Politikerin, Frauenrechtlerin, Journalistin
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Philosophische Fakultät III der Humboldt-Universität zu Berlin DISSERTATION KONSEQUENT DEN UNBEQUEMEN WEG GEGANGEN Adele Schreiber (1872-1957) Politikerin, Frauenrechtlerin, Journalistin Zur Erlangung des akademischen Grades doctor philosophiae Philosophische Fakultät III Asja Braune Frau Prof. Dr. Ingeborg Baldauf, Dekanin der Philosophischen Fakultät III Gutachter: 1. Frau Prof. Dr. Renate Reschke 2. Frau Dr. Anneliese Neef eingereicht: 29.06.2002 Datum der Promotion: 27.01.2003 Schlagwörter: Adele Schreiber-Krieger, Frauenbewegung, Frauenstimmrecht, Mutterschutz, Kinderschutz, Bund für Mutterschutz, Deutsche Gesellschaft für Mutter- und Kindesrecht, Weimarer Republik, Reichstag, Exil, PEN Keywords: Adele Schreiber-Krieger, Women´s Movement, Women’s suffrage, Maternity leave, Child protection, Bund für Mutterschutz, Deutsche Gesellschaft für Mutter- und Kindesrecht, Weimarer Republik, Reichstag, Exile, PEN II Zusammenfassung In der Zeit der Weimarer Republik war Adele Schreiber eine der bekanntesten Frauen Deutschlands und in allen Verzeichnissen bekannter deutscher Frauen zu finden. Durch den Bruch in ihrem Leben, herbeigeführt durch die sich abzeichnende Herrschaft der Nationalsozialisten, die sie ins Exil zwang, geriet sie in Vergessenheit und war schon nach dem Zweiten Weltkrieg in die Bedeutungslosigkeit gefallen. In der vorliegenden Arbeit soll nicht nur das Leben Adele Schreibers an sich, sondern auch ihre Position in der Frauenbewegung ab der Jahrhundertwende thematisiert werden, die zahlreichen Querverbindungen zwischen den einzelnen Organisationen, aber auch zwischen Adele Schreiber und anderen Mitstreiterinnen. Adele Schreiber ist eine derjenigen Frauen, die seit der Jahrhundertwende in vorderster Reihe in der Frauenbewegung mitgekämpft haben. Setzte sie sich, 1898 in Berlin angekommen, zuerst intensiv für die Schaffung einer Frauenversicherung ein, so kämpfte sie wenig später gleichermaßen für das Frauenwahlrecht und engagierte sich im Mutter- und Kinderschutz. Doch neben aller sozialpolitisch engagierten Arbeit und journalistischer Tätigkeit für die Durchsetzung der Rechte der Frau war Adele Schreiber auch politisch tätig. Als Reichstagsmitglied der SPD ab 1920 bemühte sie sich auf politischer Ebene um eine gesetzlich festgelegte Anerkennung und Mündigkeit der Frau. Selbst nach dem Exil, das sie in der Schweiz und in Großbritannien verbrachte, verfolgte sie bis zu ihrem Tod 1957 mit wachen Augen die politischen Entwicklungen in Deutschland und der Welt. Abstract During the time of the Weimar republic, Adele Schreiber was one of the most famous women in Germany and could be found all the accounts by well-known German women. Due to the break in her life brought about by the threatening seizure of power by the National Socialists which forced her into exile, she became forgotten and by the end of the Second World War she had already disappeared into insignificance. The following work attempts not only to explore the life of Adele Schreiber itself, but also her position in the women’s movement from the turn of the century onwards, the numerous inter- connections between the separate organisations and between Adele Schreiber and other fellow- activists. Adele Schreiber is among those women who fought in the front line of the women’s movement from the turn of the century onwards. Having initially committed herself intensively, as a newcomer in Berlin in 1898, to the cause of introducing an insurance for women, she fought equally hard a short time later for women’s suffrage and she became involved in the issues of maternity leave and child protection. But besides all her committed socio-political activities and her work as a journalist for the attainment of women’s rights, Adele Schreiber was also politically active. As a member of the Reichstag for the SPD from 1920 onwards, she strived in the political arena for a legally effective acknowledgement and declaration of women as political entities. Even after she went into exile in Switzerland and Great Britain she followed vigilantly the political developments in Germany and throughout the world until her death in 1957. III "Ihre Aufrichtigkeit war oft verblüffend und für ihre Gesprächspartner nicht immer angenehm."1 1 Bundesarchiv Koblenz, Mappe über Adele Schreiber, 6.3.1957, "Zur Erinnerung an Adele Schreiber" von Gertrud Isolani, in "Neue Zürcher Zeitung" IV VORWORT Unwillkürlich werden mit den Stichworten "Frauen" und "Biographieforschung" die frühen siebziger Jahre assoziiert. Da begann die feministische Forschung den Anteil der Frauen an historischen Prozessen nachzuzeichnen und es scheint fast veraltet, sich heutzutage mit dem Verfassen einer Frauenbiographie zu beschäftigen. Brauchen wir denn noch eine