HOCHWASSERRÜCKHALTEBECKEN STRAßBERG/

Entwurfs- und Genehmigungsplanung

Unterlage 03: Hochwasserschutz Selke Hochwasserrückhaltebecken Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung in der Fassung der 1. Planergänzung

April 2017 200521920

Landesbetrieb für Hochwasser- schutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt

Projekt: Hochwasserschutz Selke Hochwasserrückhaltebecken Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung

Auftraggeber: Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Halle / Planungsgesellschaft Dr. Scholz mbH

Auftragnehmer: Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH Regionalbereich Mitte Rießnerstraße 18 99427 Weimar

Projektleitung: Dipl. Biol. Dirk Böhme

Fachliche Qualitätssicherung: Dipl. Biol. Anja Glinka

Bearbeitung: Dipl. Biol Dirk Böhme Dipl. Biol. Anja Glinka Weimar, 21.12.2004

Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH

i.V. Dr. Wöhlert i.V. Dirk Böhme Regionalbereichsleiter Mitte Fachgebietsleiter Umwelt

Landesbetrieb für Hochwasser- schutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt

Hochwasserrückhaltebecken Straßberg

FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Textteil, Karten

Dezember 2004

Landesbetrieb für Hochwasser- schutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt

Hochwasserrückhaltebecken Straßberg

FFH-Verträglichkeitsuntersuchung

Dezember 2004

Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte

Inhaltsverzeichnis

1 EINFÜHRUNG ...... 4

1.1 VERANLASSUNG DES VORHABENS...... 4 1.2 AUFGABENSTELLUNG UND GESETZLICHE GRUNDLAGEN...... 4 1.3 DATENGRUNDLAGEN...... 7 1.4 VORGEHENSWEISE ...... 7 2 BETROFFENHEIT VON GEBIETEN DES NETZES NATURA 2000 ...... 8

2.1 GEBIETSCHARAKTERISIERUNG ...... 8 2.2 BETROFFENHEIT DER LEBENSRAUMTYPEN NACH ANHANG I FFH-RL...... 8 2.2.1 Bau- und anlagebedingte Betroffenheit ...... 9 2.2.2 Betriebsbedingte Betroffenheit...... 11 2.2.2.1 Betroffenheit der Erlen- und Eschenwälder an Fließgewässern ...... 15 2.2.2.2 Betroffenheit der feuchten Hochstaudensäume ...... 17 2.2.2.3 Betroffenheit des Labkraut-Eichen-Hainbuchenwaldes...... 18 2.2.2.4 Betroffenheit der Schlucht- und Hangmischwälder ...... 20 2.2.2.5 Betroffenheit der mageren Flachlandwiesen...... 20 2.3 BETROFFENHEIT DER ARTEN NACH ANHANG II FFH-RL ...... 30 2.3.1 Betroffenheit der Spanischen Fahne ...... 30 2.3.2 Betroffenheit des Kammmolches ...... 30 2.3.3 Baubedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fledermausarten...... 31 2.3.4 Anlagebedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fledermausarten...... 32 2.3.5 Betriebsbedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fledermausarten...... 35 2.3.6 Baubedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fischarten ...... 35 2.3.7 Anlagebedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fischarten ...... 36 2.3.8 Betriebsbedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fischarten ...... 36 2.4 BETROFFENHEIT VON VOGELARTEN NACH ANHANG I DER EU-VOGELSCHUTZRICHTLINIE IM SPA „NORDÖSTLICHER UNTERHARZ“ ...... 38 3 ALTERNATIVENDISKUSSION UND DARLEGUNG DES BESONDEREN ÖFFENTLICHEN INTERESSES ...... 39

3.1 NULLVARIANTE: VERZICHT AUF DAS VORHABEN ...... 39 3.2 BEWIRTSCHAFTUNGSÄNDERUNG ZUR NUTZUNG VORHANDENER TEICHEN ALS RETENTIONSRAUM ANSTELLE DES VORHABENS ...... 40 3.3 ÖRTLICHE MAßNAHMEN ZUM HOCHWASSERSCHUTZ OHNE DIE ERRICHTUNG VON HOCHWASSERRÜCKHALTEBECKEN ...... 40 3.4 DEZENTRALER HOCHWASSERRÜCKHALT IN DEN NEBENGEWÄSSERN...... 40 3.5 VERSCHIEBUNG DES BECKENSTANDORTES FLUSSAUF- BZW. FLUSSABWÄRTS...... 41 4 ZUSAMMENWIRKEN DIESES VORHABENS MIT ANDEREN PROJEKTEN...... 42

4.1 ZUSAMMENWIRKEN MIT DEM HWRB MEISDORF...... 42 4.2 ZUSAMMENWIRKEN MIT DER GRUPPENKLÄRANLAGE BEI STRAßBERG...... 43 4.3 ZUSAMMENWIRKEN MIT DEN GEWÄSSERUNTERHALTUNGSMAßNAHMEN AM SELKEBETT ...... 44 4.4 ZUSAMMENWIRKEN MIT DEM GEWÄSSERAUSBAU IN DER ORTSLAGE SILBERHÜTTE...... 44 4.5 ZUSAMMENWIRKEN MIT DER GRUBENWASSERREINIGUNG AM UHLENBACH...... 44 4.6 ZUSAMMENWIRKEN MIT DEM AUSBAU DER STRAßE L 234...... 45 5 MAßNAHMEN ZUR VERMEIDUNG UND MINIMIERUNG VON VORHABENSBEDINGTEN BEEINTRÄCHTIGUNGEN ...... 45

6 ERGEBNIS DER BEURTEILUNG DER FFH-VERTRÄGLICHKEIT DES VORHABENS...... 49

7 LITERATUR...... 51

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Planverzeichnis

Plan Nr. 1: Betroffenheit von Gebieten des Netzes NATURA 2000 Plan Nr. 2, Blatt NW: Biotoptypen und FFH-Schutzziele – Bestand Blatt SO: Biotoptypen und FFH-Schutzziele - Bestand Plan Nr. 3, Blatt 1: Betroffenheit und Empfindlichkeit von FFH-Lebensräumen Variante I Blatt 2: Betroffenheit und Empfindlichkeit von FFH-Lebensräumen Variante II Plan Nr. 4: Betroffenheit von Schutzgebieten des Netzes NATURA 2000 - Vorhabensalternativen Plan Nr. 5: Betroffenheit von Schutzgebieten des Netzes NATURA 2000 - Überlagerung mit anderen Vorhaben

Anlagenband

Anlage 1: Tabellarische Übersicht der Ausuferung im Ist- und Planzustand für den Selkeabschnitt HWRB Straßberg - Alexisbad Anlage 2: Beeinträchtigung der Wasserqualität in Stauraum und unterliegender Fließstrecke im Ereignisfall Anlage 3: Ergebnisse der Erfassungen von Fledermäusen (Chiroptera), Eisvogel (Alcedo atthis), Gebirgstelze (Motacilla cinerea), Wasseramsel (Cinclus cinclus), Kammmolch (Triturus cristatus) Anlage 4: Fischereibiologisches Gutachten im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung zum Vorhaben Hochwasserschutz Selke – Rückhaltebecken Straßberg Anlage 5: Untersuchungen zum Vorkommen der Spanischen Fahne (Euplagia quadripunctaria PODA, 1761) im Selketal zwischen Güntersberge und Straßberg

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1 Einführung 1.1 Veranlassung des Vorhabens In Reaktion auf die Hochwasserereignisse der jüngeren Vergangenheit (April 1994, August 2002) beabsichtigt der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft des Lan- des Sachsen Anhalt (LHW) umfangreiche Hochwasserschutzmaßnahmen im Flussgebiet der Selke. Als erste Maßnahme ist dabei die Errichtung eines „grünen“ Hochwassserrückhaltebeckens (HWRB) oberhalb von Straßberg geplant. Vorhabensziel ist der Schutz von Anwohnern und Infrastrukturen in den Siedlungen Straßberg, Silberhütte, Alexisbad und Mägdesprung vor Hochwasserschäden. Weiterhin ist das Rückhaltebecken Straßberg eines von mehreren Elementen zur Scheitelreduzierung von Hochwasserwellen, die bei Meisdorf das Hochwasserentstehungsgebiet des Harzes verlassen und in das Nordharzvorland eintreten. Das Vorhaben wird nach seiner Lage sowie nach Art und Umfang der möglichen Auswirkungen vom Vorhabensträger als UVP-pflichtig und relevant für Schutzgebiete des europäischen Netzes NATURA 2000 beurteilt. Die Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH (HPI) wurde deshalb im NAN-Verhältnis durch die Planungsgesellschaft Dr. Scholz beauftragt, die Verträglichkeit des Vorhabens mit den Schutzzielen der betroffenen NATURA 2000-Gebiete zu untersuchen.

1.2 Aufgabenstellung und gesetzliche Grundlagen Der Verträglichkeitsuntersuchung liegt die Betrachtung zweier möglicher Beckenstandorte nach dem derzeitigen technischen Planungsstand zugrunde. Danach wird ca. 1,5 oder 2,5 km oberhalb des Ortes Straßberg ein begrünter Hochwasserrückhaltedamm errichtet, der mit regelbaren, verschließbaren Auslaufbauwerken ausgerüstet wird. Standortvariante I liegt bei Flusskilometer 57,750 unterhalb der Mündung des Westerbaches, Standortvariante II bei Flusskilometer 58,715 oberhalb der Mündung des Westerbaches. In beiden Variante sind Durchlässe für die Selke mit ihrer natürlichen Sohle und eine Durchführung der Selketalbahn durch den Dammkörper vorgesehen. Das Bauwerk soll als „grünes Becken“ betrieben wer- den, wobei nur Hochwässer mit einem statistischen Wiederkehrintervall von 5 Jahren (HQ5) am Bauwerk eingestaut werden sollen. In der verbleibenden Zeit wird keine Stauhaltung betrieben. Bei dem Vorhaben handelt es sich um die Errichtung eines Dammbauwerkes, für das nach der Allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalles gem. §3c UVPG die UVP-Pflicht festgestellt wurde (s. Schreiben des Landesverwaltungsamtes vom 05.07.2004 an LHW/Halle). Des Weiteren handelt es sich um einen Eingriff in Natur und Landschaft gemäß §8, Abs. 1 des NatSchG LSA. Im Sinne dieses Gesetzes sind u.a. als Eingriff anzusehen: - §8 (1), Ziff. 1: Die Herstellung, Erweiterung, Änderung oder Beseitigung von baulichen Anlagen aller Art - §8 (1), Ziff. 6: Der Ausbau, die Veränderung, die Neuanlage oder die Beseitigung von Gewässern.... im Sinne des WHG - §8 (1), Ziff. 10: Das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Wasser. Der zukünftige Bauwerksstandort und die potenzielle Staufläche sind in beiden Varianten Bestandteil des FFH-Meldegebietes Nr. FFH 4332302 "Selketal und Bergwiesen bei Stiege". Ca. 9,5 km flussab von Standort I erreicht die Selke das Vogelschutzgebiet (SPA)- Nr. 4323401 "Nordöstlicher Unterharz", welches räumlich vom Vorhaben nicht direkt betroffen ist.

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 4 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte

Mit Inkrafttreten der Richtlinie 92/43/EWG (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie bzw. FFH-RL) gelten auch für die bereits nach Richtlinie 79/409/EWG (Vogelschutz-Richtlinie bzw. VS-RL) ausgewiesenen Besonderen Schutzgebiete (SPA) als Bestandteil des Schutzgebietsnetzes NATURA 2000 einheitlich die Schutzbestimmungen der FFH-Richtlinie. Gem. Art. 6 (2) FFH-RL ist eine Verträglichkeitsprüfung dann erforderlich, wenn Pläne oder Projekte, - die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder - hierfür nicht notwendig sind, - ein solches Gebiet einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten. Die Frage nach der Möglichkeit erheblicher Beeinträchtigungen von Gebieten des Netzes NATURA 2000 ist zu bejahen, wenn - ein direkter Zugriff auf die Gebietsfläche erfolgt, - Emissionen und andere Störungen, die aus dem Projekt herrühren, in das Gebiet hineinwirken können. Im vorliegenden Fall ist deshalb eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen notwendig, da - ein direkter bau-, anlage- und betriebsbedingter Zugriff auf die FFH-Gebietsfläche erfolgt - Emissionen und andere Störungen, die aus dem Projekt herrühren, in das FFH- Gebiet hineinwirken und auch das SPA-Gebiet hineinwirken könnten, - weitere Projekte im Gebiet vorgesehen sind, die im Zusammenwirken das Gebiet beeinträchtigen könnten. Bei dieser Prüfung ist eine feste Abfolge von Prüfschritten erforderlich. Das Schema dieser Prüfung ist in Abbildung 1 dargestellt. Die mit dieser Unterlage dokumentierten Prüfergebnisse sind gelb hinterlegt.

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Ablaufschema der FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß §34, Abs.1 BNatSchG

1. Liegt ein Projekt oder Plan im Sinne des § 10a Abs. 1 Nr. 11 und 12 BNatSchG vor?

Ja Nein > keine Verträglichkeitsprüfung erforderlich

2. Kann das Projekt /der Plan zu erheblichen Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen (§34 Abs.2 BNatSchG)?

Ja Nein > FFH nicht relevant dann: Ausnahmeprüfung:

3. Gibt es eine zumutbare Alternative, den mit dem Projekt/Plan verfolgten Zweck (auch) an anderer Stelle ohne Beeinträchtigungen zu erreichen (§ 34 Abs. 3 BNatSchG)?

Ja > Ablehnung des Projektes/Planes in der ursprünglichen Form und Nein gegebenenfalls Zustimmung zu der Alternativlösung

4. Gibt es eine zumutbare Alternative, den mit dem Projekt/Plan verfolgten Zweck (auch) an anderer Stelle mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen (§ 34 Abs. 3 BNatSchG)?

Ja > Ablehnung des Projektes/Planes in der ursprünglichen Form und Nein Prüfung der Alternative

5. Werden öffentliche Interessen für die Durchführung des Planes/Projektes geltend gemacht?

Ja Nein > Unzulässigkeit des Projektes/Planes

6. Schließt das Gebiet prioritäre Biotope oder prioritäre Arten i. S. d. § 10, Abs. 1 Nr. 4 oder § 10, Abs. 2, Nr. 8 BNatSchG ein und kann deren Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden?

Ja Nein > weiter bei Nr. 9

7. Sprechen Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit der Menschen, der öffentlichen Sicherheit einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder maßgeblich günstige Auswirkungen auf die Umwelt für das Projekt/den Plan (§ 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG)?

Ja > weiter bei Nr. 9 Nein

8. Einholung einer Stellungnahme der Europäischen Kommission (§ 34, Abs. 4 Satz 2 BNatSchG), die bei der innerstaatlichen Abwägung zu berücksichtigen ist.

9. Innerstaatliche Abwägung (§ 34 Abs. 3 BNatSchG): Ist das Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig?

Ja Nein

10. Gestattung des Projektes/Planes und Festlegung der erforderl. Ausgleichsmaßnahmen sowie Unterrichtung der EU-Kommission Ablehnung des Plans/Projekts gem. § 34 Abs. 5 BNatSchG

Abbildung 1: FFH-Prüfschema

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 6 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte

1.3 Datengrundlagen Neben Angaben aus der Literatur und den bei Ämtern und Behörden verfügbaren Bestands- daten (Standarddatenbögen der NATURA 2000-Gebiete, Artnachweise aus ArtDat, Pflege- und Entwicklungsplan für das NSG „Oberes Selketal“, Selektive Biotoptypkartierung etc.) wurden im Jahr 2003 gesonderte Erhebungen zu folgenden Themengebieten durchgeführt: - Vegetationskartierung für den Vorhabensstandort und den maximalen Staubereich - Erfassung der Fledermausfauna durch Detektorbegehungen, Netzfänge und Kontrolle möglicher Winterquartiere - Kontrolle auf mögliche Vorkommen des Kammmolches im Vorhabensbereich - Erfassung der Fischfauna mittels Elektrobefischung - Kontrolle des Vorhabensbereiches auf mögliche Vorkommen der Spanischen Flagge durch Feldbegehung und Lichtfänge Die Ergebnisse der Erhebungen bezüglich der FFH-relevanten Arten wurden in der vorlie- genden Unterlage eingearbeitet.

1.4 Vorgehensweise Ausgehend von den vorhandenen und erhobenen Daten zu Lebensraumtypen und Arten gemäß Anhang I / II FFH-RL werden deren Ausstattung bzw. deren Vorkommen bei der Betrachtung der vorhabensbedingten Auswirkungen beschrieben und die möglichen Verän- derungen durch die verschiedenen Wirkfaktoren im einzelnen charakterisiert. Unter Berück- sichtigung der vorhandenen Kenntnisse über die Ökologie der FFH-Schutzziele werden die Beeinträchtigungen durch die verschiedenen Wirkfaktoren auf ihre Erheblichkeit hin diskutiert. Eine Beeinträchtigung eines FFH-Schutzzieles wird als erheblich betrachtet, wenn zu erwarten ist, dass sich ihr Erhaltungszustand dadurch verschlechtert. Dabei ist unerheblich, wie sich der derzeitige Erhaltungszustand darstellt. Dieser ist in erster Linie im Hinblick auf das Gebietsmanagement als Orientierungshilfe zu verstehen, ob Maßnahmen zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes ergriffen werden müssen. Bei der Betrachtung der Erheblichkeit werden Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung, die im direkten Zusammenhang mit dem Vorhaben stehen, berücksichtigt.

