Jüdische Emigration Land Der Verheißung
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217 Victoria Kumar Land der Verheißung – Ort der Zufucht Schrifen des Centrums für Jüdische Studien Band 26 Reihe: Geschichte und Kultur, hrsg. v. Gerald Lamprecht Victoria Kumar Land der Verheißung – Ort der Zufucht Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945 Veröfentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF): [PUB 333–G28] © 2016 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck E-Mail: [email protected] Internet: www.studienverlag.at Buchgestaltung nach Entwürfen von hoeretzeder grafsche gestaltung, Schefau/Tirol Umschlag: Studienverlag/Georg Toll, www.tollmedia.at Satz: Studienverlag/Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig Umschlagabbildung: Flüchtlingsschif „Tiger Hill“ vor der Küste Tel Avivs, 1939. Te Central Zionist Archives, Jerusalem. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Bibliografsche Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografe; detaillierte bibliografsche Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufar. ISBN 978-3-7065-5419-0 Open Access: Wo nicht anders festgehalten, ist diese Publikation lizenziert unter Creative- Commons-Lizenz Namensnennung 4.0 Open access: Except where otherwise noted, this work is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 Unported License. To view a copy of this license, visit http:// creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Lizenzmodell CC-BY Inhaltsverzeichnis Einleitung 9 Forschungsstand und Quellen 13 Einleitendes zur jüdischen Migrationsgeschichte 18 Charakteristika und Spezifka 18 Palästina-Wanderung 19 Begrifsbestimmungen 21 Migrationsbewegungen österreichischer Jüdinnen und Juden nach Palästina vor 1938 Zionismus 27 Hintergründe und Vorläufer 27 Frühe Palästina-Wanderung und „praktischer Zionismus“ 31 Teodor Herzl und der politische Zionismus 32 „Praktischer Zionismus“ in Österreich und frühe Palästina- Wanderung österreichischer Jüdinnen und Juden 36 Die Balfour-Deklaration 42 Das britische Palästina-Mandat 46 Einwanderungskategorien 48 Das Palästina-Amt Wien 52 Gründung und erste Jahre 53 Die Organisation und Durchführung der Alijah 56 Die Entwicklung des Palästina-Amtes bis zum „Anschluss“ 64 Palästinabezogene Werbe- und Informationstätigkeiten anderer Stellen 67 Der „Keren Kajemeth Lejisrael“ und der „Keren Hajessod“ Österreich 67 „Hechaluz“ und Hachscharah 69 Zionistische Vereine und Zeitschrifen im Wien der Zwischenkriegszeit 76 Zionistische Parteien und Vereine 76 Zionistische Zeitungen und Zeitschrifen 85 Die 1920er Jahre: Dritte und Vierte Alijah 88 Die Fünfe Alijah 92 Spezifka 92 Zahlen 95 Palästina in den 1930er Jahren 99 Reaktionen auf die jüdische Masseneinwanderung: Protest und veränderte Rahmenbedingungen 103 Das „Passfeld-Weißbuch“ 103 Der Arabische Aufstand und der „Peel-Plan“ 104 Das „MacDonald-Weißbuch“ 106 Motive der österreichischen Alijah in den 1930er Jahren 108 Die Vertreibung und Flucht österreichischer Jüdinnen und Juden nach Palästina 1938 bis 1945 Die nationalsozialistische Vertreibungspolitik 111 Planung und Umsetzung: Der Sicherheitsdienst und Palästina 112 Exkurs: Das „Haavara-Abkommen“ 114 Österreichische Transfermodelle und kollektive Siedlungspläne in Palästina 119 Die „Aktion Judenauswanderung aus der Steiermark“ 122 „Exerzierfeld“ Österreich 128 Die Wiener Kultusgemeinde und das Palästina-Amt nach dem „Anschluss“ 130 Flucht nach Palästina 139 Voraussetzungen, Organisation und Durchführung 139 Die „Hitachduth Olej Austria“ 145 Die Jugend-Alijah 150 Entstehung und Hintergrund 150 Die österreichische Jugend-Alijah 152 Zertifkatsverteilung: Streitigkeiten zwischen Ländern, Jugendbünden, Wien und der Provinz 158 Kriegsbedingte Veränderungen 161 Die „Alijah Beth“ 162 Frühe illegale Einwanderung und „Alijah Beth“-Arbeit der zionistischen Arbeiterbewegung 164 Die „Alijah Beth“-Arbeit der zionistischen „Revisionisten“ 166 „Alijah Beth“ unter nationalsozialistischer Kontrolle: Der „Ausschuss für jüdische Überseetransporte“ 169 Britische Gegenmaßnahmen 172 Zahlen 176 Ankunf, Niederlassung und Einordnung österreichischer Flüchtlinge in Palästina/Israel in den 1930er und 1940er Jahren 178 Flucht und Vertreibung österreichischer Jüdinnen und Juden 1938 bis 1945: Zahlen und Destinationen 185 Zusammenfassung 189 Danksagung 193 Glossar 194 Quellen- und Literaturverzeichnis 199 Personenregister 212 Einleitung „Die Pioniere genossen, so schien es, in jenen Tagen das höchste Ansehen. Doch sie lebten weit weg von Jerusalem, in den fruchtbaren Tälern, in Ga- liläa, in der Ödnis am Ufer des Toten Meeres. Ihre kräfigen und gedan- kenschweren Gestalten zwischen Traktor und gepfügter Scholle sahen und bewunderten wir auf den Plakaten des Jüdischen Nationalfonds. Eine Stufe unter den Pionieren rangierte der so genannte organisierte Jischuw: diejenigen der jüdischen Bevölkerung des Landes, die im Trä- gerhemd auf dem sommerlichen Balkon den Davar lasen, die Zeitung der Arbeitergewerkschaf Histadrut, die Mitglieder der Histadrut und der Ge- werkschafskrankenkasse, die Aktivisten der Untergrundarmee Hagana, die Leute in Khaki, die Salat-, Spiegelei- und Dickmilchesser, die Befürworter einer Politik der Zurückhaltung, von Eigenverantwortung, solidem Lebens- wandel, Abgaben für den Aufaufonds, heimischen Produkten, Arbeiter- klasse, Parteidisziplin und milden Oliven in den Gläsern von Tnuva1. ‚Von drunten blau, von droben blau, wir bauen uns einen Hafen! Eine Heimat, einen Hafen!