spezielle Fokussierung auf die gesellschaftliche Rolle der Frau, oder haben sich die Themenstellungen nicht zugunsten der Theoriedebatte verschoben, mit welchen Ansätzen und aktuellen Bezügen heute Biographien geschrieben werden müssen? Unzweifelhaft geht die Entwicklung hinsichtlich der Biographien zur sensationslüsternen Annäherung.2 Zu Idolen aufgebaute Persönlichkeiten werden vom Sockel geholt, indem pikante Details ihres Lebens enthüllt werden. Neben diesen allseits bekannten Berühmtheiten kann aber nicht übersehen werden, dass über zahlreiche nicht minder verdienstvolle Persönlichkeiten überhaupt noch keine biographischen Forschungen existieren. Dieses Schicksal trifft zu einem hohen Prozentsatz Frauen. Geschichtsschreibung dient vor allen Dingen der Herrschaftsstabilisierung. Die unhinterfragte Akzeptanz der patriarchalischen Norm westlicher Gesellschaften evoziert folglich, diese Norm als das Maß aller Dinge anzunehmen. Nur über das Aufzeigen der Begrenztheit und Subjektivität historischer Forschung kann diese Herrschaftsgeschichte relativiert werden. Dementsprechend hat sich die Frauenforschung aus einer wissenschaftlichen und praktischen Kritik an der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und der Vernachlässigung der Beiträge von Frauen zu Wissen, Kultur und Gesellschaft entwickelt. Die männliche Voreingenommenheit hatte jahrhundertelang dazu geführt, dass Frauen zwar eine Rolle spielten, ihre Bedeutung aber verkannt, unterschätzt oder fehlinterpretiert wurde. Frauen blieben marginale Randgruppe oder Anhängsel des Mannes, denn immer nur in Beziehung zu ihm wurden sie in der männlichen Sphäre überhaupt relevant. Wurde in den Siebzigern auch begonnen, der männlichen Geschichtsschreibung die weibliche Sicht hinzuzufügen, so ist doch noch vieles nachzuarbeiten, was in der kurzen Zeit der existierenden Frauenforschung noch nicht aufgearbeitet werden konnte. Zu viele Frauen haben in den letzten Jahrhunderten keinerlei Aufmerksamkeit von zumeist männlichen Forschern erfahren. 2 vergleiche den Artikel: "Mythen werden Menschen" von Philip Weiss, in "Die Zeit" 11/1999 V So soll an dieser Stelle ein Teil zu den Grundlagen von Frauengeschichte beigetragen werden. Heute muss "Frauengeschichte" nicht nur "hinzugefügt" werden, sondern die theoretischen Grundlagen der "patriarchalischen Geschichtsschreibung" insgesamt müssen hinterfragt werden. Nach der Aufbruchsphase der feministischen Forschung Mitte der Siebziger und der breiteren Durchsetzung in den Achtzigern ist es nun die Aufgabe, Frauenforschung zu etablieren. Frauenforschung hat sich mittlerweile zu einem wichtigen Forschungszweig an den Hochschulen entwickelt, nachdem zuerst nur wenige engagierte Wissenschaftlerinnen die Frauen in den Mittelpunkt ihrer Forschungsaktivitäten stellten. Heute sind frauenspezifische Fragestellungen zwar nicht mehr wegzudenken; selbstverständlich ist die Frauenforschung aber noch lange nicht, denn die männliche Dominanz setzt sich fort. Deshalb muss Frauenforschung an Hochschulen verankert werden und in ständiger Bewegung bleiben. Wurden in der ersten Phase der Frauenforschung vor allen Dingen ausgegrenzte oder missgedeutete Erfahrungen von Frauen zum Ausgangspunkt wissenschaftlicher Arbeit gemacht, werden heute über diese "Defizitanalysen" hinaus zahlreiche theoretische und methodisch neue Perspektiven aufgemacht. Dabei geht es nicht nur um eine andere Sichtweise der Geschichte, sondern auch der wissenschaftlichen Inhalte. Die Frage, die sich bei dem derzeitigen Biographie-Boom aufdrängt, ist die, ob die derzeitige Konzentration auf eine Persönlichkeit von den bestehenden Strukturen und Systemen ablenken soll, oder ob damit nicht genau das Gegenteil bewirkt wird, denn Personen sind für Strukturen verantwortlich.3 Die vorliegende Arbeit vertritt die These: Erst die Beschreibung eines einzelnen Lebens kann die Strukturen deutlich machen, und macht auch das Entstehen von Strukturen transparent. Ausgehend von der Darstellung vermeintlich individueller Probleme Einzelner können auch übergreifende Machtstrukturen aufgedeckt werden. Gleiches soll in der vorliegenden Arbeit versucht werden. Ich möchte in meiner Arbeit das Engagement einer bisher wenig beachteten Mitstreiterin der Frauenbewegung untersuchen: das Wirken Adele Schreibers. Sie war jahrzehntelang außerdem Sozialdemokratin, aber auch die SPD hat sich um die Frauen in der Partei nicht eben verdient gemacht. 3 vergleiche den Artikel: "Gesuchte Rettungsinseln. Biographien und `Erinnerungsorte´ spenden Trost" von Marie Theres Fögen in "Neue Zürcher Zeitung" vom 12.6.2001 VI Von Interesse ist jedoch nicht nur Adele Schreibers Stellung in der Öffentlichkeit, sondern gleichermaßen Adele Schreiber als Privatperson. Die Einbeziehung ihrer persönlichen Erfahrungen erweitert den Rahmen der Forschung um Alltagsgeschichte. Demgemäß