Lernen, Um Die Heimat Wieder Aufzubauen
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20./21. Januar 2018 / Nr. 3 www.katholische-sonntagszeitung.de Einzelverkaufspreis 2,50 Euro, 6070 Apfelstrudelshow Was für ein Zirkus: Papst Neuer Dekan ins in der Hofbackstube lädt Bedürftige ein Amt eingeführt Die Leserreise unserer Zei- Ob Clown, Akrobat (Foto: KNA) oder Jürgen Eichler (Foto: Zuber), Pfarrer in tung nach Wien führt auch Dompteur – beim „Zirkus Solidarität“ Wallerstein, ist neuer Dekan des Deka- ins Schloss Schönbrunn (Foto: in Rom war viel geboten. 2100 Bedürf- nats Nördlingen. Es reicht von Harburg pure-life-pictures – stock.adobe. tige, darunter Flüchtlinge, Obdachlose bis Feuchtwangen. Generalvi- com). Dort wird das Apfelstru- und eine Gruppe Häftlinge, waren der Einla- kar Harald Heinrich führte ihn delbacken vorgeführt. Seite 31 dung von Papst Franziskus gefolgt. Seite 7 in sein Amt ein. Seite 14 Vor allem … Lernen, um die Heimat Liebe Leserin, lieber Leser wieder aufzubauen ür viele Familien in Rom it Nahrung und medizinischer Grundversorgung allein ist es nicht getan: Fgehört der Besuch einer Zir- kusvorstellung zum Beginn des MDie syrischen Flüchtlingskinder im Libanon brauchen vor allem auch Bil- neuen Jahres, schreibt unser Kor- dung. Pfarrer Ulrich Lindl hat sich vor Ort ein Schulprojekt des Jesuiten-Flücht- respondent Mario Galgano. Die lingsdiensts angesehen, das von der Diözese Augsburg unterstützt wird. Zudem bunten Spektakel sind nicht all- sprach er in Damaskus mit jungen Christen. Sie haben sich gegen die Flucht zu teuer, und doch können sich Seite 2/3 zahlreiche Menschen, die tagtäg- entschieden. lich von der Hand in den Mund leben, das Vergnügen in der Ma- nege nicht leisten. Grund genug für Papst Franziskus, ihnen den Besuch zu ermöglichen: Er lud jetzt Obdachlose und Arme in den Zirkus ein (Seite 7). Einen Neubeginn der anderen Art erlebt dieser Tage Syrien. Erstmals seit Jahren ist so etwas wie ein Aufatmen im Bürger- kriegsland zu spüren. Der „Is- lamische Staat“ ist weitgehend besiegt. Viele Orte kehren lang- sam zur Normalität zurück – und mit ihnen Hunderttausende Syrer, die vor Krieg, Terror und Islamisten iehen mussten und ihre Heimat nun endlich wie- dersehen. Wie sich Syriens Hauptstadt nach sieben Jahren des Kon- ikts präsentiert, schildert Pfar- rer Ulrich Lindl (Seite 2/3). In Damaskus unterhielt er sich mit syrischen Christen. Mit nach Hause ins Bistum Augsburg nimmt er ihre Ho nung, dass die blutige Krise tatsächlich bald überwunden ist. Ihr orsten Fels, Chef vom Dienst Foto: imago Foto: 2 THEMA DER WOCHE 20./21. Januar 2018 / Nr. 3 UNTERRICHT IM FLÜCHTLINGSCAMP Sehnsucht nach Syrien Seit dem Rückzug des IS scheint sich die Lage in Damaskus zu entspannen – Doch im Land tobt nach wie vor ein Krieg, der Millionen zur Flucht zwingt Die ersten Flüchtlinge kehren in ihre Heimat zurück. Doch noch immer leben zehntausende Syrer in Flüchtlingscamps in der libanesischen Bekaa-Ebene. Foto: JRS DAMASKUS/BAALBEK – Wo vor rei St. Kyrillos aufgebaut, wo Lindl in der Bekaa-Ebene hat eine 10 000 dem Krieg Pilgerströme die engen in Damaskus zu Gast war. „Immer Jahre alte Siedlungsgeschichte. Zu ih- Gassen füllten, sind heute weder wieder hört man Detonationen und ren etwa 80 000 Einwohnern sind seit Pilger noch Touristen zu sehen. Vor Granateneinschläge“, beschreibt er. Ausbruch des Syrienkriegs zehntau- sieben Jahren hat die Syrienkrise