Zudem wird in Anlehnung an den Konventionsvorschlag der PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE UND UMWELT (2004) zur Bewertung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung davon ausge- gangen, dass die direkte Inanspruchnahme eines Lebensraumes nach Anhang I FFH-RL in der Regel eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt. Die Beeinträchtigung kann im Einzelfall als nicht erheblich eingestuft werden, wenn a) in der betroffenen Flächen keine speziellen Ausprägungen des Lebensraumtyps vorhanden sind oder entwickelt werden sollen, die innerhalb der Fläche, die der Lebensraum einnimmt, eine Besonderheit darstellen bzw. im wesentlichem Umfang zur biotischen Diversität des Lebensraumtyps im Gebiet beitragen; hierbei ist auch die Lebensraumfunktion für charakteristische Arten zu berücksichtigen, und b) der Umfang der direkten Flächeninanspruchnahme die für den Lebensraumtyp in Abhängigkeit von der biogeographischen Region und des zu erreichenden günstigen Erhaltungszustandes definierte Schwelle (Bagatellgrenze) nicht überschreitet, und

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c) 1% der Gesamtfläche des jeweiligen Lebensraumtyps im Gebiet bzw. der funktional in einem Gebiet zusammenhängenden Fläche des Lebensraumtyps durch die direkte Flächeninanspruchnahme nicht überschritten wird, und d) eine entsprechende Beeinträchtigung nicht bereits für eine andere Fläche dieses Lebensraumtyps im Gebiet aus diesem oder einem anderen kumulativ zu beurteilen- den Projekt oder Plan resultiert, die in der Summe zu einer Überschreitung der genannten Schwellenwerte (Bagatellgrenzen und 1%-Wert) führen würde, und e) über die Betroffenheit durch direkten Flächenentzug hinaus keine weiteren negativen Effekte von der betroffenen Fläche ausgehen, d.h. kein anderen Wirkfaktoren rele- vant sind, die erhebliche Beeinträchtigungen hervorrufen würden. Analog zu diesen Kriterien wird die direkte Inanspruchnahme eines (Teil-)Habitats einer Art gem. Anhang II der FFH-RL im Regelfall als erhebliche Beeinträchtigung definiert. Die ein- zelfallbezogene Einstufung einer Beeinträchtigung als nicht erheblich ist möglich, wenn die bereits oben genannten Kriterien a), b), c), d) und e) sinngemäß zutreffen (PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE UND UMWELT 2004).

2 Betroffenheit von Gebieten des Netzes NATURA 2000 2.1 Gebietscharakterisierung Die geplanten Dammstandorte und Hochwasserrückhalteräume für beide Varianten des HWRB Straßberg (nachfolgend als Projektgebiet oder PG bezeichnet) befinden sich im Land Sachsen-Anhalt, Landkreis Quedlinburg. Die baulichen Anlagen sowie der maximale Rückstaubereich für das der Planung zugrundegelegte HQ100(72h) liegen fast vollständig im FFH-Gebiet Nr. 4332302 "Selketal und Bergwiesen bei Stiege". Das SPA „Nordöstlicher Unterharz“ beginnt ca. 11 km unterhalb des Dammstandortes und überschneidet sich in Teilen mit dem hier betrachteten FFH-Gebiet. Das Gebiet mit einer Gesamtfläche von 4467 Hektar liegt auf einem Höhenniveau zwischen 200 und 535 Metern ü NN und zeichnet sich durch ausgedehnte Laubwälder - insbesondere Buchenwälder, strukturreiche Bachtäler, Borstgrasrasen und steile Felshänge mit teilweiser xerothermer Vegetation aus. Anteilsmäßig überwiegen Laubwälder mit 43 %, gefolgt von Feucht- und Halbfeuchtrasen (20 %), Nadelwald (18 %) und Mischwaldbestände mit 12 %. Für das Gebiet ist das Vorkommen von insgesamt 12 Lebensraumtypen und 6 Arten gemäß Anhang I / II FFH-RL benannt (alle Angaben nach: Standard-Datenbogen für Gebiet Nr. DE 4332-302). Die im Projektgebiet vorgefundenen Lebensraumtypen (LRT) und Arten geben Tabelle 2-1 in Kapitel 2.2 und Tabelle 2-16 in Kapitel 2.3. wieder. Dabei ist zu erwähnen, dass der im Projektgebiet ausgegrenzte LRT 6510 – Magere Flach- landmähwiesen und die Mopsfledermaus zwar vorgefunden wurden, ihr Vorkommen im Standarddatenbogen allerdings nicht benannt sind. Dessen ungeachtet ist ihr Vorkommen und ihre Betroffenheit bei der Diskussion der Auswirkungen mitzubetrachten.

2.2 Betroffenheit der Lebensraumtypen nach Anhang I FFH-RL In dem untersuchten Gebiet wurden nach Geländebegehung insgesamt 6 Lebensraumtypen (LRT) nach Anhang I FFH-RL ausgegrenzt (Tabelle 2-1).

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 8 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte

Tabelle 2-1: Betroffenheit von FFH-Schutzzielen für Gebiet Nr. 4332302 –Lebensraumtypen (LRT) nach Anhang I FFH-RL

Code_Nr. und Bezeichnung Betroffenheit vom Vorhaben

6230* - artenreiche montane Im Untersuchungsgebiet als Hyperico maculati-Polygaletum Borstgrasrasen vulgaris Prsg.. 1950 (=Polygalo-Nardetum Oberd. 1957) außerhalb der HQ100-Staulinie als darstellbare Einheit ausgebildet - LRT nicht betroffen

6430 – feuchte Hochstauden- Ausprägung als Filipendulo ulmariae-Geranietum palustris – LRT fluren inkl. Waldsäume betroffen

6510 – Magere Flachland- u.a. in der Selke-Aue vertreten; Ausbildung als Arrhenatherion Mähwiesen elatioris, z.T. als Höhenform Alchemillo-Arrhenatheretum elatioris oder mit minimaler Artausstattung; LRT betroffen

9170 – Labkraut-Eichen- Galio-Carpinetum betuli zumindest auf Teilflächen innerhalb des Buchenwald Laubwaldes frischer bis trockener Standorte; LRT betroffen

9180* - Schlucht- und Ausprägung als Tilio platyphyllis-Acerion pseudoplatani; LRT Hangmischwälder betroffen

91E0* - Erlen- und Nach Artausstattung Ausprägung entlang der Selke als Stellario Eschenwälder nemorum-Alnetum glutinosae; LRT betroffen

Einen Gesamtüberblick über die bei den Standortvarianten I und II beanspruchten Flächen betroffener FFH-LRT geben Tabelle 2-2 und Tabelle 2-3. Bei der rechnergestützten Verschneidung von FFH-Lebensraumtypen mit dem Vorhaben wurde immer deren Ausdehnung innerhalb der maximal vom Vorhaben belegten Fläche (Anlage+Baufeld+Stauraum) betrachtet. In einigen Teilbereichen reichen die hier dargestellten LRT über die vom LAU übermittelten Grenzen des FFH-Gebietes hinaus, liegen aber noch innerhalb des durch Überstau betroffe- nen Bereiches. Dies ist teilweise auf maßstabsbedingte Verzerrungs- und Generalisierungs- effekte zurückzuführen. Die digitalen FFH-Gebietsgrenzen beruhen auf den Geometrien der TK 1: 25.000, während für die vorliegende Darstellung die detaillierteren Geometrien der TK 1: 10.000 bzw. sogar die Nutzungs- und Bestandsgrenzen aus der Stauraumvermessung zur Verfügung standen. Da die jeweiligen Lebensraumtypen physisch oder funktional über die generalisierte Gebietsgrenze hinaus zusammenhängen ist es gerechtfertigt, auch den "Über- stand" in die Flächenberechnungen einzubeziehen.

2.2.1 Bau- und anlagebedingte Betroffenheit Die bau- und anlagebedingte Flächenbelegung führt zum Bestandsverlust der Flora und Fauna betroffener Flächen. Nach Bauende ist der Ausgangsbestand durch Massivbauteile des Beckendammes mit Nebenanlagen und Zuwegungen sowie Rasenansaat ersetzt. Während die Geometrie des Dammes bereits darstellbar ist, sind die Nebenanlagen und die temporär belegten Baustelleneinrichtungs-, Fahr- und Lagerflächen (BE-Flächen) derzeit noch nicht näher planerisch ausgearbeitet. Es wird deshalb pauschal ein Puffer von 25 Metern um das Bauwerk herum als zukünftige BE-Fläche angenommen, in der Bestands- verlust zu erwarten ist. Die wasserseitigen BE-Flächen und Anlagenteile liegen im späteren Einstaubereich, die Dammkrone und luftseitige BE-Fläche hingegen nicht.

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Standortvariante II (SII) nimmt gegenüber Standortvariante I (SI) bezüglich der Anlage und der bauzeitlich benötigten Fläche insgesamt eine größere Fläche und auch mehr Lebens- raumtypen ein (vier gegenüber zwei bei Standortvariante I). Allerdings geht bei Standort II im Bereich der eigentlichen Anlage der prioritäre LRT der Erlen- und Eschenwälder (91E0) in geringerem Umfang dauerhaft verloren. Hinsichtlich des Maximaleinstaus ist bei Standort II eine um rund 4,5 ha geringere Flächeninanspruchnahme gegeben. Für die ausschließlich baubedingt betroffenen Flächen der FFH-LRT muss an dieser Stelle nochmals erwähnt werden, dass diese aufgrund einer pauschalierten Annahme berechnet und dargestellt wurden. Teilbereiche davon können bei der parzellenscharfen Ausweisung von benötigten BE-Flächen in späteren Planungsstufen aufgrund ihrer Lage (Hangbereiche, Gewässernähe) in bautechnologisch sinnvollere Bereiche an der Talsohle oder entlang von bestehenden Wirtschaftswegen verlegt werden. Betrachtet man den Flächenverbrauch durch Anlage und Stauraum, so liegt dieser bei SII um rund 3,8 ha niedriger als bei SI.

Tabelle 2-2: Flächen in m² mit bauzeitlicher, anlage- und betriebsbedingter Betroffenheit von FFH-Lebensraumtypen für Standortvariante I

FFH-Lebensraumtyp Belegung

Anlage (dauerhaft) Bauzeitlich Bauzeitlich + Einstau Einstau Summe m²

Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fliessgewässern 3149 171 389 35987 39696

Magere Flachlandmähwiesen (Höhen- Arrhenatheretum) 10409 3646 3088 188126 205269

Magere Flachlandwiesen (minimale Artausstattung) 0 0 0 0 0

Feuchte Hochstaudensäume der planaren bis alpinen Höhenstufe 0 0 0 14921 14921

Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum) 0 0 0 31881 31881

Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio- Acerion) 0 0 0 687 687

Summe 13558 3817 3477 271602 292454

Tabelle 2-3: Flächen in m² mit bauzeitlicher, anlage- und betriebsbedingter Betroffenheit von FFH-Lebensraumtypen für Standortvariante II

FFH-Lebensraumtyp Belegung

Anlage (dauerhaft) Bauzeitlich bauzeitlich + Einstau Einstau Summe m²

Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fliessgewässern 2298 608 866 35822 39594

Magere Flachlandmähwiesen (Höhen- Arrhenatheretum) 10675 5043 2296 152863 170877

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FFH-Lebensraumtyp Belegung

Anlage (dauerhaft) Bauzeitlich bauzeitlich + Einstau Einstau Summe m²

Magere Flachlandwiesen (minimale Artausstattung) 0 0 0 56 56

Feuchte Hochstaudensäume der planaren bis alpinen Höhenstufe 283 0 224 7890 8397

Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum) 4246 1234 1108 28260 34848

Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio- Acerion) 0 0 0 3685 3685

Summe 17502 6885 4494 228576 257457

Minimierungsmöglichkeiten: Unter der Vorgabe des Flächenausschlusses und bauzeitlichen Schutzes können Bestandsverluste der gewässerbegleitenden Vegetation (LRT 6430, 91E0*) im Nahbereich der Baustelle verringert werden. Über ein entsprechendes Bodenmanage- ment und Pflegemaßnahmen kann weiterhin für die bauzeitlich auf der Luftseite in Anspruch genommenen Grünlandflächen (LRT 6510.1) gewährleistet werden, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird und somit keine dauernde Beeinträchtigung verbleibt.

2.2.2 Betriebsbedingte Betroffenheit Neben Höhe und Dauer des einzelnen Einstauereignisses ist die Intensität der Auswirkung auf die Lebensraumtypen im wesentlichen vom Zeitpunkt (Jahreszeit) und vom Wiederkehr- intervall abhängig. Tabelle 2-4 und Tabelle 2-5 geben einen Überblick über die Fläche der FFH-LRT, die bei unterschiedlichen Überstauintervallen betroffen sind. Im Vergleich zu Tabelle 2-2 und Tabelle 2-3 ergeben sich Differenzen in der Gesamtsumme, da nunmehr die Flächen abgezogen wurden, die bereits bau- und anlagebedingten Verlusten unterliegen. Das Überflutungsintervall 1-5 Jahre ist strenggenommen zu vernachlässigen, da bis zu einem HQ5 kein Einstau erfolgt, sondern die Hochwasser unreguliert den Sperrenstandort passieren und im Stauraum so ausufern, wie dies im Ist-Zustand der Fall ist. Ab dem nächsten Intervall (5-10 Jahre) gehören diese Flächen allerdings zu dem durch Überstau beeinträchtigten Bereich, da dann Stauhöhe und -dauer das natürliche Maß für diese Fläche übersteigen. Die überstauten Flächen sind bei Standort II durchweg deutlich geringer als bei Standort I. Für das angesetzte maximale Hochwasserereignis HQ100(72)beträgt der Unterschied 4,2 Hektar. Dafür wird auf Standort II bei den Überstauintervallen 5-10, 20-50 Jahre jeweils ein LRT mehr in Anspruch genommen als bei Standort I.

Tabelle 2-4: Fläche betroffener FFH-Lebensraumtypen (LRT) für Standortvariante I des Damm- bauwerkes bei unterschiedlichen Überstauintervallen

Überflutungsintervall

FFH-LRT / Fläche in m² 1 - 5 Jahre 5 - 10 Jahre 10 - 20 Jahre 20 - 50 Jahre 50 - 100 Jahre

Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern 4369 11606 22092 26876 36376

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Überflutungsintervall

FFH-LRT / Fläche in m² 1 - 5 Jahre 5 - 10 Jahre 10 - 20 Jahre 20 - 50 Jahre 50 - 100 Jahre

Feuchte Hochstaudensäume der planaren bis alpinen Höhenstufe 0 7528 13813 13861 14921

Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum) 0 0 1580 12442 31881

Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio-Acerion) 0 0 0 0 687

Magere Flachland-Mähwiese (Höhen-Arrhenatheretum) 7384 39749 82437 112521 191214 magere Flachland-Mähwiesen (minimale Artausstattung) 0 0 0 0 0

Summe (11753) 58883 119922 165700 275079

Tabelle 2-5: Fläche betroffener FFH-Lebensraumtypen (LRT) für Standortvariante II des Damm- bauwerkes bei unterschiedlichen Überstauintervallen

Überflutungsintervall

FFH – LRT / Fläche in m² 1 - 5 Jahre 5 - 10 Jahre 10 - 20 Jahre 20 - 50 Jahre 50 - 100 Jahre

Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern 5799 7654 14650 20529 36688

Feuchte Hochstaudensäume der planaren bis alpinen Höhenstufe 657 1650 1650 2710 8114

Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum) 0 1476 11906 22194 29368

Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio-Acerion) 0 0 0 687 3685

Magere Flachland-Mähwiese (Höhen-Arrhenatheretum) 2816 27438 65613 107186 155159 magere Flachland-Mähwiesen (minimale Artausstattung) 0 0 0 0 56

Summe (9272) 38218 93819 153306 233070

Um die Auswirkungen des Einstaus auf die Vegetation quantifizierend beschreiben zu können, wurde ausgehend von den verfügbaren Kenntnissen über das Verhalten von Arten/Gesellschaften zunächst eine qualitative Prognose über die mögliche Entwicklung unter dem Einfluss des temporären Überstaus gegeben. Die sich daraus ergebende Empfindlichkeit der Lebensraumtypen wurde auf einer Skala von 0 – nicht empfindlich - bis 3 – sehr empfindlich – eingeordnet (vgl. Tabelle 2-14). Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Vegetationstyp, der auch im unbeeinflussten Zustand feuchte Standorte besiedelt und/oder regelmäßigen Überflutungsereignissen ausgesetzt ist, wie es bei den gewässerbe- gleitenden Gehölzen und Uferstaudenfluren der Fall ist, eine geringere Empfindlichkeit gegenüber Einstau aufweist als Vegetationstypen, die „Trockenstandorte“ besiedeln. Da eine Überflutung auch immer mit dem Antransport von Sedimenten verbunden ist, muss auch dem damit verbundenen Nährstoffeintrag und der „Verschlämmung“ des Oberbodens durch Feinsedimente Rechnung getragen werden. Weiterhin relevant sind die Einstaudauer und der Zeitpunkt des Einstaus, da Bäume und Sträucher zu Zeiten des Knospenbruchs und des

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Laubaustriebes sowie während der Blattverfärbung und des Laubfalls aufgrund ihrer physio- logischen Situation gegenüber äußeren Einflüssen besonders empfindlich sind und diese schlechter verkraften als während der Vegetationsruhe. Aufgrund der Berechnungen der technischen Planung ist davon auszugehen, dass an beiden Standorten im Maximum mit einer Einstaudauer von insgesamt ca. 21 Tagen zu rechnen ist. Abbildung 2 gibt einen Überblick über die im Projektgebiet vorherrschende Phänologie eini- ger Baumarten (Daten von 1994 – 2003 nach Angaben des Forstamtes Harzgerode). Danach liegt der für die hier betrachteten Bäume sensible Zeitraum des Blatt- /Blütenaustriebes bzw. der Herbstfärbung überwiegend in den Monaten April/Mai sowie Oktober/November. Die Messreihe der Durchflusstagesmittel am Pegel Silberhütte, Selke von November 1948 bis Oktober 2002 lässt erkennen, dass die für den Einstau maßgeblichen Hochwasserereig- nisse ≥ HQ5 überwiegend in den Monaten Dezember und Januar auftraten. Von insgesamt 137 Hochwasserereignissen lagen 13 oberhalb eines HQ5: davon vier im Januar und drei im Dezember (PLANUNGSGESELLSCHAFT DR. SCHOLZ MBH 2004).

