Heimatblatt 2017 Nr. 1 Zum Download
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ROTTWEILER HEIMATBLÄTTER Herausgegeben von Winfried Hecht für den Druck: Druckzentrum Südwest GmbH Rottweiler Geschichts- und Altertumsverein e.V. Redaktion: Andreas Pfannes, Rottweil 78. Jahrgang 2017 Nr. 1 Zur Geschichte des sogenannten Viererbundes von Winfried Hecht Mitte Januar 2017 treffen sich die Narrenzünfte öffentlichte (vgl. J. Weber, Erwin Krumm. Der von Elzach, Oberndorf a. N., Überlingen und Elzacher Maler und Bildhauer. Elzach 1998 Rottweil zu einem Narrentag, wie sie ihn alle S. 27). Mitte Januar 1937 wurde bei einem „Klei- drei bzw. vier Jahre in einer der vier Fasnets- nen Narrentreffen“ in Elzach deutlich, wer die hochburgen begehen. Wie es dazu gekommen Elzacher Kritik an der Vereinigung grundsätz- ist, soll mit den folgenden Zeilen aus Rottweiler lich teilte, denn an diesem Treffen nahmen auf Sicht kurz dargestellt werden. Einladung aus Elzach die Zünfte Villingen, Rott- weil, Überlingen und Oberndorf teil. Auf dem Weg in die »Vereinigung« Nach dem Narrentreffen der gesamten schwä- bisch-alemannischen Vereinigung im folgenden Die genannten vier „Narrenstädte“ blicken mit Jahr 1938 in Überlingen hörte man aus Rottweil ihrer Fasnet jeweils auf eine beachtliche Ge- noch schärfere Töne. Die Reichsstädter mit schichte zurück (vgl. dazu G. Danner, B. Narrenmeister Anton Villinger an der Spitze dis- Fackler, W. Hecht und R. Rammelt, Fasnet im tanzierten sich eindeutig von dem, was man an Viererbund. Konstanz 2012). In der einst ge- „Märchenprinzen und Abguckern“ von der Ver- schlossen katholischen Reichsstadt Überlingen einigung in Überlingen „vorgesetzt“ bekommen geht die Fastnacht mit einer Notiz im städti- hatte, und beschloss „künftig keine Narrentref- schen Vormerkbuch bis 1430 zurück. Ähnliches fen mehr zu besuchen“. Für die Überlinger Nar- gilt für die Reichsstadt Rottweil, für welche die ren vertrat der dortige Zunftmeister Victor Mez- Fasnet schon für 1476 mit wichtigen Einzelhei- ger einen ganz ähnlichen Standpunkt. Zu er- ten geschildert ist. Elzach mit den sehr alter- wähnen ist aber auch, dass sich gleichzeitig mit tümlichen Gestalten seiner Fasnet kann sie do- Plakat von Erwin Krumm zum 1. größerer Nähe zur karnevalistischen Fastnacht kumentarisch bereits für 1530 belegen. In Oberdeutschen Narrentreffen 1928 in und mit deutlich weniger Sorge um größtmög- Oberndorf hielt man schon 1502 zur Zeit derer Freiburg i. Breisgau. Foto: Sabina Kratt lichste geschichtliche Treue beim Brauchtum von Zimmern ein Narrengericht. Ein wichtiger die „Vereinigung Oberrheinischer Narrenzünfte“ Hintergrund für die Fasnet in der ehemals vor- dent (vgl. U. Hezinger, 100 Jahre Narrenzunft von der Vereinigung Schwäbisch-Alemanni- derösterreichischen Stadt ist wie in Rottweil und Rottweil. Rottweil 2003 S. 8). Für Rottweil dürfte scher Narrenzünfte abgespaltet hat (vgl. Mez- Elzach erneut die ehedem geschlossen katholi- in diesem Zusammenhang der Chronist der ger, Fastnacht 2015 S. 53). sche Konfession der Bürgerschaft. Narrenzunft, Eugen Ritter, eine wesentliche Bis zu einem gewissen Grad wurden derartige Bis in die Jahre vor dem 1. Weltkrieg wandten Rolle gespielt haben. Entwicklungen