Philosophisch-Historische Fakultät Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie Universität Innsbruck
Zeitungen als Spiegel der liberal-bürgerlichen Leserschaft am Beispiel der Bozner Zeitung, der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung und der Laibacher Zeitung
Diplomarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie (Mag.a Phil.) an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Innsbruck
eingereicht bei ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Gunda Barth-Scalmani
von Vera Kamaun
Innsbruck, Oktober 2019
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 2 2. Forschungsstand, Themenwahl und Vorgehensweise 4 3. Das Bürgertum zur Jahrhundertwende im Habsburgerreich 8 3.1. Ein sozio-kultureller Einblick in die Bevölkerung Tirols und der Stadt Bozen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 8 3.2. Die Bevölkerungsstruktur der Bukowina und der Stadt Czernowitz 19 3.3. Die deutschsprachige Bevölkerung in Krain und Laibach 27 3.4. Fazit 35 4. Die deutschsprachige Presse in der Bukowina 36 4.1. Ein chronologischer Überblick 37 4.2. Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung 49 5. Die deutschsprachige Zeitungslandschaft im historischen Südtirol 55 5.1. Von den Anfängen bis zur Machtergreifung des Faschismus 57 5.2. Eine kleine Geschichte der Bozner Zeitung 74 6. Die deutschsprachige Presse in Krain und Laibach 80 6.1. Die Laibacher Zeitung 86 7. Der formale Aufbau im Vergleich der drei Periodika 89 8. Inserate und Annoncen als Spiegel der Leserschaft 99 9. Resümee 118 10. Fachdidaktischer Teil: die Arbeit mit historischen Zeitungen im Geschichtsunterricht 121 10.1. Quellenarbeit als Lehr- und Lernform 121 10.2. Die geschichtsdidaktische Umsetzung der Arbeit mit historischen Zeitungen 127 10.3. Temporalbewusstsein und Gegenwartsbezug sowie Vergangenheitsbezug im Geschichtsunterricht 130 10.4. Stundenbeschreibungen und Stundenbilder 133 10.4.1. Stunde „)eitu gs e glei h 133 10.4.2. “tu de „“t aße a e 138 11. Literaturverzeichnis 144 12. Abbildungsverzeichnis 152
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1. Einleitung
Das Revolutionsjahr 1848 stellte den Beginn eines kulturellen Aufschwungs im Pressewesen dar. In den folgenden Jahren kam es zu einem enormen Anstieg von Zeitungsneugründungen. Einerseits bedingt durch technische Erneuerungen wie die Mechanisierung beim Druckvorgang und die Bleisatzherstellung, andererseits aber auch gefördert durch rechtliche Veränderungen wie beispielsweise die Liberalisierung des Presserechts war es nun für Herausgeber und Redakteure einfacher, Zeitungen zu publizieren. Außerdem konnten durch den auf den Gewinn bedachten Anzeigenteil die Zeitungen günstiger angeboten und somit viel leichter ihrer Leserschaft zugänglich gemacht werden.1
In Zusammenhang mit diesen Faktoren werden weitere Gründe und Ursachen für die Blüte des Zeitungswesens genannt, nämlich die schnelle Urbanisierung sowie der Aufstieg des Bürgertums, wodurch es auch zu einer Erweiterung des Kreises der Kulturkonsumenten kommt. Besonders das Bürgertum, das als Grundlage Besitz und Bildung vorweisen konnte und dem Liberalismus nahe stand, versuchte Veränderungen einzuführen und dies in Form der liberalen Presse auch kundzutun.2
Die Rolle des Herausgebers und der Redakteure änderte sich ebenfalls Mitte des 19. Jahrhunderts. So waren vorher häufig Herausgeber und Chefredakteur ein und dieselbe Person, die meist das Blatt zudem geleitet und verlegt hatten. Als Unterstützung dienten dem Herausgeber ein kleiner Stab an Redakteuren, die des Öfteren noch andere Berufe ausübten. Durch die große Menge an Nachrichten nahm die Anzahl der Redakteure und deren Einfluss auf die öffentliche Meinung zweifellos zu, denn sie waren jene Personen, die über die Auswahl der Artikel und Meldungen entschieden.3
Mit der Entstehung der Parteien im 19. Jahrhundert ging auch eine Veränderung in der Presselandschaft einher. Die Zeitungen dienten als Sprachrohr der verschiedenen Parteien.
1 Vlado Obad, Vorwort des Herausgebers, in: Regionalpresse Österreich-Ungarns und die urbane Kultur, hrsg. von Vlado Obad, Wien 2007, S. 5-10, hier S. 8. 2 Marianne Lunzer, Parteien und Parteienpresse im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der österreichischen Parteien und ihrer Presse, in: 200 Jahre Tageszeitungen in Österreich 1783-1983. Festschrift und Ausstellungskatalog, hrsg. von Franz Ivan/ Helmut W. Lang/ Heinz Pürer, Wien 1983, S. 87-118, hier S. 95. 3 Markus Winkler, Deutschsprachige Presse und Öffentlichkeit in Czernowitz vor 1918, in: Presselandschaft in der Bukowina und den Nachbarregionen. Akteure – Inhalte – Ereignisse (1900-1945), hrsg. von Markus Winkler, München 2011, S. 13-24, hier S. 16.
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Dadurch konnten sie ein großes Lesepublikum erreichen und dessen Meinung unter die Bevölkerung bringen. Besonders der Konflikt zwischen Konservativen, die für die Erhaltung der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung plädierten, und Liberalen, die sich gegen die ständische Gliederung und für ein freies Individuum einsetzten, wurde häufig auch in den Medien ausgetragen.4
Zeitungen allein spiegeln noch nicht ein komplettes Bild einer Gesellschaft wider, jedoch kann dabei ein Blick auf zeitgenössische Anliegen, Konflikte, Meinungen erhascht werden. Besonders der Inseratenteil in den Zeitungen gibt Auskunft über die Alltagskultur und die Sozialgeschichte einer Epoche. Daher liegt ein Fokus dieser Arbeit auf der Analyse der Annoncen in den liberalen Zeitungen. Das Profil der Leserschaft der liberalen Zeitungen ähnelte sich trotz der weiten Entfernung zwischen der Bozner Zeitung, der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung und der Laibacher Zeitung, denn es war größtenteils ein liberales, städtisches Bürgertum. Inwiefern das liberale Bürgertum als Leserschaft in den Zeitungen zu erkennen ist, wird Teil der Arbeit sein.
4 Lunzer, Parteien, S. 88.
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2. Forschungsstand, Themenwahl und Vorgehensweise
In den letzten zwei Jahrzehnten gewann die Medien- und Kommunikationsgeschichte in der Geschichtswissenschaft fortwährend an Bedeutung und die damit einhergehende Forschung erlebte einen Aufschwung. Laut Frank Bösch gibt es für dieses verstärkte Interesse an Medien und v.a. an den Massenmedien mehrere Gründe. Zum Ersten herrscht eine stete Gegenwärtigkeit von Medien im zeitgenössischen Alltag vor und zum Zweiten werden durch das I te et als eues p äge des Mediu die „alte Massenmedien, wie beispielsweise die Zeitung, nun historisiert. Des Weiteren wurde der Einfluss der Medien auf die Gesellschaft in der Öffentlichkeit stark als Thema diskutiert und dadurch wurden auch die Historiker für dieses Thema als Forschungsschwerpunkte in historischen Medien sensibilisiert. Medien standen somit nicht nur als Abbild der zeitgenössischen Realität, sondern gestalteten diese auch konkret mit. Zusätzlich sollte nicht nur das Medium allein analysiert werden, sondern stets auch in einen politik-, kultur- und sozialhistorischen Kontext eingebettet werden.5 Die Beschäftigung mit vergangenen Medien stellt ein interdisziplinäres Forschungsfeld dar, denn dies ist nicht ausschließlich für die Geschichtswissenschaft ein interessanter Bereich, sondern auch für die Medien- und Kommunikationswissenschaften, sowie ebenfalls für die Linguistik und die Literaturwissenschaft. So gibt es unterschiedliche disziplinäre Zugänge, wie beispielsweise die Analyse von Medieninhalten oder die Einbettung der Medien in einen kulturhistorischen Kontext. Aufgrund dieser vielfältigen Forschungsmöglichkeiten erlebte die wissenschaftliche Arbeit mit historischen Zeitungen und die Mediengeschichte eine Hochkonjunktur.6
Ein Blick auf den Forschungsstand über die Presselandschaft der einzelnen Regionen zeigt ein divergentes Bild auf. Das Pressewesen der Bukowina und die Zeitungsstadt Czernowitz wurden in den letzten beiden Jahrzehnten ausführlich erforscht und es wurden verschiedenste Tagungen7 zu diesem Themenbereich veranstaltet. Neben einem allgemeinen
5 Frank Bösch, Mediengeschichte der Moderne: Zugänge, Befunde und deutsche Perspektiven, in: Bohemia. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder (Bd. 51), hrsg. von Martin Schulze Wessel/ Michaela Marek/ Frank Hadler/ Sheilagh Ogilvie/ Martin Nodl, München 2011, S.21-40, hier S. 21f. 6 Bösch, Mediengeschichte, S. 22ff. 7 I Cze o itz fa d eispiels eise o . is . Mä z die Tagu g „P essela ds haft i de Buko i a und den Nachbarregionen: Akteure-Inhalte-)iele statt. Diese u de o I stitut fü deuts he Kultu u d Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der LMU München, vom Centre European and International Studies
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Interessensanstieg des Wissenschaftsbetriebs für Presse und Öffentlichkeit im 19. und 20. Jahrhundert gab es für die Bukowina noch einen weiteren Grund für diese intensive Beschäftigung mit historischen Printmedien, nämlich die Öffnung von bisher nicht zugänglichen Archiven und Bibliotheken. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 konnten Forscher von diesem Zeitpunkt an auf Dokumente und Periodika in verschiedensten Institutionen und deren Archiven, die bislang nicht dem Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung gestanden waren, zurückgreifen.8 Infolgedessen gerieten Periodika der Bukowina in den Forschungsschwerpunkt von Historikern, Literaturwissenschaftlern und Linguisten9 und es entstand eine Vielzahl von Arbeiten über Zeitungen und Zeitschriften sowie auch über deren kulturelles Umfeld.
Über die Geschichte des Pressewesens in Tirol und speziell im heutigen Südtirol wurde hingegen weniger intensiv Forschung betrieben. Einige grundlegende Werke, wie die Disse tatio o F a z Volgge „Das Pressewesen Deutsch-Südtirols von 1900 bis 1914 10 oder je e o E i B u e „Die deutschsprachige Presse in Südtirol von 1918-1945 11 liefern einen ausführlichen Überblick über die damalige Presselandschaft, entstanden allerdings beide in den 1970er Jahren. Ab diesem Zeitpunkt gab es vereinzelt Historiker, die sich in ihren Hochschulschriften mit einzelnen Periodika näher auseinandersetzten12. Diese bislang wenig umfangreiche Aufarbeitung dieser Thematik lässt daher ein weites Feld für Forschungsmöglichkeiten offen.
Die deutschsprachige Presse in Krain und vor allem in Laibach im 19. und 20. Jahrhundert wurde ebenfalls weniger ausführlich erforscht als jene in der Bukowina. Als Überblickswerk dienten die detaillierten Publikationen von Ta ja Žigo ü e „Deutschsprachige Presse in Krain bis 1860 u d „Deutschsprachige Presse in Krain von 1860 is , die i „Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im
Research (CEISR) an der University of Portsmouth und von der Internationalen Abteilung der Universität Czernowitz/Če i i organisiert. 8 Markus Winkler, Zu diesem Band, in: Presselandschaft in der Bukowina und den Nachbarregionen. Akteure – Inhalte – Ereignisse (1900-1945), hrsg. von Markus Winkler, München 2011, S. 7-9, hier S. 7. 9 Als Beispiel werden dafür Markus Winkler, Andrei Corbea-Hoisie, Ion Lihaciu, Susanne Marten-Finnis genannt. 10 Franz Volgger, Das Pressewesen Deutsch-Südtirols von 1900 bis 1914, phil. Diss. Innsbruck 1971. 11 Erwin Brunner, Die deutschsprachige Presse in Südtirol von 1918-1945, phil. Diss. Wien 1979. 12 Beispielsweise Bernhard Orgler, Das Tiroler Volksblatt (1862-1900). Die Geschichte einer katholisch- konservativen Wochenzeitung. Mit einem Vergleich zum Nordböhmischen Volksblatt, phil. Dipl. Innsbruck 2015.
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östlichen Europa 13 im Jahr 2004 und 2005 veröffentlicht wurden. Vincenc ‘ajšp14 beschäftigte sich in seinem Beitrag allgemein mit dem slowenischen Medienbetrieb, legte den Fokus dabei jedoch eher auf die slowenischsprachige Presse. Dies gilt als Spiegelbild für die Forschung über die Presselandschaft Krains, die sich vordergründig mit der slowenischsprachigen Zeitungslandschaft beschäftigt, die im Laufe des 19. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung gewann, und die deutschsprachige dabei etwas vernachlässigt. Aufgrund dessen gibt es auch hier in Zukunft Spielraum für weitere Forschungsmöglichkeiten über die deutschsprachige Presse.
Du h das P ojekt „P‘EPU“. The P ese e of the Past i U a “pa e der Universität Innsbruck und der Universität Czernowitz und die damit verbundene Exkursion nach Czernowitz wurde mein Interesse für diese Thematik geweckt. Der Fokus lag dabei auf dem öffe tli he ‘au , de „da ei als g eif a es, o de Gege a t i te p etie tes A hi de Verga ge heit 15 gesehen wird. Zeitungen stellen auch einen öffentlichen Raum dar, die ebenso Teil einer städtischen Kulturlandschaft sind. Das Bürgertum als Förderer einer bürgerlichen Stadtkultur prägte dieses kulturelle Erbe und infolgedessen auch das Bild einer Stadt. Diese Arbeit stellt eine detailliertere und erweiterte Ausarbeitung meines Beitrages16 fü das P ojekt „P‘EPU“ da . Die ausgewählten Zeitungen (Bozner Zeitung, Czernowitzer Allgemeine Zeitung, Laibacher Zeitung) stehen alle für ein deutschsprachiges, liberales Tagblatt in einer mehrsprachigen Region. Die Städte, in denen die Zeitungen herausgegeben wurden, verfügten Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts über eine annähernd
13 Žigo , Ta ja, Deuts hsp a hige Presse in Slowenien (1707-1945). 1. Teil: Deutschsprachige Presse in Krain bis 1860, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (Band 12/ 2004), hrsg. vom Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, München-Oldenburg 2004, S. 199-204. Žigo , Ta ja, Deuts hsp a hige P esse i “lo e ie -1945). 2. Teil: Deutschsprachige Presse in Krain von 1860 bis 1945, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (Band 13/ 2005), hrsg. vom Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, München-Oldenburg 2005, S. 127-214. 14 Vincenc ‘ajšp, Das slo e is he P esse ese , i : Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Die Presse als Faktor der politischen Mobilisierung (Bd. 8, Teilband 2), hrsg. von Helmut Rumpler/ Peter Urbanitsch, Wien 2006, S. 2245-2278. 15 Gunda Barth-Scalmani/ Kurt Scharr, Vorwort der Herausgeber, in: Die Gegenwart des Vergangenen im urbanen Raum Czernowitz-Innsbruck. Projektergebnisse eines gemeinsamen Studierendenprogrammes der Universitäten Czernowitz und Innsbruck über das kulturelle Erbe im öffentlichen Raum, hrsg. von Gunda Barth- Scalmani/ Kurt Scharr, Innsbruck 2019, S. 12-14, hier S. 12. 16 Vgl. Vera Kamaun, Der Einfluss des Bürgertums auf die Presse im frühen 20. Jahrhundert am Beispiel der „Cze o itze Allge ei e )eitu g u d de „Boz e )eitu g , i : Die Gege a t des Vergangenen im urbanen Raum Czernowitz-Innsbruck. Projektergebnisse eines gemeinsamen Studierendenprogrammes der Universitäten Czernowitz und Innsbruck über das kulturelle Erbe im öffentlichen Raum, hrsg. von Gunda Barth- Scalmani/ Kurt Scharr, Innsbruck 2019, S. 45-56.
6 gleiche Einwohnerzahl und galten daher als Kleinstädte im Habsburgerreich. Zusätzlich befanden sich alle drei Städte und die dazugehörigen Regionen in der Peripherie des Habsburgerreiches.
Die Forschung über historische Zeitungen wurde insofern erleichtert, da sich verschiedenste Institutionen mit der Digitalisierung vergangener Medien beschäftigt und somit alte Zeitungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht hatten. Die Österreichische Nationalbibliothek lancierte bereits vor 10 Jahren das Projekt „ANNO Aust iaN Ne spape s Online), das historische Zeitungen und Zeitschriften aus dem habsburgischen Raum digitalisierte und infolgedessen ebenso versuchte, den Bestand zu vervollständigen.17 Ein Pendant dazu wurde von der Landesbibliothek Dr. Friedrich Teßmann in Bozen in Zusammenarbeit mit dem Tiroler Landesmuseu „Fe di a deu u d iele eite e Partnereinrichtungen, wie beispielsweise dem Stadtarchiv Bozen, initiiert. „Teß a digital ist ein Portal mit historischen Zeitungen, Büchern und Grafiken aus dem Alpenraum vom 18. bis zum 21. Jahrhundert.18 Auch die National- und Universitätsbibliothek (NUL) in Slowenien fö de te ei P ojekt zu Digitalisie u g histo is he Medie u d i folgedesse e tsta d „The Digital Li a of “lo e ia dLi . Dieses Po tal stellt e s hiede ste I halte über Wissenschaft, Kunst und Kultur der Öffentlichkeit digital zur Verfügung, wobei eine Sparte historische Zeitungen und Zeitschriften darstellt.19
Die Quellenarbeit wurde aufgrund dieser digitalisierten Portale ermöglicht und durch verschiedene Funktionen, wie die Suchfunktion, auch erheblich vereinfacht. Für die Analyse der drei Tagesblätter wurden vordergründig die Jahre zwischen 1904 und 1914 herangezogen, da die Czernowitzer Allgemeine Zeitung erst Ende des Jahres 1903 gegründet worden war. Der Beginn des Ersten Weltkrieges im Juli 1914 prägte die Situation des Pressewesens, sodass einige Zeitungen ihr Erscheinen vorübergehend oder komplett einstellen mussten. Für die Studie zu den Inseraten und Annoncen der Blätter wurde das Jahr 1908 gewählt, wobei die weihnachtlichen Ausgaben in den Fokus gestellt wurden, da besonders die Nummern an den Weihnachtstagen (24. und 25. Dezember) sowie jene an den Wochenenden vor Weihnachten einen deutlich größeren Anzeigenteil beinhalteten.
17 http://anno.onb.ac.at/wasistanno.htm, eingesehen am 5. Oktober 2019. 18 https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Zeitungsarchiv/Suche, eingesehen am 5. Oktober 2019. 19 https://www.dlib.si/, eingesehen am 5. Oktober 2019.
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3. Das Bürgertum zur Jahrhundertwende im Habsburgerreich
Zwar liegen die Kleinstädte Laibach, Bozen und Czernowitz viele Kilometer weit voneinander entfernt an den Peripherien des Habsburgerreiches, jedoch gibt es viele Gemeinsamkeiten in der gesellschaftlichen Struktur der Bevölkerung der Städte. Das Bürgertum prägte mit seinen liberalen Werten die kulturelle, gesellschaftliche und häufig ebenfalls politische Landschaft. Ein näheres Bild der Gebiete Tirol mit Bozen, Bukowina inklusive Czernowitz und Krain mit der Hauptstadt Laibach wird in folgendem Kapitel gezeichnet.
3.1. Ein sozio-kultureller Einblick in die Bevölkerung Tirols und der Stadt Bozen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert
Das historische Land Tirol, bestehend aus den heutigen Regionen Nordtirol, Osttirol, Südtirol und dem Trentino, stellte mit Vorarlberg das westlichste Kronland der Habsburgermonarchie dar. Zwischen den einzelnen Gebieten herrschten ein reger wirtschaftlicher Transfer und ein kultureller und gesellschaftlicher Austausch.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts und speziell um die Jahrhundertwende nahm die Einwohnerzahl Tirols stetig zu, sodass sie bei der Volkszählung im Jahr 1910 bis auf 932 072 Einwohner (ohne Vorarlberg) anstieg.20 Besonders interessant ist der prozentuelle Zuwachs im Vergleich zum Jahr 1880, der 11 Prozent betrug und somit auch in Relation zum gesamten Habsburgerreich sehr hoch ausfällt.21 Ein Faktor für den Anstieg der Bevölkerungszahl in Tirol dürfte die stark positiv ausfallende Anzahl an Wanderbewegungen mit einem Plus von 93 901 in den Jahren 1900 bis 1910 sein.22 Auch die größeren Städte Tirols konnten einen Bevölkerungszuwachs verzeichnen. Hinter der größten Stadt Innsbruck (Volkszählung 1910: Stadt Innsbruck 53 194 ortsansässige Einwohner, Innsbruck Landbezirk 64 631 ortsansässige Einwohner) folgten nach
20 Die Ergebnisse der Volkszählung vom 31. Dezember 1910 in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern, in: Neue Folge. Österreichische Statistik, hrsg. von der K.K. statistischen Zentralkommission, Heft 1, Wien 1912, S. 39. 21 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 27. 22 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 29.
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Trient als drittgrößte Stadt Bozen mit 24 126 Einwohnern und Bozen Landbezirk mit 73 970 Personen.23
Die Stadt Bozen stellte im Vergleich zu Czernowitz ein sehr homogenes Bild der Bevölkerung dar. So war um die Jahrhundertwende der Großteil der Bevölkerung katholisch und in der Stadt gab es eine Vielzahl an katholischen Kirchen. Einen minimalen Prozentteil der Bevölkerung der Stadt nahmen Protestanten und Juden ein. Aufgrund der Nähe zum habsburgischen Trentino, wo der Großteil der Bevölkerung italienisch sprach, waren im Bozen der Jahrhundertwende 10 Prozent der Bevölkerung ebenfalls italienischsprachig und der Rest einheitlich deutschsprachig.24 Laut der Volkszählung im Jahr 1910 waren es im ganzen Kronland Tirol und Vorarlberg25 insgesamt 391 557 Personen, die als Umgangssprache italienisch oder ladinisch angegeben hatten, was einen Prozentanteil von 37,3 ausmachte.26
Abbildung 1: Karte von Bozen im Baedeker-Reiseführer 1910.
Während des 19. Jahrhunderts war das Land geprägt von gesellschaftlichen und politischen Konflikten und erlebte deshalb eine wirtschaftliche Stagnation, gefolgt von einer
23 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 41. 24 Walter Schneider, Bozen im 19. Jahrhundert, in: Bozner Porträts von 1800 bis heute, Katalog zur Ausstellung, hrsg. von Museumsverein Bozen, Bozen 1989, S. 21-27, S. 21. 25 Bei dieser Statistik wurde Vorarlberg dazugezählt. 26 Birgit Bolognese-Leuchtenmüller, Bevölkerungsentwicklung und Berufsstruktur, Gesundheits- und Fürsorgewesen in Österreich 1750-1918, Wien 1978, S. 28f. Teil II.
9 fortschreitenden Verarmung des Landes. Ein Großteil der Menschen außerhalb der größeren Städte lebte von der bäuerlichen Landwirtschaft, das Land war bis in die Kleinstädte hinein sehr agrarisch ausgerichtet und von Not und Armut gekennzeichnet. Einen besonders großen Stellenwert nahm bei der Bevölkerung der katholische Glaube ein.27
Für die männliche ländliche Bevölkerung führte der Ausbildungsweg Anfang des 19. Jahrhunderts fast nur über geistliche Institutionen, denn nur dort wurde ihr die Chance zum Aufstieg ermöglicht. Somit ging die bildungsorientierte Schicht am Land großteils in der Geistlichkeit auf und verhinderte eine Etablierung einer bürgerlichen Intelligenz. Allerdings entstand in Südtirol eine kleine Gruppe des Besitzbürgertums, das vordergründig aus Gastwirten bestand. Einige Gastbetriebe fungierten als Zentrum des Austausches zwischen Stadt und Land, als auch zwischen Provinz und Metropole, somit stellten sie eine Lokalität für bürgerliche Öffentlichkeit dar.28
Bedingt durch die Modernisierung und Urbanisierung fand zu Jah hu de t e de die „Belle Épo ue Ei zug i s La d. Bis es zu diese Aufs h u g ka , usste jedo h ei e Vielzahl a politischen Herausforderungen und gesellschaftlichen Krisen überwunden werden. Das politische Klima im Kronland Tirol war im 19. Jahrhundert geprägt vom Konflikt zwischen den Konservativen und den Liberalen, auch Kulturkampf genannt. Die klerikale Partei hatte nach der Wahl im Jänner 1867 im Tiroler Landtag die Mehrheit, allerdings stellten die Liberalen eine starke Minorität dar. Besonders in den Städten wie Innsbruck, Bozen und Meran konnten die Liberalen bereits die Katholisch-Konservativen überholen und eine Mehrheit vorweisen. Im gesamtösterreichischen Reichsrat in Wien hatte die liberale Partei eine Majorität.29
Durch neue politische Erlasse der liberal-konstitutionellen Wiener Regierung fühlten sich die Konservativen des Tiroler Landtages ihres Einflusses beraubt und es kam zu Unstimmigkeiten in kultur- und kirchenpolitischen Fragen. Ein Dorn im Auge waren der klerikalen Partei vor allem die Maigesetze, die ihren Namen durch die kaiserliche Sanktion am 28. Mai 1868 erhielten. Dies war beispielsweise das Ehegesetz, das den staatlichen Behörden erlaubte, ebenfalls Trauungen vorzunehmen, falls die Kirche diese ohne gesetzliche Anerkennung nicht
27 Hans Heiss, Die Entstehung Südtirols, in: Das 20. Jahrhundert in Südtirol. Abschied vom Vaterland. 1900-1919 (Band 1), hrsg. von Gottfried Solderer, Bozen 1999, S. 9-15, hier S. 10. 28 Hans Heiss, Bürgertum in Südtirol, Umrisse eines verkannten Phänomens, in: Bürgertum in der Habsburgermonarchie, hrsg. von Ernst Bruckmüller/ Ulrike Döcker/ Hannes Stekl/ Peter Urbanitsch, Wien/Köln/Böhlau 1990, S. 299-317, hier S. 306f. 29 Josef Fontana, Vom Neubau bis zum Untergang der Habsburgermonarchie 1848-1918 (Geschichte des Landes Tirol, Band 3), Bozen 1987, S. 123.
10 durchführen wollte. Besonders heftig umstritten war die Reform des Schulwesens, welches seit de „Politis he “ hul e fassu g u te ki hli he O hut sta d u d o u a unter staatliche Aufsicht fallen sollte. Nur der Religionsunterricht sollte weiterhin von der katholischen Kirche ausgeübt und beaufsichtigt werden. Eine weitere Streitfrage stellte die Anerkennung anderer Konfessionen dar, welche im interkonfessionellen Gesetz geregelt wurde. Die Regierung in Wien beschloss, dass in Österreich die Gründung protestantischer Kultusgemeinden ermöglicht wurde. Dagegen kämpfte die klerikale Partei einige Jahre vehement an. Dieser unerfreuliche Kulturkampf hemmte die wirtschaftliche und soziale Modernisierung des Landes durch die andauernden gegenseitigen Anfeindungen der Parteien. Zusätzlich spalteten diese Differenzen nicht nur die politischen Gemüter, sondern auch das Volk selbst.30
Mit Dr. Joseph Streiter31 als Bürgermeister von Bozen (1861-1870) wurde die liberale Ära in den Südtiroler Städten eingeleitet. Zwar war eine große Mehrheit der Bevölkerung den Konservativen zugewandt, jedoch eine nicht unwichtige Fraktion aus dem städtischen Milieu, bestehend aus Kaufleuten und Intellektuellen sowie aus Vertretern der freien Berufe wie Ärzte und Juristen als auch Adelige, verfolgte liberale Ideen.32 Das bürgerlich-liberale Lager in den Städten begründete eine nachhaltige Errungenschaft in Südtirol, nämlich die Etablierung einer reichen Vereinskultur so u.a. Turnverein oder Männergesangsverein. Die Idee des Vereinswesens wurde auch in der Kommunalpolitik angewandt, indem vereinsrechtlich angelegte Sparkassen die Finanzierung von infrastrukturellen oder kommunalpolitischen Projekten übernahmen.33 Dies stellte jedoch keinen singulär in Südtirol vorkommenden Fall dar, bereits früher hatte dieser Vorgang in anderen Städten des Habsburgerreiches begonnen und machte den Prozess der Verbürgerlichung aus. Eine klare Trennung des Bürgertums gegenüber anderen Schichten war insofern nicht möglich, da das Bürgertum aufgrund von Disparitäten keine Einheit darstellte, sondern eine dynamische Gesellschaft bildete. Aufgrund dessen mussten verschiedene Ordnungsvorstellungen und kulturelle Praxen etabliert werden, um eine gewisse soziale Exklusivität zu erhalten, beispielsweise die Auseinandersetzung mit der Kirche. Besonders förderlich für eine überregionale Konstituierung des Bürgertums waren
30 Fontana, Neubau, S. 126. 31 Joseph Streiter (geb. 1804, Bozen; gest. 1873, Bozen), Jurist, Schriftsteller und Politiker sowie Bürgermeister der Stadt Bozen von 1861–1870. 32 Schneider, Bozen, S. 23. 33 Heiss, Bürgertum, S. 308.
11 dabei die Urbanisierung sowie die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Verkehrs- und Kommunikationsrevolution. Für die Etablierung einer imaginierten Gemeinschaft war das Vereinswesen von großer Bedeutung, da es in den 1860er Jahren zu einer Vielzahl an Vereinsgründungen kam, die repräsentierend für eine bürgerliche Kultur standen.34
Viele Jahre war die Politik von der Blockbildung der Liberalen und Konservativen gekennzeichnet, die sich in Honoratiorenparteien organisiert hatten und häufig nur die Interessen des Bürgertums und der Großgrundbesitzer vertraten. In den 1880er und 1890er Jahren kam es im Habsburgerreich zur Bildung neuer Parteien, die versuchten, die politischen Interessen der breiten Masse zu sammeln und in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die ehemals festgelegten Lager von politischen Kräften spalteten sich in unterschiedliche Parteien verschiedenster Strömungen auf. Durch das Einbeziehen breiter Bevölkerungsschichten, großteils auch unterrepräsentierter Gruppen, und durch die neuen Massenparteien wurde der Stil der Politik grundsätzlich verändert. Dabei standen für die Politiker soziale und wirtschaftliche Belange im Vordergrund. Doch waren es nicht mehr ausschließlich große Parteiverhandlungen, in denen Politik gemacht wurden, sondern von den neuen Parteien wurde versucht, die Politik in die Masse zu bringen. Dafür dienten beispielsweise Wahlrechtsdemonstrationen oder Massenversammlungen. Durch ein Netz von verschiedenen Organisationen, wie Bruderschaften, Vereinen oder Interessensverbänden konnte ein Austausch zwischen der Bevölkerung und den Politikern stattfinden.35
Auch im Kronland Tirol kam es zu Unstimmigkeiten innerhalb der Parteien. Da sich die klerikale Partei Tirols über die Vorgehensweise im Reichsrat nach dem Regierungsantritt Taaffes 1879 uneinig war, entstanden Differenzen, die in der Bildung zweier Lager gipfelten: der Altko se ati e , au h späte als „ ilde e To a t ezei h et, u Ig az Gio a elli36 und der Ju gko se ati e , als Ve t ete de „s hä fe e To a t eka t, u te de Leitu g o F a z Zallinger37 und Josef Di Pauli38. Die konservative Partei erhielt durch diesen Disput zwar Risse,
34 Oliver Kühschelm, Das Bürgertum in Cisleithanien, in: Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Soziale Strukturen. Von der Stände- zur Klassengesellschaft (Bd. 9, Teilband 2), hrsg. von Helmut Rumpler/ Peter Urbanitsch, Wien 2010, S. 849-908, hier S. 855f. 35 Helmut Rumpler, Österreichische Geschichte 1804-1914. Eine Chance für Mitteleuropa. Bürgerliche Emanzipation und Staatsverfall in der Habsburgermonarchie, hrsg. von Herwig Wolfram, Wien 2005, S. 488. 36 Ignaz Freiherr von Giovanelli zu Gerstburg und Hörtenberg (geb. 1815, Bozen; gest. 1889, Innsbruck), Jurist, Landtagsabgeordneter, Reichsratsabgeordneter, Mitglied der katholisch-konservativen Partei. 37 Franz von Zallinger-Stillendorf (geb. 1842, Stillendorf; gest. 1907, Bozen), Reichsratsabgeordneter. 38 Josef Freiherr Di Pauli von Treuheim (geb. 1844, Innsbruck; gest. 1904, Wien), Reichsratsabgeordneter, Gründer der Katholischen Volkspartei.
12 konnte jedoch als Sammelbewegung noch weiterexistieren.39 Besonders in Tirol fand die G uppe de „s hä fe e To a t ei e g oße A hä ge s haft, da sie fo ts h ittli he e Idee speziell im sozialen Bereich verfolgte. Schrittweise kam es zum Zerwürfnis zwischen den beiden Lagern. Bei der Wahl für den Reichsrat 1885 deklassierte Zallinger seinen Kontrahenten Gio a elli u d ei de La dtags ahl t at die „s hä fe e To a t e eits it ei e eige e Liste an, allerdings agierten die beiden Lager trotz massiver unterschiedlicher Ansichten immer noch als einheitliche Partei. Besonders die Vorgänge in Wien, nämlich der Austritt Zallingers aus dem Hohenwartklub40 im Jahr 1893 und die Gründung der Katholischen Volkspartei, die mit ihren Idealen den Christlich-Sozialen in Wien nahestand, durch Josef Di Pauli 1896 führten schlussendlich zu einer Spaltung der Konservativen Partei in Tirol. Aemilian Schöpfer41, der lange Zeit die Ansichten Di Paulis teilte, trat aufgrund seiner nationalen Haltung im Unterschied zur übernationalen Haltung Di Paulis aus der Katholischen Partei aus. Er gründete 1898 den Christlichsozialen Verein42 und in weiterer Folge entstand auch die Christlich-Soziale Partei Tirols. Es entbrannte ein heftiger Machtkampf zwischen den katholis he Lage , de au h als „Ti ole B ude k ieg ezei h et u de. Die kle ikal- konservative Partei verlor infolgedessen immer mehr Parteigänger und dadurch auch an Einfluss. Aufgrund der erstarkten christlich-sozialen Partei mussten die Konservativen 1901 erstmals seit 40 Jahren die absolute Mehrheit im Landtag abgeben. Dieser Abstieg der Konservativen in Tirol war kein Einzelfall, denn ebenfalls in der restlichen Habsburgermonarchie mussten sie ebenfalls herbe Verluste einfahren. In den Folgejahren gab es zwar einige Versuche, die Christlichsozialen und die Konservativen des Kronlandes Tirol wieder zu vereinen, die allerdings alle scheiterten. Erst im Jahr 1918 nach Kriegsende einigten sich die zwei Parteien schlussendlich auf einen Zusammenschluss zu ei heitli he „Ti ole Volkspa tei .43
Innerhalb des liberalen Lagers in Tirol erfuhr das nationale Gedankengut einen Aufschwung. Die weitgehend aus dem aufgeklärten Adel und dem Bürgertum entstandene Partei verfolgte
39 Fontana, Neubau, S. 198ff. 40 Eine vom Reichsratsabgeordneten Karl Sigmund von Hohenwart gegründete Partei, der klerikale und konservative Abgeordnete u.a. böhmischer, deutscher und slowenischer Herkunft angehörten. 41 Aemilian Schöpfer (geb. 1858, Brixen; gest. 1936, Innsbruck) Gründer der Christlichsozialen Partei in Tirol und der Brixener Chronik, sowie des Katholisch-politischen Pressvereins und der Tyrolia. Professor am Priesterseminar in Brixen. 42 Fontana, Neubau, S. 282f. 43 Gottfried Solderer (Hrsg.), Das 20. Jahrhundert in Südtirol. Abschied vom Vaterland. 1900-1919 (Band 1), Bozen 1999, S. 76.