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Eberesche 20.4. 20.5. 5.5. 22.5. 14.4. 25.5. 10.10. 10.11.

Esche 14.5. 3.6. 14.4. 28.5.

Fichte 11.5. 8.6.

Hängebirke 20.4. 5.5. 27.4. 15.5. 15.4. 21.5. 24.8. 27.10. 18.10. 15.11.

Hasel 15.2. 19.3.

Rotbuche 27.4. 28.5. 30.9. 5.11. 30.10. 1.12.

Salweide 18.3. 1.5.

Schlehe 28.4. 20.5.

Schwarzerle 3.3. 22.5. 30.3. 18.5.

Sommerlinde 15.6. 28.8.

Spitzahorn 27.4. 22.5.

Stieleiche 2.5. 31.5. 20.10. 20.11. 30.10. 4.12. Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Beginn Austrieb Beginn Blüte Beginn Blattentfaltung Beginn Maitrieb Herbstl. Blattverfärbung Herbstl. Blattfall Abbildung 2: Phänologie verschiedener Baum- und Straucharten im Untersuchungsgebiet

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2.2.2.1 Betroffenheit der Erlen- und Eschenwälder an Fließgewässern Bei dem Lebensraumtyp 91E0 „Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern“ handelt es sich um einen Hainmieren-Schwarzerlenwald (Stellario nemo- rum - Alnetum glutinosae Lohm. 1957), indem die Erlen streckenweise sehr stark zugunsten von Weiden (Bruch-, Grau-, Salweide) zurücktreten. Daneben kommen in Einzelexemplaren auch Eberesche, Hängebirke, Bergahorn und Silberweide vor (vgl. Tabelle 2-6). Insbeson- dere Bruch- und Silberweide gelten als Arten, die auch auf langanhaltenden Überstau in der Vegetationsperiode nicht mit totalem Absterben reagieren. Auch Grau- und Salweide ertra- gen Überstau sehr gut bzw. nur mit vergleichsweise geringen Ausfällen (z.B. SCHAFFRATH 2000). Generell wird die Schwarzerle als Art mit hoher Überflutungstoleranz beschrieben (GULDER 1996), wobei sie insbesondere längere Überflutungen im Winter gut überstehen kann, beim Jungwuchs allerdings empfindlich auf Sommerhochwässer reagiert, wenn es zu Sauerstoffmangel aufgrund stehenden Wassers kommt. Es erscheint dennoch gerechtfertigt, dem Lebensraumtyp insgesamt eine niedrige Empfindlichkeitsstufe zuzuordnen. Die Bestände liegen in einem Bereich, der in allen Hochwasserfällen überflutet bzw. über- staut würde. Das teilweise flächenhafte Vorkommen der Schwarzerle weist darauf hin, dass die Art durch die kleineren Hochwasserereignisse (HQ≤5), die bislang überwiegend in die Vegetationsperiode zwischen April und September fielen (32 % von insgesamt 137 Ereignis- sen), nicht in ihrem Bestand beeinflusst wurde. Die für einen potenziellen Einstau relevanten Ereignisse fanden im betrachteten Zeitraum überwiegend in der weniger kritischen Vegetati- onsruhe statt. Sollte sich das zeitliche Auftreten der Hochwässer in Zukunft nicht anders dar- stellen als aus der bisherigen Messreihe bekannt, wird erwartet, dass sich der gewässerbe- gleitende Gehölzbestand insgesamt nicht verändert. Im ungünstigeren Fall, d.h. häufigere einstaurelevante Hochwässer in der Vegetationsperiode, könnte dies zu einer allmählichen Verdrängung der Erlen zugunsten von Weiden in den dammnahen Bereichen führen, die in Richtung Stauwurzel und damit in den seltener bzw. kürzer überstauten Bereichen ausläuft. Es käme damit zu einer Verschiebung in den Bestockungsanteilen der einzelnen Baumar- ten, aber nicht zu einer grundlegenden Änderung des Lebensraumtyps an sich, sodass sich der Erhaltungszustand dieses LRT im Stauraum nicht verschlechtert. Durch den Hochwasserrückhalt wird sich das Überflutungsregime unterhalb des Sperren- bauwerks für Ereignisse > HQ5 ändern. Abschnitte der Selke, die im Ist-Zustand ausufern würden, werden durch die geregelte Abgabe im Einstaufall von einer Überflutung abgekop- pelt (s. Anlage 1). Die Einstufung eines Bestandes in den vorgenannten LRT setzt ein noch weitgehend intaktes Wasserregime (Überflutungs- und Druckwasserauen) voraus (BFN 1998). Dabei ist zu beachten, dass unter Alno-Padion verschiedene Verbände und Waldty- pen zusammengefasst werden, die sich direkt entlang der Fließgewässer oder auch auf quellig durchsickerten Standorten in den Tälern oder der Hangfüße entwickeln. Das vorge- fundene Stellario-Alnetum ist der Typus, der sich an den Ufern sowie im Schwemmbereich schnellfließender Bäche und Flüsse ausbildet (LAU 2002a) und auf häufige, regelmäßige Überflutungen angewiesen ist. Dieses wird sich für die ufernahen Bereiche nicht ändern, da die kleineren Hochwässer nach wie vor ungehindert abfließen können. Die außerhalb des eigentlichen Ufersaumes liegenden Auwaldbereiche sind bereits jetzt von einer häufigen Überflutung, wie sie zur Entwicklung eines Stellario-Alnetum notwendig ist, abgekoppelt und haben sich aufgrund der dortigen Grund- und/oder Sickerwassersituation entwickelt. Ihr Erhaltungszustand ist unabhängig von der Überflutung und wird durch die Veränderung des Wasserregimes infolge geregelter Abgabe im Ereignisfall nicht beeinträchtigt. Eine Verschlechterung des Erhaltungszustand dieses LRT als projektbedingte Auswirkung wird daher verneint.

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Tabelle 2-6: Artenzusammensetzung der gewässerbegleitenden Vegetation

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Acer pseudoplatanus Bergahorn R

Alnus glutinosa Schwarzerle 3

Alopecurus pratensis Wiesenfuchsschwanz 1

Angelica sylvestris Waldengelwurz R

Betula pendula Hängebirke R

Cirsium oleraceum Kohlkratzdistel +

Cirsium palustre Sumpfkratzdistel R

Corylus avellana Gemeine Haselnuss +

Dactylis glomerata Gemeines Knaulgras +

Deschampsia cespitosa Rasenschmiele +

Epilobium hirsutum Rauhhaariges Weidenröschen R

Epilobium roseum Rosenrotes Weidenröschen R

Equisetum fluviatile Teichschachtelhalm +

Euonymus europaea Europäisches Pfaffenhütchen R

Filipendula ulmaria Großes Mädesüß 2

Galeopsis tetrahit Stechender Hohlzahn R

Galium aparine Klettenlabkraut 1

Geum urbanum Echte Nelkenwurz 1

Glyceria maxima Wasserschwaden 1

Humulus lupulus Hopfen 1

Impatiens glandulifera Drüsiges Springkraut +

Impatiens noli-tangere Echtes Springkraut +

Impatiens parviflora Kleines Springkraut +

Lycopus europaeus Uferwolfstrapp +

Lysimachia vulgaris Gemeiner Gilbweiderich +

Melica uniflora Einblütiges Perlgras R

Myosotis palustris Sumpfvergißmeinnicht +

Phalaris arundinacea Rohrglanzgras 3

Poa trivialis Gemeines Rispengras +

Populus tremula Espe 1

Ribes uva-crispa Stachelbeere R

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Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Rubus idaeus Himbeere 1

Salix alba Silberweide R

Salix caprea Salweide 2

Salix cinerea Grauweide 1

Salix fragilis Bruchweide 3

Scrophularia nodosa Knotenbraunwurz R

Senecio fuchsii Fuchssches Kreuzkraut R

Sorbus aucuparia Eberesche R

Stachys sylvatica Waldziest +

Stellaria holostea Echte Sternmiere +

Stellaria nemorum Hainsternmiere 1

Symphytum officinale Gemeiner Beinwell 1

Urtica dioica Große Brennessel 3

2.2.2.2 Betroffenheit der feuchten Hochstaudensäume Der Lebensraumtyp Nr. 6430 „Feuchte Hochstaudensäume der planaren bis alpinen Höhen- stufe“, der im Untersuchungsgebiet sowohl gewässerbegleitend (Artenzusammsetzung vgl. Tabelle 2-6 und Tabelle 2-7) als auch außerhalb der Aue anzutreffen ist, wird hier repräsen- tiert durch die Mädesüß-Sumpfstorchschnabel-Staudenflur (Filipendulo ulmariae-Geranietum palustris W. Koch 1926). Sie wird bei GOEBEL (1996) als terrestrisch-nasse Vegetationsein- heit charakterisiert, die eine Überflutungstoleranz von wenigstens 2 dm aufweist. Bestands- bildend sind Großes Mädesüß, Rohrglanzgras, Wasserknöterich, Große Brennessel und auf leicht quelligen Standorten die Waldsimse. Die drei erstgenannten können aufgrund ihrer Fähigkeit zur Ausläuferbildung und vegetativen Vermehrung als sehr regenerationsfähig beschrieben werden. Auch nach einer völligen Überdeckung mit Wasser und/oder Sediment von mehreren Tagen bilden sie sehr schnell wieder aspektbildende Bestände (eigene Beob- achtung nach Überflutungsereignissen an der Schwarza, April 1997 und Wisenta, Juli 2003). Auch dieser Lebensraumtyp wird als wenig empfindlich angesehen und der Stufe 1 zugeordnet. Auch hier wird erwartet, dass sich die Verteilung der Arten in Abhängigkeit von der Über- stauhäufigkeit verändert, das Artenspektrum insgesamt aber stabil bleibt. Auch hier wird deshalb keine negative Veränderung des derzeitigen Erhaltungszustandes erwartet.

Tabelle 2-7: Artenzusammensetzung der feuchten Hochstaudensäume

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Achillea ptarmica Sumpfschafgarbe R

Alopecurus pratensis Wiesenfuchsschwanz 1

Calystegia sepium Echte Zaunwinde 1

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Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Epilobium hirsutum Rauhhaariges Weidenröschen 1

Filipendula ulmaria Großes Mädesüß 4

Geranium palustre Sumpfstorchschnabel +

Glyceria maxima Wasserschwaden +

Juncus conglomeratus Knäuelbinse 1

Juncus effusus Flatterbinse 1

Lamium maculatum Gefleckte Taubnessel R

Lysimachia vulgaris Gemeiner Gilbweiderich +

Myosotis palustris Sumpfvergißmeinnicht +

Phalaris arundinacea Rohrglanzgras 4

Poa trivialis Gemeines Rispengras 1

Polygonum amphibium Wasserknöterich 2

Ranunculus acris Scharfer Hahnenfuß R

Ranunculus repens Kriechender Hahnenfuß 1

Scirpus sylvaticus Waldsimse 2

Symphytum officinale Gemeiner Beinwell 1

Urtica dioica Große Brennessel 2

2.2.2.3 Betroffenheit des Labkraut-Eichen-Hainbuchenwaldes Mit dem Waldlaubkraut-Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum betuli Oberd. 1957) ist der Lebensraumtyp Nr. 9170 „Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald“ im Projektgebiet vertreten. Die Zuordnung von Laubwaldbestandteilen zu diesem LRT erfolgte flächig, auch wenn die Standortbedingungen sehr kleinräumig wechseln und die Bestände in Teilen zudem forstlich überprägt worden sind und strenggenommen nicht mehr diesem LRT entsprechen. Aller- dings ist stellt sich der Bereich dieses LRT innerhalb des potenziellen Stauraumes als weitgehend ungestörter Teilbereich mit Altholzbestandteilen dar. GOEBEL (1996) gibt für diese terrestrische Vegetationseinheit eine minimale Überflutungtoleranz an (5 cm). Da dieser LRT außerhalb der Flächen liegt, die regelmäßig von kleineren Hochwässern über- schwemmt würden (Talgrund bis ca. in Höhe des Bahndamms der Selketalbahn) ist eine gewisse Standortadaption an trockenere Bodenverhältnisse zu erwarten. Ein Überstau wirkt sich somit wahrscheinlich negativer auf die Vitalität der einzelnen Baum- und Straucharten aus, als dies bei einem anderen Standort zu erwarten wäre. Der Stieleiche wird beispiels- weise eine mittlere bis hohe Überflutungstoleranz an Auenstandorten zugeschrieben und auch von der namensgebenden Hainbuche wird berichtet, dass sie durchaus tiefere Berei- che der Hartholzaue besiedeln kann (GULDER 1996, vgl. auch SCHAFFRATH 2000). Die vorher angesprochene Standortadaptation wird hier als ausschlaggebendes Kriterium betrachtet und führt zur Einstufung des LRT in die Empfindlichkeitsstufe 3. Bei einer Überflutung dieser Waldbereiche ist damit zu rechnen, dass zumindest ein Teil der aspektbildenden Baum- und Straucharten stark geschädigt wird bzw. abstirbt. Während die Sträucher aufgrund ihrer schnelleren Wüchsigkeit diese Verluste ausgleichen können, ist

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 18 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte dies bei den Laubbaumarten zweifelhaft. Es wird erwartet, dass diese Veränderungen umso stärker sind, je häufiger die Waldbereiche überflutet werden. Perspektivisch wird mit einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes dieses LRT im Einstaubereich gerechnet.

Tabelle 2-8: Artenzusammensetzung des Labkraut-Eichen-Hainbuchenwaldes

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Acer pseudoplatanus Berg-aorn 3

Aegopodium podagraria Giersch +

Avenella flexuosa Schlängelachmiele 1

Betula pendula Hängebirke 1

Calamagrostis arundinacea Waldreitgras 2

Carpinus betulus Hainbuche 2

Corylus avellana Gemeine Haselnuss 1

Crataegus monogyna Eingriffliger Weissdorn +

Fagus sylvatica Rotbuche 1

Galium harcynicum Harzlabkraut 1

Galium sylvaticum Waldlabkraut +

Geranium robertianum Ruprechtskraut +

Geum urbanum Echte Nelkenwurz +

Melampyrum sylvaticum Waldwachtelweizen 1

Melica nutans Nickendes Perlgras 2

Milium effusum Waldflattergras 1

Picea abies Gemeine Fichte +

Prunella vulgaris Gemeine Braunelle +

Prunus spinosa Schlehe +

Quercus petraea Traubeneiche 3

Quercus robur Stieleiche 1

Sorbus aucuparia Eberesche +

Stellaria graminea Grassternmiere R

Stellaria holostea Echte Sternmiere +

Tilia cordata Winterlinde 1

Urtica dioica Grosse Brennessel R

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2.2.2.4 Betroffenheit der Schlucht- und Hangmischwälder Der Linden-Ahorn-Mischwald (Tilio platyphyllis-Acerion pseudoplatani, Klika 1955) vertritt den Lebensraumtyp Nr. 9180 „Schlucht- und Hangmischwälder“ im Projektgebiet. Die Ein- stufung der Bestände in diesen LRT erfolgte aufgrund der Bestockungsverhältnisse des determinierbaren Arteninventars und der Standortcharakteristik entsprechend der Darstel- lung in der Karte der potenziellen natürlichen Vegetation Sachsen-Anhalt (LAU 2002). Den Bereichen, die innerhalb der HQ100-Linie liegen, kann ebenfalls eine weitgehende Ungestört- heit mit Altholzanteil zugesprochen werden. Für diesen LRT gilt das Gleiche wie für den Labkraut-Eichen-Hainbuchenwaldes. Dieser LRT wird deshalb ebenfalls in die Empfindlichkeitsstufe 3 eingeordnet. Langfristig wird auch hier von einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes ausgegangen.

Tabelle 2-9: Artenzusammensetzung des Schlucht- und Hangmischwaldes

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Acer platanoides Spitzahorn 1

Acer pseudoplatanus Bergahorn 4

Asarum europaeum Haselwurz +

Avenella flexuosa Schlängelschmiele 2

Betula pendula Hängebirke 2

Corylus avellana Gemeine Haselnuss 1

Fraxinus excelsior Gemeine Esche 2

Melica uniflora Einblütiges Perlgras +

Mercurialis perennis Ausdauerndes Bingelkraut +

Milium effusum Waldflattergras 2

Ribes uva-crispa Stachelbeere +

Stellaria holostea Echte Sternmiere 2

Tilia platyphyllos Sommerlinde +

Minimierungsmöglichkeit: Die Möglichkeit den Eingriff flächenhaft zu reduzieren, ist mit dem Vorhabensziel bzw. dem maximalen Einstauziel nicht vereinbar. Die an die vorgenannten LRT angrenzenden Waldbereiche können mittel- bis langfristig allerdings waldbaulich so entwickelt werden, dass diese Verluste kompensiert werden und die globale Kohärenz weiterhin gewahrt bleibt.