freilich überlagert vom Versuch sich in den meisten südwestdeutschen Fas- Die neue Vereinigung trat am 28. Januar 1928 aus der nationalsozialistischen Ecke, die netsorten nach den Umbrüchen des 19. Jahr- mit dem Ersten Oberdeutschen Narrentreffen in schwäbisch-alemannische Fasnet zu verein- hunderts die Fasnetsbegeisterten vom Karne- Freiburg i. Br. in Erscheinung, bei dessen Vor- nahmen. Besorgt hat dies von der universitären val mehr oder weniger ab und organisierten bereitung der Volkskundler Hermann Eris Bus- Seite Professor Hermann Eris Busse mit Veröf- sich wieder in Narrenzünften, wobei Elzach erst se und sein Kriegskamerad Erwin Krumm aus fentlichungen in den Jahre 1935 und 1937 über 1924 nachgezogen hat (vgl. W. Mezger, Elzach besonders in Erscheinung traten. Dem die „Volksfasnacht“ im deutschen Südwesten, Schwäbisch-alemannische Fastnacht. Stutt- Freiburger Narrentreffen schlossen sich weitere die er als „germanisches Winteraustreiben“ gart/Darmstadt 2015 S. 45 ff.). Als die Regierun- ähnliche Veranstaltungen an – 1929 in Villin- ausschließlich aus regime-gefälliger Wurzel gen in Karlsruhe und Stuttgart nach dem 1. gen, wo Elzach, Oberndorf, Rottweil und Über- hergeleitet haben wollte; dabei machten sich Weltkrieg die Fasnet alten Stils vollends unter- lingen ihre Fasnet vorstellten, und 1930 mit 30 nicht nur in der Praxis der Brauchtumspflege binden wollten, widersetzten sich die Narren „badischen und württembergischen althistori- auch unübersehbar heftige antisemitische solchem Bemühen ganz entschieden, und zwar schen Narrenzünften“ in Rottweil (vgl. W. Untertöne bemerkbar. nicht nur in Elzach und Rottweil. Man hatte Er- Hecht, Das erste Rottweiler Narrentreffen 1930. Die so interpretierte Fastnacht versuchte sich folg damit, denn schon 1924 besuchte eine Rottweiler Heimatblätter 64. Jg. (2003) Nr. 1 danach zunehmend die Organisation „Kraft Gruppe von Abgeordneten des Stuttgarter S. 3 ff.). Die anschließenden Narrentreffen fan- durch Freude“ der NSDAP dienstbar zu ma- Landtags die Rottweiler Fasnet. den 1933 in Stockach, 1935 in Offenburg, 1936 chen, welche sie im Rahmen ihres touristischen Die Zünfte in den traditionsreichen Narrenorten in Oberndorf als „Fest der tausend Masken“ und Programms nicht nur nutzen, sondern bis hinein Südwestdeutschlands hatten allerdings schon 1938 in Überlingen statt. in den jeweiligen Terminkalender auch steuern vorher erkannt, dass sie sich ihrer Haut besser wollte; die entsprechenden Versuche wurden würden wehren können, wenn sie sich entspre- Der Bruch zeichnet sich ab freilich von den schwäbischen und alemanni- chend organisierten. Zu diesem Zweck trafen schen Narren erfreulich häufig abgewehrt. sich 18 von ihnen am 16. November 1924 im Ganze zehn Jahre nach der Gründung der Ver- Dass es diesbezüglich zur heftigeren Kraftpro- „Stiftskeller“ in Villingen und gründeten einen einigung schwäbisch-alemannischer Narren- be zwischen Narren und Partei gekommen wä- „Gauverband badischer und württembergischer zünfte zeichnete sich innerhalb der fastnächtli- re, verhinderte vermutlich der Ausbruch des 2. Narren“, der seit 1930 als „Vereinigung schwä- chen Gruppierung ein Bruch ab, der dann nach Weltkriegs, auf Grund dessen die Fasnet bis