Menschen werden getroff en, Häuser sende Flüchtlinge hinzugekommen. begonnen. Sie hat vor allem den beschädigt. „Und doch wirken die Die meisten von ihnen leben schon Norden des Landes schwer getrof- Menschen ruhig. Es liegt eine hoff - seit drei bis vier Jahren hier. fen. Der Ostteil von Aleppo ist völ- nungsvolle Ahnung in der Luft, das Asmaa weiß, dass ihre Familie we- lig zerstört, ebenso Homs. 13 Mil- Schlimmste vielleicht überstanden zu gen des Kriegs aus Syrien gefl ohen lionen Syrer sind auf der Flucht, haben.“ ist. Die Angst scheint sie inzwischen die meisten innerhalb der Landes- Immer wieder kommen Menschen verloren zu haben. Das aufgeschlos- grenzen. Viele sind aber auch in das auf ihn zu, um ihm stellvertretend sene Mädchen spricht erstaunlich Nachbarland Libanon gefl ohen, für alle Deutschen zu danken, die in gut Englisch, stellt Lindl fest. Das wo sie in Zeltstädten leben. Pfarrer dieser Notzeit so beherzt geholfen ha- ist schließlich auch ihr Lieblingsfach. Ulrich Lindl, Leiter der Hauptab- ben. Die Syrer haben mit Flüchtlin- Ihre Lehrerin, Ola Bosso, sitzt ne- Asmaa ist im libanesischen Baalbek teilung „Kirchliches Leben“ im gen Erfahrung. Vor dem Krieg waren ben ihr und freut sich sichtlich. Als glücklich. Doch sie vermisst ihre Heimat Bistum Augsburg, hat sich kürzlich vor allem sie es, die Flüchtlinge aus der Pfarrer Asmaa nach ihrem Hob- Syrien. Foto: Aboud ein eigenes Bild von der Situation dem Irak, dem Sudan und Afghanis- by fragt, antwortet sie: „Schreiben!“ gemacht. tan aufgenommen und nach Kräften Auf die überraschte Nachfrage erklärt unterstützt haben. Bosso: „Asmaa schreibt Gedichte.“ Spendern aus aller Welt, unter ande- „Es ist kaum fassbar, wie gelas- Und jetzt? Sechs Millionen Syrer rem von der Diözese Augsburg. Eine sen und freundlich einem die Men- sind außer Landes, die meisten in Motivierte Schüler staatliche Förderung gibt es nicht. An schen auf den Straßen von Damas- Grenznähe, bei Verwandten oder in den sieben Schulen des JRS im Liba- kus begegnen“, sagt Lindl, in dessen den Flüchtlingscamps im Libanon, Ola Bosso unterrichtet 22 Flücht- non werden zur Zeit etwa 2700 Kin- Hauptabteilung die Eine-Welt-Arbeit in Jordanien und in der Türkei. In lingskinder zwischen elf und 15 Jah- der unterrichtet. Von der Vorschule angesiedelt ist. „Off enbar haben sie der libanesischen Bekaa-Ebene fi n- ren. Sie sind gut bei der Sache. Für bis zur achten Klasse. gelernt, mit der Krise – die Syrer den sich große Zeltstädte. Dank dem sie ist es schließlich alles andere als Besonderes Augenmerk wird auf selbst sprechen nicht von Krieg – um- Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) wer- selbstverständlich, in die Schule ge- den Englischunterricht gelegt. Denn zugehen.“ Anders könne man wohl den die Flüchtlingskinder unterrich- hen zu dürfen. Asmaa möchte einmal im Libanon wird in den öff entlichen kaum so lange im Ausnahmezustand tet und bekommen wenigstens eine Ärztin werden. „Wenn man ihr in die und privaten Schulen auf Englisch leben. warme Mahlzeit am Tag. Augen schaut, glaubt man fest: Sie unterrichtet. Außerdem müssen die Ein großes Aufatmen sei im Land In der Nour-Schule begegnet Pfar- kann es schaff en – wenn man ihr da- Neuankömmlinge auf den Bildungs- zu spüren, seit der Islamische Staat rer Lindl der el ährigen Asmaa. Vor bei hilft“, berichtet Lindl. stand libanesischer Schüler gebracht (IS) vertrieben werden konnte – auch zwei Jahren ist sie mit ihrer Familie Der JRS will dabei helfen und setzt werden, damit sie die Möglichkeit wenn andere islamistische Terror- aus Zabadani im Westen Syriens un- neben der Grundversorgung mit Le- haben, in eine öff entliche Schule zu gruppen noch immer da sind. Die weit der Grenze mit dem Bus in den bensmitteln vor allem auf Bildung. wechseln. Allerdings werden nur etwa Al-Nusra-Front habe ihre Stellung Libanon gefl ohen und in Baalbek an- Finanzielle Unterstützung erhält die 40 Prozent der Flüchtlingskinder auf- nur wenige Kilometer von der Pfar- gekommen. Die Provinzhauptstadt Hilfsorganisation von kirchlichen genommen. Die Kapazitäten sind 20./21. Januar 2018 / Nr. 3 THEMA DER WOCHE 3 In Damaskus (Foto links) hat sich Pfarrer Ulrich Lindl (links) mit Elias (vorne rechts) und anderen jungen Christen getroffen. Bei seinem Besuch in einer Schule für Flücht- lingskinder im libanesischen Baalbek (Foto rechts) tauschte sich der Pfarrer aus der Diözese Augsburg mit Lehrerin Ola Bosso und Mufti Bakr Al Rifaii aus. Fotos: privat, Aboud begrenzt. Die Schulleiter der öffent- Sie wollen zurück“, ist sich die junge meisten wollen zurück, wenn die „Wir lassen uns auch nicht von An- lichen Schulen schätzen die Vorbe- Lehrerin sicher. Lage in Syrien wieder sicher ist“, er- schlägen abhalten, in die Kirche zu reitung in den Schulen des JRS sehr. Und was brauchen die Menschen klärt Elias. gehen.“ Gleich zu Beginn des Krie- Die Kinder sind hoch motiviert und für eine gute Rückkehr? Die Kinder Die vergangenen Jahre seien nicht ges sei in der unmittelbaren Nähe lassen sich in den libanesischen Klas- und Jugendlichen vor allem eine gute leicht gewesen. Das Leben in der von St. Kyrillos eine Autobombe sen gut integrieren. Schulausbildung, ist Ola Bosso über- Stadt werde durch den Krieg immer explodiert. Die Menschen seien da- Dennoch wollen die meisten lieber zeugt. Aber nicht nur auf das Wissen wieder gestört. Oft muss Elias die nach aber dennoch in den Gottes- in den Schulen des JRS bleiben. Das komme es an, auch auf Vertrauen, ein sieben Kilometer von der Universität dienst gekommen. liegt gewiss auch daran, dass hier mit gutes Miteinander der Menschen und nach Hause zu Fuß gehen, weil kein Elias leitet in der Pfarrei den Ka- viel pädagogischem Einfühlungsver- ein starkes Selbstbewusstsein, das den Bus fährt. „Natürlich haben wir auch techismuskurs und bringt so Kindern mögen auf die besonderen Bedürfnis- Menschen aus Syrien auf der Flucht Angst, von einem Mörserangriff ge- und Jugendlichen den Glauben nä- se der Kinder eingegangen wird, ver- oft abhanden gekommen ist. troffen zu werden.“ So wie vor drei her. Um wieder eine funktionierende mutet Lindl. An jeder Schule des JRS Da die Lage in Syrien in manchen Jahren, als an Weihnachten eine Gra- Gesellschaft aufbauen zu können, ist steht ein Sozialarbeiter zur Verfügung Regionen mittlerweile als sicher gilt, nate im Dach seines Familienhauses für ihn vor allem eines wichtig: der und auch psychologische Hilfe kann machen sich die ersten Flüchtlin- eingeschlagen sei. Verletzt wurde da- gemeinsame Dialog und das Ge- geleistet werden. ge wieder auf den Weg nach Hause. bei aber glücklicherweise niemand. spräch. „Denn Frieden kann nicht Allein im ersten Halbjahr 2017 sind Einen wichtigen Halt gibt ihm durch Waffen geschaffen werden.“ Illegale Flüchtlinge laut UN-Flüchtlingswerk mehr als und vielen anderen der Glaube.