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Ute Kissling Stettiner Haff Ueckermünde Usedoms Süden

Mit

Highlights Tipp Lieblingsorte unserer Autorin Ute Kissling Familientipps

Grüne Tipps 2 Inhalt Inhalt 3

Östlich von Ueckermünde | 64 Usedoms Haffküste | 88 Vogelsang-Warsin | 65 Karnin & Mönchow | 89 Willkommen | 4 | 66 (Stadt) | 90 Wohin am Stettiner Haff? | 6 Neuwarp () | 68 Stolpe | 94 Rieth | 70 & Prätenow | 96 Luckow | 72 & | 96 | 73 | 97 Land & Leute Swinemünde (Świnoujście) | 98 Sehenswertes im Hinterland | 74 Das Stettiner Haff heute | 10 | 75 Die östliche Haffküste | 104 Die deutsche Seite | 11 | 76 Insel Wollin () | 105 Steckbrief: Stettiner Haff | 13 | 78 Wollin Stadt (Wolin) | 107 Die polnische Seite | 13 | 80 Zwischen Wollin und Stettin | 108 Steckbrief: Anklam | 80 Kultur & Lebensart | 14 Stettin () | 110 Flugpionier Otto Lilienthal | 87 Vorpommersches Platt | 14 Landschaft & Umwelt | 22 Steckbrief: Stettin | 112 Backsteingotik & Fischerkaten | 14 Naturpark Am Stettiner Haff | 22 Stadtspaziergang | 114 Pommersche Küche | 16 Pflanzenwelt | 23 Traditionelle Reetdächer | 17 Tierwelt | 24 Anklamer Stadtbruch | 25 Geschichte | 18 Die Pommerschen Herzöge | 21 Feste & Veranstaltungen | 26 Touren Tour 1 Radtour rund um den Neuwarper Reisepraktisches See | 124 Klima & Reisezeit | 30 Tour 2 Ankommen | 30 Erlebnistour im Hinterland des Unterwegs am Haff | 33 Tour 5 Stettiner Haffs | 127 Übernachten | 34 Mit Schiff und Rad nach Swine­ Medientipps | 34 Tour 3 münde | 134 Sport & Aktivitäten | 36 Wissenswertes von A–Z | 39 Unterwegs auf dem Naturlehrpfad Tour 6 Baden | 38 Pommernkogge Ucra | 40 August Bartelt | 130 Haff-Rundtour mit Zeesenboot, Rad Mit Kindern | 38 Tour 4 und Fähre | 137 Radeln rund um den Eggesiner Orte & Landschaften See | 132

Ueckermünde | 44 Steckbrief: Ueckermünde | 46 Sehenswertes | 48 Giulio Perotti: Der Pavarotti von Ueckermünde | 55 Register | 140 Kartenregister | 142 Mönkebude | 58 Westlich von Ueckermünde | 56 Kartensymbole | 142 | 62 | 57 Impressum | 143 4 Willkommen 5