2.2.2.5 Betroffenheit der mageren Flachlandwiesen Hinter dem LRT „Magere Flachlandwiesen - Höhen-Arrhenatheretum“ verbergen sich unter- schiedlich ausgeprägte Wiesentypen der Glatthaferwiesen, von denen erwartet wird, dass sie auch unterschiedlich auf einen Einstau reagieren.

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Typ 6510.1: Empfindlichkeitsstufe 1 wurde an Ausprägungen vergeben, die pflanzensoziolo- gisch einer Labkraut-Wiesenfuchsschwanzwiese (Galio molluginis-Alopecuretum pratensis) entsprechen. In RUNGE (1994) wird die Wiesenfuchsschwanzwiese als Wiesentyp charakteri- siert, in dem der Wiesenfuchsschwanz als „Art mit deutlicher Überflutungsresistenz domi- niert“. Diese Ausprägung liegt innerhalb des Projektgebietes vollständig in dem Bereich der Talaue, die bislang je nach Hochwasserereignis mehr oder weniger stark überflutet wurde. Man kann also davon ausgehen, dass sich die vorgefundene Ausprägung unter Hochwas- sereinfluss ausgebildet hat. Die Überflutungstoleranz von Wiesenfuchsschwanz-Wiesen wird weiterhin durch die Untersuchungen von HUNDT (1975) bestätigt. Prognostisch bleibt überwiegend ein den Glatthaferwiesen zuzuordnendes Galio molluginis-Alopecuretum pratensis erhalten, wobei eine anteilige Zunahme von Arten mit höherer Stickstoffzahl möglich ist. Zur Überflutungstoleranz der Höhen-Differentialarten (Perückenflockenblume, Frauenmantel, Waldrispengras) konnten keine verwertbaren Angaben recherchiert werden. In den relativ am längsten überstauten und der Sedimentation ausgesetzten Bereichen nahe des Dammes ist eine Begünstigung vegetativ ausbreitungsfähiger, nässeverträglicher Arten zu erwarten, die sich nach Absterben oder Sedimentbedeckung der oberirdischen Teile durch Ausläufer und Wurzeltriebe regenerieren (z.B. Kriechender Hahnenfuß). Auch eutraphente, kurzlebige Arten wie z.B. die Große Brennnessel können hier zunehmen.

Tabelle 2-10: Artenzusammensetzung der Labkraut-Wiesenfuchsschwanz-Wiese

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Achillea millefolium Gemeine Schafgarbe 1

Achillea ptarmica Sumpfschafgarbe R

Aegopodium podagraria Giersch +

Agrostis capillaris Rotes Straußgras +

Alchemilla vulgaris Gemeiner Frauenmantel +

Alopecurus pratensis Wiesenfuchsschwanz 4

Angelica sylvestris Waldengelwurz R

Anthoxanthum odoratum Gemeines Ruchgras +

Anthriscus sylvestris Wiesenkerbel +

Arrhenatherum elatius Glatthafer 3

Bromus hordeaceus Weiche Trespe R

Caltha palustris Sumpfdotterblume R

Carex disticha Zweizeilige Segge +

Carex hirta Behaarte Segge R

Centaurea pseudophrygia Perückenflockenblume R

Cirsium arvense Ackerkratzdistel R

Cirsium oleraceum Kohlkratzdistel 1

Cirsium palustre Sumpfkratzdistel R

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Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Colchicum autumnale Herbstzeitlose R

Cruciata laevipes Gewimpertes Kreuzlabkraut +

Dactylis glomerata Gemeines Knaulgras 1

Deschampsia cespitosa Rasenschmiele 1

Festuca pratensis Wiesenschwingel +

Festuca rubra Rotschwingel 2

Filipendula ulmaria Großes Mädesüß +

Galium mollugo Wiesenlabkraut +

Galium verum Echtes Labkraut R

Heracleum sphondylium Wiesenbärenklau +

Holcus lanatus Wolliges Honiggras 2

Knautia arvensis Ackerwitwenblume R

Leucanthemum vulgare Wiesenmargerite R

Lolium perenne Deutsches Weidelgras 1

Lychnis flos-cuculi Kuckuckslichtnelke R

Myosotis palustris Sumpfvergißmeinnicht R

Phleum pratense Wiesenlieschgras +

Poa chaixii Waldrispengras R

Polygala vulgaris Gemeines Kreuzblümchen R

Polygonum amphibium Wasserknöterich R

Polygonum bistorta Wiesenknöterich R

Ranunculus acris Scharfer Hahnenfuß R

Ranunculus repens Kriechender Hahnenfuß 1

Rumex acetosa Wiesensauerampfer R

Stellaria graminea Grassternmiere R

Symphytum officinale Gemeiner Beinwell +

Taraxacum officinale Gemeine Kuhblume 1

Tragopogon pratensis Wiesenbocksbart R

Trifolium pratense Rotklee +

Trifolium repens Weißklee 2

Urtica dioica Große Brennessel +

Veronica chamaedrys Gamanderehrenpreis R

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Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Vicia sepium Zaunwicke R

Typ 6510.2: Empfindlichkeitsstufe 2 erhielt Grünland, das als Berg-Glatthaferwiese (Alche- millo vulgaris – Arrhenatheretum elatioris) angesprochen werden konnte. Im Untersuchungs- gebiet sind allerdings auch Bereiche zu finden, die sich aufgrund ihrer Artenzusammenset- zung nicht klar dieser Assoziationsebene zuordnen ließen. Sofern sie allerdings noch Kenn- zeichen einer Arrhenatheretalia-Basalgesellschaft erkenne ließen, wurden sie der vorge- nannten Gesellschaft zugeschlagen. In ihr sind zwar auch überflutungstolerante Arten wie Wiesenfuchsschwanz oder Kriechender Hahnenfuß zu finden, allerdings treten hier neben den bereits o.g. Höhenarten noch solche hinzu, die normalerweise an eher trockeneren und/oder nährstoffärmeren Standorten wach- sen wie Rauhblattschwingel, Taubenskabiose oder Gemeines Ferkelkraut.

Der überwiegende Flächenanteil dieses Subtyps liegt in Bereichen, die erst bei einem HQ50 oder HQ100 erreicht werden. Bei Variante I wird ein sehr kleiner Flächenanteil bereits bei einem HQ10 eingestaut.

Perspektivisch wird erwartet, dass die selten überfluteten Bereiche (HQ50, HQ100) unter Bei- behaltung der jetzigen Nutzung aufgrund der langen Zeiträume, die den Flächen zur „Rege- neration“ zur Verfügung steht, sich in ihrer Zusammensetzung nicht verändern. Im Über- gangsbereich zwischen Typ 6510.1 und 6510.2 ist bei häufigerer Überflutung damit zu rech- nen, das letzterer seinen Flächenanteil erweitert. Insbesondere bei den Arten, die für trockene und/oder nährstoffärmere Standorte stehen, ist damit zu rechnen, dass sie in ihrem Anteil zurückgehen oder gar ausfallen. Insgesamt wird daher von einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes für diesen Typ ausgegangen.

Tabelle 2-11: Artenzusammensetzung der Berg-Glatthafer-Wiese

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Achillea millefolium Gemeine Schafgarbe 1

Alchemilla vulgaris Gemeiner Frauenmantel 1

Alopecurus pratensis Wiesenfuchsschwanz 2

Angelica sylvestris Waldengelwurz R

Anthoxanthum odoratum Gemeines Ruchgras 2

Arrhenatherum elatius Glatthafer 3

Astragalus glycyphyllos Bärenschote R

Bellis perennis Gänseblümchen R

Briza media Gemeines Zittergras +

Campanula rotundifolia Rundblättrige Glockenblume R

Carex hirta Behaarte Segge R

Centaurea pseudophrygia Perückenflockenblume R

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 23 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Colchicum autumnale Herbstzeitlose R

Cruciata laevipes Gewimpertes Kreuzlabkraut +

Dactylis glomerata Gemeines Knaulgras 1

Elytrigia repens Gemeine Quecke R

Festuca ovina Echter Schafschwingel +

Festuca rubra Rotschwingel 2

Festuca trachyphylla Rauhblattschwingel 1

Galium mollugo Wiesenlabkraut +

Galium verum Echtes Labkraut +

Heracleum sphondylium Wiesenbärenklau 1

Hieracium pilosella Kleines Habichtskraut R

Holcus lanatus Wolliges Honiggras 3

Hypericum perforatum Tüpfelhartheu +

Hypochoeris radicata Gemeines Ferkelkraut +

Leucanthemum vulgare Wiesenmargerite R

Linaria vulgaris Gemeines Leinkraut R

Luzula campestris Gemeine Hainsimse 1

Phleum pratense Wiesenlieschgras 1

Plantago major Breitwegerich +

Poa chaixii Waldrispengras +

Poa pratensis Wiesenrispengras 2

Potentilla reptans Kriechendes Fingerkraut R

Rumex acetosa Wiesensauerampfer +

Saxifraga granulata Körnchensteinbrech R

Scabiosa columbaria Taubenskabiose R

Stellaria graminea Grassternmiere +

Tanacetum vulgare Rainfarn +

Taraxacum officinale Gemeine Kuhblume 2

Thymus pulegioides Gemeiner Thymian R

Tragopogon pratensis Wiesenbocksbart R

Trifolium dubium Kleiner Klee R

Trifolium pratense Rotklee +

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Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Trifolium repens Weißklee 1

Trisetum flavescens Goldgrannenhafer +

Veronica chamaedrys Gamanderehrenpreis +

Typ 6510.3: Als dritter Typ wurden Wiesenflächen ausgegrenzt, die als ein Mosaik aus Ele- menten der Frauenmantel-Glatthaferwiese und Borstgrasrasen (Polygalo-Nardetum Oberd. 1957) beschrieben werden können und sich deshalb insgesamt als sehr artenreich erweisen. Die sehr kleinräumige Mosaikstruktur lässt eine flächenhafte Ausgrenzung der Borstgrasra- sen-Bestände als eigenständige Pflanzengesellschaft nicht zu. Das Arteninventar setzt sich aus den in Tabelle 2-11 und Tabelle 2-12 genannten Arten zusammen. Dabei sind natürlich nicht alle Arten gleichmäßig über die Fläche verteilt, sondern die betrachteten Einzelflächen sind einer ständig wechselnden Artenzusammensetzung unterworfen. Die typischen Borstgrasrasenarten Kantenhartheu, Hundsveilchen, Borstgras, Gem. Kreuz- blume und Schafschwingel werden insgesamt als empfindlicher gegenüber einem Überstau betrachtet, sodass diesem Mischtyp eine gegenüber der reinen Glatthaferwiese mit Stufe 3 eine höhere Empfindlichkeit zuordnet wird. Dabei wird hier neben den Veränderungen der Feuchteverhältnisse auch der Umstand berücksichtigt, dass die vorgenannten Arten auf eher mageren Standorten vertreten sind, die im Ereignisfall einer Nährstoffzuführung ausgesetzt sind. Die Einordnung der Ausgangsverhältnisse als tendenziell nährstoffarm wird gestützt durch das Vorkommen von Besenheide, Färberginster und Gemeinem Sonnenröschen.

Die Flächen dieses Subtyps würden nur sehr selten überstaut würden (HQ50, HQ100). Diese Mosaikflächen zeichnen sich gegenüber der Berg-Glatthaferwiese aber durch eine deutlich höhere Anzahl an Magerkeitszeigern aus, was sich auch in einer niedrigeren durchschnittli- chen Ellenberg´schen Stickstoffzahl wiederspiegelt (ØN = 4,3 für Flächen nach Tabelle 2-11 gegenüber ØN = 3,5 für Flächen nach Tabelle 2-11 und Tabelle 2-12). Perspektivisch wird erwartet, dass die Magerkeitszeiger durch den mit dem Überstau verbundenen Nährstoffein- trag durch andere Arten verdrängt werden oder gar ausfallen. Es ist daher auch hier von einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes auszugehen.

Tabelle 2-12: Artenzusammensetzung der Borstgrasrasen

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Agrostis capillaris Rotes Straußgras 3

Anthoxanthum odoratum Gemeines Ruchgras 1

Arnica montana Arnika +

Brachypodium pinnatum Fiederzwenke +

Briza media Gemeines Zittergras +

Calluna vulgaris Besenheide +

Campanula rotundifolia Rundblättrige Glockenblume R

Carex pilulifera Pillensegge +

Centaurea pseudophrygia Perückenflockenblume R

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Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Colchicum autumnale Herbstzeitlose +

Euphrasia stricta Steifer Augentrost R

Festuca ovina Echter Schafschwingel 3

Festuca rubra Rotschwingel 2

Festuca trachyphylla Rauhblattschwingel 1

Galium boreale Nordisches Labkraut R

Galium harcynicum Harzlabkraut 1

Galium mollugo Wiesenlabkraut +

Genista tinctoria Färberginster +

Helianthemum nummularium Gemeines Sonnenröschen R

Hieracium pilosella Kleines Habichtskraut 1

Holcus lanatus Wolliges Honiggras 1

Hypericum maculatum Kantenhartheu R

Lathyrus linifolius Bergplatterbse R

Leontodon hispidus Rauher Löwenzahn +

Leucanthemum vulgare Wiesenmargerite R

Lotus corniculatus Gemeiner Hornklee +

Luzula campestris Gemeine Hainsimse 1

Meum athamanticum Bärwurz, Bärenkümmel R

Nardus stricta Borstgras 3

Poa pratensis Wiesenrispengras 2

Polygala vulgaris Gemeines Kreuzblümchen R

Potentilla erecta Tormentill, Blutwurz R

Rumex acetosa Wiesensauerampfer +

Succisa pratensis Teufelsabbiß R

Thymus pulegioides Gemeiner Thymian +

Tragopogon pratensis Wiesenbocksbart R

Trifolium dubium Kleiner Klee +

Veronica officinalis Echter Ehrenpreis R

Vicia tenuifolia Schmalblättrige Vogelwicke R

Viola canina Hundsveilchen R

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Typ 6510.?: Die Artenzusammensetzung der Flachland-Mähwiese in ihrer „Minimalvariante“ gibt Tabelle 2-13 wieder. Die Artenzusammensetzung spricht für einen ausgesprochenen trockenen und mageren Standorttypus. Als typische Zeiger für diese Standortverhältnisse sind der Schafschwingel, Gemeiner Thymian, Kleines Habichtskraut und die Heidenelke zu nennen. Analog der Erwartungen, die für die Subtypen 6510.2 und 6510.3 formuliert wurden, ist auch hier von einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes auszugehen.

Tabelle 2-13: Artenzusammensetzung der Flachlandmähwiese in ihrer Minimalausstattung

Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Artmächtigkeit

Festuca ovina Echter Schafschwingel 3

Agrostis capillaris Rotes Straußgras 3

Festuca rubra Rotschwingel 2

Festuca trachyphylla Rauhblattschwingel 2

Anthoxanthum odoratum Gemeines Ruchgras 2

Poa pratensis Wiesenrispengras 1

Hypericum perforatum Tüpfelhartheu 1

Hypochoeris radicata Gemeines Ferkelkraut 1

Leucanthemum vulgare Wiesenmargerite +

Trifolium arvense Hasenklee +

Trifolium dubium Kleiner Klee +

Thymus pulegioides Gemeiner Thymian +

Hieracium pilosella Kleines Habichtskraut +

Alchemilla vulgaris Gemeiner Frauenmantel R

Potentilla reptans Kriechendes Fingerkraut R

Poa chaixii Waldrispengras R

Genista pilosa Haarginster R

Festuca cinerea Blauschwingel R

Dianthus deltoides Heidenelke R

Minimierungsmöglichkeiten: Der negativen Veränderung der betroffenen Wiesentypen, die im wesentlichen auf den Nährstoffeintrag zurückgeführt wurde, lässt sich entgegenwirken, indem Schwemmgut, das nach einem Einstau auf den Flächen zurückbleibt, entfernt und durch ein auf den Standort abgestimmtes Bewirtschaftungs- und Pflegeregime (regelmäßige Mahd) etabliert wird. Der Mahdzeitpunkt muss so gewählt werden, dass die Assimilation von Nährstoffen in den Pflanzen abgeschlossen ist, da dann ein Maximum an Biomasse abge- schöpft werden kann. Mit einer konsequenten Pflege kann die einstaubedingte Beeinträchti- gung der Grünlandvegetation vermindert werden.

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Zusammenfassend ist in nachstehender Tabelle die Einstufung der im Projektgebiet vorge- fundenen Lebensraumtypen in die gewählten Empfindlichkeitsklassen wiedergegeben.

Tabelle 2-14: Einstufung der FFH-LRT hinsichtlich Empfindlichkeit gegenüber Einstau

FFH-LRT Empfindlichkeitsstufe

Erlen- und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an 1 Fließgewässern (Stellario-Alnetum)

Feuchte Hochstaudensäume der planaren bis alpinen 1 Höhenstufe

Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (Galio-Carpinetum) 3

Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio-Acerion) 3

Magere Flachland-Mähwiese (Höhen-Arrhenatheretum) 1, 2, 3 Typ 6510.1, Typ 6510.2, Typ 6510.3 magere Flachland-Mähwiesen (minimale Artausstattung) 3 Typ 6510.?

Tabelle 2-15 gibt einen Überblick, wie groß die Fläche der überstauten FFH-LRT unter- schiedlicher Empfindlichkeit an Standort I und II für die jeweiligen Einstauereignisse ist. An Standort II wird bis zu dem Einstauintervall 20-50 Jahre eine deutlich größere Fläche mit der höchsten Empfindlichkeitsstufe in Anspruch genommen. Erst beim Einstauintervall 50-100 Jahre liegt die betroffene Fläche mit höchster Empfindlichkeit bei SII etwas niedriger als bei SI. Umgekehrt ist der Flächenanteil der Stufe 1 bei Standortvariante II durchweg geringer.