13 einen immer mehr großdeutschen und in weiterer Folge deutschnationalen Kurs, gespickt mit Elementen des Antisemitismus und Antiklerikalismus. Aus den ehemals Liberalen entstanden aufgrund von Uneinigkeiten im eigenen Lager neue Kleinparteien verschiedener Richtungen, von Altliberalen zu Deutschliberalen bis hin zu Deutschradikalen, die allerdings alle als gemeinsames Anliegen immer noch eine kirchenfeindliche Einstellung verfolgten. Die Anhänger des gemäßigt deutsch-freiheitlichen Lagers fanden sich mehrheitlich in den Städten. So stellte A fa g des . Jah hu de ts i e hi Ve t ete de „Deuts he Volkspa tei , de wichtigsten unter den national-liberalen Parteien, die Bürgermeister von Bozen und Innsbruck, Julius Perathoner44 (1895-1922) und Wilhelm Greil45 (1896-1923).46 Durch die ständigen Unstimmigkeiten und Streitereien innerhalb des liberalen Lagers hatte es an Ansehen eingebüßt und konnte bei der Reichsratswahl im Jahr 1907 gerade noch eine geringe Anzahl an Mandaten gewinnen. Von diesem Warnschuss aufgerüttelt beschlossen Vertreter aus Nord- und Südtirol im Dezember 1907 eine gemeinsame Partei zu etablieren: die „Deuts h atio ale La despa tei i Ti ol . Ih u de au h de „Ve ei fü Deuts h atio ale u d e e falls die „Deuts he Volkspa tei u d de e O tsg uppe a gegliede t.47 Für das national-liberale Lager war Südtirol in zweierlei Hinsicht Peripherie, da es einerseits eines der äußersten Gebiete des Habsburgerreiches darstellte und andererseits auch den südlichsten Part der deutschsprachigen Kultur repräsentierte. Anhand des 1889 eingeweihten Walther- von-der-Vogelweide-Denkmals wurde auch versucht dies öffentlich zu zeigen.48
Das von politischen und gesellschaftlichen Krisen gebeutelte Land Tirol erlebte im Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende einen Aufschwung, bewegt durch eine neue Generation von Politikern und Unternehmern, der beispielsweise auch der Bozner Bürgermeister Julius Perathoner angehörte. Trotz unterschiedlicher Ideologien verfolgten sie ein Erstarken der Region und etablierten mit fortschrittlichen Ideen den Wiederaufstieg Tirols. Durch gesetzliche und ökonomische Neuerungen in der Landwirtschaft und Verbesserungen in der Ausbildung des Bauernstandes wurde einer der Hauptwirtschaftszweige gestärkt. Zusätzlich
44 Julius Perathoner (geb. 1849, Bruneck; gest. 1926, Bozen), Jurist und Politiker sowie Bürgermeister der Stadt Bozen von 1895–1922. 45 Wilhelm Greil (geb. 1850, Innsbruck; gest. 1928, Innsbruck), Kaufmann und Politiker. Bürgermeister der Stadt Innsbruck von 1896-1923. 46 Solderer, 20. Jahrhundert, S. 79. 47 Fontana, Neubau, S. 294. 48 Hans Heiss/ Hubert Mock, Kulturelle Orientierunge des “üdti ole Bü ge tu s is , i : „Du h A eit, Besitz, Wisse u d Ge e htigkeit . Bü ge tu i de Ha s u ge o a hie Ba d , h sg. o Hannes Stekl/ Peter Urbanitsch/ Ernst Bruckmüller/ Hans Heiss, Wien-Köln-Weimar 1992, S. 141-159, hier S. 143.
14 wurden Genossenschaften für Bauern etabliert (z.B. die Kellereigenossenschaften in Terlan und Neumarkt/Montan) und der 1904 gegründete Tiroler Bauernbund festigte die Position der Landwirte im Kronland. Einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung für die Region brachte der Tourismus. Durch den zur Jahrhundertwende einsetzenden Fremdenverkehr konnte auch die einsetzende Landflucht zum Teil gestoppt werden, da sich für die Bevölkerung auf dem Land neue Erwerbstätigkeiten eröffneten.49 Die Bemühungen der Tiroler Liberalen um den Eisenbahnbau in den 1850er und 1860er Jahren (1858 Eröffnung der Strecke Innsbruck-Kufstein; 1859 Eröffnung der Strecke Bozen-Verona; 1867 Eröffnung der Strecke Innsbruck-Bozen, 1871 Eröffnung der Strecke Franzensfeste-Villach) legten ein Fundament für den Ausbau der verkehrstechnischen Infrastrukturen in den Folgejahrzehnten.50 Durch die Stabilisierung der Wirtschaft konnte die Erweiterung des Verkehrsnetzes in Form von Straßen und Bahnlinien vorangetrieben werden. So erfolgte die Errichtung von Nebenbahnlinien, wie 1881 die Strecke Bozen-Meran, oder der Ausbau des Straßennetzes der verschiedenen Seitentäler. Vorläufig wurden jene Vorhaben realisiert, die die Förderung des Tourismus beabsichtigten.51 Um die Jahrhundertwende entstand eine Vielzahl an neuen, kleineren Bahnlinien, da sie die Notwendigkeit dieser Zeit vereinten: Dem Tourismus dienten die neuen Bahnen als Attraktion und die Wirtschaft benötigte neue Transportsysteme. So wurden u.a. im Jahr 1898 die Strecke Bozen-Kaltern, im Jahr 1906 die Vinschgaubahn von Meran nach Mals und 1907 die Strecke Meran-Lana eröffnet. Doch auch das Straßennetz wurde weiter ausgebaut und vonseiten der Tourismuskreise massiv gefördert. Infolgedessen entstand 1909 als Pa ade eispiel die „G oße Dolo ite st aße .52
Das bürgerlich-liberale Lager hatte bereits in früheren Jahren den Fremdenverkehr als Mittel des wirtschaftlichen Aufschwungs propagiert. Besonders die Stadt Meran als Kurort des Adels, u.a. sogar von Kaiserin Elisabeth von Österreich besucht, nutzte den Aufschwung, um die Stadt infrastrukturell zu modernisieren und den Aufstieg zu einem kulturellen Mittelpunkt zu ermöglichen. In Bozen setzte die Förderung des Tourismus zur Jahrhundertwende ein. Allerdings gab es lange Zeit Gegenwehr vonseiten der katholisch-konservativen Partei, da der Tourismus für eine verweltlichte Lebensweise stand. Schlussendlich waren es die Christlich- Sozialen, die den großen Nutzfaktor des Fremdenverkehrs ebenfalls verstanden und auch das
49 Heiss, Entstehung, S. 12f. 50 Fontana, Neubau, S. 40ff. 51 Fontana, Neubau, S. 344. 52 Solderer, 20. Jahrhundert, S. 52-56.
15 nötige Kapital besaßen, um den Tourismus in Südtirol massiv zu fördern. Mit der Etablierung des Fremdenverkehrs entstanden neue Kontakte zu den Zentren Wien und München. 53
Die neu gegründete christlich-soziale Partei trug einen Teil zur Modernisierung Tirols bei, denn sie brachte durch ihre sozialrevolutionäre Art fortschrittliche Ideen unter das Volk. Ausgehend von teilweise liberalen Interessen, wie eine bessere Ausbildung der Bauern, versuchten die Christlich-Sozialen eine gemeinschaftliche und kooperative Komponente hinzuzufügen, die die li e ale K äfte isla g e a hlässigt hatte . „I ei e alpi en Gesellschaft auf katholischer Grundlage rangiert das kommunitäre Prinzip vor dem individualistischen Credo de Li e ale 54, resümiert Heiss die damalige Situation. Auch Bildung nahm in jeglichen Schichten der Bevölkerung eine wichtigere Rolle ein. Vor allem dem Kleinbürgertum und den Arbeitern wurde bewusst, dass durch Weiterbildung sozialer Aufstieg und ökonomische Unabhängigkeit ermöglicht wurden. Da sich das Volk immer mehr für neue Informationen und Neuigkeiten interessierte, wurde auch ein guter Nährboden für Zeitungen geschaffen. In Sachen Frauenbildung waren die Sozialdemokraten und die Arbeiterinnen Vorreiter, denn sie initiierten eine ganze Reihe von Frauenbildungsvereinen, wie beispielsweise 1906 den Arbeiterinnenbildungsverein in Innsbruck. Die katholisch-konservativen Frauen verfolgten hingegen eine Bildungspolitik, die geprägt von konservativen Werten und Tugenden war und wenige fortschrittliche Elemente beinhaltete. Sie vereinigten sich u.a. im katholischen Arbeiterinnenverein oder dem Christlichen Frauenbund. Die liberal gesinnten, großteils bürgerlichen Frauen nahmen hingegen eine zwiespältige Position ein, da sie einerseits Verfechterinnen für eine gute Ausbildung der weiblichen Bevölkerung waren, andererseits aber nicht die Rolle der Hausfrau und Mutter ablegen mochten.55 Seit dem Schuljahr 1900/1901 gab es in Bozen eine höhere Töchterschule, in der u.a. Fächer wie Pädagogik, Handarbeit und Fremdsprachen, aber auch Mathematik, Naturwissenschaften und Physik unterrichtet wurden.56
Die ehemals ruhmreiche Handelsstadt Bozen war im 19. Jahrhundert zu einer Provinzstadt herabgesunken. Die Blütezeit der vergangenen letzten Jahrhunderte durch die jährlich stattfindenden Messen war verschwunden. Obwohl Bozen im Bereich Handel und Verkehr in das übergehende 20. Jahrhundert immer noch einen wichtigen Platz im westlichsten Kronland
53 Heiss, Bürgertum, S. 309. 54 Heiss, Entstehung, S. 13. 55 Solderer, 20. Jahrhundert, S. 184f. 56 Solderer, 20. Jahrhundert, S. 192f.
16 des Habsburgerreiches einnahm, hatte die Stadt lange nicht mehr dieselbe Bedeutung wie in früheren Jahrhunderten. Ein Teil ihres Reichtums blieb jedoch in traditionsreichen Kaufmannsfamilien sowie großen Land- und Grundbesitzern und wohlhabenden Gastwirten erhalten. Hinzu kam noch eine kleine Schicht des Bildungsbürgertums, bestehend aus Juristen, Ärzten und Beamten, die die kulturellen und wirtschaftlichen Geschicke Bozens lenkten.57 Die Schicht des Bozner Bürgertums bestand somit aus alteingesessenen Kaufmannsfamilien, die untereinander familiär eng verflochten waren, eine liberale Grundhaltung einnahmen, jedoch nicht nach allzu fortschrittlichen Neuerungen strebten, sondern mit ihrem momentanen wohlsituierten Lebensstil sehr zufrieden waren. Laut Heiss war der Beweggrund für diese G u dhaltu g, die i ht o ha de e „t au atisie e de E fah u g politis he u d i ts haftli he A stiegs u d das da aus esultie e de „“t e e a h ‘ückgewinn früherer Positio e .58 De facto hatte ein Großteil dieser Familien trotz der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ihren Wohlstand gut konservieren können. Das in den Gemeindestatuten 1881 festgelegte Wahlgesetz basierte auf Besitz und Bildung und bevorzugte daher die liberale Wählerschaft, währenddessen die konservativen Katholiken und das Kleinbürgertum vom Wahlrecht ausgespart blieben. Das Kleinbürgertum war nämlich stark im katholischen Milieu verankert und verfolgte eine eher konservative Linie, vor allem war es Gegner der liberalen Ideologie. Die Geistlichkeit hatte in der Stadt Bozen nur ein geringes Mitspracherecht, da sie die dafür vorgesehene erforderliche Steuerleistung nicht erbringen konnte und aufgrund des Wahlrechtes unterrepräsentiert war.59 Dies änderte sich mit der im ganzen Habsburgerreich stattfindenden Badenischen Wahlrechtsreform im Jahr 1896, bei der eine allgemeine 5. Wählerklasse geschaffen wurde und infolgedessen alle männlichen Staatsbürger ab 24 Jahren wählen durften. Die christlich-soziale Partei repräsentierte in den Folgejahren für diese Bevölkerungsgruppe die idealen Wertvorstellungen, u.a. zwar katholisch geprägt, jedoch mit fortschrittlichen Ideen. Mit ihrer seelsorgerischen Tätigkeit und der Presse schaffte sie es, die Bevölkerung für sich zu begeistern und somit allmählich auch ein katholisches Bürgertum zu schaffen.60
57 Hans Heiss, Das Rathaus von Bozen: Symbolbau städtischen Wandels in der Ära von Bürgermeister Perathoner, in: 1907. Das Rathaus der Stadt Bozen, hrsg. von Angela Grazia Mura, Bozen 2013, S. 16-35, hier S. 17. 58 Heiss, Rathaus, S. 21. 59 Heiss, Rathaus, S. 26. 60 Heiss, Bürgertum, S. 309.
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Eine enorme Veränderung deutete sich in den 1890er Jahren unter dem neuen Bürgermeister Bozens, Julius Perathoner, an. Eine Gruppe von jungen, motivierten, tatkräftigen Politikern brachte eine neue Dynamik in die Gemeindepolitik Bozens und löste die ehemals vorherrschende, alteingesessene Bürgerschicht ab. Bedingt durch die Urbanisierung erhielten neue Wählergruppen mittels der Badenischen Wahlrechtsreform das Recht auf Partizipation und daraus resultierte eine Politisierung der Öffentlichkeit.61 Teil dieses neuen Bürgertums waren auch kulturell gebildete Einwanderer nach Tirol, die durch ihre Aufgeschlossenheit den Modernisierungsprozess mit fortschrittlichen Ideen unterstützten. Als Beispiel dafür galt Sigismund Schwarz62, ein jüdischer Bankier, der maßgeblich am Ausbau verschiedenster neuer Bahnlinien in Südtirol, wie die der Mendelbahn oder die der Vinschgaubahn, beteiligt und als Förderer des Tourismus angesehen war.63 Unter der Ära Julius Perathoners an der Spitze des Magistrats erhielt Bozen neue Gebäude öffentlicher Institutionen, die als Bereicherung des bürgerlichen Stadtbildes dienten und für das Gemeinwohl förderlich waren, z.B. ein neues Rathaus, neue moderne Schulen sowie ein Museum und eine Parkanlage entlang der Talfer. Gemeinsam haben all diese Einrichtungen, die auch als Meublage des Bürgertums bezeichnet werden können, dass sie der Bevölkerung öffentlich zugänglich waren, besonders stark vom Bürgertum unterstützt wurden und einen Nutzen für das Gemeinwohl besaßen.64 Neben diesen Institutionen versammelte sich das liberale Bürgertum ebenfalls in unterschiedlichen Vereinen, wie beispielsweise dem Männergesangsverein, dem Kolpingverein oder auch dem Alpenverein. Letzterer nahm in Südtirol eine große Rolle ein, da er maßgeblichen Anteil an der Förderung des Fremdenverkehrs hatte. Ab den 1890er Jahren kam es auch außerhalb des liberalen Lagers zu einer Vielzahl an Vereinsgründungen, u.a. der Arbeitervereine der Sozialdemokraten.65
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs kam die Annexion an das liberale Italien. Für die bürgerlichen Schichten brachte diese Veränderung auf der Ebene der Kommunalpolitik allerdings keine allzu großen Veränderungen mit sich, sodass das Bürgertum und die Kultur des Landes hinsichtlich Theaterveranstaltungen und Vereinsgründungen sogar einen geringen Aufschwung aufweisen konnten. Politisch gesehen kam es zur Vereinigung der beiden großen
61 Heiss, Rathaus, S. 26. 62 Sigismund Schwarz (geb. 1849, Hohenems; gest. 1919, Bozen), jüdischer Bankier und Unternehmer. Pionier des Bahnbaus und Förderer des Fremdenverkehrs in Südtirol. 63 Heiss, Bürgertum, S. 310f. 64 Heiss, Rathaus, S. 28. 65 Heiss, Bürgertum, S. 308.
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Pa teie des La des, de „Ti ole Volkspa tei u d de „Deuts hf eiheitli he Pa tei , zum „Deuts he Ve a d . De eide Lage a die Wi htigkeit dieses )usa e s hlusses u d einer gemeinsamen Politik im Konflikt mit den italienischen Behörden bewusst, sodass ideologische und konfessionelle Anliegen in den Hintergrund gestellt wurden.66 Mit den faschistischen Italianisierungsmaßnahmen folgte in den 20er Jahren jedoch die Resignation der deutschsprachigen Bevölkerung.67
3.2. Die Bevölkerungsstruktur der Bukowina und der Stadt Czernowitz
Die Provinzmetropole Czernowitz stellt einen besonderen Fall in der Geschichte des Habsburgerreiches dar. Als Paradebeispiel lebten dort verschiedene Ethnien (Ruthenen, Rumänen, Deutsche, Polen, Armenier, Ungarn) und Konfessionen (griechisch-orthodox, griechisch-katholisch, römisch-katholisch, armenisch-katholisch, evangelisch, jüdisch) relativ konfliktlos nebeneinander. Zwar besaßen jede Ethnie und Religion ihre eigene geistige und materielle Kultur sowie auch eine große Anzahl an Vereinen, die diese nationalen Besonderheiten auslebten, jedoch gab es immer wieder Berührungspunkte und kulturelle Diffusionen zwischen den einzelnen Nationen. Keine Gruppe erarbeitete sich dabei eine Vormachtstellung und daher kam es auch nie zu einer erzwungenen Integration, denn das gemeinsame Anliegen aller Gruppen stellte die Region dar.68
Im Vergleich zu den anderen analysierten Städten hatte Czernowitz eine viel höhere Bevölkerungszahl, nämlich Czernowitz Stadt 87 128 und Czernowitz Landbezirk 104 016 ortsansässige Einwohner.69 Besonders in der Stadt Czernowitz kann fast von einer Verdoppelung der Bevölkerung gesprochen werden, denn im Jahr 1880 zählte die Stadt erst ungefähr 45 600 Bewohner. Auch beim Landbezirk Czernowitz war eine Bevölkerungszunahme erkennbar, da 1880 bei der Volkszählung 80 997 Personen diesem Gebiet angehört hatten.70 Wie im gesamten Habsburgerreich konnte die Bukowina ebenfalls
66 Heiss/ Mock, Orientierungen, S. 146f. 67 Heiss/ Mock, Orientierungen, S. 150. 68 Sergij Osatschuk, Czernowitz-Das Werden einer Kulturmetropole. Soziokulturelle Skizzen aus der deutschsprachigen Czernowitzer Presse vor 1914, in: Regionalpresse Österreich-Ungarns und die urbane Kultur, hrsg. von Vlado Obad, Wien 2007, S. 165-214, hier S. 166. 69 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 44. 70 Ku t “ ha , „Die La ds haft Buko i a . Das We de ei e ‘egio a de Pe iphe ie -1918, Wien/ Köln/ Weimar 2010, S. 275.
19 einen Zuwachs der Bevölkerung bei der Volkszählung im Jahr 1910 verzeichnen, sodass die Einwohnerzahl 798 355 Personen betrug.71 Allerdings ist beim prozentuellen Zuwachs eine Verlangsamung bei allen Karpatenländern zu erkennen, so auch bei der Bukowina. Die Zunahme der Bevölkerung der Bukowina betrug in den Jahren 1881 bis 1890 13 Prozent, wohingegen sie in den Jahren 1900 bis 1910 nur noch 9,5 Prozent ausmachte, was jedoch immer noch eine hohe Summe darstellte.72 Die Bukowina galt als die Landschaft mit der höchsten Einwanderung an der östlichsten Peripherie des Habsburgerreiches.
Abbildung 2: Stadtplan von Czernowitz 1907/08. War die Bukowina vorab Teil Galiziens, erhielt sie im Jahr 1849 den Status eines eigenständigen Herzogtums und Czernowitz wurde infolgedessen zur Landeshauptstadt erhoben. Aufgrund von gesamtstaatlichen Unsicherheiten erhielt die Bukowina erst im Jahr 1861 durch das kaiserliche Patent einen eigenen Landtag. Dieser galt als höchstes Gremium in der Bukowina und seine Aufgaben waren von administrativem und repräsentativem Charakter. Der Bukowiner Landtag bestand aus 30 Mitgliedern, wobei eine fixe Stimme dem orthodoxen Bischof des Kronlandes gehörte, der als Virilist seinen ständigen Sitz inne hatte.
71 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 39. 72 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 27.
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Die weiteren 29 Mitglieder wurden aufgrund von Wählerkurien (1. Großgrundbesitzer, 2. Städte und Handels- und Gewerbekammer, 3. Landgemeinden) festgelegt, die nach dem Prinzip der gleichmäßigen Interessensvertretung ausgewählt worden waren.73 1875, nach der Gründung der Universität Czernowitz, erhielt der Rektor der Universität ebenfalls eine festgelegte Stimme als Virilist. Durch die Badenische Wahlreform und die Einführung einer allgemeinen Wählerkurie 1896 durften bereits alle männlichen Staatsbürger wählen, ihre Stimme zählte jedoch nur für die 5. Wählerklasse und hatte somit weniger Gewicht. Im Jahr 1907 wurde im Habsburgerreich das Kurienwahlrecht abgeschafft und das allgemeine Männerwahlrecht eingeführt, das alle männlichen Personen der Donaumonarchie ab 24 Jahren berechtigte, zur Wahl zu gehen. Durch den nationalen Ausgleich 1910 kam es zu einer Demokratisierung des Bukowiner Landtages, da sich die Anzahl der Mitglieder verdoppelte und eine Allgemeine Wählerklasse hinzugefügt wurde.74 Mit de „Buko i e Ausglei h erhielten zusätzlich alle ethnischen und konfessionellen Gruppen die gleichen Rechte und ebenfalls gleichberechtigte Repräsentanten im Landtag.75 Bei der Betrachtung der politischen Strömungen des Bukowiner Landtages gab es in den 1860er und 70er Jahren zwei Lager, die den großen Parteien im Habsburgerreich nahekamen. Dies waren einerseits die Zentralisten, die angelehnt an die Wiener Zentralregierung agierten und für eine nationale Gleichberechtigung auf politischer und religiöser Ebene eintraten. Unterstützer der Zentralisten waren Großgrundbesitzer und Intellektuelle sowie auch die Bewohner der Städte und dabei vor allem Deutsche und Juden. Somit gehörte auch das deutschsprachige Bürgertum zu einem großen Teil dem zentralistischen Lager an. Zum anderen gab es die Föderalistische Partei, deren Anhänger ein rumänisch-nationalistisches Denken verfolgten. Sie forderten eine Landesautonomie mit rumänisch-nationaler Prägung und plädierten für die Erhaltung der historischen Bukowina auf kultureller und politischer Ebene. Ihre Anhänger fanden sich ebenfalls bei den Großgrundbesitzern, beim höheren Klerus und bei einem Teil der Bauern sowie logischerweise bei den Rumänen, aber auch bei der polnischen Bevölkerung. Vom ersten Landtag 1861 bis in die Mitte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts konnte das zentralistische Lager seine Vormachtstellung verteidigen. Teil des zentralistischen Lagers war
73 Mihai- Ştefa Ceauşu, Der Landtag der Bukowina, in: Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Verfassung und Parlamentarismus. Die regionalen Repräsentativkörperschaften (Bd. 7/ Teilband 2), hrsg. von Helmut Rumpler/Peter Urbanitsch, Wien 2000, S. 2171-2198, hier S. 2175f. 74 Ceauşu, Landtag, S. 2178. 75 Peter Rychlo, Czernowitz als geistige Lebensform. Die Stadt und ihre Kultur, in: Czernowitz. Die Geschichte einer untergegangenen Kulturmetropole, hrsg. von Helmut Braun, Berlin 2005, S. 7-30, hier S. 8.
21 auch die deutschliberale Partei, die ebenfalls einen verfassungstreuen Kurs verfolgte und sich großteils auf die deutsche und jüdische Bevölkerung in den Städten, aber auch vereinzelt auf rumänische und ruthenische Bürger, wie beispielsweise den Rektor der Universität, Constantin Tomaszczuk76, stützte.77 Im letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende kam es allerdings wie bereits früher in anderen Städten des Habsburgerreiches zu einer Unzufriedenheit mit den regierenden Lagern und aufgrund dessen entstanden neue politische Parteien im Kronland Bukowina. So bildete sich u.a. die Rumänische Nationalpartei der Bukowina, der als Gegenspieler die rumänische Demokratische Partei folgte. Letztere vertrat die Interessen der rumänischen demokratischen und liberalen Bevölkerung und hatte maßgeblichen Anteil an dem nationalen Ausgleich 1910. Die Ruthenen gründeten auch eine eigenständige Partei, nämlich die Ruthenische Nationaldemokratische Partei, die insbesondere von den jungen Ruthenen unterstützt wurde und ebenfalls eine wichtige Rolle im Bukowiner Landtag einnahm. Aus der Gruppe des deutschsprachigen Lagers, das ehemals dem Liberalismus zugeneigt war, entstand ein breites Spektrum an unterschiedlich orientierten, neuen Parteien, u.a. die Deutschnationale Partei, die Deutschfortschrittliche Partei, die Deutschchristlichsoziale Partei und die Deutschliberale Partei. Ein Teil der jüdischen Bevölkerung unterstützte weiterhin deutsche Parteien, allerdings verfolgte um die Jahrhundertwende auch ein Teil der Juden nationalistische Ideen und daher wurde unter der Leitung von Benno Straucher im Jahr 1906 in der Bukowina die Jüdischnationale Partei hervorgerufen.78
Zu dieser Mischung des Czernowitzer Bürgertums aus Deutsch-Österreichern, assimilierten Juden und alteingesessenen Adeligen gesellte sich Ende des 19. Jahrhunderts noch eine kleinere Gruppe aus rumänischen und ruthenischen Bürgern hinzu. Vor dem Hintergrund des aufkeimenden Nationalismus der einzelnen ethnischen Gruppen war es das Bewusstsein des supranationalen Österreichertums sowie das Besinnen auf das Kronland Bukowina, das die unterschiedlichen Nationen einte, eine Demokratisierung des Landtages aufgrund der neuen Wahleinteilung 1910 ermöglichte und infolgedessen zum Aufschwung des Gebietes führte.79
76 Constantin Tomaszczuk (geb. 1840, Czernowitz; gest. 1889, Wien), Jurist und Politiker, Erster Rektor der Universität Czernowitz. 77 Ceauşu, La dtag, “. ff. 78 Ceauşu, Landtag, S. 2188ff. 79 Andrei Corbea-Hoisie, Eine p o i zielle „P o i zk itik . Ü e legu ge zu ei e Alt-Czernowitzer Feuilletonsammlung, in: Metropole und Provinzen in Altösterreich (1880-1918), hrsg. von Andrei Corbea- Hoisie/ Jaques Le Rider, Wien-Köln-Weimar 1996, S. 162-179, hier S. 172ff.
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Die zwei größten Bevölkerungsgruppen in Czernowitz waren die Ruthenen (Ukrainer) und die Rumänen. Zu ihnen gesellte sich die große Gemeinde der Juden, deren Anzahl an Mitgliedern im Laufe der Jahre variierte, jedoch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ca. ein Drittel der Stadtbevölkerung betrug. Sie stellten jedoch eine vergleichsweise heterogene Gruppe dar, welche die jüdische Religion und Kultur in sehr unterschiedlicher Weise und Konsequenz ausübte. Außerdem gehörten die Mitglieder der jüdischen Bevölkerung verschiedenen sozialen Milieus an und waren somit quer durch die Gesellschaft überall vertreten: Handwerker, Kleinhändler, Kaufleute, Intellektuelle, Politiker. Während sich erstere beiden Berufsgruppen eher an das Jiddische hielten, bevorzugten das Bildungsbürgertum und allgemein die assimilierten Juden die deutsche Sprache. Als übergeordnete Gemeinsamkeit orientierten sich beide neben ihrem religiösen Denken am Habsburgerreich.80
In Czernowitz hatte sich bereits Anfang des 19. Jahrhunderts ein selbstbewusstes Bürgertum etabliert, das großteils aus der deutschsprachigen aus dem Zentrum des Kaiserreiches geschickten Stadtgemeinde und einigen alteingesessenen Adeligen bestand.81 Dies war insofern interessant, da in der Bukowina auch der Adel teilweise eine Verbürgerlichung vollzog. Der Adel übte bürgerliche Berufe aus (besonders im bürokratischen Staatsapparat) und war Teil der bürgerlichen Stadtkultur. Außerdem gab es Mitglieder aus Adelsfamilien, die aufgrund ihrer bürgerlichen Tätigkeit im wirtschaftlichen Bereich geadelt worden waren und daher auch bürgerliche Interessen unterstützten.82 Im fortschreitenden 19. Jahrhundert waren in vielen Bereichen der Wirtschaft, Verwaltung und Politik sowie ebenfalls in den freien Berufen wie Apotheker, Anwälte und Ärzte als auch in der Presse jüdische Bürger Teil dieses Bürgertums, denn sie genossen in Czernowitz Freiheiten, wie die Aufhebung der Sondersteuer für Juden, die ihnen in anderen Städten der Habsburgermonarchie und in anderen Nationen nicht zugestanden wurden.83 Der Großteil der bürgerlichen Juden, speziell die assimilierten Juden, stand somit „fü ei e soziale Mode isie u g u d […] fü die li e ale Welta s hauu g 84. So nutzten auch viele Juden die vielfältigen Bildungsmöglichkeiten in der Bukowina und stellten einen großen Prozentteil der Schüler und Studenten an den Gymnasien,
80 Rychlo, Czernowitz, S. 10. 81 Emanuel Turczynski, Die Bukowina, in: Deutsche Geschichte im Osten Europas, hrsg. von Isabel Röskau-Rydel, Berlin 1999, S. 213-328, hier S. 236. 82 Ceauşu, Landtag, S. 2180. 83 Rychlo, Czernowitz, S. 16. 84 Andrei Corbea-Hoisie, Czernowitzer Geschichten. Über eine städtische Kultur in Mittelosteuropa, Wien-Köln- Weimar 2003, S. 30.
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Handelsschulen und an der Universität. Ebenfalls gab es viele weibliche Absolventinnen des Gymnasiums, da die jüdische Bevölkerung im Gegensatz zu den Rumänen und Ruthenen auch ihren Mädchen eine gute Schulbildung ermöglichen wollte und auch die finanziellen Mittel dafür hatte. Im Schuljahr 1913/1914 waren 84 Prozent aller Schülerinnen des Gymnasiums jüdischer Herkunft.85 Durch eine moderne Bildung vor allem im Bürgertum kam es zu einer kulturellen, politischen Blüte und zum industriellen, wirtschaftlichen Fortschritt. Dabei geriet die nationale Zugehörigkeit der Fachleute auf den jeweiligen Gebieten in den Hintergrund, denn ausschlaggebend waren rein fachliche Kompetenzen.86 Dieser Modernisierungsprozess führte auch zu einem Anstieg der Bevölkerung in der Stadt und das steigende Bildungsniveau wie auch finanzkräftigere Bürger erweiterten die Anzahl der Rezipienten und Produzenten der Zeitungen.87
Besonders gut ersichtlich war diese Modernisierung der Gesellschaft in der Gründung der verschiedenen Vereine. Dabei handelte es sich entweder um kirchliche, politische oder kulturelle Vereine, die parallel zu den ethnischen Gruppen existierten, denn in den unterschiedlichen Organisationen trafen Mitglieder verschiedener Nationen aufeinander und förderten somit die gegenseitige Achtung der Mitbürger.88 Das Vereinswesen als Teil der bürgerlichen Gesellschaft konnte in Czernowitz auf eine lange Tradition verweisen, denn e eits i Jah a de „Bü ge li he “ hütze e ei zu Cze o itz i s Le e ge ufe worden. Erst drei Jahrzehnte später folgte die Gründung eines neuen Lesevereins, der auf Initiative von 13 Honoratioren aus dem Bürgertum erfolgt war. Aus diesem Leseverein ging im Jah die „Gesells haft zu Fö de u g isse s haftli he Bildu g he o , die u.a. du h das Zurverfügungstellen einer Lesehalle die Lesegesellschaften förderte. Einer der eka teste Ve ei e i de Buko i a a de „Cze o itze Gesa gs e ei , de o bis 1862 existierte und später i de „Ve ei zu Fö de u g de To ku st i de Buko i a umgewandelt wurde.89 In der Stadt Czernowitz existierten in den Jahrzehnten vor der Jahrhundertwende und kurz danach teilweise über 100 Vereine gleichzeitig, so u.a. die
85 Mariana Hausleitner, Eine wechselvolle Geschichte. Die Bukowina und die Stadt Czernowitz vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, in: Czernowitz. Die Geschichte einer untergegangenen Kulturmetropole, hrsg. von Helmut Braun, Berlin 2005, S. 31-81, hier S. 50f. 86 Osatschuk, Czernowitz, S. 168f. 87 Winkler, Presse, S. 14. 88 Osatschuk, Czernowitz, S. 169f. 89 Emanuel Turczynski, Vereine, Interessenverbände und Parteien in der Bukowina, in: Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Verein, Parteien und Interessenverbände als Träger der politischen Partizipation (Bd. 8/ Teilband 2), hrsg. von Helmut Rumpler/Peter Urbanitsch, Wien 2006, S. 859-908, hier S. 862f.
24 zionistische Studentenverbindu g „Has o ea ode die uk ai is he Kultu gesells haft „‘uska Besida . Diese hohe A zahl a Ve ei e lässt auf ei seh pa tizipati es Bü ge tu s hließe sowie auch auf eine reich gesäte kulturelle Landschaft. Außerdem besaß jede ethnische Gruppe zusätzlich ein eigenes Nationalhaus in Czernowitz (Deutsches Haus in der Herrengasse), wo ebenfalls Veranstaltungen ausgetragen werden konnten. Im Jahr 1905 erhielt die Stadt Czernowitz ein eigenes Deutsches Theater.90 Eine wichtige Rolle im Kulturbetrieb der Bukowina nahmen die nach dem Wiener Vorbild gestalteten Kaffeehäuser ein, denn dort traf sich das Bildungsbürgertum aller ethnischen Gruppen, um einerseits die regionalen und internationalen Tageszeitungen, aber auch belletristische Blätter wie die Zeitung Im Buchwald91 zu lesen und andererseits dann im Anschluss über das Gelesene zu diskutieren.92
Die Etablierung der deutschen Sprache als Verkehrs- und Bildungssprache wurde durch verschiedene Entwicklungen im sozialen Leben begünstigt. War es im 18. Jahrhundert erst ein geringer Prozentteil der Bevölkerung, der Deutsch sprach, änderte sich diese Tatsache im Laufe des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts durch die Neugründung von vielen Volksschulen und das Einführen von Schulen in deutscher Sprache.93 Im Jahr 1869 trat in Cisleithanien das neue Reichsvolksschulgesetz in Kraft, das eine maßgebende Reformierung des österreichischen Schulwesens mit sich brachte. Dabei wurde die endgültige Trennung von Schule und Kirche festgelegt und das Schulwesen unter staatliche Obhut gestellt. Außerdem wurde die Pflichtschule von ehemals sechs auf acht Jahre verlängert (6. Lebensjahr bis zum 14. Lebensjahr) und die Inhalte den Schuljahren angepasst. Doch nicht nur die Organisation des Unterrichts wurde erneuert, auch die vierjährige Ausbildung der Lehrpersonen wurde gesetzlich festgelegt und neue Lehrerbildungsanstalten wurden etabliert.94
Nach Inkrafttreten des Gesetzes wurden in den Folgejahren vom Landtag der Bukowina Maßnahmen zum Ausbau von Schulen in der jeweiligen Muttersprache der verschiedenen
90 Rychlo, Czernowitz, S. 8f. 91 Gegründet von Oswald Isidor Nussbaum (geb. 1859, Zalucza; gest. 1939, Wien), 14-tägig erscheinende Literaturzeitung. 92 Ion Lihaciu, Czernowitz 1900 – Literatur und Presse, in: Zeitungsstadt Czernowitz. Studien zur Geschichte der deutschsprachigen Presse der Bukowina (1848-1940), hrsg. von Andrei Corbea-Hoisie/ Ion Lihaciu/ Markus Winkler, Kaiserslautern und Mehlingen 2014, S. 23-52, hier S. 26. 93 Ion Lihaciu, Czernowitz 1848-1918. Das kulturelle Leben einer Provinzmetropole, Kaiserslautern und Mehlingen 2012, S. 9ff. 94 Ludwig Boyer, Elementarschulen und Elementarunterricht in Österreich. Illustrierte Chronik der Schul- und Methodengeschichte von den ältesten Quellen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, Graz 2012, S. 273-277.
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Nationalitäten getroffen, was den Kindern eine adäquate Schulbildung ermöglichte und somit zu einer Senkung der Analphabeten in der Region führte.95 Die deutsche Sprache wurde in den Schulen aufgrund der Tatsache, dass sie die Amtssprache und innere als auch äußere Verwaltungssprache der Habsburgermonarchie war, von den verschiedenen Völkern erlernt und diente somit ebenfalls als Verkehrssprache zwischen ihnen. Ein weiterer Faktor zur Ausbreitung der deutschen Sprache auch im ländlichen Bereich war die Einwanderung von deutschen Arbeitskräften im Bergbau und in den Glasfabriken sowie von Bauernfamilien, die im südlichen Teil des Landes ansässig wurden. In der Provinzhauptstadt Czernowitz gewann die deutsche Sprache an Wichtigkeit aufgrund der Immigration von Familien aus Galizien und der dadurch bedingten Zunahme der jüdischen Bevölkerung. Diese waren durch die Nähe des Jiddischen zum Deutschen der Hauptsprache der Habsburgermonarchie nicht abgeneigt. Zusätzlich war besonders die städtische jüdische Bevölkerung sehr an die deutsch- österreichische Kultur und Sprache assimiliert und erkannte speziell im ökonomischen Bereich die Wichtigkeit des Deutschen.96 Die jüdische Bevölkerung empfand die Anpassung an die deutsche Kultur als positiven Weg zu Freiheit, Akzeptanz und Integration im Habsburgerreich.97 Durch die i Jah eue öff ete „K.k. F a z Josephs-U i e sität unter dem Rektorat Constantin Tomaszczuks, der bei der Fraktion des liberalen und die bestehende staatliche Ordnung stützenden Bildungsbürgertums ein großes Ansehen genoss, kam es zu einem weiteren kulturellen und wissenschaftlichen Aufschwung in Czernowitz. Ungeachtet der Tatsache, dass die Unterrichtssprache Deutsch war, wurde die Universität als supranationale Institution gesehen, die als Ausbildungsstätte für Beamte und Lehrer diente und in der ebenfalls eine gewisse akademische Freiheit herrschte. Zusätzlich erhielt die Universitätsbibliothek die neueste Fachliteratur, damit ein produktives Umfeld für eine kritische Behandlung in Form von Forschungsmöglichkeiten geboten werden konnte.98 Obwohl die rumänische und die ruthenische Ethnie einen größeren Anteil der Bevölkerung darstellte, konnte sich die deutsche Sprache durchsetzen. Gründe dafür waren u.a., dass sich die rumänische und ukrainische Schriftsprache erst ziemlich spät entwickelte und es daher
95 Turczynski, Bukowina, S. 261. 96 Lihaciu, Czernowitz 1848-1918, S. 9ff. 97 Francisca Solomon, Sprache und Identität. Zu den theoretischen und typologischen Dimensionen der „jüdis he P esse i Galizie u d i de Buko i a äh e d de Ha s u ge )eit, i : Zeitungsstadt Czernowitz. Studien zur Geschichte der deutschsprachigen Presse der Bukowina (1848–1940), hrsg. von Andrei Corbea- Hoisie/ Ion Lihaciu/ Markus Winkler, Kaiserslautern und Mehlingen 2014, S. 53-68, hier S. 54f. 98 Turczynski, Bukowina, S. 253ff.