Lange segelte die Region im Wind­ Das Haff – der kleine Bruder Willkommen am schatten der Usedomer Seebäder, der Ostsee doch seit einigen Jahren ist die Ge­ Das Haff hat eine 903 Quadratkilome­ Stettiner Haff gend in den Sommermonaten gut ter große zusammenhängende Was­ besucht und belebt so eine Tradition serfläche bei einer Ost-West-Aus­ der Badekultur aufs Neue, die ihren dehnung von 52 Kilometern. Nach Urlaub am Stettiner Haff bedeutet Unverbrauchtes Ferienparadies Beginn in den 20er Jahren des vori­ Norden hin wird es durch die Inseln eintauchen in einen Landstrich der Am Stettiner Haff erwartet die Besu­ gen Jahrhunderts nahm. In den Cafés Wollin und Usedom begrenzt. Mit Stille und Weite. Rustikale Fischer­ cher eine sanfte Landschaft, oft ur­ auf dem Marktplatz in Ueckermünde der offenen Ostsee ist das Haff durch dörfer und kleine Orte prägen die Re­ sprünglich und unberührt. Feinsan­ und an den Stränden hört man nun die Meeresarme (Dievenow), gion. Verträumt und idyllisch schmie­ dige, kleine Buchten und Strände, neben hochdeutsch und vorpom­ Swine (Świna) und den gen sie sich an die Küste liegen große Wälder und weite Wiesen la­ merschem Platt verstärkt auch säch­ verbunden. Von der Landseite aus verborgen im Hinterland. den zum Baden, Spazierengehen sisch, schwäbisch und bayerisch. fließen die Oder bei Stettin sowie Das ruhige, salzarme Gewässer des und Fahrradfahren ein. Auf den Flüs­ Die Städte Anklam, Ueckermünde, , Zarow und in das Haff. Haffs ist ein Badeparadies – entwe­ sen Uecker, Zarow und Oder kann Stettin und Swinemünde verbindet Mitten durch das Gewässer, das der an den puderweichen Sandsträn­ man Paddeltouren machen und auf eine gemeinsame Geschichte, die auch liebevoll „das kleine Meer“ den der größeren Orte oder an wun­ dem Haff segeln oder Kitesurfen. Da­ weit ins Mittelalter zurückreicht und genannt wird, geht seit 1945 die derbar abgeschiedenen Badestellen bei befindet man sich in landschaft­ deren Spuren noch heute sichtbar deutsch-polnische Grenze. Der öst­ mitten in der Natur. Die ist in der Haff­ lich geschützten Gebieten, entwe­ sind. So präsentiert sich das Gebiet liche, polnische Teil wird Großes Haff region besonders urwüchsig und ar­ der in den deutschen Naturparks rund um das Stettiner Haff als eine genannt, der westliche, deutsche Teil tenreich. Geschützte Gebiete wie die am Stettiner Haff und der Insel Use­ Ferienregion für Familien und Aktiv­ heißt Kleines Haff. Beide haben ihren Binnendüne und der Eggesiner See dom oder im Nationalpark Wollin auf urlauber, die weit weg von der All­ ganz eigenen Charme, wobei sich der bieten seltenen Tieren eine Heimat, der polnischen Seite. Auf gut aus­ tagshektik die Ruhe der vorpommer­ deutsche Teil mit seinen zahlreichen im großen Nationalpark auf der In­ gebauten Rad- und Wanderwegen schen Natur mit allen Sinnen genie­ Reet- und Fachwerkhäusern etwas sel Wollin leben wieder Wisente, die kann man das Binnenland auf Ausflü­ ßen wollen – entschleunigt, kreativ malerischer präsentiert. größten Säugetiere Europas. gen bequem erobern. und naturnah zu allen Jahreszeiten.

Badeurlauber finden am Stettiner Haff quirlige Strände, aber auch ruhige Buchten Am Stadthafen von Ueckermünde, dem Zentrum der südlichen Haffküste 6 Willkommen Wohin am Stettiner Haff? 7

Wohin am Stettiner Ueckermünde Altwarp hofs mit angegliederter Falknerei Die Kleinstadt ist das kulturelle Zen­ Im nordöstlichsten Dorf Deutsch­ Spaß ( £ Seite 94). Haff? trum der deutschen Haffseite und lands geht es sehr ruhig zu, rustikale Urlaub in Deutschland oder in Po­ besticht durch ihre hübsche Alt­ Fischerhäuser prägen das Ortsbild. Haffdörfer im Hinterland len? Lieber ruhig oder actionreich? stadt. Zentraler Platz ist der histo­ Blickfang sind die Windmühle und Geradezu märchenhaft wirken die Auf dem Festland oder auf einer In­ rische Markt mit seinen Giebelhäu­ das Pumpenhaus. Spaziergänge ins kleinen Orte Ahlbeck und Rieth mit sel? Die vielfältige Region des Stetti­ sern, der von Cafés und Restaurants Umland führen zur Altwarper Binnen­ ihren hübschen Reetdachhäusern ner Haffs bietet alles zugleich. gesäumt ist. Kulturelles Highlight ist düne, einem Biotop, in dem seltene und prächtigen Bauerngärten. Hier Stadtentdecker erkunden die Se­ das Schloss aus der Zeit der Pom­ Tiere leben ( £ Seite 66). scheint die Zeit stehengeblieben zu henswürdigkeiten im gemütlichen mernherzöge. Mitten durch die Stadt sein. Ebenso lauschig ist das verträum­ Ueckermünde oder in Polens quir­ fließt die Uecker, an der ein idyl­ Neuwarp (Nowe Warpno) te Dorf Luckow. Im Ortsteil Christi­ liger Großstadt Stettin. Erholungssu­ lischer Stadthafen liegt. Am Haffbad, Vom deutschen Altwarp nur einen ansberg liegt der Botanische Garten chende sind in den verträumten Dör­ dem längsten Sandstrand der Regi­ Steinwurf respektive Fährfahrt ent­ – eine Ruheoase und Sinnesfreude fern wie Stolpe oder Luckow gut auf­ on, kommen Badeurlauber auf ihre fernt liegt Neuwarp, ein liebens­ ( £ ab Seite 70). gehoben. Naturfreunde können sich Kosten ( £ Seite 45). wertes Örtchen auf der polnischen im Nationalpark auf der Insel Wollin Seite. Der Luftkurort lockt mit eini­ Stettin (Szczecin) auf spektakuläre Tierbeobachtungen Mönkebude gen interessanten Sehenswürdig­ Die polnische Großstadt liegt unter­ freuen. Wassersportler vergnügen Wer es ruhig mag und gern Schiffe keiten wie dem renovierten Fach­ halb des Haffs, ist aber durch den sich an den Sandstränden oder klei­ beobachtet, ist hier genau richtig: werk-Rathaus ( £ Seite 68). Fluss Swine mit ihm verbunden. Sie nen Buchten. Und Aktivurlauber ver­ Das ansonsten eher beschauliche hat interessante Sehenswürdigkeiten binden gleich alles miteinander: Die Fischerdorf besitzt den moderns­ zu bieten, darunter das Schloss der Wege zu den Nachbarorten und nach ten Yachthafen der Region, an dem Mitten im Naturpark der Insel Use­ Pommernherzöge und die Hakenter­ Polen sind kurz und eine Fähre setzt es durchaus mondän zugeht. Gleich dom liegt Stolpe, ein verträumter Ort rasse. Die meisten Highlights sind zu ganz bequem auf die Insel Usedom daneben erstreckt sich ein schöner mit einem idyllischen kleinen Hafen Fuß erreichbar und machen Stettin über. Strandpark, der zum Baden einlädt am Haff. Sehenswert ist das Schloss, zu einem reizvollen Ausflugsziel für ( £ Seite 58). Kindern macht ein Besuch des Öko­ Stadtflaneure (£ Seite 110).

