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Der Ingenieur Josef Riehl (1842 – 1917) – „Eisenbahnvater von Tirol“

Diethelm Judmaier, Kolsassberg und Werner Schröter,

Gliederung

1. Versuch einer Charakterisierung Josef Riehls als Persönlichkeit …………………1 2. Zeitgenössische Würdigung Josef Riehls …………………4 3. Umgang mit Josef Riehls Erbe …………………7 4. Josef Riehls Lebenslauf …………………9 5. Die Mittenwaldbahn – langes Ringen um ein großes Projekt …………………14 6. Werke und Planungen Josef Riehls …………………33 7. Schlusswort …………………36

Vor 100 Jahren wurde die Karwendelbahn als erste Teilstrecke der Mittenwaldbahn Innsbruck - Garmisch-Partenkirchen – Reutte in Tirol nach langem Ringen eröffnet. Dies gibt Anlass und Verpflichtung, ihres Schöpfers, des Ingenieurs Josef Riehl zu gedenken und sein positives Wirken für Tirol1 zu würdigen.

1. Versuch einer Charakterisierung Josef Riehls als Persönlichkeit

Josef Riehl war und ist eine Ausnahmeerscheinung unter den damals wirkenden Persönlichkeiten, die sich um die Entwicklung Tirols verdient gemacht haben. Es scheint vermessen, ihm in einer knappen Darstellung gerecht werden zu wollen. Sein Schaffen wirkt auch ein Jahrhundert nach seinem Tod noch fort und es reicht sicher noch weiter in die Zukunft. Nicht jedem ist es vergönnt, seine Begabungen voll entwickeln und dann auch so großartig umsetzen zu können. Die Möglichkeit zu studieren bekam er vom Elternhaus, seine Studien schloss er zielbewusst in kurzer Zeit mit 22 Jahren ab. Seine ersten Erfahrungen als Bauingenieur konnte er bei den damals aktuellen großen Bahnbauten sammeln - es war ja die Zeit der Entwicklung der europäischen Hauptbahnnetze, in Tirol bei der Brenner- und der Pustertalbahn und anschließend im damaligen Ungarn. Im Alter von 28 Jahren 1870, wagte er den Schritt in die Selbständigkeit mit

1 Unter „Tirol“ wird das historische Gesamttirol verstanden - 2 -

Ingenieurbüro und eigener Baufirma. Diese übersiedelte er 1873 von Ungarn nach Tirol, wo sie von Sterzing aus ihre weitere Tätigkeit hauptsächlich in Tirol ausübte. Auch mit Rückschlägen musste Riehl zurechtkommen, insbesondere als nach dem Wiener Börsenkrach von 1873 eine mehrjährige Lähmung vor allem im Bahnbau eintrat. Dennoch konnte er seine Firma weiterentwickeln und sich im Laufe der Zeit auch privat ein Vermögen aufbauen. Er war mit Steinbrüchen, im Wasserbau und im Straßenbau tätig und Jahre später bei der Verwirklichung einer Reihe von Wasserkraftwerken. 1890 übersiedelte die Firma Riehl nach Innsbruck. Mit der Schaffung gesetzlicher Grundlagen für Bahnen niederer Ordnung ab 1880 wurde im Habsburgerreich der Bau von Lokalbahnen gefördert und es folgte eine über zwei Jahrzehnte währende Erschließungsperiode. In Tirol war auf diesem Gebiet Josef Riehl führend, was ihm mit dem Bau der Mittenwaldbahn die scherzhafte Verleihung des Titels „Eisenbahnvater von Tirol“ durch den damaligen Staatsbahndirektor Ritter von Meinong eintrug. Die Mittenwaldbahn war die anerkannte Krönung seines Schaffens. Josef Riehl wurde ob seiner Leistungen und Fähigkeiten eine hohe Wertschätzung entgegengebracht, die sich in Ehrenbürgerschaften und hohen Auszeichnungen niederschlug.

Als Außenstehender fragt man sich, wie das alles überhaupt möglich war, wie ein Mensch solche Leistungen vollbringen konnte. Josef Riehl musste wohl in sich eine günstige Kombination von Eigenschaften und Fähigkeiten vereint haben. Auch wenn manche Zeitläufte sein Wirken begünstigt haben mögen und er nicht alleine arbeitete, der Kopf und die treibende Kraft bei seinen Projekten war er. Josef Riehl muss hochbegabt gewesen sein. Seine kurze Studienzeit auf den Technischen Hochschulen Karlsruhe und München – Abschluss mit 22 Jahren – und sein Parallelstudium an der Philosophischen Fakultät in München lassen darauf schließen, genauso wie auf Ehrgeiz, Zielstrebigkeit, Durchhaltevermögen und Pflichtbewusstsein.

Josef Riehl wurde aber auch durch eine harte Lebensschule geprägt. 1864, als er graduiert wurde, starb sein Vater und er war Vollwaise. Er musste nun als Ältester für seine vier jüngeren Geschwister sorgen, fand eine Anstellung beim Bau der Brennerbahn, aber der Besitz der bisher wohlhabenden Familie konnte nicht gehalten und musste verkauft werden. Diese Zeit muss ihn gelehrt haben, als Realist mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen und Herausforderungen anzunehmen, sie zu bewältigen. In seinen ersten Arbeitsjahren konnte er offenbar seine Vorgesetzten mit seinen Leistungen von sich überzeugen, was bereits bestimmend für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg war. Josef Riehl muss aber auch Zuversicht, Optimismus und Idealismus gehabt haben, sowie Mut und zunehmend Selbstsicherheit. Mit 28 Jahren Bauunternehmer, errichtete er 1870 bis 1873 eine von ihm mitgeplante schwierige Bahnstrecke in der heutigen Slowakei und kehrte anschließend mit - 3 -

seiner Firma nach Tirol zurück. Riehl wird es wohl in die Heimat gezogen haben, und dort wollte er offenbar sein Wissen und Können umsetzen, patriotisch im damaligen Sinne, auch wenn er in erster Linie unternehmerisch dachte. Josef Riehl hatte einen ausgeprägten Weitblick und einen Sinn für größere Zusammenhänge, für Landesentwicklung, Wirtschaftsentwicklung, auch in europäischer Dimension. Raumplanung, Wirtschaftsplanung, Verkehrsplanung – durchaus nach heutigem Verständnis – waren Grundlagen seiner Projekte. Ganz besonders sah er in der Entwicklung des Fremdenverkehrs die meist einzige Möglichkeit, die Lebensverhältnisse in den Seitentälern zu verbessern. Das konnte er aus persönlichen Erfahrungen, z.B. aber auch aus dem beruflichen Umgang mit Arbeitern aus ärmlichen Verhältnissen gut einschätzen. Genauso erkannte Riehl frühzeitig die große Bedeutung der Elektrizität, im Besonderen für die Entwicklung Tirols, wo ein Schatz in Form heimischer Energie aus Wasserkraft gehoben werden konnte – und das gilt ein Jahrhundert später noch immer! Damals konnte der Import von Kohle verringert werden, heute der von Öl und Gas. Mehrere Kraftwerke entstanden unter seiner Ägide. Mit dem Einsatz der Elektrotechnik ging aber auch eine Revolution speziell im Bau von Gebirgsbahnen einher, weil man bei wesentlich geringerem Energieverbrauch und zugleich höherer Geschwindigkeit steiler und damit kürzer und billiger trassieren konnte. Josef Riehl hatte ein gutes Gefühl für die Entwicklung von Projekten, zu deren Zustandekommen er wiederholt auch selbst finanziell beitrug. Er setzte sein persönliches Vermögen für den Erfolg der Firma gleicher Maßen wie für das öffentliche Interesse ein, wenn er mit seiner nimmermüden Zielstrebigkeit, seinem guten Verhandlungsgeschick, seinem Durchsetzungsvermögen noch nicht am Ziel war. So manches seiner Projekte entwickelte er von den Anfängen bis zur Baureife einschließlich Finanzierung und verwirklichte es als Generalunternehmer gegen Pauschalrechnung. Die Hungerburgbahn zum Beispiel wurde von Riehl überhaupt allein ausfinanziert und erst später von der Lokalbahn Innsbruck – Hall i. T. übernommen. Herausragendstes und krönendes Beispiel für diese Vorgangsweise Josef Riehls ist aber die Mittenwaldbahn, welche seinen vollen Einsatz zehn Jahre hindurch erforderte. War es mit der Elektrizität die Schaffung besserer Voraussetzungen für die Industrialisierung in den Gunstlagen, so galt Josef Riehls Streben der Entwicklung des Fremdenverkehrs für die Seitentäler. Es war ja die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts auch geprägt durch die Entwicklung des Alpinismus, der alpinen Vereine mit deren Bau von Wegen und Schutzhütten, was dann eine bessere Erschließung der Tallagen nach sich zog. So trug Riehl wesentlich zur Erschließung Ladiniens bei mit der Planung und dem teilweisen Bau der Dolomitenstraße über Buchenstein nach Hayden/Anpezo/ Cortina d’Ampezzo. Zugleich betrieb er den Bau von Hotels, auch mit seiner finanziellen Beteiligung. Die Hotels andererseits ergänzten seine Bahnen bzw. Straßen, um deren wirtschaftliche Grundlage zu verbessern. Beispiele sind Hotelbauten in und in Oberbozen, wie auch in den Dolomiten. - 4 -