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keiner der beiden ethnischen Gruppen gelang, eine Vorherrschaft in der Bukowina zu erreichen.99
3.3. Die deutschsprachige Bevölkerung in Krain und Laibach
Das Kronland Krain stellte Mitte des 19. Jahrhunderts das Kerngebiet des slowenischen Sprachgebietes dar, allerdings lebten dort nur 36 Prozent der gesamten slowenischen Bevölkerung. Die restlichen Slowenen waren zwar fast ausschließlich im Habsburgerreich angesiedelt, jedoch waren sie auf verschiedene Herzogtümer wie beispielsweise Steiermark, Kärnten und die Küstenlande oder auch im ungarischen Teil, auf das sog. Übermurgebiet aufgeteilt. Im slowenischen Siedlungsgebiet gab es jedoch auch einen geringen Prozentteil an deutsch- und italienischsprachigen Personen.100 Ende des 19. Jahrhunderts betrug der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung in Krain etwas mehr als 5 Prozent und 95 Prozent gehörten der slowenischsprachigen Bevölkerung an. Somit war Krain jenes Gebiet mit den meisten Slowenen innerhalb des Gebietes des Habsburgerreiches. In der Krainer Hauptstadt Laibach allerdings gab es einen viel höheren Anteil an Deutschen als im restlichen Gebiet. Im 19. Jahrhundert schwankte die absolute Zahl stets zwischen 5 000 und 6000 deutschsprachigen Bewohnern der Stadt. Da jedoch die allgemeine Bevölkerungszahl Laibachs stieg und jene der Deutschsprachigen stagnierte, senkte sich der Prozentanteil der Deutschen in Laibach von ca. 40 Prozent Mitte des 19. Jahrhunderts auf ungefähr 15 Prozent im Jahr 1910.101 Allerdings wurden bei der Volkszählung im Jahr 1880 auch über 200 gemischtsprachige Ehen in Laibach gezählt, sodass bis zu diesem Zeitpunkt die nationalpolitische Situation noch relativ entspannt gewesen sein musste.102 Neben Laibach gab es noch die kleine deutsche Sprachinsel Gottschee und Umgebung, die einen Großteil der
99 Günther Guggenberger, Rahmenbedingungen und strukturelle Merkmale der Czernowitzer deutschsprachigen Presse in der Zwischenkriegszeit. Eine qualitative und quantitative Untersuchung, in: Presselandschaft in der Bukowina und den Nachbarregionen. Akteure – Inhalte – Ereignisse (1900-1945), hrsg. von Markus Winkler, München 2011, S. 25-47, hier S. 27. 100 Janko Pleterski, Die Slowenen, in: Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Die Völker des Reiches (Bd. 3, Teilband 2), hrsg. von Helmut Rumpler/Peter Urbanitsch, Wien 1980, S. 801-838, hier S. 802. 101 Ta ja Žigo , Die „ eh fa he Lo alität de P esse i La d K ai i de z eite Hälfte des . u d A fa g des 20. Jahrhunderts, in: Medialisierung des Zerfalls der Doppelmonarchie in deutschsprachigen Regionalperiodika zwischen 1880 und 1914, hrsg. von Zoltán Szendi, Wien 2014, S. 39-66,hier S. 46. 102 Arnold Suppan, Die Untersteiermark, Krain und das Küstenland zwischen Maria Theresia und Franz Joseph (1740-1918), in: Deutsche Geschichte im Osten Europas. Zwischen Adria und Karawanken, hrsg. von Arnold Suppan, Berlin 1998, S. 264-348, hier S. 305.
27 in Krain lebenden Deutschen beheimatete. Hingegen verzeichneten die Städte der Untersteiermark wie Marburg, Cilli und Pettau im 19. Jahrhundert und bis ins Jahr 1910 hinein einen konstanten deutschsprachigen Prozentanteil von 70 bis 86 Prozent.103 Gründe für die Abnahme der deutschsprachigen Bevölkerung Ende des 19. Jahrhunderts in Krain und Laibach waren einerseits die sich verändernden politischen Machtverhältnisse in diesem Gebiet und andererseits auch fehlende Immigration aus den deutschsprachigen umliegenden Gebieten. Zusätzlich existierte der Umstand, dass in einem mehrheitlich slowenischsprachigen Umfeld die deutschsprachige Minorität Einbußen zu verzeichnen hatte. Laut Emil Brix wurde die These de „ ajo isie e de Wi ku g de U ga gssp ache und der Entwicklung in Richtung eines national homogenen Territoriums, selbst wenn es die deutsche Umgangssprache war, zu de e Laste de U olku gsp ozeß ollzoge u de ,104 bestätigt.
Abbildung 3: Stadtplan von Laibach 1902.
103 Peter Vodopivec, Die Presse der Deutschen in der Untersteiermark und in Krain (1861-1941), in: Deutschsprachige Öffentlichkeit und Presse in Mittelost- und Südosteuropa (1848-1948), hrsg. von Andrei Corbea-Hoișie/ Io Liha iu/ Ale a de ‘u el, Iași , “. -146, hier S. 138. 104 Emil Brix, Die zahlenmäßige Präsenz des Deutschtums in den südslawischen Kronländern Cisleithaniens 1848-1918, in: Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848-1918, hrsg. von Helmut Rumpler/ Arnold Suppan, Wien 1988, S. 43-62, hier S. 53f.
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Die alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen im Habsburgerreich lieferten aufschlussreiche Erkenntnisse über die Bevölkerungszahlen der Donaumonarchie. Im Jahr 1910 konnten 524 453 ansässige Personen im Kronland Krain gezählt werden.105 Dies waren nur an die 13 000 Einwohner mehr als zehn Jahre vorher, was einem prozentuellen Zuwachs von 3,5 Prozent entsprach. Allgemein stagnierte die prozentuelle Bevölkerungszunahme in Krain bzw. nahm leicht ab.106 Bei der Statistik der Wanderbewegungen konnte das Kronland Krain ebenfalls im Vergleich zu Tirol (+ 93 901 Personen) und der Bukowina (+ 69 903 Personen) nur einen Zuwachs von 17 845 Einwohnern aufweisen.107 Dies hing mit der starken Abwanderung aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in diesem Gebiet zusammen. Laibach als Hauptstadt der Krain stellte die größte Stadt des Gebietes dar und hatte mit 41727 Einwohnern in Laibach Stadt und 67 045 Einwohnern in Laibach Landbezirk sogar minimal mehr Bewohner als Bozen.108
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war bei den Bewohnern Krains eine prohabsburgische Linie erkennbar, was darauf schließen lässt, dass sich auch die slowenische Bevölkerung bis zu diesem Zeitpunkt mit der überregionalen österreichischen Monarchie identifizierte. Laut Peter Vodopivec stellte diese dynastische Verbundenheit allerdings nur eines von mehreren Zugehörigkeitsgefühlen der slowenischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert dar. Als weiteres definierte sich ein Großteil der Bevölkerung als national-slowenisch, dem eine regionale Identität wie Krainer oder Steirer folgte. Des Öfteren kam zusätzlich noch eine weltanschauliche Perspektive dazu, der sich eine Person zugehörig fühlte.109 Mitte des 19. Jahrhunderts stellte die deutsche Sprachgruppe zwar zahlenmäßig eine Minderheit dar, jedoch waren die höheren Schichten, dem der Adel und das Beamtentum sowie ein Großteil des Bürgertums und der Intelligenz angehörte, überwiegend deutschsprachig oder bilingual. Besonders in Sachen Kultur, Wirtschaft und Politik waren die Deutschen tonangebend und prägten v.a. in den Städten das Bild der Gesellschaft.110 Besonders die städtische Elite bevorzugte die deutsche Sprache und hegte ein reges kulturelles und gesellschaftliches Leben
105 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 39. 106 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 27. 107 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 29. 108 Ergebnisse, Österreichische Statistik, S. 41. 109 Žigo , Lo alität, “. . 110 Pleterski, Slowenen, S. 803.
29 in Form von u.a. Privatsalons, Konzerten, Veranstaltungen der Vereine und Theateraufführungen.111
Bereits mit der zwischenzeitlichen Einführung der Illyrischen Provinzen, bestehend aus einem Großteil der slowenischen Gebiete, durch Napoleon 1809 wurde bei einem kleinen Teil der Bevölkerung die Idee eines vereinten Sloweniens geweckt. Jedoch dauerte die Periode der Illyrischen Provinzen und die französische Herrschaft nur einige Jahre an, sodass sich diese Idee nicht weiter ausbreiten konnte. Allerdings erlebte die slowenische Sprache in diesen Jahren einen Aufschwung, das Selbstbewusstsein der Slowenen wurde gestärkt und beeinflusste somit in den späteren Jahren die Entstehung eines nationalen Denkens.112 Mit der Märzrevolution 1848 erwachte ein neues Nationalbewusstsein der Slowenen, das zu einer Differenzierung zwischen den beiden Sprachgruppen führte. Nach der Verabschiedung der Verfassung in der Habsburgermonarchie 1860 erfolgte in den slowenischen Gebieten eine politische Spaltung in zwei Lager: einerseits in eine national-klerikale Partei mit konservativen Wertvorstellungen, der sich vordergründig die slowenischsprachige Bevölkerung zugehörig fühlte und andererseits in eine verfassungstreue Partei, die die Interessen des deutschsprachigen Lagers vertrat und eine liberalere, antiklerikale Linie verfolgte. Innerhalb der Lager entstand ein breites Spektrum an Streuung der politischen Gesinnung.113 Die deutsche Partei in Krain negierte allerdings eine nationale Einteilung der Bevölkerung und unterstrich dies mit der Tatsache, dass auch slowenischsprachige Bürger Teil ihrer Partei a e . Als A lege de Pa tei e tsta d de politis he „Ve fassu gs e ei , de e Mitglieder großteils in Laibach angesiedelt waren. Besonders im Bildungs- und Besitzbürgertum und bei den Großgrundbesitzern fand dieser Verein regen Anklang. 114 Neben dem neu gegründeten Verein gab es bereits seit Jahrzehnten bestehende Gesellschaften (seit 18 „Kasi o-Gesells haft u d Ve ei e seit „Museal e ei fü K ai , die ei e
111 Peter Vodopivec, Von den Anfängen des nationalen Erwachens bis zum Beitritt in die Europäische Union, in: Slowenische Geschichte. Gesellschaft-Politik-Kultur, hrsg. von Pete Štih/ Vasko Simoniti/ Peter Vodopivec, Graz 2008, S. 218-518, hier S. 242. 112 Vodopivec, Anfängen, S. 231f. 113 Žigo , Ta ja, Deutschsprachige Presse in Slowenien (1707-1945). 2. Teil: Deutschsprachige Presse in Krain von 1860 bis 1945, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (Band 13/ 2005), hrsg. vom Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, München-Oldenburg 2005, S. 127-214, hier S. 130. 114 Peter Vodopivec, Die sozialen und wirtschaftlichen Ansichten des deutschen Bürgertums in Krain vom Ende der sechziger bis zum Beginn der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts, in: Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848-1918, hrsg. von Helmut Rumpler/ Arnold Suppan, Wien 1988, S. 85-119, hier S. 87ff.
30 zentrale Stellung im gesellschaftlichen Leben der bürgerlichen Schichten einnahmen.115 In den 1870er und 80er Jahren besaß die deutsche Partei auch einige Vorsitze und die Mehrheit in den verschiedensten Gremien, wie im Laibacher Stadtrat oder von 1877 bis 1883 im Krainer Landtag. Bei den Reichsratswahlen 1873 waren die Slowenen in zwei Parteien aufgespalten: die li e ale Ju gslo e e , die fü ei „Ve ei tes “lo e ie plädierten und die konservativen Altslowenen. Jedoch kam es noch im selben Jahrzehnt zur Wiedervereinigung einer gemeinsamen slowenischen Partei, da sie Druck vonseiten der deutschliberalen Regierung spürten.116 Die Vormachtstellung der Deutschen änderte sich mit dem Beginn der Ära Taaffe. Bedingt durch den Fall der deutschliberalen Regierung im Habsburgerreich kam es zum Abstieg der ebenfalls liberalen deutschen Partei in Krain. Hingegen gehörten die Slowenen dem föderalistischen Lager im Reichsrat an, das 1879 die Macht übernommen hatte. Die Slowenen konnten daher ihre nationalen Interessen besser einbringen und erwirkten beispielsweise die Anerkennung des Slowenischen als äußere Amtssprache, wobei Deutsch weiterhin die innere Amtssprache bleiben sollte, oder auch die Einführung des Slowenischen in der Schule.117 Durch die aufkeimende nationale Bewegung der Slowenen wurde ein Zusammenleben zwischen den zwei Sprachgruppen erschwert und die ehemalige dominante Stellung des Deutschen durch das zunehmend stärker werdende Nationalbewusstsein der Slowenen geschmälert.118 Trotz der absoluten Mehrheit der Slowenen in den verschiedenen politischen Gremien, wie dem Krainer Landtag, nahm das deutsche Bürgertum in Krain aufgrund seines Besitzes an Grund und Kapital in wirtschaftlichen Belangen eine führende Rolle ein.119 Obwohl es in gewissen Punkten teils eklatante Meinungsverschiedenheiten zwischen dem slowenischen und deutschen Lager gab, konnte in wichtigen Landesangelegenheiten, bzgl. einer freien, fortschrittlichen Ökonomie, der Modernisierung und Erneuerung der Bildungsanstalten sowie der Verbesserung der allgemeinen Ausbildung der Bevölkerung, ein Konsens gefunden werden. In den Jahren 1896 bis 1908 bildeten die slowenischen und deutschen Liberalen sogar eine gemeinsame Fraktion. Auch bei der Frage nach dem Ausbau und der Weiterentwicklung der Eisenindustrie sowie der Erweiterung des Eisenbahnnetzes waren sich beide Lager einig. Das Bürgertum plädierte für eine freie Entwicklung der Wirtschaft und stand für neue technische Konstruktionen ein. Auch
115 Suppan, Untersteiermark, S. 305. 116 Pleterksi, Slowenen, S. 809. 117 Pleterski, Slowenen, S. 810f. 118 Vodopivec, Ansichten, S. 87ff. 119 Suppan, Untersteiermark, S. 305.
31 in kulturellen Belangen verfolgten beide Lager oftmals dieselben Ziele, sodass im Landestheater Laibach Werke in beiden Sprachen aufgeführt wurden. Allerdings gab es natürlich auch großes Konfliktpotenzial zwischen den Lagern. Als Beispiel dafür galt die Schulfrage in Cilli. Im Schuljahr 1888/1889 wurden in der großteils deutschsprachigen Stadt Marburg vonseiten der Regierung Taaffe ohne Proteste der Bevölkerung slowenisch-deutsche Parallelklassen eingeführt. Diese Parallelklassen sollten anschließend auch in der deutschsprachigen Stadt Cilli in der Untersteiermark neu eingesetzt werden. Allerdings kam es in diesem Gebiet zu großem Widerstand und heftigen Protesten vonseiten der deutschen Bevölkerung gegenüber dem neuen schulischen Projekt. Dieser Streit weitete sich auf eine gesamtösterreichische Ebene aus, indem der Nationalitätenkonflikt klar ersichtlich wurde. Infolgedessen kam es auch zum Sturz der Regierung des Grafen Windischgrätz120 im Reichsrat.121
Die soziale Frage war eines der Hauptprobleme, mit dem sich die slowenischen und deutschen Parteien infolge der zunehmenden Industrialisierung der Region beschäftigte. Das Arbeiterelend konnte vonseiten der Politik nicht mehr geleugnet werden, daher wurde versucht, einen Kompromiss zwischen den Arbeitern und den Fabrikanten zu finden. Aufgrund seiner liberalen Grundsätze befürwortete das Bürgertum beider Sprachgruppen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie eine bessere Bildung der Arbeiterschicht. Allerdings wurde auch versucht, der sozialdemokratischen Bewegung keinen allzu großen Spielraum zu gewähren und somit die eigene Vormachtstellung einzubüßen.122 Des Weiteren gab es in den ländlichen Gebieten, wie im gesamten Habsburgerreich in den 1870er Jahren eine Krise der Landwirtschaft und eine hohe Verschuldung der Bauern. Dieses Problem konnten die politischen Parteien nur durch eine Modernisierung des Agrarwesens und durch die Einführung von Genossenschaften und Verbänden für die Bauern erreichen. Aufgrund der Krise im landwirtschaftlichen Sektor kam es auch zu einer großen Auswanderungsbewegung aus den Gebieten Krains und zu einer Landflucht.123 Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts und im beginnenden 20. Jahrhundert konnte allerdings eine Stabilisierung der Wirtschaft erreicht werden, indem sich die Industrie und das Gewerbe weiterentwickelten und neben
120 Alfred Fürst zu Windischgrätz (geb. 1851, Prag; gest. 1927, Tachau/Tschechoslowakei), Politiker, Ministerpräsident des Habsburgerreiches von 1893-1895. 121 Vodopivec, Anfängen, S. 283. 122 Vodopivec, Ansichten, S. 113ff. 123 Vodopivec, Anfängen, S. 274f.
32 der Landwirtschaft zu einem weiteren Wirtschaftsfaktor des Landes wurden. Durch den Wirtschaftsaufschwung wurden auch infrastrukturelle Verbesserungen vorgenommen, wie 1897 die Eröffnung des Elektrizitätswerks in Laibach oder im Allgemeinen der Ausbau des Eisenbahnnetzes (u.a. 1894 Strecke nach Gotschee).124
Ende des 19. Jahrhunderts entstanden wie in Gesamtösterreich auch in Krain moderne Parteien- und Vereinsstrukturen. Die christlich-soziale Bewegung konnte sich etablieren und e s hiede e O ga isatio e ie de „“lo e is h h istli h-soziale A eite e a d i s Leben rufen. Allerdings blieben die Christlichsozialen in Krain stets Teil des katholisch- konservativen Lagers.125 Das deutsche Lager in Krain vereinte zur Jahrhundertwende alle Deuts he , o Ko se ati e ü e Li e ale is hi zu Natio ale i de „Deuts he Pa tei . Dabei dienten ihnen vielfach die unterschiedlichen Vereine als Stütze, wie beispielsweise der Verfassungsverein, der Deutsche Turnverein, der Theaterverein oder die Philharmonische Gesellschaft, die alle ihren Hauptsitz in Laibach hatten. In den ehemals supranationalen Vereinen kam es infolge der nationalen Bestrebungen ebenfalls zu Streitereien innerhalb der Vereine.126 Die Wahlrechtsreform 1907 und die Demokratisierung des Landtages verhalfen der konservativen Partei in Krain zum Ausbau ihrer Macht, wohingegen die liberale Partei immer mehr an Bedeutung verlor. Als Partei des Volkes fand die sozialdemokratische Bewegung, der großteils Arbeiter der Industrie- und Bergbaustädte angehörten, Eingang in die Politik des Landes Krain.127
Wenngleich die statistischen Angaben dies nicht widerspiegeln, so nahmen bis Ende des 19. Jahrhunderts die deutsche Kultur und Sprache in Laibach eine bedeutende Rolle ein. Die deutschsprachigen Bewohner Laibachs gehörten großteils dem Bürgertum an und waren häufig Beamte, Kaufleute und Unternehmer oder übten einen freien Beruf aus. Besonders die großen Wirtschaftsunternehmen im Bergbau und in der Industrie sowie die bedeutenden Rohstoffe verarbeitenden Betriebe waren Eigentum von deutsch-österreichischen Unternehmern.128 Daher wurden in Laibach deutsche Vereine und Gesellschaften gegründet,
124 Vodopivec, Anfängen, S. 297ff. 125 Peter Vodopivec, Die Entwicklung des nationalen und politischen Organisationswesens in Krain, in: Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Vereine, Parteien und Interessensverbände als Träger der politischen Partizipation (Bd. 8, Teilband 1), hrsg. von Helmut Rumpler/ Peter Urbanitsch, Wien 2006, S. 503-540, hier S. 526f. 126 Vodopivec, Entwicklung, S. 536. 127 Vodopivec, Anfängen, S. 287. 128 Suppan, Untersteiermark, S. 305f.
33 die Beschilderung in der Öffentlichkeit erfolgte bis 1892 in deutscher Sprache und für die Oberschicht und das Bürgertum diente Deutsch als Hauptsprache.129 Besonders das Schulwesen als auch das Vereinswesen, wie der Theaterverein, der deutsche Sprachverein und der deutsche Turnverein, bereicherten die deutsche Kultur der Stadt in vielerlei Hinsicht.130 Zwar besaß die Stadt Laibach weiterhin nach außen ein deutsches Erscheinungsbild, allerdings nahm die slowenische Kultur durch slowenische Vereinsgründungen und gesellschaftliche Veranstaltungen eine wichtige Rolle ein. Das im Jahr 1892 erbaute Theater Laibachs war Teil der bürgerlichen Stadtkultur für beide Sprachgruppen, denn es fanden Aufführungen in beiden Sprachen statt.131 Bereits einige Jahre früher, im Jahr 1883, war das Landesmuseum o K ai u te de Na e „‘udolfi u e öff et o de u d u de als öffe tli he Institution großteils vom Bürgertum frequentiert. 1898 erfolgte die Gründung eines Archivs und einer Bibliothek durch die Stadt Laibach.132
Mit dem wachsenden Nationalbewusstsein der Slowenen und der Etablierung des Slowenischen, beginnend Mitte des 19. Jahrhunderts, veränderte sich auch der Status der deutschen Sprache zunehmend. Die slowenische Sprache fand Einzug in das Schulwesen und so wurde Ende des 19. Jahrhunderts in einem Großteil der Volksschulen in slowenischer Sprache unterrichtet. Die Gymnasien blieben allerdings vielfach in deutscher Hand.133Obwohl die Deutschen eine zahlenmäßige Minderheit im Kronland Krain waren, verfolgten sie weiterhin eine liberale, verfassungstreue Orientierung und lehnten eine nationale Etikettierung ab. Die Deutschen in Krain galten nicht als Verfechter der einzelnen Nationalbewegungen, damit kein deutsch-slowenischen Nationalitätenkonflikt entstehen sollte. Zusätzlich setzten sie sich für eigenständige und fortschrittliche Entwicklungen ein, wobei sie keine antikatholische Haltung einnahmen, jedoch für die Trennung von Kirche und Staat plädierten.134 Obgleich der nationale Konflikt in Krain und im übrigen slowenischsprachigen Gebiet aufkeimte, sah vor dem Ersten Weltkrieg eine große Mehrheit der Deutschen und ebenso der Slowenen ihre Zukunft weiterhin als Teil des Habsburgerreichs.135
129 Žigo , Lo alität, “. . 130 Suppan, Untersteiermark, S. 306. 131 Vodopivec, Anfängen, S. 263. 132 Pleterski, Slowenen, S. 822. 133 Vodopivec, Anfängen, S. 280. 134 Vodopivec, Presse, S. 138f. 135 Suppan, Untersteiermark, S. 342.
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3.4. Fazit
Mitte des 19. Jahrhunderts war die Politik in Krain, Tirol und in der Bukowina von zwei großen Lagern geprägt: dem konservativen, föderalistischen Lager und dem liberalen, zentralistischen Lager. In weiterer Folge kam es Ende des 19. Jahrhunderts jedoch in allen drei Regionen zur Ausbildung einer breit gefächerten Parteienlandschaft. Dies hatte mit der Politisierung der Öffentlichkeit zu tun, denn eine breitere Schicht der Bevölkerung pochte auf mehr Mitspracherecht. Durch die 1896 durchgeführte Badenische Wahlreform wurde eine 5. Allgemeine Wählerklasse eingeführt und 1907 kam es schlussendlich zur Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts. Trotz diverser Meinungsverschiedenheiten zwischen den Lagern und Parteien sowie in Krain und der Bukowina zwischen den Nationalitäten wurde stets das Erstarken der Region als überparteiliche und supranationale Idee verfolgt. Erst mit dem aufkommenden Nationalismus Ende des 19. Jahrhunderts geriet der Nationalitätenkonflikt – besonders in Krain – in den Fokus der Politik und der Bevölkerung. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage in den 1870er und 80er Jahren wurden v.a. in der Landwirtschaft Erneuerungen eingeführt. Außerdem wurde vonseiten der lokalen und gesamtösterreichischen Regierung das Bildungswesen gefördert, was besonders in Tirol und Krain zu politischen Diskussionen und Machtkämpfen um das Schulwesen führte. In Czernowitz wurde die Forderung nach Bildung mit der Gründung der Universität Czernowitz im Jahr 1875 belohnt. Um die Jahrhundertwende kam es wie im gesamtem Habsburgerreich auch in den drei Regionen zu einem kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung, der geprägt war von Urbanisierung und Modernisierung. Besonders in den Städten wurden infrastrukturelle Neuerungen geschaffen und das Verkehrsnetz und die Eisenbahnstrecken wurden ausgebaut. Die bürgerliche Kultur prägte das Bild der Städte, denn es wurden öffentliche Einrichtungen wie Theater, Museen und Parks errichtet, die hauptsächlich vom Bürgertum frequentiert wurden. Ihm gehörten u.a. Kaufleute, Großgrundbesitzer und Intellektuelle an. Hinzu kam noch die Gruppe der freien Berufe, z.B. Advokaten, Ärzte und Beamte. Interessanterweise fühlte sich in Czernowitz auch ein Teil des Adels dem liberalen Bürgertum zugehörig, da dieser in bürgerlichen Bereichen tätig war. Das Bürgertum verfolgte großteils liberale Ideen. In allen drei Regionen begründete das Bürgertum eine reiche Vereinskultur, die im Laufe des 19. Jahrhunderts auf eine breite Schicht der Bevölkerung ausgeweitet wurde. Darin ist eine Verbürgerlichung der Gesellschaft zu erkennen.
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4. Die deutschsprachige Presse in der Bukowina
Nicht ohne Begründung wurde die Hauptstadt der Bukowina auch Zeitungsstadt Czernowitz genannt. Die deutschsprachige Leser- und Zeitungsdichte in dieser Region war in den Jahrzehnten vor und nach der Jahrhundertwende eine der höchsten in der ganzen Habsburgermonarchie.136 Die Bandbreite aller in der Bukowina herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften reichte von Tageszeitungen, Wochen- und Monatsschriften sowie fachwissenschaftlichen Blättern bis hin zu spezifisch einmalig erscheinenden Zeitungen. Somit bestand damals schon eine ziemlich thematisch ausdifferenzierte Presselandschaft. In Summe wurden von den Anfängen Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1918 ungefähr zweihundert Zeitungen und Zeitschriften herausgegeben, wovon mehr als zwei Drittel in deutscher Sprache veröffentlicht wurden.137
Auch nach dem Ende des Habsburgerreiches und trotz der neuen rumänischen Herrschaft blieb in Czernowitz die deutschsprachige Kultur erhalten. Gefördert wurde diese besonders von jüdischen Intellektuellen, die der Tradition und der Kultur der Habsburgermonarchie nahestanden. Die Rumänisierung der Bukowina begann in den frühen 20er Jahren des 20. Jahrhunderts mit dem Einführen des Rumänischen als Unterrichtssprache, wobei der deutschen Sprache nur noch ein Minderheitenstatus zugesprochen wurde.138 Durch die Francisco-Josephina-Universität139, durch ein deutschsprachiges Theater als auch verschiedenste Vereine erhielt die deutsche Kultur allerdings ihre Daseinsberechtigung im Czernowitz nach 1918. Selbst die deutschsprachige Literatur konnte sich in diesem Zusammenspiel der Minderheiten etablieren und in Zeitungen und Zeitschriften sowie in Eigenverlagen weiterbestehen,140 da bis Ende der 1930er Jahre bestimmte wirtschaftliche Bereiche wie Handel und Industrie als auch kulturelle Bereiche wie Vereine, Verlage und Zeitungsunternehmen noch große Freiheiten besaßen.141 In den 1920er und 30er Jahren
136 Winkler, Identitäten, S. 43. 137 Winkler, Presse, S. 13f. 138 Guggenbauer, Rahmenbedingungen, S. 31. 139 Offiziell begann die Romanisierung der Universität am 20. Oktober 1920, jedoch wurde bereits Mitte des Jahres 1919 fortlaufend die deutsche Sprache durch die rumänische Sprache im Unterricht ersetzt. 140 Susanne Marten-Finnis/ Markus Winkler, Quelle und Diskurs: Czernowitzer Pressefeld 1918-1940. Ein Werkstattbericht des Arbeitskreises Czernowitzer Presse zur Digitalisierung von Czernowitzer Zeitungen 1918- 40, in: „…z is he de Oste u d de Weste Eu opas . Deuts hsp a hige P esse i Cze o itz is zu Zweiten Weltkrieg, hrsg. von Susanne Marten-Finnis/ Walter Schmitz, Dresden 2005, S. 49-64, hier S. 51f. 141 Guggenbauer, Rahmenbedingungen, S. 32.
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konnten wiederum ein Aufschwung und eine fortgeschrittene Professionalisierung im Pressewesen der Bukowina festgestellt werden, wobei die deutschsprachige Presse ein geringeres Gewicht im Vergleich zur Zeit der Habsburgermonarchie einnahm.142
Die Zeitungen und Zeitschriften erfüllten nicht nur die Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren, sondern dienten auch jungen Autoren und Autorinnen als Plattform zur Veröffentlichung ihrer Werke. Speziell in den kulturellen Rubriken, dem Feuilletonteil und den belletristischen Beilagen ließen die Herausgeber Platz für literarische Beiträge der jungen Generation sowie auch der arrivierteren Schriftsteller des Landes. Allerdings war die Bukowina eher bildungsbürgerlich, traditionell geprägt und so war sie für Künstler, die ihrer Zeit voraus waren, ein schwieriger Nährboden.143
4.1. Ein chronologischer Überblick
Trotz dieser multikulturellen Bevölkerungsstruktur war Deutsch aufgrund von sehr gut ausgebauten deutschsprachigen Schulen und Ausbildungsstätten sowie u.a. der 1875 neu geg ü dete U i e sität „Francisco-Josephi a die allgemeine Umgangssprache der gebildeten, städtischen Bevölkerung. Dies hatte zur Folge, dass ein Großteil der Zeitungen in deutscher Sprache verfasst werden konnte. Bis es jedoch zu dieser kulturellen Blüte in der Presselandschaft der Bukowina und besonders in Czernowitz kam, dauerte es einige Jahrzehnte, in denen das Zeitungswesen der Bukowina nur schleppend vorankam.144
Im Jahr 1803 wurde erstmals von dem Lehrer Johann Billewicz145 ein Antrag für die Genehmigung zur Veröffentlichung einer Zeitung in rumänischer Sprache gestellt. Dieser Vorschlag sowie ein weiteres Ansuchen wurden jedoch von der amtlichen Behörde abgelehnt.146 Auch ein zweiter Versuch, diesmal des Übersetzers Theodor Rakocza147, zur Herausgabe einer rumänischsprachigen Zeitung überlebte nur eine Ausgabe, die 1820 unter dem Titel Chresto ati ul ro ă es u erschien. Die zweihundert Seiten umfassende Zeitung
142 Winkler, Presse, S. 13. 143 Lihaciu, Czernowitz 1900, S. 52. 144 Osatschuk, Czernowitz, S. 171. 145 Johann Billewicz (k.A.), Lehrer in Suczawa. 146 Erich Prokopowitsch, Die Entwicklung des Pressewesens in der Bukowina, Wien 1962, hier S. 8f. 147 Theodor Rakocza (geb. 1782, Karapcziu; gest. 1820, k.A.), Übersetzer im Lemberger Gubernium.
37 enthielt belletristische Texte, die der Herausgeber eigentlich für seine geplante, jedoch nie erschienene Wochenzeitung gesammelt hatte.148 Aufgrund mangelnder Alternativen musste die gebildete Bevölkerung der Bukowina bis Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Informationen aus Zeitungen aus Galizien wie der Lemberger Zeitung oder den Lemberger Leseblättern beziehen. Außerdem lagen an öffentlichen Orten Zeitungen aus entfernteren Orten auf, die Beiträge über die Bukowina beinhalteten: beispielsweise die kaiserliche Wiener Zeitung, die Augsburger Allgemeine Zeitung und die Bohemia aus Prag.149 Nach dem Revolutionsjahr 1848 etablierte sich für zwei Jahre unter der Leitung der Brüder Alexander und Georg von Hormuzaki150 ein rumänischsprachiges Wochenblatt namens Bucovina (Rumänische Zeitung für Politik, Religion und Literatur) 151, in dem der komplette Nachrichtenteil in rumänischer und ebenfalls in deutscher Sprache veröffentlicht wurde. Einzig und allein der Literaturteil des Blattes wurde ausschließlich in Rumänisch gedruckt und mit keiner deutschen Übersetzung versehen. Im September 1850 musste die Publikation der Zeitung aus finanziellen Gründen jedoch eingestellt werden.152
Als Pionier des deutschsprachigen Pressewesens in der Bukowina gilt Ernst Rudolf Neubauer153. Der aus Mähren stammende Neubauer sammelte in seiner Zeit in Wien journalistische Erfahrung als Sekretär und kurzzeitig auch als Verleger der Wiener Zeitung. Als Unterstützer der Revolution 1848 übernahm er das Amt des Herausgebers der radikalen Zeitung Der freie Wiener.154 In der Bukowina übte Neubauer seinen Beruf als Lehrer und später auch Direktor verschiedener Gymnasien aus, wobei er nebenbei seiner Leidenschaft als Dichter und Schriftsteller nachging. Seine journalistische Tätigkeit führte er in Czernowitz fort, wo er am 6. Jänner 1862 erstmals die deutschsprachige Landes- und Amtszeitung Bukowina im Selbstverlag herausgab. Gedruckt wurde das neue Presseorgan wie damals üblich bei „Eckhardt . Die Bu hd u ke ei „Joha E kha dt & “oh a zu diese )eit die ei zige
148 Lihaciu, Czernowitz 1848-1918, S. 180. 149 Osatschuk, Czernowitz, S. 172. 150 Alexandru Ritter von Hormuzaki (geb. 1823, Czernawaka; gest. 1871, Neapel); Georghe Ritter von Hormuzaki (geb. 1817, Czernawaka; gest. 1882, Czernowitz). 151 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 10. 152 Lihaciu, Czernowitz 1848-1918, S. 182f. 153 Ernst Rudolf Vinzenz Neubauer (geb. 1822, Iglau; gest. 1890, Radautz), Schriftsteller, Gymnasiallehrer und Herausgeber der Zeitung Bukowina. 154 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 10f.
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Buchdruckerei in der Bukowina und war zuständig für sämtliche Druckarbeiten von weltlichen und geistlichen Behörden bis zu Todesanzeigen und privaten Angelegenheiten.155
Neben dem Hauptblatt, bestehend aus einem amtlichen Teil, in dem „die Erlässe der k. k. Bukowiner Landesregierung und der übrigen landesfürstlichen Behörden 156 veröffentlicht wurden, und einem nichtamtlichen Teil, der über die neuesten Geschehnisse der Bukowina und des gesamten Habsburgerreiches, der benachbarten Gebiete wie Moldau und Siebenbürgen, als auch über Ereignisse aus dem Ausland berichtete, verfügte die Bukowina über drei weitere Beiblätter: ein Amtsblatt, ein Intelligenzblatt und ein Illustriertes Sonntagsblatt. „Das A ts latt i d Ku d a hu ge von sämtlichen landesfürstlichen Behörden und Ämtern der Bukowina, dann von der Bukowiner Landes e t etu g […] e halte . 157 Das Intelligenzblatt beinhaltete Inserate von verschiedenen Vereinen, Handels- und Gewerbsleuten, Grundbesitzern und Privatpersonen sowie Ankündigungen zu diversen Veranstaltungen. Beide Beiblätter erschienen stets gemeinsam mit dem Hauptblatt, wohingegen das Illustrierte Sonntagsblatt als eigene Ausgabe gedruckt wurde. Später stellte diese Beilage u te de Titel „“o tags latt de Buko i a eine belletristische Zeitung dar, die Gegenwartsliteratur aus dem In- und Ausland, Buchrezensionen, aber auch Berichte über wissenschaftliche Entdeckungen zur Weiterbildung der Leserschaft veröffentlichte.158 Dieses literarische Beiblatt musste jedoch nach einigen Nummern eingestellt werden159 und fand fortan seinen Platz im Feuilletonteil des Hauptblattes, was Neubauer nicht abhielt, trotzdem jungen schriftstellerischen Talenten in seiner Zeitung einen Platz für deren Werke zu bieten. Der Redakteur und Herausgeber beschränkte sich dabei nicht nur auf deutschsprachige Autoren, sondern publizierte auch Übersetzungen u.a. aus dem Ukrainischen und dem Russischen.160
Die Bukowina wurde anfangs nur dreimal pro Woche, ab 1864 dann täglich herausgegeben und erschien dreispaltig und in Großformat. Aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln
155 Osatschuk, Czernowitz, S. 184. 156 Bukowina, 6. Jänner 1862, S. 1. 157 Bukowina, 6. Jänner 1862, S. 1. 158 Ştefă iţa-Mihaela Ungureanu, Literatur und Kunst in der Zeitung Bukowina (Czernowitz 1862-1868), in: Deutschsprachige Öffentlichkeit und Presse in Mittelost- und Südosteuropa (1848-1948), hrsg. von Andrei Corbea- Hoișie/ Ion Lihaciu/ Alexander Rubel, Iași 2008, S. 357-366, hier S. 358. 159 Über die genaue Anzahl der Ausgaben (zwischen 11 bis 13) wurde in der Literatur intensiv diskutiert. Die mittlerweile vorherrschende Meinung ist, dass es 13 Nummern des Sonntagsblattes der Bukowina gab. 160 Io Liha iu, )u de A fä ge des lite a is he P esse ese s i de Buko i a, i : „…z is he de Oste u d de Weste Eu opas . Deuts hsp a hige P esse i Cze o itz is zum Zweiten Weltkrieg, hrsg. von Susanne Marten-Finnis und Walter Schmitz, Dresden 2005, S. 13-28, hier S. 19.