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Tabelle 2-15: Flächengröße im m² und % von Lebensraumtypen unterschiedlicher Empfindlichkeit bei verschiedenen Überstauintervallen an Standort I und II

Überflutungsintervall

1-5 Jahre 5-10 Jahre 10-20 Jahre 20-50 Jahre 50-100 Jahre

Empfind- lichkeit I II I % II % I % II % I % II % I % II %

1 11753 9272 58406 99,2 36675 96,0 115400 96,2 79089 84,3 145151 87,6 122323 79,8 212701 77,3 174099 74,7

2 0 0 477 0,8 67 0,2 2942 2,5 2824 3,0 5839 3,5 8098 5,3 20172 7,3 24427 10,5

3 0 0 0 0,0 1476 3,9 1580 1,3 11906 12,7 14710 8,9 22885 14,9 42206 15,3 34544 14,8

Gesamt (11753) (9272) 58883 100,0 38218 100,0 119922 100,0 93819 100,0 165700 100,0 153306 100,0 275079 100,0 233070 100,0

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2.3 Betroffenheit der Arten nach Anhang II FFH-RL

Tabelle 2-16: Betroffenheit von FFH-Schutzzielen für Gebiet Nr. 4332302 – Arten nach Anhang II FFH-RL

Code-Nr. und Art Betroffenheit vom Vorhaben

1078 – Spanische Fahne Kartierung von August 2003 ergab keinen Nachweis im PG; dieses Euplagia quadripunctaria zählt aufgrund der Lage und Ausstattung nicht zu den als Siedlungs- raum wichtigen Gebieten im Naturraum Harz; Nachweis einer starken Population, die für die Gebietsmeldung ausschlaggebend war, innerhalb des FFH-Gebietes in der Region Meisdorf, ca. 16,5 km entfernt. → keine Betroffenheit des Schutzzieles

1096 – Bachneunauge Aktuelle Nachweise durch Elektrobefischung 2003 in der Selke; kein Lampetra planeri Nachweis in den für die Art passierbaren Zuflüssen zum Stauraum → Betroffenheit des Schutzzieles

1163 – Groppe Aktuelle Nachweise durch Elektrobefischung 2003 in der Selke; kein Cottus gobio Nachweis in den Nebenbächen → Betroffenheit des Schutzzieles

1166 – Kammmolch Aktueller Nachweis 2003 im FFH-Gebiet, allerdings nicht im PG ; nach Triturus cristatus Lage der Fundorte und Größe des Jahreslebensraumes → keine Betroffenheit des Schutzzieles

1308 – Mopsfledermaus Nachweis im Stauwurzelbereich des Elbingstalteiches – Nutzung von Barbastella barbastellus Baumhöhlen als Sommerquartier möglich → Betroffenheit des Schutzzieles

1323 – Bechsteinfledermaus Vorkommen im Umfeld des PG belegt; Nutzung des PG als Sommer Myotis bechsteini und/oder Winterlebensraum möglich → Betroffenheit des Schutzzieles

1324 – Großes Mausohr Vorkommen im Umfeld des PG belegt; keine Wochenstube im PG; Myotis myotis aber Nutzung des PG als Jagdhabitat / Sommerquartier nicht auszuschließen → Betroffenheit des Schutzzieles

2.3.1 Betroffenheit der Spanischen Fahne Aufgrund des fehlenden Nachweises und der Habitatausstattung des untersuchten Gebietes zwischen Güntersberge und Straßberg kommt KARISCH (2003) zu dem Schluss, dass das Selketal im Projektgebiet nicht bzw. nur in so extrem geringer Populationsdichte besiedelt wird, dass trotz sorgfältiger Geländearbeit kein Fund gelang. Vorkommen von Einzelexemp- laren dieser Art lassen sich danach nicht vollständig ausschließen, wären jedoch für den Erhaltungszustand der Population im FFH-Gebiet aufgrund der Randlage zum Kernvorkom- men von untergeordneter Bedeutung. Die Frage nach einer möglichen Verschlechterung des Erhaltungszustandes der Art durch die Errichtung und den Betrieb eines Hochwasserrückhaltebeckens wird demnach verneint.

2.3.2 Betroffenheit des Kammmolches Bei den aktuellen Erhebungen (LEHMANN 2003) konnten im Selketal zwischen Alexisbad und Güntersberge nur zwei Nachweise erbracht werden. Am 29.06.2003 wurden zwei Tiere

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 30 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte durch Ausleuchten in einem Kleingewässer am östlichen Ortsrand von Silberhütte ermittelt und anschließend auch gekeschert. In diesem Zusammenhang ist auch der Fund eines wandernden weiblichen Tieres auf der Straße zwischen Silberhütte und Alexisbad am 04.08.2003 zu sehen. Beide Fundpunkte liegen zwischen 300 und 320 m NN. Im potenziellen Einstaubereich konnten keine Nachweise erbracht werden. Hier fehlen weit- gehend geeignete Gewässerstrukturen. Es wurde eine Vielzahl von Auskolkungen im Sel- kelauf ausgeleuchtet sowie auch der Stauwurzelbereich des Elbingstalteiches untersucht. Die Untersuchungen blieben jedoch ohne Artnachweis. Die Landlebensräume befinden sich in der Regel in einem Radius von wenigen Hundert Metern vom Laichgewässer entfernt, wenngleich auch Wanderungen über größere Distan- zen bekannt sind (SCHIEMENZ & GÜNTHER 1994, GROSSE & GÜNTHER 1996). STOEFER § SCHNEEWEIß (2001), die nur in einem einzigen Fall eine Wanderung von 1100 Metern nach- weisen konnten, beschreiben ebenfalls, dass die von ihnen untersuchten Kammolche mehr- heitlich wenige bis ca. 300 Meter wandern. Diese Hinweise schließen eine Wanderung des Kammmolches bis in den Vorhabensbereich aus.

2.3.3 Baubedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fledermausarten Die Kartierung von LEHMANN (2003) erbrachte einen Nachweis von Mops- und Bechsteinfle- dermaus am Auslauf des Elbingstalteiches. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass beide Arten auch das Projektgebiet aufsuchen. Für das Mausohr konnte kein Nachweis im Projekt- gebiet erbracht werden. Es ist jedoch möglich, dass Mausohren aufgrund ihres belegten sehr großen Aktionsradius von der nächstgelegenen Wochenstube das Projektgebiet zur Nah- rungssuche aufsuchen (LEHMANN 2003). Einzeltiere könnten zudem durchaus Baumhöhlen im Projektgebiet als Quartier aufsuchen (vgl. MESCHEDE & HELLER 2002). Generell scheint das Mausohr in Sachsen-Anhalt nach vorausgeganger positiver Bestands- entwicklung in den letzten drei Jahren eine weitgehend stabile Populationsstruktur aufzuwei- sen mit leicht steigender Tendenz bei den überwinternden Tieren (BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ 2000, BMU 2003; beides unter www.eurobats.org/documents Stand 10.11.2004). Das Mausohr besitzt im Selketal eine große Wochenstube im „Mausoleum“ von Meisdorf und derzeit 12 bekannte Winterquartiere im Selktetal und seinen Nebentälern. Das Selketal gilt als bedeutendstes Nahrungshabitat der Art im Nordostharz (PLANUNGSBÜRO LAMPRECHT 2000, 2001). Für die Bechsteinfledermaus, die in der Roten Liste Sachsen-Anhalt als vom Aussterben bedroht eingestuft wird (LAU LSA 2004), wurden in der Karstlandschaft um Rübeland und im Südharz in Sachsen-Anhalt vermehrt Beobachtungen während der Schwarmphasen gemacht. Die Nachweise überwinternder Individuen erhöhte sich ebenfalls (BMU 2003), liegt aber dennoch auf sehr niedrigem Niveau. Für das Selketal ist das Vorkommen der Art schon seit langem bekannt, die Anzahl der Nachweise ist aber eher gering (LEHMANN 2004). Neben dem jüngsten Nachweis am Elbingstalteich existiert neben verschiedenen Einzelbeobach- tungen ein Reproduktionsnachweis bei Alexisbad und ein Überwinterungsnachweis im Fürst- Viktor-Stollen (PLANUNGSBÜRO LAMPRECHT 2000). Es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Anzahl der Individuen im Selketal höher liegt als die bisherigen Nachweise vermuten lassen. OHLENDORF (zit. nach LEHMANN 2004) geht 1999 noch von einer rückläufigen Bestandsent- wicklung für Sachsen-Anhalt aus. Ob dieser Trend aufgrund der Sichtungen der neueren Vergangenheit mittlerweile gestoppt ist, kann derzeit nicht abgeschätzt werden. Es ist aller- dings immer noch von einer sehr geringen Populationsgröße auszugehen, die entsprechend empfindlich bei Verschlechterungen der Lebensraumbedingungen reagiert. Die Mopsfledermaus, die bislang für den Untersuchungsraum nicht bekannt war und in Sachsen-Anhalt als selten bis sehr selten gilt (LEHMANN 2004), wurde für Sachsen-Anhalt in nennenswertem Umfang lediglich im Rahmen eines Langzeit-Monitoring im Biosphärenre-

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 31 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte servat „Karstlandschaft Südharz“ nachgewiesen (BMU 2003). Ihr Status im Gebiet ist daher unklar. Es ist gut möglich, dass die Art auf der Suche nach geeigneten Winterquartieren das Gebiet bislang nur gelegentlich aufsucht (LEHMANN 2004). Die Verlärmung, die im Zuge der Bauausführung im Projektgebiet und des Antransportes von Materialien auftritt, betrifft im wesentlichen die hellen Tagesstunden. Inwiefern sich die Bau- aktivität auch über die dunklen Tagesstunden erstreckt, kann nach derzeitigem Planungs- tand nicht konkretisiert werden. Das hat zur Folge, dass möglicherweise die potenziellen Schlafplätze der Fledermäuse in unmittelbarer Nähe zum Vorhaben – nämlich die Laubwald- bestände mit Altholzbestandteilen innerhalb des Stauraumes - nicht mehr aufgesucht werden und die Tiere zumindest aus dem direkten Umfeld vergrämt werden. Es ist allerdings bekannt, dass Fledermäuse sich sehr gut an Lärm gewöhnen können und sogar an Autobahnen Quartiere beziehen (BfN 1998). Um den Tieren weniger lärmexponierte Quartiere anzubieten, können auch Kästen in ent- sprechender Entfernung angebracht werden. Alle drei Arten gehören zu denjenigen, die durchaus in Kästen anzutreffenden sind (MESCHEDE & HELLER 2002, BUTTERWECK 1996, GEBHARD 1991, SCHOBER & GRIMMBERGER 1987). Daher erscheint die Maßnahme geeignet, die mögliche Vergrämung aus dem Gebiet durch Lärm zu vermeiden. Unter diesem Aspekt und unter Berücksichtigung der möglichen Gewöhnung wird die Ver- lärmung nicht als Faktor betrachtet, der zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes führen wird.

2.3.4 Anlagebedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fledermausarten Durch das Sperrbauwerk bei Variante II (vgl. anlagebedingte Betroffenheit der Lebensraum- typen in Tabelle 2-3) gehen u.a. Waldbestände verloren, die allen drei Arten als Sommer- quartier, bei der Bechstein- und Mopsfledermaus eventuell auch als Wochenstubedienen können (HARZER, CH. 2003, MAYWALD & POTT 1988, , MESCHEDE & HELLER 2002, SCHOBER & GRIMMBERGER 1987). Diese Verluste können durch das Angebot an „Ersatzquartieren“ aufgefangen werden. Diese müssen allerdings in ausreichender Anzahl und zu einem gün- stigen Zeitpunkt (Erkundungs-/Schwarmphase) rechtzeitig vor Verlust der potenziellen Sommerquartiere im Gebiet verteilt werden, damit die Tiere die Möglichkeit haben, diese beim Aufbau bzw. Erweiterung ihres Quartiersystems einzubeziehen. Perspektivisch ist der Erhalt von potenziellen Quartierbäumen über Vorgaben für die Bewirtschaftung der Waldbe- reiche regelbar und unverzichtbar, da über Kästen immer nur ein Teil der Individuen erreicht wird. Aufgrund der Zeitspanne zwischen der Bereitstellung/Schaffung geeigneter Quartiere und der Annahme derselben durch die Tiere, ist besonderer Wert auf die sehr frühzeitige Durchführung solcher Maßnahmen zu legen. Das Mausohr sucht gezielt den Harzraum zur Überwinterung auf. Dies ist ein Phänomen, das auch aus anderen Mittelgebirgen bekannt ist (LANDESAMT FÜR UMWELT UND GEOLOGIE 1999). Dabei ist davon auszugehen, dass in das Harzmassiv bevorzugt entlang der Flusstä- ler eingeflogen wird, denen demzufolge als Wanderkorridor eine hohe Bedeutung beizumessen ist. So liegen Belege über saisonale Ortswechsel zwischen der Wochenstube in Meisdorf und der Heimkehle vor (LEHMANN 2003). Es ist allerdings nicht bekannt, inwieweit das Selketal als Wanderkorridor genutzt wird. Ein durchgehender Talkorridor ist zwischen den genannten Fundpunkten nicht ausgebildet. Die Tiere müssen also grundsätzlich in der Lage sein, sich auch ohne diese spezielle Leitstruktur zu orientieren (vgl. Abbildung 3). Der Damm stellt für diese und andere das Gebiet aufsuchende Fledermausarten a priori ein Hin- dernis dar, das die Wanderbewegung und die genannten Ortswechsel unterbinden könnte. Individuen, die regelmäßig das Selketal durchfliegen, können allerdings über die Bauzeit das Bauwerk und den neuen Weg darüber hinweg kennen lernen, sodass es für sie kein

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 32 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte unüberwindbares Hindernis darstellen dürfte. Das dreidimensionale „Hörbild“, dass sich Fledermäuse von ihrer Umgebung machen, sollte die Tiere befähigen, die Böschung räum- lich zu erkennen und damit zu überfliegen. Zudem ist es wahrscheinlich, dass auch die ziehenden Tiere Jagdflüge unternehmen und dabei die an den Talflanken vorhandenen Waldbereiche durchstreifen. Dabei wird der Damm dann zwangsläufig umflogen. Da unter bestimmten Voraussetzungen auch Wiesen als Nahrungshabitat genutzt werden (MESCHEDE & HELLER 2002), ist auch ein direktes Überfliegen vorstellbar. Aufgrund dieser Gesichtspunkte und der im vorigen Abschnitt abgeleiteten Fähigkeit, sich auch ohne „Leitkorridor“ bewegen zu können, wird an dieser Stelle deshalb davon ausge- gangen, dass die Wanderbewegungen durch das Dammbauwerk nicht unterbunden werden und damit kein Verlust von Teilen des Jahreslebensraum stattfindet.

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Abbildung 3: Mögliche Wanderungsbewegungen des Großen Mausohrs im Umfeld des Vorhabens, schematische Darstellung

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 34 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte

2.3.5 Betriebsbedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fledermausarten Wird der Damm aus Hochwasserschutzgründen geschlossen, werden Laubholzbestände bei Standort I ab dem Überflutungsintervall 10-20 Jahre (HQ20), bei Standort II ab dem Intervall 5-10 Jahre (HQ10) erreicht. Potenzielle Sommerquartiere der Fledermäuse, insbesondere Bechstein- und Mopsfledermaus werden damit für die Einstaudauer unbrauchbar. Es besteht die Möglichkeit, dass durch ein Überangebot an Kästen außerhalb des HQ100 die Fleder- mäuse aus dem Einstaubereich zur Quartiersuche abgezogen werden. Da Fledermäuse allerdings als reviertreu bekannt sind (SCHOBER & GRIMMBERGER 1987), dürfte diese Form der „Umsiedlung“ nur einen Teil der Individuen erreichen. Ein Überangebot von natürlichen, geeigneten Quartieren außerhalb der HQ100-Linie ist Voraussetzung dafür, den überwiegen- den Teil der Tiere dauerhaft aus dem Einstaubereich abzuziehen. Der Auslaufstollen des Elbingstalteiches (potenzielles Winterquartier für die Bechsteinfle- dermaus) wird für den Einstaufall eines HQ100 bei Standort II erreicht. Passiert dies in den Zeiten der Winterruhe, können die Tiere nicht mehr rechtzeitig aus ihrer Lethargie erwachen und aus dem Stollen entweichen. Um Verluste während eines Einstauereignisses während der Winterruhe generell zu vermei- den, muss der Stollen des Elbingstalteiches verschlossen werden, damit er nicht zur Falle wird. Ersatzweise sind dafür geeignete Stollen in unmittelbarer Umgebung so auszubauen und/oder zu sichern, dass sie als ungestörtes Winterquartier fungieren können. Eine direkte Wirkung auf die Winterquartiere des Mausohrs im Umfeld des PG z. B. über Einstauerscheinungen ist auf Grund der Höhensituation auszuschließen. Der Ablaufstollen des Elbingstalteiches stellt auf Grund seiner geringen Raumtiefe und der für das Mausohr nicht optimalen klimatischen Bedingungen im Stolleninneren kein mögliches Winterquartier dar. Für die Mopsfledermaus stellt der Stollen ebenfalls kein geeignetes Winterquartier dar, sodass auch für diesen Fall keine Beeinträchtigungen zu erwarten sind (LEHMANN 2003). Die mögliche Beeinträchtigung des „Wanderkorridors“ Selketal infolge eines Einstauereignis- ses wird aus denselben Gründen verneint wie bei der Diskussion der möglichen anlagebe- dingten Auswirkungen unter 2.3.4. Für die Dauer eines möglichen Einstaues des Selketals ist mit einem Ausfall der als poten- zieller Jagdlebensraum zu betrachtenden Überstauungsflächen zu rechnen. Dies ist jedoch in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Einstaus zu sehen und trifft auf Ereignisse außerhalb der Winterruhe (Zeitraum zwischen September/Oktober und März/April) zu. Bechsteinfledermaus und Großes Mausohr gehen überwiegend in den Wäldern der Nahrungssuche nach. Die Mopsfledermaus scheint sich zumindest an linienhaften Waldstrukturen wie beispielweise Waldwegen zu orientieren und dort bevorzugt der Jagd nachzugehen (MESCHEDE, HELLER & BOYE 2002). Der Waldrand (auch der Waldrand von Nadelwäldern) kann sicherlich ebenfalls als eine solche Leitlinie angesehen werden. Bevorzugte Jagdlebensräume sind demnach bei den Hochwasserereignissen betroffen, die zum Überstau von Waldrändern bzw. Waldflächen führen.

