RICHARD WAGNER-VERBANDES WIEN Vormals Akademischer Wagner Verein Gegr
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MITTEILUNGSBLATT DES RICHARD WAGNER-VERBANDES WIEN vormals akademischer Wagner Verein gegr. 1872 Postanschrift: c/o Dr. Heinrich Tettinek, Praterstraße 50, 1020 Wien Anmeldungen und Auskünfte bei Frau Dkfm. Liane Bermann Telefon und Fax: 470 25 08 Montag und Mittwoch von 8 bis 13 Uhr Mai/Juni 2007 Sehr geehrte Mitglieder! Richard Wagner und kein Ende... In der Tat: Dass uns der Stoff für dieses Mitteilungsblatt in Gestalt aktueller Wagner- Inszenierungen jemals ausgehen könnte, ist offenbar nicht zu befürchten. Diesmal berichten Mitglieder über das „Rheingold” bei den Salzburger Osterfestspielen sowie den kompletten, im Zeitraffer dargebotenen „Ring” in Köln. Wir empfehlen Ihrer Aufmerksamkeit aber auch unsere gewohnten Hinweise auf Veranstaltungen und Reisen. ghjk ZITIERT lichen, zuweilen auch sinnstörenden Projektionen den jeweiligen Schauplatz gerade noch andeuten. Keine „Dilettanten und Bluff machen sich im Regiefach breit Spur findet sich da von den genialen szenischen Visi- wie in kaum einem zweiten, ermuntert und gefördert, onen Richard Wagners, zu deren Realisierung heute sofern sich das forsch überspielte Unvermögen, die im jedoch offenbar niemand mehr den Mut aufbringt. Tiefsinn kaschierte Unkenntnis oder der aus Tradition Oder hatten etwa die beschränkten Möglichkeiten des sich gebende Denkverzicht nur publizistisch verwerten Festivals von Aix-en-Provence, wo die Inszenierung lässt.” schon im Vorjahr Premiere hatte, derlei nicht zugelas- sen? So sucht man beispielsweise vergebens nach der Joachim Herz, 1985 Götterburg, die man sich zunächst im Zuschauerraum zu denken hat; sie schien im Laufe des Abends gewan- dert zu sein, weil der Einzug der Götter in Walhall AKTUELLE BERICHTE zuletzt vor der kahlen Rückwand des Kerkers endet. Zu allem Überfluss intonieren die Rheintöchter ihr finales Richard Wagners „Rheingold” bei den Salzburger Klagelied nicht, wie vorgeschrieben und logisch, „aus der Tiefe”, sondern von oben herab hinter einer punk- Osterfestspielen to Personenführung ansonsten nicht unstimmigen Inszenierung. Ein kahler Raum mit einem einzigen, vergitterten Fenster hoch oben – ein Kerker? Unbequem über drei Denn immerhin hat der Regisseur die Charaktere der Stühle gelagert schläft ein Mann; lässig hängt sein Figuren und ihr Beziehungsgeflecht auf der Basis einer Sakko über eine Lehne. Kaum merkt er etwas von den beispielhaften Textdeutlichkeit überzeugend herausge- herumschwirrenden Mädchen in ihren weißen Hänge- arbeitet. Positiv fällt da etwa das noch ungetrübte kleidchen neben ihm oder von ihrem sinistren Verfol- Verhältnis zwischen Wotan und Fricka auf; plausibel ger. Erst als sich eine Seitentüre öffnet, eine Frau im auch, dass Erda weitab von ihrer gewohnten mumien- schwarzen Hosenanzug hereintritt und singt: „Wotan, haften Starre, Wotan mit zärtlicher Sorge naht – Gemahl, erwache!”, entringt sich der Träumende sei- immerhin wird sie demnächst mit ihm nicht weniger als nem Schlummer. Und in der Tat: da läuft schon gerau- acht (!) Walküren zeugen. Und dass Freia anstatt mit me Zeit eine Wiedergabe von Richard Wagners Goldbarren diesmal mit