39 musste Neubauer sein journalistisches Projekt aber Anfang Jänner 1868 aufgeben und die Veröffentlichung der Bukowina einstellen.161
Mit dem Ende der Landes- und Amtszeitung Bukowina nahm ein neues Presseorgan dessen Platz in der Presselandschaft der Bukowina ein: die Czernowitzer Zeitung. Als amtliche Zeitung verfolgte sie eine überparteiliche Meinung, vertrat die Anliegen der unterschiedlichen Volksgruppen und setzte sich als Organ der Regierung für einen pro-österreichischen Kurs ein.162 Erstmals erschien die Czernowitzer Zeitung am 6. Jänner 1868, einen Tag nachdem die letzte Nummer der Zeitung Bukowina gedruckt worden war.163 Von Beginn an wurde das Blatt sechsmal wöchentlich herausgegeben und konnte auch bis September 1914 ohne Unterbrechung immer erscheinen. Als Herausgeber und Chefredakteur war der k.k. Regierungsrat Anton Zachar164 über 30 Jahre (1878-1909) lang bei der Czernowitzer Zeitung tätig, für die er besonders für den kulturellen Teil auch selbst journalistische Beiträge verfasste, die bei der Leserschaft große Anerkennung fanden. Nach dessen Tod 1909 folgte ihm Anton Norst165 auf den Sessel des Herausgebers der Czernowitzer Zeitung. Während des Ersten Weltkrieges kam es in den Jahren 1914 bis 1917 dreimal zu einer russischen Besatzung und einer Wiedereroberung der Bukowina durch die österreichischen Truppen. Dies führte zu Schwierigkeiten im Pressewesen, sodass die Zeitung in diesen vier Jahren zeitweise nicht herausgegeben werden konnte. Aufgrund der Annexion der Bukowina durch Rumänien wurde der Druck der Czernowitzer Zeitung im November 1918 endgültig eingestellt.166
In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts erlebte das Zeitungswesen in der Bukowina und besonders in der Hauptstadt Czernowitz eine Hochkonjunktur. Bedingt durch den kulturellen Aufschwung sprossen verschiedenste fachwissenschaftliche Blätter sowie des Öfteren kurzlebige Wochen- und Monatszeitungen in die Höhe und bereicherten die Presselandschaft der Bukowina. Neben der Czernowitzer Zeitung etablierten sich zwei weitere Tageszeitungen, die über mehrere Jahrzehnte Bestand hatten: einerseits die Bukowinaer Rundschau und andererseits die Bukowinaer Nachrichten.167 Die Bukowinaer Rundschau
161 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 13. 162 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 13. 163 Lihaciu, Czernowitz 1848-1918, S. 197. 164 Anton Zachar (geb. 1838, Czernowitz; gest. 1909, Czernowitz), Jurist, Journalist und Förderer der Kultur in der Bukowina. 165 Anton Norst (geb. 1859, Sbarasch; gest. 1939, Wien), Schriftsteller, Sekretär der Czernowitzer Universität, Herausgeber der Czernowitzer Zeitung und der Zeitung Im Buchwald. 166 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 13. 167 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 32.
40 wurde 1882 von Hermann Czopp168 gegründet, der fortan auch mit Max Goldenberg169 als Herausgeber und Verleger agierte. Außerdem wurde die Bukowinaer Rundschau in der Buchdruckerei des Hermann Czopp gedruckt, die nach anfänglichen Schwierigkeiten zu einer Großdruckerei erweitert wurde und sich neben einigen kleineren Druckereien einen Namen in der Presselandschaft der Bukowina verschaffte.170 Als Redakteur stand Czopp von 1885 bis 1888 Adolf Wallstein171 beiseite, der im Jahr 1888 als Chefredakteur zur zweiten genannten Tageszeitung, den Bukowinaer Nachrichten, wechselte.172 Jene Zeitung, gegründet u.a. von Adolf Wallstein, Felix Freiherr von Fürth173, Leon Rosenzweig174, war erstmals am 31. Mai 1888 erschienen. Zu Beginn ihrer Herausgabe standen beide Blätter der in der Bukowina eine maßgebliche Rolle spielenden deutsch-liberalen Partei nahe und waren für eine bestimmte Zeit sogar deren offizielles Organ. Im Jahr 1897 kam es jedoch zu einer geistigen und politischen Entfremdung der Zeitungen. Die Bukowinaer Rundschau behielt ihren politischen Kurs bei und diente auch fortan als Sprachrohr der Deutsch-Liberalen, vor allem der liberalen Juden. Die Bukowinaer Nachrichten hingegen entwickelten sich in eine andere Richtung, wurden Presseorgan der deutsch-freiheitlichen Partei und verfolgten eine deutsch-nationale Landespolitik.175 Die Bukowinaer Nachrichten vertraten die Interessen eines pro- habsburgischen Bürgertums und versuchten daher, ein offenes Forum für die deutsche Kultur zu schaffen, indem u.a. historische Beiträge über die Region publiziert wurden.176 Durch den Anschluss der Zeitung an die deutsch-freiheitliche Partei und die damit verbundene Vertretung der christlich-deutschen Bevölkerung, verließen einige jüdische Mitarbeiter die Redaktion der Bukowinaer Nachrichten, u.a. auch Adolf Wallstein. Seit der Kursänderung des
168 Hermann Czopp (geb.1849, Lemberg; gest. 1906, Czernowitz) Druckereibesitzer, erster jüdischer Zeitungsverleger in der Bukowina und Herausgeber der Bukowinaer Rundschau. 169 Max Goldenberg (geb. 1844, Tarnopol; gest. 1912, Abbazia), Advokat, Czernowitzer Gemeinderat. 170 Markus Winkler, Herman Czopp, in: Digitale Topographie der multikulturellen Bukowina, hrsg. von Markus Winkler/ Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar, 2015-2017, [https://www.bukowina-portal.de/de/ct/75- Hermann-Czopp], eingesehen am 29.11.2018. 171 Adolf Wallstein (geb. 1849, Czernowitz; gest. 1926, Czernowitz), bedeutender Journalist, Herausgeber der Bukowinaer Nachrichten, Redakteur bei Bukowinaer Rundschau, Bukowinaer Volks-Zeitung und Czernowitzer Allgemeinen Zeitung. 172 E. Beck/ Á. Z. Bernád, Adolf Wallstein, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Band 15, hrsg. von Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2018, S. 468. 173 Felix Freiherr von Brewer, genannt von Fürth (geb. 1847, Czernowitz; gest. 1918, Czernowitz), Bürgermeister der Stadt Czernowitz (1907-1913). 174 Leon Rosenzweig (geb. 1840, Czernowitz; gest. 1914, Wien), jüdischer Schriftsteller, Pseudonym Leon Rode, Mitglied der Czernowitzer Handels- und Gewerbekammer. 175 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 32f. 176 Kurt Scharr, „Vo “ta dpu kt des Öste ei he s u d Histo ike s . Le e u d We k des Fe di a d )ieglaue von Blumenthal (1829- , i : Kultu e a de ‚Pe iphe ie Mitteleuropas (am Beispiel der Bukowina und Tirols, hrsg. von Andrei Corbea-Hoisie/ Sigurd Paul Scheichl, Iași 2015, S. 237-264, hier S. 254.
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Blattes e hielt es au h de U te titel „Deuts hes Tag latt .177 In den letzten Jahren des E s hei e s fu gie te de „Deuts he Volks u d i de Buko i a als He ausge e des Blattes.
Im ersten Jahr ihres Bestehens erschienen die Bukowinaer Nachrichten nur drei Mal wöchentlich, allerdings wurden sie ab dem 1. Jänner 1889 in eine Tageszeitung umgewandelt. Im November 1891 änderte sich auch der Name der Bukowinaer Nachrichten in den nahezu identischen Titel Bukowiner Nachrichten. Verantwortlich für Druck und Verlag war bis zum Schluss die Czernowitzer Buchdruckerei-Gesellschaft. Mit der Ausgabe des 30. August 1914 mussten die Bukowiner Nachrichten eingestellt werden.
Die Bukowinaer Rundschau erschien zu Beginn zweimal wöchentlich und ab September 1893 dann als tägliche Ausgabe. Zu den Mitarbeitern des Blattes gehörte einer der bekanntesten Journalisten der Bukowina, nämlich Jakob Huth178. Er schrieb später ebenfalls für das Czernowitzer Tagblatt, die Bukowiner Volkszeitung und die Bukowinaer Post.179 Über 25 Jahre dauerte die Erscheinungsperiode der Bukowinaer Rundschau, bis sie am 2. März 1907 ihr „letztes Blatt herausgab. Zum Abschied wurde von der Redaktion des Blattes ein Artikel verfasst, in dem der Verfasser die Geschichte der Zeitung Revue passieren ließ und stets auf den liberalen Charakter und eine kritische Linie der Bukowinaer Rundschau hinwies:
„… ei Vie teljah hu de t ehe s hte sie it sou e ä e “i he heit das öffe tli he Leben des Landes und seiner Hauptstadt; ein Vierteljahrhundert führte sie das Wort, wenn es galt, ein Unrecht zu bekämpfen und der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen – u d u i d sie s h eige , s h eige fü i e . 180
In der letzten Ausgabe der Bukowinaer Rundschau wird allerdings schon ein Nachfolgeblatt angegeben, das den politischen Kurs dieser Zeitung weiterführen sollte: „A e aus de alte Blättern wird ein Phö i e tsteige , it eue K aft u d eue “ h i ge . […] Die ‘u ds hau schweigt – u i d die ‚Buko i ae Volkszeitu g sp e he .181 Am 3. März 1907 erschien die erste Ausgabe der Bukowinaer Volks-Zeitung. Der Sitz der Redaktion des neugegründeten Blattes ist derselbe wie jener der Bukowinaer Rundschau: Gregorgasse Nr. 3, Czernowitz. Als alleiniger Herausgeber und Chefredakteur der neuen Zeitung gilt Adolf Wallstein, der nach der
177 Winkler, Identitäten, S. 52. 178 Jakob Huth (geb. 1856/1857, Austerlitz; gest. 1914, Czernowitz) jüdischer Reporter aus Lemberg. 179 Elias Weinstein, Juden im Pressewesen der Bukowina, in: Geschichte der Juden in der Bukowina, hrsg. von Hugo Gold, Tel-Aviv 1958, S. 127-128, hier S. 127. 180 Bukowinaer Rundschau, 2. März 1907, S. 1. 181 Bukowinaer Rundschau, 2. März 1907, S. 1
42 politischen Neuausrichtung der Bukowinaer Nachrichten seine Position als verantwortlicher Redakteur dort aufgab.182 Teil des Redaktionskomitees der Bukowinaer Volks-Zeitung war auch der im Pressewesen der Bukowina bekannte Journalist und Politiker Mayer Ebner183. Das neugegründete Blatt erschien im Verlag des Herman Czopp, fast genau für ein Jahr, ehe es ab dem 1. März 1908 eingestellt wurde. Anfangs sollte dieser Zustand nur vorübergehend sein, jedoch kam es nie zu einer Wiederaufnahme des Zeitungsbetriebes.
Neben jiddischen, rumänischen, ruthenischen und polnischen Printmedien wurden in Czernowitz im Jahr 1904 fünf deutschsprachige Tageszeitungen herausgegeben: die Bukowinaer Rundschau, die Bukowinaer Nachrichten, die Czernowitzer Zeitung, die Czernowitzer Allgemeine Zeitung, das Czernowitzer Tagblatt und zusätzlich gab es noch zwei Blätter, die drei Mal wöchentlich erschienen, die Bukowinaer Post und das Bukowiner Journal. Zudem zirkulierte eine große Anzahl an Wochen- und Monatsschriften, die als Fachperiodika eingestuft wurden.184
Die Zeitungen in der Peripherie der Habsburgermonarchie orientierten sich anfangs formal wie inhaltlich an der Wiener Presse, da ein Großteil der überregionalen und internationalen Meldungen direkt aus Wien bezogen wurde. Eine große Innovation und Modernisierung des Pressewesens stellte für die Czernowitzer Periodika die Telefonverbindung Wien-Czernowitz dar, denn dadurch konnten Meldungen in kürzester Zeit veröffentlicht und die Weitergabe von Informationen beschleunigt werden.185 Tageszeitungen zeichneten sich im Vergleich zu anderen Zeitungen durch Aktualität und Exklusivität aus, infolgedessen rückten Telegramme in den Fokus der Zeitungen, denn sie stellten das schnellstmögliche Kommunikationsmedium dar.186
Die Bukowinaer Post erschien erstmals am 14. November 1893 und fortan immer dienstags, donnerstags und sonntags bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Herausgeber und Chefredakteur des Blattes war Moritz Stekel,187 ein religiös assimilierter Jude. Die Bukowinaer Post bezeichnete sich selbst in der ersten Ausgabe als Landesorgan und verfolgte den Kurs,
182 Beck/ Bernád, Wallstein, S. 468. 183 Mayer Ebner (geb. 1872, Czernowitz; gest. 1955, Gi ʿataji Israel)), Politiker, Journalist, Mitgründer der ersten national-jüdischen Studentenorganisation Hasmonea, Präsident der zionistischen Landesorganisation der Bukowina. 184 Lihaciu, Czernowitz 1900, S. 36f. 185 Winkler, Identitäten, S. 56. 186 Winkler, Identitäten, S. 56. 187 Moritz Stekel (geb. 1860, Czernowitz; gest. 1932, Baden bei Wien), Kultusrat der Israelitischen Gemeinde.
43 zwischen den ethnischen Gruppen zu vermitteln und für die gleichen Rechte aller Nationalitäten einzustehen. Außerdem proklamierte sie o h „u pa teiis h z is he de Parteien zu stehen; gerecht gegen Freund und Feind; ein Schutzhort des Friedens, der Glei h e e htigu g, de Gesetz äßigkeit u d de Ei t a ht i de Buko i a zu sei . 188 Die Bukowinaer Post versuchte auch, die Aufgabe des Vermittlers einzunehmen, zwischen der Provinz und dem Zentrum der Habsburgermonarchie und somit einen kulturellen beidseitig profitierenden Austausch zu schaffen.189 Gleichzeitig war ihr ein Anliegen, die Kultur populär zu machen. In dem liberalen deutschsprachigen gebildeten Bürgertum fand sich die passende Leserschaft für dieses Blatt, das ebenfalls ein überprovinzielles kulturelles Bewusstsein förderte.190 In späteren Jahren legte die Bukowinaer Post ihre neutrale Stellung ab und unterstützte die Jüdische Volkspartei Benno Strauchers191 sowie dessen Verbündeten, den Ruthenenführer Nikolaj192 von Wassilko.193
Das Czernowitzer Tagblatt galt als Parallele der tschechischen Zeitung Prager Tagblatt. Es verfolgte einen aufgeklärten, liberalen Kurs und war Gegner der antisemitischen Haltung innerhalb des Bürgertums.194 Gegründet wurde das Czernowitzer Tagblatt von dem im Pressewesen der Bukowina allseits bekannten Philipp Menczel195, von Josef Horowitz196 und Leon König197. Schon nach einigen Monaten verließ Philipp Menczel das neue Blatt und an seiner Stelle trat Karl Klüger198 als Chefredakteur an die Spitze der Zeitung. Das Czernowitzer Tagblatt beschäftigte viele bekannte journalistische Mitarbeiter wie u.a. auch den weithin angesehenen Jakob Huth, der bereits für andere Zeitungen wie beispielsweise die Bukowiner
188 Bukowinaer Post, 14.November 1893, S. 1. 189 Cristina Spinei, Zur kulturellen und literarischen Landschaft der Bukowina im Spiegel der Bukowinaer Post, in: Zeitungsstadt Czernowitz. Studien zur Geschichte der deutschsprachigen Presse der Bukowina (1848–1940), hrsg. von Andrei Corbea-Hoisie/ Ion Lihaciu/ Markus Winkler, Kaiserslautern und Mehlingen 2014, S. 69-82, hier S. 71. 190 Spinei, Landschaft, S. 80f. 191 Benno Straucher (geb. 1854, Rohozna; gest. 1940, Czernowitz), Gründer der Jüdischen Nationalpartei, Mitglied des österreichischen Reichsrates. 192 Nikolaj/ Nikolaus von Wassilko (geb. 1868, Lukawetz; gest. 1924, Bad Reichenhall), Mitglied des Bukowiner Landtags und des Czernowitzer Gemeinderats. 193 Winkler, Identitäten, S. 53. 194 Lothar Höbelt, Das nationale Pressewesen, in: Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Die Presse als Faktor der politischen Mobilisierung (Bd. 8, Teilband 2), hrsg. von Helmut Rumpler/ Peter Urbanitsch, Wien 2006, S. 1819-1894, hier S. 1879. 195 Philipp Menczel (geb. 1872, Skala; gest. 1941, Newark), Jurist und Journalist in der Bukowina. 196 Josef Horowitz (k.A.), Kaufmann, Besitzer einer Papierhandlung. 197 Leon König (k.A.), Verleger, Besitzer einer Papierhandlung. 198 Karl Klüger (geb. 1875, Radautz; gest. 1943, Bukarest), Berufsjournalist in Czernowitz, Politiker, Mitglied der Studentenorganisatio „Has o ea .
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Rundschau tätig war oder auch Nathan Birnbaum199 sowie ebenfalls Hermann Menkes200, der einige Jahre die Theater- und Kunstrezensionen schrieb.201 Nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde das Blatt für einige Monate eingestellt. In den Jahren 1915 und 1916 konnte das Czernowitzer Tagblatt wieder einige Monate erscheinen, in weiterer Folge musste es jedoch erneut seinen Betrieb ruhen lassen. Ab Oktober 1917 wurde dann eine gemeinsame Kriegsausgabe mit der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung herausgegeben, beider Zusammenarbeit hielt bis Ende 1918 an. Auch nach dem Krieg erschien noch eine gemeinsame Zeitung unter dem Namen Gemeinsame Kriegsausgabe. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Czernowitzer Tagblatt unter der Leitung des Chefredakteurs Arnold Schwarz202, die jedoch als Nachfolgeblatt der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung gesehen wird und somit wird das Ende des Czernowitzer Tagblattes mit November 1918 datiert.
Während des Ersten Weltkrieges konnte aufgrund der russischen Besatzung ein Großteil der Zeitungen ihren normalen Pressebetrieb nicht aufrechterhalten und deshalb mussten einige Tages- und Wochenzeitungen ihre Tätigkeit für eine gewisse Zeit einstellen. So konnten nur die Czernowitzer Zeitung, das Czernowitzer Tagblatt und die Czernowitzer Allgemeine Zeitung (später zusammen als gemeinsame Kriegsausgabe) sowie die ukrainische Zeitung Narodnyi Holos herausgegeben werden.203
Neben der gemeinsamen Kriegsausgabe der beiden unabhängigen Tagblätter erschien ab dem 14. Mai 1918 eine weitere täglich herausgegebene Zeitung, das Czernowitzer Morgenblatt, das eine überparteiliche bürgerliche Stellung einnahm.204 Vordergründig vertrat das Czernowitzer Morgenblatt jedoch die Interessen der während der rumänischen Herrschaft unterdrückten Minderheiten. Der Vertrieb des Blattes beschränkte sich nicht nur auf Czernowitz und die Bukowina, sondern die Zeitung wurde bedingt durch die weitverstreuten Minderheiten in ganz Rumänien gelesen. So war das Czernowitzer Morgenblatt neben der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung eine der größten Tageszeitungen des Landes, mit einer
199 Nathan Birnbaum (geb. 1864, Wien; gest. 1937 Scheveningen/Niederlande), Vordenker der zionistischen Bewegung, Publizist, Politiker. 200 Hermann Menkes (geb. 1873, Lemberg; gest. 1931, Wien), Schriftsteller. 201 Weinstein, Juden, S. 127. 202 Arnold Schwarz (k.A.), Redakteur und Herausgeber der CAZ, gründete 1932 die Tageszeitung Der Tag. 203 Winkler, Identitäten, S. 56f. 204 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 34.
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Auflage von ca. 6 500 Exemplaren pro Tag.205 Als Gründer und Herausgeber des Blattes fungierten Julius Weber206 und Elias Weinstein207. Aufgrund der liberalen jüdischen Linie der Herausgeber und der kritischen Berichterstattung über das herrschende, rumänische Regime geriet das Blatt des Öfteren in Konflikt mit der Zensurbehörde. Aufgrund dessen musste das Czernowitzer Morgenblatt sein Erscheinen am 20. und 21. Dezember 1918 für zwei Tage einstellen, da es offen für die Pressefreiheit plädierte und somit die Regierungserklärung des rumänischen Politikers Iancu von Flondors208 kritisierte.209 Das Blatt überstand trotz einiger Zensurbeschränkungen jedoch die rumänische Herrschaft, nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen allerdings musste das Czernowitzer Morgenblatt seine Publikation beenden. So erschien die letzte Ausgabe am 28. Juni 1940.
Neben den unabhängigen neutralen Zeitungen, die die Aufgabe des Informierens ausübten, gab es nebenbei auch viele Blätter der verschiedenen Volksgruppen, die die Meinung einer bestimmten Partei unterstützten und somit als Instrument zur Verbreitung von Gedankengut dienten. Für die jüdische Bevölkerung waren dies u.a. das Wochenblatt Die Volkswehr, das Presseorgan der Jüdischen Nationalpartei. Das Blatt erschien von 1909 bis 1914 und wurde von Benno Straucher herausgegeben, der sich für die Integration der jüdischen Bevölkerung in die deutsch-österreichische Kultur einsetzte. Als Pendant dazu erschien von 1911 bis 1913 die Parteizeitung der zionistischen Fraktion Der Jüdische Volksrat unter der Leitung von Leon Kellner210, Mayer Ebner und Adolf Wallstein, deren Ansinnen ein selbstständiger Nationalstaat für Juden war. 211 Interessanterweise waren es genau die beiden, Straucher und Ebner, die einige Jahre später zusammen die Ostjüdische Zeitung redigierten. Das neu gegründete Blatt wurde erstmals am 14. April 1919 vom Jüdischen Nationalverein in Czernowitz herausgegeben und als Organ der jüdischen Nationalpartei bezeichnet.212 Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte
205 Ioana ‘ostoș, Julius Weber (1888-1942). Chefredakteur des Czernowitzer Morgenblattes, in: Presselandschaft in der Bukowina und den Nachbarregionen. Akteure – Inhalte – Ereignisse (1900-1945), hrsg. von Markus Winkler, München 2011, S. 97-104, hier S. 97. 206 Julius Weber (geb. 1888, Lemberg; gest. 1942, Brazlaw), jüdischer Journalist für das Czernowitzer Tagblatt, die Frankfurter Zeitung, Die Volkswehr; Gründer des Czernowitzer Morgenblattes; Referent für das Stadttheater in Czernowitz. 207 Elias Weinstein (geb. 1888, Sereth; gest. 1965, Frankfurt am Main), jüdischer Journalist und Gründer des Czernowitzer Morgenblattes. 208 Iancu von Flondor (geb. 1865, Storozynetz; gest. 1924, Czernowitz), rumänischer Politiker. 209 Winkler, Identitäten, S. 118f. 210 Leon Kellner (geb. 1859, Tarnow; gest. 1928, Wien), überzeugter Zionist, Universitätsprofessor für Anglistik. 211 Solomon, Sprache, S. 64. 212 D agoş Carasevici, Die Anfänge der Ostjüdischen Zeitung und die Frage der Minderheitensprachen in der Bukowina nach der Vereinigung mit Rumänien (1919-1922), in: Zeitungsstadt Czernowitz. Studien zur
46 ein Teil der Juden wieder nach Czernowitz zurück und diejenigen, die eine nationaljüdische oder zionistische Einstellung vertraten, fanden in der Ostjüdischen Zeitung ihr Parteiorgan. Deswegen kam es allerdings auch dazu, dass zu Beginn verschiedenste entgegengesetzte Positionen der Autoren innerhalb des Bukowiner Judentums aufeinanderprallten, so auch Straucher und Ebner. Diese Rivalität basierte auf den unterschiedlichen ideologischen Meinungen: Benno Straucher war jüdisch-national, hingegen Mayer Ebner überzeugter Zionist. Durch den Wechsel Strauchers zur national-liberalen Partei kam es zum Bruch zwischen den beiden Redakteuren. Infolgedessen wurde von Mayer Ebner der Name der Ostjüdischen Zeitung 1922 mit einem neuen Untertitel versehen, um diese Entzweiung nochmals zu unterstreichen. Fortan hieß sie Ostjüdische Zeitung. Organ für die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Bukowinaer Judenschaft.213 Das zionistische Blatt erschien anfänglich wöchentlich und nach einigen Jahren immer sonntags, mittwochs und freitags. Ebner, der als treibende Kraft hinter der Ostjüdischen Zeitung stand, verfolgte auch die Idee, die Zeitung auf Hebräisch und Jiddisch herauszugeben, was allerdings nicht realisiert wurde.214 Das zionistische Blatt konnte trotz finanzieller Probleme noch einige Jahre weiter existieren, bis Anfang 1938 sein Erscheinen aufgrund eines neuen Dekretes der rumänischen Regierung eingestellt werden musste.215
Es gab allerdings nicht nur Presseorgane für die jüdische Bevölkerung in der Bukowina. Der Bukowiner Bote repräsentierte die Vereinszeitung der christlichen Deutschen und erschien erstmals im Oktober 1897. Als Monatsschrift sollte er speziell die unteren Gesellschaftsschichten des deutschen Volkes wie Handwerker und Bauern informieren und zu einem nationalen Erwachen derselben führen. Als Chefredakteur des Blattes fungierte Theodor Gartner216, der ebenfalls Obmann des Vereines war.217 Aufgrund der prekären finanziellen Lage, die durch die kostenlose Zustellung an die Vereinsmitglieder und fehlenden
Geschichte der deutschsprachigen Presse der Bukowina (1848–1940), hrsg. von Andrei Corbea-Hoisie/ Ion Lihaciu/ Markus Winkler, Kaiserslautern und Mehlingen 2014, S. 157-164, hier S. 158. 213 Markus Winkler, Die Ostjüdische Zeitung – Zur Geschichte einer deutschsprachigen zionistischen Zeitung aus Czernowitz, in: „…z is he de Oste u d de Weste Eu opas . Deuts hsp a hige P esse i Cze o itz is zum Zweiten Weltkrieg, hrsg. von Susanne Marten-Finnis/ Walter Schmitz, Dresden 2005, S. 87-96, hier S. 88. 214 Winkler, Zeitung, S. 90. 215 Winkler, Zeitung, S. 96. 216 Theodor Gartner (geb. 1843, Wien; gest. 1928, Innsbruck), Romanist, Professor an der Universität Czernowitz und an der Universität Innsbruck. 217 Sergij Osatschuk, Bukowiner Bote – Die erste deutsche Vereinszeitung der Bukowina, in: Deutschsprachige Öffentlichkeit und Presse in Mittelost- und Südosteuropa (1848-1948), hrsg. von Andrei Corbea-Hoișie/ Io Liha iu/ Ale a de ‘u el, Iași , S. 367-378, hier S. 369f.
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Spenden der Leserschaft entstand, musste das Blatt 1904 sein Erscheinen einstellen. An seiner Stelle wurden die Mitteilungen des Vereins der christlichen Deutschen in den Bukowiner Nachrichten veröffentlicht. 1909 kam es zu einer Wiederaufnahme des Bukowiner Boten.218
Auch die sozialdemokratische Partei lancierte ein eigenes Parteiblatt mit dem Namen Volkspresse. Die Zeitung erschien erstmals im Jahr 1899 und von da an zweimal im Monat, bis sie 1903 in ein Wochenblatt umgewandelt wurde.219 1913 wurde die Zeitung in Vorwärts umbenannt und erschien ab 1919 als Tageszeitung. Bei diesem Projekt arbeiteten zu Beginn sozialdemokratische Mitglieder verschiedener Ethnien in der Landesorganisation zusammen, sodass deutsche, jüdische, polnische, rumänische und ukrainische Verfechter der Arbeiterbewegung das Blatt gemeinsam herausgaben. Als Chefredakteur der Volkspresse und später auch des Vorwärts wurde Jakob Pistiner220 ernannt. Pistiner war bereits in jungen Jahren Teil der jüdischen sozialdemokratischen Bewegung gewesen und so war sein Engagement für dieses Parteiorgan kaum verwunderlich. Das sozialdemokratische Blatt musste wie viele andere sein Erscheinen 1937 einstellen.221
Um die komplette Bandbreite der deutschsprachigen Presselandschaft der Bukowina aufzuzeigen, sollte auch ein kurzer Einblick in das jiddische und hebräische Zeitungswesen gewährt werden. In den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es verschiedene Bemühungen, eine jüdische periodische Druckschrift herauszugeben, die allerdings entweder schon an der Planung und Durchführung scheiterte oder nur für wenige Nummern veröffentlich wurde. Meist war die Intention, die Zeitung auf Deutsch zu schreiben und in hebräischen Lettern abzudrucken.222 Als erste hebräischsprachige Zeitung der Bukowina gilt die Allgemeine Israelitische Allianz, die im Jahr 1883 für einige Ausgaben erschien.223 Das erste etwas langlebigere Organ waren die Jüdischen Nachrichten, die von März 1901 bis Mai 1902 herausgegeben wurden. Als Eigentümer fungierte der in Czernowitz sehr bekannte Verleger und Druckereibesitzer Hermann Czopp und als Chefredakteur wurde der ebenfalls weithin angesehene Journalist Jakob Huth eingesetzt. Beide Persönlichkeiten waren zur
218 Osatschuk, Bote, S. 374f. 219 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 33. 220 Jakob Pistiner (geb. 1882, Fundu Moldovei; gest. 1930, Bukarest), Anwalt, Journalist und Politiker der jüdischen Sozialdemokratie (Arbeiterbund), Herausgeber der Zeitungen Volkspresse und Vorwärts. 221 Marten-Finnis/ Winkler, Quelle, S. 60f. 222 Mykola Kuschnir, Jiddisches und hebräisches Pressewesen in der Bukowina zur Zeit der Habsburgermonarchie, in: Die jüdische Presse im europäischen Kontext 1686-1990, hrsg. von Susanne Marten- Finnis/ Markus Winkler, Bremen 2006, S. 131-142, hier S. 137. 223 Solomon, Sprache, S. 57.
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Jahrhundertwende stark im Medienwesen der Bukowina vertreten und für mehrere Periodika zuständig.224 Als Beispiel für eine der wenigen jiddischsprachigen Zeitungen kann Di fraye yugnt genannt werden. Das Blatt erschien monatlich, beginnend im Dezember 1911 bis Juli 1914 und spiegelte die Interessen der jüdischen sozialdemokratischen Bevölkerung der Bukowina und Galiziens wider.225 Nach Ende des Ersten Weltkrieges erschienen noch weitere wenige jiddischsprachige Periodika wie zum Beispiel Frayhayt (1919-1924) oder Dos naye leben (1919-1926).226 In der Bukowina war es allerdings im Vergleich zu Galizien schwieriger, ein jiddisches und hebräisches Pressewesen zu etablieren, da die Bukowiner Juden schon als deutschsprachige Bürger emanzipiert waren und somit für eine eigens jüdische Emanzipationsbewegung schwer Fuß zu fassen war. Der Großteil der jüdischen Bevölkerung pflegte ein sehr assimiliertes und deutsch-akkulturiertes Leben und verwendete daher auch im Alltag die deutsche Sprache.227 Die Wahl der Sprache und Schrift war speziell bei der jüdischen Presse eine politische, kulturelle oder religiöse Aussage, denn beides spiegelte bereits eine gewisse Absicht der Herausgeber und Redakteure wider.
4.2. Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung
Am 29. Dezember 1903 wurde die erste Nummer der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung als kostenlose Probeausgabe aufgelegt. U te de Titel „U se Blatt erklärten die Herausgeber in einem kurzen editorischen Kommentar in der ersten Ausgabe, welche Aufgaben und el he ) e k diese eugeg ü dete Tageszeitu g e folgte, ä li h „richtig informieren, von allen wichtigen Vorkommnissen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens 228.
Außerdem wird klar formuliert, welches Publikum die „Cze o itze Allge ei e )eitu g ansprechen wollte:
„Das eue Blatt soll ei e allge ei e Zeitu g i este Si e des Wortes erde . Die ,Allgemeine Zeitung´ bietet sich keiner politischen Partei, wohl aber den Intellektuellen
224 Kuschnir, Pressewesen, S. 137. 225 Kuschnir, Pressewesen, S. 139. 226 Solomon, Sprache, S. 67. 227 Kuschnir, Pressewesen, S. 140f. 228 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 29. Dezember 1903, S. 1.
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und den fortschrittlichen Österreichern, den Gebildeten aller Volksstämme als Vertreteri ihrer Kulturi teresse a .“229
Es wird zudem betont, dass dieses Blatt eine neutrale Stellung gegenüber den Parteien einnehmen will und wie der programmatische Untertitel der Zeitung verrät, stellt die Czernowitzer Allgemeine Zeitung eine unabhängige Zeitung dar.230 So erhielten u.a. auch die unterschiedlichen Strömungen des Judentums die Möglichkeit, ihre Meinung in dem Blatt kundzutun wie z. B. Mayer Ebner (zionistisch), Benno Straucher (jüdisch-national) und Jakob Pistiner (jüdisch-sozialdemokratisch).231
Als Leserschaft des unabhängigen Tagblattes fungierte das deutschsprachige Bürgertum sowie auch ein Großteil der deutsch-akkulturierten jüdischen Bevölkerung.232 Die CAZ fand jedoch nicht nur Abnehmer in der Bukowina, auch in Bessarabien, im rumänischen Reich und in Ostgalizien wurde sie gelesen.233 Ins Leben gerufen wurde die Czernowitzer Allgemeine Zeitung von einem im Pressewesen sehr bekannten jüdischen Journalisten, Philipp Menczel und somit gehörte sie zu jenen deutschsprachigen Zeitungen der Monarchie, die von Juden gegründet und herausgegeben wurden.234 Menczel war bei seinen journalistischen Kollegen sehr geschätzt und arbeitete neben seiner Tätigkeit bei der Zeitung noch als Rechtsanwalt.235 Bereits einige Monate zuvor hatte er mit zwei weiteren Intellektuellen auch das Czernowitzer Tagblatt gegründet. Jene Zeitung verließ er jedoch rasch und widmete sich seinem neuen journalistischen Projekt, der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung.236
Seine ersten Erfahrungen im Pressewesen hatte Philipp Menczel bereits zu Studentenzeiten gesammelt, als er im Jahr 1894 mit Carl Schorr237 und Mayer Ebner die erste deutschsprachige „jüdis he )eitu g i de Buko i a, ä li h das zio istische Wochenblatt Jüdisches Echo
229 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 29. Dezember 1903, S. 1. 230 Lihaciu, Czernowitz 1848-1918, S. 205. 231 Marten-Finnis/ Winkler, Quelle, S. 57. 232 Marten-Finnis/ Winkler, Quelle, S. 58. 233 Marten-Finnis/ Winkler, Quelle, S. 58. 234 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 33. 235 Andrei Corbea-Hoisie, Politik, Öffentlichkeit und Geld in der kakanischen Provinz. Eine Affäre im Czernowitz des beginnenden 20. Jahrhunderts, in: „…z is he de Oste u d de Weste Eu opas . Deuts hsp a hige Presse in Czernowitz bis zum Zweiten Weltkrieg, hrsg. von Susanne Marten-Finnis und Walter Schmitz, Dresden 2005, S. 3-12, hier S.9. 236 Ma kus Wi kle , „Jedes Volk u d jede “ta d hat gege ä tig sei e Pu li istik. Ei Beit ag zu Ges hi hte der Czernowitzer deutsch-jüdischen und deutschsprachigen Presse, in: Die jüdische Presse. Forschungsmethoden – Erfahrungen – Ergebnisse, hrsg. von Susanne Marten-Finnis/ Markus Bauer unter Mitarbeit von Markus Winkler, Bremen 2007, S. 55-72, hier S. 62. 237 C(K)arl Schorr-Menczel (geb. 1850, Czernowitz ;gest. 1906, Czernowitz), Beamter, Vater von Philipp Menczel.