Rund ums Stettiner Haff bieten sich viele Möglichkeiten, die Natur zu entdecken Die schmucken Jachthäfen sind auch für Nicht-Segler ein Anziehungspunkt 8 9

Der idyllische Hafen von Karnin auf der Insel Usedom ist eine von vielen Anlegestellen rund um das Stettiner Haff £ Seite 89 Land & Leute 10 Das Stettiner Haff heute 11

Entwicklung der Haffregion ein, mit Vorpommern-, der aus der Das Stettiner Haff heute dem Ziel, einen nachhaltigen Natur­ Stadt Greifswald, den Landkreisen tourismus für die Gebiete im Hinter­ , Uecker- so­ „Die Bewohner der deutsch-pol- So beschreibt ein regionales Ent­ land der Küste zu schaffen. Das Oder- wie Teilen des Landkreises Demmin nischen Region Odermündung zie- wicklungskonzept von 2002 die Situ­ Delta wurde im Juni 2015 zur achten gebildet wurde. Die Region steht vor hen ihre Identität nicht aus ei- ation am Stettiner Haff. Bereits 1992 Rewilding Europe Region ernannt, großen Problemen, die Arbeitslosen­ ner gemeinsamen Kultur oder gründete sich der Verein , der ersten in Deutschland. Die inter­ zahlen sind anhaltend hoch – im ge­ landsmannschaftlichen Zugehö- der sich für eine grenzüberschreiten­ nationale Umweltschutzinitiative will samten Landkreis liegt die Arbeits- rigkeit – zu verschieden sind die de Entwicklung einsetzt. 1995 wur­ dafür sorgen, dass einzelne Land­ losenquote im August 2015 bei 11,6 Herkünfte, zu gravierend die ge- de die Euroregion Pomerania ge­ striche in Europa sich selbst überlas­ Prozent (Anklam 15,6 Prozent, Ue­ schichtlichen Brüche. Verbindend gründet, zu der auch die Region am sen werden und dann Ausflüge in die ckermünde 13,6 Prozent) – zum Ver­ ist der nunmehr gemeinsam be- Stettiner Haff gehört. Gemeinsame neue Wildnis anbieten. So soll Natur­ gleich: bundesweit liegt sie im selben wohnte Naturraum: Eine weite, Programme und Investitionen in In­ schutzpolitik mit ökonomischem Er­ Zeitraum bei 6,4 Prozent. Dabei liegt dünn besiedelte Landschaft, die frastruktur, Wirtschaft, Bildung und folg verbunden werden. Wildpferde, das durchschnittliche Einkommen sich aus allen Richtungen dem Kultur sollen Polen und Deutsche ei­ Wisente und Wölfe sollen künftig gut der Bevölkerung mit etwa 16 000 Eu­ Meer zubewegt; ausgedehnte Nie- nander näher bringen. betuchte Öko-Touristen anziehen. ro (Stand: August 2014) deutlich un­ derungen, hügelüberspannende Mit der Unterstützung der Deut­ ter dem der Bundesbevölkerung mit Felder, nichtendenwollende Forste schen Umwelthilfe setzen sich das etwa 20 500 Euro. Nordöstliche Rand­ – hier ist alles groß, weitläufig, deutsche Tourismusnetzwerk HOP Die deutsche Seite lage abseits der Metropolen, eine ge­ im Übermaß vorhanden, nichts ist und die polnische Tourismusorgani­ Seit einer Kreisgebietsreform 2011 ringe Bevölkerungsdichte, Abwan­ eng; die Landschaft geizt nicht – sation Stepnicka Organizacja Trysty- gehört die deutsche Seite der Regi­ derung junger Menschen und eine sie gibt.“ czna für eine grenzüberschreitende on am Stettiner Haff zum Landkreis geringe wirtschaftliche Dynamik ge­