1890 übersiedelte Josef Riehl mit seiner Firma von Sterzing nach Innsbruck. Neben seiner intensiven Berufstätigkeit fand er noch Zeit für das Öffentliche Leben. Zunächst als fachlicher Berater von Bürgermeister Wilhelm Greil herangezogen und 1907 in den Innsbrucker Gemeinderat gewählt, war er bis zu seinem Tod 1917 maßgebend in der Innsbrucker Gemeindepolitik tätig. Außerdem war er Obmann des Industriellenbundes von Nordtirol und Provisorischer Vorsitzender der Handels- und Gewerbekammer von Tirol. Die Stadt Innsbruck verdankt Josef Riehl u. a. das Sillkraftwerk, die Innsbrucker Mittelgebirgsbahn nach Igls, die Stubaitalbahn nach Fulpmes, das Stadtbahnnetz, die Hungerburgbahn und nicht zuletzt die gerade auch von Innsbruck angestrebte Mittenwaldbahn nach Garmisch und Reutte. Mit Recht wurde er Innsbrucker Ehrenbürger. Josef Riehl hat als überzeugter Patriot seinen gesamten Aktienbesitz – im Wesentlichen seine Bahnbeteiligungen – der Stadt Innsbruck vermacht und ihr weiters fast sein ganzes Privatvermögen für soziale Zwecke übertragen. Die hohe Wertschätzung, die Josef Riehl entgegengebracht wurde, äußerte sich zudem in der Verleihung des Titels Oberbaurat ehrenhalber, der Promotion zum Ehrendoktor der Technischen Hochschule Wien und die Erhebung zum Ritter des Franz-Josefs- Ordens. Ferner wurde er auch Ehrenbürger der Gemeinden Fulpmes, Seefeld, Lermoos und Ehrwald, die Gemeinde Kastelruth widmete ihm eine Gedenktafel.

Im Jahre 1917 starb Riehl in Innsbruck. Die Baufirma Josef Riehl wurde nach seinem Tode weitergeführt, zunächst von seinem Teilhaber (seit 1910) Ingenieur Wilhelm von Doderer sowie seinen beiden Oberingenieuren Karl Innerebner, einem Verwandten von Riehl, welcher 1899 schon als stiller Teilhaber eintrat, und August Mayer, einem Schwiegersohn Doderers (in der Firma seit 1903). Nach dem Rückzug Doderers in den Ruhestand übernahmen Innerebner und Mayer die Firma allein. Diese wirkte erfolgreich durch das ganze 20. Jahrhundert bis zum Jahr 1997, als sie an die Firma STUAG verkauft und diese dann von der Firma STRABAG übernommen wurde. Seit damals gibt es die renommierte Firma Innerebner & Mayer nicht mehr.2

2. Zeitgenössische Würdigung Josef Riehls

In diesem Zusammenhang ist eine kurze zeitgenössische Würdigung Josef Riehls interessant, die der ehemalige Oberinspektor der Südbahn, Karl Armbruster, in „Die Tiroler Bergbahnen“ 1914 verfasst hat: „Zum Schlusse [des Kapitels „Zur Entwicklung des Bergbahnwesens“] mögen noch die Namen einiger von den vielen Persönlichkeiten angeführt werden, die sich um die Entwicklung des Bergbahnwesens in Tirol hervorragende Verdienste erworben haben, in allererster Linie der

2 Ing. Engelbert Pfurtscheller, ehem. Prokurist der Firma, Völs, 13.10.2010 - 5 -

hervorragende Schweizer Bergbahn-Ingenieur Emil Strub, der auch in Tirol eine vielseitige und fruchtbare Tätigkeit entfaltete, sowie der nimmermüde Straßen- und Eisenbahnbauer Ing. Dr. Josef Riehl in Innsbruck, der um die Hebung des Fremdenverkehrs in Südtirol hochverdiente Bankier Sigismund Schwarz in Bozen, die beiden schaffensfreudigen Bürgermeister von Bozen und Innsbruck, Dr. Julius Perathoner und Wilhelm Greil, die Banca Catolica Trentina und Ingenieur Cav. Dr. Emanuel Lanzerotti in Trient, in letzterer Zeit Advokat Dr. Jakob Köllensperger in Lana bei Meran, Hotelbesitzer Jakob Staffler sen. in Bozen, Hotelbesitzerin Elise Ueberbacher-Minatti in Toblach, Kellereibesitzer Anton Cembran in Lavis (Südtirol) u.v.a. Von den Firmen, die die elektrische Ausrüstung von Bergbahnen durchführten, muß die A.E.G. Union-Elektrizitäts- Gesellschaft in erster Linie angeführt werden, welche sich auch bei der Einrichtung von anderen elektrisch betriebenen Bahnen in Tirol (zuletzt die Mittenwaldbahn) und von Elektrizitätswerken in hervorragender Weise beteiligte.“3 „Anschließend an diesen Beitrag zur Geschichte des Bergbahnwesens dürfte es hier am Platze sein, sich noch etwas eingehender mit den beiden erstgenannten Persönlichkeiten zu befassen. Ing. Dr. E. Strub […] als die hervorragendste Kapazität auf dem Gebiete des Bergbahnbaues […]“4 „Ing. Dr. Josef Riehl, der heute noch in voller Tätigkeit steht und sich der größten Wertschätzung seiner Fachkollegen und der gesamten Bevölkerung erfreut, hat in Tirol eine Reihe von Bergbahnen erbaut und auch deren Finanzierung durchgeführt, wie dies aus den Einzelbeschreibungen der Bergbahnen zu entnehmen sein wird. 1842 in Bozen geboren, studierte er am dortigen Gymnasium und an der Technischen Hochschule in Karlsruhe, später an der

