, sich (zu) früh zu bewegen, er das Spielgerät, läuft zwei kurze Schritte, hat sie überrumpelt. Damit ist er in blickt kurz auf und zieht ab. Frech. Cool. die Fußball-Geschichte eingegangen – Erfolgreich. Der Ball schlägt unter der und genauso mit einem Treffer aus viel Latte ein, Inter-Torwart Ivano Bordon ­größerer Distanz aber nur unwesentlich schaut staunend hinterher. Borussia ist mehr Anlauf. wieder im Spiel. Der Treffer wird später von den Zuschauern der Sportschau Am 7. November 1979 schlug seine zum Tor des Jahres gewählt. Es war der ­große Stunde, heute vor 40 Jahren. erste Teil der Nickel-Show in Mailand. Nach seinem Wechsel von Eintracht Teil zwei folgte in der 20. Minute der Braunschweig zur Borussia nach Mön­ Verlängerung. 2:2 der Spielstand, Elf­ chengladbach kam für ihn die erste meter für Gladbach. Nickel steht bereit, verbracht, in Deutschland spielte er für große Bewährungsprobe auf interna­ kurzer Anlauf, Schuss, drin, 3:2. Bielefeld, Braunschweig und Mönchen­ tionaler Bühne mit den Spielen der gladbach. Für die deutsche National­ 2. Runde im UEFA-Cup gegen Inter Harald Nickel hat große Teile seiner mannschaft hat er drei Spiele absolviert. ­Mailand. Nach einem 1:1 im Hinspiel Laufbahn in Belgien und der Schweiz Am 4. August 2019 erlag er dem Krebs. JUBILÄEN UND RUNDE GEBURTSTAGE 48 CDN-MAGAZIN 40 | 2019

RUNDE GEBURTSTAGE*

(in Klammern Anzahl der Länderspiele) * im 3. Quartal 2019

1 4 3

2

8

90 Jahre 70 Jahre

GERHARD MAROTZKE (1) am LUTZ LINDEMANN (21) am 13. Juli; 30. September. RALF SCHULENBERG (3) am 15. August; ARNO STEFFENHAGEN (1) am 24. September. 80 Jahre

MAX LORENZ (19) am 19. August; 60 Jahre GÜNTER HERRMANN (9) am 1. September; JOACHIM BÄSE (1) THOMAS KROTH (1) am 26. August; am 2. September; GERT DÖRFEL ARMIN GÖRTZ (2) am 30. August; (11) am 18. September. HANS RICHTER (15) am 14. Sep­ tember.

75 Jahre 50 Jahre JÜRGEN GRABOWSKI (44) am 7. Juli; BERND DOBERMANN (2) MARCO BODE (40) am 23. Juli. am 9. August; GÜNTER NETZER (37) am 14. September; B E R N D BRANSCH (72) am 24. September. 40 Jahre 1_Max Lorenz. 2_Joachim Bäse. PAUL FREIER (19) am 26. Juli; 3_Jürgen Grabowski. MANUEL­ FRIEDRICH (9) am 4_Bernd Bransch. 13. September. 5_Bernd Schneider. JUBILÄEN UND RUNDE GEBURTSTAGE CDN-MAGAZIN 40 | 2019 49

JUBILÄEN*

(Spieler mit 5 und mehr Länderspielen) * im 3. Quartal 2019

7 5

6

9 Debütantenball Abschiedsspiel vor 25 Jahren (1994) vor 30 Jahren (1989)

RALF WEBER (insgesamt 9 Länder­ HOLGER FACH (5, 27 Jahre, Bayer spiele, Alter und Verein beim 1. Länder­ 05 Uerdingen) am 6. September gegen spiel: 25 Jahre, Eintracht Frankfurt) am Irland (1:1). 7. September gegen Russland (1:0).

Abschiedsspiel Debütantenball vor 25 Jahren (1994) vor 20 Jahren (1999) RUDI VÖLLER (90, 34 Jahre, Olym­ 10 BERND SCHNEIDER (81, 25 Jahre, pique Marseille) am 10. Juli gegen ) am 28. Juli gegen ­Bulgarien (1:2); ANDREAS BREHME Neuseeland (2:0). (86, 33 Jahre, 1. FC Kaiserslautern) am 10. Juli gegen Bulgarien (1:2); G U I D O BUCHWALD (76, 33 Jahre, VfB Stutt­ Abschiedsspiel gart) am 10. Juli gegen Bulgarien (1:2); vor 50 Jahren (1969) BODO ILLGNER (54, 27 Jahre, 1. FC Köln) am 10. Juli gegen Bulgarien (1:2); BERND DÖRFEL (insgesamt 15 KARLHEINZ RIEDLE (42, 28 Jahre, ­Länderspiele, Alter und Verein beim ) am 7. September letzten Länderspiel: 24 Jahre, Eintracht gegen Russland (1:0). Braunschweig) am 24. September­ gegen Bulgarien (1:0); LUDWIG MÜLLER (6, 28 Jahre, Borussia Abschiedsspiel ­Mönchengladbach) am 24. September vor 20 Jahren (1999) gegen Bulgarien (1:0). 1_Max Lorenz. 6_Holger Fach. (17, 33 Jahre, 2_Joachim Bäse. 7_Rudi Völler, Andreas Brehme. 1. FC Kaiserslautern) am 28. Juli gegen 3_Jürgen Grabowski. 8_Lutz Lindemann. Neuseeland (2:0); 4_Bernd Bransch. 9_Ludwig Müller. (41, 31 Jahre, FC Bayern München) am 5_Bernd Schneider. 10_Olaf Marschall. 8. September gegen Nordirland (4:0). MIT KELLE UND KANZLERIN

ANGELA MERKEL BEI DER GRUNDSTEINLEGUNG FÜR DEN NEUEN DFB UND SEINE AKADEMIE. DFB.DE NATIONALSPIELER.DFB.DE DFB.DE/DIE-MANNSCHAFT

HERAUSGEBER Deutscher Fußball-Bund Otto-Fleck-Schneise 6 60528 Frankfurt/Main Telefon: (0 69) 67 88-0 Telefax: (0 69) 67 88-2 04 E-Mail: [email protected] www.dfb.de

PROJEKTLEITER CLUB DER NATIONALSPIELER Michael Kirchner (DFB)

VERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT Ralf Köttker (DFB-Direktor Öffentlichkeit und Fans)

KONZEPTION Steffen Lüdeke, Wolfgang Tobien

REDAKTIONELLE MITARBEIT Gereon Tönnihsen

AUTOREN Wolfgang Tobien, Steffen Lüdeke, Andreas Pahlmann, Udo Muras

BILDQUELLEN Thomas Böcker, Getty Images, imago, Philipp Reinhard, Picture Alliance, Thüringer Fußball-Verband

GESAMTHERSTELLUNG Braun & Sohn Druckerei GmbH & Co. KG Am Kreuzstein 85, 63477 Maintal

Die Ausgabe Nr. 40/2019 des CdN-Magazins ist, ebenso wie alle bisherigen Ausgaben, online ­unter „www.nationalspieler.dfb.de“ abzurufen.