Weiter Blick über das Stettiner Haff 12 Das Stettiner Haff heute Steckbrief: Stettiner Haff 13

paart mit einer unterdurchschnitt­ wenn die Schülerzahlen kontinuier­ Steckbrief: Stettiner Haff lichen Kaufkraft: Mit diesen Proble­ lich abnehmen. men kämpft die Region. Das Modellprojekt Multiple Häu- Ausdehnung: Das Stettiner Haff und Moorlandschaften. Typische Dagegen setzt das Stettiner Haff ser hingegen soll alten Menschen auf (polnisch: Zalew Szczeciński) wird Heidevegetation mit Kiefern und die Stärken des ländlichen Raums den Dörfern helfen, die es nicht mehr auch Oderhaff oder Pommer­ Wacholder sowie Heidekraut und und der Peripherie, die einmalige bis in die Stadt schaff en. Zusammen­ sches Haff genannt. Es ist eine Blaubeeren. Vielfalt der Naturräume und Kultur­ geschlossen haben sich die Gemein­ Meeresbucht von 903 Quadrat­ Besiedlung: Dünn besiedelter landschaften bietet – und jede Men­ den Altwarp, Ahlbeck, Hintersee, kilometern. Der polnische Teil hat Raum, der besonders stark mit ge Pioniergeist. Denn die Gegend Rieth und Vogelsang­Warsin. Alte eine Fläche von 410, der deut­ dem demografi schen Wandel zu soll nicht nur für familienfreund­ Häuser wurden umgebaut, Schrän­ sche eine Fläche von 277 Qua­ kämpfen hat. lichen Urlaub stehen, sondern auch ke eingebaut, in denen sich Massa­ dratkilometern. Verwaltung: Das Amt Am Stetti- ein Landstrich sein, in dem sich jun­ geliegen oder ein Friseur­Waschbe­ Landschaft: Ebene bis hügelige ner Haff hat seinen Sitz in Eggesin ge Familien wohl fühlen und leben cken befi nden, und nun teilen sich Landschaft des nacheiszeitlichen und betreut Ueckermünde­Land. möchten. Dazu gehört beispielswei­ verschiedene Dienstleister wie Phy­ Haff stausees mit großen Kiefern­ Es verwaltet eine Fläche von se, dass Dorfschulen wie die Klei­ siotherapeut und Friseur sowie Ver­ wäldern. Viele Seen, Torfstiche 42 810 Hektar mit 10 900 ne Grundschule in Leopoldshagen eine diese Räume, um regelmäßig ih­ und Wasserläufe, große Wälder Einwohnern. gemäß dem Motto „kurze Wege für re Serviceleistungen oder Kurse an­ kurze Beine“ erhalten bleiben, auch zubieten.

Seen. Wie die deutsche Seite setzt Gemütliches Kleinstadtfl air vorm Kulturspeicher in Ueckermünde Die polnische Seite auch die polnische Region am Haff Die polnische Seite der Region am zunehmend auf die Entwicklung des Stettiner Haff gehört zur Woiwod­ Tourismus, „das Meer der Abenteu­ schaft Zachodnio Pomorskie (West­ er“ ist der Slogan, mit der die Region pommern), einer von 16 Woiwod­ beworben wird. Nicht nur die brei­ schaften der Republik Polen. Zu ihr ten Sandstrände der Ostsee wie in gehören der größte Teil von Hinter­ Swinemünde sollen die Touristen an­ pommern sowie ein kleiner Teil Vor­ locken, sondern auch die beeindru­ pommerns. Hauptstadt und wirt­ ckende Landschaft im Nationalpark schaftliches Zentrum der Woiwod­ Wollin oder die unberührte Natur schaft ist Stettin (Szczecin). Zu den nördlich von Stettin. In diesen Grün­ wichtigsten Wirtschaftszweigen zäh­ gebieten spielt der aktive Tourismus len neben dem maritimen Bereich zunehmend eine wichtige Rolle, der auch Branchen wie Energiewirt­ mit dem Ausbau von Wander­, Reit­ schaft, Elektrotechnik, Chemie, Texti­ und Radwegen gefördert wird. lien, Holzwirtschaft sowie Brauereien Westpommern steht außerdem und Fischereien. für das reiche Kulturerbe der Regi­ Wie auf deutscher Seite des Haff s on, das Herzogtum Pommern hat ist auch auf der polnischen die Ar- seine Spuren hinterlassen, die zum beitslosenquote mit knapp 17 Pro­ Beispiel in Form des schneeweißen zent (Stettin 10,5 Prozent, Stand: Mai Schlosses das Stettiner Stadtbild 2014) konstant hoch, nur im Seebad prägen. Bislang kommen Touristen Swinemünde (Świnoujście) (hier liegt aber vor allem aus dem eigenen die Quote bei 6,7 Prozent) werden Land. Während es in den Ostseebä­ seit Jahren Arbeitskräfte gesucht. dern wie Swinemünde und Misdroy Die dünn besiedelte Landschaft (Międzyzdroje) in den Sommermo­ ist geprägt von eiszeitlich geformten naten viel Trubel gibt, geht es im Hin­ Moränen, dichten Nadelwäldern und terland deutlich ruhiger zu. 14 Kultur & Lebensart 15

