Fünf Jahre nach der Elbeflut

Wurden und werden öffentliche Finanzhilfen im Sinne eines nachhaltigen Hochwasserschutzes verwendet? Herausgeber: WWF Deutschland, Frankfurt am Main Stand: Juni 2007, 1. Auflage, 100 Exemplare Autoren: Rechtsanwaltskanzlei Wolfram Günther, unter Mitarbeit von Holger Seidemann, Büro für Umwelt und Planung Redaktion: Georg Rast, WWF Deutschland Layout: Text- und Webdesign, Astrid Ernst, Bremen

© 2007 WWF Deutschland, Frankfurt am Main Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers

Titelfoto: Elbehochwasser 2002 © WWF / Bernd Lammel Inhalt Einleitung ...... 6 1. Fragestellung und Methodik der vorliegenden Studie ...... 7 2. Nachhaltiger Hochwasserschutz als öffentliche Aufgabe ...... 8 2.1 Hochwasserschäden und ihre Ursachen ...... 8 2.2 Technischer Hochwasserschutz ...... 11 2.3 Die Schäden durch das Augusthochwasser 2002 ...... 12 2.3.1 Schadensbilanz Augusthochwasser 2002 insgesamt ...... 12 2.3.2 Schadensbilanz Augusthochwasser 2002 für Sachsen ...... 13 2.3.3 Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes ...... 13 2.4 5-Punkte-Programm der Bundesregierung: Arbeitsschritte zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes ...... 14 2.5 Empfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) ...... 14 2.6 EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) - Integration in Hochwasserschutzplanungen ...... 16 2.7 Anregungen zur Verbindung von Hochwasserschutzes mit der WRRL aus Sicht eines Landes-Wasserbaubetriebes ...... 18 2.8 Vorgaben der Internationalen Kommission zum Schutz der (IKSE) ...... 18 2.9 Nachhaltigkeitskriterien / Fragestellungen der vorliegenden Studie ...... 19 3. Praxis des Hochwasserschutzes im Bezug auf Nachhaltigkeit ...... 23 3.1 Bisherige Aktivitäten im Überblick ...... 23 3.2 Derzeit erwogene Standorte für Deichrückverlegungen an der Elbe in Deutschland ...... 23 3.3 Einfluss ökologischer Kriterien auf die Erstellung der Hochwasserschutzkonzepte (insbesondere WRRL, FFH, Öffentlichkeitsbeteiligung) ...... 27 3.4 Wasserrückhalt in der Fläche - Land- und Forstwirtschaft ...... 28 3.5 Die Aufgabe bestehender Siedlungs- und Gewerbestandorte in Überschwemmungsgebieten ...... 28 3.6 Fallbeispiele nichtnachhaltigen Einsatzes öffentlicher Fördermittel bzw. von Fördermittelmissbrauch ...... 29 3.6.1 Vorrede zu den Fallbeispielen ...... 29 3.6.1.1 Vorgehen / Methodik ...... 29 3.6.1.2 Problemfelder - Gründe für das Nichtbeachten nachhaltiger Planungsgrundsätze ...... 29 3.6.1.3 Die Einzelfälle im Überblick ...... 32 3.6.2. Einzelfälle ...... 34 3.6.2.1 Elsterbecken Leipzig ...... 34 3.6.2.2 Weinskeaue ...... 37 3.6.2.3 Gehölzbeseitigung in der Elbaue im Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“ ...... 40 3.6.2.4 Schlossmühlenwehr Frohburg – Instandsetzung der Wehranlage ...... 42 3.6.2.5 Regenrückhaltebecken Rossau / Wasserskianlage ...... 45 3.6.2.6 Polizeidirektion Westsachsen und Polizeirevier Grimma ...... 46 3.6.2.7 Staatsstraße S 88 bei Riesa, Gemeinde Zeithain - Ortsteil ...... 48 3.6.2.8 Straßenausbau bei Grimma ...... 49 3.6.2.9 Asphaltierung von Feld- und Wiesenwegen bei / Vergleich zu anderen Straßen-/Wegeausbauten ...... 50 3.6.2.10 Wegebau zwischen Dessau und Aken ...... 52 3.6.2.11 Kegelbahn – „Haus des Gastes“ - Bad Schandau ...... 54

WWF Deutschland 3 4. Mögliche Ursachen unzureichender Nachhaltigkeit im aktuellen Hochwasserschutz ...... 55 4.1 Rechtliche Situation im Hinblick auf nachhaltigen Hochwasserschutz (Bund und Bundesländer insgesamt) ...... 55 4.1.1 Die Rechtsetzung des Bundes allgemein (WHG, BauGB, BBodSchG) ...... 55 4.1.1.1 Gesetzgebungskompetenz ...... 55 4.1.1.2 Hochwasserschutz im Spannungsfeld unterschiedlicher Planungen - allgemein 56 4.1.1.3 Hochwasserschutz-Artikel-Gesetz (2005) ...... 56 4.1.1.4 EG-Hochwasser-RL ...... 58 4.1.1.5 Geltendes Recht und Nachhaltigkeit im Hochwasserschutz (WHG, BNatSchG, BBodSchG) ...... 58 4.1.2 Hochwasserschutz in der Raumplanung ...... 59 4.1.3 Flächen- und Bauplanung in hochwassergefährdeten Gebieten - Bauleitplanung (BauGB) ...... 63 4.1.4 Baugenehmigungen - Bauordnungsrecht ...... 64 4.1.5 Vorbeugender Hochwasserschutz contra private Interessen/Eigentum - Möglichkeiten für staatlichen/behördlichen Zwang ...... 65 4.1.5.1 Möglichkeiten zu Reduzierung vorhandenen Schadenspotentials (Städtebauliche Gebote) ...... 65 4.1.5.2 „Baurecht auf Zeit“ (§ 9 Abs. 2 BauGB) ...... 65 4.1.5.3 Flächenerwerb zum Hochwasserschutz - Vorkaufsrechte der Gemeinde ...... 66 4.1.5.4 Deichrückverlegungen und private Ackerflächen - Aspekte des Eigentumsschutzes (Art. 14 GG) ...... 66 4.1.5.5 Festlegung von Verboten und Geboten in Überschwemmungsgebieten und überschwemmungsgefährdeten Gebieten ...... 66 4.1.6 Beschleunigungserlasse - rechtlicher Spielraum vor allem im Hinblick auf geltendes Umweltrecht ...... 68 4.2 Die Hochwasserschutzstrategien der Länder (Konzepte und Wassergesetze) ...... 73 4.2.1 Sachsen ...... 73 4.2.2 Sachsen Anhalt ...... 81 4.2.3 Brandenburg ...... 83 4.2.4 Niedersachsen ...... 85 4.2.5 Thüringen ...... 86 4.3 Förderprogramme und nachhaltiger Hochwasserschutz ...... 87 4.3.1 Finanzierungsmöglichkeiten für Hochwasserschutzmaßnahmen und zur Beseitigung von Hochwasserschäden (Fonds) ...... 87 4.3.1.0 Begriffe und Grundzüge der Förderung der Schadensbeseitigung ...... 87 4.3.1.1 Solidaritätsfonds der Europäischen Kommission ...... 89 4.3.1.2 Bund-Länder-Fonds „Aufbauhilfe“ ...... 90 4.3.1.3 Soforthilfen ...... 93 4.3.1.4 Umschichtungen im Bundeshaushalt ...... 93 4.3.1.5 Landeshaushalte ...... 93 4.3.1.6 Arbeitsmarktprogramm des BMWA ...... 94 4.3.1.7 Sonderprogramm „Hochwasser“ der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) ...... 94

4 WWF Deutschland 4.3.1.8 Förderprogramm des Bundes „Errichtung und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung ...... 99 4.3.1.9 EU-Strukturfonds EFRE ...... 99 4.3.1.10 EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG ...... 102 4.3.1.11 EU-Finanzierungsinstrument ELER / EAGFL ...... 102 4.3.1.12 EU-Strukturfonds FIAF ...... 104 4.3.1.13 EU-Finanzierungsinstrument LIFE ...... 105 4.3.1.14 Sonderkredite öffentlicher Banken (KfW, DtA, SAB, Lfi) ...... 105 4.3.1.15 GA-Sonderprogramm Hochwasser ...... 106 4.3.1.16 Versicherungen ...... 106 4.3.1.17 Spenden ...... 107 4.3.2 Mittelverwendung und Vergaberichtlinien zur Beseitigung von Hochwasserschäden (am Beispiel der Beseitigung der Schäden des Augusthochwassers 2002 in Sachsen) ...... 107 4.3.2.1 Zuständigkeiten für die Vergabe ...... 107 4.3.2.2 Infrastruktur in den Kommunen ...... 107 4.3.2.3 Staatliche Infrastruktur ...... 111 4.3.2.4 Hochbau (Wohngebäude) ...... 113 4.3.2.5 Unternehmen ...... 114 4.3.3 Fördermittelmissbrauch (offizielle Mitteilungen) ...... 115 4.3.3.1 Bundesrechnungshof ...... 115 4.3.3.2 Landesrechnungshof Sachsen ...... 115 4.3.3.3 Bericht der Sächsischen Aufbaubank ...... 116 4.4 Weitere Aspekte für Ursachen der unzureichenden Nachhaltigkeit im Hochwasserschutz insgesamt (Stichworte) ...... 116 5. Zusammenfassung ...... 121 5.1 Die Aufgabe - Finanzierung von nachhaltigen Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes ...... 121 5.2 Die Kriterien der Nachhaltigkeit ...... 121 5.3 Die aktuelle Praxis des Hochwasserschutzes ...... 123 5.4 Die Ursachen fehlender Nachhaltigkeit ...... 124 5.4.1 Rechtliche Vorgaben ...... 124 5.4.2 Die Hochwasserschutzstrategien der Länder ...... 125 5.4.3 Die Finanzierungsinstrumente ...... 126 5.4.4 Verwaltungsvorschriften zur Vergabe von Hochwassergeldern ...... 129 5.4.5 Fördermittelmissbrauch ...... 131 5.4.6 Weitere Aspekte für Ursachen unzureichender Nachhaltigkeit ...... 131 5.4.7 Ergebnis ...... 132 6. Vorschläge zur Erreichung eines nachhaltigeren Einsatzes öffentlicher Finanzierungshilfen im Hochwasserschutz ...... 134 6.1 Anpassung rechtlicher Vorgaben (Gesetze) ...... 134 6.2 Vergaberichtlinien öffentlicher Finanzierungshilfen ...... 134 6.3 Veränderung der Förderziele öffentlicher Finanzierungshilfen / Ausgleichsfonds (verbesserter Ausgleich von Kosten und Nutzen) ...... 136