Bei Standort I und II werden Waldrand- und/oder Waldflächen ab ca. einem HQ10 berührt. Vergleichbare Strukturen innerhalb des Aktionsradius der Fledermäuse sind allerdings für den Maximaleinstau in unmittelbarer Nachbarschaft dieser Flächen vorhanden. Es wird daher davon ausgegangen, dass der aus dem Einstau resultierende Entzug von potenziel- lem Nahrungsraum keine Beeinträchtigung für die Fledermäuse darstellt.

2.3.6 Baubedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fischarten Nach den Ergebnissen der Untersuchungen von EBEL (2004) zeichnet sich das Projektgebiet durch eine hohe strukturelle Diversität mit der für den Gewässertyp charakteristischen Ele-

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 35 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte menten aus. Hinsichtlich der Artenzusammensetzung ergab die Elektrobefischung eine deut- lich Dominanz der Bachforelle. Die beiden hier betrachteten Arten Bachneunauge und Groppe stellten mit 0,45 – 2,15 % nur einen sehr geringen Anteil am Gesamtbestand. Ange- sichts der vorteilhaften Habitatausstattung ist der niedrige Anteil nicht mit Defiziten in der Habitatausstattung zu erklären. EBEL (2004) führt diesen Umstand darauf zurück, dass nach dem starken Rückgang dieser Arten aufgrund der früheren hohen organischen Belastung der Selke diese die Selke aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität noch nicht adäquat wieder- besiedeln konnte, obwohl sich die Gewässerqualität bezogen auf den Saprobienindex mittlerweile verbessert hat. Dieser lag 1997 unterhalb Güntersberge bei 2,61 (vgl. EBEL 2004), im Jahr 2002 für diese Region bei 2,06 (Daten des LHW, Gewässerkundlicher Landesdienst, schriftl. Mitteilung). Mit dem Bau des Dammes in unmittelbarer Gewässernähe ist zu erwarten, dass Erdstoffe oder sonstige Baustoffe aus dem Baufeld in die Selke gelangen und diese auf weiter Strecke verschmutzen. Mögliche Folge des Sedimenteintrages ist die Verfüllung des hyporheischen Interstitials, das u.a. als Entwicklungsstätte für die Embryonalstadien (Eulateralstadien) von Bachneunauge und Groppe fungiert und als Überwinterungshabitat für subadulte Bachneun- augen. Je geringer die Fließgeschwindigkeit bzw. die Wasserführung während des Bauge- schehens ist, desto mehr Feinsedimente können sich absetzen. Die mobilen adulten Tiere können zwar nach oben als auch nach unten ausweichen, stehen dort dann aber in erhöhter Konkurrenz zur dortigen Gewässerfauna. Diese Abundanzvergrößerung kann aufgrund der erhöhten Nahrungs- und Raumkonkurrenz zu einer Verschlechterung der Energiebilanz der im betreffenden Gewässerabschnitt lebenden Individuen führen. Verluste sind deshalb bei beiden Arten zu erwarten. Selbst wenn zugesetzte Bereiche infolge zunehmender Wasserführung wieder freigespült werden, ist zu beachten, dass der derzeitige Erhaltungszustand für Bachneunauge und Groppe als nicht günstig eingestuft wird (EBEL 2004). Je ungünstiger die Bestandssituation sich für eine Art darstellt, desto weniger ist sie in der Lage, mögliche Verluste zu kompensie- ren. Auch wenn man den Eintrag von Feinsedimenten durch Vorschalten von Absetzbecken etc. verringert, kann man die Mobilisierung und den Eintrag von Sedimenten nicht vollständig vermeiden. Die damit verbundene Beeinträchtigung der FFH-relevanten Fischarten muss daher als erheblich betrachtet werden.

2.3.7 Anlagebedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fischarten Die Selke wird im Bereich des Dammbauwerkes neu trassiert und im Sohl- und Böschungs- bereich massiv befestigt. Die Durchgängigkeit der Selke bleibt für die Gewässerfauna außerhalb der Einstauphasen aber grundsätzlich erhalten. Der Möglichkeit, das Gewässerbett wieder naturnah zu gestalten, sind allerdings Grenzen gesetzt. EBEL (2004) geht deshalb davon aus, dass im Dammbereich fischökologisch bedeutsame Habitate mit einer Fläche von 39 m² bei Standortvariante I bzw. 51 m² bei Standortvariante II weitgehend verloren gehen. Dies sind rund 5 bzw. 6 % aller im Untersu- chungsgebiet vorgefundenen fischökologisch bedeutsamen Habitate. EBEL (2004) leitet daraus eine Veränderung der Biozönose mit begleitender Dezimierung der Populationen ab. Im Hinblick auf den bereits ungünstigen Erhaltungszustand der FFH-relevanten Arten Bach- neunauge und Groppe ist damit eine erhebliche Beeinträchtigung verbunden.

2.3.8 Betriebsbedingte Betroffenheit der FFH-relevanten Fischarten Der Verschluss des Betriebsauslasses und die sehr hohen Fließgeschwindigkeiten im Grundablass im Einstaufall bedingen eine völlige Unterbrechung der Durchgängigkeit des Gewässers flussaufwärts. Da für die Einstaufälle aber auch ohne Stauhaltung keine auf- wärtsgerichtete Migration zu erwarten ist, lässt sich hierfür keine Verschlechterung des Ge-

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 36 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte bietszustandes ableiten. Problematisch sind allerdings die auftretenden Unterdrücke am Grundablass für Individuen, die sich flussabwärts bewegen. Hier sind mortale Schädigungen durch Zerreißen der Kapillaren und/oder der Schwimmblasen zu erwarten. Während der Einstauphasen treten hydrostatische Drücke im Staukörper auf, die die ausge- bildeten Drücke unbeeinflusster Rhitralgewässer um ein Vielfaches übersteigen können. Während davon auszugehen ist, dass adulte und juvenile Groppen (Cottus gobio) aufgrund vorhandener Druckresistenz nicht mortal geschädigt werden, wirken diese Drücke letal auf die embryonalen und eleutheroembryonalen Bachneunaugen und Groppen. Diese können sich aufgrund ihrer Lebensweise den Drücken nicht durch Wanderbewegungen ausweichen. Größere Toleranzen, die derzeit allerdings nicht quantifizierbar sind, besitzen lediglich larvale Bauchneunaugen. Diese Dezimierung der sehr kleinen Population sind als starke und erheb- liche Beeinträchtigung zu werten. Individuen, die aus den oberhalb des Rückstaubereichs liegenden Gewässerabschnitten in den Staukörper verdriftet werden, erfahren ebenfalls mortale Schädigungen. Die Individuen, die den Drücken ausweichen können, verschlechtern ihre Energiebilanz, was insbesondere in der kalten, durch Energielimitation gekennzeichne- ten Jahreszeit von nachteiliger Bedeutung ist. Mit dem Einstau kommt es auch zu Kolmationserscheinungen im Interstitial. Bei den wenig bis nicht mobilen Entwicklungsstadien von Bachneunauge und Groppe ist auch hierdurch eine Dezimierung der Population sehr wahrscheinlich, was ebenfalls zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Erhaltungszustandes führt. Neben der mortalen Schädigung ist wie bei der Betrachtung der Wasserdrücke zu berücksichtigen, dass Individuen aus den oberen Gewässerabschnitten verdriftet werden können. Sie finden dann keinen geeigneten Lebens- raum mehr vor, um ihre Entwicklung fortzusetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kolmation über einen längeren Zeitraum auch nach Abstau weiter persistiert und somit potenzieller Lebensraum verloren geht, der zumindest nicht sofort wiederbesiedelt werden kann. Eine weitere betriebsbedingte Auswirkung besteht in der Veränderung der Wasserqualität (Sauerstoffgehalt, Temperatur) des temporären Staukörpers im Ereignisfall. Die Verände- rungen sind in Anhang I detailliert beschrieben, sodass hier nur ihr Ergebnis im Hinblick auf die FFH-relevanten Arten wiedergegeben wird.

Für sommerliche Einstauereignisse ist ab einem HQ20 damit zu rechnen, dass der Sauer- stoffgehalt unter 4 mg/l absinkt und damit letal wirkt. Für Ereignisfälle eines HQ50-100 kommt es über mehrere Tage zur vollständigen Aufzehrung des eingetragenen Sauerstoff. Davon besonders betroffen sind die im Rückstaubereich siedelnden nicht bzw. wenig mobilen Ent- wicklungsstadien und die durch Verdriftung in den Staukörper gelangenden Individuen. Auch wenn zu erwarten ist, dass aufgrund der hydrologischen Messreihen sommerliche Einstau- ereignisse dieser Größenordnung eher selten sind, kann dieser Ereignisfall nicht vernachläs- sigt werden, da es bei ihm im Staubereich zu Totalverlusten der jungen Entwicklungsstadien von Bauchneunauge und Groppe kommt und durch die mehrjährige Entwicklung der Querderlarven hier gleich mehrere Reproduktionsjahrgänge betroffen sein können. Solche Verluste sind bei ohnehin kleinen Populationen generell sehr schwer zu kompensieren.

Darüber hinaus wird das im Stauraum ausgebildete O2-Defizit nach Beendigung der Stau- haltung an den Unterliegerabschnitt abgegeben und hat dort über eine Strecke von mehre- ren Kilometern (vgl. Anlage 2) einen negativen Effekt.

Bei den adulten oder juvenilen Individuen der betrachteten Arten ist nach EBEL (2004) durch die einstaubedingten Temperaturveränderungen des Wasserkörpers nicht mit mortalen Schädigungen zu rechnen. Embryonale bzw. eleutheroembryonale Individuen besitzen jedoch eine geringere thermische Toleranz. Relevant ist dabei die Überschreitung des Tem- peraturtoleranzlimits. Diese ist für Bachneunauge und Groppe bei Einstauereignissen zwischen April und Juni zu erwarten. Einstauereignisse sind in diesen Monaten zwar nur

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 37 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte selten zu erwarten (PLANUNGSGESELLSCHAFT DR. SCHOLZ 2004), haben aber im Zusammen- hang mit der oben betrachteten Beeinträchtigung durch Sauerstoffzehrung weitreichende Folgen auf die gesamte Reproduktion im betrachteten Gewässerabschnitt, auf die verdrifte- ten Exemplare aus den oberhalb des Rückstaubereiches gelegenen Abschnitten und die Population unterhalb der Stauhaltung, wenn das erwärmte Wasser abgegeben wird. Wird die Population im Einstaubereich dezimiert oder im schlimmsten Fall völlig vernichtet, könnten beide Arten durch Drift und/oder aufwärtsgerichtete Migrationen diesen Gewässer- abschnitt durchaus wiederbesiedeln. Geht man von verdriftbaren Individuen direkt oberhalb des überstauten Bereiches aus, kann der ca. 2 Kilometer lange Abschnitt von der Groppe durch abwärtsgerichtete Drift rechnerisch in ca. drei bis 4 Jahren wiederbesiedelt werden, beim Bachneunauge lässt sich ein Zeitfenster von ca. ein bis drei Jahren errechnen. Eine ausschließlich aufwärtsgerichtete Wiederbesiedlung durch geschlechtsreife Tiere dauert bei der Groppe deutlich länger (ca. 13 Jahre). Für das Bachneunauge kann aufgrund fehlender Grundlagendaten keine Angabe gemacht werden. Voraussetzung für eine Wiederbesiedlung ist allerdings, dass sowohl oberhalb als auch unterhalb des Einstaubereiches sich reproduzierende (Teil-) Populationen dauerhaft erhalten bleiben. Im Einstaubereich muss das Erreichen der Geschlechtsreife erfolgen können, um von dort durch „homing“ die oberhalb gelegenen Abschnitte zu besiedeln. Andernfalls werden die Abschnitte oberhalb gleichsam „leergefischt“. Sommerliche Einstauereignisse, die sich auf die unterhalb des Sperrbauwerkes liegenden Abschnitte negativ auswirken (Temperatur-, Sauerstoffbegrenzung) verringern die Wiederbesiedlungswahrscheinlichkeit. Der Möglichkeit der Wiederbesiedlung sind daher insgesamt enge Grenzen gesetzt. Zusammenfassend muss gesagt werden, dass eine erhebliche Beeinträchtigung von Bach- neunauge und Groppe durch die betriebs- und anlagebedingten Auswirkungen des Vorha- bens sehr wahrscheinlich ist und diese den Erhaltungszielen dieses FFH-Gebietes damit entgegensteht.

2.4 Betroffenheit von Vogelarten nach Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie im SPA „Nordöstlicher Unterharz“ Das nördliche Ende des SPA liegt ca. 10 bzw. 11 km unterhalb der Dammstandorte in Höhe der Ortslage Alexisbad. Projektbedingt könnten die Faktoren bauzeitliche Verlärmung und/oder Verschmutzung des Gewässers oder betriebsbedingte Veränderungen der Wasserführung mit Auswirkungen auf Gestalt der Uferbereiche und/oder Gewässerqualität in das SPA hineinreichen. Der Grad der Verlärmung und seine Reichweite sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht exakt quantifizier- und darstellbar. Resultierend aus eigenen Erfahrungen bei der Erfassung von Brut- und Rastvögeln und der Großbaustelle zum Pumpspeicherwerk Goldisthal sowie den in der Literatur verfügbaren Daten zu Fluchtdistanzen (z.B. FLADE 1994) kann ein Korridor von 300 Metern um das Baufeld herum als Zone betrachtet, den sensible Vogelarten generell meiden. DIETZEN (1996) betrachtete für den speziellen Fall des Auerhuhns im Umfeld der Trinkwassertalsperre Leibis-Lichte einen Korridor bis zu 250 Metern als den Raum, in dem die Art auf jeden Fall mit Flucht- und Meideverhalten reagiert. Aufgrund der Entfernung des SPA zum Bauvorhaben ist die Beeinträchtigung durch Lärm ausgeschlossen. Mögliche Lärmemissionen durch erhöhtes Transportaufkommen sind bei diesem Vorhaben für das SPA ebenfalls nicht zu erwarten. Beim Ausbau der Selke-Sohle im Bereich des Dammbauwerkes wird es zu Eintrübungen des Fließgewässers kommen mit möglichen Beeinträchtigungen der zur Nahrungssuche an das Gewässer gebundenen Arten Schwarzstorch und Eisvogel. Je nach gewählter Technologie

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 38 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte und Dauer der Bauarbeiten ist mit mehrstündiger bis tageweiser Eintrübung zu rechnen, die durchaus eine Länge von 2,5 Kilometern Reichweite haben kann. Ausgehend von einer Sedimentfahne dieser Länge wird das SPA „Nordöstlicher Unterharz“ nicht erreicht und das Nahrungshabitat dieser Arten im SPA nicht beeinträchtigt. Bei einer Kappung der Hochwasserspitzen, wie es im Ereignisfall durch das Rückhaltebecken ja auch erreicht werden soll, könnten eine veränderte Geschiebedynamik und niedrigere Hochwasserstände erwartet werden, die sich auf die Gerinnemorphologie und nachfolgend z.B. auf mögliche Bruthabitate des Eisvogels auswirken. Wie eine Grundlagenuntersuchung zum Geschiebetransport in der Selke gezeigt hat (HYDROPROJEKT INGENIEURGESELLSCHAFT 2003), finden aber bereits bei Mittelwasserständen Geschiebeumlagerungen und Erosionen am Böschungsfuß statt, die eine natürliche Gerinnemodellierung gewährleisten. Eine Kappung der Hochwasserspitzen ab einem HQ≥5 hat dann keinen relevanten Einfluss mehr auf die regelmäßige Entstehung der vom Eisvogel als Brutplatz genutzten Uferabbrüchen. Die Abgabe von sauerstofffreiem Wasser nach einem sommerlichen Einstauereignis hat nach den Berechnungen gem. Anlage 2 einen deutlichen und weitreichenden Einfluss auf den Unterliegerabschnitt. Rein rechnerisch ergibt sich bis zum Erreichen des Richtwertes von 7,0 mg/l für Salmonidengewässer eine Strecke von 13, 7 km. Dieser theoretische Wert berücksichtigt nicht den Belüftungseffekt, der sich im Bereich einmündender Nebenbäche oder durch die lokalen Strukturen (Riffel, Schwellen, Wehrabstürze) ergibt. Eine Minimierung ist durch bautechnische Maßnahmen (Gestaltung des Ablaufbauwerkes) und angepasste Grünlandpflege im Stauraum (Biomasseentnahme) möglich.

3 Alternativendiskussion und Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses Die Untersuchung von Alternativen ist Gegenstand verschiedener Fachbeiträge, die an dieser Stelle nicht noch einmal ausführlich dargestellt werden. Detaildarstellungen sind den jeweiligen Fachbeiträgen zu entnehmen (zur Zusammenstellung der Beiträge vgl. PLANUNGSGESELLSCHAFT DR. SCHOLZ 2004). In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse dieser Beiträge und Untersuchungen zusammenfassend dargestellt. Die Lage der im folgenden Abschnitt erwähnten Gewässerstrecken und Speicherstandorte kann Plan Nr. 4 entnommen werden.

