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Musikstunde Ignaz Holzbauer

Alles Runde, so das Thema dieser Musikstundenwoche und meint damit, alles runde Geburtstage. Und zwar diesmal von solchen Jubilaren, die sonst immer zu kurz kommen, die allein keine komplette Sendewoche füllen könnten und es aber verdienen, dass man sie nicht ganz vergisst. William Boyce heißen sie, Ferdinand Hiller, Ambroise Thomas, Nino Rota und heute Ignaz Holzbauer. Er feiert in diesen Tagen, genauer gesagt gestern seinen 300. Geburtstag. In Wien kommt er zur Welt, also mitten im Geschehen, mitten in einer der größten Musikzentren Europas, wird getauft im Stephansdom, besucht hier auch die Universität. Aber Ignaz Holzbauer verlässt die Donaumetropole und macht sich auf den Weg zu uns ins Sendegebiet von SWR 2. Sein erstes Engagement als Hofkapellmeister führt ihn an die Stuttgarter Hofkapelle, von da aus in die Pfalz an die legendäre Mannheimer Hofkapelle. Hier bleibt er, auch als der Kurfürst nach Bayern umzieht und stirbt hoch geachtet und für damalige Verhältnisse uralt, mit 83 Jahren. Komponiert hat Ignaz Holzbauer bis kurz vor seinem Tod, auch wenn er seine Musik wegen einer Ertaubung selbst leider nicht mehr hören konnte. 1’10

Musik 1: Holzbauer:1.Satz aus der Sinfonie in d-Moll M0090682 004 2‘20

Schwungvoll und lebhaft klingen die Sinfonien des Ignaz Holzbauer, hier der 1. Satz aus seiner Sinfonie in d-Moll mit dem L’Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg.

Ignaz Holzbauer, heute so gut wie vergessen, ist zu Lebzeiten eine Berühmtheit. Aber die Karriere fällt ihm nicht in den Schoß, er arbeitet zielstrebig drauf hin und weiß schon als Halbwüchsiger, dass sein Glück nur in der Musik liegt. „Ich ward in Wien geboren 1711“, schreibt er in seinen Memoiren, „mein Vater war ein Lederhändler im Großen. Meine Mutter war eine sehr vernünftige Frau. Sie starb, als ich kaum das siebente Jahr erreicht

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3 hatte“. Auf Wunsch des Vaters immatrikuliert er sich für die Rechtswissenschaft, aber, so Holzbauer: „ich fühlte immer einen unwiderstehlichen Hang zur Musik, wo ich einen freie Stunde fand, war ich damit beschäftigt.“ Und das ohne Unterricht. Chorschülern im Stephansdom bringen dem jungen Ignaz ein paar Instrumente bei, er probiert sie aus und studiert auf eigene Faust das etwas trockene Lehrwerk des Wiener Hofkapellmeisters Johann Josef Fux: Gradus ad parnassum“. 1’00

Musik 2: Fux: Pour la Caille M0063001 006 2‘46

So trocken das Lehrbuch des Johann Joseph Fux, so lebendig seine Musik, hier „Pour la Caille“ aus seiner Orchesterouvertüre in d-Moll mit dem Freiburger Barockorchester unter Gottfried von der Goltz.

So sehr sich auch Ignaz Holzbauer mit dem grauen Theoriewerk von Fux abquält, irgendwann bringt es ihn nicht mehr weiter und er macht er sich persönlich auf den Weg zu dem greisen Wiener Hofkapellmeister. „Ich bat ihn, mich als Schüler anzunehmen“, so Holzbauer. „Ja, sagte er, aber können Sie denn schon etwas Musik?“ „O ja“, antwortete ich, „auch schon etwas schreiben. – „Gut, nehmen sie ein Blättchen von dem Papier, das auf dem Klavier liegt und schreiben Sie mir einige Zeilen, Note gegen Note.“ Ich tat es und überreichte es ihm aufs Bett. Er sah es an und sagte ganz erstaunt: „Das können Sie schon? Nun, so kann ich Sie nichts mehr lehren. Gehen Sie nach Italien, damit Ihnen der Kopf von überflüssigen Ideen gereinigt werde, dann werden Sie ein großer Mann werden. Sie sind ein gebornes Genie.“ Den Kopf von Ideen reinigen lassen? Normalerweise ist ja man froh welche zu haben, aber Ignaz Holzbauer folgt dem Tipp des Meisters und bricht auf ins Mekka der Musik, nach Venedig. Finanzieren kann er sich die Reise durch eine Anstellung als Sekretär beim Grafen von Thun. Zu anstrengend wird der Job nicht gewesen sein, denn dem jungen Musikenthusiasten bleibt genug Zeit für Konzert- und Opernbesuche in der 3

