Dvorák Stabat Mater Donnerstag, 29.03.2012
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Dvorˇák Stabat Mater Donnerstag, 29.03.2012 · 20.00 Uhr So klingt nur Dortmund. SIMONE SCHNEIDER SOPRAN ANNELY PEEBO ALT MAXIMILIAN SCHMITT TENOR ZDENEˇK PLECH BASS NDR CHOR WDR RUNDFUNKCHOR KÖLN WDR SINFONIEORCHESTER KÖLN JURAJ VALCUHA DIRIGENT Abo: Chorklang In unserem Haus hören Sie auf allen Plätzen gleich gut – leider auch Husten, Niesen und Handy- klingeln. Ebenfalls aus Rücksicht auf die Künstler bitten wir Sie, von Bild- und Tonaufnahmen während der Vorstellung abzusehen. Wir danken für Ihr Verständnis! 2,50 E 4I5 ANTONÍN DVORˇ ák (1841 – 1904) Stabat Mater für Soli, Chor und Orchester op. 58 (1877) Stabat mater dolorosa Quis est homo, qui non fleret Eja, mater, fons amoris Fac, ut ardeat cor meum Tui nati vulnerati Fac me vere tecum flere Virgo virginum praeclara Fac, ut portem Christi mortem Inflammatus et accensus Quando corpus morietur – Ende ca. 21.30 Uhr – 6I7 PROGRAMM 8I9 DURCH LEID ZUR HOFFNUNG kurz nach der Geburt gestorben, 1877 folgten seine Tochter Ru˚žena und der Sohn Otakar. Ohne ANTONÍN DVORˇ ÁK STABAT MATER FÜR SOLI, CHOR UND ORCHESTER OP. 58 diese Schicksalsschläge ist die Intensität der Musik kaum zu verstehen. Die Ansichten über geistliche Vokalmusik waren Ende des 19. Jahrhunderts in zwei Lager ge- WEG ZUR ERLÖSUNG spalten: Einerseits verfolgte der kirchlich unterstützte Cäcilianismus eine Rückbindung an den Der lateinische Text wird in zehn Abschnitte unterteilt. Anfang und Ende sind durch ein emphati- schlicht-polyfonen A-cappella-Stil Palestrinas, andererseits eroberten orchesterbegleitete Sakral- sches Motiv verknüpft. Diese klagend absteigende Linie breitet sich zunächst im umfangreichen werke die Konzertsäle. 1875 fand in Prag die Aufführung eines Stabat Mater von Franz Xaver Witt Orchestervorspiel aus, ehe die Chor-Tenöre mit den ersten Worten »Stabat mater dolorosa« ein- statt, dem Begründer des deutschsprachigen Cäcilienverbandes. Vermutlich forderte dies den setzen. Wenn das Motiv am Schluss des gesamten Werks mit hymnischer Kraft aufgegriffen Komponisten Antonín Dvorˇák heraus, ein Gegenwerk zu komponieren. Witts lediglich mit Chor und wird, hat es sich zur tröstenden Heilsgewissheit gewandelt. Nicht Trauer, sondern Hoffnung steht Orgel vertonte Version stellte eine päpstlich abgesegnete Version zeitgemäßer Kirchenmusik dar. am Ende der dramaturgischen Entwicklung. Immer wieder entfalten Dur-Tonarten im Werk ihre Hingegen tadelte der Klerus alle opernhaften Vertonungen. Dieser Streit hatte sich bereits heilsame Wirkung. Das Evangelium ist eine frohe Botschaft, sagt Dvorˇák seinen Zuhörern – trotz an Gioachino Rossinis Stabat Mater (1833/1842) entfacht, doch auch die Werke der Wiener allen irdischen Leids. Der Schmerz ist kein Selbstzweck, sondern ein Übergang zur Seligkeit im Klassiker wurden nun zunehmend als liturgisch unbrauchbar abgelehnt, vor allem Ludwig van ewigen Leben. Mit strömendem Melos verkündet die Partitur diese Auffassung. Neben großen Beethovens Missa solemnis. Der katholische Dvorˇák verstand sich in dieser klassisch-roman- Aufschwüngen klingt das Orchester oft kammermusikalisch. Auch die Solistenpartien setzen tischen Tradition. Als