WWF Deutschland 5 Einleitung Wie aus dem Ruf nach mehr Raum für die Flüsse und gen unternommen. So wurden umfangreiche Strategien Rückbau in den Flussräumen die Finanzierung von erarbeitet, Gesetze auf Bundes- und Landesebene Deichbauten, Stauwehren und Straßen wurde. grundlegend überarbeitet und zahlreiche Finanzie- rungsinstrumente für Hochwasserschutzmaßnahmen Nach der Oder-Flut 1997 wurde der Ruf laut, den geschaffen. Seither werden in den Hochwasserschutz Flüssen wieder mehr Raum zurückzugeben. Hochwas- Milliarden an Steuermitteln investiert. serschutz sollte künftig nicht mehr in Katastrophen- Die vorliegende Studie stellte die Frage: Mit welchem bewältigung bestehen, sondern in einer nachhaltigen Ergebnis? Hochwasservorsorge. Die Politik, bis hin zu Bundes- kanzler Helmut Kohl, griff diese Forderung wortstark Die Antwort ist ernüchternd. Zunächst konnte die auf. Begründet war die Forderung in der Feststellung, Bodenqualität in der Landwirtschaft hinsichtlich des dass die Flüsse in der Vergangenheit den Großteil ihrer Wasserrückhalts seit Jahren stetig verbessert werden. natürlichen Überschwemmungsflächen durch Besiede- Jedoch: Aufforstungen in nennenswerten Größen haben lung, Flussbegradigungen und Eindeichungen verloren nicht stattgefunden. Förmlich festgelegte Hochwasse- hatten. So ist diese Fläche beispielsweise an der Elbe rentstehungsgebiete existieren derzeit pilothaft nur an auf kümmerliche vierzehn Prozent geschrumpft wor- zwei Standorten und diese Ausweisungen konnten noch den. Vor allem dadurch, dass natürliche Hochwässer keine praktischen Auswirkungen entfalten. Unge- seither in künstlich verschmälerten und begradigten bremst schreitet die Neuversiegelung von Flächen in Rinnen abfließen müssen, erreichen die Fluten die aktu- Deutschland voran, wo die Anlage von Siedlungs- und ellen Höhen und Geschwindigkeiten. Erst dadurch, dass Verkehrsflächen täglich eine Fläche von 115 Hektar neu direkt am Flussufer und flächenhaft hinter den Deichen in Anspruch nimmt. Deichrückverlegungen spielen im in den historischen Überflutungsräumen Wohnhäuser, Hochwasserschutz eine absolut untergeordnete Rolle. Gewerbe und öffentliche Infrastruktur errichtet wurden, So werden etwa durch die an der Elbe geplanten bzw. gefährden die Fluten die Menschen und die von ihnen durchgeführten Rückdeichungen dem Fluss in der Sum- geschaffenen Werte. me nur etwa ein Prozent der verlorenen Überflutungs- flächen zurückgegeben. Nicht zuletzt bleiben regelmä- Nach der Jahrhundertflut 2002 an der Elbe und deren ßig Möglichkeiten zur Verbesserung der ökologischen Zuflüssen, stellte man fest, dass der Forderung von Gegebenheiten an den Gewässern und deren Auen 1997 keine Taten gefolgt waren. Die neuen Schäden in ungenutzt, die sich leicht mit den Hochwasserschutz- Milliardenhöhe, die neben mehreren Menschenleben zu maßnahmen verbinden ließen. In ihrer Summe werden beklagen waren, wurden zum Anlass genommen, nun Hochwassergelder daher - wie in der Vergangenheit doch endlich die Weichen hin zu einem nachhaltigeren - auch heute vor allem für die Errichtung bzw. Ertüch- vorbeugenden Hochwasserschutz umzulegen. Nun soll- tigung von technischen Hochwasserschutzanlagen, te tatsächlich den Flüssen mehr Raum gegeben werden, insbesondere von Deichen eingesetzt. Dies geht häufig was letztlich auf großzügige Rückdeichungen hinaus- nicht nur mit einer Verschlechterung der ökologischen laufen sollte. Zugleich sollte bereits der Entstehung von Gegebenheiten einher, sondern schafft regelmäßig voll- Hochwassern entgegengewirkt werden, indem insbe- endete Tatsachen, die nachhaltigere Hochwasserschutz- sondere bei Starkregenereignissen der Wasserrückhalt maßnahmen vor Ort künftig erschweren bis ausschlie- in der Fläche erhöht werden sollte. Dazu sollten der ßen. Nicht selten fließen die Mittel sogar schlicht in Boden verbessert, umfangreiche Aufforstungsprogram- sachfremde lokale und regionale Infrastrukturvorhaben, me in Hochwasserentstehungsgebieten (Gebirgsregio- die ansonsten nicht finanzierbar gewesen wären. Neben nen) vorgenommen und vor allem die Neuversiegelung vereinzelten Hochbauten betrifft dies vor allem einen von Flächen gestoppt werden. Nicht zuletzt sollten intensiven Wege- und Straßenausbau im Deichhinter- Hochwasserschutzmaßnahmen mit den ohnehin erfor- land. derlichen Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung der Gewässer verbunden werden, die die Wasserrah- Daher geht die vorliegende Studie weiter der Frage menrichtlinie der EU bis 2015 fordert. nach, was getan werden muß, um den Einsatz öffentlicher Mittel künftig stärker an Aspekten der Seit 2002 wurden seitens des Bundes, der Länder (allen Nachhaltigkeit auszurichten. voran Sachsen) und seitens zahlreicher weiterer Akteu- re tatsächlich vielfältigste und umfassende Anstrengun-

6 WWF Deutschland 1. Fragestellung und Methodik der vorliegenden Studie Gegenstand der vorliegenden Studie ist die Frage, ob Einsatz von Hochwassergeldern haben können aufge- öffentliche Finanzierungshilfen zur Beseitigung von arbeitet. Dabei spielen vor allem folgende Fragen eine Hochwasserschäden sowie für Hochwasserschutzmaß- Rolle: nahmen in Deutschland im Sinne eines nachhaltigen Hochwasserschutzes konzipiert und eingesetzt werden. - Ermöglichen die bestehenden Finanzierungsmög- lichkeiten / das geltende Recht / die Hochwasser- In einem ersten Schritt werden dafür die für den Hoch- schutzstrategie des jeweiligen Bundeslandes einen wasserschutz geltenden Kriterien der Nachhaltigkeit nachhaltigen Hochwasserschutz? bestimmt. Diese beziehen sich hier vor allem auf einen - Führen sie zwingend zu einem nachhaltigem Hoch- wirksamen vorbeugenden Hochwasserschutz selbst und wasserschutz? auf ökologische/gewässerökologische Aspekte. Sozi- - Wieviel Raum lassen sie ggf. für nichtnachhaltigen ologische Aspekte der Nachhaltigkeit (etwa aktuelle Hochwasserschutz? Akzeptanz bestimmter Maßnahmen, Nutzerinteressen, - Welche Besonderheiten bestehen ggf. in einzelnen politische Zwänge gewählter Volksvertreter. etc.) finden Bundesländern? dabei nur nachrangige Beachtung. Zur Bestimmung der Kriterien werden insbesondere die Ausführungen Für den Umgang mit Fragen des Hochwasserschutzes von staatlichen und zwischenstaatlichen Instituti- in Deutschland hat die Katastrophe des August-Hoch- onen herangezogen, die umfassende Kataloge mit wassers 2002 an der Elbe und ihren Zuflüssen die Anforderungen an einen nachhaltigen, vorbeugenden Bedeutung eines entscheidenden Wendepunktes. Nicht Hochwasserschutz erstellt haben. Anschließend erfolgt nur war dieses Hochwasserereignis trotz zahlreicher ein Abgleich mit der gegenwärtigen Praxis im Hoch- schwerwiegender Hochwasser in den letzten Jahren das wasserschutz. Dazu werden die aktuellen Maßnahmen mit Abstand gravierendste. Vor allem wurden durch zunächst bezüglich ihrer Zielsetzung in statistischer dieses Hochwasserereignis umfangreiche Neuerungen Hinsicht insgesamt untersucht. Im Anschluss daran er- angestoßen. Diese erfolgten in der anschließenden folgt eine Darstellung einzelner Nachhaltigkeitsfragen Ausarbeitung neuer und komplexer Hochwasser- anhand von relativ gut dokumentierbaren Einzelfällen. schutzstrategien auf den Ebenen der EU, des Bundes, Die Einzelfalluntersuchungen dienen dabei der Diskus- der Länder, der Kommunen sowie auf regionaler und sion allgemeiner Probleme am konkreten Einzelfall. zwischenstaatlicher Ebene. Neue Finanzierungsquellen Im Ergebnis dieses Abgleichs von Anforderungen der (Fonds) für Hochwasserschutzmaßnahmen und zur Be- Nachhaltigkeit und Praxis der Hochwasservorsorge und wältigung von Hochwasserschäden wurden geschaffen Vergabe von öffentlichen Hochwassergeldern steht die bzw. Hochwasseraspekte wurden in bestehende Fonds Feststellung, dass Nachhaltigkeitskriterien bei der Ver- eingearbeitet. Nicht zuletzt wurde das geltende Recht gabe von Finanzierungshilfen oftmals keine oder eine umfassend überarbeitet. Diese Entwicklungen sind nur untergeordnete Rolle spielen. dabei noch nicht abgeschlossen, sondern dauern an.

Daher werden in einem zweiten Schritt die Ursachen Daher werden zentrale Fragen der Studie exemplarisch der mangelhaften Nachhaltigkeit in der Praxis der anhand einer genaueren Untersuchung der Ursachen Hochwasservorsorge bzw. Hochwasserschadensbesei- und Auswirkungen des August-Hochwassers 2002 tigung näher untersucht. Dazu werden die einschlägi- dargestellt. Dies führt in regionaler Hinsicht zu ei- gen rechtlichen Vorgaben/Möglichkeiten (EU-Recht, ner Schwerpunktsetzung im Raum der Elbe. Da hier Bundesrecht, Landesrecht), die einschlägigen Finan- wiederum der Freistaat Sachsen sowohl vom August- zierungsmöglichkeiten (Fonds, etc.) und die jeweiligen Hochwasser 2002 mit Abstand am schwersten betroffen Vergaberichtlinien sowie die Hochwasserschutzstrategi- war, als auch in der Folgezeit deutlich die umfassends- en einzelner Bundesländer einer Überprüfung unterzo- ten Aktivitäten ergriffen hat, erfolgt hier eine weitere gen. Anschließend werden noch weitere Ursachen, die Schwerpunktsetzung der Untersuchung. Einfluss auf die Praxis der Hochwasservorsorge / den

WWF Deutschland 7 2. Nachhaltiger Hochwasserschutz als öffentliche Aufgabe 2.1 Hochwasserschäden und ihre Das Augusthochwasser 2002 führte in den betroffenen Ursachen Bundesländern zu Schäden an Infrastrukturanlagen, Unternehmen sowie Wohngebäuden und Hausrat, die Die Schäden durch Hochwasser in den vergangenen auf insgesamt über 11 Mrd. € geschätzt wurden. Im 10-15 Jahren zeigen, wie notwendig ein vorbeugender August 2005 gab es wieder mehrere Millionen Euro und nachhaltiger Hochwasserschutz ist. Die bisherigen (ca. 178 Mio €) Schäden im Süden Deutschlands durch Erfahrungen machen deutlich, wo die Möglichkeiten, Hochwasser1. Betroffen waren die Einzugsgebiete der aber auch wo die Grenzen des technischen Hochwas- Flüsse Isar, Lech, Iller und Inn. 1999 gab es im Süden serschutzes liegen, der schwerpunktmäßig auf Maßnah- Bayerns ein großes Hochwasser mit Schäden von rund men wie Deiche und Hochwasserschutzmauern setzt. 345 Mio €; 1997 im Einzugsgebiet der Oder mit Schä- den von 3 bis 4 Mrd. €. Mehrere Milliarden Euro Schä- Hochwasser ist ein natürliches Ereignis im jahreszeitli- den gab es durch die Hochwasserereignisse an Rhein, chen Abflussrhythmus der Flüsse. Die Entstehung hängt Mosel, Saar und Maas in den Jahren 1993 und 1995. von der Stärke des Niederschlags, den Eigenschaf- ten des Einzugsgebietes und den Besonderheiten des Will man Schäden von Hochwasser mindern, muss man Flusses ab. Der Mensch nimmt mit der Gestaltung der vor allem bei der Siedlungsentwicklung ansetzen. So Landschaft und der Flüsse selbst Einfluss auf die Ent- dürfen in Überschwemmungsgebieten (die ausgewiesen stehung und den Verlauf von Hochwasserereignissen. und gesetzlich geschützt werden müssen) grundsätzlich keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden. Ausnah-  Hochwasser und ihre Folgen lassen sich be- men dürfen nur unter engen Voraussetzungen zulässig einflussen, indem die Ursachen der Hochwas- sein. Zweites wichtiges Element der Schadensvorsorge serentstehung angegangen werden, die Hoch- ist neben der Flächenvorsorge die Bauvorsorge. Hierun- wasserwellen gedämpft und insgesamt das ter sind alle Maßnahmen zu verstehen, die die Bebau- Schadenspotential durch eine zurückhaltende ung besser an die Hochwassergefahr anpassen. Bereits Nutzung der Flächen an Flüssen gering gehal- einfache Vorkehrungen wie das Hochlagern wertvoller ten und reduziert wird. Gegenstände tragen zu einer Verringerung der Hoch- wasserschäden bei.

a) Anhäufung von Werten in Hochwassergebieten Durch eine konsequente Reduzierung des Scha- (Schadenspotential) denspotentials in Überflutungsräumen könnte das Die Natur kennt grundsätzlich keine Hochwasserschä- Gefährdungspotential von Hochwasserereignissen den. Boden, Flora und Fauna passen sich den natürli- verringert werden. Das bedeutet: chen Gegebenheiten an und leben mit Hochwasserer- - zunächst kein weiterer Ausbau von Siedlungen, eignissen bzw. sind in ihrem Bestand sogar von ihnen Industriegebieten und sonstigen Bauwerken in abhängig (Stichwort Auwälder). Probleme entstehen Überflutungsräumen (Flächenvorsorge) und erst dann, wenn der Mensch in den Flussräumen künst- - (wo dies möglich erscheint) auch in letzter Kon- liche Werte schafft. Im verhältnismäßig dicht besiedel- sequenz deren Rückbau. ten Deutschland wurden und werden Werte in Gebieten - Anpassung vorhandener Bebauung und Nutzung angehäuft (Schadenspotential), die ehemals den Flüssen an die Hochwassergefahr (Bauvorsorge). als Überschwemmungsflächen zur Verfügung standen. Trifft ein Hochwasser auf diese Siedlungen, Industrie- gebiete und sonstigen Bauwerke, so kann es sehr hohe Schäden verursachen. Dies hat die Hochwasserkatastro- phe vom August 2002 erneut unter Beweis gestellt.