3 Karl Armbruster, „Die Tiroler Bergbahnen“, Verlag für Fachliteratur Berlin-London-Wien 1914, S. 5 4 „[Strub] ist am 15. Dezember 1909 unerwartet und mitten aus der Arbeit für neue Entwürfe und Ausführungen durch den Tod abberufen worden. Die Tätigkeit Strubs war nicht nur für seine Schweizer Heimat ungemein ersprießlich, sondern auch für die Entwicklung des Bergbahnwesens in Tirol von allergrößter Wichtigkeit. Als gern aufgesuchter Ratgeber, als Projektant einer größeren Anzahl von Bergbahnen, aber auch als Bauleiter zweier solcher Bahnen, der Mendel- und der Virglbahn, war Strub in Tirol tätig, und sein Andenken steht heute noch bei allen, mit denen ihn sein Beruf zusammenführte, in bester Erinnerung. Emil Strub stammte aus Trimbach bei Olten in der Schweiz, wo er am 13. Juli 1858 geboren wurde. Er besuchte dort die Volksschule und die Bezirksschule in Olten. Die ersten Grundlagen zu seiner späteren Tätigkeit, durch die sein Name in der ganzen technischen Welt bekannt werden sollte, verdankte er dem Altmeister des Bergbahnbaues, Riggenbach, in dessen Werkstätten zu Aarau er in den Jahren 1882 und 1883 seine erste Lehre durchmachte. Riggenbach hatte, ermutigt durch die rege Bautätigkeit, die sich nach der Erbauung der Rigibahn zeigte, in Aarau eine Konstruktionswerkstätte für Bergbahnen errichtet und aus derselben auch das Material für einige neue Bergbahnen geliefert. Als auf diesem Gebiete eine länger andauernde Stockung eintrat, wurde diese Arbeitsstätte wieder aufgelöst. Zur weiteren Ausbildung besuchte Strub dann das Technikum Mittweida und arbeitete praktisch in den Maschinenfabriken Hohenzollern und Esslingen, bis sein Wunsch, wieder in die Heimat zurückzukehren, durch Anstellung als Konstrukteur in der Werkstätte der Zentralbahn in Olten Erfüllung fand. Aus dieser Stellung wurde er vom schweizerischen Eisenbahndepartement im Jahre 1888 an die neugeschaffene Stelle eines Kontrollingenieurs für Bergbahnen berufen, ein Amt, das er bekleidete, bis er 1891 zum Inspektor der Berner Oberlandbahnen ernannt wurde. In den Jahren 1897 bis 1898 war Strub als Direktor der Jungfraubahn tätig. Von 1898 an führte er ein selbstständiges Ingenieurbureau, zunächst bis 1901 in Montreux und dann in Zürich, wo er von 1902 bis 1904 mit Ingenieur A. Thomann und von 1905 an zu Studien von Spezialbahnen mit Ingenieur H.H. Peter gemeinsam arbeitete.“ Zitiert nach: Karl Armbruster, „Die Tiroler Bergbahnen“, Verlag für Fachliteratur Berlin-London-Wien 1914, S. 5-6 - 6 -

philosophischen Fakultät der Universität und an der Technischen Hochschule in München. Nach Beendigung seiner Studien war Riehl 1864 beim Bau der Brennerbahn und hierauf bei der Trassierung der Pustertaler Linie der Südbahn tätig. Im Jahre 1868 ging Riehl nach Ungarn, wo er als Ingenieur beim Bau verschiedener Bahnen und 1870 bis 1873 als selbstständiger Bauunternehmer einer Teilstrecke der Linie Altsohl – Kremnitz5 tätig war. Im Jahre 1873 kehrte er wieder nach Tirol zurück und übernahm die Ausführung der Strecke Wörgl – Brixental der Giselabahn. Als nach dem Krisenjahre 1873 der Bau weiterer Verkehrswege ins Stocken geriet, wandte sich Riehl der Industrie der Steine zu. Die Erschließung eines großen Teiles der noch heute bestehenden, ertragreichen Steinbrüche ist Ing. Riehl zu danken. Er eröffnete die Sterzinger Marmorwerke, denen sich später die Laaser Werke zugesellten, dann die Porphyrbrüche in Kastelruth-Seis, die Marmorbrüche in Mori, und viele andere. Im Jahre 1882, als verheerende Hochfluten die Täler des Landes verwüsteten, war Riehl mit Bauten an Flüssen und Wildbächen beschäftigt und führte unter anderem große Strecken der Drau-, Rienz- und Eisackregulierung aus. Frühzeitig würdigte Ing. Riehl auch den nutzbringenden Wert der Wasserkräfte und war einer der ersten, die unermüdlich darauf hinwiesen, welche Schätze dem Lande durch Ausnützung dieser Kräfte zugewendet werden können. Dank seiner Tätigkeit und seines Unternehmergeistes wurden moderne Wasserkraftanlagen schon zu einer Zeit ins Leben gerufen, als die Ingenieure sich noch vielfach die wissenschaftlichen Unterlagen hiezu selbst beschaffen mussten. 1898 erbaute Riehl, gemeinsam mit Ingenieur Dr. Oskar von Miller in München, die Brennerwerke, es folgte die Projektierung und Ausführung der Sillwerke, einer großen Waserkraftzentrale der Stadt Innsbruck […], dann des Rienzwerkes der Stadt Brixen, das Wasserwerk Marienthal der Messingwerke Achenrain und viele andere. Ganz hervorragende Arbeiten in letzterer Zeit waren die Ausführung des baulichen Teiles der Schnalsbachwerke im Etschtal ober Meran, einer Ergänzung der Etschwerke, und des Ruetzwerkes, das den Betriebsstrom für die Mittenwaldbahn liefert. Eine Reihe weiterer Projekte, das Grödner Werk, die Anlagen am Piburger See (Oetztal), am Achensee und viele andere harren der Verwirklichung. Ing. Dr. Riehl übersah aber auch nicht, dass für die Entwicklung des Landes die intensive Ausgestaltung der Verkehrswege von größter Wichtigkeit sei. Seiner Initiative verdankt unter anderem die Straße von Waidbruck nach Kastelruth-Seis ihr Zustandekommen. Riehl baute ferner die Defregger Straße, die Iselbergstraße, die Straße Welschnofen-Vigo di Fassa, in letzterer Zeit den ersten Teil der Patscherkofelstraße u.s.w. Staunenswert ist die Tätigkeit Riehls auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues, die ihm scherzweise den Titel des Eisenbahnvaters von Tirol eintrug. In früheren Jahren führte er Rekonstruktionsarbeiten an der Südbahn, an der Arlbergbahn und im

