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Sport titel trieb, hatte kein Trainer mehr soviel Macht. Vom Stürmer bis zur Sekretärin – FUSSBALL jeder hört bei 1860 auf Lorants Komman- do.Wenn es darum geht, seine Untergebe- nen zu domestizieren, entwickelt er be- Kontrollierter Wüterich merkenswerte Fähigkeiten. So speichert Lorant kleinere Disziplinlosigkeiten, um Werner Lorant hat aus 1860 München einen Anwärter auf einen sie im Bedarfsfall einzusetzen: „Ich höre Uefa-Cup-Platz geformt. Doch die Methoden des zu und sehe alles.“ Über Wochen beobachtete er tatenlos Mobbing und Beleidigungen neigenden Trainers sind umstritten. seinen Mittelfeldspieler Horst Heldt und dessen mäßiges Engagement im Training. u Hause im oberbayerischen Dorfen Welten trennen Lorant, 48, von den bun- Als sich der Profi dann nach seiner Aussicht ist der Fußball-Lehrer Werner Lo- desdeutschen Vorzeigetrainern wie dem auf einen Stammplatz erkundigte, präsen- Zrant ein echter Schatz. Da wischt er kumpeligen Karlsruher Winfried Schäfer, tierte ihm Lorant die Quittung: „Du sollst die gute Stube „gerne mal feucht durch“ dem beherrschten Dortmunder Ottmar nicht quatschen, sondern anständig trai- oder geht mit Dackel Samson Gassi. Hitzfeld oder dem artigen Stuttgarter nieren.“ Am Arbeitsplatz jedoch weiß sich der Joachim Löw. Selbst zickige Stars wie Peter Nowak Mustergatte einfach nicht zu benehmen. Als seien in der bayerischen Metropole unterwerfen sich dem grauhaarigen Domp- Da läßt er sich von Kleinigkeiten aus der die Zeitläufte durcheinandergeraten, teur.Weil Nowak früher jeden blauen Fleck Fassung bringen – etwa einer Packung feiert bei den „Sechzigern“ ein Trainer- zur schweren Verletzung hochjammerte, Marlboro, deren Verschluß klemmt und typus sein Comeback, der schon als beorderte ihn Lorant für das Spiel gegen ihm den Zugriff auf sein Laster verwehrt. ausgestorben galt. St. Pauli in den Angriff. Dort sollte der Mit- „Weg da“, so barsch ver- scheucht Lorant, genervt an der Schachtel nestelnd, ein Fernsehteam, das sich auf dem Vereinsgelände des TSV 1860 München zum Inter- view postiert hat. Den Spie- ler Thomas Miller, der in ei- ner Ecke mit Journalisten plauscht, pflaumt er im Vor- übergehen an: „Du, quatsch nicht soviel rum.“ Später, bei der Pressekon- ferenz in der Vereinsschen- ke „Löwenstüberl“, bläst Lo- rant den Reportern Zigaret- tenrauch ins Gesicht. Einer will wissen: „Herr Lorant, wie wollen Sie am Wochen- ende spielen?“ Der Coach schwenkt den Zuckerstreuer sechsmal über seinem Kaf- fee aus, dann knurrt er: „Vielleicht mit 11, vielleicht aber auch mit 13 Spielern“, und stubst dem Frager den Notizblock vom Tisch. Die rüden Umgangsfor- men, die zuweilen kindi- schen Provokationen irritie- L. BAADER ren im Millionenbusiness Münchner Trainer Lorant: „Ich bin doch kein Pfarrer“ Bundesliga, das sich so gern als seriöses Unterhaltungsgewerbe präsen- Und doch: Dieses ungehobelte Rauhbein telfeldregisseur erfahren, was seine stür- tiert. Lorant schert sich nicht um Image hat, allen fußballpsychologischen Lehren menden Kollegen so alles erleiden. Die De- und Außenwirkung. In einem Fernsehwer- zum