Papiergeld verdeckt wird, ist „Rheingold” über die Bühne des Großen Salzburger zumindest originell; als aktualisierte Kapitalismus– Festspielhauses; vom französischen Regisseur und Kritik stimmt das mit der Grundtendenz des Werkes Bühnenbildner Stepháne Braunschweig allerdings so überein. Seltsam mutet allerdings die Verwandlung der radikal abstrahiert, dass dem Werk jegliche Erinnerung (einstigen) Riesen in smarte Baumanager an – die bru- an den Mythos, an den grandiosen Entwurf einer Welt- tale Wucht ihrer Auftrittsmusik soll dann wohl ihr geschichte ausgetrieben ist. mafioses Agieren unterstreichen… Die Bühne hat Braunschweig – an sich nicht unge- Perfekt passen die Kostüme von Thibault Vancraenen- schickt – durch einzelne schmale, heb– und versenk- broek in dieses Konzept. Wie von der Stange gekauft bare Segmente gegliedert, die gemeinsam mit kärg- wirken Damenkonfektion und Büroanzüge der Pro- tagonisten; lediglich Alberich in brauner Generalsuni- sind voll, die Straßenkaffees auch, und dazwischen form, Mime mit seinem Arbeitsschurz und insbesonde- auffällig elegant gekleidete Menschen – eilig unter- re ein Transvestit namens Loge in seiner glitzernden wegs in Richtung Opernhaus am Offenbachplatz. Robe fallen aus dem Rahmen, während Freia insofern Punkt zwölf Uhr Mittag beginnt dort der „Vorabend” von den Rheintöchtern nicht zu unterscheiden ist. von Wagners Bühnenfestspiel. Nachdem der Versuch von Intendant Christoph Damman in der vergangenen Fazit: Trotz einiger Fauxpas ist das Modell einer Spielzeit bei Publikum und Kritik begeistert angenom- „modernen”, nüchternen Wagner–Exegese immerhin men worden war, gibt es an diesem Wochenende zum konsequent durchgezogen; anzuerkennen bleibt auch zweiten mal sechzehn Stunden Musik netto in zwei der Versuch, die ausweglose Verstrickung der Tagen vor fast ausverkauftem Haus, (ein Wagnerver- Götterwelt in Wotans Machenschaften symbolhaft band soll 30 Karten kurzfristig storniert haben). anzudeuten. Was bleibt, ist vielleicht der gravierende Einwand: Dass die reduzierte, ja fast minimalistische Optik der Gewalt und Größe der Musik allzu sehr Das Rheingold widerspricht. Das Bild der hastenden Passanten setzt sich auf der Simon Rattles Sicht auf die Partitur steht dem nicht ent- Bühne mit den ersten Takten fort. Jetzt sind es gestres- gegen. Auch er ist weniger an den vielzitierten „großen ste Vertreter des Business–people, die das Rheinufer Bögen” als an der minutiösen Ausarbeitung aller entlang streben und achtlos alles, was sie nicht mehr Details interessiert. Den blendend disponierten Berliner brauchen, ins Wasser werfen. Der bereits zugemüllte Philharmonikern entlockt er solcherart einen feinge- Flussgrund füllt sich zusehends. Die Rheintöchter webten Klangteppich mit raffiniert changierenden haben sich damit abgefunden und ihren Sandlerlook Farbmustern, peitscht aber auch im Kontrast dazu die in Grufti–Chic umgestylt... der Verlust des Goldes an symphonischen Zwischenspiele zu gewaltigen Kraft- einen Liebelosen ist dann nur folgerichtig. Die entladungen auf. Eingangsszene trifft, ist schlüssig und macht beklom- men. Das Thema setzt sich in der Produktion von Die Sängerschar beeindruckt in erster Linie durch ihre Robert Carsen und Patrick