1 Umweltbundesamt (Hg.), Was Sie über vorsorgenden Hochwasserschutz wissen sollten (2006), S. 18.

8 WWF Deutschland Hochwasserereignis August 2002 - Überschwemmte Flächen in Sachsen2 Hauptflussein- Überschwemmte Betroffene Nutzungsarten (ha) zugsgebiet Fläche (ha) Siedlung / Verkehr Ackerland Grünland Wald Sonstiges Weiße Elster 803 136 296 273 98 0 Vereinigte Mulde 10.993 1.013 6.643 2.403 923 11 Zwickauer Mulde 2.674 1.153 772 275 474 0 Freiberger Mulde 4.736 1.360 1.712 685 979 0 Elbe 19.551 4.431 11.404 2.710 1.007 0 Schwarze Elster 1.225 118 826 192 89 0 Gesamt 39.982 8.211 21.653 6.538 3.570 11 Anteil 20,5 % 54,2 % 16,4 % 8,9 % < 0,1 % b) Abschneiden der Auen und Altarme durch der früher 6.172 km² großen Überschwemmungsfläche Eindeichungen und andere Flussbaumaßnahmen ist heute lediglich noch ein Gebiet von 838 km² übrig „Weil der Fluss um so schneller wird und den Damm geblieben. Folgen dieser Entwicklung sind der Verlust und den Grund um so mehr zernagt und zerstört, je ge- von 2,4 Mrd. m³ Retentionsvolumen an der Mittleren rader er ist, deshalb ist es nötig, solche Flüsse entwe- Elbe bei einem 100-jährlichen Hochwasser, die Be- der stark zu verbreitern oder sie durch viele Windungen schleunigung der Hochwasserwellen und die Erhöhung zu schicken oder sie in viele Zweige zu teilen.“ der Hochwasserscheitel, die im Raum Wittenberg etwa (Leonardo da Vinci, Maler und Ingenieur, 1452-1519) 10 cm und im Raum Wittenberge ca. 50 cm betragen. Das wiederum löste umfangreiche Maßnahmen zur Mit dem Abschneiden der Auen und Altarme durch weiteren Verstärkung und Erhöhung der Deiche aus. Eindeichungen und andere Flussbaumaßnahmen stehen Hinzu kommt, dass durch vielfältige Maßnahmen den Flüssen heute nicht mehr die gleichen Gebiete zur auf der Fläche des Einzugsgebietes das Abfließen des Ausdehnung bei Hochwasser zur Verfügung wie früher, Niederschlagswassers und der Abfluss im Gewässer sind also natürliche Überschwemmungsgebiete wegge- erhöht und beschleunigt worden ist. Gleichzeitig führte fallen. Die Flussläufe selbst sind durch Begradigungen die Verkürzung der Lauflänge der Elbe um insgesamt und Abschneiden von Nebenarmen verkürzt worden. 75 km (einschließlich der Tschechischen Republik) Die Fließgeschwindigkeit hat dadurch zugenommen. durch Abtrennen von Flussbögen (Durchstich von Der Abfluss vieler Zuflüsse konzentriert sich schneller Mäandern) zu einer höheren Fließgeschwindigkeit in einem Flussbett. Dadurch haben sich die Laufzeiten der Hochwasserwelle. Verknüpft mit dem Rückgang der Hochwasserwellen reduziert. Die Hochwasserwel- der Überschwemmungsfläche auf nur noch 14 % des len sind heutzutage erheblich steiler, und es fließt in ursprünglichen Bestandes und dem geringeren Wasser- kürzerer Zeit mehr Wasser ab. Da in Deutschland nicht rückhalt in der Aue ist auch ein Verlust der typischen nur große Flüsse, sondern auch Nebenflüsse und kleine- Auenvegetation. re Fließgewässer im Einzugsgebiet ausgebaut wurden, Hauptflüsse und ihre Nebenflüsse wurden in der Ver- kann es zusätzlich zu ungünstigen Überlagerungen der gangenheit begradigt und eingedeicht. Heute steht Hochwasserwelle im Hauptfluss mit den Hochwasser- nur noch ein geringer Bruchteil der ursprünglichen wellen aus den Nebenflüssen kommen. Überschwemmungsfläche zur Verfügung. Im Laufe der vergangenen Jahrhunderte wurde etwa die  Daher muss - wo immer dies möglich ist - den Elbe auf deutschem Gebiet mit Ausnahme der Hoch- Flüssen Raum und Überschwemmungsfläche uferabschnitte und großer Teile der Oberen Elbe fast zurückgegeben werden. durchgehend eingedeicht und vielfach begradigt3. Von

2 Entwurf der Sächsischen Staatsregierung für das Opera- 3 Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe. Hg. v. d. Internationa- tionelle Programm, d.h. die Mittelfestsetzung des EFRE- len Kommission zum Schutz der Elbe. Magdeburg 2003, Pkt. Fonds für die Förderperiode 2007 bis 2013 (Fassung vom 2.5. - Umweltbundesamt (Hg.), Was Sie über vorsorgenden 20.10.2006), Rn. 280. Hochwasserschutz wissen sollten (2006), S. 14. WWF Deutschland 9 c) Flächennutzung und Retentionsvermögen des die Verschlämmungsanfälligkeit des Bodens vermindert Bodens und Wasser kann über diese Makroporen schnell in Böden sind je nach ihrer Nutzung in sehr unterschied- tiefere Bodenbereiche abgeleitet werden. Auf forstwirt- lichem Maße in der Lage, Wasser, insbesondere auch schaftlich genutzten Flächen ist die Dichte des Waldes Regenwasser aufzunehmen (Retentionsvermögen). Die für den Wasserrückhalt in diesem Gebiet ausschlag- intensive Landnutzung in Deutschland hat dabei zu ei- gebend. Auch spielt die Tiefe der Wurzeln eine Rolle. ner insgesamt stark reduzierten Retentionsfähigkeit der Gewachsener Boden mit tiefwurzelnden Pflanzen saugt Böden in der Fläche geführt. Beispielsweise erfolgte zunächst wie ein Schwamm das Wasser auf, bevor er eine gezielte Entwässerung der Böden etwa durch Drai- es langsam wieder abgibt, so dass auch bei Extremnie- nagen; der Einsatz schwerer Landmaschinen verdichtet derschlägen der Oberflächenabfluss deutlich vermindert den Boden, stört die Bodenstruktur nachhaltig und oder sogar vollständig verhindert wird. macht sie dadurch weniger wasseraufnahmefähig und weniger wasserdurchlässig. Aufforstungen und Waldumbau sowie die Umwandlung von Ackerflächen in Gründland bergen damit ein erheb- Auch der Bewuchs ist für den Wasserrückhalt auf liches Potential für mehr Wasserrückhalt in der Fläche. land- und forstwirtschaftlichen Flächen von Bedeu- Daneben kann das Retentionsvermögen der Böden aber tung. Eine ganzjährige Bodenbedeckung - etwa durch auch durch alternative Ackerbauformen erhöht werden. Dauergrünland - reduziert den Abfluss an der Bodeno- berfläche. Der Anbau von Zwischenfrüchten oder die Schon bei einer geringfügigen flächigen Erhöhung der Verwendung von Mulchen (Pflanzenresten, die auf dem Wasserversickerung kann dies erhebliche Auswirkun- Boden belassen werden), wirken in dieselbe Richtung. gen auf die abfließende Wassermenge haben. Dazu wird Im Gegensatz zur konventionellen, wendenden Boden- im Beispiel von einem mittleren Flusseinzugsgebiet bearbeitung steht die konservierende, nichtwendende mit einer Größe von 200 km² und einem Ackerflächen- Bodenbearbeitung4, mit der ebenfalls die Wasserinfilt- an-teil von 50 % (= 10.000 ha) ausgegangen. Wird die ration erheblich verbessert werden kann. Ursache dafür Versickerung bei einem starken Niederschlagsereignis ist die Änderung wichtiger Bodenparameter. So wird auf der gesamten Ackerfläche im Durchschnitt nur

Abflussbildung in Abhängigkeit der Landnutzung und der Stärke des Niederschlags5 Landnutzung Abfluss in Liter pro m² bei unterschiedlichen Niederschlagsmengen, bei: Niederschlag: 20 l/m² Niederschlag: 60 l/m² Niederschlag: 110 l/m² Wald (dicht) 0 10 33 Dauerwiese 0 11 36 Wald (mittel) 0 15 37 Wald (stark aufgelockert) 2 18 43 Wald (normal) 3 20 49 Wald -Terrassen 3 20 49 Getreide, Futterpflanzen 4 27 60 Weide (karg) 6 30 66 Hackfrüchte, Wein 7 30 68 Ödland 8 40 78 Undurchlässige Flächen 20 60 100

4 W. Schmidt, Vorbeugender Hochwasserschutz und Land- 5 Umweltbundesamt (Hg.), Was Sie über vorsorgenden Hoch- wirtschaft, In: W. Köck (Hg.), Rechtliche Aspekte des vor wasserschutz wissen sollten (2006), S. 9. beugenden Hochwasserschutzes. Baden-Baden 2005, S. 211-218.