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Lagunenstadt und er trifft die Leute, die hier zumindest musikalisch das Sagen haben: Galuppi, Albinoni und Antonio Vivaldi: 1’30

Musik 3: Vivaldi: 3. Satz aus dem Konzert op.3 Nr.11 2‘30 M0099234 015

Der Meister des italienischen Concertos, Antonio Vivaldi, hier der 3. Satz aus seinem Konzert für 2 Violinen, Violoncello, Streicher und Basso continuo in d-Moll mit Daniel Hope, Lorenza Borrani, William Conway und dem Chamber Orchestra of Europe.

Ignaz Holzbauer ist fasziniert von der Musikkultur Italiens und lernt hier eine Menge. Nach seinem inspirierenden Aufenthalt glaubt er sich jedenfalls gewappnet für eine Festanstellung - bei Hofe, versteht sich, wo sonst um diese Zeit, 1730.

Ignaz Holzbauer verschlägt es zuerst mal als Hofkapellmeister ins gar nicht provinzielle Mähren zum Grafen Rottal. Böhmische und mährische Schlossherrn genießen bei Musikern einen besonders guten Ruf, sie sind reich, kulturinteressiert und investieren eine Menge Zeit und Geld in ihr kostspieliges Hobby. Graf Rottau im kleinen Örtchen Holleschau ist besonders spendabel. Bei ihm spielt man nicht sinfonische Instrumentalmusik, sondern sogar Opern, für den jungen Holzbauer ideale Bedingungen. Auch in menschlicher Hinsicht. Unter den Opernsängerinnen findet er die Frau seiner Träume, Rosalie heißt die hübsche Sopranistin, 1737 führt Holzbauer sie zum Standesamt und kurze Zeit später nach Wien, als neuer als neuer Operndirektor am Burgtheater. Aber so verführerisch das Engagement auch scheint, zum ersten Mal legt sich ein Schatten auf die Karriere von Ignaz Holzbauer. Der Wiener Hof muss sparen und ebenso wie heute trifft es als erstes die Kultur. Vor allem der kostspielige Opernbetrieb wird zusammen gestrichen und die Holzbauers müssen sich etwas Neues suchen. Wieder einmal heißt das Ziel Italien, und ganz moderne Ehe verdient jetzt die Gattin das Geld. Als Solistin am Theater Mailand und Venedig. “Aber da wir immer einen Hof vorzogen“, so Holzbauer gingen wir wieder zurück nach Wien“ 1`45 4

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Musik 4: Holzbauer: Menuetto M0062971 023 1’00

Eines der wenigen Kammermusikwerke von Ignaz Holzbauer, sein Quintett für Cembalo, Flöte und Streicher, daraus das Menuetto mit der Neuen Düsseldorfer Hofmusik.