Organist der Prager Kirche St. Adalbert, Opernkomponist und begeisterter eher auf Innigkeit als auf opernhafte Gesten. An jeder Stelle beweist der Komponist, dass die Sinfoniker vertrat er eine musikalische Offenheit. Zudem steckte in seiner Musik der Atem der Andacht eines Gottesdienstes auch den Konzertsaal erfüllen kann. tschechischen Nationalbewegung, ein Seitenhieb gegenüber der herrschenden Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Im Gegensatz zum strengen Katholizismus der Machthaber besaßen die Der gefeierten Prager Uraufführung von Dvorˇáks Stabat Mater am 23. Dezember 1880 schlos- Tschechen eine freie Auffassung ihres slawisch-volkstümlichen Christentums, zudem wurde der sen sich Erfolge im slawischen Raum an, etwa 1882 durch Janácˇek in Brünn. In den deutschspra- Reformator Jan Hus wie ein Nationalheld verehrt. Dies führte zu Konflikten mit dem Vatikan. chigen Ländern konnte sich das Werk nur schwer durchsetzen, in London wurde es 1883 und 1884 hingegen enthusiastisch aufgenommen. Die sangesfreudigen Engländer begründeten damit Sicher ist Dvorˇáks Stabat Mater kein kämpferisches Pamphlet, denn der Komponist fühlte sich eine enge Zusammenarbeit mit dem tschechischen Komponisten. Sein Oratorium »Die heilige der deutsch-österreichischen Musik verpflichtet.T rotz sinfonischer Wucht überwiegt ein frommer, Ludmilla« und sein Requiem wären ohne diese Begeisterung kaum entstanden. elegischer Grundton, der sich von der Dramatik seiner späteren Vokalmusik abhebt. Dennoch ist das Stück die bis dato umfangreichste tschechische Sakralmusik. Das allein bildete für viele AUFBAU DES STABAT MATER bereits eine politische Aussage. Komponisten wie Leoš Janácˇek beriefen sich immer wieder auf Erster Satz: Fast ein Viertel des Gesamtwerks macht die Dauer dieses h-moll-Satzes aus. Er dieses Werk, wenn es darum ging, die eigene Position zu bestimmen. 1876 bis 1877 aber kom- bildet eine gigantische musikalische Exposition und schildert in seiner Länge gleichsam die ponierte Dvorˇák das abendfüllende Stück wohl eher als Beispiel einer geistlichen Musik, die nicht unermesslichen Qualen der trauernden Gottesmutter. Die Dreiteiligkeit ist an die klassische So- den Idealen des Cäcilianismus folgte. Dazu gehört auch, dass der große Pinsel über dem Detail natensatzform angenähert. Der Mittelteil ist wie eine Durchführung harmonisch labil, während steht: Dvorˇák geht es nicht um die Hervorhebung einzelner Wörter, sondern um die Einbindung die Eckteile tonal klar verankert sind. Chor und Solistenquartett werden in die Musik integriert. der lateinischen Verse in weite melodische Bögen. Sie formen sich zu bildhaften Tongemälden, Dvorˇák behandelt sie wie Instrumentalstimmen, die nach und nach eingeführt und dann gestei- denn so verstand er die um 1300 wahrscheinlich vom Franziskanermönch Jacopone da Todi für gert werden. das Fest der Sieben Schmerzen Mariä gedichtete Sequenz, die auch zahlreiche Maler anregte. Zweiter Satz: Einen deutlichen Kontrast setzt der nächste Abschnitt, in dem Rondo-Elemente Die Marienverehrung erreichte während des 19. Jahrhunderts in den slawischen Ländern überwiegen. Das Solistenquartett wird von der Altistin angeführt. Das lyrische Ich fordert die einen Höhepunkt. Die Schilderung der schmerzhaften Gottesmutter, die unter dem Kreuz ihren Gläubigen auf, Anteil am Leiden Jesu zu nehmen. Den emotionalen Höhepunkt markiert der Bas- Sohn beweint, hatte für den Komponisten jedoch auch eine ganz persönliche Bedeutung: Das sist, wenn er von den Sünden der Menschheit singt. Zu einem stillen Gebet über dunklen Bläser- Werk wurde zur Klage eines Vaters um seine drei Kinder. 