10 WWF Deutschland um 10 mm erhöht, so ergibt dies eine Minderung des Zum Erhalt des Retentionsvermögens des Bodens Oberflächenabflusses von 1.000.000 m³, also etwa dem muss 6 Volumen eines mittelgroßen Wasserrückhaltebeckens . - die fortschreitende Neuversiegelung gestoppt oder zumindest eingedämmt; Das Retentionsvermögen des Bodens muss bundes- - bestehende Versiegelung, wo immer dies mög- weit und gerade in Hochwasserentstehungs- und lich ist, beseitigt bzw. minimiert werden. Überflutungsgebieten deutlich erhöht werden durch: - konsequente Neuaufforstungen, - Waldumbau sowie 2.2 Technischer Hochwasserschutz - Ausweitung landwirtschaftlicher Gründlandbe- wirtschaftung und Technischer Hochwasserschutz bedeutet Schutz durch - nichtwendender Bodenbearbeitung. Deiche und Dämme, Hochwasserschutzmauern, steu- erbare Polder, künstliche Regenrückhaltebecken und Talsperren. Doch trotz vielfältigster technischer Mög- d) Bodenversiegelung - Verlust von lichkeiten kann es keinen absoluten Hochwasserschutz Versickerungsfläche für Regenwasser geben. Jeder Damm und jeder Deich schützt nur bis Das schnelle Abfließen des Regenwassers über versie- zu einem bestimmten Wasserstand, oft auch nur über gelte Flächen und durch die Kanalisation in Städten eine bestimmten Dauer des Hochwassers. Auch kann spielt eine wichtige Rolle bei der Hochwasserentste- die technische Schutzeinrichtung versagen. Außerdem hung (besonders in kleinen Einzugsgebieten). Diese wiegen besonders Deichbauten regelmäßig die Anlieger Wirkung lässt sich reduzieren, indem man die versie- in einer scheinbaren Sicherheit und befördern damit, gelten Flächen verringert und den Wasserrückhalt in dass immer mehr Werte (Schadenspotential) hinter Siedlungsgebieten verbessert. dem Deich angehäuft werden, die dann etwa bei einem Deichbruch Schaden erleiden. 2004 wurden in Deutschland fast 13 % der Bodenflä- che für Siedlungs- und Verkehrszwecke genutzt. In den Ergebnis der bisherigen, auf einen möglichst raschen letzten vier Jahren nahm das Wachstum von Siedlungs- Wasserabfluss in engen Profilen ausgerichteten Hoch- und Verkehrsflächen täglich eine Fläche von 115 Hektar wasserschutzstrategie war, dass die Hochwasserwellen neu in Anspruch. Das entspricht in etwa einer Fläche künstlich aufgesteilt wurden und eine Problemverlage- von ca. 160 Fußballfeldern. Etwa die Hälfte davon ist rung von Oberliegern auf Unterlieger stattfand. Wenn versiegelt7. sich Flussanlieger selber schützen, indem sie den Deich erhöhen und die Ausuferung verhindern, sind Im Freistaat Sachsen verschwinden täglich 8 Hektar die negativen Auswirkungen flussabwärts zu verzeich- Boden, das sind etwa 15 Fußballfelder, durch Versie- nen. Die kürzere Fließstrecke und die verminderten gelung8. Von 2000 bis 2005 wurden in Sachsen für natürlichen Überschwemmungsflächen führen zu einer 15 Mio € 96 km Feldwege asphaltiert. Seit 1994 Vergrößerung und Beschleunigung der ablaufenden wurden fast 42 Hektar Fläche versiegelt9. Dagegen Hochwasserwelle. Für flussabwärts gelegene Ge- wurden durch Nutzungsaufgabe nur 3 Hektar entsie- meinden (Unterlieger) steigt damit die Gefahr einer gelt. Von dem in der nationalen Nachhaltigkeitsstrate- Überflutung und so ergibt sich nun wiederum hier die gie der Bundesregierung 2002 formulierten Ziel, den verstärkte Notwendigkeit zur Errichtung technischer Zuwachs auf 30 Hektar pro Tag bis 2020 zu senken, Schutzbauwerke. Deichneubauten und insbesondere ist Deutschland weit entfernt. Deicherhöhungen verlagern daher tendenziell beste- hende Probleme nur nach unten bzw. schaffen neue Probleme, die vorher nicht vorhanden waren. Grund- 6 W. Schmidt, Vorbeugender Hochwasserschutz und Land- wirtschaft, In: W. Köck (Hg.), Rechtliche Aspekte des vorbeu- sätzlich sind sie deshalb keine Lösung des Problems, genden Hochwasserschutzes. Baden-Baden 2005, S. 215. sondern dessen Bestandteil. - Eine aktuelle Untersuchung der Bergakademie Freiberg und des Internationalen Hochschulzentrums Zittau kommt zu dem Ergebnis, dass plötzlichem Hochwasser in kleinen Flüssen durch verbesserte Landnutzung im Umland bis zu einem Vier- tel der Wassermasse entzogen werden kann (vgl. Sächsische 8 Pressemitteilung des Sächs. Staatsministerium f. Umwelt Zeitung vom 01.03.07 „Wurzeln halten Wasser auf“). u. Landwirtschaft vom 30.12.2002 „Flächen von Asphalt und Beton befreien“. 7 Umweltbundesamt (Hg.), Was Sie über vorsorgenden Hochwasserschutz wissen sollten (2006), S. 11. 9 Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll 4/49, S. 3918.

WWF Deutschland 11 Überdies erfordern wassertechnischen Anlagen einen  Technischer Hochwasserschutz ist daher hohen Errichtungs- und Unterhaltungsaufwand für vielerorts wegen nicht mehr rückgängig zu die öffentliche Hand (den Steuerzahler) und binden machender menschlicher Nutzung der natürli- wertvolle Arbeitskraft (zu bezahlendes Personal) in chen Überflutungsräume weiterhin notwendig. der öffentlichen Verwaltung (Ministerien, Regierungs- Grundsätzlich (insbesondere bezogen auf den präsidien, Landratsämter, Gemeinden, Fachämter, Deichbau) stellt er aber keine Lösung der Pro- Planungsbüros, etc.). Dazu kommt der Aufwand einer bleme dar, sondern verlagert diese regelmäßig umfangreichen Rechtssetzung und deren Überwachung bzw. erschafft sogar neue. (Gesetze, Verordnungen, Satzungen und technische Normen). 2.3 Die Schäden durch das In den „Leitsätzen für einen zukunftsweisenden inte- Augusthochwasser 2002 grierten Hochwasserschutz10“ des Freistaates Sachsen heißt es daher u.a.: 2.3.1 Schadensbilanz Augusthochwasser 2002 11 „(Schutzanlagen unterhalten) Bei der Forderung nach insgesamt dem Bau neuer Hochwasserschutzanlagen darf der Die Flut an Elbe, Donau sowie an deren Zu- und Aufwand nicht unterschätzt werden, der die bereits Nebenflüssen im Sommer 2002 hat Menschenleben vorhandenen Schutzanlagen von Deichen, Mauern, gefordert und materielle Schäden in Milliardenhö- Rückhaltebecken und Talsperren in sicherem Zustand he hinterlassen. An Elbe und Mulde waren 370.000 zu erhalten. Allein der Bedarf für die Grundinstandset- Menschen direkt betroffen. Es mussten über 100.000 zung der Rheindeiche in Deutschland ist auf über eine Menschen evakuiert werden. Zu den am stärksten Milliarde DM veranschlagt geschädigten Regionen zählten Sachsen und Sachsen- (Grenzen erkennen) Technischer Hochwasserschutz Anhalt. Die Schäden betrafen Infrastrukturanlagen, gibt aber keine absolute Sicherheitsgarantie. Es bleibt Unternehmen sowie Wohngebäude und Hausrat. In die Hochwassergefahr jenseits des Bemessungshoch- Sachsen waren rund 12.000 Unternehmen betroffen wassers. Die Auseinandersetzung mit diesem Restrisiko in Sachsen-Anhalt wurden bis Ende 2002 für knapp bleibt in der Verantwortung des Nutzers am Gewässer.“ 1.600 Unternehmen Anträge gestellt, mithin rund 3 % des damals gesamten Unternehmensbestandes in den Die Grenzen des technischen Hochwasserschut- östlichen Bundesländern. Nach Stand September 2003 zes, insbesondere des Deichbaus liegen damit auf betrugen die materiellen Schäden in den betroffenen der Hand: Bundesländern insgesamt über 11 Mrd. €, wovon etwa - Hohe Deiche bewahren möglicherweise vor die Hälfte öffentliches Eigentum betraf. Die Schäden an Überschwemmung am jeweiligen Standort, öffentlichen Infrastruktureinrichtungen betrugen etwa beschleunigen aber zugleich talwärts strömende 3,5 Mrd. €. Die zur unmittelbaren Schadensbeseitigung Wassermassen (Probleme werden auf Unterlieger aus öffentlichen Quellen bereitgestellten Mittel belie- verlagert bzw. dort neu geschaffen). fen sich auf ca. 7,8 Mrd. €, die überwiegend nach dem - Neue oder ertüchtigte Deiche können der späte- „Flutopferhilfegesetz“, mithin über Steuern finanziert ren Anlage oder Erweiterung von Retentionsflä- wurden. chen im Wege stehen. - Überdies verursacht der technische Hochwasser- schutz hohe Kosten (Errichtung und Unterhal- tung) und - nicht zuletzt werden dabei Werte in Überflu- tungsräumen geschaffen, die wiederum selbst ein 11 BT Drucksache 15/164, Hochwasserschutz - Erfahrungen Schadenspotential bilden. und Konsequenzen aus der Flutkatastrophe im Sommer 2002. Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Homburger - Zudem wiegen sie die Anlieger in einer schein- und weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP. - BT baren Sicherheit und befördern damit, dass noch Drucksache 15/274, Hochwasserschutz - Erfahrungen und mehr Werte (Schadenspotential) hinter dem Konsequenzen aus der Flutkatastrophe im Sommer 2002. Deich geschaffen werden. Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Homburger und weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Antwort der Bundesregierung. - Umweltbundesamt (Hg.), Was Sie über 10 Instrumente und Handlungsempfehlungen für einen vorsorgenden Hochwasserschutz wissen sollten (2006), S. zukunftsweisenden Hochwasserschutz. Hg. v. Sächsischen 18-20. - Jahresbericht 2002-2003 der EU-Kommission zum Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft 2004. Solidaritätsfonds vom 26.5.2004, S. 9.

12 WWF Deutschland 2.3.2 Schadensbilanz Augusthochwasser 2002 - Staatliche Liegenschaften 11,4 % für Sachsen12 - Sonstiges 10,2 % Sachsen war das mit Abstand am schwersten betroffene - Ausstattung von Hochschulen / Forschungseinrich- Bundesland. Von den ermittelten Schäden betrafen den tungen 2,6 % Freistaat 78,85 %13. Die unmittelbaren Schäden des Augusthochwassers 2002 beliefen sich in Sachsen auf Gewässer- und Hochwasserschutz insgesamt (kommu- 14 knapp 6,2 Mrd. €, davon entfielen auf: nale u. staatliche Trägerschaft) : - Infrastruktur insgesamt 37,6 % davon: Die Gesamtanzahl der Schäden betrug an den Ge- - kommunale Infrastruktur 20,8 %, wässern I. Ordnung (staatlich) auf 630 km 9.395 - staatliche Infrastruktur 15 % Einzelschäden und an den Gewässern II. Ordnung - Infrastruktur sonstiger Träger (davon 73 % (kommunal) auf 6.000 km 8.911 Einzelschäden. Der Deutsche Bahn) 1,8 %, Gesamtschaden wird auf 653 Mio € geschätzt, davon - Wohngebäude 27,5 % 429 Mio € bei Gewässern I. Ordnung und Deichen und - gewerbliche Unternehmen 22,9 %, 224 Mio € bei Gewässern II. Ordnung. - Hausrat 8,5 %, - Katastrophenschutz 2,2 % Angesichts dieser Zahlen bestätigt sich deutlich die - Land- und Forstwirtschaft 1,3 %. oben getroffene Feststellung, wie Gewässerausbau und insbesondere technischer Hochwasserschutz nicht Die Anzahl geschädigter Gebäude betrug ca. 26.000. zuletzt selbst das Schadenspotential schaffen, welches Notwendigkeiten schafft, es mit hohem Einsatz öffent- Die Infrastrukturschäden in den Kommunen setzen sich licher Mittel zu erhalten und zu schützen. Grundsätz- wie folgt zusammen: lich kann an Gewässern (im natürlichen Zustand) kein - Straßen und Brücken 36,1 % Schaden entstehen. Jeder der hier erfassten Schäden - Gewässer- und Hochwasserschutz 11,4 % ist damit zumindest ein Indiz für eine nichtnachhaltige - Soziale Einrichtungen 10,9 % Investition. - Wasser- und Abfallwirtschaft 9,6 % - Sport und Freizeit 8,0 % 2.3.3 Eisenbahninfrastrukturunternehmen des - Städtebauliche und dörfliche Infrastruktur 5,7 % Bundes - ÖPNV 5,4 % Das Hochwasser im August 2002 hat an den Schie- - Schulhausbau 5,0 % nenwegen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des - Wirtschaftsnahe Infrastruktur 4,7 % Bundes Schäden in Höhe von etwa 850 Mio € verur- - Kommunale Liegenschaften 2,9 % sacht15. Die am schwersten betroffenen Streckenab- - Kultureinrichtungen 0,3 % schnitte waren: - Dresden-Klingenberg-Colmnitz, Die Schäden an staatlicher Infrastruktur setzen sich wie - Großbothen-Döbeln-Nossen, folgt zusammen: - Heidenau-Altenberg (Müglitztalbahn), - Gewässer- und Hochwasserschutz 63,6 % davon: - Freital-Hainsberg-Kurort Kipsdorf (Weißeritztal- - 630 km geschädigte Fließgewässer bei Gewäs- bahn), sern I. Ordnung - Glauchau-Großbothen. - 188 km geschädigte Deiche - 35 Schäden an Stauanlagen (Talsperren) - Straßen- und Brücken 12,2 % davon: - 170 km Staatsstraßen - 466 Brücken 14 http://www.smul.sachsen.de/de/wu/umwelt/wasser/index_ 854.html. - SMUL, W.-D. Dallhammer, Aktueller Diskussions- stand zum Hochwasserschutzrecht in Bund und Ländern. In: W. Köck (Hg.), Rechtliche Aspekte des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Baden-Baden 2005, S. 21. 12 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und 15 Wiederaufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische BT Drucksache 15/274, Hochwasserschutz - Erfahrungen Staatskanzlei (2003). und Konsequenzen aus der Flutkatastrophe im Sommer 13 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und 2002. Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Homburger und Wiederaufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Antwort der Staatskanzlei (2003), Pkt. 2.1.2. Bundesregierung, S. 3.