50 herausgab.238 Das Jüdische Echo und dessen Herausgeber unterstützten die Ideen des Zionismus und warben u.a. für Veranstaltungen zur Palästinakolonisation und für Hebräisch- Kurse. Philipp Menczel wandte sich später von der zionistischen Idee ab und erwähnte diese Tätigkeit i sei e iog aphis he We k „T üge is he Lösu ge . E le isse u d Bet a htu ge ei es Öste ei he s “tuttgart 1931) nicht.239 Francisca Solomon bezeichnet ih dahe als „,P oto-Zionisten´, der sich später klar zu den pro-habsburgischen Assi ilatio ste de ze 240 , die von einem Teil der jüdischen Bevölkerung des Reiches bereitwillig aufgenommen wurden, bekannte. Nach dem Einmarsch der russischen Besatzungskräfte wurden Menczel und weitere Persönlichkeiten im September 1914 gefangen genommen und nach Sibirien deportiert. 241 Seine Stellung in der Czernowitzer Gesellschaft als erfolgreicher Zeitungsunternehmer und Repräsentant des öffentlichen Lebens sowie als Herausgeber der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung, die sich im Vorfeld kritisch gegen das Russländische Reich geäußert hatte, waren wohl die Gründe für seine Festnahme. Mutmaßlich aufgrund eines Austauschgeschäftes zwischen den habsburgischen und den russischen Behörden erlangte Philipp Menczel im November 1915 seine Freiheit wieder. Als Verfechter der österreichischen Idee beschloss er, nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Untergang der Donaumonarchie seinen Lebensmittelpunkt nach Wien zu verlegen, wo er bis 1940 lebte. Durch den stärker werdenden Antisemitismus und den Beginn des Zweiten Weltkrieges emigrierte Philipp Menczel über die Schweiz in die USA, wo er im Oktober 1941 verstarb.242
Nach den Unruhen des Ersten Weltkrieges und der gemeinsamen Kriegsausgabe mit dem Czernowitzer Tagblatt musste die Redaktion der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung erstmals neu organisiert werden. Mendel Abraham243 trat anstelle Philipp Menczels als neuer Verleger und Herausgeber der Zeitung auf. Zum Chefredakteur stieg Arnold Schwarz auf, der bereits
238 Solomon, Sprache, S. 63. 239 Winkler, Volk, S. 57f. 240 Solomon, Sprache, S. 65. 241 Markus Winkler, Philipp Menczel, in: Digitale Topographie der multikulturellen Bukowina, hrsg. von Markus Winkler/ Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar, 2015-2017, [https://www.bukowina-portal.de/de/ct/132- Philipp-Menczel], eingesehen am 11.12.2018. 242 Markus Winkler, Der Erste Weltkrieg: Wahrnehmung und Deutung aus der Perspektive deutschsprachiger Juden aus der Bukowina, in: Jüdische Publizistik und Literatur im Zeichen des Ersten Weltkriegs, hrsg. von Petra Ernst/ Eleonore Lappin-Eppel, Innsbruck 2016, S. 51-74, hier S. 61f. 243 Mendel Abraham (k.A.), Verleger in Czernowitz.
51 seit einigen Jahren Teil der Redaktion gewesen war.244 Nach dem Tod Arnold Schwarz im Jahr 1936 leitete fortan Adolf Niederhoffer245 die CAZ als Chefredakteur.246
Die beiden im selben Jahr gegründeten Tageszeitungen Czernowitzer Allgemeine Zeitung und Czernowitzer Tagblatt veränderten das Pressewesen der Bukowina nachhaltig. Durch die Anwendung von neuen Drucktechniken wie der Rotationspresse konnten die Blätter kostengünstiger vervielfältigt werden. Dadurch waren sie erschwinglicher für die Leserschaft und aufgrund dessen konnte auch die Anzahl der Seiten sowie die Auflage erhöht werden. Beide Periodika erreichten zusammen die höchste Auflagenzahl aller Czernowitzer Zeitungen. Die Herausgeber waren infolgedessen nicht mehr ausschließlich von den politischen, administrativen und ökonomischen Autoritäten abhängig und konnten eine gewisse Unabhängigkeit ausleben, jedoch blieb ein geringer Einfluss stets vorhanden.247 Als weitere Folge des modernen Verständnisses von Öffentlichkeitsarbeit und als fortschrittliche Maßnahme engagierte Philipp Menczel für die Redaktion der CAZ u.a. Journalisten, die vorher in Wien tätig waren, wie Alois Munk248 und Emanuel249 Goldenberg.250 Sie dienen als Beispiel für diesen in vielen Bereichen der Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur stattfindenden doppelseitigen Austausch zwischen der Peripherie und dem Zentrum Wien. Diese Ambivalenz zwischen dem Streben nach Wien als Vorbild und dem Distanzieren von ebendieser Kulturtypologie lässt sich im Czernowitz des 19. Jahrhunderts gut erkennen.251 Mit dem Einstellen von Journalisten mit praktischer Erfahrung außerhalb der Bukowina setzte Philipp Menczel eine langjährige Gepflogenheit, die bereits von Ernst Rudolf Neubauer und Mayer Ebner begonnen worden war, fort. Durch diese Vorgänge erlebte das Pressewesen der Bukowina einen weiteren Modernisierungsschub.252 Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung war zusätzlich darauf bedacht, ein mündiges und partizipatives Lesepublikum zu vertreten. Denn in dem Blatt wurden die Rezipienten aufgefordert, eventuelle Anmerkungen oder
244 Weinstein, Juden, S. 127. 245 Adolf Niederhoffer (k.A.), Jurist. 246 Weinstein, Juden, S. 128. 247 Ion Lihaciu, Czernowitz 1900, S. 36. 248 Alois Munk (geb. 1876, Moravský Krumlov; gest. 1942 ?, k.A.), Journalist. 249 Emanuel Goldberg (k.A.), Journalist. 250 Weinstein, Juden, S. 127. 251 Cristina Spinei, Politik der Literaturförderung in der Bukowinaer Post als Zeugnis und Funktionalität eines kulturpolitischen Programms bis zum Geschichtsverhängnis, in: Medialisierung des Zerfalls der Doppelmonarchie in deutschsprachigen Regionalperiodika zwischen 1880 und 1914, hrsg. von Zoltán Szendi, Wien 2014, S. 151-166, hier S. 157. 252 Winkler, Identitäten, S. 49.
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Reklamationen dem Herausgeber weiterzuleiten und interessante Provinznachrichten der Redaktion zukommen zu lassen.253
Durch den erstmaligen Einmarsch der russischen Besatzungskräfte in die Bukowina im September 1914 kam es zur Einstellung der Pressetätigkeit der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung, die bis August 1917 andauerte. Ab diesem Zeitpunkt erschien eine gemeinsame Kriegsausgabe der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung und des Czernowitzer Tagblattes in Kleinformat, die den deutschsprachigen Bewohnern der Bukowina die neuesten Ereignisse und Entwicklungen des Krieges näherbrachte. 254 Nach dem Rückzug der russischen Armee im Dezember 1917 folgte eine nicht minder schwierige Zeit für das Pressewesen, da im ganzen Kronland Papiermangel herrschte. Zusätzlich wurden die Druckereien der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung und des Czernowitzer Tagblattes mitsamt den Geräten zerstört oder waren von den russischen Besatzern mitgenommen worden.255
Ab März 1920 konnte die Czernowitzer Allgemeine Zeitung wieder unter ihrem eigenen Namen erscheinen. Trotz der neuen rumänischen Regierung konnte die CAZ in der Zwischenkriegszeit relativ problemlos erscheinen und dem allgemeinen Boom des Pressewesens in den 1920er und 30er Jahren in der Bukowina folgend sogar zusätzlich noch eine Nachmittagsausgabe unter dem Titel Extrablatt der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung herausgeben.256 Auch nach dem Ende des Habsburgerreiches herrschte weiterhin das Pressegesetz von 1862, bis im Jahr 1923 ein neues Gesetz von der rumänischen Regierung erlassen wurde. In der Periode von 1918 bis 1923 konnten die Zeitungen demnach ziemlich unzensuriert veröffentlichen.257 Auch in weiterer Folge realisierten die rumänischen Behörden kein Pressegesetz im eigentlichen Sinne, daher galten verschiedene Regulierungen der Polizei und des Militärs. In der Verfassung von 1923 war Zensur nicht vorgesehen und Pressefreiheit sollte gewährt werden. Als Ausnahme galt die Verhängung des Belagerungszustandes, der de facto in Czernowitz eine große Zeitspanne einnahm, von 1918 bis 1928 und von 1933 bis 1937. Wäh e d des Belage u gszusta des hat die „)e su stelle […] das ‘e ht, das E s hei e von Publikationen, die für die öffentliche Ordnung und Staatssicherheit schädlich erscheinen,
253 Winkler, Presse, S. 19f. 254 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 34. 255 Winkler, Identitäten, S. 58. 256 Prokopowitsch, Entwicklung, S. 35. 257 Winkler, Identitäten, S. 100.
53 gä zli h ode teil eise zu u te d ü ke . 258 Zusätzlich erschienen im Laufe der Jahre weitere Gesetze und Verordnungen gegen die Minderheitenpresse, sodass es zu willkürlichen Eingriffen vonseiten der Polizei kam.259 Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung versuchte auch während der Zwischenkriegszeit und trotz Einschränkungen ihren Standard und die Qualität der Beiträge hoch zu halten und konnte mit einem großen Spektrum an Themen sowie mit ihrem interkulturellen Interesse überzeugen.260
Ende 1937 kam es unter der rechtsnationalistischen Regierung Rumäniens endgültig zu einer weitgehenden Einschränkung des bislang freien Pressewesens. Die Regierung beschloss, alle als linksgerichtet angesehenen sowie auch von Juden herausgegebenen Zeitungen ab dem 1. Januar 1938 einem Publikationsverbot zu unterstellen, darunter auch die Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nach heftiger Kritik und negativen Reaktionen aus dem Ausland wurde das Erscheinungsverbot nach zwei Monaten revidiert und die Czernowitzer Allgemeine Zeitung durfte weiterhin publizieren, allerdings unter Berücksichtigung strenger Vorgaben. Des Weiteren veranlassten die rumänischen Behörden, dass das Blatt in Allgemeine Zeitung. Unabhängiges Tagblatt umbenannt wurde.261 Doch nicht nur mit Zensur, sondern ebenfalls mit anderen Repressionsmethoden wurde politische und kulturelle Unterdrückung ausgeübt. So wurde dem Verlagsunternehmen Eminescu, das für die Czernowitzer Allgemeine Zeitung zuständig war, ohne konkrete Begründung der Mietvertrag für seine Lokalitäten gekündigt.262 Die diktatorische Regierung verschärfte ihren Rumänisierungskurs zusehends und in weiterer Folge mussten die deutschsprachigen Zeitungen teilweise ihre Artikel in rumänischer Sprache verfassen. Aufgrund dessen wurde die Czernowitzer Allgemeine Zeitung ab dem 26. März 1938 zweisprachig herausgegeben und stand unter strenger Zensur des autoritären Staates.263 Während der zweisprachigen Erscheinungsperiode des Blattes wurden Informationen rumänientreu, jedoch möglichst neutral geschildert, ohne die wahre Haltung der Redakteure preiszugeben. Die Mehrheit der Artikel wurde weiterhin auf Deutsch verfasst, wobei der Leitartikel allerdings meist auf Rumänisch mit einer deutschen Übersetzung auf der nächsten
258 Vorwärts, 1. Februar 1919, zit. nach Guggenbauer, Rahmenbedingungen, S. 34. 259 Guggenbauer, Rahmenbedingungen, S. 35. 260 Guggenbauer, Rahmenbedingungen, S. 38. 261 Iulia Zup, Gesetz und Zensur: die zweisprachige Erscheinungsperiode der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung. Ziarul pe tru toţi, in: Zeitungsstadt Czernowitz. Studien zur Geschichte der deutschsprachigen Presse der Bukowina (1848-1940), hrsg. v. Andrei Corbea-Hoisie/ Ion Lihaciu/ Markus Winkler, Kaiserslautern und Mehlingen 2014, S. 231-256, hier S. 236f. 262 Guggenbauer, Rahmenbedingungen, S. 46. 263 Zup, Gesetz, S. 238.
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Seite erschien. Mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen in die Nordbukowina am 28. Juni 1940 endete auch die über 30 Jahre dauernde Erscheinungsperiode der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung.264
5. Die deutschsprachige Zeitungslandschaft im historischen Südtirol
Wie allgemein im Habsburgerreich war die Entwicklung des Zeitungswesens von Vertretern der liberalen Idee ausgegangen. So prägten auch die Anfangsjahre des Pressewesens in Südtirol liberale Zeitungen, wie die Bozner Zeitung (Gründungsjahr 1842), der Pustertaler Bote (1850) und die Meraner Zeitung (1867) und zeigten, welchen Erfolg sie hatten. Die damaligen Verlage können keineswegs mit jenen nach der Jahrhundertwende verglichen werden, denn Mitte des 19. Jahrhunderts waren es meist Kleinbetriebe, die von einer Person als Chefredakteur, Herausgeber und Drucker in Personalunion geführt wurden. Häufig waren jene Personen auch Wegbereiter für weitere Entwicklungen und für die Verbreitung des Pressewesens im Laufe der Zeit zuständig, wie z.B. Johann Georg Mahl265, Gründer des Pustertaler Boten.266
Die liberale Presse hatte ihre Vormachtstellung auch im Bereich der Inserate inne, denn die Kaufleute in Südtirol hegten großteils freiheitliche Ideen und sympathisierten daher eher mit der liberal gesinnten Presse. Außerdem fanden die liberalen Blätter ihre Abnehmer im städtischen Bereich, die ein kaufkräftigeres Publikum darstellten als jenes auf dem Land. Deshalb war es für die katholischen Blätter zur Jahrhundertwende auch schwierig, neue Werbeaufträge für Inserate zu erhalten und sich somit finanziell unabhängiger zu machen.267 Als Redakteure waren bei der liberalen Presse häufig nicht nur lokale Mitarbeiter angestellt, sondern ebenfalls Redakteure aus unterschiedlichen Teilen des Habsburgerreiches, die angepasst an die Leser ein qualitativ hohes Niveau verfolgten. Verwendet wurde ein anspruchsvoller Sprachstil, der seine Abnehmer im gehobenen, städtischen Bereich fand,
264 Zup, Gesetz, S. 255. 265 Johann Georg Mahl (geb. 1823 Rattenberg; gest. 1901 Bruneck), Gründer des Pustertaler Boten, Bürgermeister der Stadt Bruneck (1881-1887), 266 Leo Hillebrand, Medienmacht & Volkstumspolitik. Michael Gamper und der Athesia-Verlag, Innsbruck 1996, S. 17. 267 ‘o e t Weiße stei e , Die Ges hi hte “üdti ols i “piegel des h istli hsoziale Blattes „De Ti ole - 1925, phil. Diss. Innsbruck 1979, hier S. 24.
55 jedoch jene der Mittel- und Unterschicht in der Stadt und auf dem Land nicht zu überzeugen wusste.268 Die katholischen Blätter beider Richtungen begannen mit einem intensiven Bewerben ihrer Zeitungen vor allem auf dem Land und bezogen dafür auch die Priester der einzelnen Städte und Dörfer mit ein. Was in Czernowitz die Kaffeehäuser als Treffpunkt der Bevölkerung darstellten, entsprachen in Südtirol die Wirtshäuser. Deshalb fokussierte sich die katholische Presse, dort ihre Zeitungen unter das Volk zu bringen. Mit der Gründung des Piusvereins, einer Organisation, die für die finanzielle und informative Versorgung der katholischen Presse zuständig war, erhielt die katholische Presse einen enormen Aufschwung, sodass sie bis zum Ersten Weltkrieg den liberalen Zeitungen ebenbürtig wurde.269 Von Vorteil war sicherlich auch, dass die katholische Presse auf dem Land viele freiwillige Mitarbeiter, wie Priester, besaß, die ehrenamtlich für den Lokalteil schrieben, wohingegen die liberalen Zeitungen stets bezahlte Korrespondenten beauftragen mussten.270 Mit einer einfachen Sprache, geringen Preisen und mit einem sehr ausgeprägten Lokalteil konnte die katholische Presse bald überzeugen und besonders auf dem Land eine große Abnehmerzahl finden. Der Rückgang der liberalen und parteilosen Presse hatte einerseits mit dem Erstarken der finanziell soliden katholischen Presse, besonders des Tiroler, zu tun, andererseits aber auch mit der privaten Finanzierung der liberalen und parteiunabhängigen Zeitungen, die während und nach dem Ersten Weltkrieg nur noch schwer gestemmt werden konnte. Zudem kam die Zersplitterung der ehemals liberalen Partei dazu, die die tägliche Arbeit der liberalen Presse verkomplizierte. Die Entwicklung des Pressewesens spiegelt auch den Werdegang der politischen Parteien wider und steht in engem Zusammenhang mit ihnen. Während die liberale Partei die Presse nur sehr gering nutzte und daher auch wenig unterstützte, erkannten die Katholisch-Konservativen und die Christlich-Sozialen deren Bedeutung für die Verbreitung ihrer Ideen. Infolgedessen wurde die Zeitung als Sprachrohr der Partei genutzt, sodass sich in Südtirol die Veränderung von einer unpolitischen Nachrichtenpresse zu einer Parteienpresse vollzog.271
Das Ende der Habsburgermonarchie und die Annexion Südtirols durch Italien stellte pressetechnisch einen markanten Einschnitt in der Medienlandschaft Südtirols dar. Den Zeitungen war es einige Monate erlaubt, nur lokale Tagesereignisse sowie amtliche
268 Hillebrand, Medienmacht, S. 18. 269 Weißensteiner, Geschichte, S. 26f. 270 Weißensteiner, Geschichte, S. 32. 271 Hillebrand, Medienmacht, S. 17f.
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Kundmachungen der italienischen Behörden zu veröffentlichen. Des Weiteren wurden die Blätter einer strengen Zensur unterzogen, sodass sie des Öfteren mit Schwärzungen und weißen Flecken erschienen. Erst ab September 1919 und der Unterzeichnung des Vertrages von Saint-Germain kam es zu einer Lockerung der Zensurmaßnahmen.272
Trotz der großen politischen Veränderungen in Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg konnte der Pressebetrieb relativ normal weitergeführt werden. Erst durch den Einfluss der Faschisten und deren Machtpolitik kam es wiederum zu Einschränkungen für das Pressewesen. Bereits 1923 wurden Vorschriften zur Kontrolle der Zeitungen lanciert und somit wurde den faschistischen Behörden erlaubt, Veröffentlichungen zu untersagen. Im Januar 1925 folgte dann der Erlass zur Vorzensur vonseiten der Regierung. Allerdings konnten sich in Südtirol noch ziemlich lange deutschsprachige Zeitungen halten, zwar des Öfteren geschwärzt oder mit weißen Lücken und kontrollierten Informationen. Erst nach dem vierten Attentat auf Benito Mussolini am 31. Oktober 1926 folgte dann die sofortige Einstellung jeglicher deutschsprachigen Zeitungen und somit das Ende für einen Großteil der Periodika. Wenige Ausnahmen wie das Tagblatt Dolomiten oder das Katholische Sonntagsblatt durften aufgrund ihrer religiösen Orientierung nach einer kurzen Unterbrechung weiterhin publizieren, ähnlich wie die von den Faschisten herausgegebene Alpenzeitung.273
5.1. Von den Anfängen bis zur Machtergreifung des Faschismus
In Innsbruck erschienen Anfang des 19. Jahrhunderts bereits einige wenige Zeitungen, die eine längere Publikationsdauer vorzuweisen hatten, wie u.a. die Innsbrucker Zeitung (gegründet 1807) und das Intelligenzblatt für den Innkreis (erstmalig erschienen 1812), beide im Verlag Wagner.274 Das erste langfristig herausgegebene Organ in Südtirol war Der Bote von Tirol, der am 2. Oktober 1813 erstmals veröffentlicht und in Brixen gedruckt wurde. Bereits nach einigen Ausgaben wurde der Name in Der Bote von Süd-Tyrol umbenannt und fortan wurde das Blatt viermal wöchentlich beim Buchdrucker Joseph Eberle275 in Bozen herausgegeben sowie
272 Johann Holzner, Die Auflösung des alten Kronlandes Tirol im Spiegel der Presse: Kommentare zum Ablauf der Ereignisse und Visionen, in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, Band 77, hrsg. von Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck 1997, S. 125-130, hier S. 125f. 273 Norbert Parschalk, Die Stadt Brixen 1926-1935, phil. Dipl. Innsbruck 1991, S. 47. 274 Josef Himmelreich, Geschichte der Deutsch-Tiroler Presse, Gelsenkirchen 1928, S. 7. 275 Joseph(f) Eberle (k.A; gest. 1845?, k.A.), Verleger und Buchhändler.
57 zwischenzeitlich für einige Monate auch in Trient. Allerdings war diese Namensänderung nur von kurzer Dauer, da ab Juli 1814 nach dem Ende der französisch-bayerischen Fremdherrschaft das Blatt wiederum unter dem Titel Der Bote von Tyrol erschien. Das neue Blatt galt sowohl als Nachfolgeblatt des Boten von Süd-Tyrol als auch als Substitut der Innsbrucker Zeitung. Die erste Seite zierte von nun an der Tiroler Adler und die Zeitung wurde im Wagnerverlag in Innsbruck gedruckt. In den folgenden Jahren stieg das Blatt zum kaiserlich- königlich privilegierten Bothen von Tirol auf und erweiterte seinen Leserhorizont, sodass sich die Zeitung ab 1820 k.k. privilegierter Bothe von und für Tirol und Vorarlberg nannte. Laut Hi el ei h als „ ei es A ts latt in den späteren Jahren bezeichnet, existierte Der Bote für Tirol für über 100 Jahre und musste erst mit Ende 1919 sein Erscheinen einstellen.276 In Nordtirol wird Der Bote für Tirol weiterhin als Amtsblatt bis in die Gegenwart herausgegeben.
Johann Winckler, der damalige Vize-Sekretär der k.k. Direktion für administrative Statistik, verfasste im Jahr 1875 ein Überblickswerk mit statistischem Charakter über die periodischen Zeitungen im Habsburgerreich, beginnend mit dem Jahr 1848277. Winckler erfasste dabei u.a. auch die Anzahl der periodischen Presse nach dem Erscheinungsort. Beim Blick auf die Städte in Südtirol fällt auf, dass es in Bozen von 1848 bis 1861 nur ein Periodikum gab, in den weiteren Jahren schwankte die Zahl zwischen zwei und vier Zeitungen. In Brixen erschien laut Winckler vor 1862 keine Zeitung und ab 1863 bis zum Ende dieser Studie 1873 eine einzige. Bei Meran ist ein ähnliches Muster wie bei Brixen zu erkennen, denn vor 1862 wurde keine periodische Zeitung herausgegeben und erst ab 1863 erschien mit einigen Unterbrechungen ein Blatt. In Bruneck hingegen gab es laut Winckler seit 1850 durchgehend nur eine einzige Zeitung.278
Jenes von Winckler genannte Periodikum für Bozen war das Bozner Wochenblatt, das später in Bozner Zeitung umbenannt wurde. Es erschien erstmals im Jänner 1842 und gilt daher als eine der ältesten Zeitungen Südtirols. Gedruckt wurde die Zeitung ebenfalls wie Der Bote für Süd-Tyrol in der Druckerei Eberles. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte änderte die Zeitung des Öfteren ihren Namen und wurde unter verschiedenen Bezeichnungen wie Südtirolische Zeitung, Bozner Zeitung und Constitutionelle Bozner Zeitung publiziert, bis sie schlussendlich
276 Himmelreich, Geschichte, S. 8f. 277 Das Blatt it de Titel „Die Pe iodis he P esse Oeste ei hs. Ei e histo is h-statistis he “tudie u de o der K.k. statistischen Zentral-Kommission herausgegeben. 278 Johann Winckler, Die periodische Presse Oestereichs. Eine historisch-statistische Studie, Wien 1875, S. 10-13 Dritter Theil.
58 ab 1. Juli 1895 den Titel Bozner Zeitung. Südtiroler Tagblatt erhielt.279 Das Blatt prägte das Pressewesen des 19. Jahrhunderts in Südtirol und verfolgte anfangs eine liberale Linie, tendierte ab der Jahrhundertwende dann zu einem deutschnational-liberalen Kurs.280 Eine ausführlichere Beschreibung der Bozner Zeitung erfolgt im Kapitel „Ei e klei e Ges hi hte de Bozner Zeitung .
Abbildung 4: Zeitungskopf, Pusterthaler Bote. Der in Bruneck situierte Pustertaler Bote (auch Pusterthaler Bothe) konnte ebenfalls eine sehr lange Erscheinungsdauer aufweisen. Die erste Ausgabe des politischen Lokalblattes mit liberalem Charakter erschien im Juli 1850, wobei die ersten beiden Nummern des Blattes nicht auffindbar sind und erst die dritte Ausgabe (11. September 1850) als Original im Tiroler Landesmuseum in Innsbruck vorhanden ist.281 Der Pustertaler Bote wurde zu Beginn zweimal wöchentlich und ab 1852 bis zum Ende einmal wöchentlich publiziert. Winckler beschreibt den Pustertaler Boten als „bellet istis hes Lo al otize latt 282 und seit der Namensänderung im Jahr 1864 in Bürger- u. Volkszeitung mit dem Untertitel Pusterthaler Bote dann als „politis hes Lo al latt .283 Ab 1872 erhielt das Blatt seinen ehemaligen Namen zurück und hieß fortan immer Pustertaler Bote. Mit der Namensänderung einhergehend wurde die Zeitung auch mit einer neuen Aufmachung versehen. So zierte für einige Jahre den Kopf des Blattes eine Grafik, die repräsentativ für all jene Themen steht, die in dem Pustertaler Boten behandelt werden.
279 Erwin Brunner, Die deutschsprachige Presse in Südtirol von 1918-1945, phil. Diss. Wien 1979, S. 93. 280 Brunner, Presse, S. 95. 281 Brunner, Presse, S. 98. 282 Winckler, Presse, S. 32 Dritter Theil. 283 Winckler, Presse, S. 95 Dritter Theil.
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Im Untertitel beschreibt sich das Blatt sel st als „O ga fü Volks i ts haft, U te haltu g, alpine und gesellschaftliche Interessen. Lokalblatt für die Bezirkshauptmannschafts-Gebiete Bruneck und Lienz 284.
Für Redaktion, Druck und Verlag war bis zu seinem Tod 1901 Johann Georg Mahl verantwortlich. Neben der in Bruneck ansässigen Druckerei etablierte Johann Georg Mahl im Jahr 1871 auch in Lienz eine eigene Druckerei. Damit schaffte er die Voraussetzung für die Herausgabe eines Periodikums in Osttirol, nämlich der Lienzer Zeitung. Nach Mahls Tod kümmerte sich sein Sohn Wilhelm Mahl285 um den Pustertaler Boten und schien fortan als verantwortlicher Redakteur auf.286 Der Pustertaler Bote hatte im Laufe seiner Erscheinungsdauer eine große Anzahl an Beiblättern, einige für einen längeren Zeitraum, andere nur für einige Male. Das wohl wichtigste und am längsten erscheinende war der (Christliche) Hausfreund, ein Unterhaltungsblatt mit belletristischen Texten. Das Illustrierte Sonntagsblatt, dessen Texte, wie der Titel bereits verrät, von Illustrationen unterstützt wurden, diente ebenfalls zur Unterhaltung. Wirtschaftliche und ökonomische Themen wurden in dem Beiblatt Handels-, Geschäfts-, Verkehrs- und Intelligenzblatt erläutert. Nach der Jahrhundertwende stiegen der Umfang der Zeitung sowie die Auflagenzahl stetig an und erreichten in den Jahren vor Kriegsausbruch sogar die 1000-Stück-Marke. Während des Ersten Weltkrieges geriet die Zeitung in große Schwierigkeiten. Da die Mitarbeiter der Redaktion zum Militärdienst einberufen wurden, musste das Blatt 1918 zwischenzeitlich für einige Monate seinen Betrieb einstellen und ab dem 30. August 1918 bis 5. September 1919 konnte kein Pustertaler Bote herausgegeben werden.287 In der letzten Ausgabe vor der zwischenzeitlichen Einstellung formulierte die Redaktion des Blattes diese Situation wie folgt:
„Na hde u se e letzte ü ig ge lie e e A eitsk äfte, welche zeitlich enthoben waren, nun abermals plötzlich zur Dienstleistung einberufen wurden, finden wir uns zu unserem Bedauern abermals gezwungen, die Herausgabe des ‚Pustertaler Bote , bis wir wieder Arbeitskräfte bekommen, vorübergehend einzustelle . 288
284 Pusterthaler Bote, 19. Jänner 1872, S. 1. 285 Wilhelm Mahl (geb. 1851, Bruneck; gest. 1936, Bruneck) seit 1901 Chefredakteur und Herausgeber des Pustertaler Boten. 286 Franz Volgger, Das Pressewesen Deutsch-Südtirols von 1900 bis 1914, phil. Diss. Innsbruck 1971, S. 271. 287 Brunner, Presse, S. 101. 288 Pustertaler Bote, 30. August, 1918, S. 1.
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Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges konnte die Zeitung wieder regelmäßig erscheinen, versuchte jedoch einen parteiunabhängigen, neutralen Stil beizubehalten, trotz liberal- deutschnationaler Einstellung, um als reines lokales Informationsblatt wahrgenommen zu werden und damit der faschistischen Zensur zu entgehen. Aufgrund der radikalen faschistischen Unterdrückungspolitik und des Verbotes von deutschsprachigen Zeitungen musste allerdings der Pustertaler Bote am 25. November 1927 sein Erscheinen einstellen. 1948 wurde ein zweiter Versuch gestartet, den Pustertaler Boten wieder zu etablieren, dies scheiterte jedoch nach knapp zwei Jahren.289
Neben der Bozner Zeitung und dem Pustertaler Boten konnte sich in einer weiteren Südtiroler Stadt eine liberale Zeitung etablieren: die Meraner Zeitung. Wochenblatt für Stadt und Land. Wie der Titel bereits verrät, wurde die Meraner Zeitung in Meran ins Leben gerufen und auch dort gedruckt. Dies war insofern möglich, da Jean Baptiste Stockhausen290, ein Publizist aus dem Rheinland, der bereits Erfahrung als Redakteur bei verschiedenen ausländischen und regionalen Zeitungen (u.a. der Bozner Zeitung) gesammelt hatte, im Jahre 1866 in Meran die erste Druckerei gründete. Um die Rentabilität der Druckerei zu gewährleisten, beschloss Stockhausen zusätzlich eine Zeitung herauszugeben. Somit erschien die erste Ausgabe der Meraner Zeitung am 1. Jänner 1867.291 Redigiert wurde das Blatt in den ersten Jahren vom Geistlichen Johann v. Mazza292 und es erschien zweimal wöchentlich mit einer monatlichen Beilage, dem Christlichen Feierabend. Die Blattlinie wurde ie folgt es h ie e : „Es hat […] kei e eige tli he Fa e. De Li e ale ist es zu pfäffis h u d de Pfaffe zu li e al. 293 Jean Baptiste Stockhausen musste aufgrund von gesundheitlichen und familiären Problemen seine Druckerei und den Verlag seiner Zeitung Ende der 1870er Jahre verkaufen und so übernahm Friedrich Wilhelm Ellmenreich294 im April 1879 den Betrieb und die Meraner Zeitung von Stockhausen.
F.W. Ellmenreich stammte aus Norddeutschland und kam über Wien nach Meran. In der Kurstadt erwarb er die leer stehende Buchhandlung S. Pötzelberger, einige Jahre später die Meraner Filiale der Buchhandlung Moser und ebenfalls, wie erwähnt, die Druckerei sowie den
289 Brunner, Presse, S. 102. 290 Jean Baptiste Stockhausen (k.A.), Publizist. 291 Volgger, Pressewesen, S. 247. 292 Johann v. Mazza (geb. 1818, Meran; gest. 1897, Untermais), Priester, Redakteur der Meraner Zeitung. 293 Meraner Zeitung, 19. Juni 1920, S. 1. 294 Friedrich Wilhelm Ellmenreich (geb. 1838, Schwerin; gest.1923, Meran), Verleger und Buchhändler in Bozen und Meran, Herausgeber der Meraner Zeitung.
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Verlag von J.B. Stockhausen und schloss all diese Betriebe zu einer Firma unter dem Namen „“. Pötzel e ge zusa e .295 In der ersten Ausgabe unter der Leitung von Ellmenreich, am 2. April 1879, i htete si h “to khause zu A s hied a sei e Lese : „Da ke d für das mir geschenkte Wohlwollen bitte dasselbe auch auf meinen Nachfolger gütigst übertragen zu olle . 296 Ellmenreich versprach in demselben Beitrag: „Die Te de z des Blattes lei t die bisherige, sein Streben jedoch wird auf noch größere Raschheit und Mannigfaltigkeit der Mittheilungen und Vermehrung der Mitarbeiter, namentlich in unserer Provinz, gerichtet sei . 297 Ellmenreich führte die dem Liberalismus zugewandte Meraner Zeitung zu einem der auflagenstärksten Blätter der Region, die oftmals zwischen einer dreimal wöchentlich und täglich variierenden Erscheinungsweise wechselte. Ihren Erfolg hatte die Zeitung auch der guten Auswahl an berühmten Redakteuren und Mitarbeitern zu verdanken. So arbeitete u.a. Anton Edlinger298, der die Universität in Wien besucht hatte und bekannt war für seine „ illa t ges h ie e e[ ] politis he[ ] A tikel deuts hf eisi ige Te de z 299, als Redakteur für die Meraner Zeitung. Ab 1896 übernahm F.W. Ellmenreichs Sohn, Albert Ellmenreich300, den Posten des Chefredakteurs und behielt ihn mit kurzen Intermezzos bis zum Ende der )eitu g. Du h die A s haffu g ei es T pog aphe ko te die Ell e ei h s he D u ke ei schneller und auflagenstärker publizieren und verschaffte sich dadurch einen Vorteil gegenüber anderen Druckereien und Verlagen. F.W. Ellmenreich erkannte früh das Potenzial Merans als Kurstadt und war deshalb stets ein Förderer des Tourismus.301 Während des Ersten Weltkrieges erschien die Meraner Zeitung als Tageszeitung, um dem Lesepublikum immer die neuesten Nachrichten zu liefern. Das Blatt überstand die Kriegszeit relativ problemlos und ab 1918 wurde die Zeitung wiederum nur mehr dreimal wöchentlich herausgegeben.302 Im Jahr 1920 zog sich F.W. Ellmenreich aus dem Geschäft zurück und die Söhne Albert und Oskar303 übernahmen die Firma. Im selben Jahr beschloss die deutschfreiheitliche Volkspartei Südtirols anstelle der Meraner Zeitung die Südtiroler Landeszeitung zu publizieren. Die Gebrüder Ellmenreich dienten aufgrund des Pressgesetzes nur der Form halber als den Behörden
295 Volgger, Pressewesen, S. 248. 296 Meraner Zeitung, 2. April 1879, S. 1. 297 Meraner Zeitung, 2. April 1879, S. 1. 298 Anton Edlinger (geb. 1854, Salzburg; gest. 1919, Innsbruck) Schriftsteller, Redakteur, Buchhändler in Meran und Innsbruck, Mitbegründer der Wiener Allgemeinen Zeitung. 299 Volgger, Pressewesen, S. 249. 300 Albert Ellmenreich (geb. 1870, Meran; gest. 1937, Meran), verantwortlicher Redakteur der Meraner Zeitung. 301 Volgger, Pressewesen, S. 250. 302 Volgger, Pressewesen, S. 253. 303 Oskar Ellmenreich (geb. 1874, Meran, gest. 1950, Meran) Redakteur der Meraner Zeitung.
62 gegenüber verantwortliche Redakteure und hatten de facto wenig Mitspracherecht. Die Zeitung konnte jedoch aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten nur einige Jahre überstehen und ab 1923 erschien wiederum die Meraner Zeitung unter der Leitung Albert Ellmenreichs. Sie verfolgte eine Politik der Verständigung mit den Italienern unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und deutsch-nationalen Interessen der Südtiroler. Deshalb konnte sich das Blatt lange Zeit vor den faschistischen Zensurmaßnahmen schützen. Mit dem 27. Februar 1926 musste schlussendlich auch das letzte noch bestehende deutschsprachige Periodikum in Südtirol seine Dienste einstellen. Von den faschistischen Behörden unter Druck gesetzt waren Albert und Oskar Ellmenreich fortan für die Publikation der deutschsprachigen faschistischen Alpenzeitung zuständig.304
Diese kurze Darstellung der Presselandschaft Südtirols Mitte des 19. Jahrhunderts zeigte, dass sie in den Klein- und Mittelstädten ihre Leser hatte und großteils liberal geprägt war. Diese Tatsache behagte den konservativen Kräften im Land keineswegs und speziell die Bozner Zeitung war ihnen mit ihrer liberalen und antiklerikalen Einstellung ein Dorn im Auge. Deshalb es hlosse „ho ha ht a e Mä e , el he es o de he a ause de “tu z elle des Liberalismus für das katholis he Volk a gte, it de Geda ke , de ‚Boz e )eitu g ei katholisches Blatt e tgege zustelle . 305 Die Idee reifte bereits Ende der 1850er Jahre heran, bis sie schlussendlich 1862 umgesetzt wurde und am 1. März die erste Ausgabe des Südtiroler Volksblattes in Bozen erscheinen konnte. Die neue Zeitung hatte jedoch einige Anfangsschwierigkeiten, u.a. mit dem Druck des Blattes, der in der kleinen Druckerei des Johann Wohlgemuth306, selbst Mitgründer der Zeitung, am Kornplatz in Bozen erfolgte. Die Druckerei war jedoch für solch eine Anforderung nicht passend eingerichtet und auch zu klein. Hinzu kam, dass Wohlgemuth bereits schwer erkrankt war und nach wenigen Ausgaben verstarb. In weiterer Folge übernahmen verschiedene Besitzer, die das neue Projekt der konservativen Zeitung mit finanziellem sowie rechtlichem Beistand unterstützten, die Druckerei Wohlgemuth, bis schlussendlich 1864 ein Konsortium gegründet wurde, sodass das Südtiroler Volksblatt stets ohne Unterbrechung weiter publiziert werden konnte. Teil des Konsortiums, das mittlerweile nur mehr das Südtiroler Volksblatt und nicht mehr die Druckerei innehatte, waren Geistliche, Kaufleute, aber auch konservative Abgeordnete verschiedenster
304 Brunner, Presse, S. 128f. 305 Tiroler Volksblatt, 2. Februar 1912, S. 1. 306 Johann Wohlgemuth (geb. k.A.; gest. 1862, Bozen), Druckereibesitzer und Mitbegründer des Südtiroler Volksblattes.