3.1 Nullvariante: Verzicht auf das Vorhaben Die aus dem Hochwasser von 1994 resultierenden Schadensbilanzen und dazu durchgeführte hydrologische /hydraulische Grundlagenuntersuchungen haben gezeigt, dass die an der Selke liegenden Siedlungsgebiete stark hochwassergefährdet sind. Um der Verpflichtung der Gefahrenabwehr nachzukommen, wurden durch das Land Sachsen-Anhalt Möglichkeiten des Hochwasserschutzes untersucht. Ausgangspunkt für den anzustrebenden Schutzgrad bildet die Empfehlung der DIN 19700, für hochwertig bebaute Gebiete einen wirksamen Schutz für ein Hochwasser mit 100jährigem Wiederkehrintervall zu gewährleisten. Die Grundlagenuntersuchungen haben gezeigt, dass das schadarme Abflussvermögen der Selke mit Ausnahme einzelner Ortslagen deutlich unter einem HQ20 liegt (vgl. PLANUNGSGESELLSCHAFT DR. SCHOLZ 2004). Da der Möglichkeit des nicht- technischen Hochwasserschutzes (z.B. Schaffung von ausreichend großen Retentionsflächen) durch die Bebauung entlang der Selke enge Grenzen gesetzt sind, ist die Schaffung von Hochwasserrückhalt zwingend erforderlich.

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Der Verzicht auf jedwede bauliche Maßnahme ist nicht mit der erklärten Zielstellung des Antragstellers vereinbar. Hochwasserschäden ab einem HQ20 müssten dann für den überwiegenden Anteil der Unterlieger in Kauf genommen werden. Der Verzicht auf dieses Vorhaben unter der Maßgabe, das erklärte Schutzziel anderweitig zu erreichen, ist rein technisch durchführbar, aber verbunden mit einem deutlich höheren technischen Aufwand und ebenso einer erhöhten naturschutzfachlichen Eingriffsintensität (vgl. Kap.3.3, 3.4).

3.2 Bewirtschaftungsänderung zur Nutzung vorhandener Teiche als Retentionsraum anstelle des Vorhabens Im Zuge der Variantenuntersuchungen (Quellen s. PLANUNGSGESELLSCHAFT DR. SCHOLZ 2004) hatte sich gezeigt, dass durch ausschließliche Bewirtschaftungsänderungen in den vorhandenen Teichen nur im begrenzten Umfang eine Verbesserung des Hochwasserschutzes erreicht werden kann. Mit den Teichen (Frankenteich, Kiliansteich, Fürstenteich, Teufelsteich), die für eine Nutzung zum Hochwasserrückhalt überhaupt geeignet sind, kann das Vorhabensziel nicht erreicht werden. Ein zusätzlicher Hochwasserrückhalt ist notwendig.

3.3 Örtliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz ohne die Errichtung von Hochwasserrückhaltebecken Da im Oberlauf der Selke aufgrund der räumlichen Gegebenheiten keine Möglichkeiten bestehen, über Deichbaumaßnahmen oder Umflutmöglichkeiten den angestrebten Hochwasserschutz zu erreichen, könnte dies ohne Rückhaltemöglichkeiten nur erreicht werden, wenn das vorhandene Flussbett entsprechend erweitert wird. Dies würde insbesondere in Ortslagen zu weitreichenden Eingriffen in die Siedlungsstruktur führen. Die notwendige Erweiterung und damit verbundenen der notwendige massive Ausbau des Gewässers bedingen eine weitreichende Kanalisierung des Gewässers mit erheblichen Eingriffen für die nach FFH-RL geschützten Lebensraumtypen und Arten. Erschwerend kommt hinzu, dass durch die Erhöhung des Scheiteldurchflusses, der mit einem Selkeausbau verbunden wäre, sich die Hochwassersituation gegenüber dem Ist-Zustand in den nachfolgenden Gewässern , oder noch verschärfen würde. Die dann dort erforderlichen Maßnahmen zum Hochwasserschutz würden wiederum im erhöhten Umfang Eingriffe in die Umweltschutzgüter zur Folge haben.

3.4 Dezentraler Hochwasserrückhalt in den Nebengewässern Die Schaffung von mehreren Hochwasserrückhaltebecken in den Nebengewässern der Selke könnte zwar einen verbesserten Hochwasserschutz für die Ortschaften im Oberlauf und eine Verminderung der Scheiteldurchflüsse im Unterlauf gewährleisten. Allerdings sind die von drei möglichen Neubauten und einem Umbau betroffenen Nebengewässer (Rödelbach, Katzsohlbach, Uhlenbach; Elbingstalbach) ebenfalls Bestandteil des FFH- Gebietes. Eine gegenüber der Vorzugsvariante geringere Eingriffsintensität durch die Splittung in mehrere „kleine“ Vorhaben ist nicht ersichtlich (siehe auch Darstellung auf Plan Nr. 4). Allein der Flächenverbrauch für Bauwerk und Stauraum für diese vier Becken zusammen übersteigt den am Standort bei Straßberg sehr deutlich (PLANUNGSGESELLSCHAFT DR. SCHOLZ 2004).

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3.5 Verschiebung des Beckenstandortes flussauf- bzw. flussabwärts Um den angestrebten Hochwasserschutz für die Anlieger am Oberlauf zu erreichen, verbleibt die Möglichkeit eines Hochwasserrückhaltes im Selketal. Mit dem gewählten Standort soll die Ortslage Straßberg geschützt, die Flächenbeanspruchung möglichst gering gehalten werden und das Hochwasserentstehungsgebiet möglichst weitreichend abgedeckt werden. Unter diesen Gesichtspunkten wurden zwei Standorte näher untersucht. Wie die Betrachtung der hier vorgestellten Beckenstandorte zeigt, lässt sich mit einer Verschiebung der Konflikt mit den FFH-Schutzzielen nicht generell vermeiden. Die nachfolgende Tabelle stellt die beiden Standorte vergleichend gegenüber.

Beanspruchung innerhalb des an Standort I an Standort II Beanspruchung Stauraums HQ100 von im Vergleich

Flächen für Anlage und Betrieb des 43,575 ha 39,837 ha SII < SI HWRB gesamt (44,845 ha pgs) (40,66 ha pgs)

Flächen mit FFH-LRT für Anlage und 288 637 m² 250 572 m² SII < SI Betrieb

Flächen mit prioritärem LRT für 39 525 m ² 38 986 m² SII < S Anlage und Betrieb

Anzahl betroffener FFH-LRT für 5 5 SI = SII Anlage und Betrieb

Flächen mit Empfindlichkeit Stufe 3 42206 m² 34544 SII < SI bei HQ100

Flächen mit Empfindlichkeit Stufe 3 0 m² 1476 m² SI < SII bei HQ10, HQ20, HQ50 1580 m² 11906 14710 m² 22885

Anlagebedingter Flächenverlust mit Nein Ja SI < SII pot. Quartiereignung für Fledermäuse

Betriebsbedingter Flächenverlust mit Ab Ab SI < SII pot. Quartiereignung für Überflutungsintervall Überflutungsintervall Fledermäuse (Sommerquartiere, 10-20 Jahre 5-10 Jahre Laub-, Laubmischwald)

Betriebsbedingter Flächenverlust an Ab Ab SI = SII Jagdlebensraum für Fledermäuse Überflutungsintervall Überflutungsintervall (Wald, Waldrand, auch Nadelwald/- 5-10 Jahre 5-10 Jahre ränder)

Fließgewässerstrecke als 2 200 m 2 185 m SII < SI Lebensraum für Bachneunauge / (km 57+710 bis (km 58+715 bis Groppe (Grundlage: Kilometrierung 59+910) 60+900) aus techn. Vermessung)

Flächen mit fischökologisch 778 m² 779 m² SI < SII bedeutsamer Funktion

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Bei fünf der elf betrachteten Aspekte ist die Beanspruchung an Standort II geringer als bei Standort I, bei vier betrachteten Aspekten liegt SI vor SII, bei zwei Aspekten ist die Beanspruchung an beiden Standorten gleich. Standort I zeichnet sich durch einen geringeren Flächenverbrauch auf empfindlichen Bereichen bei den niedrigeren (häufigeren) Einstauereignissen aus und den geringeren anlage- bzw. betriebsbedingte Funktionsverlust von Flächen für die Fledermausfauna. Hinsichtlich der Fischfauna ergeben sich zahlenmäßig sehr geringe Unterschiede in der Beanspruchung des Lebensraumes. Die funktionale Beanspruchung ist sicherlich als weitgehend identisch zu betrachten. Daneben unterliegen die Flächen mit fischökologisch bedeutsamer Funktion einer natürlichen Dynamik. Abflussbedingte Umlagerungen von Geschiebe können innerhalb kürzester Zeit dazu führen, dass sich die Verteilung entsprechender Habitate innerhalb des betrachteten Gewässerabschnittes deutlich von der des Aufnahmezeitpunktes unterscheidet.

Insbesondere bei den flächenhaften Beanspruchungen für ein Einstauereignis mit HQ100 ist der „Flächenverbrauch“ an Standort II deutlich geringer.

4 Zusammenwirken dieses Vorhabens mit anderen Projekten Das Vorhaben steht nach derzeitigem Kenntnisstand mit folgenden anderen Projekten im räumlichen / sachlichen Zusammenhang: 1. Errichtung eines Hochwasserrückhaltebeckens oberhalb von Meisdorf 2. Errichtung einer Gruppenkläranlage bei Straßberg, gleichzeitig Unterbindung der nicht bzw. unzureichend geklärten Einleitungen aus Güntersberge und Straßberg sowie (über den Uhlenbach) aus Siptenfelde 3. Gewässerunterhaltungsmaßnahmen am Selkebett in den Ortslagen Güntersberge, Straßberg, Silberhütte, Alexisbad, Mägdesprung (Beräumung und Umlagerung von Geschiebe) 4. Gewässerausbau (flussbauliche Maßnahmen, Uferverwallungen, HW-Schutzmauern etc.) an der Selkebett in der Ortslage Silberhütte 5. Errichtung einer Grubenwasserreinigungsanlage am Uhlenbach 6. Ausbau der Straße L 234 zwischen Straßberg und Silberhütte. An dieser Stelle ist zu betrachten, inwieweit von diesen Projekten Wirkungen ausgehen, die sich mit den Auswirkungen des HWRB überlagern und diese entweder verschärfen oder vermindern könnten. Einen Überblick über die Lage der einzelnen Vorhaben gibt Plan Nr. 5. Die Betrachtung des Zusammenwirkens teilweise auf potenzielle Wirkungen und allgemeine Hinweise für die Fremdprojekte beschränken, da den Bearbeitern der vorliegenden FFH-VU noch keine detaillierten Planungsunterlagen für die o.g. Projekte Nr. 3, 4 und 5 zur Verfügung stehen.

4.1 Zusammenwirken mit dem HWRB Meisdorf Die für dieses Vorhaben zu betrachtenden Wirkpfade auf die FFH-Schutzziele decken sich vorhabensbedingt mit den hier diskutierten potenziellen Auswirkungen.

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Im Bereich des zukünftigen Stauraumes bei Meisdorf befinden sich Altholzbestände, die potenziell als Quartier für beispielsweise das bei Meisdorf nachgewiesene Große Mausohr dienen könnten. Mit deren Überstau gingen weitere Quartiere – wenn auch nur temporär – verloren und die Einzeltiere sind gezwungen, sich Ersatzquartiere zu suchen. Das entstehende Quartierdefizit kann, wie hier bereits diskutiert, über das kurzfristige Angebot an Kästen und mittel- bis langfristig über entsprechende Bewirtschaftung der übrigen Waldbestandteile im Umfeld dieses Vorhabens abgemildert werden. Aufgrund des Zeitraumes, der bis zur Annahme der Kästen bzw. bis zur Entwicklung geeigneter Baumstrukturen vergeht, ist der Verlust weiterer Teillebensräume für den Erhalt bzw. die Entwicklung der Art trotzdem kritisch zu beurteilen. Für den Gewässerbereich ist eine Verschärfung der Situation bei Groppe und Bachneunauge zu erwarten, da weiterer Lebensraumverlust und Bestandsdezimierungen infolge des Einstaus zu erwarten sind. Bei der Abgabe von Wasser aus dem Staukörper mit ungünstigem Sauerstoffgehalt bzw. ungünstiger Temperatur sind ebenfalls Verschlechterungen der Lebensraumqualität zu erwarten. Für das Becken am hier beantragten Standort wurde als Voraussetzung für eine mögliche Wiederbesiedlung des Staubereiches intakte Verhältnisse oberhalb und unterhalb des Projektgebietes gefordert. Diese verschlechtern sich durch ein zweites Vorhaben der gleichen Art mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit. Im Zusammenwirken beider Vorhaben ist für die Schutzziele Groppe und Bachneunauge von einer weiteren Verschlechterung der Erhaltungszustandes auszugehen.

4.2 Zusammenwirken mit der Gruppenkläranlage bei Straßberg Die wesentlichen Auswirkungen der Kläranlage auf das Gewässerökosystem lassen sich wie folgt zusammenfassen (HPI 2004): - Verschiebung des abwasserbedingten Belastungsbereiches in und unterhalb Straßberg flussabwärts, beginnend mit der konzentrierten Einleitung des KA-Ablaufes unterhalb der Glasebach-Mündung - Verringerung der Ausdehnung des sommerlichen Belastungsmaximum des Ammoniums um ca. 0,7 km, geringfügige Verschlechterung der Maximalkonzentration des Tagesganges gegenüber dem IST-Zustand - Geringfügige Verbesserung der pessimalen Konzentration von Ammonium

- Verringerung der winterlichen NH4-Maximalkonzentration - Verschiebung des winterlichen Belastungsmaximums ca. 1,25 km weiter unterhalb als im IST-Zustand Insgesamt ergibt sich durch das Vorhaben Gruppenkläranlage bei Straßberg eine Nettoentlastung des Gewässers, was positiv zu bewerten ist. Eine zusätzliche Verschlechterung des Gewässerzustandes durch die Überlagerung des Projektes mit der Kläranlage ist nicht ersichtlich. In der kritischsten denkbaren Situation, wenn während des Abstaues 5,3 m³/s aus dem HWRB mit verminderter Qualität an das Selkebett abgegeben werden, tritt bei zulässiger Abgabe der Kläranlage von 7 l/s nur eine minimale Konzentrationsveränderung der fließenden Welle in der Selke ein (Verdünnungsfaktor < 1:750!). Dies bedeutet, dass die überlagerungsbedingte Konzentrationsveränderung von Belastungsparametern von einer Geringfügigkeit ist, welche die praktisch erreichbare Prognosegenauigkeit der Untersuchungen für beide Vorhaben unterschreitet. Die alleinige Betrachtung der Güteveränderung des beim Abstau abgegebenen Wassers ist demnach hinreichend für die Quantifizierung der Auswirkung.

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Daneben sind Flächeninanspruchnahmen für Leitungsbau und Errichtung der Kläranlage zu erwarten, von denen FFH-LRT betroffen sein könnten. Eine Quantifizierung dieses Flächenzugriffes erfolgt in der bis Redaktionsschluss noch nicht abschließend bearbeiteten Antragsunterlage für den Bau der KA. Die Summierung des Flächenbedarfes an FFH-LRT und baubedingten Störungen kann somit erst die Zulassungsbehörde im Rahmen ihrer Prüftätigkeit bei Vorliegen beider Projekte beurteilen.

4.3 Zusammenwirken mit den Gewässerunterhaltungsmaßnahmen am Selkebett Für quantifizierende Betrachtungen liegen derzeit noch keine hinreichend detaillierten Planungen vor. Die voraussichtlich punktuellen Unterhaltungsmaßnahmen am Selkegerinne in den Ortslagen werden die Gerinnegeometrie jedoch nicht wesentlich verändern. Somit sind keine nennenswerten Auswirkungen zu erwarten, die durch modifizierte hydraulische und morphologische Grundparameter entstehen könnten (mittlere Fließgeschwindigkeit, mittlere Wassertiefe und Bestockungsgrad der Gewässerufer über längere Strecken). Da das Selkegeschiebe bereits bei Mittelwasserständen in Bewegung gerät (HPI 2003), ist mit einer sehr schnellen Regeneration der typischen Sohlstrukturen zu rechnen. Die Beschränkung der Arbeiten auf Zeiten außerhalb der Vogelbrutzeit und außerhalb der Reproduktionszeiträume für die FFH-relevanten Arten Groppe und Bachneunauge verringert daneben die baubedingten Auswirkungen. Die Mobilisierung von Feinsedimenten kann kurzzeitig und punktuell im unmittelbaren Umfeld der jeweiligen Baustelle güteseitige Auswirkungen nach sich ziehen (Erhöhung AFS, BSB, CSB und NH4 durch Aufwirbelung von Gemischen aus mineralischer Feinkornfraktion und nur teilweise abgebauter organischer Substanz, Sauerstoffschwund). Eine Überlagerung der Bauzeiten mit der Errichtung des HWRB ist vorsorglich zu vermeiden. Im Ergebnis von Einzelfallbetrachtungen können auch für derartige Unterhaltungsmaßnahmen eigenständige FFH-Verträglichkeitsprüfungen erforderlich werden. Darin sind die mit der vorliegenden FFH-VU dokumentierten Vorhabenswirkungen des HWRB Straßberg im Zusammenwirken mit den Arbeiten am bzw. im Gewässer zu betrachten.