5 Ein Abschnitt der damaligen Ungarischen Nordbahn - 7 -

Arlbergtunnel aus; auch baute er für die Staatseisenbahnverwaltung die großen Hafenanlagen in Bregenz. Riehls unermüdlicher Arbeit ist das Zustandekommen einer ganzen Reihe von Lokalbahnen zu danken, deren Trassierung, Projektierung und Ausführung er übernahm und für welche er größtenteils auch die Finanzierung vermittelte. Hievon seien genannt die Bergbahn von Innsbruck auf das südliche Mittelgebirge bei Igls (Innsbrucker Mittelgebirgsbahn), die Teilstrecke Zell- Mayerhofen der Zillertalbahn, die normalspurige Bahn Pfronten-Reutte, die elektrisch betriebene Bergbahn von Innsbruck nach Fulpmes (Stubaitalbahn), die Innsbrucker Stadtbahnen, die normalspurige, elektrisch betriebene Montafonbahn Bludenz-Schruns in Vorarlberg, die Drahtseilbahn auf das Hungerburgplateau, die Bahn von Bozen auf den Ritten (Rittnerbahn), die normalspurige, elektrische Taufererbahn (Bruneck-Sand), schließlich die für Innsbruck besonders wichtige Mittenwaldbahn, deren erster Teil von Innsbruck nach Garmisch-Partenkirchen im Oktober 1912 eröffnet wurde, während der zweite Teil, die Strecke von Garmisch-Partenkirchen nach Reutte, im Mai 1913 dem Betrieb übergeben wurde. Schon die mit größter Zähigkeit durchgeführten zehnjährigen Bemühungen Riehls um das Zustandekommen dieser Bahn verdienen uneingeschränkte Anerkennung. Eine Reihe von Bahnen, die Riehl geplant hat, stehen der Verwirklichung nahe, so Meran - Dorf Tirol, Toblach - Cortina, die Grödnertalbahn nach St. Ulrich u.s.w. Auch der Hotel-Industrie schenkte Riehl seine Aufmerksamkeit. Er baute das Hotel Stubai in Fulpmes, beteiligte sich an der Gründung vieler anderer Alpenhotels und suchte durch Werbung und Beteiligung das Zustandekommen neuer Anlagen zu fördern. Am öffentlichen Leben beteiligte sich Ing. Dr. Riehl als Innsbrucker Gemeinderat und Kammerrat sowie als Vertreter der Handelskammer im Staatseisenbahnrat. Die Technische Hochschule in Wien hat Riehl das Ehrendoktorat der technischen Wissenschaften verliehen. Auch der Staat zollte dem tätigen Manne die verdiente Anerkennung durch Verleihung des Franz-Josef-Ordens und durch Zuerkennung des Titels eines k.k. Oberbaurates.“6

3. Umgang mit Josef Riehls Erbe

Josef Riehl gehört zu jenen schöpferischen Persönlichkeiten, zu denen wir Nachkommende nur mit Bewunderung und Ehrfurcht aufblicken können. Wir können uns vielleicht fragen, was wir in unserer Zeit Vergleichbares leisten können, vor allem aber auch, wie wir mit dem hinterlassenen und immer noch wirksamen Erbe umzugehen haben. Die Wortwahl geschieht mit Bedacht, denn es gibt eine kulturelle Verpflichtung gegenüber den mühevollen Leistungen der Vorfahren zum

6 Karl Armbruster, „Die Tiroler Bergbahnen“, Verlag für Fachliteratur Berlin-London-Wien 1914, S. 6-8 - 8 -

Landesausbau und dem damit geschaffenen Volksvermögen. Unser hoher Lebensstandard in einem blühenden Tirol ist ja das Ergebnis des Fleisses und der Tüchtigkeit der Bevölkerung durch Jahrhunderte.

Zur Langzeitwirkung von Bauwerken bzw. Verkehrsbauten mögen einige Beispiele dienen:

 Römerbrücke in Cordoba unverändert unter vollem heutigem Verkehr  Aquädukt aus der Römerzeit speist den Trevibrunnen in Rom  Pantheon in Rom und seine großen Flügeltore seit 1800 Jahren in Betrieb  Arena von Verona seit der Römerzeit in Betrieb  Stilfser-Joch-Straße, Fernpassstraße, Brennerstraße, alle aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: 5 % Steigung für schwere Pferdetraktion  Nordtiroler Bahn 1858, Südtiroler Bahn 1859: Hochleistungs-Flachbahnen, damals 40 km/h, heute 160 km/h und mehr, Zuggewichte z.T. über 15oo t.  Stubaitalbahn 1904: Bis zum Bau der Autobahn trotz 25 km/h schnellste Verbindung Innsbruck – Fulpmes; attraktive Ausbaupläne vorhanden.  Mittenwaldbahn 1912 : S-Bahn 60 km/h Seefeld – Innsbruck Zentrum gute Reisezeit von 37 Minuten, dem Pkw vergleichbar.

Die Beispiele zeigen, dass ein großer Teil der mit Weitblick geschaffenen Infrastrukturen es wert ist, den heutigen und kommenden Bedürfnissen durch Ausbau und Modernisierung angepasst – und nicht aufgegeben zu werden. Der Wert einer alten Infrastruktur, auch wenn man sie als „abgeschrieben“ betrachtet, ist daran zu messen, was ihre Errichtung heute an Mühe, Problemen des „Durchkommens“ und schließlich an Geld erfordern würde. Leider ist im 20. Jahrhundert so manche Bahninfrastruktur aufgegeben worden, voreilig einem trügerischen Zeitgeist folgend, was später bereut wurde. Eine der wichtigsten Stärken der Eisenbahntechnik ist die Möglichkeit des elektrischen Betriebes – mit der Zukunftsenergie ersten Ranges. Im Bundesland Tirol ist man diesbezüglich trotz aller heißen Einstellungsdiskussionen letztendlich sorgsam mit dem Erbe umgegangen. Die verschiedenen laufenden Planungen zeigen, dass mit großer, auch finanzieller Anstrengung die Weiterentwicklung auf Grundlage des Vorhandenen betrieben wird. Ein sehr begrenzter Lebensraum, energiepolitische Überlegungen zum bevorzugten Einsatz der heimischen Energie aus Wasserkraft sowie Beschäftigungspolitik und Umweltentlastung bilden wichtige Hintergründe.

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4. Josef Riehls Lebenslauf

Josef Riehl - geboren am 31. August 1842 in Bozen, gestorben am 17. Februar 1917 in Innsbruck7

Die Ortschaft Küttelsheim liegt im Elsass, circa 18 km nordwestlich von Straßburg, hier befand sich der Riehlhof, welcher auch der Schulzenhof genannt wurde. Als im Jahr 1789 während der französischen Revolution der gefürchtete Franziskaner und Griechischprofessor, Kommissär Eulogius Schneider mit seiner neuerfundenen Köpfmaschine in die Ortschaft einrückte, stand auch der Name des Bauern Andreas Riehl auf seiner Proskriptionsliste. Doch Andreas Riehl erfuhr rechtzeitig davon und flüchtete mit seinem 12-jährigen Sohn Josef vor den Verfolgern über den Rhein. In Augsburg fand er eine Bleibe und ließ sich dort nieder. Von seinen, in Frankreich verbliebenen, Verwandten hörte man nichts mehr. Als Josef Riehl zum Manne reifte, kam er über die alten Handelswege von der Handelsmetropole Augsburg bis zu ihrem südlichen Gegenpol dem Stapelplatz in Bozen. Hier ließ er sich als Händler nieder und wurde später Pächter des berühmten Bozner Gasthofes zur Kaiserkron‘. Später erwarb er den Goldenen Hirschen unter den Lauben als seinen Eigenbesitz. Seine erste Ehe blieb kinderlos, und nach dem Tode der ersten Frau heiratete er im Alter von 64 Jahren am 24. Mai 1841 die 27-jährige Boznerin Maria Pechlaner. Maria war die Tochter des Täubelewirtes am Obstplatz in Bozen, ihre Familie stammte aus Unterinn am Ritten. Dieser Ehe entsprossen fünf Kinder: 1842 wurde Josef geboren, welcher sich als Verkehrs- und Energiewirtschaftspionier einen Namen erwarb; 1844 wurde Alois geboren, dieser wurde später ein hochgeschätzter Professor der Philosophie an der Universität in Berlin, der jüngste Bruder, Heinrich, betrieb in Wien eine beachtliche Plandruckerei. 1847 kam Anna zur Welt, deren Nachfahren leben heute noch am Ritten.

Jugendzeit Josef Riehls Vater ließ allen seinen Kindern eine gute Schulbildung zukommen. Sein ältester Sohn Josef besuchte nach glücklichen Kinderjahren am Riehlhof das humanistische Gymnasium in Bozen. Seine Mutter verstarb im Jahre 1855. Nach dem vorzüglichen Abschluss des Gymnasiums schickte ihn sein Vater 1859 nach Karlsruhe um an der Technischen Hochschule Ingenieurwissenschaft zu studieren. Später führte er dieses in München weiter und schloss es mit dem akademischen Grad ab, wobei er auch gleichzeitig an den Vorlesungen an der philosophischen Fakultät teilnahm.