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Gremien. 307 Als verantwortlicher Redakteur fungierte von Beginn an für über dreißig Jahre der Priester Anton Oberkofler308. Dieser verfolgte eine sehr konservative, strenge Linie, geriet daher auch häufig mit dem Liberalismus und seinen Anhängern, speziell mit dem Bozner Bürgermeister Dr. Joseph Streiter und der Bozner Zeitung, aneinander und erhielt deswegen des Öfteren Gerichtsstrafen. Auch nach seinem Abtreten als Chefredakteur war er bis zu seinem Tod 1912 für die Zeitung tätig.309
Dieser andauernde Zwist zwischen dem Südtiroler Volksblatt und der Bozner Zeitung spiegelte auch die politische Situation des 19. Jahrhunderts wider, nämlich den Kulturkampf zwischen Liberalen und Konservativen. Das Volksblatt stand für die konservative bäuerliche Landbevölkerung, die eine große Mehrheit darstellte, hingegen war die Bozner Zeitung Verfechterin der liberalen Ideologie, die ihre Anhänger im städtischen Bereich hatte. Um die konservativen Kräfte des Landes südlich und nördlich des Brenners zu bündeln, beschloss Oberkofler, eine Kooperation mit der ebenfalls katholisch-konservativen Zeitung, den Tiroler Stimmen, in Innsbruck einzugehen. Das Innsbrucker Blatt sollte weiterhin als Tageszeitung erscheinen und das Volksblatt erhielt die Aufgabe, die Berichterstattung des täglichen Periodikums in einem Wochenblatt zusammenzufassen. Beide änderten daraufhin ab September 1868 ihren Namen und so wurden fortan das Tiroler Volksblatt und die Neuen Tiroler Stimmen, beide mit dem Untertitel Für Gott, Kaiser und Vaterland, in Nord- und Südtirol herausgegeben.310 Dieses Bündnis hielt jedoch nur einige Jahre an, da sich die beiden Zeitungen in parteipolitischer Hinsicht in unterschiedliche Richtungen entwickelten. Die Neuen Tiroler Stimmen pflegten einen milderen Kurs, das Tiroler Volksblatt hingegen vertrat den schärferen Standpunkt, was zu Meinungsverschiedenheiten und Diskrepanzen mit den Abgeordneten der eigenen Partei führte. Besonders der im Reichsrat tätige Bozner Jurist Franz von Zallinger311 veröffentlichte des Öfteren seine politischen Ansichten im Tiroler Volksblatt und sorgte damit für Aufsehen.312
307 Bernhard Orgler, Das Tiroler Volksblatt (1862-1900). Die Geschichte einer katholisch-konservativen Wochenzeitung. Mit einem Vergleich zum Nordböhmischen Volksblatt, phil. Dipl. Innsbruck 2015, S. 23-27. 308 Anton Oberkofler (geb. 1828, Jenesien; 1912, Bozen) langjähriger Chefredakteur des Südtiroler/ Tiroler Volksblattes. 309 Orgler, Volksblatt, S. 31-36. 310 Orgler, Volksblatt, S. 49f. 311 Franz von Zallinger (geb. 1842, Bozen; gest. 1907, Bozen), konservativer Reichsratsabgeordneter. 312 Orgler, Volksblatt, S. 58.
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Durch den Aufschwung des Pressewesens und das damit verbundene Wachsen der Betriebe handelte es sich bei Zeitungen nicht mehr nur um rein tagesaktuelle Informationsmedien, sondern sie entwickelten sich zu eigenständigen lokalen Wirtschaftsunternehmen, häufig mit angeschlossener Verlagsanstalt oder Buchhandlung. Besonders durch den großen Inseratenteil, für den Inserenten klarerweise bezahlen mussten, erfolgte ein ökonomischer Aufschwung.313 Durch diese erleichterte Finanzierung und die Anschaffung von neuen modernen Maschinen zur Vervielfältigung der Zeitungen sowie den Ausbau des Nachrichtenwesens erlebte das Pressewesen eine weitere Aufwärtsentwicklung. Zudem stieg die Zahl der Abonnenten stetig an, da durch die Verpolitisierung die Menschen eine kaufbereitere Einstellung zu Gunsten der Zeitung einer Partei entwickelten.314
Nach dem Aufkommen der Massenparteien und der Zersplitterung der Konservativen nahm das Tiroler Volksblatt anfangs keine eindeutige Position ein. Zwar sprach das Blatt im Namen der neuen im Jahr 1895 gegründeten Katholischen Volkspartei, war jedoch auch den Christlich-Sozialen sehr gewogen.315 Dies hängt damit zusammen, dass die Anhänger der ehemals schärferen Tonart in Tirol den Wiener Christlich-Sozialen nahestanden und ähnliche wirtschaftliche und soziale Ziele verfolgten. Nach der Jahrhundertwende fokussierte sich der Tiroler Volksbote wiederum auf den katholisch-konservativen Charakter des Blattes und nahm immer mehr Abstand zu der christlich-sozialen Partei. Verfechter dieser Kursänderung waren der Trientner Fürstbischof Eugen Valussi316 sowie der Hauptbesitzer des Blattes und Propst von Bozen Josef Wieser317. Als Gegenredaktion gründeten die Christlich-Sozialen 1900 selbst eine Zeitung: Der Tiroler.318 Die weiteren Jahre waren geprägt vom Konflikt der beiden katholischen Parteien und deren Sprachrohre. Mit der Niederlage der Konservativen Partei verlor auch der Tiroler Volksbote an Bedeutung.319 Das Blatt hatte mittlerweile seinen Zenit überschritten und konnte mit seinem sehr konservativen Stil nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr beim Lesepublikum punkten.320
313 Markus Winkler, Jüdische Identitäten im kommunikativen Raum. Presse, Sprache und Theater in Czernowitz bis 1923, Bremen 2007, S. 55. 314 Weißensteiner, Geschichte, S. 34. 315 Orgler, Volksblatt, S. 75. 316 Eugen Valussi (geb. 1837, Friaul, gest. 1903, Trient), Fürstbischof, Landtagsabgeordneter. 317 Josef(ph) Wieser (geb. 1828, Völlan; gest. 1899, Bozen), Probst von Bozen, Politiker im Österreichischen Abgeorndetenhaus. 318 Volgger, Pressewesen, S. 173f. 319 Volgger, Pressewesen, S. 179f. 320 Brunner, Presse, S. 117f.
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Ein letztes Aufbäumen erfolgte im Jahr 1923 durch die Umbenennung in Volksblatt und die Zusammenlegung des Burggräfler und des Volksblattes. Der Burggräfler wurde 1883 in Meran von dem Dekan Sebastian Glatz321 gegründet und hatte dieselbe Intention wie jene des Volksblattes, nämlich ein konservatives Konkurrenzblatt zur liberalen Meraner Zeitung zu schaffen, um das katholische Bürgertum in Meran und die in den umliegenden Dörfern lebende Landbevölkerung mit Informationen und Meinungen zu versorgen. Der Burggräfler verfolgte zwar stets einen konservativen Kurs, agierte jedoch in dem parteipolitischen Bruderstreit relativ zurückhaltend, sympathisierte allerdings weniger mit den Christlich- Sozialen.322 Vor dem Ersten Weltkrieg zählte das Blatt zu den auflagenstärksten konservativen Periodika in Tirol. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet die sehr konservative Zeitung in finanzielle Schwierigkeiten und musste daher mit dem Tiroler Volksblatt fusionieren. Zwar erschien Der Burggräfler kurz vor seiner Einstellung nochmals als eigenständiges Blatt, die faschistischen Unterdrückungsmaßnahmen zeigten jedoch Wirkung und die letzte Ausgabe wurde im Oktober 1926 herausgebracht.323 Das Volksblatt erlitt dasselbe Schicksal wie Der Burggräfler und musste seine Arbeit zeitgleich einstellen.324
Die bereits erwähnten Blätter spiegelten zwar bestimmte politische Strömungen wider, galten aber nicht explizit als Printmedien der einzelnen Parteien. Hingegen die Brixener Chronik kann als eines der ersten Beispiele für Parteipresse in Südtirol genannt werden. Sie wurde im Jahr 1888 erstmals herausgegeben und diente als politisches Lokalblatt des konservativen Lagers. Als verantwortlicher Kopf leitete Dr. Aemilian Schöpfer die Geschicke der Zeitung.325 Zu seinem Redaktionsstab zählten großteils seine Kollegen, Theologieprofessoren des Priesterseminars in Brixen. So zeichnete Ignaz Mitterer326, seinerseits Domchordirektor, als Herausgeber und verantwortlicher Redakteur für die erste Ausgabe des neuen Blattes.327 Die erste Nummer erschien am 28. April 1888 mit dem Untertitel Ein konservatives Wochenblatt, womit einerseits bereits die Blattlinie sowie die Erscheinungsweise verdeutlicht wurde.
321 Sebastian Glatz (geb. 1837, Lana; gest. 1909, Innsbruck), Dekan von Meran 1880-1895, Landtagsabgeordneter. 322 Volgger, Pressewesen, S. 187ff. 323 Brunner, Presse, S. 138f. 324 Brunner, Presse, S. 119. 325 Norbert Parschalk, Die Stadt Brixen 1918-1939. Eine Stadtgeschichte auf der Basis der lokalen Presse und der Gemeindeakten, phil. Diss. Innsbruck 1993, S. 14f. 326 Ignaz Mitterer (geb. 1850, St. Justina/ Osttirol; gest. 1924, Brixen), Domkapellmeister und Komponist. 327 Volgger, Pressewesen, S. 196.
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Gedruckt wurde die Brixener Chronik zu Beginn i de Wege s he Hof u hd u ke ei i Brixen.
Die Geschichte der Brixener Chronik und dessen Vorstandes Aemilian Schöpfer ist eng verbunden mit der Geschichte des Katholisch-politischen Pressvereins. In den Anfangsjahren der neu gegründeten Zeitung erreichte das Blatt eine Auflagenzahl von 800 Stück, schlitterte dadurch jedoch auch in ein finanzielles Defizit. Um die Kosten des Drucks einzusparen, wurde im Jahr 1890 eine eigene Druckerei in der Nähe Brixens errichtet. Finanziert wurde dies durch die Gründung des Katholisch-politischen Pressvereins 1889 von Aemilian Schöpfer und die damit verbundene Möglichkeit, Kapital durch Schuldscheine an Gläubiger zu beschaffen. Die Druckerei erwirtschaftete in weiterer Folge Gewinne, sodass die Brixener Chronik zu einem größeren Format wechseln konnte.328
Anfangs verfolgten das Tiroler Volksblatt und die Brixener Chronik ein sehr ähnliches Ziel, da beide als Verfechter der ehemals schärferen Tonart und der neu gegründeten Katholischen Volkspartei galten, sodass sie einige Male sogar denselben Text über politisch relevante Themen veröffentlichten.329 Während das Tiroler Volksblatt in weiterer Folge eher wieder den konservativen Weg einschlug, etablierte sich die Brixener Chronik um die Jahrhundertwende allerdings unter Aemilian Schöpfer immer mehr als Sprachrohr der christlich-sozialen Partei. Besonders die sozialreformerischen Ideen Schöpfers wurden häufig in Beiträgen oder sogar in Leitartikeln veröffentlicht. Neben Aemilian Schöpfer waren auch Sigismund Waitz330 als verantwortlicher Redakteur und Sebastian Rieger331 Teil der Redaktion der Brixener Chronik. Mit einer einfachen, ungekünstelten Sprache vermochten die Redakteure auch bei der Bevölkerung auf dem Land Abnehmer für ihre Zeitung zu finden.332
Der Katholisch-politische Pressverein wurde durch den Aufschwung der Christlichsozialen und deren Sprachrohr, der Brixener Chronik, zu einer wichtigen christlich-sozialen Presseorganisation. Zur bereits vorhandenen Druckerei in Brixen wurde zusätzlich die Druckerei des Josef Ferrari in Bozen erworben. Im Jahr 1900 wurde mit dem Tiroler der Brixener Chronik ein zweites christlich-soziales Blatt zur Seite gestellt, dessen Mitbegründer
328 Volgger, Pressewesen, S. 109f. 329 Orgler, Volksblatt, S. 77. 330 Sigismund Waitz (geb. 1864, Brixen; gest. 1941, Salzburg), Unterstützer der christlich-sozialen Bewegung, Priester und später Erzbischof von Salzburg. 331 Sebastian Rieger (geb. 1867 St. Veit in Defereggen; gest. 1953, Hall), Dichtername: Reimmichl, Schriftsteller, Priester. 332 Volgger, Pressewesen, S. 198f.
67 ebenfalls Aemilian Schöpfer war. Für die neue Zeitung wurde ein eigenes Konsortium mit dem Titel „T olia geg ü det. So gab es Anfang des 20. Jahrhunderts zwei christlich-soziale Pressvereine, die jedoch eng kooperierten und sich gegenseitig materiell unterstützten und schlussendlich 1907 fusionierten.333 Die Geschichte des Tiroler und der Tyrolia-Verlagsanstalt wird in einem nächsten Kapitel genauer beschrieben. Die christlich-soziale Partei erhielt immer mehr Aufschwung und wurde zur führenden katholischen Partei. Damit einhergehend entstanden auch neue christlich-soziale Zeitungen wie der Allgemeine Tiroler Anzeiger in Innsbruck oder die Lienzer Nachrichten in Osttirol, die auf dieselbe Leserschaft fokussiert waren und daher der Brixener Chronik Konkurrenz machten. Dies hatte zur Folge, dass die Abonnentenzahlen schwanden und die Auflagenzahl zurückging.334 Während des Ersten Weltkrieges wurde der Druck der Brixener Chronik a h Boze i die Ve lagsa stalt „T olia verlegt. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem damit verbundenen Zusammenbruch der Front im November 1918 kam es zu logistischen Problemen für die Brixener Chronik. Aufgrund von verkehrstechnischen Schwierigkeiten der Züge, die gar nicht oder nur teilweise verkehrten, konnte das Blatt, das in Bozen gedruckt wurde, aber einen Großteil seiner Leserschaft in Brixen hatte, für einige Wochen nur schwer bezogen werden. Stattdessen wurde während dieser Zeit in Brixen eine zweiseitige Ausgabe mit den wichtigsten Nachrichten herausgegeben.335 Dadurch verlor die Brixener Chronik schleichend ihre Vormachtstellung als die christlich-soziale Zeitung in Südtirol an Den Tiroler und wurde zu einem Lokalblatt für Eisack- und Pustertal deklassiert.336 In weiterer Folge war die Brixener Chronik stark von den Zensurmaßnahmen der italienischen Behörden betroffen. Der Zeitungsbetrieb konnte nur sehr stockend wieder aufgenommen werden und es kam häufig zu Verspätungen. In den weiteren Jahren konnte das Blatt auch des Öfteren für mehrere Monate nicht erscheinen.337 Als mittlerweile unpolitisches, kleines Lokalblatt war die Brixener Chronik eine der ersten Zeitungen, die ihren Betrieb aufgrund der faschistischen Regierung im August 1925 einstellen musste.338
Die Tiroler und Südtiroler Presselandschaft im 19. und 20. Jahrhundert stellt ein eng verzweigtes und kompaktes System dar, in dem die Geschichte vieler Zeitungen miteinander
333 Volgger, Pressewesen, S. 111-114. 334 Volgger, Pressewesen, S. 203f. 335 Parschalk, Stadt Brixen 1918, S. 569. 336 Brunner, Presse, S. 147. 337 Parschalk, Stadt Brixen 1918, S. 570. 338 Brunner, Presse, S. 147.
68 verflochten war und es diese Entwicklung ohne die jeweils anderen nie gegeben hätte. Als bestes Beispiel dafür gilt die Historie Des Tiroler.
In Südtirol gab es bereits seit 1888 eine christlich-soziale Zeitung, die Brixener Chronik, die in Brixen herausgegeben wurde. Deren Gründer Aemilian Schöpfer und weitere Vertreter der christlich-sozialen Ideologie hatten die Idee, ein christlich-soziales Blatt zusätzlich in der Stadt Bozen zu etablieren. Aus diesem Grund wurden die kriselnde Druckerei des Josef Ferrari und die P o e ge s he Bu hha dlu g E de e o e . Die is dato do t he ausgege e e Zeitungen Tiroler Sonntagsbote und Tiroler Alpenfreund wurden eingestellt und an deren Stelle erschien bereits am Weihnachtstag des Jahres 1899 eine Probenummer Des Tiroler. Zu diesem Zweck wurde de „P ess e ei T olia geg ü det, dem u.a. Aemilian Schöpfer, Hieronymus Mairhofer339, der seinerseits vom Fürstbischof Valussi als zu christlich-sozial eingestellter Redakteur vom Tiroler Volksblatt abgezogen worden war, und Carl Aichinger340 als Druckereileiter angehörten.341 Ab dem 2. Jänner 1900 nahm Der Tiroler seinen dreimal wöchentlich erscheinenden Pressebetrieb auf. In der ersten Ausgabe Des Tiroler hatte Schöpfer formuliert, welche Intention hinter diesem Blatt steckte: „Ei gute Pat iot u d „ei gute Ch ist u d ü e zeugu gst eue Katholik sei 342. Der Ausdruck christlich-sozial wird in diesem Leitartikel keineswegs erwähnt, allerdings war dem Publikum schnell klar, dass eine Zeitung unter der Leitung von Schöpfer und Co. eine christlich-soziale Ausrichtung verfolgte.343 Der Tiroler konnte sich anfangs nur sehr schwer über Wasser halten. Besonders die nicht vorhandenen finanziellen Mittel und die alte Ausrüstung der Druckerei beunruhigten die Verantwortlichen. Zusätzlich lieferte sich Der Tiroler von Beginn an kleine Gefechte mit den konservativen Zeitungen des Landes, wie etwa dem Tiroler Volksboten, denen das neu gegründete Blatt ein Dorn im Auge war. Jedoch mit eisernem Willen und mit einem unbändigen Idealismus bewältigten Schöpfer und Co. die Krise und schafften einen langsamen Aufstieg der Zeitung.344
Die beiden christlich-sozialen Pressvereine arbeiteten eng zusammen und waren sich gegenseitig behilflich, sodass eine Zusammenlegung nur eine Frage der Zeit war. So waren es
339 Hieronymus Mairhofer (geb. 1870, Proveis; gest. 1936, Steinegg), Pfarrer, Publizist. 340 Carl Aichinger (geb. 1858, Wien, gest. k.A.), Publizist. 341 Volgger, Pressewesen, S. 213f. 342 Der Tiroler, 2. Jänner 1900, S. 1. 343 Volgger, Pressewesen, S. 112. 344 Gerald Fleischmann, Tyrolia-Vogelweider-Athesia. Geschichte und Entwicklung eines Südtiroler Presse- Verlages, phil. Diss. Wien 1967, S. 8f.
69 schlussendlich drei signifikante Gründe, die den Ausschlag zu Gunsten einer Vereinigung der Pressvereine 1907 gaben. Zum Ersten war es die Verabschiedung des Gesetzes über die „Ges. . .H. , die als Rechtsform bestmöglichste unternehmenstechnische Form für einen Pressverein darstellte. Der zweite schwerwiegende Grund war der große Erfolg der christlich- sozialen Partei bei den Reichsratswahlen im Mai 1907 und die damit einhergehende Bestätigung, dass die Bevölkerung die christlich-soziale Idee unterstützte. Einen Anteil an diesem Wahlerfolg hatte ebenfalls die christlich-soziale Presse, die unbändig Werbung für die Vertreter der eigenen Partei machte. Als dritter Punkt ist noch zu nennen, dass mit dem Zusammenschluss die finanzielle Möglichkeit geschaffen wurde, eine christlich-soziale Tageszeitung herauszugeben, was bislang nicht möglich gewesen war.345 So wurde im Oktober 1907 aus dem Katholisch-politischen Pressverein in Brixen und dem Pressverein Tyrolia in Bozen die Verlagsgesellschaft Tyrolia G.m.b.H. mit Sitz in Brixen und mit einem Vorstand, der aus Vertretern in Bozen, Brixen und Innsbruck bestand.346 Der wahrscheinlich namhafteste Präsident des Tyrolia-Verlages war Kanonikus Michael Gamper347, der 1921 seine Präsidentschaft antrat. Dieser war kein Unbekannter im Südtiroler Pressewesen, denn er war bereits zuvor Redakteur bei dem Tiroler Volksblatt und Dem Tiroler gewesen.348
In ökonomischer Hinsicht wurde die Tyrolia ein großes wirtschaftliches Unternehmen, das neben dem Zeitungswesen auch in den Buchhandel stark investierte und zur größten Verlagsanstalt Tirols vor dem Ersten Weltkrieg aufstieg.349 Die Druckereien wurden modernisiert und erhielten neue, leistungsfähigere Maschinen,350 die das wenig Gewinn abwerfende Zeitungswesen kompensieren sollten. Aufgrund des Aufstieges zu einem wirtschaftlichen Unternehmen standen von diesem Zeitpunkt an die finanziellen Interessen im Vordergrund und die parteipolitischen Ansichten gerieten in den Hintergrund. Zusätzlich durch den Niedergang der Katholisch-Konservativen und deren Presseorgane fühlten sich die Christlich-Sozialen verantwortlich, die allgemeinen katholischen Interessen zu vertreten.351 Fleischmann formulierte die Situation Des Tiroler sehr passend: „Aus de h istli hsoziale wurde nämlich ein katholischer Verlag, aus parteipolitischen Grundsätzen wurden
345 Volgger, Pressewesen, S. 114f. 346 Weißensteiner, Geschichte, S. 20f. 347 Michael Gamper, (geb. 1885, Prissian; gest. 1956, Bozen), Priester und Publizist, jahrelanger Präsident des Tyrolia-, später Athesia-Verlages. 348 Hillebrand, Medienmacht, S. 14f. 349 Volgger, Pressewesen, S. 119. 350 Volgger, Pressewesen, S. 222. 351 Weißensteiner, Geschichte, S. 23.
70 weltanschauliche, und von der Verbreitung christlichsozialen Gedankengutes abgehend, setzte man sich als wesentlich umfangreichere Aufgabe die Wahrung katholischer Interessen in kirchlicher, staatlicher u d soziale Hi si ht zu )iel. 352
Der im gesamten Habsburgerreich ansteigende Aufschwung des katholischen Pressewesens brachte auch für Den Tiroler positive Folgen. Durch den neu entstandenen Piusverein353 erhielten katholische Zeitungen nun finanzielle Unterstützung und durch die Gründung einer internationalen Telegraphenagentur in Innsbruck im Jahr 1910 wurde den katholischen Zeitungen die direkte Vermittlung der Nachrichten ermöglicht.354 Diese Neuerungen sowie eine gut funktionierende Anwerbung neuer Leser und der Ausbau des Inseratenteils konnten Dem Tiroler eine stetig wachsende Abonnentenzahl bescheren. Mit einer einfachen Sprache, günstigen Preisen und für die ländliche Bevölkerung relevanten Themen sowie einem ausgeprägten Lokalteil schaffte die Zeitung den Aufstieg zum Massenblatt.355 Mit Beginn des Ersten Weltkrieges musste der Informationsdurst der Bevölkerung befriedigt werden und die Redaktion Des Tiroler beschloss, das Blatt in eine Tageszeitung umzuwandeln. Durch den Krieg kam es zwar zu Schwierigkeiten, wie Personalnot und Papiermangel, allerdings konnte sich Der Tiroler noch relativ gut halten und im Vergleich zu den anderen Zeitungen sogar kleine Gewinne erwirtschaften. Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte für die Verlagsanstalt Tyrolia erhebliche Probleme mit sich, da nun ein Teil des Unternehmens in Österreich war und ein weiterer in Italien. Aufgrund dieser Tatsache war die Verlagsanstalt gezwungen, einen eigenständigen Nord- und einen Südtiroler Zweig des Verlages zu schaffen.356 Eine weitere politische Veränderung beeinflusste die katholische Presse: Die Christlich-Sozialen und die Ko se ati e s hlosse si h zu „Ti ole Volkspa tei zusa e , dessen Sprachrohr Der Tiroler wurde. Als Vertreter der Interessen der neuen Partei schlug die Zeitung einen italienfeindlichen Ton an und lehnte eine Annäherung an die neue Regierung vehement ab.357 Dies führte natürlich zu einigen Konfiskationen und Zensurmaßnahmen, die Der Tiroler über sich ergehen lassen musste.358 Mit dem neuen Dekret der faschistischen Regierung im August 1923 kam es zum Verbot der Namen Südtirol und dessen Derivate, sodass Der Tiroler ab
352 Fleischmann, Tyrolia-Vogelweider-Athesia, S. 15. 353 Der Piusverein wurde 1905 gegründet und diente ausschließlich der katholischen Presse zur finanziellen Unterstützung in Form von Geldmitteln und dem Ausbau der Kommunikationsmittel. 354 Weißensteiner, Geschichte, S. 28. 355 Weißensteiner, Geschichte, S. 32. 356 Hillebrand, Medienmacht, S. 12. 357 Brunner, Presse, S. 179. 358 Fleischmann, Tyrolia-Vogelweider-Athesia, S. 73.
71 diesem Zeitpunkt in Der Landsmann. Tagblatt der Deutschen südlich des Brenners umbenannt wurde.359 Nach einigen Verwarnungen vonseiten der Behörden wegen Störung der öffentlichen Ordnung musste die Zeitung im Oktober 1926 schlussendlich ihr Erscheinen einstellen.360
Neben den aufstrebenden konservativen Zeitungen konnte sich Ende des 19. Jahrhunderts ein neu gegründetes parteiloses Blatt etablieren, das zu einer der auflagenstärksten Zeitungen der Region aufstieg: die in Bozen herausgegebenen Bozner Nachrichten. In der Druckerei des Gotthard Ferrari sen.361, in der bislang auch die Bozner Zeitung gedruckt worden war, erschien ab dem 4. Jänner 1894 viermal wöchentlich das neue Blatt. Um sich intensiver mit der neuen Zeitung zu beschäftigen und die eigene Druckerei zu entlasten, verkaufte Gotthard Ferrari sen. bereits Mitte des Jahres 1895 die Bozner Zeitung. In Zusammenarbeit mit seinem Sohn Gotthard Ferrari jun. 362, der als verantwortlicher Redakteur die Geschicke leitete, brachte Ferrari sen. ab Jänner 1896 die Bozner Nachrichten als Tageszeitung heraus.363 Ab diesem Zeitpunkt führte das Blatt den Untertitel Allgemeiner Anzeiger für Bozen, Gries und Zwölfmalgreien – sowie Umgebung, womit bereits die Rezipientenschaft der Bozner Nachrichten erklärt wurde.364 De facto hatte die Zeitung ihren Großteil der Leser in der Stadt und nur einen sehr geringen Teil auf dem Land. Angepasst an diese Tatsache beinhalteten die Bozner Nachrichten mehr Lokalnachrichten aus der Stadt sowie auch Inserate für das städtische Publikum. Im Vergleich zu der Bozner Zeitung war dies jedoch nicht das gehobene Bürgertum, sondern der Teil der Bevölkerung der Stadt, die sich parteipolitisch wenig interessierte, eine rein informative und unterhaltende Zeitung wünschte und daher auf ein parteiunabhängiges Blatt mit einfachen Formulierungen zurückgreifen mochte. Dies war sicherlich einer der Gründe, warum die Bozner Nachrichten mit einer Auflagenzahl von 4.400 Stück im Jahr 1915 die meistverkaufte Zeitung darstellten. Gotthard Ferrari jun. lancierte diese Zeitung nicht aus politischen Gründen – obwohl Ferrari als Unterstützer liberaler Ideen galt, sondern als tüchtiger Geschäftsmann hatte er stets finanzielle Beweggründe im Hinterkopf. Aufgrund dessen wusste er es auch, die große parteilose Leserschaft, die von dem Anliegen,
359 Weißensteiner, Geschichte, S. 326. 360 Weißensteiner, Geschichte, S. 383. 361 Gotthard Ferrari sen. (geb. 1825, Bozen; gest. 1896 Bozen,), Buchdruckerei- und Buchhandlungsbesitzer. 362 Gotthard Ferrari jun. (geb. 1855, Bozen; gest. 1918, Bozen), Buchdruckerei- und Buchhandlungsbesitzer. 363 Volgger, Pressewesen, S. 258, 364 Volgger, Pressewesen, S. 265.
72 keinerseits politisch anzuecken, getrieben war, an die neutralen Bozner Nachrichten zu binden.365
Vor dem Ersten Weltkrieg noch Marktführer erlitten die Bozner Nachrichten währenddessen mehrere Rückschläge. Besonders der Tod von Gotthard Ferrari jun. 1918 und die starke Konkurrenz Des Tiroler schwächten die Zeitung sehr. Nach dem Ableben des Gründers gingen die Zeitung und die Druckerei an ein Konsortium über, das aus Südtiroler Geschäftsleuten und Vertretern der katholisch-konservativen Riege bestand. In Form eines schleichenden Prozesses nahm die Abonnentenzahl stetig ab, sodass die Bozner Nachrichten in eine schwere finanzielle Krise gerieten. Durch die prekäre ökonomische Situation und die immer strikter werdenden Vorschriften des faschistischen Regimes erschien schlussendlich am 21. Oktober 1925 die letzte Ausgabe der Bozner Nachrichten.366
Sowohl durch den aufkeimenden Faschismus in Italien und die damit verbundenen Verbote als auch durch eine allgemeine Krise im Zeitungswesen aufgrund von steigenden Preisen und Kosten mussten einige Zeitungen ihren Betrieb in den 1920er Jahren einstellen. Auch für die Zeitungsdruckereien waren schwierige Zeiten im Anmarsch. Entweder fusionierten sie, wie die „Gottha d Fe a i G. . .H. und „Alois Aue & Co. i Boze mit dem „Lau i -Ko so tiu i Meran, oder sie mussten den Zeitungsdruck komplett einstellen, wie die Druckerei des Hans Görlich und die Bozner Zeitung.367 Die neuen 1925 von der faschistischen Regierung erlassenen Dekrete hatten das Ziel der Eliminierung der oppositionellen Presse. Obwohl die Südtiroler Presse mittlerweile wenig Widerstand leistete, traf es auch die lokalen Blätter hart. Die Vorzensur und die damit verbundenen Verwarnungen der Redakteure hatten u.a. zur Folge, dass Der Landsmann und die Brixener Chronik nicht mehr erschienen.368 Eine weitere Anordnung, nämlich das Verbot der deutschen Ortsbezeichnungen, führte zum nächsten Ende einer Zeitung: Die Bozner Nachrichten stellten nach mehreren Verwarnungen unter Protest ihren Betrieb ein.369 Durch das Ausschalten eines Großteils der Zeitungen war nun der Weg frei für ein faschistisches Tagblatt: die Alpenzeitung. Das Blatt erschien erstmals im März 1926 und wurde in der Pötzelberger Druckerei publiziert, deren Besitzer, die Gebrüder Ellmenreich, durch Repressionsmethoden gezwungen wurden, anstelle der Meraner Zeitung die
365 Volgger, Pressewesen, S. 159ff. 366 Brunner, Presse, S. 159f. 367 Brunner, Presse, S. 43. 368 Brunner, Presse, S. 57ff. 369 Brunner, Presse, S. 60.
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Alpenzeitung zu drucken. Unter der Leitung von faschistischen Journalisten, die meisten aus anderen Regionen Italiens, berichtete das Blatt in propagandistischer Form über die Regierungspolitik Mussolinis und stets gegen die deutschsprachigen Politiker.370 Mit dem vierten Attentat auf Benito Mussolini am 10. Oktober 1926 erfolgte ein vollständiges Verbot der oppositionellen und ebenfalls der deutschen Presse. Bewerkstelligt wurde dies durch die Besetzung der Druckereien vonseiten der faschistischen Behörden. Ab Weihnachten 1926 wurde allerdings das Verbot gelockert und es durften danach nur noch regimetreue und katholisch-gleichgeschaltete Zeitungen publizieren.371 In der Zeit von Oktober 1926 bis Dezember 1926 war die Alpenzeitung die einzige Zeitung, die herausgegeben wurde. Allerdings zog die Südtiroler Bevölkerung es vor, keine Zeitung zu lesen anstelle der Alpenzeitung, sodass das Blatt geringe Abnehmer fand und große Defizite erwirtschaftete. Neben der Alpenzeitung durften nur vereinzelt Zeitungen wie die Dolomiten oder das Katholische Sonntagsblatt aufgrund ihrer religiösen Orientierung weiterhin in deutscher Sprache herausgebracht werden. Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Südtirol musste die Alpenzeitung im September 1943 ihr Ende bekannt geben.372
5.2. Eine kleine Geschichte der Bozner Zeitung
Im Gegensatz zur Czernowitzer Allgemeinen Zeitung konnte die Bozner Zeitung ein viel längeres Erscheinen im Medienbereich aufweisen. Bereits am 7. Januar 1842 wurde ein Vorläuferblatt der Bozner Zeitung unter dem Titel Bozner Wochenblatt herausgegeben. Gedruckt wurde es in de Joseph E e le s he Bu hha dlu g i Boze , deren Verlag auch als Herausgeber fungierte.373 Das Bozner Wochenblatt wurde in der statistischen Studie von Winckler aus dem Jahr 1875 angeführt, allerdings war das Gründungsjahr fehlerhaft mit 1843 angegeben. Neben dem Erscheinungsort teilte Winckler die Periodika auch nach deren Inhalt und Ausrichtung ein: Das Bozner Wochenblatt wurde als „Politis hes Lo al latt ezei h et.374 Gottha d Fe a i se . ü e ah die Joseph E e le s he Bu hha dlu g und den Verlag,
370 Brunner, Presse, S. 331. 371 Brunner, Presse, S. 64f. Die Zeit nach 1926 wird ausführlich in der Arbeit von Erwin Brunner beschrieben. 372 Brunner, Presse, S. 335ff. 373 Bozner Wochenblatt, 7. Jänner 1842, S.1. 374 Winckler, Presse, S. 17 Dritter Theil.
74 infolgedessen auch die dazugehörige Zeitung, sodass er ab diesem Zeitpunkt auch den Posten des Redakteurs und Herausgebers einnahm.375 In den Anfangsjahren erschien das Bozner Wochenblatt einmal wöchentlich. Aufgrund des steigenden Interesses der Bevölkerung für Neuigkeite es hloss de Ve lag „die G ü du g ei es eige e politischen Blattes zu unternehmen, das an die Stelle des bisher in ihrem Verlag erschienenen Bozner Wo he […] lattes t ete soll. 376 Mit der Änderung des Namens in Südtirolische Zeitung im Juli 1849 steigerte das Blatt seine Erscheinungsweise auf zweimal pro Woche, immer mittwochs und samstags. Die Namensänderung war jedoch nur ein zwischenzeitliches Intermezzo, denn ab dem 9. Jänner 1850 nannte sich das Blatt wiederum Bozner Wochenblatt. Mit dem Jahr 1856 erhielt es den Namen Bozner Zeitung, unter dem das Blatt in den folgenden Jahrzehnten allseits bekannt wurde. Ab 1861 konnten die Abonnenten der Bozner Zeitung diese dreimal wöchentlich lesen und fortan wurde die Erscheinungsweise auf immer mehr Tage ausgedehnt, bis sie schlussendlich 1864 in eine tägliche wechselte.
Da das Pressewesen in seinen Anfängen aufgrund der großen Förderung durch die liberale Partei im Habsburgerreich eine liberal geprägte Angelegenheit war, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Bozner Zeitung eng mit dem Grundgedanken des Liberalismus verbunden war. In den 1860er- und 70er-Jahren gab es vor allem in den größeren Städten in Cisleithanien ein politisch liberales Lager, das die Anliegen des liberalen Bürgertums vertrat. Als Vertreter des liberalen Lagers südlich des Brenners galt der Bozner Bürgermeister Joseph Streiter, der sein Amt von 1861 bis 1870 innehatte. Er übte einen besonderen Einfluss auf die Bozner Zeitung aus und tat des Öfteren seine Überzeugungen und Wertvorstellungen, die für „ei e gesetzli he u d ge äßigte Fo ts h itt 377 standen, in dem Blatt kund. So wurde u.a. seine Antrittsrede vollständig in der Bozner Zeitung vom 21. Mai 1861 veröffentlicht. Sein zukunftsorientierter Liberalismus und seine Begeisterung für den Konstitutionalismus fanden auch in den weiteren Beiträgen für die Bozner Zeitung stets Anklang bei der Leserschaft.378 Das Zielpublikum umfasste vorwiegend Vertreter des liberalen Bürgertums, die eine bürgerliche Stadtkultur verkörperten. Bestehend aus gut situierten Kaufleuten, Beamten, Unternehmern und Repräsentanten der freien Berufe, die im städtischen Milieu angesiedelt waren, und singulär aus wohlhabenden Hoteliers und Beamten auf dem Land, verfolgte das
375 Volgger, Pressewesen, S. 230ff. 376 Bozner Wochenblatt, 25. Juni 1849, S. 1. 377 Bozner Zeitung, 21. Mai 1861, S. 1. 378 Christine Mumelter, Joseph Streiter 1804–1873. Ein vergessener Bürgermeister?, Bozen 1998, S. 197-200.
75 liberale Bürgertum vielfach ökonomische Absichten. Aufgrund dessen stellte diese kaufkräftige Leserschaft mit liberalen Ideen auch das Zielpublikum für die liberale Presse dar.379
Ab Juli 1868 wurde das Blatt unter dem Namen Constitutionelle Bozner Zeitung publiziert und behielt diesen für weitere 27 Jahre. De )usatz „ o stitutio elle e eist auf die sog. Dezemberverfassung 1867, die das Habsburgerreich zu einer konstitutionellen Monarchie werden ließ. Diese Staatsform beinhaltete festgeschriebene Gesetze und Rechte für die Bürger des Reiches, wie auch eine gewählte Vertretung des Volkes im Abgeordnetenhaus. Das Bürgertum diente als treibende Kraft hinter dieser Entwicklung und daher ist es nicht verwunderlich, dass sich der neue Name der Bozner Zeitung auf diese Gegebenheit bezog.380 Mit dem 1. Juli 1895 erfolgte schlussendlich die letzte Namensänderung des Periodikums in Bozner Zeitung. Südtiroler Tagblatt, dessen Titel bis zum Ende beibehalten wurde.