WWF Deutschland 13 2.4 5-Punkte-Programm der Bundesregierung: - Verbesserung der Versickerungsfähigkeit des Bodens Arbeitsschritte zur Verbesserung des durch deutliche Reduzierung der Flächeninan- vorbeugenden Hochwasserschutzes spruchnahme und der Versiegelung In Reaktion auf die Flutkatastrophe von August 2002 Siedlungsentwicklung steuern - Schadenspotentiale fand am 15. September 2002 eine von der Bundesre- mindern gierung ausgerichtete Flusskonferenz statt. Die betei- - Den Flüssen mehr Raum geben heißt auch, dass ligten Bundesressorts einigten sich dabei auf konkrete eine Überprüfung der Entwicklungsbereiche für Arbeitsschritte im Rahmen eines 5-Punkte-Programms, Siedlungszwecke und gewerbliche Nutzung auf welches anschließend in Zusammenarbeit mit den ihre Hochwasserkompatibilität stattfinden muss. In Ländern (die die primäre Verantwortung für die Hoch- Überschwemmungsgebieten dürfen in Zukunft keine wasservorsorge und den Hochwasserschutz tragen), neuen Wohn- und Gewerbegebiete mehr ausgewie- den Kommunen sowie den Nachbarstaaten umgesetzt sen werden.“ werden sollte. Inhaltlich basiert das Programm auf den Beschlüssen der Umweltministerkonferenz und der Agrarministerkonferenz zur Verbesserung der Hoch- 2.5 Empfehlungen der Länderarbeitsge- 16 wasservorsorge und des Hochwasserschutzes sowie den meinschaft Wasser (LAWA) Handlungsempfehlungen zum vorbeugenden Hochwas- Zur Umsetzung des 5-Punkte-Programms beschloß die serschutz der Ministerkonferenz für Raumordnung vom Umweltministerkonferenz auf ihrer Sitzung am 7. u. Juni 2000. Das Programm wurde zur Grundlage und 8. November 2002, bei der Länderarbeitsgemeinschaft Messlatte der seither auf Bundesebene, aber weitge- Wasser (LAWA) unter Beteiligung des Bundesminis- hend auch auf Landesebene erfolgten Neuausrichtun- teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- gen im Hochwasserschutz (Strategien, Rechtssetzung). heit (BMU) eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich mit den Hochwasseraktionsplänen der Bundesländern Im Programm heißt es: befassen und Vorschläge für eine flussgebietsbezogene „Den Flüssen mehr Raum geben Verbesserung des Hochwasserschutzes und der Scha- - Daher muss eine länderübergreifende Anstrengung denspotentialminderung vorlegen sollte. Sie sollten unternommen werden, im unbesiedelten Bereich verbindliche Maßnahmen für Hochwasservorsorge und den Flüssen ihre natürlichen Überschwemmungsflä- Hochwasserschutz enthalten und mit den jeweiligen chen auch durch die Zurückverlegung von Deichen Nachbarstaaten abgestimmt werden. zurückzugeben. Die landwirtschaftliche Nutzung ist anzupassen. In Weiterentwicklung des 5-Punkte-Programms legte - Die Funktion der Auen als natürliche Überschwem- die LAWA im Nov. 2003 eine umfassende und de- mungsgebiete ist zu erhalten und überall dort, wo taillierte Hochwasserstrategie vor (Instrumente und es möglich ist, wiederherzustellen. (…) das Wasser- Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Leitlinien haushaltgesetz enthält bereits seit langem zentrale für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz). Darin Vorgaben zum vorbeugenden Hochwasserschutz. heißt es (auszugsweise): Seit 1996 ist der Grundsatz, natürliche Gewässer und Rückhalteflächen zu erhalten oder rückzugewin- „Hochwasser-Flächenmanagement nen, im Gesetz ausdrücklich verankert. Flächenvorsorge für Hochwasser gefährdete Gebiete: - wasserrechtliche Festsetzung von Überschwem- Hochwasser dezentral zurückhalten mungsgebieten - Im Einzugsgebiet der Quell- und Nebenflüsse müs- - Berücksichtigung des Hochwasserschutzes in sen alle Möglichkeiten zur Hochwasserrückhal- Landes-, Regional- und Bauleitplanung, einschließ- tung genutzt werden. Dazu gehören lich rechtlicher Festlegungen und Benennung der - wirksamer Schutz der bestehenden Auwälder und zuständigen Akteure soweit möglich Wiederherstellung - angepasste Nutzung - Renaturierung von Gewässern, bei der Gewässer- begradigungen und Uferbefestigungen rückgängig gemacht werden sollen - Wasserrückhaltung in Siedlungsgebieten soll erhöht 16 Länderarbeitsgemeinschaft Wasser, Instrumente und Hand- werden, z. B. durch gesteigerte Möglichkeit der lungsempfehlungen zur Umsetzung der Leitlinien für einen Versickerung am Ort des Niederschlags zukunftsweisenden Hochwasserschutz. Broschüre 2004. 14 WWF Deutschland Natürliche Wasserrückhaltung: -entwicklung (Gewässerentwicklungspläne) - Erhalt und Wiederherstellung von Retentionsräumen basieren.“ in den Gewässerauen - Wiedergewinnung von Überschwemmungs- - Gewässerrenaturierung, naturnahe Gewässerunter- gebieten: Retentionsräume, Wasserrückhal- haltung teräume oder Überflutungsgebiete sind die - Berücksichtigung des Aspekts der Wasserrückhal- an den Flüssen und Bächen seitlich gele- tung bei der Flächennutzung, insbesondere Erhalt genen Flächen, auf denen sich das Hoch- und Wiederherstellung von versickerungsfähigen wasser ausbreiten und ansammeln kann. Böden Es fließt dort nur sehr langsam oder steht. - Niederschlagsversickerung in Siedlungsgebieten Durch die Speicherung in diesen Räumen werden für die Unterlieger der Hochwas- Technischer Hochwasserschutz serabfluss verzögert und die Wasserstände - Deiche und Dämme verringert. Neben dieser positiven Wirkung - Stauanlagen mit Hochwasserrückhalteraum auf die Hochwasserabläufe sind Retenti- - Freihaltung der Hochwasserabflussquerschnitte onsräume Grundlage für den Erhalt und die - Gewässerausbau im Siedlungsraum Verbesserung der ökologischen Vielfalt in - Hochwasserschutzmauern und an dem Gewässer und seinen Auen. Sie - Objektschutz tragen zum Bodenschutz und zur Grund- wasseranreicherung bei. (…)“ Hochwasservorsorge - Bauvorsorge durch angepasste Bauweise und auf - Technischer Hochwasserschutz Hochwasser ausgerichtete Anlagenausrüstung, - Technische Hochwasserschutzanlagen einschließlich entsprechender Nutzung gefährdeter beeinflussen Höhe und Dauer von Hoch- Keller- und Wohnräume wasserwellen und verhindern bis zu dem festgelegten Bemessungshochwasser die - Verhaltensvorsorge durch rechtzeitige Hochwasser- unkontrollierte Überschwemmung von ge- warnung und planvolles Handeln vor und während nutzten Flächen. Doch ein Restrisiko bleibt des Hochwassers, Alarm- und Einsatzplanung, immer bestehen. Um die Funktionssicher- Gründung von Hochwasserpartnerschaften heit der Anlagen zu garantieren sind eine ständige und aufwendige Unterhaltung und - Risikovorsorge in Form von Versicherungen und Pflege erforderlich. Schon deshalb müssen eigenen Rücklagen technische Lösungen stets unter den Aspek- - Wasserrückhalt in Gewässer und Aue ten von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit - Gewässerrenaturierung: Bei natürlichen aber auch bezüglich ihrer Einbindung in die Fließgewässern und ihren Auen ist die Infrastruktur und ihres Einflusses auf Na- Speicherfähigkeit des Gewässernetzes turhaushalt und Landschaftsbild bewertet gegenüber ausgebauten Gewässern wesent- werden. Der technische Hochwasserschutz lich ausgeprägter. Die Fließgeschwindigkeit muss umweltverträglich gestaltet sein. Die wird verlangsamt und damit der Hoch- einschlägigen Richtlinien und die EU- wasserscheitel meist gedämpft. Geeignete WRRL sind zu beachten. Gehölze an den Bächen haben darüber hinaus ökologische Vorteile. Die naturnahe Grundsätze zur Bemessung von Hochwasserschutzan- Gestaltung der Auwälder nützt nicht nur der lagen: Hochwasserrückhaltung, sondern sie er- Überschwemmungsgebiete sollen grundsätzlich von Be- möglicht auch die Entwicklung seltener und bauung freigehalten werden. Zum Schutz bestehender in anderen Bereichen gefährdeter Biotope Bebauung ist folgendes zu berücksichtigen: mit einem großen Artenreichtum. (…) - Neue Deiche, Hochwasserschutzmauern sowie Stau- Ziel muss es sein, die Gewässer in Verbin- anlagen für die Hochwasserrückhaltung dürfen nur dung mit Flächen, auf denen das Gewässer zum Schutz vorhandener Siedlungen und wichtiger ausufern kann, wieder naturnah zu entwi- Anlagen gebaut werden, soweit es im überwiegen- ckeln. Alle Maßnahmen sollen auf detail- den öffentlichen Interesse erforderlich ist. lierten Plänen zur Gewässerpflege und