7 Eine detaillierte Darstellung des Lebenslaufes Josef Riehls und seiner Herkunft hat Werner Schröter verfasst, welche in einer Festschrift des Eisenbahnersportvereines Innsbruck Sektion Modellbau 2012 erschien. Diese Arbeit wird folgend zitiert. - 10 -

Während seiner Studienzeit verstarb 1864 auch sein Vater. In den folgenden Jahren zwangen die finanziellen Verhältnisse die Geschwister in arge Bedrängnis. Man musste sowohl das Elternhaus als auch die restlichen Güter verkaufen. Josef Riehl musste noch vor seinem Abschluss das zweite Studium der Philosophie abbrechen, um für sich und seine Geschwister den Lebensunterhalt zu verdienen. Anfang August 1864 kehrte er nach Tirol zurück. Hier erhielt er eine Stelle bei der k. k. privilegierten Südbahngesellschaft in der Bauleitung der Brennerbahn. Unter dem Direktor der Gesellschaft, Ing. Carl von Etzel und den Bauingenieuren Pressel und Thommen bekam er die beste Ausbildung am Bahnbau. Später trat er als Ingenieur- Assistent in den Dienst des Bozner Bauunternehmens Giacomuzzi. Dabei war er um 1866 auch bei der Trassierung der Pustertalbahn tätig. Als 1868 der Oberbaurat Ingenieur Achilles Thommen zum Baudirektor der Ungarischen Staatsbahn berufen wurde, folgte ihm Josef Riehl ebenso wie Julius Lott nach Ungarn. Dort war er bei der Trassierung der Bahn von Großwardein (Nagy-Varád im östl. Ungarn, heute Oradea im Kreis Bihor in Rumänien) nach Klausenburg (Kolozsvár, in Siebenbürgen, heute Cluj in Rumänien) tätig und leitete anschließend den Bau der Bahn von Altsohl (Zólyom/Zvolen)8 nach Schemnitz (Selmeczbánya, heute in der Slowakei). Hier lernte er Rosa kennen, sie war die einzige Tochter des aus Innsbruck-Wilten gebürtigen Korps-Kommandanten und Feldmarschall-Leutnants Franz Ritter von Schidlach.

Bauunternehmer Im Jahre 1870 wurde Riehl dann selbständiger Unternehmer und führte den Bau der mit zahlreichen Tunnels, Brücken und Viadukten versehenen Bahnlinie Altsohl - Krèmnitz-Berg durch. Dies war das Geburtsjahr des Bauunternehmens „Josef Riehl“. 1873 konnte er diesen Bahnbau abschließen. Danach übernahm Riehl den Bau der Teilstrecke Wörgl – Brixental der Tiroler Giselabahn. Während der Weltausstellung 1873 in Wien löste ein Börsenkrach eine schwere Wirtschaftskrise aus. Diese bereitete auch dem österreichischen Bahnbau ein rasches Ende und schränkte damit das Arbeitsgebiet der Baufirma Riehl stark ein. Am 7. Feber 1874 heiratete er in der Domkirche zu Kaschau (Kassa/Košice, heute in der Slowakei) Rosa von Schidlach. Die Trauung vollzog Bischof Johann Perger von Kaschau, sein Trauzeuge war der Militärkommandant von Kaschau, Feldmarschallleutnant Philippovich. Dies war ein Zeichen der hohen sozialen Stellung, welche sowohl er als auch sein Schwiegervater dort innehatte. Seine

8 Hier dürfte eine Verwechslung vorliegen: Riehl baute 1870 bis 73 von Altsohl nach Kremnitz einen schwierigen Gebirgsabschnitt der damaligen Ungarischen Nordbahn. Kremnitz (Körmöczbànya/Kremnica liegt rd. 20km nordwestlich von Altsohl. (Armbruster a.a.o. Seite 7 und „Das österreichische Bauwesen“ Sommer 1928: „Die Bauunternehmung Innerebner & Mayer, vorm J. Riehl in Innsbruck“) Nach Schemnitz (Selmeczbánya/Banska Stiavnica), rd. 20 km südwestlich von Altsohl, wurde ca. 1 Jahrzehnt später eine meterspurige Lokalbahn gebaut, nachdem 1880 ein ung. Lokalbahngesetz in Kraft getreten war (Geschichte der Eisenbahnen der Österr.-Ung. Monarchie, Wien-Teschen-Leipzig 1898, Band III, Seite 553) - 11 -

Frau gebar ihm ein Töchterchen, Hanna, dieses starb jedoch schon im Alter von acht Jahren an Scharlach. Nach der Vollendung der Giselabahn übersiedelte Riehl nach Sterzing und verlegte sich krisenbedingt auf die Industrie mit Steinen. Die Steinbrüche bei Sterzing waren nach der barocken Bautätigkeit in einen Dornröschenschlaf versunken. Als Riehl sie 1875 wiedererweckte, war der Zeitpunkt nicht ungünstig. Die Nachfrage war durch die Prachtbauten am Wiener Ring enorm angestiegen. Die alten Marmorbrüche von Ratschings wurden ebenso wie die von Laas im Vinschgau und Mori am Gardasee zu neuem Leben erweckt. Weiter brach er den schwärzlichen Porphyr in Kastelruth und den rötlichen Granit in Predazzo. Durch die Expansion wurde allerdings die Kapitaldecke zu kurz und er musste potente Geldgeber als Gesellschafter aufnehmen. Zuerst führte er den Betrieb gemeinsam mit Ing. Ganzwohl und ab 1879 zusammen mit der Wiener Union-Baugesellschaft als die „Tiroler Marmor- und Porphyrgesellschaft Ganzwohl, Riehl und Comp.“. Um 1879 gab Riehl die für ihn inzwischen verlustreichen Steinbrüche auf und verkaufte sie. Daneben betrieb er weiterhin sein Bauunternehmen mit kleineren Bauvorhaben. Erst anfangs der Achtziger Jahre erfolgte ein neuer Wirtschaftsaufschwung. Der Tourismus in den Alpen und den Kurorten Tirols begann zu erblühen. Des Weiteren leitete der Bau der Arlbergbahn ab 1882 eine neue Periode im Bahnbau ein. Die in diesem Jahr verheerenden Hochwässer in ganz Tirol am Inn und der Etsch gaben Anlass zu umfassenden Wildbachverbauungen und Fluss-Regulierungen. Riehl errichtete Uferschutzbauten an Etsch, Eisack und Rienz. Seine Firma baute rasch die zerstörten Brücken an der Südbahnlinie neu auf. Fehlende Transportmöglichkeiten bewogen ihn auch zum Bau neuer Wege. So plante und errichtete er die Straße von Waidbruck nach Kastelruth und weiter nach Bad Ratzes. Die Baukosten für diese 22 km lange Straße betrugen 60.000 Kronen, welche ausschließlich von den Gemeinden der Kastelruther Hochebene getragen wurden. Eine weitere Straße errichtete er von Lienz über den Iselsberg nach Winklern. Des Weiteren setzte er sich mit seinem Bozner Freund Albert Wachtler für die Erschließung der Dolomiten ein. Als erstes Teilstück der die Dolomiten querenden Straße wurde die Trasse von Welschnofen über den Karerpaß nach Vigo di Fassa zwischen 1893 und 1894 eröffnet. Das Bauunternehmen Riehl errichtete die Straße von Vigo nach Moena im Fleimstal.