‘ Diesem organisierten Jischuw entgegen standen die Terroristen der Un- tergrundgruppen wie auch die Ultraorthodoxen von Mea Schearim2 und die orthodoxen Kommunisten, die ‚Zionshasser‘, und ein ganzes Sammelsurium von Intelligenzlern, Karrieristen und egozentrischen Möchtegernkünstlern des kosmopolitisch-dekadenten Typs, allerlei Außenseiter und Individualis- ten und dubiose Nihilisten, Jeckes mit ihrem unheilbaren deutsch-jüdischen Gebaren, anglophile Snobs, reiche französisierte Orientalen, die sich in un- seren Augen wie hochnäsige Butler gerierten, dazu Jemeniten und Georgier und Maghrebiner und Kurden und Tessaloniker – alle eindeutig unsere Brü- der, alle eindeutig vielversprechendes Menschenmaterial, aber was kann man machen, man wird noch viel Mühe und Geduld in sie investieren müssen. Daneben gab es noch die Flüchtlinge und die Überlebenden, denen wir im Allgemeinen mit Mitleid und auch ein wenig Abscheu begegneten: arm- selige Elendsgestalten – und ist es denn unsere Schuld, dass sie dort bleiben und auf Hitler warten mussten, statt noch rechtzeitig herzukommen? Und warum haben sie sich wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen, statt sich zu organisieren und Widerstand zu leisten? Und sie sollen auch endlich damit aufören, ihr nebbiches Jiddisch zu reden und uns all das zu erzählen, was man ihnen dort angetan hat, denn das, was man ihnen dort angetan hat, 1 Tnuva ist ein 1926 gegründetes israelisches Agrarunternehmen, spezialisiert auf die Erzeugung von Milchprodukten. 2 Mea Schearim (hebr.: hundertfach) ist eines der ältesten Stadtviertel Jerusalems und wird überwie- gend von ultraorthodoxen Jüdinnen und Juden bewohnt. 9 macht weder ihnen noch uns viel Ehre. Und überhaupt ist unser Blick hier ja in die Zukunf gerichtet, nicht in die Vergangenheit, und wenn man schon die Vergangenheit ausgraben muss, dann haben wir schließlich mehr als ge- nug erfreuliche hebräische Geschichte, die biblische und die hasmonäische, es besteht also keinerlei Notwendigkeit, sie mit einer derart deprimierenden jüdischen Geschichte zu verunstalten, die nichts als Nöte enthält. […]“3 Amos Oz erzählt in seinem 2002 im hebräischen Original und 2004 in der deut- schen Übersetzung erschienenen umfangreichen Werk „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ die Geschichte seiner Familie und jene Palästinas, das spätestens seit den 1930er Jahren zum Zufuchtsort zigtausender in Europa bedrohter und verfolg- ter Jüdinnen und Juden wurde, aber auch das geographische wie ideelle Ziel zahl- reicher Zionistinnen und Zionisten war, die ihrer Überzeugung wegen nach „Erez Israel“ migrierten. Anschaulich zeichnet der 1939 in Jerusalem als Sohn zweier aus Osteuropa stammender Immigranten ein Palästina bzw. Israel nach, dessen Entwicklung er aus der Perspektive eines Kindes wahrgenommen hat, und gewährt Einblicke in Politik und Gesellschaf, wodurch die Situation der Einwanderinnen und Einwanderer und der Bevölkerung insgesamt bis zu ihrem alltäglichen Leben hin greifar wird. Die den ersten Seiten des Buches entnommenen Zeilen werden hier nicht nur deshalb wiedergegeben, weil sie die aus zahlreichen verschiedenen Gesellschafs- gruppen – unterschiedlich in ihrer Herkunf, Sprache, politischen Orientierung und berufichen Tätigkeit – bestehende Bevölkerung Palästinas in all ihrer Vielfältigkeit und Heterogenität ausdrucksvoll (wenn auch deutlich wertend) beschreiben; was aus der Textstelle außerdem hervorgeht, ist der sich aus mehreren Gründen spei- sende Konfikt innerhalb der jüdischen Gemeinschaf, die alles andere als homogen zu charakterisieren war. Gestaltet sich das Verhältnis zwischen den im Aufnah- meland bereits etablierten Gemeinschafen und den nachkommenden Immigran- tinnen und Immigranten häufg konfiktreich, so kamen im Falle des jüdischen Palästina weitere gewichtige Momente hinzu, die die Beziehung zwischen Yishuv4 und Neueinwanderern und der jüdischen Bevölkerung insgesamt bestimmten. Spannungen ergaben sich zunächst durch das Aufeinandertrefen von unterschied- lichen Nationalitäten, Generationen und Weltanschauungen.