bisch-alemannischer Narrenzünfte“ firmierte. dem 2. Weltkrieg vollends zur Spaltung der Ver- 1946 ausgefallen ist. Die Vereinigung „Badische Heimat“ hatte dazu einigung führen sollte. Schon 1935 machte Er- den Weg gewiesen, Villingen wurde mit der Ge- win Krumm die weitere Zugehörigkeit der Nar- Nach dem Krieg der endgültige Bruch schäftsstelle Sitz der neuen Gemeinschaft, der renzunft Elzach bei der Vereinigung abhängig Rottweiler Zunftschreiber Wilhelm Herb hinter von der Beachtung von 14 Vorschlägen, die er Nach sechs langen und schlimmen Kriegsjah- Benjamin Grüninger aus Villingen ihr Vizepräsi- am 10. November 1935 in einer Denkschrift ver- ren rührte sich fastnächtliches Leben seit 1946 wieder – zunächst fast schüchtern und vielfach Im Viererbund entschied man sich in puncto sogar von der französischen Besatzungsmacht Narrentreffen indessen 1975 auf einen zeitli- gefördert. In Rottweil wurden dabei nicht nur chen Abstand von drei bzw. vier Jahren zwi- Mehl und Wein zur Verfügung gestellt, vielmehr schen den einzelnen Veranstaltungen, für die in verfasste der Délégué des Kreises Rottweil, Rottweil die Bezeichnung „Narrentag“ üblich Francisque Garnier-Dupré, eine beachtlich wurde. Narrentage des Viererbundes fanden kompetente Darstellung der Rottweiler Fasnet und finden in Rottweil statt in den Jahren 1973, in seiner Muttersprache. 1987, 2003 und 2017. Die rigorose Haltung der Nach der Währungsreform vom Sommer 1948 vier Zünfte im Blick auf die Nicht-Beteiligung an fand im folgenden Jahr auch die Vereinigung sonstigen Narrentreffen führte gelegentlich zu schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte orga- Meinungsverschiedenheiten mit ihren „Tochter- nisatorisch wieder zusammen. 1950 gab es zünften“. Abgestimmt wurde auch die Haltung dann nicht nur in Radolfzell ein erstes Narren- zur Fasnet zwischen Elzach, Oberndorf, Rott- treffen der Vereinigung nach dem Krieg, viel- weil und Überlingen 1991 mit Blick auf den Golf- mehr veröffentlichte der Freiburger Professor krieg. Schon nach dem „närrischen Staatsemp- Johannes Künzig im selben Jahr die Broschüre fang“ durch die baden-württembergische Lan- „Die alemannisch-schwäbische Fasnet“, wel- desregierung im Jahre 1976 in Stuttgart hatten che nicht nur weite Verbreitung fand, sondern die vier Zünfte auch beschlossen, auf diesen 38 Zünfte der Vereinigung auch unter volks- närrischen Termin künftig zu verzichten. kundlichen und historischen Aspekten kompe- tent vorstellte und sozusagen das Gesamtprofil Die heutige Situation der Vereinigung verbindlich skizzierte (vgl. J. Künzig, Die Alemannisch-Schwäbische Fasnet. Inzwischen haben die Spannungen zwischen Freiburg i. Br. 1950). dem „Viererbund“ und der Vereinigung schwä- Johannes Künzig empfahl im Vorwort seiner bisch-alemannischer Narrenzünfte an Schärfe Veröffentlichung, das fastnächtliche Brauchtum verloren. Wilhelm Kutter und Karl Lambrecht „nicht verfälschen und verwässern zu lassen“. beispielsweise fanden zu einem regelrecht Genau dies verlangten die „altüberlieferten Nar- Plakat von Silke Mager-Bihl zum Narrentag des freundschaftlichen Verhältnis, trafen sich häufig renzünfte“ schon im November 1949 bei einer Viererbunds 2003 in Rottweil. Foto: S. Kratt in Bad Dürrheim