Ausbau der Wasserkraft In Verbindung mit den Wasserregulierungsarbeiten erkannte er den Wert der weißen Kohle. Er beschäftigte sich mit den ungebändigten Naturgewalten und setzte auf die zukunftsreiche Unternehmung im Bau von Wasserkraftanlagen. Zusammen mit dem erfolgreichen Münchner Ingenieur Oskar von Miller errichtete er 1899 die Wehr- und Kraftwerksanlagen bei . Mit seinen 6.000 PS versorgte das Brennerwerk in erster Linie das nahe liegende Carbidwerk mit elektrischer Energie. Weiter baute er zwischen 1901 und 1903 selbständig das - 12 -

größte Kraftwerk der Monarchie, das Innsbrucker Sillwerk mit 18.000 PS. Weitere große Kraftwerksbauten waren 1903 – 1905 das Brixner Rienzwerk mit 9.000 PS und 1908 – 1910 das Schnalstalwerk bei Meran mit 16.000 PS. Er verfasste in dieser Zeit auch eine Studie über ein Speicherkraftwerk am Achensee. Gemeinsam mit Dr. Theodor Christomannos (1854-1911), Pionier für die Entwicklung des Fremdenverkehrs im südlichen Tirol, finanzierte und förderte er die neu ins Leben gerufenen Alpenhotels. Er selbst baute das Hotel in Oberbozen. Ein 1903 in Fulpmes im Stubaital errichtetes mondänes Hotel hatte keinen Erfolg. Errichtet auf einer Grundfläche von 1350 m² wurden die siebzig Zimmer und Salons mit vornehmster Ausstattung, wie Wasch- und Badezimmern, eingerichtet. Das Hotel wurde durchwegs mit elektrischem Licht ausgestattet. Jedoch blieben dem Hotel Stubai die kapitalkräftigen Gäste aus. In Nordtirol setzte sich der große Tourismus erst mit dem Beginn des Skilaufes in den zwanziger Jahren durch.

Der Weg zum Verkehrspionier Am 1. Jänner 1895 erfolgte ein neues Reichsgesetz über Bahnen niederer Ordnung (erstmalige Regelung 1880). Man unterschied nun zwischen Sekundär- und Tertiärbahnen und ermöglichte damit auch eine finanzielle Förderung durch das Land und nicht nur den Staat. Dieses Gesetz erleichterte nun den Bau von Klein- und Lokalbahnen. Damit wurde es vielen kleineren Gemeinden ermöglicht, mittels Kleinbahnen am wirtschaftlichen Aufschwung teilzunehmen. Nach einigen Umbauten an den Trassen der Süd- und Arlbergbahnlinie wurden Riehl von den österreichischen Staatsbahnen die Arbeiten für den Neubau des großen Bregenzer Hafens übertragen. In den Neunzigerjahren übersiedelte er nach Innsbruck. Am 3. März 1894 erwarb Riehl eine Bauparzelle im Saggen in der Chotekallee 9 (heute Karl-Kapferer-Straße). Der Baumeister Jakob Norer errichtete darauf eine komfortable Gründerzeitvilla mit Bädern und einer Dampfheizung. Von hier aus dirigierte er die gesamten Arbeiten seines Unternehmens, erst ab 1902 betrieb er ein Büro am Pfarrplatz 3 von welchem er dann 1906 in ein neues Bürogebäude in der Pechestraße 6 übersiedelte. Die aufstrebende Stadt Innsbruck verwirklichte unter dem Bürgermeister Greil vorbildlich viele städtische Verwaltungsaufgaben. Riehl wurde Berater in vielen Verkehrs und Energiefragen. Das florierende Unternehmen benötigte weitere tüchtige Ingenieure, 1899 trat Karl Innerebner (1870- 1970), ein entfernt Verwandter, in seine Dienste ein. Riehl erkannte seinen Eifer und nahm ihn nicht nur als Mitarbeiter, sondern auch gleich als stillen Gesellschafter auf. 1903 folgte diesem August Mayer (1872-1957) und Fritz Konzert (1883-1964). Ing. Josef Riehl wurde 1907 in den Gemeinderat gewählt, er zählte in diesem Zeitraum zu den sechzig wohlhabendsten Bürgern der Stadt Innsbruck. - 13 -

Riehl betätigte sich stark am öffentlichen Leben. Er wurde Obmann des Industriellenbundes von Nordtirol und prov. Vorsitzender der Handels- und Gewerbekammer von Tirol. Für alle seine Arbeiten wurde er zu Lebzeiten gewürdigt: er wurde Ritter des Franz-Joseph-Ordens, bekam den Titel eines Oberbaurates e.h. und die techn. Hochschule in Wien verlieh ihm das Ehrendoktorat der techn. Wissenschaften. Die Stadt Innsbruck und die Gemeinden Fulpmes, Seefeld, Lermoos und Ehrwald erhoben ihn zu ihrem Ehrenbürger. In Kastelruth wurde später eine Gedenktafel am Gemeindehaus angebracht. Die St. Ulricher Künstlerin Waltraud Insam entwarf sie und die Fa. Grassmayr aus Innsbruck goss die Tafel. Straßen und Plätze in Innsbruck, Seefeld, Ehrwald und Fulpmes wurden nach ihm benannt. 2007 wurde anlässlich der 100 Jahrfeier der Rittnerbahn ein Denkmal Riehls am Bahnhof Oberbozen enthüllt und der Bahnhofplatz erhielt den Namen Ing. Josef Riehl Platz. Am 17. Februar 1917 schied Josef Riehl, nach kurzer Krankheit aus dem Leben. Jedoch sein Geist lebte in seinem Unternehmen weiter. Zuerst unter dem Namen Bauunternehmung Riehl- Doderer, Inhaber A. Mayer, K. Innerebner, W. v. Doderer, nachdem Doderer seine Geschäfte zurücklegte entstand bald der Name Innerebner & Mayer. Unter dieser Firmenbezeichnung wurden Riehls begonnene Arbeiten fertig gestellt und auch weitere Neubauten im seinem Sinne ausgeführt. Testamentarisch vermachte Ing. Riehl seine eigenen Aktien der Stubaital-, Mittenwald-, Mittelgebirgs- und Lokalbahn der Stadt Innsbruck, aber auch einen großen Teil seines Vermögens der Stadt Innsbruck für soziale Zwecke. Von seinem Wohnhaus in der Karl-Kapferer-Straße begab sich am 19. 2. 1917 dann der große Trauerzug zum Militärfriedhof in Pradl. Man begrub ihn bei seiner Gattin und seinem Töchterchen, neben dem Grabe seines Schwiegervaters von Schidlach.