Wieder zurück in Wien hangelt sich Ignaz Holzbauer von Auftrag zu Auftrag. Er schreibt Ballettmusiken, Messen, Sinfonien und einige Opern. Aber in Wien regiert nach wie vor der Rotstift und so kommen die beiden Holzbauers auf keinen grünen Zweig. Dann endlich winkt eine Anstellung in bei Carl Eugen von Württemberg. Ein Traum von einem Herrscher, zumindest für Musiker. Schon im Alter von neun besteigt er offiziell den Stuttgarter Thron. Bis zu seiner Vollmündigkeit holt ihn Friedrich der Große nach Berlin und erzieht den jungen Herzog im Sinne preußischer Aufklärung -und preußischer Kultur. Carl Eugens Musiklehrer heißt immerhin Carl Philipp Emanuel Bach und der formt aus seinem Schützling einen wahren Musensohn. Als Carl Eugen 1744, mit 16 Jahren endlich in Stuttgart die Regierung übernimmt, wird das zum Fest für alle Genießer und zu einem Desaster für die Staatskasse. Die berühmte schwäbische Sparsamkeit ist entweder noch nicht erfunden oder dem jungen Herzog unbekannt, jedenfalls frönt er ungehemmt allen Freuden maßloser Geldverschwendung, allerdings mit Geschmack und auf höchstem Niveau. Architekten, Handwerker, Künstler und Musiker profitieren am Meisten. Innerhalb kürzester Zeit entstehen die Schlösser von Stuttgart und Hohenheim und das Solitud, die Hofkapelle wird vergrößert und eine Oper und ein Ballett gegründet. Der Oberhofkapellmeister der ganzen Pracht heißt seit 1751 Ignaz Holzbauer. 1’40

Musik 5: Holzbauer: Presto aus Sinfonie op.2 M0090682 009 2‘18

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Sechs vierstimmige Sinfonien op.2 schreibt Ignaz Holzbauer, hier aus der Nummer vier der letzte Satz, Presto mit dem L’Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg.

Die Stellung als Oberhofkapellmeister bei Carl Eugen in Stuttgart aber ist erst der Anfang von Ignaz Holzbauers großartiger Karriere. Etwa 150 Kilometer weiter nordwestlich entwickelt sich gerade ein Musikereignis, das selbst das schwäbische noch in den Schatten stellt: die Mannheimer Hofkapelle, Mitte des 18. Jahrhunderts das beste Orchester Deutschlands, wenn nicht sogar Europas. Meint auch Leopold Mozart und berichtet seiner Frau von „und lauter jungen Leute und durchaus Leuten von guter Lebensart, weder Säufer, weder Spieler, weder liederliche Lumpen, das in seiner Produktion hoch zu schätzen ist.“ Zu verdanken hat die Nachwelt das Musenglück Kurfürst Carl Theodor, gebildet, kulturinteressiert und politisch modern inspiriert, zumindest im Rahmen seiner monarchischen Möglichkeiten. Er will die Welt verschönern, mit Musik, Malerei, Architektur und Theater. Und ist auch bereit dafür zu bezahlen, Absolutismus ja, aber bitte mit allen Vorteilen für die hohe Kunst. Französisches Hoftheater, italienische Oper, Gemäldegalerie, Kupferstich- und Zeichnungskabinett, Antikensaal, Naturalienkabinett, Hofbibliothek und die Akademie der Wissenschaften, der Mannheimer Hof scheint als Bildungs- und Musentempel das Maß aller Dinge. Besonders am Herzen liegt seiner Durchlaucht die Hofkapelle, ein einzigartiges Schmuckstück deutscher Orchesterkultur. Denn hier in Mannheim versammeln sich die besten Solisten, Pädagogen, Kapellmeister und Instrumentalisten, und immer in zunehmenden Maße auch Komponisten. 1’40

Musik: 6 Stamitz : 3.Satz aus Quartetto M0022521 009 2‘58

Carl Stamitz, zusammen mit seinem Bruder Johann gehört er zu den besten Instrumentalisten der hervorragenden Mannheimer Hofkapelle, zum Glück für die 6

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Nachwelt bleibt ihm auch noch Zeit zum Komponieren, hier der letzte Satz aus seinem Quartetto Concertante in G-Dur op.4 mit der Camerata Musica unter Zeljko Straka.