meinden rund um das Stettiner Haff. gotik zudem zum Symbol dieses Kultur & Lebensart In ihrem unverwechselbaren Rotton Städtebundes geworden. leuchten mittelalterliche Bürgerhäu­ In Ueckermünde gab es bereits im Vorpommersches Platt den beiden Grimmschen Märchen ser, Stadttore und Kirchtürme und 16. Jahrhundert erste Ziegeleien, die Von dem Fischer un syner Fru sowie geben der Region auch bei trübem aber vermutlich im Dreißigjährigen In Vorpommern hört man das vor­ Von dem Machandelbaum zu finden. Wetter eine warme Ausstrahlung. Krieg zerstört wurden. Im 19. Jahr­ pommersche Platt, eine Variante des Bekannt ist auch das Gedicht Mine Die Gegend verfügt über keinen hundert erlebte die Ueckermünder Ostniederdeutschen, in seiner vollen Heimat der Barther Dichterin Martha eigenen Naturstein, deshalb entwi­ Heide einen beeindruckenden Auf­ Ausprägung meist nur noch bei äl­ Müller-Grählert, in dem sie ihre vor­ ckelte sich eine Bauart, die auf der schwung, denn die Erfindung des teren Menschen. Jüngere Leute ver­ pommersche Heimat beschreibt. Tradition von gebrannten Lehmqua­ Ringofens (1858) sowie der Ziegel­ stehen alles, sprechen aber oft selbst dern beruht. Von Anklam mit Nikolai- presse (1854) revolutionierten ne­ nur mit dem typisch breiten nord­ Backsteingotik & kirche, Marienkirche und Steintor bis ben dem Einsatz der Dampfkraft die deutschen Dialekt. Im Spätmittel­ nach Stettin mit dem Alten Rathaus Ziegelherstellung: Ziegel konnten alter und in der frühen Neuzeit galt Fischerkaten und der Jakobskathedrale finden nun in großen Mengen und gleich­ das Niederdeutsche als Schreib- und Historische Fachwerkhäuser, einst sich die – nicht nur für Norddeutsch­ bleibender Qualität hergestellt wer­ Sprechsprache. Ende des 15. Jahr­ ein bescheidenes Zuhause für Fi­ land, sondern für den gesamten mit­ den. So entstanden dutzende neue hunderts begann in den niederdeut­ scher- und Kahnschiffer, sind vieler­ tel- und nordeuropäischen Küstenbe­ Ziegeleien, der Reichtum an Tonvor­ schen Sprachgebieten der Schreib- orts im Detail und mit traditionellen reich – typischen neo­gotischen Back­ kommen sowie die Standortbedin­ Sprachwechsel zum Hochdeutschen, Baustoffen wie Holz, Lehm und Reet steinbauten wieder. gungen an Haff und Uecker waren der um 1600 als abgeschlossen gilt. liebevoll rekonstruiert worden. Da­ Da sich das Verbreitungsgebiet ideal. In der ehemaligen preußischen In der deutschsprachigen Literatur neben bestimmen Backsteinhäu­ weitgehend mit dem Einflussgebiet Provinz Pommern gab es um 1900 ist der vorpommersche Dialekt bei ser das traditionelle Gesicht der Ge­ der Hanse deckte, ist die Backstein­ knapp 400 Ziegeleien.