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5. Die Mittenwaldbahn – langes Ringen um ein großes Projekt

Wie intensiv sich Josef Riehl für seine Projekte einsetzte wird am Beispiel der von ihm in der ganzen Länge geplanten Mittenwaldbahn Innsbruck – Garmisch-Partenkirchen – Reutte i.T. besonders deutlich. Es war ein Ringen und ein Kampf durch mehr als zehn Jahre bis zum Baubeginn 1910. Nur zwei Jahre später, 1912 ging dann die Karwendelbahn als erste Teilstrecke und ein Jahr später 1913 die Außerfernbahn bis Reutte als zweite Teilstrecke in Betrieb. Karl Leipert schrieb 1967 in der Tiroler Tageszeitung: „Schon vor der Jahrhundertwende befasste sich der Erbauer aller Bergbahnen in der Umgebung Innsbrucks mit dem Plan einer Bahnverbindung zwischen der Landeshauptstadt und dem Außerfern. In den ‚Innsbrucker Nachrichten’ veröffentlichte er im Jahre 1901 seine Gedanken über die ‚Mittenwaldbahn’. Ein zähes Ringen dafür und dagegen begann und zwang Riehl, sein ganzes Vermögen, seine Gesundheit und Schaffenskraft für die Durchführung einzusetzen. Der Streit der Meinungen zog sich viele Jahre hin.“9 So analysierte er in einem Vortrag im „Volkswirtschaftlichen Verein zu Innsbruck“ im Jahre 1903 laut vorliegender Druckschrift mit Kartenbeilage das Verhältnis von „Vinschgauer- und Fernbahn in Bezug zur Scharnitzer Linie“ – es gab schon mehrere Projektvorschläge – und zeigt, dass alle drei sich ergänzen und nicht konkurrieren. Zunächst sollte aber die „Scharnitzer Linie“ mit der Außerfernbahn verwirklicht werden, da sie aus Tiroler Sicht die meisten Vorteile biete und den beiden anderen Varianten ebenbürtig sei. Und weiter schreibt Leipert: „Im Jahre 1907 erschien eine Schrift Riehls ‚Wahrheit und Klarheit über die Bahnlinie Innsbruck - Reutte’ sowie ein Aufsatz ‚Mein letztes Wort in Sachen Mittenwaldbahn’ in den Innsbrucker Nachrichten. Sie lassen erkennen, welch hartnäckigen Bemühens es bedurfte, bis die Planung verwirklicht werden konnte.“10 Aus einem Bericht über „Die Bauunternehmung Zivilingenieure Innerebner & Mayer, vorm. J. Riehl in Innsbruck“, erschienen in „Das österreichische Bauwesen“ Sommer 1928 ist weiter Folgendes zu entnehmen: „Nach Überwindung ungezählter Schwierigkeiten gelang es ihm, die finanziellen, technischen und rechtlichen Grundlagen für das Zustandekommen des Unternehmens sicherzustellen, so dass mit dem Bau 1910 begonnen werden konnte. Zu diesem Zeitpunkte schloß sich Riehl mit dem Bauunternehmer Oberbaurat Ing. Wilhelm von Doderer zu gemeinsamer Tätigkeit zusammen. […] Riehl und Doderer übernahmen die Ausführung des österreichischen Teiles der Mittenwaldbahn, das ist die Bahnlinie von Innsbruck – Garmisch bis Reutte, welche die erste normalspurige Bahn mit elektrischer Triebkraft nach dem nunmehr in Österreich, in der Schweiz und im Deutschen Reich normierten elektrischen Betriebssystem ist, als

9 Karl Leipert,„Zum Tod des ‚Eisenbahnvaters’ vor 50 Jahren – Ing. Josef Riehl baute in Tirol über 250 km Bahnlinien – Ehrenbürger der Stadt Innsbruck“, in: Tiroler Tageszeitung, Februar 1967 10 Karl Leipert,„Zum Tod des ‚Eisenbahnvaters’ vor 50 Jahren – Ing. Josef Riehl baute in Tirol über 250 km Bahnlinien – Ehrenbürger der Stadt Innsbruck“, in: Tiroler Tageszeitung, Februar 1967 - 15 -

Generalunternehmer, also einschließlich der elektrischen Bahnausrüstung, der Betriebsmittel, der Grundeinlösung, dem Kraftwerke usw. um einen Pauschalbetrag von 30 Millionen österr. Kronen. Zur Leitung des Baues bestellten sie ihre beiden bisherigen bauleitenden Ingenieure, die Herren Karl Innerebner und August Mayer.“11

Aber lassen wir nun den kompetentesten Zeitzeugen zu Wort kommen, nämlich Karl Innerebner (1870-1970), der im Buch „Die Mittenwaldbahn“ den Abschnitt „Geschichtliche, finanzielle und technische Einzelheiten der Mittenwaldbahn“ bearbeitet hat.12

11 „Das österreichische Bauwesen“, hrsg. Unter der Mitarbeit des Bundesministeriums für Handel und Verkehr sowie der Wasserbausektion des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Wien 1928, S. 180-181 12 Die Mittenwaldbahn (Innsbruck – Garmisch-Partenkirchen – Reutte). Schilderungen der Bahn und des Bahngebietes von dipl. Ingenieur K. Innerebner und Dr. H. v. Ficker, Innsbruck – Heinrich Schwick, kais. und kön. Hofbuchhändler , ca. 1914, S. 5-20 - 16 -

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Übersichtskarte und Längenschnitt, Seite 72

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Karl Innerebners Voraussage hat sich erfüllt. Die Mittenwaldbahn wurde tatsächlich Erfahrungsobjekt und dann Vorbild für die Eisenbahnelektrifizierung im deutschen Raum (Deutsches Reich, spätere Republik Österreich, Schweiz), Schweden und Norwegen mit Einphasen- Wechselspannung 15000 Volt und heute 16,7 Hertz (1/3 der Industriefrequenz). (Heutige Wechselstrom-Elektrifizierungen von Bahnnetzen werden mit 25 kV und 50 Hz durchgeführt, weshalb die 15 kV-Systeme schrittweise auf eine allfällige Umstellung vorbereitet werden) Die Tiroler Teile der Mittenwaldbahn sind rechtlich Nebenbahnen, wobei die Karwendelbahn hauptbahnmäßig betrieben wird. Ihre Bedeutung als zusätzliche Verbindung mit Bayern und als Ausweichstrecke ist ungebrochen. Ein mehrjähriges Investitionsprogramm in Infrastruktur und technische Ausrüstung – Signalisierter Zugleitbetrieb von Seefeld aus – hat sie zu einer zeitgemäßen regionalen Vollbahn gemacht. Sie ist Teil der Tiroler S-Bahn, hat aber auch Güterverkehr und Intercityexpress-Züge. Eine wichtige Maßnahme harrt allerdings seit vielen Jahren der Verwirklichung, nämlich die Lawinensicherung in der . Inzwischen besteht Aussicht auf Verwirklichung. 13 Die Außerfernbahn – darunter wird heute die Linie Garmisch-Partenkirchen – Reutte i. T. – Kempten verstanden – konnte nach bald jahrzehntelangem Ringen gegen verschiedenste Einstellungsbestrebungen durch Eingliederung in das bayerische Regionalverkehrs-Taktsystem, Sicherstellung des Güterverkehrs und ein 10-Jahres-Investitionsprogramm analog jenem der Karwendelbahn gesichert werden. Sanierung und Modernisierung der Strecke, Signalisierter Zugleitbetrieb von Reutte aus, Hebung der Verkehrssicherheit durch technische Sicherung von Eisenbahnkreuzungen, schließlich geplant elektrischer Betrieb bis Pfronten, funktionelle Busanbindungen und ein attraktives Tarifsystem machen sie zu einer modernen Regionalbahn. Gerade im Ausserfern hat der zähe Kampf um das Erbe Josef Riehls und dessen Modernisierung letztlich zum Erfolg geführt.