Die Erfolge und die Qualität der Mannheimer Hofkapelle und der so genannten Mannheimer Schule sind heute legendär. Sie ist Carl Theodors Passion, wenn auch eine ziemlich teure. Allein 200000 Gulden, für damals eine unvorstellbar große Summe investiert er pro Jahr in seine Hofkapelle. Zwar muss er sich von kritischen Zeitgenossen übelste Verschwendung vorwerfen lassen, aber der Kurfürst schreibt damit Geschichte, geht glorios in selbige ein, und verschafft sich damit posthum, zumindest in kultureller Hinsicht ein erstklassiges Renommee. Für dieses weltberühmte Orchester soll Ignaz Holzbauer, zu dem Zeitpunkt noch in Stuttgart nun ein Bühnenwerk schreiben, eine Favola pastorale, also ein opernhaftes Schäferspiel mit bukolischem Hintergrund. „Il Figlio delle Selve“.

Es wird für Holzbauer der ultimative Karriereschub. Schon allein der Anlass für den Auftrag ist spektakulär: immerhin soll die Oper das neue Theater im Schwetzinger Schloss eröffnen. Hier verbringt der Mannheimer Hof traditionell die Sommermonate. Alles ein bisschen kleiner und intimer als in Mannheim, auf dem Lande sozusagen, aber in einem prächtigen Park und ausstaffiert mit allen kulturellen Lustbarkeiten, die man aus der Residenz gewohnt ist. Nur leichter eben, duftiger, sonniger. Statt Seria eine Buffa, statt ernster Dramen Heiteres. Pastoralen, Serenaden, Intermezzi und Ballette. Mit dem neuen Rokokotheater plant der Kurfürst dann die Krönung, jetzt endlich kann der Hofstaat zwischen allem Necken und Tändeln auch noch die Oper besuchen. Ein Franzose hat es gebaut, Nicolas de Pigage. Schon der Brunnen im Shclossgarten geht auf sein Konto, die Freilichtbühne und der Apollo Tempel. Jetzt also noch das Theater, ein Prachtstück, typisch Rokoko, verspielt und glanzvoll zugleich. „Es ist zwar nur klein, aber bequem“, schreibt der britische Reiseschriftsteller Charles Burney 1772, „an Komparsen und Figuranten war eine größere Anzahl vorhanden, als ich jemals in der großen Oper in Paris oder London gesehen habe. In dem Ballett kamen 100 Personen zugleich aufs Theater. Wenn man dann in Schwetzingen des Sommers aus der Oper kommt und in den kurfürstlichen Garten geht, der nach französischer Art

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8 außerordentlich schön ist, so hat man den aufheiterndsten, prächtigsten Anblick, den man sich denken kann“. 2’30

Musik 7: Holzbauer Figlio M0054798 016 1‘18

Großer Jubel im Schwetzinger Rokokotheater für Ignaz Holzbauer und seine Pastotaloper Il Figlio delle Selve, hier daraus die Cavata mit Gunther Schmid Und dem L’Orfeo Barockorchester unter Christoph Spering bei einem Livemitschnitt von den Schwetzinger Festspielen 2003.

Mit seinem Schäferspiel eröffnet Holzbauer nun also das neue Schwetzinger Rokokotheater und macht damit beim Kurfürsten so großen Eindruck, dass der ihn sofort fest engagiert. Hofkapellmeister an der Mannheimer Hofkapelle, das gilt Mitte des 18. Jahrhunderts als Traumjob. Wegen der Qualität des Orchesters und wegen der guten Bezahlung. Aus allen Teilen Mitteleuropas versammeln sich hier die besten Instrumentalisten zu einem wahrhaft musikalischen Großereignis. Carl Theodor lockt sie mit Geld, einem hohen sozialen Prestige und einer geradezu modernen Beschäftigungspolitik. Regelmäßig genehmigt er ihnen Reisen, Bildungsreisen, nach Italien und nach Paris. Hier können sie konzertieren, in den berühmten Concerts spirituels, vor allem aber lernen, sich weiter entwickeln. Das Verfahren trägt schnell Früchte, Carl Theodors Musiker sind nicht nur zufrieden und motiviert, sondern auch enorm inspiriert. Viele Instrumentalisten komponieren eigene Kammermusikwerke und Solokonzerte, und zwar im neuesten Stil, dem so genannten galanten. 1’10

Musik 8: Lebrun: 3.Satz aus dem Oboenkonzert M0011486 003 5’18

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Ludwig August Lebrun, aus seinem Oboenkonzert Nr.1 in d-Moll spielte Albrecht Mayer den 3. Satz, das Rondo, begleitet vom Mahler Chamber Orchestra unter Claudio Abbado.