Nach der Übernahme der Zeitung im Jahr 1846 durch Gotthard Ferrari sen. war eine Familienära eingeleitet worden, denn Ferrari sen. war fast 50 Jahre für die Redaktion und die Veröffentlichung des Blattes verantwortlich. Auch sein Sohn Gotthard Ferrari jun. arbeitete bereits in jungen Jahren als Redakteur für die Bozner Zeitung.381 Gotthard Ferrari sen. entschied sich, neben der Bozner Zeitung ein weiteres Blatt herauszugeben und gründete im Jahr 1894 die Bozner Nachrichten. Infolgedessen verkaufte Ferrari sen. seine Bozner Zeitung 1895 an Dr. Friedrich Sueti382, damit er sich zusammen mit seinem Sohn ausschließlich den Bozner Nachrichten widmen konnte.383
Bereits in den 6oer und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts geriet die Bozner Zeitung aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit liberalen Parteigängern und der Verbreitung von antiklerikalen Ansichten in einen Konflikt mit dem konservativen Tiroler Volksblatt und dem Klerus. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da die Gründung des Tiroler Volksblattes als Gegenreaktion auf die bestehende liberale Bozner Zeitung erfolgt und somit eine Auseinandersetzung vorprogrammiert war. Geprägt von spöttischen Sticheleien und gegenseitigen Anfeindungen wurde der sog. Kulturkampf zwischen den liberalen und konservativen Kräften im Land auch
379 Schneider, Bozen, S. 23. 380 Karl Vocelka, Österreichische Geschichte, München 2010³, S. 84f. 381 Orgler, Volksblatt, S. 20. 382 Friedrich Sueti (geb. 1853, Graz; gest. 1910, Graz), Journalist u d He ausge e de „Boz e )eitu g . 383 Volgger, Pressewesen, S. 258.
76 in den Zeitungen ausgefochten.384 Der Konflikt innerhalb der Presselandschaft weitete sich auch zu einem Konflikt zwischen der Bozner Zeitung und der katholischen Gemeinde aus, sodass die Zeitung Ende 1871 und 1882 wiederum in Form eines moralischen Verbotes vom Trientner Fürstbischof verbannt wurde. Dieser Zwist mit dem Klerus hielt über Jahrzehnte an und daran änderte auch der Besitzerwechsel von Gotthard Ferrari sen. an Friedrich Sueti nichts. Im Gegenteil, denn die etwas radikalere Haltung des neuen Herausgebers und die unnachgiebige antiklerikale Schreibweise des Redakteurs Emanuel Ulrich385 verschärften den Konflikt zusehends, sodass der Trientner Fürstbischof Valussi die Lektüre des Blattes 1898 wiederum verbot. Obwohl der Fürstbischof in politischer Hinsicht nicht mehr die Macht hatte, eine Zeitung zu verbieten, so ließ er diese jedoch durch Schmähungen vonseiten der katholischen Kirche denunzieren.386 Die Bozner Zeitung konterte auf diesen Bann und veröffentlichte in den Ausgaben des Jahres 1899 in großen Lettern folgende Parolen: „Deutsche, verlangt überall in Tirol die ‚Bozner Zeitung ! und in einer weiterführenden Erklärung „Dieses Blatt ist vom Trientiner Fürstbischofe […] in der Diözese Trient zu halten, zu lesen und zu verbreiten verboten, somit allen Deutschfreiheitlichen wärmstens empfohlen. 387 Anhand dieser Leitsätze konnte die antiklerikale Einstellung aufgezeigt werden und ebenfalls die einsetzende Veränderung der Bozner Zeitung von einem liberalen zu einem deutschfreiheitlichen Blatt.
Mit seiner radikaleren deutschfreiheitlichen Einstellung und der unnachgiebigen Vorgehensweise gegenüber dem Klerus traf Friedrich Sueti bei einer beträchtlichen Anzahl der Leserschaft nicht auf Zustimmung. Besonders das Verbot vonseiten der Kirche war für den Herausgeber fatal, da aufgrund dessen die Verkaufs- und Abonnentenzahlen erheblich abnahmen. Angesichts dieser finanziellen Einbußen und dem dadurch nahenden wirtschaftlichen Ruin Suetis, musste er schlussendlich den Verlag der Bozner Zeitung im Juli 1899 verkaufen, und zwar an Hans388 Görlich.389
Die liberalen Zeitungen stellten ein Spiegelbild des liberalen Lagers in Südtirol dar und dies obwohl sie keine ähnlich enge Zusammenarbeit wie die Christlich-Sozialen oder die
384 Orgler, Volksblatt, S. 20 385 Emanuel Ulrich (k.A.), Redakteur der Bozner Zeitung. 386 Volgger, Pressewesen, S. 231ff. 387 Bozner Zeitung, 20. März 1899, S. 1. 388 Hans Görlich (geb. 1871, Brünn; gest. k.A.), Herausgeber de „Boz e )eitu g o is . 389 Volgger, Pressewesen, S. 232ff.
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Konservativen pflegten. Das bürgerlich-liberale Lager schaffte es nicht, in der katholisch geprägten Region seinen Einflussbereich zu erweitern und wurde zur Jahrhundertwende hin von dem erstarkenden christlich-konservativen Lager überholt. Als weiterer Grund galt die Zersplitterung des liberalen Lagers in verschiedene Schattierungen von Altliberalismus über Deutschfreiheitliche zu Deutschnationalen.390 Infolgedessen stellte es für eine liberale Zeitung wie die Bozner Zeitung eine Herausforderung dar, einen Konsens für all diese Strömungen zu finden und alle gleichermaßen zu repräsentieren. Für die Bozner Zeitung war es jedoch wichtig, dieser Forderung gerecht zu werden, damit die Leserschaft weiterhin das Blatt konsumierte. Da sich die Bozner Zeitung in Privatbesitz befand, mussten stets auch wirtschaftliche Interessen im Hintergrund beachtet werden. Dem Herausgeber fiel die gewichtige Rolle zu, diesen Zwiespalt zu meistern und weder Abonnenten noch Inserenten zu erzürnen.391
Die Bozner Zeitung und die neutralen Bozner Nachrichten waren federführend im Bereich des Annoncenwesens, denn die Geschäftsleute der Stadt Bozen inserierten lieber in einer liberalen bzw. neutral-liberalen Zeitung, deren Lesepublikum ein kaufkräftigeres Publikum darstellte. Außerdem teilte ein Großteil der Geschäftsleute die liberale oder deutschfreiheitliche Anschauung beider Blätter. Dies hatte zur Folge, dass der Inseratenteil der beiden Zeitungen einen beachtlichen Part der Zeitungen ausmachte. Besonders die Seitenanzahl der Wochenend- und der Feiertagsausgaben stieg enorm an. Zusätzlich arbeitete die Bozner Zeitung bereits früh mit Inseratenbüros aus Wien zusammen, die eine Vermittlerrolle zwischen den Zeitungen und den Inserenten einnahmen, um eine größere Reichweite zu erzielen. 392
Nachdem Sueti die Bozner Zeitung aus finanziellen Gründen verkaufen musste, folgte ihm Hans Görlich an die Spitze des Blattes. Der aus Brünn stammende Görlich war bereits vor seiner Übernahme des Blattes als Redakteur bei der Bozner Zeitung tätig gewesen. Zur Bewältigung der prekären finanziellen Situation unterstützte eine Gruppe deutschfreiheitlicher Bürger der Stadt Bozen die Zeitung mit Geldmittel und schaffte somit eine Grundlage für die Weiterführung des Blattes. Um einen erneuten Konflikt mit der Kirche zu vermeiden, versuchte Görlich, keine weiteren Provokationen gegenüber dem Klerus zu
390 Volgger, Pressewesen, S. 128. 391 Volgger, Pressewesen, S. 133f. 392 Weißensteiner, Geschichte, S. 24.
78 veröffentlichen.393 Den Wandel vom einstmalig liberalen Blatt zur deutschfreiheitlichen Bozner Zeitung führte Görlich weiter:
„Die ‚Boz e )eitu g ist o h heute das ei zige deutschfreiheitliche Blatt Südtirols und wird auch fernerhin unerschrocken für Deutschthum, Freiheit und Fortschritt, für die Erhaltung des nationalen Besitzstandes und die Hebung der wirtschaftlichen Lage Deuts hsüdti ols ei t ete .394
Im Jahr 1895 wurde in der Stadt Bozen die langjährige Ära der ausschließlich liberalen Bürgermeister beendet und an deren Stelle trat der deutschnationale Anwalt Dr. Julius Perathoner an die Spitze des Magistrats. Der neugewählte Bürgermeister schlug zwar weiterhin einen verhältnismäßig liberalen Weg ein, der jedoch in nationaler Hinsicht einen schärferen Ton anstrebte.395 Die Meinung des Amtsträgers entsprach somit auch der Einstellung Görlichs und dies führte unweigerlich zu einer Zusammenarbeit zwischen Perathoner und dem Herausgeber der Bozner Zeitung. Aufgrund einer gemeinsamen politischen Überzeugung entstand eine wechselseitig profitable Zusammenarbeit zwischen der Bozner Zeitung, dem Bürgermeister und dessen Partei. Auf der einen Seite setzte sich die Bozner Zeitung in Form von wohlwollenden Artikeln während der verschiedenen Wahlkämpfe für Dr. Julius Perathoner ein, auf der anderen Seite konnte die Bozner Zeitung mit politischem Beistand der städtischen Regierungspartei rechnen und zusätzlich erhielt sie stets als erste Zeitung Amts- und Magistratsnachrichten aus dem Rathaus, sodass sie häufig auf ironische Weise als „Bü ge eiste latt bezeichnet wurde. Gedruckt wurde die Bozner Zeitung ab 1901 in der neu gegründeten Druckerei des Hans Feller396, der enge Kontakte mit der Bozner Gemeinde pflegte und daher auch finanzielle Unterstützung vonseiten des Gemeinderates empfing. Feller hatte bereits 1900 den Verlag der Bozner Zeitung übernommen. 397 In den Jahren vorher hatte die Druckerei des Josef Ferrari und später die ebenfalls neue Druckerei Rigl & Co. die Veröffentlichung des Blattes übernommen.398 Die Druckerei Feller konnte einen kontinuierlichen Anstieg der Exemplare der Bozner Zeitung in den ersten zehn Jahren des
393 Volgger, Pressewesen, S. 235. 394 Bozner Zeitung, 30. Juni 1899, S. 1. 395 Bettina Mitterhofer, Der Tiroler Reichsratsabgeordnete Julius Perathoner. Portrait eines deutschnationalen Politikers, phil. Dipl. Wien 1984, S. 5f. 396 Hans Feller (geb. 1842, Seelow; gest. 1920, Karlsbad), Hofbuchhändler in Karlsbad und Druckereibesitzer, Schwiegervater des Hans Görlich. 397 Volgger, Pressewesen, S. 236f. 398 Bozner Nachrichten, 10. August 1919, S. 6.
79 neuen Jahrhunderts feststellen, dessen Höhepunkt nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges erreicht wurde. Allerdings hinkte im Vergleich zu den anderen großen Tageszeitungen des Landes - Der Tiroler und die Bozner Nachrichten - das liberal-deutschnationale Blatt hinterher und während des Ersten Weltkrieges stagnierte die Auflagenzahl.399 Der Erste Weltkrieg brachte eine deutliche Verschlechterung der Lage des Verlages mit sich. Dies hing einerseits zweifelsohne mit der politischen Situation und andererseits mit der aufkeimenden Konkurrenz anderer Zeitungen zusammen. Ab 1918 war aus der ehemals etablierten Zeitung ein nur mehr aus 4 Seiten bestehender Druck geworden, der keine richtigen Artikel beinhaltete, sondern nur noch im Telegrammstil die Agenturmeldungen und amtlichen Mitteilungen veröffentlichte. In der Nachkriegszeit sorgte die Bozner Zeitung für politische Agitation und Missfallen bei der Bevölkerung, da sie sich in politischer Hinsicht italienfreundlich gab und für einen Anschluss an Italien plädierte. Damit verstimmte Görlich einen Großteil seiner mittlerweile geringen Leserschaft, was kontinuierlich zum Untergang der Bozner Zeitung im November 1922 führte.400
Ab November 1946 erschien wieder eine Bozner Zeitung, die jedoch nichts mit der ehemaligen liberalen Bozner Zeitung während des Habsburgerreiches zu tun hatte und ebenfalls kein Nachfolgeblatt derselben darstellte. Jenes neue Blatt wurde von der Verlags- und Druckereigenossenschaft SETA401 herausgegeben und verfolgte einen italienfreundlichen Kurs. Aufgrund von Kontroversen innerhalb der Genossenschaft und der damit verbundenen, schwierigen finanziellen Situation musste die Zeitung nach nur wenigen Monaten eingestellt werden.402
6. Die deutschsprachige Presse in Krain und Laibach
In Laibach etablierte sich bereits im 18. Jahrhundert ein Pressewesen. Den Anfang machten wöchentliche Amtsblätter, die offizielle Mitteilungen aus den Wiener Amtsblättern
399 Volgger, Pressewesen, S. 50-53. 400 Brunner, Presse, S. 95f. 401 SETA = Società Editrice Tipografica Atesina. 402 Leo Hillebrand, Getrennte Wege. Die Entwicklung des ethnischen Mediensystems in Südtirol, in: Die ethnisch halbierte Wirklichkeit. Medien, Öffentlichkeit und politische Legitimation in ethnisch fragmentierten Gesellschaften. Theoretische Überlegungen und Fallbeispiele aus Südtirol, hrsg. von Günther Pallaver, Innsbruck-Wien-Bozen 2006, S. 41-66, hier S. 45.
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übernahmen und der Bevölkerung zugänglich machten. Eine der ersten Zeitungen, die auch lokale Nachrichten publizierte, war das Wöchentliche Kundschaftsblatt des Herzogthum Krain, das in den Jahren 1775 und 1776 erschien. Hauptsächlich wurden in dem von Balthasar Hacquet403 redigierten Blatt landwirtschaftliche Berichte veröffentlicht. Im zweiten Jahrgang der Zeitung wurden zusehends auch politische und kulturelle Neuigkeiten sowie erstmals in diesem Gebiet auch Inserate publiziert.404 1784 wurde erstmals die offizielle Laibacher Zeitung herausgegeben, die bis ins Jahr 1918 Bestand hatte und über die in einem eigenen Kapitel genauer berichtet wird.
Bereits im Jahr 1838 erfolgte die Gründung der Carniolia, des ersten belletristischen Journals in Laibach. Die Idee für diese neue Zeitung hatte der aus Krain stammende Literat Leopold Kordesch405, der später auch als Redakteur des Beiblattes der Laibacher Zeitung, des Illyrischen Blattes, tätig war. Die Carniolia diente als Unterhaltungsblatt und beinhaltete Beiträge über Kunst und Literatur, die das gesellschaftliche und kulturelle Spektrum Laibachs aufzeigten. Interessanterweise wurden Beiträge sowohl in deutscher Sprache als auch in slowenischer Sprache veröffentlicht. Bereits nach einem Jahr allerdings musste Kordesch die Zeitung an den Drucker Josef Blasnik406 verkaufen, da er mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.407 Blasnik führte die Zeitung bis ins Jahr 1844 weiter, als sie trotz der Auflagenzahl von 400 Stück nicht mehr rentabel genug war, um weiterhin publiziert zu werden.408 Die Druckerei des Josef Blasnik avancierte im 19. Jahrhundert neben der Kleinmayerschen Druckerei zu einer der größten und modernsten Druckereien Laibachs und wurde bis zu seinem Tod 1872 von ihm selbst geführt. Da er keine Nachkommen hatte, wurde das Unternehmen an eine Aktiengesellschaft verkauft, die unter dem Namen Blasniks weitergeführt wurde.409
403 Balthasar Hacquet (geb. 1740, Le Conquet, Bretagne; gest. 1815, Wien), Naturforscher. 404 Vi e ‘ajšp, Das slo e is he P esse ese , i : Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Die Presse als Faktor der politischen Mobilisierung (Bd. 8, Teilband 2), hrsg. von Helmut Rumpler/ Peter Urbanitsch, Wien 2006, S. 2245-2278, hier S. 2245. 405 Leopold Kordesch (geb. 1808, Kamna Gorica; gest. 1879, Wien), Schriftsteller. 406 Josef Blasnik (geb. 1800, Idria; gest. 1872, Laibach), Druckereibesitzer. 407 Mi a Miladi o ić )alaz ik, Das e ste Laibacher belletristische Journal Carniolia (1838-1844) und die redaktionelle Tätigkeit seines Gründers Leopold Kordesch, in: Deutschsprachige Öffentlichkeit und Presse in Mittelost- und Südosteuropa (1848-1948), hrsg. von Andrei Corbea-Hoișie/ Io Liha iu/ Ale a de ‘u el, Iași 2008, S. 167-182, hier S. 167f. 408 Miladi o ić )alaz ik, Journal, S. 170. 409 Žigo , P esse . Teil, S. 129.
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Bis Mitte des 19. Jahrhunderts dominierte die deutsche Sprache die Presselandschaft in der Krainer Hauptstadt Laibach. So gab es um 1848 nur eine einzige slowenische Zeitung, die Kmetijske in rokodelske novice (Landwirtschaftliche und handwerkliche Nachrichten), die für einen längeren Zeitraum existierte. Bis ins Revolutionsjahr 1848 waren die Zeitungen geprägt von einem Bewusstsein des Österreichertums sowie von einem Lokalpatriotismus. Der nationale Konflikt zwischen Deutschen und Slowenen war in den Zeitungen noch nicht erkennbar, denn es wurden häufig auch Beiträge in der jeweils anderen Sprache gedruckt.410 Allerdings änderte sich dieses Bild in den folgenden Jahrzehnten komplett, denn ab den 1860er Jahren wurden immer mehr slowenische Periodika auf den Markt gebracht. Dieser Anstieg hängt mit dem aufkommenden nationalen Selbstbewusstsein der Slowenen und der Etablierung der slowenischen Sprache als Schriftsprache zusammen. Viele slowenische Journalisten, die zwar an der Universität in Wien studiert hatten und die deutsche Sprache zur Kommunikation verwendeten, besannen sich auf ihre Muttersprache und veröffentlichten neue Periodika in slowenischer Sprache.411
Trotz der positiven Entwicklung der slowenischen Presse entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts neben der Laibacher Zeitung immerhin noch ungefähr zehn deutschsprachige Periodika, die entweder die Ansichten der Deutschen in Krain publik machten oder den slowenischen Interessen in deutscher Sprache dienten.412 In den Jahren 1865 bis 1870 wurde Triglav, eine Zeitung für vaterländische Interessen, in der Druckerei des Josef Blasnik herausgegeben. Der Name des Blattes stammte vom gleichnamigen höchsten Gipfel Krains und stellte somit zusätzlich einen starken heimatlichen Bezug dar. Aufgrund der Veränderung der Presselandschaft mussten die Zeitungen eine konkrete Leserschaft ansprechen. Die Redakteure der Triglav, u.a. Peter von Radics413, vertraten die slowenischen Anliegen und veröffentlichten diese in deutscher Sprache, um auch der deutschen Bevölkerung ihre Interessen zu präsentieren. Somit konnten sie sich für das zweimal wöchentlich erscheinende Blatt einen bestimmten Leserkreis sichern.414 Die neue Zeitung wurde von mehreren Persönlichkeiten mit konservativer, altslowenischer Einstellung durch finanzielle Hilfe unterstützt. An vorderster Front als Gründer dieses Unternehmens agierten
410 Vodopivec, Presse, S. 135. 411 Žigo , Lo alität, S. 47. 412 Žigo , Presse 2. Teil, S. 128. 413 Peter Paul von Radics (geb. 1836, Adelsberg, Krain; gest. 1912, Laibach), Publizist und Schriftsteller. 414 Žigo , Lo alität, S. 47f.
82 der Bürgermeister Laibachs, Etbin Henrik Costa415, und Johann Bleiweis416, der bereits ein bekannter Name im Pressewesen Krains war.417 Der Grund für die Neuerscheinung der Triglav wurde wie folgt definiert:
„Ma gel a h ei e ‚)eits h ift , die so ohl die La des- und Lokalinteressen und deren Vertretung in den constitutionellen Versammlungen des La des […], als auch den höchsten Endzweck unseres Strebens und Ringens auf mütterlicher Scholle den Fortschritt unseres Geisteslebens und dessen Verfolgung durch die Pflege der Natio allite atu , […]i e u d i e iede o die Auge de lie e La dsleute aller jener, die sich um unser Land und Volk bekümmern, zu stellen berufen wäre, brachte eine Gesellschaft höchst achtbarer Vaterlandsfreunde, deren Namen zu den ersten und besten im Lande zählen, zu dem patriotischen Entschlusse, ein in angedeutetem Sin e edigie tes Blatt zu g ü de . 418
Die Gründer der Triglav vertraten allerdings nicht nur sog. vaterländische Interessen, sondern fühlten sich immer noch der Donaumonarchie zugehörig, sodass die Zeitung Mitte des Jahres 1866 u.a. aus Solidarität zum Habsburgerreich ihr Erscheinen aufgrund des Kriegsausbruches in Preußen zeitweilig einstellte.419 Nach mehrmonatiger Pause wurde die Zeitung wieder herausgegeben und erst 1870 nach mehrmaligem Besitzerwechsel wegen mangelnden Interesses, fehlender finanzieller Mittel und Gegenwehr vonseiten bestimmter slowenischer Kreise eingestellt.420
Die politischen Auseinandersetzungen zwischen den deutschen und slowenischen Liberalen beeinflussten auch das Pressewesen nachhaltig. Im Jahr 1868 wurde als Gegenstück zur Triglav das Laibacher Tagblatt gegründet, das als Sprachrohr für die liberale deutschsprachige Bevölkerung in Krain vorgesehen war und vom Konstitutionellen Verein herausgegeben wurde.421 Die Liberalen in Laibach und Krain folgten dem Beispiel der liberalen Bewegung in anderen habsburgischen Ländern und forderten u.a. die freie Wahl von politischer und
415 Etbin Henrik Costa (geb. 1832, Nove Mesto; gest. 1875, Laibach), Bürgermeister der Stadt Laibach (1864- 1869), katholisch-konservativer Politiker. 416 Johann (Janez) Bleiweis (geb. 1808, Krainburg; gest. 1881, Laibach), Veterinärmediziner, katholisch- konservativer Politiker, Publizist. 417 Žigo , Presse 2. Teil, S. 132. 418 Triglav, 3. Jänner 1865, S. 1. 419 Žigo , Lo alität, “. f. 420 ‘ajšp, P esse ese , “. . 421 Žigo , P esse . Teil, “. 136.
83 religiöser Gesinnung, die Demokratisierung des politischen Lebens und eine liberalwirtschaftliche Ökonomie. Diese politischen und wirtschaftlichen Ansichten waren stets in dem neu gegründeten Blatt zu erkennen. In Bezug auf die aufkeimende nationale slowenische Bewegung waren die Redakteure des Laibacher Tagblattes überzeugt, dass diese Bewegung ohne Bezug auf die deutsche Kultur und Sprache keine Überlebenschance hätte. Dieser Ansicht wurden die Redakteure allerdings Lügen gestraft, denn ab den 1880er Jahren übernahmen die Slowenen die Mehrheit in den großen Gremien der Stadt und des Landes.422 Der Redakteur des Laibacher Tagblattes war Ottomar Bamberg423, in dessen Druckerei auch die Zeitung gedruckt wurde. Ottomar Bamberg war der Enkel von Ignaz von Kleinmayr424, Spross der bekannten Buchdruckerfamilie aus Laibach, und führte die Familiendruckerei nach dem Tod des Vaters Fedor Bamberg425 unter dem Namen Kleinmayr&Bamberg weiter. Durch eine sehr politische und auch teilweise beleidigende Schreibweise geriet allerdings das Laibacher Tagblatt mit dem Landespräsidenten Krains, Andreas Freiherr von Winckler426, in einen Konflikt, sodass dieser mit dem Entzug des Druckes der Laibacher Zeitung drohte, sollte der Druck des Blattes nicht eingestellt werden. Die Druckerei Kleinmayr&Bamberg entschied sich gegen das Laibacher Tagblatt und somit wurde die Zeitung im Jahr 1880 eingestellt. An deren Stelle erschien das Laibacher Wochenblatt. Die neue Zeitung wurde von den Deutschen in Krain redigiert, verfolgte jedoch einen mäßigeren liberalen Kurs als das Laibacher Tagblatt. Gedruckt wurde das neue Blatt nicht mehr in Laibach, sondern in der Druckerei Leykam in Graz, da die Druckerei Kleinmayr&Bamberg, eingeschüchtert von den Drohungen des Landespräsidenten, auf den Druck des neuen Blattes verzichtet hatte.427 Diese neue Zeitung hatte nichts mit dem Laibacher Wochenblatt in den 1810er Jahren als Vorläufer des Illyrischen Blattes gemein. Das neue Laibacher Wochenblatt diente der verfassungstreuen Partei als Sprachrohr ihrer liberalen Ideen und hetzte vordergründig gegen die Slowenen, in einer Zeit, in der der nationale Konflikt zwischen den Deutschen und Slowenen immer mehr zunahm.428
422 Vodopivec, Presse, S. 143f. 423 Ot(t)omar Bamberg (geb. 1848, Laibach; 1934, Laibach), Druckereibesitzer. 424 Ignaz von Kleinmayr (geb. 1795, Seisenberg; gest. 1874, Laibach), Verleger, Buchdrucker; Sohn des Ignaz Josef Alois Kleinmayr, seinerseits Gründer der Laibacher Zeitung. 425 Fedor Bamberg (geb. 1817, Gallschütz; gest. 1872, Laibach), Verleger und Buchdrucker. 426 Andreas Freiherr von Winckler (geb. 1825, Görz; gest. 1916, Graz), Landespräsident des Herzogtums Krain (1880-1892), national-slowenischer Politiker. 427 Žigo , P esse . Teil, “. f. 428 Žigo , Lo alität, “. f.
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Im Jahr 1893 verstarb der letzte Redakteur des Blattes und mit ihm das Laibacher Wochenblatt.
Als wichtigster Vertreterin der deutschsprachigen untersteirischen Presselandschaft galt die Marburger Zeitung. Obwohl sie nicht dem Gebiet Krain und Laibach angehörte, nahm sie im historischen Slowenien trotzdem eine gewichtige Rolle ein und bildete einen Gegenpol zu den Laibacher Zeitungen. Erstmals erschien das Blatt im Jahr 1862 unter dem Titel Correspondent für Untersteiermark und als Drucker und Verleger fungierte Eduard Janschitz429 aus Marburg an der Drau. Die Zeitung erhielt in den Folgejahren unterschiedliche Titel, u.a. Tagesbote für Untersteiermark, Marburger Korrespondent und schlussendlich Marburger Zeitung. Neben dem Hauptblatt erschienen ebenfalls zwei Beiblätter, nämlich die literarische Sonntags- Beilage, die in den Jahren 1886 bis 1898 herausgegeben wurde sowie einige Nummern des slowenischsprachigen Blattes Slobodni Slovenec (Der freie Slowene), das in den Jahren 1870 und 1871 die politisch-wirtschaftlichen Interessen vertrat. 430 Die Marburger Zeitung verfolgte anfangs liberale Tendenzen, die in den 80er Jahren von deutsch-nationalen Interessen abgelöst wurden, die als Reaktion auf die slowenische Nationalbewegung galten. Die Leserschaft der Marburger Zeitung bestand großteils aus der gebildeten, deutschsprachigen Stadtgemeinde Marburgs. Die deutsche Sprache nahm in Marburg Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts eine dominierende Rolle ein. Die Stadt pflegte einen deutschkulturellen Charakter, der auch in der Marburger Zeitung häufig rezipiert wurde.431 Das Blatt überstand den Ersten Weltkrieg, wobei in den Zwischenkriegsjahren die Berichterstattung über die slowenische Kultur rasant anstieg und die Zeitung den neuen Namen Mariborer Zeitung erhielt. Im Mai 1945 musste das Periodikum endgültig eingestellt werden.432
Auch nach dem Ende der Habsburgermonarchie 1918 durften in Krain und der Untersteiermark weiterhin deutsche Zeitungen veröffentlicht werden. Die Anzahl der tatsächlich publizierten Periodika sank jedoch zunehmend. Zusätzlich änderten sich die Inhalte und Ansichten, denn über die österreichische und deutsche Politik wurde im Vergleich zur slowenischen und jugoslawischen relativ wenig berichtet. Vereinzelt konnte die deutsche
429 Eduard Janschitz (Ja žič), (geb. 1827, Marburg a.D.; gest. 1882, Marburg a.D.), Verleger und Druckereibesitzer. 430 Matjaž Bi k/ Anja Urekar, Zum Bild der slowenischen Literatur und Kultur in der Marburger Zeitung. In den drei Dekaden (1862-1890) und darüberhinaus, in: Regionalpresse Österreich-Ungarns und die urbane Kultur, hrsg. von Vlado Obad, Wien 2007, S. 85-114, hier S. 85ff. 431 Birk/ Urekar, Bild, S. 89. 432 Birk/ Urekar, Bild, S. 110.
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Leserschaft noch Berichte über deutschsprachige Kulturveranstaltungen oder Rezensionen deutscher Bücher in den Zeitungen lesen. Im Allgemeinen blieb die Berichterstattung der deutschen Zeitungen nach dem Ersten Weltkrieg ziemlich neutral. Trotz allem hatten die Zeitungen für die deutschsprachige Minderheit eine große Bedeutung.433
6.1. Die Laibacher Zeitung
Die Laibacher Zeitung ist die älteste und ebenfalls die am längsten existierende Zeitung der drei zu vergleichenden Blätter. Im 18. Jahrhundert gab es verschiedenste informative Wochenblätter in Laibach und Umgebung, die in unregelmäßigen Abständen offizielle Mitteilungen aus dem Habsburgerreich, nicht aber lokale Nachrichten unter die Bevölkerung brachten, z.B. Wöchentliche Ordinari-Laybacher-Zeitungen oder Wöchentliche Extra-Ordinari Zeitungen. Der Verleger Ignaz Alois Kleinmayr434 beschloss 1783 eine Zeitung zu gründen, die regelmäßig erschien und der Tradition dieser Ordinari-Blätter entsprang. Das Blatt nannte Kleinmayr Wöchentlicher Auszug von Zeitungen und es wurde schlussendlich 1784 in Laibacher Zeitung umbenannt. Die Zeitung beinhaltete wie ihre Vorgänger anfangs fast ausschließlich offizielle Mitteilungen von den Wiener Amtsblättern, erweiterte jedoch ihr Spektrum im Laufe der Jahre mit Handelsberichten sowie auch Berichten über lokale Geschehnisse kultureller, politischer und wirtschaftlicher Art. Die Laibacher Zeitung bestand anfangs aus vier Seiten und wurde einmal wöchentlich herausgegeben.435 Angespornt durch den Erfolg, den Ignaz Alois Kleinmayr mit der Herausgabe seiner Zeitung hatte, versuchten verschiedene Druckereibesitzer ebenfalls kontinuierlich erscheinende Blätter zu publizieren. Am erfolgreichsten erfüllte Johann Leopold Eger436 die Aufgabe, ein Konkurrenzblatt herauszubringen, indem er im August 1800 die Leopold Egerische Laibacher Zeitung veröffentlichte. Beide Zeitungen ähnelten sich jedoch sehr und publizierten teilweise die exakt selben Artikel, sodass die beiden Verleger, Kleinmayr und Eger, schließlich beschlossen, ein gemeinsames Blatt herauszugeben, nämlich die Vereinigte Edel von Klei ayer’s he u d
433 Vodopivec, Presse, S. 145. 434 Ignaz Josef (Alois) Kleinmayr (geb. 1745, Klagenfurt; gest. 1802, Seisenberg), Druckereibesitzer und Verleger. 435 Mi a Miladi o ić )alaz ik, Das Revolutionsjahr 1848 in den Laibacher Blättern Laibacher Zeitung, Illyrisches Blatt und Kmetijske in rokodelske novice, in: Literarisches Leben in Österreich 1848-1890, hrsg. von Klaus Amann/ Hubert Lengauer/ Karl Wagner, Wien-Köln-Weimar 2000, S. 601-623, hier S. 602f. 436 Johann Leopold Eger (geb. 1773, Laibach; gest. 1829, k.A.), Verleger.
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Leopold Eger’s he Lai a her Zeitu g.437 Im Jahr 1810, nach der Annexion der Illyrischen Provinzen durch Napoleon, wurde das mittlerweile in Vereinigte Laibacher Zeitung umbenannte Blatt zwischenzeitlich eingestellt. Nach der Zurückeroberung des Gebietes durch die österreichischen Truppen konnte die Vereinigte Laibacher Zeitung wiederum ab Oktober 1813 veröffentlicht werden. Das Blatt erschien unter der Leitung von Joseph Sassenberg438, der einige Jahre zuvor die Druckerei Kleinmayr als Pächter übernommen hatte. Ab dem Jahr 1821 wurde das Blatt in Laibacher Zeitung umbenannt und von Ignaz von Kleinmayr als Verleger und Chefredakteur geführt.439 In den Folgejahren steigerte sich die Erscheinungsweise auf zwei- bis dreimal wöchentlich, bis das Blatt im Jahr 1850 in eine Tageszeitung umgewandelt wurde und bis ans Ende des Bestehens auch blieb. Die Laibacher Zeitung galt stets als offizielle Zeitung und hatte auch bei weitem die größte Abnehmerzahl aller deutschsprachigen Zeitungen im historischen Slowenien.
Neben der Laibacher Zeitung erschienen zusammen mit dieser noch verschiedene Beilagen und zusätzliche Beiblätter: das Intelligenz-Blatt zur Laibacher Zeitung (von 1814 bis 1874), das Amts-Blatt zur Laibacher Zeitung (1828-1913), das Anzeigenblatt zur Laibacher Zeitung (1881- 1900). Das erste Beiblatt der Laibacher Zeitung erschien 1804, nannte sich Laibacher Wochenblatt und trug den Untertitel Zum Nutzen und Vergnügen. Als Zugabe zur Edel von Kleinmayerschen Laibacher Zeitung.440 Das Blatt kann der Sparte der Unterhaltungsblätter zugeordnet werden, da darin mehrheitlich geographische und historische Beiträge sowie kulturelle Artikel veröffentlicht wurden. Im Jahr 1819 löste das Illyrische Blatt das Laibacher Wochenblatt ab und setzte die Tradition des Unterhaltungsblattes fort. So kam es, dass in der letzten Ausgabe des Laibacher Wochenblattes am 25. Dezember 1818 ein Bericht über „“tatistis h-topographische Beschreibung des Bezirks Münchendorf it de „Die Fo tsetzu g folgt 441 gekennzeichnet war und die genannte Weiterführung in der ersten Ausgabe des Illyrischen Blattes442 erfolgte. Das Unterhaltungsblatt, in dem auch das Feuilleton untergebracht war, erhielt den zusätzlichen Titel Zeitschrift für Vaterland, Kunst, Wissenschaft
437 Tanja Žigo , Deutschsprachige Presse in Slowenien (1707-1945). 1. Teil: Deutschsprachige Presse in Krain bis 1860, in: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (Band 12/ 2004), hrsg. vom Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, München-Oldenburg 2004, S. 199-204, hier S. 221ff. 438 Joseph Sassenberg (geb. 1773, Laibach; gest. 1849, Laibach), Verleger. 439 Žigo , Presse 1. Teil, S. 225f. 440 Laibacher Wochenblatt, o.D. 1804 (Nr. 1). 441 Laibacher Wochenblatt, 25. Dezember 1818, S. 3. 442 Illyrisches Blatt, 1. Jänner 1819, S. 1.
87 und geselliges Leben und wurde für weitere 30 Jahre herausgegeben, bis es im Jahr 1849 sein Erscheinen einstellen musste. Eine weitere Kulturbeilage der Laibacher Zeitung erschien in den Jahren 1857 bis 1865 einmal wöchentlich und erhielt den Namen Blätter aus Krain. Als Beiblatt der Laibacher Zeitung wurde sie ebenfalls im Verlag Kleinmayr&Bamberg herausgegeben und gedruckt. Als verantwortlicher Redakteur und Herausgeber zeichnete einer der Verlagsbesitzer, nämlich Fedor Bamberg, Schwiegersohn des Ignaz von Kleinmayr. Das Hauptaugenmerk der Blätter aus Krain lag auf Literatur, Kritik und Populärwissenschaft, sodass in der Zeitung häufig Theaterkritiken, Buchrezensionen, Reisereportagen und poetische Literatur zu finden waren. Das Blatt sollte zur Verbesserung der Bildung und insbesondere zur Aufwertung des Bürgertums als Kulturträger dienen. Fedor Bamberg veröffentlichte in den Blättern aus Krain Beiträge zur slowenischen Geschichte, Geographie, Kultur und Ethnographie und es erfolgte auch ein Austausch mit slowenischen Zeitungen. Dies war insofern möglich, da zu diesem Zeitpunkt der nationale Konflikt erst in den Startlöchern stand und es erst später zu einer Polarisierung kam.443
Mitte des 19. Jahrhunderts war Leopold Kordesch, der Herausgeber der Carniolia, ebenfalls Teil des Redaktionsteams der Laibacher Zeitung444 und gleichzeitig Chefredakteur des Illyrischen Blattes. Ein weiterer bekannter Journalist, der in den 1880er Jahren als verantwortlicher Redakteur die Geschicke der Laibacher Zeitung lenkte, war Peter von Radics. Radics arbeitete als Redakteur und Journalist für verschiedenste Zeitungen wie für die Agramer Zeitung (Zagreb), den Österreichischen Volksfreund (Wien), den Pester Lloyd (Budapest) und auch für die Zeitung Triglav in Laibach.445 Peter von Radics war Zeit seines Lebens in der slowenischen und deutschen Kultur verankert und wechselte auch häufig zwischen den beiden Sprachen. Im Wesentlichen sah er sich als Krainer und verfolgte daher auch liberale Interessen und einen prohabsburgischen Kurs, die beide das Krainer Deutschtum kennzeichneten. Seine Ansichten konnte er als Redakteur in der Laibacher Zeitung einem
443 Matjaž Bi k, Kultu äu e ‚P o i z u d ‚Met opole i Blätte aus K ai Lai a h/Lju ljana, 1857-1865), in: Deutschsprachige Öffentlichkeit und Presse in Mittelost- und Südosteuropa (1848-1948), hrsg. von Andrei Corbea-Hoișie/ Io Liha iu/ Ale a de ‘u el, Iași , S. 223-240, hier S. 228ff. 444 Mi a Miladi o ić )alaz ik, ‘e olutio sjah , S. 606. 445 M. ‘ ář, Peter Paul von Radics, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Band 8, hrsg. von Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1982, S. 374.