Am Markt in Ueckermünde 16 Kultur & Lebensart Traditionelle Reetdächer 17

Als Zeichen des neugewonnenen ringssalat, der mit Johannisbeer­ Reichtums wurden prächtige Back­ gelee verfeinert wird. Traditionelle Reetdächer steinkirchen im neogotischen Stil er­ Eine zentrale Rolle hat in der Ess­ baut wie die Christuskirche in Tor­ kultur hoch im Norden natürlich der gelow und die Martin-Luther-Kirche Fisch. Barsch, Zander, Hecht und Aal Geschraubt, genäht oder gebun­ te das Röhricht auf ihr Dach, gilt mit reichlich Backsteinornamentik in werden aus dem Haff gefi scht und als den? Ein Reetdach, oder wie es in der Naturbaustoff heute als öko­ Eggesin. Die Verwendung des Back­ Spezialitäten wie gebratener Haff ­ Mecklenburg­Vorpommern heißt: logisch und individuell, denn steins schlug sich auch auf die Bau­ zander mit in Butter geschwenkten ein Rohrdach, kann auf verschie­ kein Reetdach gleicht dem an­ art der Wohnhäuser nieder, vieles ist Salzkartoff eln gereicht. An vielen im dene Weise hergestellt werden. deren. Mit dem Klopfbrett bringt davon noch heute sichtbar. So fi nden Frühjahr und Sommer aufgestellten Das Dachdecken mit Stroh und der Dach decker die Schilfl agen in sich zum Beispiel in zahl­ Räucheröfen und Imbissbuden kann Schilfrohr gehört zu den ältesten Form, die er Lage für Lage bis zum reiche gut erhaltene Gründerbauten man vor allem geräucherten Aal kau­ Handwerksberufen und noch im­ Dachfi rst auf der Fläche verteilt. mit ihren prächtig verzierten Fassa­ fen. Als weitere Spezialität gilt der mer wird dabei dasselbe Materi­ Im Durchschnitt wird ein Reet­ den. Aber auch alte Fachwerkhäuser Hornhecht mit seinen grünen Grä­ al verwendet wie seit hunderten dach 30 bis 50 Jahre alt. Es muss aus dem 17. und 18. Jahrhundert mit ten, der ebenfalls im Stettiner Haff Jahren. Allerdings ist die Nachfra­ allerdings regelmäßig „gekämmt“ Reetdächern und ihren geschwun­ vorkommt. Nicht jedermanns Sache ge in Deutschland so groß, dass werden, um altes Reet, Algen und genen Gauben sind in Dörfern wie dürften Tollatschen sein – das sind der Baustoff überwiegend aus Moos zu entfernen. Das Hand­ Mönkebude oder Leopoldshagen Klöße aus Mehl, Zucker, Rosinen und dem Ausland importiert werden werk des Reetdachdeckens wur­ noch allgegenwärtig. Blutwurst. Gewöhnungsbedürftig ist muss, aus Osteuropa und sogar de Ende 2014 zum immateriellen für manchen auch der Schwarzbrot­ aus der Türkei und China. Packten Weltkulturerbe erklärt. pudding aus in Milch eingeweichtem sich früher vor allem arme Leu­ Pommersche Küche und geriebenem Vollkornbrot, der Tüften, Tollatschen, Plinsen – die mit Rum, Nelken, Zimt und Schoko­ pommersche Küche hat mehr zu bie­ lade gekocht und heiß serviert wird. ten als Gänsebraten und Fisch. Pom­ Dafür lieben nicht nur Kinder pom­ mersche Küche gilt gemeinhin als mersche Hefeplinsen: kleine Pfann­ schnörkellose und eher deftige Haus­ kuchen, die mit Pfl aumenmus oder mannskost. Im rauen norddeutschen Zimtzucker gegessen werden. Klima schmecken Kartoff eln, die hier Heutzutage interpretieren moder­ „Tüften“ heißen, Grünkohl, Gans und ne Köche in der Region am Stettiner Schwein. Ihren Ursprung haben viele Haff die einfache Küche neu und ma­ Gerichte nicht in den reichen Guts­ chen Gourmetgerichte daraus. Pom­ häusern, sondern in armen Bauern­ mersche Tapas wie Welziner Käse an und Tagelöhnerküchen, in denen mit Knäckebrot oder gebratener Blut­ dem gekocht wurde, was Feld, Wie­ wursttaler auf Apfelragout gibt es im sen, Wasser und Wald hergaben. In Restaurant Remise am Schloss Stolpe der Region am Stettiner Haff bedeu­ ( £ Seite 95) auf Usedom. In Uecker­ tet das: frischer Fisch, Wild, dazu Obst münde will der Küchenchef im Res­ und Gemüse aus der Region, aus dem taurant Roter Butt ( £ Seite 52), Mar­ Wald auch Pilze und Blaubeeren. tin Wünscher, traditionelle Küche Unverkennbar ist dabei der schwe­ mit modernen Elementen verbin­ dische Einfl uss auf traditionelle Ge­ den – heraus kommt eine Speisekar­ richte, die oft in süß­saurer Varian­ te, auf der Gerichte wie geschmor­ te daherkommen. So werden etwa tes Wildschwein aus heimischer Jagd Schweinefl eisch und natürlich auch mit roter Zwiebelmarmelade und Bär­ der pommersche Gänsebraten mit lauch­Semmeltaler zu fi nden sind. So Rosinen und Backpfl aumen serviert. wird aus der pommerschen Küche ein Altbewährt ist der pommersche He­ wahrer Gaumenschmaus. 18 Geschichte 19