Trotz, Erfolg. Der gebürtige Westfa- monstration zeigte Wirkung: Nowak wird bespot preist er einen Anti-Raucher-Kau- le führte den in die Amateurklasse abge- nur noch selten beim Teamarzt gesehen. gummi, privat qualmt er wie ein Schlot. rutschten Traditionsklub in die Bundesliga Wer aufmuckt, wird gnadenlos bloßge- Aus heiserer Kehle beschimpft er Fans als zurück. Vor zwei Wochen, beim spekta- stellt. Abwehrspieler Uwe Wolf verbannte „Wichser“, Schiedsrichter als „Feiglinge“ kulären 3:3 gegen den ehedem übermäch- der Trainer gar aus der Mannschaftskabine. und eigene Spieler als „Versager“. tigen FC Bayern, brachten die „Löwen“ Der Jungprofi hatte sich beklagt, kaum Gestaltet Kollege Christoph Daum in den Lokalrivalen an den Rand einer Nie- zum Einsatz zu kommen. Fortan mußte Leverkusen die Mannschaftssitzungen eher derlage. Und spätestens nach dem jüngsten sich Wolf auf einem Stuhl im Flur umzie- wie Motivationsseminare, so erteilt der Auswärtssieg in Bielefeld befinden sich die hen. Frustriert verließ er den Verein. Münchner Kollege seine Anweisungen am „Sechziger“ auf dem Weg in den Uefa-Cup. Andernorts wären wohl ernste Zweifel liebsten im Kasernenhofton: „Ich bin doch Die Konsequenz ist klar: Seit Max Mer- an derlei Praktiken laut geworden; beim kein Pfarrer.“ kel anno 1966 die Münchner zum Meister- TSV 1860 indes erfreut sich Lorant rück- der spiegel 21/1997 139 Sport haltloser Unterstützung. Daß er aber, einmal in Denn erstens geht es bei den Rage geredet, auf dem Ra- „Blauen“ aus dem Arbei- sen „elf kleine Lorants auf- terviertel München-Giesing laufen“ sehen will, glaubt von jeher etwas derber zu ihm dann doch keiner mehr. als bei den feinsinnigen Warum sonst hätte der ge- „Roten“ des FC Bayern. lernte Anstreicher so Ball- Und zweitens steht dem künstler wie Abedi Pelé und vom gemeinen Volk kultisch Peter Nowak nach München verehrten Klub ein Präsi- gelockt? Warum sonst ließe dent vor, der mit den glei- er Spielanalysen per Com- chen Attributen ausgestattet puter erstellen und seine ist wie sein Trainer – bau- Akteure von einem Kondi- ernschlau, erfolgssüchtig, tionstrainer drillen, der rigoros. Karl-Heinz Wild- schon an der Sporthoch- moser, 58, Gastronom und schule Köln lehrte? Immobilienkaufmann, hält Wer erfahren will, was in seine Führungskraft für „ei- Werner Lorant wirklich vor- nen positiv Wahnsinnigen – geht, tut bisweilen gut dar- er ist mein Hauptgewinn“. WITTERS W. an, das Gegenteil von dem Das kongeniale Männer- Profi Lorant (1982)*: Zwölf Jahre Fachkraft fürs Rennen und Grätschen zu glauben, was Lorant sagt. bündnis funktioniert präch- So begründete er seine Ent- tig: Lorants Ruhmestaten verhalfen dem immer so, als würde er zu sich selbst spre- scheidung, den im vergangenen Septem- barocken Wildmoser zum lang ersehnten chen. Der Ex-Profi, mit fußballerischem ber vom AC Turin erworbenen Weltstar gesellschaftlichen Aufstieg in München. Im Talent nur mäßig gesegnet, schaffte es, als und Publikumsliebling Abedi Pelé auf der Gegenzug genießt der Trainer einen Ver- Fachkraft fürs Rennen und Grätschen von Ersatzbank darben zu lassen, offiziell mit trag bis 2001, ein Jahresgehalt von