WWF Deutschland 15 - Vor dem Bau von Hochwasserschutzanlagen ist zu Flächen - also genügend Raum - zur Verfügung steht. prüfen, ob das Hochwasserrisiko nicht durch eine hochwasserangepasste Gestaltung reduziert werden Hochwasser sind für Flüsse strukturbildende Ereignis- kann, so dass Hochwasserschutzanlagen nicht erfor- se. Nach einem Hochwasser finden Gewässerorganis- derlich werden. men deutlich vielfältigere ökologische Gegebenheiten - Verloren gehender natürlicher Retentionsraum ist vor. In der Regel sind Tiere und Pflanzen, die in und an grundsätzlich zeitgleich auszugleichen den Gewässern leben, an Überschwemmungen an- - Grundsätzlich muss vor der Sanierung von Deichen gepasst, so dass Hochwasser sie nicht negativ beein- und sonstigen Schutzanlagen geprüft werden, ob flussen, abgesehen von den menschlich verursachten - die Anlage nach heutigen Gesichtspunkten noch Schadstoffeinträgen. erforderlich ist, Grundsätzlich wirkt Renaturierung von Fließgewäs- - der Deich zurückverlegt werden kann, sern in Abhängigkeit der Größe des Fließgewässers - eine wirtschaftliche Sanierungsmethode existiert“ eher auf „häufige“ als auf „seltene“ Hochwasser18. Es entstehen Flächen für die Bildung ökologischer Struk- 2.6 EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) turen an Fließgewässern, sprich für die Ansiedlung von - Integration in Hochwasserschutz- Auen, die auch als natürliche Retentionsräume, in die planungen das Hochwasser auslaufen kann, funktionieren. Das dient der Hochwasservorsorge und verbessert zudem, Im Jahr 2000 ist die EG-Richtlinie 2000/60EG (Was- da ursprüngliche Lebensräume wieder entstehen, die serrahmenrichtlinie - WRRL) in Kraft getreten. In deut- ökologischen Funktionen der Gewässer. sches Recht umgesetzt wurde sie durch Integration in das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und die Landeswas- sergesetze. Die Richtlinie fordert den guten Zustand der  Es besteht daher die Möglichkeit, und sogar Oberflächengewässer in den Mitgliedsstaaten. Dieser das Gebot, die WRRL und den Hochwasser- gute Zustand soll möglichst bis zum Jahr 2015 erreicht schutz aufeinander abzustimmen. werden. Der Hochwasserschutz selbst ist in der WRRL nicht geregelt. Dennoch gibt es eine Reihe von Berüh- Zur ökologisch ausgerichteten Hochwasservorsorge rungspunkten der Bedeutung zukünftig. auch mit Blick enthält die WRRL unmittelbar nur wenige Aussagen/ auf die zu erwartende EG-Hochwasserschutzrichtlinie Forderungen. Die deutsche Gewässer- und Naturschutz- - zunehmen wird. gesetzgebung enthält im Hinblick auf einen naturnahen Hochwasserschutz deutlich klarere Aussagen19. Trotz- Die WRRL ist zu beachten bei: dem lassen sich einige konkrete Forderungen aus ihr - Maßnahmen, die die Ziele der WRRL aktiv beför- herauslesen. Zum einen setzt sie bei der Revitalisierung dern (Gewässerdurchgängigkeit und Hochwasser- von Flusslandschaften klare Zeitvorgaben, zum anderen rückhalt in der Fläche) beschränkt sich der Bewirtschaftungsansatz der Richt- - Maßnahmen, die den Zielen der WRRL nicht ent- linie nicht nur auf den eigentlichen „Flussschlauch“, gegenstehen dürfen (alle sonstigen rechtmäßigen sondern auf das gesamte Flusseinzugsgebiet. Maßnahmen). Artikel 1 WRRL benennt die Minderungen der Aus- Der gute ökologische Zustand entsprechend WRRL wirkungen von Überschwemmungen und Dürren beinhaltet die Strukturgüte von Flüssen und Seen. Der ausdrücklich als Ziel der WRRL. In Art. 1 (e) WRRL Begriff „Strukturgüte“ umfasst die Vielfältigkeit der heißt es, dass die Richtlinie einen „Beitrag zur Minde- Lebensräume, die sich unter naturnahen Bedingungen rung der Auswirkungen von Überschwemmungen und entwickeln. Dazu gehören bspw. flache und tiefe Be- Dürren“ leisten soll. Dabei geht es allerdings nicht um reiche, die unterschiedlich schnell durchströmt werden, eine ökologisch ausgerichtete Hochwasserretention, Uferabbrüche, die als Rückzugsräume für Fische und sondern nur darum, dass die Auswirkungen von Über- andere Arten dienen oder Auen, die periodisch über- schwemmungen reduziert werden sollen. Ansonsten flutet werden17. Die Voraussetzung für die Erreichung von Strukturgüte ist, dass den Gewässern ausreichend 18 Umweltbundesamt (Hg.), Was Sie über vorsorgenden Hochwasserschutz wissen sollten (2006), S. 32. 17 Informationen zur Strukturgüte von Gewässern finden sich 19 Vgl. dazu etwa Aufsatz von N. Geiler, AK Wasser im u.a. unter: http://www.umweltbundesamt.de/wasser/themen/ BBU, Die Hochwasservorsorge und die EG-Wasser- ow_s4_1.htm. Rahmenrichtlinie.

16 WWF Deutschland konzentriert sich die Richtlinie bei der Gewässernut- - Tiefen- und Breitenvariation, zung auf den langfristigen Ressourcenschutz und setzt - Struktur und Substrat des Flussbetts, den „guten Zustand“ als übergeordnetes Umweltziel - Struktur der Uferzone. für Oberflächengewässer und das Grundwasser. Sie stellt letztlich auch die Frage, ob bestimmte Nutzungs- Hinsichtlich dieser drei Komponenten hat ein mit einer beschränkungen der Flussauen kostengünstiger und Aue verflochtener Fluss sicherlich die höchste Wertig- praktikabler sind als technische Hochwasserschutzmaß- keit (vgl. auch die hydromorphologischen Qualitäts- nahmen und ob durch geringere Hochwasserschutzziele komponenten für die Einstufung in einen „sehr guten in bestimmten Bereichen (Landwirtschaft, Naturschutz- Zustand“ nach Anhang V, Zi. 1.2) gebiete) ein besserer Schutz besonders sensibler Berei- che (bspw. Innenstädte von Köln, Dresden, Wittenberge  In einer Gesamtschau auf die WRRL lässt sich etc.) erreicht werden kann. erkennen, dass der Schutz noch vorhandener Auen und die Wiederherstellung ehemals Eine an ökologischen Prämissen ausgerichtete Hoch- vorhandener Auen aus der Richtlinie indirekt wasservorsorge lässt sich aus der Richtlinie jedoch abgeleitet werden können. Damit lässt sich indirekt herauslesen. Dies vor allem aus dem Gedanken letztlich auch die Forderung nach einem natur- heraus, dass zu einem ökologisch ausgerichteten Hoch- nahen Hochwasserrückhalt in den Auen aus der wasserschutz der Hochwasserrückhalt in den Auen Richtlinie herauslesen. gehört. Indirekt ergibt sich dazu ein Gebot zur Re- konstruktion von ehemals vorhandenen Auen aus den  Auch wenn sich also ein „naturnaher Hoch- biologischen und hydromorphologischen Qualitätskom- wasserschutz“ mit Hilfe der Richtlinie nur ponenten, die in Anhang V unter Zi. 1.1.1. für Flüsse indirekt begründen lässt, gibt die Richtlinie aufgelistet sind. Unter den „Qualitätskomponenten für zumindest bei der anschließenden Umsetzung die Einstufung des ökologischen Zustands“ werden für des „naturnahen Hochwasserschutzes“ recht die Biologie folgende Qualitätsmerkmale aufgelistet: deutliche Vorgaben. - Zusammensetzung und Abundanz der Gewässer- flora, Vor allem jedoch enthält die Richtlinie - im Gegen- - Zusammensetzung und Abundanz der benthischen satz zur bundesrepublikanischen Gewässerschutzge- wirbellosen Fauna, setzgebung - klare Zeitvorgaben. Die Erreichung - Zusammensetzung, Abundanz und Altersstruktur der eines „guten Zustandes“ (und damit in optimisti- Fischfauna. scher Betrachtung auch die Revitalisierung von ganzen Flusslandschaften) muss bis 2015 erreicht Dabei gilt, dass diese Komponenten um so besser sein (Ausnahmen sind möglich). Bei dem üblichen entwickelt sind, je mehr der Fluss mit einer intakten Planungsvorlauf, besteht damit ein erheblicher Zeit- Auenlandschaft verflochten ist. druck für die Umsetzung der WRRL und damit für Als „hydromorphologische Komponenten in Unterstüt- die Verknüpfung mit den ebenfalls derzeit in Auf- zung der biologischen Komponenten“ listet Anhang V stellung befindlichen Hochwasserschutzkonzepten. für den „Wasserhaushalt“ folgende zwei Merkmale auf: - Abfluss und Abflussdynamik, Der Umfang der Aufgabe wird deutlich allein bei einem - Verbindung zu Grundwasserkörpern. Blick auf die Situation im Freistaat Sachsen. Formell Abfluss und Abflussdynamik sind in den (ehemals vor- wurde die WRRL hier mittlerweile im Sächsischen handenen) „Referenzgewässern“ wesentlich durch die Wassergesetz (SächsWG) umgesetzt bzw. im Wasser- Retention in den Auen gesteuert worden. Daraus ergibt haushaltgesetz des Bundes (WHG), sofern dieses direkt sich also ebenfalls ein Gebot, die Auen zu erhalten bzw. anzuwenden ist. Die sächsische Staatsregierung stellt „wiederherzustellen“. die Aufgabe selbst wie folgt dar20:

Neben der „Durchgängigkeit des Flusses“ werden in Zi 1.1.1 von Anhang V auch „morphologische Bedingun- gen“ benannt. Dazu gehören: 20 Vgl. dazu den Entwurf der Sächsischen Staatsregierung für das Operationelle Programm, d.h. die Mittelfestsetzung des EFRE-Fonds für die Förderperiode 2007 bis 2013 (Fassung vom 20.10.2006), Punkt Umwelt/Wasser, Abs. 195f.

WWF Deutschland 17 „Laut EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist bis zum - Umstellung/Extensivierung ungeeigneter landwirt- Jahr 2015 der ‚gute ökologische Zustand’ für alle Was- schaftlicher Flächennutzungen zur Vermeidung serkörper (Fließ- und Stillgewässer, Grundwasser) zu ökologischer Schäden in Polderflächen erreichen, […]. Die Bestandsaufnahme des SMUL aus - Erhöhung der Gerinnerauhigkeit mit dem Ziel einer 2005 zur WRRL kommt zu dem Ergebnis, dass nur für zeitlichen Streckung (Altarmanschlüsse, Erhaltung 12,9 % der Fließgewässerkörper (gemessen an der An- und Etablierung von Auwald - Hydraulik!) zahl) eine Zielerreichung derzeit als ‚wahrscheinlich’ - Deichrückverlegungen bei Beachtung hydraulisch angesehen wird, hingegen für 57,7 % ohne zusätzliche ungünstiger Abflussquerschnitte, lokaler Scheitel- Maßnahem als ‚unwahrscheinlich’. senkungen, Schardeiche und Eisversatz“ Einfluss auf den ökologischen Zustand der Oberflä- chengewässer haben auch strukturelle Veränderungen 2.8 Vorgaben der Internationalen Kommis- durch Querbauwerke, Uferverbaue, Hochwasser- sion zum Schutz der Elbe (IKSE) schutzanlagen, Beseitigung der Ufer- und Wasservege- Bei der Sitzung der Internationalen Kommission zum tation, Sohlvertiefungen u.a. Besonders problematisch Schutz der Elbe (IKSE) am 21./22. Okt. 2002 wurde ist der Zustand der natürlichen Auen. Sie sind in vielen die ständige Arbeitsgruppe „Vorsorgender Hochwasser- Abschnitten stark beeinträchtigt. 60 % der Fließge- schutz“ unter Leitung des Bundesumweltministeriums wässerabschnitte sind in ihrer Auendynamik ‚deutlich’ (BMU) gebeten, einen überarbeiteten internationalen bis ‚vollständig verändert’. Die Verbesserung der Hochwasseraktionsplan vorzulegen. Dieser wurde 2003 Fließgewässer- und Auenstruktur ist auch aus Sicht vorgelegt. des Hochwasserschutzes von Belang, da die Gewässer aufgrund ihrer z.T. naturfernen Struktur sowie mangels IKSE-Aktionsplan Hochwasserschutz im Elbegebiet Retentionsflächen Wassermengenereignisse nicht mehr (Auszüge)22: fassen können.“ Allgemeine Grundsätze 2.7 Anregungen zur Verbindung von - In Deutschland sollen durch die Raumordnungsbe- Hochwasserschutzes mit der hörden der Bundesländer in den Regionalplänen WRRL aus Sicht eines Landes- geeignete Flächen für Hochwasserrückhalt und Wasserbaubetriebes Hochwasserabfluss auch außerhalb der wasser- Anläßlich einer am 8. Dezember 2005 in Berlin rechtlich festgesetzten Überschwemmungsgebiete stattgefundenen Tagung „Management von Flussauen raumordnerisch gesichert werden. Landwirtschaft- und Europäische Wasserrahmenrichtlinie“ stellte ein liche Flächen sollen in der Regel nicht hochwasser- Vertreter des für den Hochwasserschutz zuständigen geschützt werden. Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasser- - Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung des Bodens wirtschaft Sachsen-Anhalt ein Konzept vor, wie sich muss die Belange des Natur- und Hochwasserschut- die Erreichung der Ziele der WRRL mit den aktuellen zes, einschließlich des Schutzes des Bodens vor Hochwasserschutzmaßnahmen in Einklang bringen Erosion, berücksichtigen. lassen könnten. - Für die Erhaltung und Erhöhung des Wasser- rückhalts auf Waldflächen sind sowohl forstwirt- „Wege zu einem neuen Konzept21 schaftliche Maßnahmen als auch raumordnerische - Aufforstung und Waldumbau, Gewässerrenatu- Vorgaben erforderlich. Waldumbauprogramme rierungen in HW-Entstehungs- und Starknieder- der deutschen Länder im Elbeeinzugsgebiet zielen schlagsrisikogebieten, Entsiegelung etc. darauf ab, die vorherrschend einschichtigen Na- - Unterbindung sohlerosionsfördernder Maßnahmen delbaumbestände in standortgerechte Mischwald- im Bereich von Erosionsstrecken als erklärtes Ziel bestände langfristig umzuwandeln und dadurch die von Ökologen und Wasserbauern Waldökosysteme nachhaltig zu stabilisieren.