Schon bei Holzbauers Amtsantritt hat das Mannheimer Orchester eine enorme Qualität, aber innerhalb kurzer Zeit kann der neue Hofkapellmeister sie sogar noch steigern. Zusammen mit seinem Kollegen Johann Stamitz entwickelt er ein einzigartiges Konzept zur Pflege der Nachhaltigkeit. Stamitz kümmert sich in erster Linie um die Streicher, Holzbauer um die Bläser. Er stockt die Holzbläserstellen auf und besetzt sie mit anerkannten auswärtigen Spezialisten. Die wiederum unterweisen dann ihrerseits den Nachwuchs, so entwickelt sich peu a peu ein eigener Orchesterklang, eine spezielle Technik, die berühmte Mannheimer Schule. Vieles, was wir heute in einem Orchesterkonzert selbstverständlich finden, feiert man in Mannheim als Innovation, zum Beispiel dass alle Musiker zusammen einsetzen, die Streicher denselben Strich nehmen und das Orchester einen gemeinsamen Klang entwickelt. Aber Holzbauer ist nicht nur Kapellmeister und Orchestererzieher, sondern auch Komponist. Für all seine Festivitäten braucht der Hof ständig neue Werke, auch sakrale. Seit 1685 ist der kurpfälzische Hof nach einem ausgedehnten protestantischen Intermezzo wieder katholisch. Es gibt viel zu tun, Marien, Heiligengedenktage, Feiertage, über 100 sakrale Werke hinterlässt Ignaz Holzbauer und zeigt sich auch hier mitunter erstaunlich innovativ. Besonders in seiner Missa in C. Mit ihrer üppigen Besetzung ist sie zur damaligen Zeit überhaupt nur in Mannheim spielbar. Flöten, Fagotte, Oboen, Klarinetten, Hörner, Trompeten, alles doppelt besetzt, dazu Streicher, mit man höre und staune geteilten Bratschen, Pauken und Orgel. Aber nicht nur die Besetzung ist einzigartig, auch die Form geht neue Wege. Das Kyrie erinnert in seiner Dimension eher an den Kopfsatz einer Sinfonie und spielt mit seinen eindrucksvollen Crescendo und Decrescendo-Passagen bewusst mit den dynamischen Errungenschaften der Hofkapelle. Im Resurrexit glaubt man sich endgültig auf einer neapolitanischen Opernbühne, so dramatisch es. 2’10

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Musik 9: Missa: Resurrexit M0280485 008+009 5‘07

Opulent und dramatisch, Holzbauers Missa in C-Dur. Daraus hörten Sie das Et Resurrexit mit Monika Meier-Schmid, Sopran, Isolde Assenheimer, Alt, Berthold Schmid, Tenor, Thomas Pfeifer, Bass, der Camerata Vocale Günzburg und der Johann Christian Bach-Akademie unter Jürgen Rettenmeier.