einer 1971 bis 1983 im Bundesliga-Geschäft zu „mangelnder Fitneß“. Der Ghanaer heul- Million Mark und präsidiale Rücken- bestehen – darunter bei renommierten te vor Frust („Die schlimmsten Monate deckung, egal, wie bunt es „der liebe Wer- Arbeitgebern wie Eintracht Frankfurt, meines Lebens“), die Fans rebellierten ner“ (Wildmoser) treibt. Schalke 04 und Borussia Dortmund. („Bring Pelé oder hau ab“), doch Lorant Wenn Lorant seine Profis vor allem zu ließ sich nicht beirren. kämpferischen Tugenden anhält („Die sol- * Für den FC Schalke 04 im Zweikampf mit Felix Magath Um die fußballerischen Qualitäten des len beißen, kratzen, spucken“), wirkt das vom Hamburger SV. Weltauswahlspielers wußte der Coach sehr wohl. Nur, so seine Argu- jeder austauschbar ist. Was mentation heute, brauchte Lorant bei 1860 München es Zeit, seinen teils limitier- geschaffen hat, sieht er als ten Kickern in vielen Trai- Privateigentum. Gibt einer ningsstunden beizubringen, seiner Profis nicht alles, wer- wie man mit so einem Ge- tet er das als Anschlag dar- nius spielt: „Meine Jungs auf. So kommt es schon mal waren noch nicht reif für vor, daß er im Training diesen Superman.“ einem Spieler zeternd hin- Nach der Winterpause terherrennt, wenn der nicht waren die Anpassungspro- spurt. bleme abgebaut: 1860 spielt Extern verfolgen Lorants seither so gut Fußball wie dröhnende Auftritte ein an- noch nie; Pelé glänzt wie zu deres Ziel: Er schafft damit, jener Zeit, als er mit Olym- so bizarr das klingt, Ruhe pique Marseille den Euro- im Verein. Lorant hat vom papokal der Landesmeister Nachbarn FC Bayern ge- gewann – seinen Vertrag in lernt, zu was es führt, wenn München hat er um zwei jeder seine Meinung kund- Jahre verlängert. SIMON SVEN tut. Also schreit er so Auch bei der Talentsich- Jubelnde 1860-Profis: „Die sollen beißen, kratzen, spucken“ laut, daß nur noch er zu tung bewies Lorant Kenner- hören ist. schaft: Jens Jeremies holte er vor zwei Jah- Schleifer folglich längst korrigiert. Als Abseits der Fußballbühne gönnt sich ren als 21jährigen Nobody von Dynamo „erstklassiger Fachmann“ wird er von sei- Lorant dann aber doch Schwächen. „Hey, Dresden für 80000 Mark an die Isar. Beim nen Kickern gepriesen, seine Brachial- Bayern-Fan“, ruft er einen Knirps zu sich, letzten Länderspiel zählte der technisch Pädagogik als ultimatives Heilmittel gegen der sich mit seinem Klinsmann-Trikot auf versierte Mittelfeldantreiber erstmals zur lauffaule Profis akzeptiert. das Gelände des TSV 1860 verirrt hat, und Nationalmannschaft – und schon, so rau- Einerseits haben die Spieler durch- zerrt den Knaben in den Löwen-Fan-Shop. nen Experten, interessieren sich der AC schaut, daß Lorant Theater spielt, wenn er Kurz darauf trottet der verdutzte Mailand und der FC Bayern für Lorants zwischen den Rollen – harter Hund, Fußballfan mit einem 1860-Trikot da- Zögling. grämliches Männlein, tobender Wüte- von – begleitet vom dringenden Rat des Intern hat der Fußball-Lehrer das ihm rich – variiert.Andererseits wissen sie, daß Spenders Lorant: ,,Wehe, du ziehst es anfangs anhaftende Urteil vom schlichten im opulenten Sechziger-Personalstamm nicht an.“ ™.