Kinmonth bis zur Götter- geschlossene Ensembleleistung, auch wenn kleine dämmerung fort, verliert aber in der dichten Aufein- Qualitätsunterschiede nicht zu überhören sind. So gut anderfolge der Bilder durch den engen Zeitrahmen an wie makellos die Damen: Der warm timbrierte Mezzo Intensität. Man gewöhnt sich daran, wie im richtigen von Lilli Paasikivi (Fricka), der profunde Alt von Anna Leben. Larson (Erda), der lichte Sopran von Annette Dasch (Freia) und das ideal abgestimmte Trio der Walhall ist eine riesige Baustelle, Kräne und Bagger Rheintöchter (Sarah Fox, Victoria Simmonds, Ekaterina engen die Figuren ein, Lasten schweben drohend über Gubanova). Bei den Herren gefiel wohl am besten Iain ihren Köpfen und die beiden Riesen erscheinen folge- Patersons facettenreicher Bassbariton als Fasolt – ein richtig in Drillich und Schutzhelm. Auch in Alberichs Wotan von morgen? Sir Willard White, der aus Reich schuften moderne Industrie–Sklaven, deren Chef Jamaica gebürtige Göttervater von heute, scheint zum Opfer der eigenen Gier und Überheblichkeit wird dagegen stimmlich schon ein wenig müde. Robert und Wotan als kühl agierendem Vertreter des Militärs Gambill (Loge) und Dale Duesing (Alberich) punkten den Sieg leicht macht. Freias Äpfel sind in dieser Welt primär durch schauspielerische Intensität; auch vokale nur bescheidene Bio–Produkte. Es lässt sich erahnen, Präsenz bietet Burkhard Ulrichs Mime, solide dass sie, auch wenn sie gegen alles Gold und alle Junggötter stellen Detlef Roth (Donner) und Joseph Schätze der Welt eingetauscht werden, das Ende der Kaiser (Froh) dar, noch etwas schmal tönt Alfred Reiters Götter nicht verhindern können. Da hätte die Erfüllung Bass (Fafner). Nicht allzu ausdauernd klang zuletzt der in dieser Inszenierung sehr schlüssig angedeuteten Beifall. Beziehungssehnsucht zwischen Freia und Fasolt viel- Gerhard Kramer leicht eher eine Änderung zum Guten bewirkt. Die Sängerleistungen waren trotz der ungewöhnlichen Abenteuer Wagner Uhrzeit beachtlich und wurden heftig beklatscht, nur Phillip Joll als Wotan konnte nicht überzeugen. Der Ring des Nibelungen an einem Wochenende in Köln Die Walküre Christine Mielitz hat in Meiningen mit dem Zyklus an Um 17 Uhr, zu gewohnter Wagnerstunde, ging es vier aufeinander folgenden Tagen erfolgreich begon- dann weiter in Hundings Lager , angelegt von einem nen, Gustav Kuhn hat es in Erl wiederholt und mit dem Waffennarr mit übersteigertem Verteidigungsbedürfnis, 24–Stunden–Ring noch getoppt: Das Bühnenfestspiel in dem Munitionskisten weniger Schutz als Explosions- nicht nur als künstlerische und geistige, sondern auch gefahr suggerieren. Ricarda Merbeth als Sieglinde und als körperliche Herausforderung. Thomas Mohr als Siegmund überzeugen musikalisch, Samstag, 10. März 2007, ein strahlender Vorfrüh- zwei kaputte Seelen erkennen einander, aber die lingstag in der Kölner Innenstadt. Die Fußgängerzonen Liebesglut wird in dem düsteren Umfeld, ein alter Jeep, 2 Schneegestöber in der verwüsteten Landschaft, nur Kisten und Leitern nicht nur gesanglich, sondern auch schwer entfacht. artistisch gefordert sind. Um Freias Äpfel kümmert sich niemand mehr, vertrocknet sind sie auf dem Boden Düster endet dann der erste Abend. Auf dem verstreut.