Geschichte

Um 600 Nach Abzug der Germanen siedeln (1278) und Wollin (1365 erwähnt) bei­ Slawen in der Region. Sie bewoh­ treten. nen Wallburgen, bewirtschaften die Sandböden und roden Wälder. 1534 Herzog Philipp I. von Pommern-Wol­ Um 937 gast führt in Pommern die Reforma­ König Heinrich I. unternimmt Er­obe­ tion ein. rungszüge: Als letztes slawisches Volk werden die Ukraner unterworfen. 1546 Philipp I. beginnt mit dem Neubau Um 1128 des Ueckermünder Schlosses. Die Germanisierung Pommerns setzt ein, die pommerschen Fürsten holen 1625 Mönche, Handwerker und Adlige ins Pommern wird unter Führung des Land. Hauses Stettin wieder vereint, weil Ueckermünde im 17. Jahrhundert die Linie Pommern- ausge­ 1181 storben ist. 1781–1800 de – und Stet­ Kaiser Friedrich Barbarossa belehnt Die Ueckermünder Werften bauen tin – Pasewalk – Strasburg sind fertig­ Herzog Bogislaw I. mit Pommern, das 1618–1648 102 Segelschiffe. gestellt. dadurch zum Reichsfürstentum wird. Die Kämpfe während des Dreißigjäh­ rigen Krieges hinterlassen schwere 1806 1871 Ab 1200 Zerstörungen. Als 1637 das Greifen­ König Gustav IV. von Schweden führt Vorpommern wird Teilstaat des Deutsche Siedler aus Friesland, Hol­ geschlecht ausstirbt, gibt es Erbstrei­ in Vorpommern die schwedische Ver­ Deutschen Reiches. stein, Westfalen und Niedersachsen tigkeiten zwischen Schweden und fassung ein und hebt die Leibeigen­ kommen. Der Einfluss der Deutschen Brandenburg. schaft auf. Kurz darauf wird Vorpom­ 1891 wächst enorm. mern von Napoleons Truppen be­ Auf der Schmalspurbahn Ferdinands­ 1648 setzt. hof – fahren erste Züge. 1231 Mit dem Westfälischen Frieden wird Brandenburg erhält die Lehnsho­ Vorpommern Teil von Schwedisch- 1815 Um 1900 heit über Pommern – der Beginn von Vorpommern. Brandenburg erhält Mit dem Wiener Kongress wird der 55 Ziegeleien decken den hohen Be­ jahrhundertelangen pommersch- Hinterpommern. schwedische Teil Vorpommerns preu­ darf an Mauersteinen. Es entwickeln brandenburgischen Auseinanderset­ ßisch. sich auch die Kahnbauerei und die zungen. 1679 Kahnschifffahrt und zahlreiche Säge­ Als Ergebnis des Nordischen Krieges 1825 werke und Gießereien entstehen. 1260 (auch Schwedisch-Brandenburgischer In Pommern wird die allgemeine Ueckermünde erlangt das Stadtrecht. Krieg) fallen die Inseln Usedom und Schulpflicht eingeführt. 1911 Wollin an Brandenburg-Preußen. Gründung der Überlandzentra­ 1295 1843 le Stettin, die für die Einführung der Pommern wird in die Linien Stettin 1720 Ein Dampfschiff nimmt den Linien­ Elektrizität sorgt. und Wolgast aufgeteilt. Im Frieden von Stockholm wird Vor­ verkehr zwischen Ueckermünde und pommern aufgeteilt. Die südliche Re­ Stettin auf. 1919 Ende des 13. Jahrhunderts gion mit Anklam, Stettin und den In­ Ein Großteil Westpreußens geht Der deutsche Hansebund entsteht, seln Usedom und Wollin fällt an das 1863 durch den Versailler Vertrag an Po­ dem auch Anklam (1283), Stettin junge Königtum Preußen. Die Eisenbahnstrecken Angermün­ len. Hinterpommern wird Grenzland. 20 Geschichte Die Pommerschen Herzöge 21