6. Werke und Planungen Josef Riehls

Die folgende Aufzählung enthält die wichtigsten Vorhaben, welche die Firma Josef Riehl ausgeführt hat, Planungen, welche nicht selbst ausgeführt wurden und unausgeführte Planungen. Jahreszahlen stehen für das Jahr der Eröffnung. 14

13 Pressemitteilung der Tiroler Landesregierung vom 27.07.2012 14 Literatur: Geschichte der Eisenbahnen der Österr.- Ung. Monarchie, Wien-Teschen-Leipzig 1898 Info. Werner Schröter Info. Archiv für Baukunst, Universität Innsbruck - 34 -

 Ausgeführte Vorhaben

1873 Teilstrecke der Linie Altsohl – Kremnitz (heutige Slowakei) 1875 Teilstrecke Wörgl – Brixental der Salzburg-Tiroler Bahn 1875 bis 79 Steinbruchunternehmen (neben der Baufirma): Marmorbrüche in Sterzing, Laas und Mori, Porphyrbruch in Kastelruth 1882 Hochwasserereignisse: Fluss- und Wildbachverbauungen, große Strecken der Regulierungen an Drau, Rienz und Eisack 1880er/90er Jahre Straßenbauten: Waidbruck - Kastelruth Planung Dolomitenstraße Bozen – Hayden/Anpezo/Cortina d`Ampezzo, davon Bau Welschnofen - Vigo di Fassa - Moëna Defregger Straße in Osttirol Iselsbergstraße Lienz – Winklern 1898 Überetscher Bahn (Mitwirkung) 1899 Brennerwerke Deutsch Matrei (6ooo PS/5000 kW) 1900 Innsbrucker Mittelgebirgsbahn Bergisel – Igls 1902 Teilstrecke Zillertalbahn Zell a.Ziller – Mayrhofen 1903 Sillwerke Stadt Innsbruck (18000 PS/15000 kW) Mendelbahn Kaltern – Mendel, Bau nach Projekt Emil Strub (Standseilbahn, erste Teil- Strecke Reibungsbahn) (Mitwirkung) 1904 Stubaitalbahn Wilten – Fulpmes, erste elektrische Bahn mit Industriefrequenz (42,5 Hz) 1905 Innsbrucker Stadtbahn Montafoner Bahn Bludenz – Schruns Bahnlinie Pfronten – Reutte i.T. 1906 Planung Straßenbahn Lana - Meran Hungerburgbahn Innsbruck (Standseilbahn) 1907 Rittner Bahn Bozen – Klobenstein (gemischte Zahnrad/Reibungsbahn) 1908 Schnalstalwerk der Etschwerke Bozen/Meran ( 16000 PS/13400 kW ) Tauferer Bahn Bruneck – Sand i.T. 1909 Nonstalbahn Trient – Malè (Mitwirkung) Nonsbergbahn Dermulo – Fondo – Mendel (Mitwirkung) 1910 Ruetzwerk der Mittenwaldbahn ( 9000 PS/7500 kW ) 1912/13 Mittenwaldbahn Innsbruck – Garmisch-Partenkirchen – Reutte i.T., 1914 Bozner Straßenbahn (1909), Verlängerung nach Leifers (letzte Teilstrecke 1931) 1916 Grödner Bahn Klausen – St. Ulrich – Plan (Militär nach Projekt Riehl) 1917/21 Dolomitenbahn Toblach – Hayden/Anpezo/Cortina d`Ampezzo – Calalzo - 35 -

(Militär, z.T. Projekt Riehl) 1918 Fleimstalbahn Auer – Predazzo (Militär nach Projekt Riehl)

 Weitere Bahnplanungen (ohne zeitliche Zuordnung): Planungsgrundlage Meterspur, elektrischer Betrieb

Dolomitenbahn Toblach – Hayden/Anpezo/Cortina d`Ampezzo - Falzaregopass - Buchenstein - Arabba - Pordoijoch - Sellajoch - Gröden - Klausen, im Zuge der Dolomitenstraße - Fleimstalbahn, Verlängerung Predazzo – Moëna – Pordoijoch (Bahnknoten) - Bozen – Gröden - Neumarkt/Auer – San Michele (Anschluss Nonstalbahn) - Cortina d`Ampezzo – Cadore Reschenbahn Mals – Landeck, Vollbahn Fernbahn Imst – Lermoos, Vollbahn Nonstalbahn, Verlängerung Malè – Fucine – Tonalepass Trient – Sarche – Riva Sarche – Tione Passeierbahn Meran – Jaufen – Sterzing Iselsbergbahn Lienz – Winklern – Heiligenblut Iseltalbahn Lienz – Windisch Matrei Sellraintalbahn (Wilten -) – Gries i.S. Ötztalbahn Ötztal Bahnhof – Sölden Lechtalbahn Reutte i.T. – Elbigenalp (Zell a.See) Krimml – Gerlos – Zell a.Ziller Kufstein – Thiersee – Bayrischzell Kufstein – Kössen – St. Johann i.T. Seilschwebebahn Neustift i.St. - Habicht

Die lange Liste unausgeführter Projekte könnte vermuten lassen, dass Josef Riehl mit seinem Ingenieurbüro auch Vorratsplanung auf eigene Kosten betrieb, um bei Bedarf Passendes zur Hand zu haben. Nach dem damaligen Verständnis jedoch, dass wegen des überaus großen Innovationsschrittes nur Eisenbahnen in der Lage seien, die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung im Alpengebiet zukunftsweisend zu fördern, was sich in der Schweiz schon länger zeigte, waren alle diese Planungen sinnvoll und richtig.

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Über die Riehl’schen Planungen hinaus und zum Teil mit diesen überschneidend gab es eine besondere Aktivität des damaligen Welschtirol und der Stadt Trient mit einem „Comitato Ferroviario“, dessen Eisenbahnplanungen von Belluno bis zum Engadin reichen sollten. Grundlage war Meterspur und elektrische Traktion. Josef Dultinger hat 1982 in seinem Buch „Auf schmaler Spur durch Südtirol“, das beeindruckende Ergebnis dargestellt und es soll zur Abrundung hier wiedergegeben werden15:

 Eine Zentrallinie Belluno - San-Pellegrino-Pass – Trient – Tonalepass – Tirano – Berninapass – St. Moritz (362 km lang, Höchstneigungen von 45 bis 70 %o) mit Anschluss an das Schweizer Meterspurnetz  Eine südliche Verbindung Trient – Sarche – Riva sowie Sarche – Tione und Riva – Varone  Eine nördliche Verbindung Schluderns (Vinschgaubahn) – Ofenpass – Zernez (Engadinbahn)

Ein zusammenhängendes südalpines Meterspurnetz als Verkehrssystem wäre so entstanden. Teile davon wurden errichtet, ein Teil, die Fleimstalbahn wieder eingestellt, die Berninabahn und die Nonstalbahn sind aber in modernem und zeitgemäßem Betrieb. Bemerkenswert ist, dass die heutige Provinz Trient die seinerzeitigen Planungen wieder aufgegriffen hat. Einerseits verfolgt sie den Ausbau eines Meterspur-Regionalbahnnetzes im Raum Trient als Erweiterung der Nonstalbahn, andererseits die schrittweise Verlängerung über Malè hinaus – bis Marileva in Betrieb –, um vielleicht doch einmal den Netzschluss in Tirano zu schaffen. (vgl. ehem. Arge Alp – Verkehrskommission).

7. Schlusswort

Die vorangegangene Darstellung zeigt eindrücklich, dass das Wirken Josef Riehls weit über seine Zeit hinaus reicht. Die meisten seiner Werke sind auch ein Jahrhundert nach ihrer Entstehung nach wie vor in Betrieb, laufend erhalten, modernisiert, den heutigen Bedürfnissen angepasst, und ein Ende ihrer Nutzung ist nicht abzusehen. Das beweist den unerhörten Weitblick dieses Mannes und den Wert seines Wirkens für seine Heimat Tirol. Die Mittenwaldbahn ist herausragendes Beispiel hiefür, und die Hundert-Jahr-Feier der Eröffnung der Teilstrecke „Karwendelbahn“ würdiger Anlass, ihres Schöpfers Josef Riehl ehrend zu gedenken.

15 Josef Dultinger, Auf schmaler Spur durch Südtirol, Verlag Dr. Rudolf Erhard, Rum 1982