1875 war Dvorˇáks erste Tochter Josefa akkorden vereinen sich die Stimmen in den Schlusstakten. 10 I 11 WERKE Dritter Satz: Es folgt ein c-moll-Trauermarsch über lastendem Grundrhythmus. Das Herz soll Sechster Satz: In die schmelzende H-Dur-Kantilene des Solo-Tenors stimmt auch der Män- die Schmerzen Marias am eigenen Leib spüren. Doch die Musik lichtet sich schließlich zur Heils- nerchor ein. Im Text geht es um unser Mitleid mit der Gottesmutter, darin findet das Herz des gewissheit auf. Man wird bei diesem Satz vielleicht an Johannes Brahms’ Deutsches Requiem Gläubigen seine Erfüllung. Doch unter dem Eindruck des Kreuzes brechen sich heftige Akzente erinnert, das Dvorˇák ausgesprochen schätzte. die Bahn. Vierter Satz: Der Solo-Bass gestaltet dieses machtvoll-lyrische Gebet über die Liebe zu Chris- Siebter Satz: Der Chor gestaltet diesen Abschnitt über die verehrte »Jungfrau der Jungfrauen«. tus. Der Satz steht in der gedämpften Tonart b-moll, die durch etliche Nebenstufen farbig erwei- Im schlichten A-Dur-Gesang verkörpert sich die naiv-natürliche Marienverehrung des tschechi- tert wird. Dem ernsten Blech stehen feine Holzbläser gegenüber. Ergreifend ist der Moment, wenn schen Volkes. Die orchestrale Einbettung gibt dem Gesang dennoch eine enorme Tiefe. die Frauenstimmen die Melodie in stiller Andacht und mit Orgelbegleitung übernehmen. Achter Satz: Sopran und Tenor wetteifern in diesem Duett um ihr Mitgefühl mit der Gottes- Fünfter Satz: Geradezu heiter klingt dieser Es-Dur-Chor über das fließendeB lut des Gekreuzig- mutter. Eingebettet in schimmernden Streicherklang, steigert sich ihre Verzückung fast zu einem ten, das hier zur süßen Quelle im wiegenden Sechsachtel-Takt wird. Ein kurzer Mittelteil bringt Trancezustand, der von Christi Blut ganz trunken macht. leidenschaftliche Momente hinein. Neunter Satz: Eine flammende Vision vom Jüngsten Gericht führt wieder auf den Boden zu- rück. Über schreitendem Generalbass singt die Altistin eine historisierende Da-capo-Arie in d- moll. Dieser Satz klingt wie eine Huldigung an die großen Oratorien zu Zeiten Bachs und Händels. Dennoch öffnet sich das Tor zur Romantik, etwa mit wehmütigem Hörnerklang. Zehnter Satz: Die Bitte um die Aufnahme ins Paradies wird musikalisch mit dem Werkanfang verknüpft. Nun bündeln sich die Kräfte von Solistenquartett und Chor zu gloriosen Dur-Kadenzen. Mehrfach aufgeteilte Vokalpartien geben diesem Satz alle Merkmale eines großen Finales. Den %HLXQVVSLHOHQ6LH Gipfel bildet eine virtuose Amen-Fuge. Doch der Jubel behält nicht das letzte Wort. Die Musik GLHHUVWH*HLJH verhallt still und andächtig, nachdem die Streicher ins Elysium aufgestiegen sind. AUDIOPHIL UNSER PROGRAMMHEFTAUTOR MATTHIAS CORVIN EMPFIEHLT Das Stabat Mater von Antonín Dvorˇák wurde häufig aufCD eingespielt. Dennoch sei hier auf zwei ältere