In Mannheim geben sich Gelehrte, Philosophen und Künstler die Klinke in die Hand, alle wollen den prächtigen Hof bestaunen. „Das Theater und sein Konzertsaal waren gleichsam ein Odeum, wo man die Meisterwerke aller Künstler charakterisierte“, schwärmt ein Zeitgenosse, „es gab keinen Ort in der Welt, wo man seinen Geschmack in einer Schnelle so sicher bilden konnte, als in Mannheim.“ Aber Carl Theodor denkt nicht nur ans eigene Vergnügen und vielleicht noch das seines Hofstaats, sondern auch an die Mannheimer Bevölkerung. Ganz nach dem Vorbild in Wien vermacht er seinem Volk ein Nationaltheater, allerdings viel schöner und prachtvoller als das vom Kaiser. Selbstdarstellung, die sich auszahlt für die bildungsfreudigen Kurpfälzer. Eröffnet wird der opulente Bau, das Mannheimer Nationaltheater mit der ersten Opera seria in deutscher Sprache, komponiert von Ignaz Holzbauer. Ein deutscher Text also, mit einem Sujet aus der deutschen Geschichte, der Titel: Günther zu Schwarzburg. Der junge Mozart findet zwar das Libretto grässlich, ist aber begeistert von der Musik und lobt sie als über die Maßen „feurig“. Kein Wunder, dass die ihm gefällt. Hat sie doch eine eindeutig dramaturgische Funktion im Geschehen, treibt die Handlung voran, zeichnet Persönlichkeiten, malt Handlungsmomente aus, schildert emotionale Situationen. Das alles wird Mozart später selbst zur Vollendung bringen. Eine der maßgeblichen Grundlagen aber liegen hier in der Oper von Ignaz Holzbauer. 1‘40

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Musik 10: Holzbauer:Günther zu Schwarzburg M0280188 011+012 3’55 und 2‘45 6‘40

Die erste Opera seria in deutscher Sprache, Ignaz Holzbauers „Günther zu Schwarzburg“, hier daraus Rezitativ und Arie der Pfalzgräfin Anna mit Mojca Erdmann, Sopran und dem La Cetra Barockorchester unter Andrea Marcon.

Die Wende kommt überraschend und plötzlich: in der Silvesternacht 1777. Andächtig lauscht die Hofgesellschaft in der Hofkapelle dem festlichen Te Deum, als ein Bote aus München hereinplatzt. Maximilian von Bayern ist gestorben, kinderlos, die Kurfürstenwürde fällt nun an Carl Theodor. Hauptsitz der beiden zusammengelegten Residenzen Pfalz und Bayern soll München sein. „Glücksschwein“ nennt Friedrich der Große seinen pfälzischen Kollegen, alles fällt ihm in den Schoß. Was Andere mit Kriegen erobern müssen, erbt er einfach. Carl Theodor bricht sofort Richtung Süden auf, und bleibt. Angeblich schweren Herzens. Seine Popularität hält sich in seinem neuen Hoheitsgebiet auch dezent in Grenzen, die Bayern mögen den Pfälzer nicht, schon allein, weil er angeblich seine Landsleute protegiert. Die meisten Bediensteten folgen ihm nämlich mit an die Isar, unter anderem auch die Hofkapelle. Nur ihr Chef bleibt in Mannheim. Ignaz Holzbauer. Wahrscheinlich fühlt er sich zu alt um noch mal umzuziehen. Immerhin ist sein Ruf inzwischen so weit gediehen, dass man seine Werke nun auch außerhalb der Kurpfalz spielt, und zwar an den großen europäischen Bühnen. In Mannheim allerdings nicht mehr. Trauer umfängt die Stadt. „Es ist alles so still, als wenn man nicht in der Welt wäre“, schreibt Maria Anna Mozart 1778 an ihren Mann Leopold, „die Leute seufzen nur, und wünschen den Kurfürsten wieder hier zu haben, denn es ist der Stadt ein großer Schaden. Es kommen keine Fremden mehr, weil es nichts zu sehen gibt.“ Und zu hören, könnte man hinzufügen. Keine Konzerte mehr, Opern, Ballette. Holzbauer beliefert noch eine Weile von Mannheim aus den Münchner Hof, betreut die mageren Reste der Hofkapelle und verabschiedet sich dann innerlich von dem Musikerleben.

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„Dafür sei Gott gelobt und gesegnet, dass er mich, sein unnützes Geschöpf, in diesem Leben zu züchtigen beginnt“. Zwei Jahre nach diesen Zeilen stirbt Ignaz Holzbauer, am 7. April 1783 in Mannheim. 2‘15

Musik 11: Holzbauer: Andante aus Sinfonie op.2 M0090682 008 3‘38

Absage SvD: Der 2.Satz aus der Sinfonie á 4 A-Dur op.2 Nr.4 von Ignaz Holzbauer mit dem L’Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg.

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