88 größeren Publikum zugänglich machen.446 Von 1895 bis zum Ende der Laibacher Zeitung 1918 fungierte Anton Funtek447 als Chefredakteur des Blattes.448
Am Montag, den 28. Oktober 1918 erschien ohne Abschiedsworte die letzte Ausgabe der Laibacher Zeitung. „De Natio al at de “lo e e , K oate u d “e e hat de o gige Tag zum Nationalfeiertag erklärt und bestimmt, dass aus diesem Anlasse die Arbeit überall zu ruhen habe. Unse Blatt i d dahe o ge i ht ausgege e e de . 449 Die Redakteure kündigten zwar das Nichterscheinen am nächsten Tag aufgrund des Nationalfeiertages des neuen Staates der Slowenen, Kroaten und Serben an, allerdings wurde auch an den folgenden Tagen keine Laibacher Zeitung mehr veröffentlicht. Mit dem Ende des Habsburgerreiches endet somit auch die Herausgabe der Laibacher Zeitung.450
7. Der formale Aufbau im Vergleich der drei Periodika
Bei einem Vergleich des äußerlichen Erscheinungsbildes der drei Zeitungen fällt auf, dass sich die Bozner Zeitung und die Czernowitzer Zeitung in vielerlei Hinsicht ähneln, wohingegen die Laibacher Zeitung einen leicht veränderten Aufbau vorzuweisen hat. Bereits beim ersten Blick
Abbildung 5: Zeitungskopf, Laibacher Zeitung. des Lesers auf den Zeitungskopf prangt bei allen drei Zeitungen mittig in klar leserlicher Schrift der Titel der Zeitung. Angelehnt an die Wiener Zeitung, das semioffizielle Organ der Donaumonarchie, setzte die Laibacher Zeitung zusätzlich noch auf das Wappen des
446 Žigo , Lo alität, S. 54f. 447 Anton Funtek (geb. 1862, Laibach; gest. 1932, Laibach), Lehrer, Übersetzer, Redakteur der Laibacher Zeitung. 448 Žigo , Presse 1. Teil, S. 227. 449 Laibacher Zeitung, 28. Oktober 1918, S. 4. 450 Žigo , Loyalität, S. 42.
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Habsburgerreiches451, welches die beiden Wörter des Titels trennt. Teil des Zeitungskopfes ist bei allen Zeitungen die Angabe des Bezugspreises sowie auch die Insertionsgebühr.
Abbildung 6: Zeitungskopf, Czernowitzer Allgemeinen Zeitung. Bei der Bozner Zeitung und der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung säumen diese Angaben die jeweils linke und rechte Seite des Titels. Die Laibacher Zeitung formuliert diese Angaben in einem Feld unterhalb des Titels. An unterschiedlichen Positionen befindet sich auch die Angabe zu Nummer, Datum und Jahrgang, die zwar vom Layout her bei allen drei Zeitungen identisch gestaltet ist, jedoch bei der Laibacher Zeitung oberhalb und bei der Bozner Zeitung und der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung am unteren Rand des Zeitungskopfes angesiedelt ist. Zusätzlich befindet sich noch eine Angabe zum Standort der Administration und der Redaktion auf allen Blättern, die laut presserechtlichen Vorgaben angegeben werden musste. Die Laibacher Zeitung informiert ihre Leser außerdem über die Sprechstunde der Redaktion, wohingegen bei der Bozner Zeitung und der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung und in späteren Jahren ebenso bei der Laibacher Zeitung die Telefonnummer bzw. die Fernsprechstelle im Zeitungskopf angegeben wird. Im Gegensatz zu den beiden anderen Zeitungen wird bei der Bozner Zeitung außerdem der Untertitel des Blattes, Südtiroler Tagblatt, in Klammern genannt.
Abbildung 7: Zeitungskopf, Bozner Zeitung.
451 Der Doppeladler mit einem Schild mit dem Wappen des Hauses Habsburg-Lothringen inklusive des Ordens vom Goldenen Vlies und darüber die österreichische Kaiserkrone.
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Die Bozner Zeitung weist zusätzlich bereits im Zeitungskopf als einzige Zeitung auf die Unterhaltungs-Beilagen des Blattes hin. Das Layout des Zeitungskopfes änderte sich im analysierten Zeitraum bis zum Ende des Ersten Weltkrieges bei der Bozner Zeitung und der Laibacher Zeitung kaum. Der Tatsache geschuldet, dass die Czernowitzer Allgemeine Zeitung und das Czernowitzer Tagblatt eine gemeinsame Kriegsausgabe herausgaben, erlebte das Blatt in den Jahren 1917 bis 1920 eine Umgestaltung der Titelseite.
Bei einer weiteren Durchsicht der Periodika ist ersichtlich, dass der Textkörper bei allen drei Zeitungen in jeweils drei Spalten gegliedert ist und eine neue Rubrik stets mit einer hervorgehobenen, dickeren Schriftstärke und klar ersichtlichen Trennlinien gekennzeichnet wird. Die einzelnen Artikel innerhalb einer Rubrik werden entweder durch einen fettgedruckten Titel, einen Gedankenstrich oder durch einen vergrößerten Einzug deutlich gemacht.
Alle drei Blätter besitzen ein Feuilleton, das abgetrennt von den restlichen Nachrichten am unteren Rand – sog. „u te de “t i h – auf den ersten ein bis drei Seiten der Zeitung angesiedelt ist. Das Feuilleton übernimmt den Auftrag, literarische, belehrende und unterhaltende Beiträge zu liefern, die sich häufig mit Kultur und Politik auseinandersetzen.452 Das Feuilleton lässt außerdem aufgrund seiner Inhalte auf ein (bildungs)bürgerliches Lesepublikum schließen, sodass das Feuilleton in den Südtiroler Zeitungen um 1900 aufgrund deren großteils bürgerlichen Leserschaft alleinig in den liberalen Blättern vorkam und somit die Bozner Zeitung als eine der wenigen Zeitungen südlich des Brenners diese Rubrik vorzuweisen hatte.453
Die Laibacher Zeitung und die Bozner Zeitung steigerten im Laufe der Zeit ihre Erscheinungsweise zusehends, sodass beide Zeitungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Kategorie der Tageszeitungen zugeordnet werden können. Dies hing mit einem Anstieg des Bürgertums zusammen sowie mit dessen erhöhtem Einkommen, denn dadurch konnten sich die Bürger täglich eine Zeitung leisten und damit ihrem Habitus nachgehend sich die Welt lesend aneignen. Ebenso wie die anderen Blätter erschien die Czernowitzer Allgemeine Zeitung täglich, allerdings aufgrund der sehr viel späteren Gründung wurde sie von Beginn an
452 A o Maie ugge , Das „histo is he )eitu gs-Feuilleton. Forschungsprobleme aus der Sicht der Kommunikationsgeschichte, in: Zeitungen im Wiener Fin de Siècle. Eine Tagung der A eitsge ei s haft „Wie u de öste ei his he Fo s hu gsge ei s haft, h sg. o “igu d Paul “ hei hl/ Wolfga g Duchkowitsch, Wien 1997, S. 148-156, hier S. 149ff. 453 Volgger, Pressewesen, S. 37.
91 als Tageszeitung herausgebracht. Die tägliche Erscheinungsweise inkludierte einen Tag, an dem keine Ausgabe veröffentlicht wurde. Bei einem Großteil der Zeitungen war dies der Sonntag, so auch bei der Bozner Zeitung und der Laibacher Zeitung, wobei letztere dies sogar im Zeitungskopf formuliert hatte: „Die ‚Lai a he )eitu g e s heint täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Feie tage 454. Im Unterschied dazu wurde die Czernowitzer Allgemeine Zeitung am Montag nicht publiziert. Erste Vermutungen lassen aufgrund des unterschiedlichen Erscheinungsortes auf diese Ungleichheit schließen, denn die Periodika der Bukowina wurden zum größten Teil montags nicht herausgebracht. Dies ist allerdings nicht ausschließlich der Fall, denn die Südtiroler Zeitung Bozner Nachrichten erschien ebenfalls nicht am Montag, wohingegen der Großteil der anderen Zeitungen des Gebietes sonntags nicht publiziert wurde. Ab Mitte des Jahres 1912 führte die Redaktion der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung sogar eine verkürzte Vormittags- bzw. Mittagsausgabe ein, die an allen Tagen außer sonntags erschien. Somit konnte die Leserschaft der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung jeden Tag mit Informationen versorgt werden.
Der Umfang der Bozner Zeitung und der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung lag an den Wochentagen meist bei acht Seiten. Die Seitenanzahl der Laibacher Zeitung hingegen blieb stets konstant bei sechs Seiten, ebenso der Wochenend- und Feiertagsausgaben. Die beiden erstgenannten Zeitungen konnten jedoch bei der Samstags- bzw. Sonntagsausgabe bis zu zwölf Seiten aufweisen. Besonders die Wochenendnummern zur Weihnachtszeit waren bei der Bozner Zeitung und der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung von einem enormen Anstieg der Seitenanzahl gekennzeichnet, mit dem Ergebnis, dass die beiden Zeitungen häufig mehr als 20 Seiten umfassten. Der Grund für diesen großen Zuwachs der Seitenanzahl war der umfangreiche Inseratenteil, der zur kauffreudigen Zeit um Weihnachten ein Hoch erlebte. Die Bozner Zeitung vergrößerte ihren Inseratenteil an diesen Tagen von ungefähr vier Seiten auf bis zu 16.455 Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung steigerte ihren Umfang ebenfalls durch die Zunahme der Annoncen, aber auch durch eine zusätzliche illustrierte Extra- Weihnachtsbeilage. Dieses Beiblatt beinhaltete erweiternde Informationen zu den Tagesthemen, kulturelle Beiträge wie Gedichte und Geschichten und wiederum eine Vielzahl an Inseraten.456 Trotz der Vermutung, dass die Czernowitzer Allgemeine Zeitung als von Juden
454 Laibacher Zeitung, 19. September 1904, S. 1. 455 Bozner Zeitung, 24. Dezember 1910. 456 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 25. Dezember 1904, S. 15ff.
92 herausgegebenes Blatt auch an den jüdischen Feiertagen Extra-Ausgaben veröffentlichte bzw. in einem größeren Umfang gedruckt wurden, war dies nicht der Fall. Nur zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur setzte das Erscheinen des Blattes aus. Im Allgemeinen blieb der Umfang der drei Periodika Anfang des 20. Jahrhunderts ziemlich konstant und erst in den späten Kriegsjahren war ein Rückgang der Seitenanzahl bei der Bozner Zeitung und der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung zu erkennen. Bei der Laibacher Zeitung wurde der Umfang teilweise größer, da die Zeitung täglich eine ausführliche Kriegsberichterstattung publizierte und amtliche Mitteilungen häufig in deutscher und slowenischer Sprache veröffentlicht wurden.457
Beim Blick auf die Gliederung der verschiedenen Zeitungen ist zu erkennen, dass bei allen drei Periodika jeweils die ersten vier bis fünf Seiten aus unterschiedlichen Rubriken mit politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Neuigkeiten und Informationen bestanden. Die restlichen Seiten der an Wochentagen üblichen acht Seiten der Bozner Zeitung und der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung sowie sechs Seiten der Laibacher Zeitung waren gefüllt mit Inseraten und Annoncen. Bei der Laibacher Zeitung ist somit ein deutliches Übergewicht des informationsträchtigen Teils zu erkennen.
Die Einteilung der Informationsseiten der drei Periodika erfolgte nach einem sehr ähnlichen Schema, allerdings gab es je nach Zeitung leichte Veränderungen sowie unterschiedliche Bezeichnungen der einzelnen Rubriken. Als alleiniges Merkmal besaß die Czernowitzer Allgemeine Zeitung auf der ersten Seite direkt a A fa g ei e ku ze „Ue e si ht de wichtigsten Ereignisse. Dieser Vorläufer eines Abbildung 8: „Ue ersi ht“, Czer o itzer Allge ei e Zeitu g. Inhaltsverzeichnisses informierte in Stichwörtern über die in dieser Ausgabe erläuterten Themen. Das Lesepublikum sollte in Form dieser Übersicht eine schnelle Zusammenfassung und einen Überblick über die Geschehnisse des Tages erhalten. Ein solches Inhaltsverzeichnis war bei der Laibacher Zeitung und der Bozner Zeitung nicht vorhanden.
457 Laibacher Zeitung, 31. Dezember 1917.
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Da es sich bei der Laibacher Zeitung um das offizielle Amtsorgan der Region handelte, e öff ete das Pe iodiku die e ste “eite stets it de „A tli he Teil , in dem offizielle Bekanntmachungen veröffentlicht wurden. Diese ‘u ik folgte ei ku ze „Ni hta tli he Teil , de e e falls Kundmachungen sowie auch Berichte über das Kaiserhaus und die innen- und außenpolitische Lage publizierte. Auf der ersten Seite der Bozner Zeitung befand sich der Leitartikel, der fast immer vonseiten der Redaktion oder vermehrt von einem Spezialisten und Gastautor zu einer aktuellen Thematik verfasst wurde. Die ausgewählten Persönlichkeiten, häufig Abgeordnete verschiedener politischer Institutionen, wie dem Stadt-, Land- oder Reichsrat, teilten die politische, wirtschaftliche und kulturelle Einstellung der Zeitung und versuchten, anhand der Leitartikel die Rezipienten in ihrer Meinungsbildung zu überzeugen.458 Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung veröffentlichte Leitartikel nicht täglich und etliche Male auch ohne Angabe des Verfassers bzw. in Form von anonymen Autoren, so z.B. in einer Ausgabe vom 16. April 1914, in der ein Leitartikel über eine mögliche Sonntagsruhe der jüdischen Geschäftsleute kommentiert wurde und diese it de )usatz „Vo ei e jüdis he Ges häfts a i d u s ges h ie e 459 versehen wurde. Der Leitartikel war meist der einzige Beitrag, bei dem häufig, jedoch nicht immer, der Verfasser des Artikels angegeben wurde. Die restlichen Artikel waren bei der Laibacher Zeitung und der Bozner Zeitung weder mit einem Kürzel gekennzeichnet noch wurde der Name des Autors genannt. Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung versah Meinungsbeiträge zu einem Thema stets mit dem Namen des Verfassers.
Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung veröffentlichte nach der Übersicht und vor der eigentlichen Rubrik der politischen Berichterstattung wiederholt in kurzer Form die Kolumne „De K ieg , o i eue I fo atio e o elt eite K iegssituatio e ges hilde t u de . Diese Rubrik entstand nicht erst während des Ersten Weltkrieges, sondern war bereits in den ersten Jahren der Zeitung um 1904 aufgrund des vom benachbarten Russischen Kaiserreich geführten Russisch-Japanischen Krieges lanciert und je nach Geschehnissen dann fortgeführt oder zwischenzeitlich eingestellt worden.
Die fortführenden Rubriken wiesen bei allen drei Zeitungen einen ähnlichen inhaltlichen Aufbau auf und wichen nur in einzelnen Aspekten voneinander ab. Alle Periodika begannen mit der politischen Berichterstattung, die allerdings in allen drei Zeitungen jeweils einen
458 Volgger, Pressewesen, S. 33. 459 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 16. April 1914, S. 1.
94 anderen Namen trug. Die Bozner Zeitung a te diese ‘u ik „Vo politis he “ hauplatze und teilte sie klar ersichtlich in die Kategorien In- und Ausland ein. Das Pendant dazu in der Laibacher Zeitung u de als „Politis he Ü e si ht etitelt u d ei haltete oh e U te teilu g Berichte über die Politik im In- und Ausland. Die Rubrik für politische Berichterstattung in der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung t ug de Na e „Vo Tage u d die Beit äge u de meist anhand bestimmter Regionen gegliedert, beispielsweise „Vo Balka . Infolge der nahenden Kriegswirrnisse verkleinerte sich die ausführliche politische Berichterstattung im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zusehends und häufig erschienen politische Geschehnisse nur noch als unkommentierte Agenturmeldungen, meist in Form von Telegrammen wiedergegeben.
Als zweite große Rubrik der informationsträchtigen Seiten folgte die Chronik. Bei der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung als „Bu te Ch o ik , bei der Laibacher Zeitung und der Bozner Zeitung je eils als „Tages euigkeite ezei h et, informierte diese Kolumne über interessante Geschehnisse weltweit. Die Beiträge brachten der Leserschaft ein breites Spektrum an Informationen und Ereignissen näher, die die ganze Welt umfassten, u.a. über eine Frauenkonferenz in Kopenhagen460, über Expeditionen in die Antarktis461 als auch über Künstler in London462. Das Interesse für Themen aus der ganzen Welt lässt auf eine Weltoffenheit der Leserschaft schließen, die über regionale Nachrichten hinaus auch mehr über internationale Belange erfahren mochte. Des Öfteren wurden in der Chronik Berichte ü e eueste E fi du ge u d E tde ku ge pu lizie t ie u.a. „G aha Bells Flugd a he 463.
Auf die Artikel der weltweiten Geschehnisse in der Chronik folgte bei allen drei Periodika die egio ale Be i hte stattu g. Die „Cze o itze A gelege heite , die „Na h i hte aus Ti ol so ie die „Lokal- und Provinzial-Na h i hte de Laibacher Zeitung beschäftigten sich mit der politischen und lokalen Chronik der jeweiligen Gebiete. Die Beiträge besprachen Ereignisse, die sich in der Stadt bzw. in der umliegenden Region zugetragen hatten. Häufig wurde dabei auch über unterschiedlichste kulturelle und gesellschaftliche Veranstaltungen berichtet. In allen drei Zeitungen finden sich außerdem öfters Beiträge über das Thema Bildung und deren einheimischen Institutionen. In der Bozner Zeitung erschien ein Artikel über die höhere
460 Bozner Zeitung, 27. August 1910, S. 4. 461 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 17. April 1914, S. 2. 462 Laibacher Zeitung, 14. Juli 1904, S. 2. 463 Laibacher Zeitung, 12. Juli 1904, S. 2.
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Töchterschule464, die Laibacher Zeitung veröffentlichte einen Bericht über eine Lehrmittelausstellung und die Bezirkslehrerkonferenz in Laibach465 und die Czernowitzer Allgemeine Zeitung berichtete über das Für und Wider von Minoritätsschulen466. Die Darlegung solcher Gegebenheiten durch die Herausgeber lässt auf das Bürgertum als Zielgruppe der Zeitungen schließen, dessen Kinder diese Institutionen frequentierten.
Die Laibacher Zeitung veröffentlichte zudem anschließend an die Hauptrubriken täglich die ‘u ik „Theate , Ku st u d Lite atu , die Ei li ke i das kultu elle Le e Lai a hs u d der Umgebung lieferte. Ein Pendant dazu gab es in der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung mit dem fast ide tis he Titel „Theate , Lite atu u d Kultu . Diese Kolu e e s hie alle di gs u sporadisch und beleuchtete Theaterstücke sowie Literaturerscheinungen und kulturelle Veranstaltungen genauer. Gegen Ende des Informationsteils publizierten die einzelnen Zeitungen noch verschiedenste weitere, kleine Rubriken, die teilweise konstant, aber auch häufig unregelmäßig erschienen ie z.B. „Aus de Ge i htssaale ode „‘e htspflege , „Ve is htes ode au h „Ve ei s a h i hte . Die letzte Kolumne ist insofern interessant, da zusätzlich in den Inseraten ebenfalls häufig für Vereine inseriert wurde. Die Vereinskultur galt als essentieller Bestandteil des Bürgertums, was daher auf ein bürgerliches Lesepublikum schließen lässt. Bemerkenswert ist die große Anzahl an wirtschaftlichen Rubriken, u.a. „Oeko o is hes i de Czernowitzer Allgemeinen Zeitung, „Ha del- u d Volks i ts haft i der Bozner Zeitung sowie die kompletten Aktienstände der Wiener Börse in der Laibacher Zeitung, die die Abonnenten – vielfach Kaufleute – in den drei Periodika nachlesen konnten. Als abschließender Part des informationsträchtigen Teils erschienen in allen drei Zeitungen noch unkommentierte Agenturmeldungen, die des Öfteren erst nach Presseschluss in der Redaktion eintrafen u d so it häufig als „Letzte Teleg a e o h e öffe tli ht u de . Während des Ersten Weltkrieges wurden vielfach anstelle der ausführlichen Berichte ausschließlich Telegramme gedruckt.
Der Inseratenteil der Laibacher Zeitung war im Vergleich zu den beiden anderen Periodika um einiges kleiner – teilweise befanden sich nur vereinzelt Anzeigen in dem Blatt – was auf verschiedene Gründe hinweisen lässt, u.a. auf eine geringere Rentabilität vonseiten der Inserenten. Hingegen lassen die große Anzahl an Annoncen und Inseraten in der Bozner
464 Bozner Zeitung, 3. August 1903, S. 2. 465 Laibacher Zeitung, 14. Juli 1904, S. 3. 466 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 29. Juli 1905, S. 5.
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Zeitung und der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung darauf schließen, dass es für heimische Betriebe sowie auch für überregionale Unternehmen lukrativ war, speziell in dieser Zeitung zu inserieren, da die Abnehmer dieser beiden Blätter einer kauffreudigeren gehobenen Schicht angehörten.
Grundsätzlich befanden sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Anzeigen bei allen drei Zeitungen in einem eigens gekennzeichneten Block am Ende des Blattes. Die Redaktion der Bozner Zeitung versah den Beginn der Inserate wie folgt: „Ei gese det. Fü Fo u d I halt diese ‘u ik ist die ‘edaktio i ht e a t o tli h. 467 Die Laibacher Zeitung führte ihren formalen Aufbau bis zu deren Einstellung 1918 fort. Hingegen übernahmen die Czernowitzer Allgemeine Zeitung und die Bozner Zeitung ungefähr zeitgleich, Anfang des Jahres 1912, sporadisch eine erweiterte, moderne Form der Werbeanzeigen. Der Großteil der Inserate befand sich weiterhin geblockt am Ende der Zeitung, allerdings wurden vereinzelt auch Geschäftsanzeigen innerhalb des informationsträchtigen Teils zwischen den einzelnen Rubriken untergebracht. Die Leserschaft musste somit beim Lesen der Rubriken einen Blick auf die Inserate werfen. Diese Anzeigen dürften für die Inserenten besonders begehrt gewesen sein und hatten daher vermutlich auch einen höheren Preis.
Abbildung 9: Inserat zwischen den Rubriken, Czernowitzer Allgemeinen Zeitung.
Das Inseratenwesen erlebte im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts eine Blüte. Jedoch war nach dem Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 und dem bevorstehenden Krieg zu erkennen, dass der informationsträchtige Teil der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung und der Bozner Zeitung an Umfang gewann, wohingegen der Anzeigenteil stetig kleiner wurde. Während des Ersten Weltkrieges befanden sich nur noch vereinzelt Annoncen in den beiden
467 Bozner Zeitung, 19. September 1904, S. 5.
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Zeitungen. Die Laibacher Zeitung hingegen wies eine ziemlich gegensätzliche Richtung auf, denn die Seitenanzahl der Inserate blieb konstant und teilweise war sogar ein leichter Anstieg der Annoncen zu erkennen. Allerdings ist zu beachten, dass der Anzeigenteil der Laibacher Zeitung schon vor dem Ersten Weltkrieg einen ziemlich geringen Anteil der Zeitung ausgemacht hatte.
Der Anzeigenteil war bereits Anfang des 20. Jahrhunderts bei allen drei Periodika mit Illustrationen – meist durch Holz- oder Steindruck – versehen. Hingegen gehörte die Czernowitzer Allgemeine Zeitung im Informationsteil zu den Ersten, die bereits in ihren Anfangsjahren vereinzelt Abbildungen, v.a. geographische Karten, als informative Ergänzung zu den einzelnen Rubriken druckte. In weiterer Folge blieb die Anzahl der gedruckten Abbildungen stets konstant und im Verlauf der Kriegsgeschehen ging der Anteil an Illustrationen der Zeitung zurück. Die Bozner Zeitung veröffentlichte bis Ende des Jahres 1911 außerhalb der Inseratensparte keinerlei Illustrationen. Von diesem Zeitpunkt an erfolgte jedoch durch neue Maschinen ein kometenhafter Anstieg der Abbildungen im informationsträchtigen Teil der Zeitung, sodass teilweise einzelne Seiten bis zu vier Illustrationen aufwiesen. Gleich wie bei der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung wurden bei der Bozner Zeitung während des Ersten Weltkrieges aufgrund von druck- und materialtechnischen Problemen keine Abbildungen im Informationsteil gedruckt. Die Redaktion der Laibacher Zeitung führte das Platzieren von Illustrationen im informationsträchtigen Teil nie ein, sodass bei dem Blatt auch während des Ersten Weltkrieges fast keinerlei äußerliche Veränderungen zu erkennen sind.
Den Abschluss und somit den unteren Rand der letzten Seite zierte bei allen drei Zeitungen ein Vorläufer des Impressums. Dabei wurden bei der Bozner Zeitung „He ausge e u d verantwortlicher Schriftleite so ie „Ve lag u d D u k i klusi e “ta do t „Boze angegeben.468 Die Czernowitzer Allgemeine Zeitung fo ulie te i I p essu „Eige tü e u d He ausge e , „ e a t o tli he ‘edakteu u d e e falls „D u k .469 Die Laibacher Zeitung schlug einen etwas anderen Kurs ein und veröffentlichte an dieser Position in der Zeitung nur Druck und Verlag. Die Angabe des verantwortlichen Redakteurs fand ihren Platz direkt nach dem Informationsteil und vor dem Inseratenteil.
468 Bozner Zeitung, 19. September 1904, S. 8. 469 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 21. September 1904, S. 8.
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8. Inserate und Annoncen als Spiegel der Leserschaft
Der häufig sehr ausgeprägte Inseratenteil der Zeitungen um die Jahrhundertwende lässt einen Blick auf die Leserschaft und deren gesellschaftliche Lebensumstände zu, denn wie Lorelies Ortner es präzise ausdrückt: „I se ate zei h e das Bild ei e )eit .470 Der Großteil der Anzeigen verfolgte einen wirtschaftlichen Charakter und beinhaltete Warenangebote und Geschäftsanzeigen. Welche Handelsgüter und welche Unternehmen angepriesen wurden, hing stets von der Ausrichtung der Zeitung und deren Adressatenkreis ab. Bei den drei untersuchten Zeitungen aus Laibach, Czernowitz und Bozen handelte es sich dabei vordergründig um ein kaufkräftiges, liberales Bürgertum. Neben den Warenangeboten und Geschäftsanzeigen fanden sich noch häufig Stellenanzeigen für diverse Arbeitsmöglichkeiten. Schlussendlich gab es noch verschiedene soziale und gesellschaftliche Inserate wie Todesannoncen oder Kontaktanzeigen.
Neben den Wochenendnummern, deren Anzeigenteil stets ein größeres Maß aufwies, waren die Ausgaben der Zeitungen um die Weihnachtszeit voll gespickt mit Inseraten. Teilweise wurde die Seitenanzahl der vorweihnachtlichen Publikationen aufgrund der vielen Anzeigen auf bis zu 40 erweitert. Besonders die Czernowitzer Allgemeine Zeitung und die Bozner Zeitung führten einen sehr ausgeprägten Inseratenteil während dieser Zeit. Die Laibacher Zeitung behielt hingegen ihre Seitananzahl stets konstant bei und es wurden nur vereinzelt zusätzliche Anzeigen eingefügt. Jene vorweihnachtlichen Ausgaben inklusive der Weihnachtsnummer der drei Periodika des Jahres 1908 dienten als Korpus für die Analyse der Inserate. Welche Waren wurden feilgeboten und für welche Klientel waren sie gedacht? Lassen sich Unterschiede zwischen den Zeitungen erkennen oder folgen sie demselben inhaltlichen Schema?
Der Tatsache geschuldet, dass die Laibacher Zeitung einen wesentlich geringeren Inseratenteil vorzuweisen hatte, war das Spektrum und die Quantität der beworbenen Produkte natürlich kleiner. Allerdings erschienen teilweise sogar dieselben Anzeigen wie in der Bozner Zeitung oder der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung. Allgemein setzte sich der Werbeteil aus einem Gros von Anzeigen von lokalen Betrieben sowie vielfach von Unternehmen aus den großen
470 Lorelies Ortner, Der Stil der Anzeigen in der Wiener Presse um 1900, in: Zeitungen im Wiener Fin de Siècle. Ei e Tagu g de A eitsge ei s haft „Wie u de öste ei his he Forschungsgemeinschaft, hrsg. von Sigurd Paul Scheichl/ Wolfgang Duchkowitsch, Wien 1997, S. 90-122, hier S. 90.
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Städten des Habsburgerreiches wie Wien und Prag zusammen. Vereinzelt wurden auch Annoncen von Produkten und Betrieben außerhalb der Donaumonarchie veröffentlicht. Häufig kam es vor, dass ein Produkt und dessen Marke beworben wurden und in weiterer Folge wurde angegeben, wo die Produkte in der jeweiligen Stadt vertrieben wurden. Um ein genaueres Bild von der alltäglichen Lebenswelt des Bürgertums zu erhalten, werden im weiteren Verlauf die Inserate genauer untersucht und analysiert.
Die wohl in der Öffentlichkeit am ersichtlichsten zur Schau gestellte Konsumkultur des Bürgertums stellte die Kleidung dar. Daher befanden sich in den Zeitungen auch häufig Annoncen für verschiedenste Modegeschäfte. Ein Großteil der angepriesenen Ware lässt sich dem Luxussegment zuordnen, was wiederum auf ein sehr kauffreudiges Lesepublikum schließen lässt. Besonders in der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung gab es eine Vielzahl an Inseraten von Modegeschäften, wie beispielsweise: „G ößtes Herren- und Damen-Galanterie- Modewaren-Geschäft Hermann Rittberg. Wegen großen Vorrates in Konfektionssachen große Preisermässigung 471 oder „Mode- und Wäschegeschäft des “a uel Ga e […] sä tli he Konfektionsartikel bestehend aus Damen- u. Herrenwäsche,
Schürzen, Joupons472, Strümpfen, Abbildung 10: Wer u g „Pelzhaus Riffeser“, Boz er Zeitu g. Socken, Kragen, Manchetten, K a atte u d Ha ds huhe 473. Aber auch in der Bozner Zeitung gab es in geringerer Form A o e fü Mode a e ie de „Maiso de Nou eautés des Alexander Österreicher. Großer Weihnachts-Verkauf zu ermässigten Preisen. Elegante und praktische Geschenke:
471 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 22. Dezember 1908, S. 5. 472 Joupon/ Jupon: Unterrock für Frauen. 473 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 20. Dezember 1908, S. 10.
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Seidenblousen, Joupons, Schlafröcke, Abendmäntel, Paletots474, […] “ hi e, Theate sha ls, Fede oas 475. Einige Geschäfte fokussierten sich auf sehr exklusive Waren, u.a. das „Pelzhaus ‘iffese , Bozen. Feine Pelzstollas. Nerze, Marder, Skunks476 etc. Feine Muffe. Hermelin, Sealskin etc. Pelz-Ja ket u. Ja ke Nou eaut s 477.
Ebenfalls Schuhe wurden meist in speziellen Schuhwarenhäusern angeboten. Das „H gienische Schuhwarenhaus Leopold Haas in Czernowitz warb mit „Hygienische Kinderschuhe, von ersten ärzt. Autoritäten begutachtet und bestens empfohlen. Hygienisch gea eitete “ huhe fü He e , Da e u. Ki de e hi de die Ve k üppelu g de Füsse 478. Schuhe sollten daher nicht nur warm halten und schützen, sondern auch der gesundheitliche Aspekt sollte berücksichtigt werden. Zusätzlich sollten die Schuhe gute und exklusive Qualität haben, daher machte die „Mödli ge “ huhfa ik ie folgt Reklame: „Wi offe ieren die solidesten und dauerhaftesten Amerikanischen Schuhe u. Komode-Schuhe für Herren, Damen und Kinder aus echtem Halina-Tuch479-Lede 480. Auch in Zusammenhang mit den Werbeanzeigen für Mode lässt sich das Verhältnis zu Wien und die damit einhergehende Orientierung zur Hauptstadt erkennen. So warb ein Modegeschäft in der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung eispiels eise it „Neueste Wie e Mode H.L. Goldstei zeigt a de Eingang von exklusiven Neuheiten in Damen-Mode a e […]. Bestasso tie tes Lage i : Pelzwaren, Colliers, Muffs und Kappen. Neuheiten in Chenillen481 und Theater482- E ha pe 483. Doch nicht nur nach Wien orientierte sich die Mode dieser Zeit, sondern auch von der Mode und den Materialien aus Frankreich oder England wurde sie beeinflusst. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts richtete sich die Mode nach Pariser Vorbild. Aufgrund dessen esaße au h ei ige Modeges häfte ei e f a zösis he Na e . We it de )usatz „aus F a k ei h ode „f a zösis h ge o e u de, so konnte es sein, dass die Stoffe oder Modelle direkt aus Paris/ Frankreich kamen oder dass für diese Modelle eine Lizenz erworben worden war und diese dann selbstständig nachgeschneidert wurden.484 Hingegen orientierte
474 Paletot: eleganter Tagesmantel für Männer. 475 Bozner Zeitung, 21. Dezember 1908, S. 7. 476 Skunk: Stinktier. 477 Bozner Zeitung, 19. Dezember 1908, S. 13. 478 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 20. Dezember 1908, S. 15. 479 Halina-Tuch: grober Stoff, besonders gegen Kälte und Nässe geeignet. 480 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 20. Dezember 1908, S. 16. 481 Chenille: Stoff mit einer samtartigen Oberfläche. 482 Theater-Echarpe: eine Art Schärpe oder Schal. 483 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 20. Dezember 1908, S. 10. 484 Ingrid Loschek, Reclams Mode- und Kostümlexikon, Stuttgart 19994, S. 71.
101 sich die Herrenmode im 19. Jahrhundert Richtung England und sollte stets korrekt und zurückhaltend wirken.485 So ko te ä li h i „Mode-Manufaktur-Geschäft Jakob Ho hstädt u.a. „Nou eaut s i e glis he Da e stoffe fü Kostü e, f a zösis he Fla elle fü Blouse , […] e hte e glis he He e stoffe fü A züge 486 gekauft werden. Hier waren auch die europaweiten Handelsverflechtungen des Bürgertums erkennbar. Um auch für F eizeitakti itäte i Wi te ge üstet zu sei , offe ie te das „“po t-Haus ‘iffese i Boze spezielle „“po tkleidu g: Wasse di hte Fäustli ge u d Ha ds huhe, Eide so ke 487, Norwegische Ziegenhaarsocken488, “ h eehau e , “ki ütze , “ eate u d Weste et . 489. Meist war es der besser situierten Bevölkerung vorbehalten, Freizeitaktivitäten wie Skifahren, Eislaufen oder Rodeln auszuüben, daher lässt sich abermals auf das Bürgertum als Rezipient der Werbung in den Zeitungen schließen. Neben Kleidung erschienen in den Blättern außerdem Annoncen für kostbaren Schmuck und Accessoires wie jene des Wilhelm Goldenstein „Weih a hts a kt i Uh e -, Juwelen-, Gold- und Silberwaren mit 50% Abbildung 11: Werbeanzeige für Schmuck und Accessoires, 490 ‘a att . Czernowitzer Allgemeine Zeitung.
Mit dem aufkommenden Bewusstsein für Hygiene Ende des 19. Jahrhunderts vor allem im bürgerlichen Milieu entwickelte sich ein breites Spektrum an neuen Produkten für die Körperpflege. Bislang hatten großteils nur Apotheken Hygieneartikel verkauft, jedoch durch die Lockerung der Bestimmungen für den Verkauf von Kräutern als Arzneidrogen und die damit einhergehende Erlaubnis für Drogerien konnte sich dieses neue Gewerbe etablieren.491 Durch Werbeanzeigen in den Zeitungen, wie jene in der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung von de „D ogue ie ‚)u s h a ze Hu d i Cze o itz, die it de “loga „G ößtes u d
485 Loschek, Mode- und Kostümlexikon, S. 67ff. 486 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 20. Dezember 1908, S. 7. 487 Die Eiderdaune stammt von der Eiderente und hält aufgrund ihrer feinen, dichten Struktur sehr warm. 488 Norwegen diente beim Skifahren als modisches Leitbild. 489 Bozner Zeitung, 24. Dezember 1908, S. 21. 490 Czernowitzer Allgemeine Zeitung, 20. Dezember 1908, S. 10. 491 Philipp Kuhn, Über die merkwürdige und folgenreiche Karriere eines weltberühmten Mundwassers, in: Schöner. Wohnen. Damals. Die Erfindung der bürgerlichen Familie im 19. Jahrhundert, hrsg. von Anneliese Grenke/ Matthias Winzen, Katalog zur Ausstellung des Museums für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts Baden-Baden von 09.04.2011 bis 28.08.2011, Oberhausen 2011, S. 53-77, hier S. 55ff.
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