21 Karl-Heinz Jährling, Landesbetrieb für Hochwasserschutz 22 Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe. Hg. v. d. Internationa- und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt, Tagung „Management len Kommission zum Schutz der Elbe. Magdeburg 2003. von Flussauen und Europäische Wasserrahmenrichtlinie“ am 08.12.05 in Berlin.

18 WWF Deutschland - Erhöhung der Retentionswirkung durch infrastruk- präzisiert und im Rahmen der regelmäßigen Abrech- turelle Maßnahmen nung der Erfüllung des „Aktionsplanes Hochwasser- - Begrenzung der siedlungs- und verkehrsbeding- schutz Elbe“ bewertet werden. ten Flächeninanspruchnahme und der weiteren Flächenversiegelung auf das erforderliche Maß Für Überschwemmungsgebiete können Gebote und Ver- - Einschränkung der Versiegelung von Talauen bote, ggf. mit Genehmigungsvorbehalten, festgelegt und Flussterrassen, die eine hohe natürliche werden. Wasserspeicherung bewirken und Durchführung In Überschwemmungsgebieten sollte insbesondere entsprechender Ersatzmaßnahmen für Speiche- verboten werden: rung und Rückhalt - Gründlandumbruch - Rückbau versiegelter Industriebrachen und - Roden von standortgerechtem Wald Verkehrsflächen (Entsiegelung) - Land- und forstwirtschaftliche Pflanzungen - Wasserdurchlässige Befestigung von Wegen und - Erhöhen bzw. Vertiefen der Erdoberfläche Parkflächen - Errichten bzw. Erweitern von Anlagen - Begrenzung der Ableitung von Niederschlags- - Aufstellen stationärer Objekte, z.B. Silos, stationäre wasser über die Kanalisation durch den Bau Melkanlagen, Lagerhallen und Zäune von Regenüberlauf- und Regenrückhaltebecken - Aufbringen oder Lagern wassergefährdender Stoffe - Förderung der Regenwassernutzung zur Gar- - Lagern von abschwemmbaren Stoffen und Gegen- tenbewässerung und zur Anlage von Gründä- ständen chern - Anlegen von Verkehrswegen, Campingplätzen und - in Deutschland Änderung der kommunalen Ab- Freizeiteinrichtungen wassersatzungen mit dem Ziel, den Anschluss- und Benutzungszwang für unverschmutztes Untersuchungen zur Reaktivierung ehemaliger Über- Niederschlagswasser ersatzlos aufzuheben schwemmungsflächen und zur Schaffung zusätzlicher - in Deutschland Aufnahme von Regelungen zur Retentionsräume23 Versickerung von Niederschlagswasser in die Es sollen Untersuchungen für Deichrückverlegungen kommunalen Satzungen und gesteuerte Flutungspolder durchgeführt werden. - Erhöhung der Retentionswirkung durch wasserwirt- Die Auswahl und Untersuchung der Standorte soll schaftliche Maßnahmen vor allem auf unbesiedelte Bereiche an der Elbe und - Auenrevitalisierung du Schaffung natürlicher ihren Nebenflüssen ausgerichtet werden. Zu prüfen ist Retentionsräume auch die Möglichkeit, in den wieder zu gewinnenden - Errichtung von Rückhaltebecken, Trockenbe- Überschwemmungsgebieten gelegene kleine Orte durch cken und Poldern Ringdeiche zu schützen. - Nutzung von Restlöchern des Braunkohleberg- baus 2.9 Nachhaltigkeitskriterien / Frage - Beurteilung von Möglichkeiten und Folgen stellungen der vorliegenden Studie einer Vergrößerung des Hochwasserrückhal- Wenn man die Schäden von Hochwasserereignissen teraumes in den bestehenden Talsperren im allgemein - und insbesondere des Augusthochwassers Zusammenhang mit weiteren Nutzungen dieser 2002 - und deren Ursachen analysiert und wenn man Talsperren die Forderungen und Zielsetzungen des „5-Punkte-Pro- - Beurteilung der Möglichkeiten zur Erhöhung gramms“ der Bundesregierung, die Handlungsempfeh- des schadlosen Abflusses aus Talsperren, lungen bzw. Vorgaben der LAWA und der IKSE zusam- wodurch eine Vergrößerung der bestehenden mennimmt, ergeben sich die konkreten Anforderungen Schutzwirkung ermöglicht wird. an das Programm für einen nachhaltigen, vorbeugenden Hochwasserschutz. Vorbeugender Hochwasserschutz Diese Maßnahmen werden auf der Grundlage zweck- senkt dabei das Hochwasserrisiko nicht nur punktuell, gerichteter Studien für die einzelnen Einzugsgebiete sondern flächendeckend.

23 Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe. Hg. v. d. Internatio- nalen Kommission zum Schutz der Elbe. Magdeburg 2003, Tab.5.

WWF Deutschland 19 Kriterien für einen nachhaltigen, vorbeugenden Hoch- vermögen des Bodens verbessern und so Wasser in wasserschutz und zum nachhaltigen Einsatz öffentli- der Fläche zurückhalten. cher Gelder im Hochwasserschutz: - Die fortschreitende Neuversiegelung von Boden 1. Das wirksamste Mittel, um Schäden bei einem muss gestoppt werden; Hochwasser zu verhindern ist - vorhandene Versiegelungen sind nach Möglich- - Gefährdete Flächen nicht zu bebauen, bzw. keit rückgängig zu machen (Potential bspw.: - wo möglich Rückbau zu betreiben. Rückbau aufgegebener Gewerbestandorte; - Deshalb dürfen Schäden, die zum wiederholten Umbau flächenversiegelter Parkplätze, Fuß-, Male auftreten, grundsätzlich nicht förderfähig Rad- und Landwirtschaftswege, etc. zu wasser- sein. durchlässigen Oberflächen). - Neuaufforstungen und 2. Wo dennoch aus wichtigen Gründen in Über- - Waldumbau müssen ebenso vorangetrieben schwemmungsgebieten gebaut wird, muss auf eine werden, wie angepasste Bauweise geachtet werden. So sollte - die gezielte Umwandlung von Ackerflächen in etwa auf Ölheizungen verzichtet werden bzw. auf Grünland in Überschwemmungsgebieten sowie schadensanfällige Ausstattung in den potentiell - die Ausweitung bodenschonender Ackerbaufor- überschwemmten Gebäudeteilen. men insgesamt.

3. Maßnahmen dürfen nicht Risiko erhöhend wirken 6. Es muss eine Verringerung der Abflussgeschwin- (Risiko als Produkt aus Wahrscheinlichkeit eines digkeiten erreicht werden. Jede Maßnahme muss Schaden erzeugenden Hochwassers/zu erwartende zur Verringerung des Hochwasserrisikos und der Schadenswerte/Empfindlichkeit der gefährdeten Hochwasserscheitel bzw. -abflüsse beitragen. Dazu Objekte auf Überflutung) beitragen können: - Gewässerrenaturierungen in HW-Entstehungs- 4. Um entsprechende Räume als Retentionsflächen zu und Starkniederschlagsrisikogebieten (Potential erhalten und die Anhäufung von Schadenspotential vor alleman begradigten und eingemauerten/be- zu vermeiden kann Planungssicherheit geschaffen tonierten Flussläufen) sowie werden durch - Erhöhung der Gerinnerauhigkeit mit dem Ziel - die Ausweisung von Überschwemmungsgebie- einer zeitlichen Streckung der Hochwasserwelle ten und (Altarmschlüsse, Erhaltung und Etablierung - die Feststellung überschwemmungsgefährdeter von Auwald). Gebiete. - Unabhängig von ausgewiesenen bzw. kartogra- 7. Den Flüssen ist mehr Raum zu geben. phisch erfassten Überschwemmungsgebieten - Nur mit großzügigen Deichrückverlegungen und überschwemmungsgefährdeten Gebie- lassen sich signifikante und nachhaltige Ver- ten sollte bei Bauprojekten in Flusstälern die besserungen im Hochwasserschutz erreichen. Auenlehmverbreitung untersucht werden. Sie An jedem Deichstandort muss grundsätzlich gilt als Indiz für die Ausbreitung der zyklischen eine Rückverlegung erwogen werden. Wo keine Hochwasserereignisse der Vergangenheit, aber Rückverlegungen erfolgen sollen, müssen wich- auch für die in Zukunft zu erwartenden Über- tige Gründe dagegen sprechen. Dies kommt nur schwemmungen. Neue Großprojektstandorte dort in Betracht, wo Siedlungen und Infrastruk- mit hohem Hochwasserschadenspotential im tur zu schützen sind, die mit guten Gründen Auenlehmverbreitungsgebiet sind mindestens dort auch langfristig verleiben sollen. fragwürdig. Sie bedingen häufig nachträglich einen weiteren und damit aufgeblähten Ausbau 8. Der technische Hochwasserschutz, vor allem der des Hochwasserschutzes. Deichbau, - ist gegenüber einer Bauvorsorge (Anpassung, 5. Mit der Regenwasserversickerung, der Entsiegelung Rückbau) bzw. einer Rückverlegung stets nur von Flächen und einer standortangepassten Land- sekundär in Betracht zu ziehen und kommt nur und Forstwirtschaft lässt sich das Wasserspeicher- dort in Betracht, wo andere Maßnahmen aus

20 WWF Deutschland wichtigen Gründen nicht möglich sind, aber ein belebung von Auenlandschaften großzügige entsprechender Schutz zwingend erforderlich ist. Deichrückverlegungen erfolgen. - Grundsätzlich sollten alle durch technische - Gewässerrenaturierungen in HW-Entstehungs- Hochwasserschutzmaßnahmen verursachten und Starkniederschlagsrisikogebieten. negative Auswirkungen auf Ober- und Unterlie- - Maßnahmen dürfen sich langfristig nicht zu ger ausgeglichen (kompensiert) werden Lasten des ökologischen Prozessgefüges (v.a. - Das nicht ausschließbare Restrisiko einer ökologische Gewässerdurchgängigkeit, Sedi- Überforderung der technischen Bauwerke muss menttransport, biologischchemische Prozesse dabei stets bewusst gehalten werden. Auch wie Temperatur-Selbstreinigung-Nährstoffhaus- hinter den Deichen muss das Schadenspotential halt, Habitatverfügbarkeit) auswirken möglichst gering gehalten werden. - Zudem sollte sich das zu erreichende Schutz- 10. Maßnahmen müssen im Bezug auf die Folgen niveau nach der Wahrscheinlichkeit des Eintre- von Hochwasserereignissen neutral für Ober- und tens im Verhältnis zur potentiellen Schadens- Unterlieger sein. höhe (bspw. Wohnhäuser oder Parkanlagen) ausrichten. 11. Maßnahme dürfen sich nicht entscheidungsbehin- - Außerdem sollte bei Deichbauten die Lage der dernd für nachfolgende Generationen auswirken historischen Flussaltläufe vor dem Deichbau (Grundprinzip der Definition für Nachhaltigkeit) festgestellt werden. Nach dem Motto „Flüsse haben ein Gedächtnis“ suchen sich die Wasser- 12. Maßnahmen müssen dem Gebot der Wirtschaft- massen bekanntlich beim Hochwasser regelmä- lichkeit folgen (unter Beachtung der übrigen Nach- ßig ihr altes Bett. haltigkeitsgebote), Falls wiederkehrende Deichschäden aufgetreten - Maßnahmen müssen ein positives Nutzen- sind, wäre bei entsprechender Machbarkeit die Kosten-Verhältnis aufweisen, Veränderung des Deichverlaufes/ Flussverlau- - Jede Maßnahme muss von den lokal geschütz- fes mindestens empfehlenswert. Werden diese ten Werten/Menschen langfristig unterhalt- Überlegungen nicht berücksichtigt und die ungsfähig sein (Kosten für Unterhaltung der alten Deiche einfach wieder aufgebaut, kann neuen Struktur sind von lokalen Budgets von einer zu hinterfragenden Verwendung von finanzierbar ohne externe Subvention). Fördermitteln ausgegangen werden. 13. Einzelmaßnahmen müssen Teile eines gewässerbe- 9. Die Schaffung neuer Retentionsräume und die zogenen Gesamtkonzeptes sein, zu dessen Erstel- ökologische Aufwertung der Oberflächengewässer lung eine weitreichende Abstimmung möglichst dienen zugleich der Umsetzung der Forderungen sämtlicher Akteure erfolgen sollte wie auch zur der EG-Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL), wonach Einzelmaßnahme selbst. bis 2015 ein „guter Zustand“ der Oberflächenge- - Jede Maßnahme muss Bestandteil eines sek- wässer herzustellen ist. Der Synergie-Gedanke und torübergreifenden, genehmigten Hochwasser- vor allem die verbindliche Fristsetzung der WRRL schutzkonzeptes des jeweiligen Bundeslandes zwingen zu einer Verbindung von Hochwasser- sein (Vermeidung der Schaffung vollendeter schutzmaßnahmen mit der Umsetzung der WRRL. Tatsachen). Das bedeutet: - Großzügige Deichrückverlegungen erfor- - Grundsätzlich muss jede Maßnahme des dern schon allein wegen des Umstandes, dass technischen Hochwasserschutzes zu keiner entsprechende Maßnahmen am Oberlauf Verschlechterung führen und soll möglichst zu stattfinden und dort mit Kosten und Nutzungs- einer Verbesserung des Gewässers im Sinne der einschränkungen verbunden sind, ihr Nutzen WRRL beitragen. jedoch zu großen Teilen am Unterlauf wirksam - Überdies müssen auch für die von der WRRL wird, eine flussraumbezogene, überregionale geforderten Renaturierungen und die Wieder- Zusammenarbeit.