1925 pommern vereint und ab 1947 nur Es gründet sich ein gemeinnütziger noch Mecklenburg genannt. Flücht­ Die Pommerschen Herzöge Badeverein in Ueckermünde der 100 linge sorgen für eine Verdoppelung Strandkörbe aufstellt und den Bau der Bevölkerung. des Badehauses, der Strandhalle und Rund 500 Jahre – vom 12. bis zum die Unabhängigkeit aller pom­ eines Eishauses veranlasst. 1946 17. Jahrhundert – dominiert die merschen Herzöge von Branden­ Durch die Bodenreform wird Grund­ aus slawischer Wurzel stammen­ burg an. 1930 besitz von mehr als hundert Hek­ de Fürstendynastie der Greifen Der international bekannteste Mönkebude nutzt das Ausbaggern tar enteignet und unter dem Motto die Entwicklung Pommerns. In Greif ist Bogislaw (1381–1459), der des Hafens, um einen Strand aufzu­ „Junkerland in Bauernhand“ an Um­ den ersten Jahrhunderten ist das als nordischer König der Kalmarer spülen. siedler und Neubauern verteilt. Territorium immer wieder großen Union von 1412 bis 1439 die Ge­ Veränderungen unterworfen, al­ schicke Dänemarks, Schwedens 1918–1933 1960 lerdings bildet sich als Kernzone und Norwegens bestimmt. Bei Wahlen am Ende der Weima­ Das Erholungsgebiet Haff küste er­ der Greifen rasch das Odermün­ Der wohl bedeutendste Grei­ rer Republik pendelt Pommern zwi­ hält den Status eines Landschafts­ dungsgebiet heraus. Schon bald fenherzog aber ist Bogislaw X. schen den Deutschnationalen und schutzgebietes. bekommen Land und Leute ihren (siehe Foto): Er vereinigt 1478 al­ den Linksparteien. Bei den Reichs­ Namen: Pommern, was aus dem le seit 1295 getrennten Landes­ tagswahlen im November 1932 liegt 1962 slawischen „po morje“ hergeleitet teile Pommerns und gestaltet sie die NSDAP mit 43 Prozent vorn. Der Tierpark Ueckermünde öff net. wird und soviel heißt wie „vorm zu einem frühneuzeitlichen Terri­ Meer“. Die Herrscher des Gebiets torialstaat um. Unter seinen Söh­ Ab 1936 1966 werden dem Greifen entspre­ nen erfolgt eine neuerliche Tei­ Nahe Ueckermünde, Eggesin, Torge­ Eggesin erhält das Stadtrecht. chend, der sich im gemeinsamen lung in die Herzogtümer Stettin low und Löcknitz entstehen Spreng­ Wappen fi ndet, als Greifenherzö­ und Wolgast. 1637 stirbt der letz­ stoff ­ und Munitionsfabriken, die Im Herbst 1989 ge bezeichnet. te Greifenherzog Bogislaw XIV. auch ausländische Zwangsarbeiter gibt es im Kreis Ueckermünde Mon­ 1124 gelingt es dem Stammva­ in Stettin. Damit endet auch die beschäftigen. tagsdemonstrationen und Kundge­ ter der Greifenherzöge, Wartis­ staatliche Selbständigkeit Pom­ bungen, es entstehen Bürgerbewe­ law I. (1100–1148), seine Herrschaft merns, das 1648 im Westfälischen 1939 gungen und neue Parteien. zu festigen, indem er das Land Frieden zwischen Schweden und Pommern hat 2,4 Millionen Einwoh­ christianisiert. Auch seinen nach­ Brandenburg aufgeteilt wird. ner, Landeshauptstadt ist Stettin. Seit 1990 folgenden Söhnen und Enkeln ge­ Durch die Oder wird Pommern in das Mit der Wiedervereinigung wird lingt es trotz schwerer Kämpfe, an westlich der Oder liegende Vorpom­ Pommern westlich der Oder zum der Macht zu bleiben. mern und das östlich der Oder lie­ Bundesland Mecklenburg­Vorpom­ Um 1230 beginnen fast drei gende Hinterpommern geteilt. mern. Das frühere Hinterpommern Jahrhunderte brandenburgisch­ entspricht nahezu der 1999 geschaf­ pommerscher Auseinanderset­ 12. März 1945 fenen Woiwodschaft Zachodnio­Po­ zungen. Zu Beginn des 14. Jahr­ Verheerender Luftangriff auf Swine­ morskie (Westpommern). hunderts herrschen die Greifen münde. Zahlreiche Menschen fl iehen über ein kleineres, aber weit ent­ über das Haff nach Ueckermünde. 1997 wickeltes Territorium. Vor allem Die letzte Ueckermünder Ziegelei die Küstenstädte entwickeln sich 28. April 1945 wird stillgelegt. und spielen als Hansemitglieder Die Rote Armee kontrolliert das ge­ bald eine eigenständige poli­ samte Gebiet. 2006 tische Rolle, die oft nicht im Ein­ Es wird der Naturpark „Am Stettiner klang mit den Herzögen steht. 1945 Haff “ eröff net. In enger Beziehung zu Karl IV. Auf der Potsdamer Konferenz wird steht Barnim III. von Pommern­ Hinterpommern Polen zugespro­ 2013 Stettin. Der Kaiser erkennt 1348 chen. Mecklenburg wird mit Vor­ Ueckermünde wird offi ziell Seebad.