4.4 Zusammenwirken mit dem Gewässerausbau in der Ortslage Silberhütte Die Verbesserung des Hochwasserschutzes in der Ortslage Silberhütte ist Gegenstand einer technischen Vorplanung mit FFH-Erheblichkeitsbetrachtung (PLANUNGSGESELLSCHAFT DR. SCHOLZ MBH & BIOKART 2004). Jedoch erlaubt der derzeitige Planungsstand des Gewässerausbaues noch keine quantifizierende Betrachtung des Zusammenwirkens. Die Bearbeiter gehen für dieses Vorhaben vom wahrscheinlichen Eintreten erheblicher Beeinträchtigungen von gewässergebundenen Arten nach Anhang I und Lebensraumtypen nach Anhang II FFH-RL sowie von gewässergebundenen Arten nach Anhang I Vogelschutz- RL aus. Somit ist für dieses Vorhaben eine eigenständige FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich. Darin sind die mit der vorliegenden FFH-VU dokumentierten Vorhabenswirkungen des HWRB Straßberg im Zusammenwirken mit dem Gewässerausbau zu betrachten.

4.5 Zusammenwirken mit der Grubenwasserreinigung am Uhlenbach Der Unterlauf des Uhlenbaches ist seit Jahrzehnten güteseitigen Belastungen und Feinsedimenteinträgen ausgesetzt, die bisher vor allem aus Sümpfungswässern und Bohrschlämmen aus einem Bergbaustollen sowie aus den kommunalen Abwässern der Gemeinde Siptenfelde resultieren. Die Überlagerung des Anschlusses von Siptenfelde an die

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KA Straßberg mit der Einstellung der untertägigen Bergsicherungsarbeiten und der künftigen Reinigung des ablaufenden Sümpfungswassers führt aus Sicht der Wassergüte zwangsläufig zu einer Verbesserung der Gesamtsituation im Uhlenbach. Eine Verschlechterung der Gütesituation in der Selke unterhalb der Uhlenbachmündung ist durch die Einleitung der gereinigten Wässer auszuschließen. Im Umkehrschluss wird die als Ausgleichsmaßnahme vorgeschlagene Passierbarmachung der Uhlenbachmündung in die Selke erst dann einen durch Wiederansieldung charakteristischer Arten belegbaren Erfolg haben, wenn durch den Betrieb der Grubenwasserreinigung bisher wirkende Belastungspfade für den Uhlenbach abgestellt werden.

4.6 Zusammenwirken mit dem Ausbau der Straße L 234 Das Straßenbauamt Halberstadt beabsichtigt die Verbreiterung des Straßenkörpers und die Erneuerung des Oberbaues. Damit sind insbesondere Eingriffe in die Vegetation der bestehenden Straßenränder und -böschungen sowie erhebliche Verluste an Alleebäumen verbunden. Für dieses Vorhaben allein wurden keine Beeinträchtigungen von Lebensräumen nach Anhang I oder Arten nach Anhang II FFH-RL ermittelt (Auskunft der UNB LK Quedlinburg, Hr. Bürger, v. 22.12.2004). Die Überlagerung mit dem Bau des HWRB Straßberg führt demzufolge nicht zu einer Verschärfung der anlagebedingten Verlustsituation. Allerdings wäre die gleichzeitige Ausführung beider Vorhaben mit Blick auf die notwendigen Bautransporte bei eingeschränkter Nutzbarkeit der L 234 kaum möglich. Bei aufeinanderfolgender Umsetzung beider Projekte verlängert sich der Zeitraum mit baubedingten Störungen unmittelbar am/im FFH-Gebiet deutlich. Über den Zeitpunkt der Bauausführung können jedoch derzeit für beide Vorhaben noch keine genaueren Angaben gemacht werden.

5 Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von vorhabensbedingten Beeinträchtigungen Bei der Betrachtung der Schutzgüter und ihrer Beeinträchtigung wurden bereits verschiedene Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung diskutiert. Zusammenfassend werden hier nochmals die Beeinträchtigungen, ihre Auswirkungen und die Maßnahmen gegenübergestellt, die im Rahmen des Vorhabens ergriffen bzw. umgesetzt werden müssen. Kann eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes nicht vermieden werden, müssen Ausgleichsmaßnahmen zur Wahrung der globalen Kohärenz des Netzes NATURA 2000 ergriffen werden. Diese Maßnahmen müssen darauf abzielen, negative Auswirkungen des Projektes aufzuwiegen und einen Ausgleich zu schaffen, der genau den negativen Auswirkungen auf den betroffenen Lebensraum bzw. auf die betroffenen Arten entspricht (EUROP. GEMEINSCHAFTEN 2000).

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Tabelle 5-1: Beeinträchtigungen der Schutzziele und Kompensationsmaßnahmen

Beeinträchtigung Auswirkung Vorhabensbegleitende Maßnahmen zur Verbleibende Ausgleichsmaßnahmen Vermeidung/Minimierung Beeinträchtigung

Bauzeitlicher temporärer Flächenausschluss und bauzeitlicher Schutz Nein - Beanspruchung des LRT Bestandsverlust für LRT 91E0*, 9170 91E0*,9170, 6510 Verlagerung der BE in konfliktarme Bereiche

Fachgerechter Oberbodenabtrag, Zwischenlagerung und Wiederandeckung auf Flächen mit LRT 6510

Bauzeitliche Verlärmung Pot. Vergrämung von Schaffung von Ausweichquartieren Nein - des Baufeldes und der Fledermäusen aus rechtzeitig vor Baubeginn Zuwegungen Tagesquartieren

Bauzeitliche Einträge von Temporäre Umfassender Rückhalt von Feststoffen und Ja Maßnahmen zur (Wieder-)Herstellung Sedimenten, Feststoffen ins Verschlechterung der Sedimenten aus dem Baubereich geeigneter Gewässerhabitate im Gewässer Lebensraumqualität für Einzugsbereich der Selke (z.B. Bachneunauge, Groppe Entwicklung des Sauerbaches und der Getel zwischen Meisdorf und Ermsleben)

Anlagebedingte dauerhafter Verlust von - Ja Entwicklung der betroffenen LRT Beanspruchung des LRT Teilflächen der LRT durch waldbauliche und 91E0*, 9170, 6430 landschaftspflegerische Maßnahmen an anderer Stelle des Naturraumes

Anlagebedingte Dauerhafter Verlust von Fachgerechter Oberbodenabtrag, Nein Beanspruchung des LRT Teilflächen des LRT Zwischenlagerung aus dem Anlagenbereich, 6510 Wiederandeckung auf den Dammböschungen; Ausbringen von Saatgut mittels Heumulchsaat; Saatgewinnung von geeigneten Flächen in der Region; standortangepasste extensive Pflege

FFH_SELKE_STRAßBERG_ENDKORREKTUR.DOC SEITE 46 Hochwasserschutz Selke – HWRB Straßberg FFH-Verträglichkeitsuntersuchung Regionalbereich Mitte

Beeinträchtigung Auswirkung Vorhabensbegleitende Maßnahmen zur Verbleibende Ausgleichsmaßnahmen Vermeidung/Minimierung Beeinträchtigung

Anlagebedingter Verlust Dauerhafter Verlust von Bereitstellung von Ersatzquartieren Ja Bereitstellung und Entwicklung von Waldflächen pot. Quartieren für rechtzeitig vor Baubeginn geeigneter Strukturen durch Bechstein-, waldbauliche Maßnahmen außerhalb Mopsfledermaus, Gr. HQ100-Linie vor Baubeginn Mausohr

Anlagebedingter Verlust Verschlechterung des - Ja, insbesondere Maßnahmen zur (Wieder-)Herstellung von fischökologisch Erhaltungszustandes für im geeigneter Gewässerhabitate im bedeutsamen Habitaten Bauchneunauge, Groppe Zusammenwirken Einzugsbereich der Selke mit Vorhaben (z.B.Entwicklung des Sauerbaches HWRB Meisdorf und der Getel zwischen Meisdorf und Ermsleben)

Betriebsbedingter Überstau Verschlechterung des - Ja Entwicklung dieser LRT durch der LRT 9170, 9180 Erhaltungszustandes geeignete waldbauliche Maßnahmen an anderer Stelle

Betriebsbedingter Überstau Verschlechterung des Beräumung des Stauraums von Ja Extenisve Grünlandpflege durch auf des LRT 6530 (Subtyp Erhaltungszustandes Schwemmgut direkt nach Beendigung der Standort abgestimmtes Mahdregime 6510.2; 6510.3, 6510.? Stauhaltung; auf bislang intensiv genutzten Grünlandflächen innerhalb des Naturraumes

Betriebsbedingter Überstau Verlust pot. Quartiere für Bereitstellung von Ersatzquartieren Ja, insbesondere Bereitstellung und Entwicklung von Waldflächen Bechstein-, rechtzeitig vor Baubeginn im geeigneter Strukturen außerhalb Mopsfledermaus, Gr. Zusammenwirken HQ100-Linie durch waldbauliche Mausohr – mit Vorhaben Maßnahmen vor Baubeginn Verschlechterung des HWRB Meisdorf Erhaltungszustandes

Betriebsbedingter Überstau Verlust eines pot. Verschluss des Auslaufstollens, damit dieser Ja Erschließung und Sicherung des Elbingstalteiches Winterquartiers für nicht zur Falle wird geeigneter Altstollen als Bechsteinfledermaus Winterquartiere

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Beeinträchtigung Auswirkung Vorhabensbegleitende Maßnahmen zur Verbleibende Ausgleichsmaßnahmen Vermeidung/Minimierung Beeinträchtigung

Betriebsbedingte Verschlechterung des - Ja,insbesondere Maßnahmen zur Anbindung von Veränderung der Erhaltungszustandes für im geeigneten Gewässern hydrostatischen Drücke im Neunauge und Groppe Zusammenhang (Ausweichhabitat, Ausgangspunkt für Wasserkörper, Kolmation mit Vorhaben Wiederbesiedlung) im des Interstitials HWRB Meisdorf Vorhabensumfeld (z.B. Rückbau von Barrieren an den Selkezuflüssen Jagdhaus-/Krebsbach, Uhlenbach, Zufluss von Birnbaumteich, Glasebach, Rödelbach)

Betriebsbedingte Verschlechterung des Verringerung der Zehrung durch Ja Maßnahmen zur Anbindung von Veränderung des O2- Erhaltungszustandes für Kurzhaltung und Aushagerung des geeigneten Gewässern Gehaltes durch Zehrung im Neunauge und Groppe Aufwuchses im Stauraum (Ausweichhabitat, Ausgangspunkt für Staukörper und in unterhalb Wiederbesiedlung) im gelegenen Technische Ausgestaltung des Bauwerkes Vorhabensumfeld (z.B. Rückbau von Flussabschnitten mit unter möglichst effektiver Nutzung für den Barrieren an den Selkezuflüssen Beendigung Stauhaltung Sauerstoffeintrag Jagdhaus-/Krebsbach, Uhlenbach, Zufluss von Birnbaumteich, Glasebach, Rödelbach)

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6 Ergebnis der Beurteilung der FFH-Verträglichkeit des Vorhabens Im Ergebnis der diskutierten Beeinträchtigungen der FFH-Schutzziele und der vorgeschlagenen Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen sind verbleibende erhebliche Beeinträchtigungen einzelner Schutzziele des FFH-Gebietes zu erwarten. Betroffen sind die Lebensraumtypen nach Anhang I FFH-RL Nr. 9170 – Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald, Nr. 9180 – Schlucht- und Hangmischwälder, Nr. 6510 - Magere Flachlandwiesen (hier: Subtyp 2,3,?), sowie die Arten nach Anhang II FFH-RL Nr. 1096 – Bachneunauge, Nr. 11163 – Groppe, Nr. 1308 – Mopsfledermaus, Nr. 1323 – Bechsteinfledermaus und Nr. 1324 – Großes Mausohr. Die Beeinträchtigungen beinhalten die direkte Inanspruchnahme (Überbau) von Lebensraumstypen, die im Falle des Labkraut-Eichen-Hainbuchenwaldes auch (Teil-) Habitat der Fledermausarten nach Anhang II sein können. Als weitere direkte Inanspruchnahme wird der Verlust an natürlicher Fließgewässerstrecke betrachtet, der durch den Aus- und Überbau der Gewässersohle im Bereich des Auslassbauwerkes entsteht. Daneben kommt es zu temporärer direkter Inanspruchnahme (Überstau) von Lebensraumtypen und (Teil-) Habitaten nach Anhang I/II FFH-RL mit der Folge qualitativer Verschlechterungen des Erhaltungszustandes. Für die Einstufung einer direkten Flächenbeanspruchung als "nicht erheblich" müssten alle fünf unter Abschnitt 1.4 genannten Kriterien zutreffen. Allein die Größe der von Komplettverlust durch Überbau betroffenen Teilflächen liegt jedoch bereits deutlich über den vorgeschlagenen Bagatellgrenzen (vgl. Tabelle 6-1).

Tabelle 6-1: Vergleich der anlagebedingten direkten Flächenverluste bei Standort II und der Bagatellgrenzen nach PLANUNGSGRUPPE UMWELT & ÖKOLOGIE (2004)

Beanspruchter LRT bzw. (Teil-)Habitaten der Flächengröße in m² Bagatellgrenze in m² Arten gem. FFH-RL bzw. lfm bzw. lfm Fließgewässerlänge Fließgewässerlänge

6430 – Feuchte Hochstaudenfluren 283 10

6510 – Magere Flachlandmähwiese 10675 25

9170 – Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald 4246 50

*91E0 – Erlen-Eschenwälder u. 2298 10 Weichholzauenwälder an Fließgewässern

1308 – Mopsfledermaus 4246 1600

1323 – Bechsteinfledermaus 4246 1600

1324 – Großes Mausohr 4246 1600

1096 – Bachneunauge 106 lfm 6 lfm

1163 - Groppe 106 lfm 1,5 lfm

Über mehrere Wirkpfade sind die Schutzziele des FFH-Gebietes von Auswirkungen betroffen, die entsprechend dem Konventionsvorschlag der PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE UND UMWELT (2004) als erhebliche Beeinträchtigungen einzustufen sind. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintretens erheblicher Beeinträchtigungen genügt, um die Unzulässigkeit eines Vorhabens auszulösen. Der o.g. Forschungsbericht formuliert ergänzend, dass „jede einzelne erhebliche Beeinträchtigung eines NATURA 2000- Gebietes...zur Unverträglichkeit eines zu prüfendes Projektes oder Planes“ führt.

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Das Vorhaben zur Errichtung eines „grünen“ Hochwasserrückhaltebeckens oberhalb von Straßberg ist deshalb nicht verträglich mit den für das FFH-Gebiet Nr. 0096 LSA festgelegten Erhaltungszielen. Damit ist eine abweichende Zulassung im Rahmen einer Ausnahmeprüfung nach § 34, Abs. 3-5 BNatSchG nur möglich, wenn: - das Vorhaben aus den gesetzlich geforderten Gründen eines öffentlichen Interesses zwingend notwendig ist und die konkret betroffenen NATURA 2000-Belange nachweislich überwiegt, - zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind und - die in funktionaler, zeitlicher und räumlicher Hinsicht fachlich erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Zusammenhangs des NATURA 2000-Netzes in hinreichender Form vorgesehen bzw. umgesetzt wurden (vgl. www.bfn.de/03/030307.htm, Stand 15.11.2004). Der gesetzlich geforderte Grund eines besonderen öffentlichen Interesses an dem Vorhaben ist durch das Wassergesetz des Landes Sachsen-Anhalt, §2 - Grundsätze, Abs. 3, Nr. 2, gegeben („Das Wohl der Allgemeinheit fordert insbesondere, dass Hochwasserschäden,... verhindert werden.“). Die Verhinderung von Hochwasserschäden kann mit der Umsetzung des Vorhabens wirkungsvoll unterstützt werden. An dem gewählten Standort kann damit der Hochwasserschutz für die Anlieger des Oberlaufes bis zum HQ100 gewährleistet werden, im Unterlauf werden hierdurch die Hochwasserscheitel zumindest reduziert (PLANUNGSGESELLSCHAFT DR. SCHOLZ 2004).

Die Wahl des HQ100 als Hochwasserschutzziel für die im Zusammenhang bebaute Ortslagen an der Selke entspricht den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Im Abschnitt 3 ist unter Bezugnahme auf die technischen Fachbeiträge dargelegt worden, dass mit anderen Maßnahmen das derart quantifizierte Vorhabensziel nicht bzw. nicht mit geringeren Beeinträchtigungen erreicht werden kann. Der wirksame Hochwasserschutz als Vorhabensziel steht im unmittelbaren Zusammenhang mit Leben und Gesundheit des Menschen. Das Vorhaben kann somit nach innerstaatlicher Abwägung und Festlegung der notwendigen Ausgleichsmaßnahmen zugelassen werden. Die EU-Kommission ist über die ergriffenen Maßnahmen zu unterrichten. Die Art der erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung des Zusammenhanges des NATURA 2000-Netzes sind in der vorliegenden Unterlage benannt. Mit ihnen wird erreicht, dass die von dem Projekt beeinträchtigten Funktionen im Netz "NATURA 2000" zeitlich lückenlos wiederhergestellt werden. Die Ermittlung des jeweiligen Maßnahmenumfanges und seine konkrete Ausgestaltung wird flächenscharf in der erforderlichen Unterlage zur Eingriffsregelung (Landschaftspflegerischer Begleitplan) zu erfolgen haben. Diese berücksichtigt neben den Beeinträchtigungen der FFH-Schutzziele dann auch die Beeinträchtigung der nach Landes- und Bundesnaturschutzgesetz zu berücksichtigenden Bestandteile von Natur und Landschaft.

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