WWF Deutschland 21 - Maßnahme müssen lokalen Entscheidungsträ- In der vorliegenden Studie wird bei der Überprüfung gern und direkten einzelnen Betroffenen vor- von Maßnahmen und Rechtssetzungen nun nachfolgen- gestellt und mit ihnen aktiv diskutiert werden des Frageschema eingesetzt, welches auf den vorge- (aktives Beteiligungsprinzip). Nur so können nannten Kriterien beruht und sie auf die wesentlichen eine ausreichende Sensibilisierung und Akzep- Fragestellungen komprimiert: tanz erreicht, sich widersprechende Planungen vermieden werden.

Nachhaltigkeitsschema zur Prüfung von Fördermittelvergaben, Gesetzen u. Maßnahmen im Hochwasserschutz:

(Untersucht wird jeweils ob/wie vorgesehen und ob Vergabe/Regelung/Maßnahme tatsächlich geeignet/aus- reichend bzw. ob Fördervoraussetzung)

1. Verminderung des Schadenspotentials: keine neuen Werte in gefährdete Gebiete; ggf. Entfernung vor- handener;

2. Gewährleistung eines verbesserten Wasserrückhalts in der Fläche, insbesondere in Hochwasserent- stehungsgebieten;

3. Schaffung neuer Retentionsflächen; insbesondere durch großflächige Deichrückverlegungen;

4. Gewährleistung der Verbindung von Hochwasserschutz mit dem geltenden Ziel der Verbesserung der Gewässerqualität (WRRL) - Synergieeffekte -.

22 WWF Deutschland 3. Praxis des Hochwasserschutzes im Bezug auf Nachhaltigkeit 3.1 Bisherige Aktivitäten im Überblick Diese Aufgabe erscheint vor dem Hintergrund, dass Zur Realisierung der oben angeführten Ziele (die oben etwa bei der Untersuchung überschwemmungsgefähr- genannten Bund-Länder-Programme und die WRRL) deter Flächen Gewässer in staatlicher Unterhaltungslast für einen verbesserten vorbeugenden Hochwasser- in Sachsen festgestellt wurde, dass davon allein zwei 24 schutz hat der Bund am 3. Mai 2005 das Gesetz zur Drittel landwirtschaftlich genutzt werden , zumindest Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes grundsätzlich auch machbar. (Hochwasserschutz-Artikel-Gesetz) erlassen. Mit ihm verbunden waren wichtige Änderungen vor allem Aktuelle werden Deichrückverlegungen im Umfeld der des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), aber auch des Elbe aber lediglich für wenige tausend Hektar schon Raumordnungsgesetzes (ROG) und des Baugesetzbu- allein nur geprüft (siehe die nachfolgende Aufstellung). ches (BauGB). Die einzelnen Bundesländer haben ihre Dies entspricht der Rückgewinnung von lediglich etwa Wassergesetze bereits entsprechend angepasst bzw. einem Prozent der verlorenen Überschwemmungs erarbeiten Neufassungen. Die in erster Linie für die fläche. Hochwasservorsorge zuständigen Bundesländer haben Tatsächlich werden Deichrückverlegungen im Um- zudem eigene Strategien eines vorbeugenden Hoch- feld der Elbe jedoch lediglich für wenige tausend wasserschutzes, oft integriert in den übergeordneten Hektar schon allein nur geprüft. Dies entspricht der Hochwasseraktionsplan der internationalen Flusskom- Rückgewinnung von etwa einem Prozent der missionen, entwickelt und befinden sich aktuell in verlorenen Überschwemmungsfläche. deren Umsetzung. Damit im Zusammenhang steht die vermehrte Bereitstellung von öffentlichen Geldern für die anstehenden Hochwasserschutzmaßnahmen in ver- Andererseits wurden und werden dagegen vor allem schiedenen Fonds der EU, des Bundes und der Länder. erhebliche Anstrengungen zur Umsetzung der Deichsa- nierungsprogramme (d.h., Maßnahmen des technischen 3.2 Derzeit erwogene Standorte für Hochwasserschutzes) in den Bundesländern unternom- Deichrückverlegungen an der Elbe in men. So wurden etwa an der Elbe und ihren Nebenflüs- Deutschland sen allein von 2003 bis 2005 schon insgesamt 241,4 km Wie bereits weiter oben erwähnt ist von der früher bestehende Deiche mit einem finanziellen Aufwand von 25 6.172 km² (617.200 ha) großen Überschwemmungsflä- 228,2 Mio € ertüchtigt . che der Elbe heute lediglich noch ein Gebiet von 838 km² (83.800 ha) übrig geblieben. Das entspricht einem a) Mittlere Elbe (IKSE) Rückgang der Überschwemmungsfläche auf nur noch Der „Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe“ der IKSE 14 % des ursprünglichen Bestandes. von 2003 sieht ernsthafte Untersuchungen für Deich- rückverlegungen zur Auenrenaturierung an Standorten Aufgabe der aktuellen Hochwasserschutzstrategien an der Mittleren Elbe für insgesamt 2.685 Hektar vor. und -konzepte wäre es daher, großflächig Über- schwemmungsfläche an der Elbe und ihren Zuflüs- sen zurückzugewinnen.

24 Entwurf der Sächsischen Staatsregierung für das Ope- rationelle Programm, d.h. die Mittelfestsetzung des EFRE- Fonds für die Förderperiode 2007 bis 2013 (Fassung vom 20.10.2006), Rn. 279. 25 Mitteilung der ARGE Elbe im Zusammenhang mit der 3. Elbe-Ministerkonferenz am 10.11.2006.

WWF Deutschland 23 Untersuchungen für Deichrückverlegungen zur Auenrenaturierung an Standorten an der Mittleren Elbe laut Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe“ der IKSE von 200326

Bundesland Standort (Elbe-km) Retentions- Bemerkungen fläche (ha) Sachsen Köllitzsch 70 Entscheidung, ob Deichrückverlegung oder steuerbarer Flu- (142,0-144,0) tungspolder, fällt nach Vorlage des Hochwasserschutzkonzeptes Döbeltitz 110 Entscheidung, ob Deichrückverlegung oder steuerbarer Flu- (143,5-146,5) tungspolder, fällt nach Vorlage des Hochwasserschutzkonzeptes Kamitz 60 Entscheidung, ob Deichrückverlegung oder steuerbarer Flu- (145,5-148,5) tungspolder, fällt nach Vorlage des Hochwasserschutzkonzeptes Zwethau 110 Entscheidung, ob Deichrückverlegung oder steuerbarer Flu- (155,5-158) tungspolder, fällt nach Vorlage des Hochwasserschutzkonzeptes Sachsen- Oberluch bei Roßlau 140 Baubeginn Okt. 2002. Anhalt (253,5-256,6) Finanzumfang: ca. 2 Mio € Lödderitzer Forst 590 Baubeginn geplant 2008. unterhalb Aken 15 Mio € für Gesamtprojekt bewilligt, davon ca. 11 Mio € für (278,0-283,7) Deichrückverlegung Glindenberg 180 Entscheidung steht aus. (341,5-345,5) Hydraulische und ökologische Untersuchungen im Jahr 2001 abgeschlossen. Eingeschätzter Finanzbedarf für die Umsetzung: ca. 11,4 Mio € Ohremündung 130 Entscheidung steht aus. (347,5-349,0) Hydraulische und ökologische Untersuchungen im Jahr 2001 abgeschlossen. Eingeschätzter Finanzbedarf für die Umsetzung: ca. 5,5 Mio € Klietznick 160 Hydraulische Untersuchungen im Jahr 1997 abgeschlossen, (378,0-384,0) ökologische Betrachtungen sind noch vorzunehmen. Geschätzter Finanzbedarf: ca. 4,4 Mio € Sandau-Süd 120 Entscheidung steht aus. (412,5-416,0) Hydraulische und ökologische Untersuchungen im Jahr 2001 abgeschlossen, Eingeschätzter Finanzbedarf für die Umsetzung: ca. 8,6 Mio € Sandau-Nord 140 Entscheidung steht aus (416,5-422,0) Hydraulische und ökologische Untersuchungen im Jahr 2001 abgeschlossen, Eingeschätzter Finanzbedarf für die Umsetzung: ca. 8,1 Mio € Brandenburg Südl. Mühlberg 260 Im Jahr 2003 erfolgten Voruntersuchungen zu (Borschütz) Rückverlegungsvarianten 120,5-125,0 Rühstädter Bogen 90 Entscheidung steht aus, Bearbeitung der UVS/FFH (438,7-444,6) Verträglichkeitsstudie erfolgt seit Mai des Jahres 2003 Lenzen (Böser Ort) 425 Baubeginn 2005. (476,7-483,8) Finanzvolumen 11,5 Mio € Nieder- Neu Bleckede 100 Entscheidung zur Umsetzung fällt in den Jahren 2004/2005 im sachsen (546,0-554,0) Zuge des Planfeststellungsverfahrens mögl. Gewinn an Retentionsfläche insgesamt: 2.685 ha

26 Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe. Hg. v. d. Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe. Magdeburg 2003, Pkt. 2.5. (mittlerweile aktualisiert, jedoch nicht grundsätzlich verändert, s. Ersten Bericht der IKSE über die Erfüllung des „Aktionsplans Hochwasserschutz Elbe“)

24 WWF Deutschland b) Sachsen Bisherige Bilanz28: Zwischen März 2003 und März 2005 wurden in Sach- Nach aktuellem Planungsstand werden in Umsetzung sen insgesamt 47 Hochwasserschutzkonzepte (HWSK) der Maßnahmen der Hochwasserschutzkonzepte in erarbeitet und bestätigt. Sie enthalten insgesamt Sachsen rund 20 km² (2.000 ha) neue Rückhalteflächen 1.596 Maßnahmevorschläge für Hochwasserschutz- (gesteuert und ungesteuert) geschaffen. Hinzu kom- maßnahmen. Nur ein verschwindend geringer Anteil men Maßnahmevorschläge aus dem HWSK Elbe, die beschäftigt sich mit Rückdeichungen. Bezogen auf die weitere 20,9 km² (2.090 ha) Rückhalteflächen betref- geschätzten Investitionskosten würden diese wenigen fen, deren vollständige Realisierung aber derzeit nicht Maßnahmen jedoch einen Großteil des Gesamtbudgets feststeht. beanspruchen (mdl. Aussagen der Landestalsperrenver- waltung Sachsen).

Geplante Erweiterung von Retentionsräumen (Deichrückverlegungen) an der Elbe in Sachsen27 Standort (Elbe-km) Retentionsfläche (ha) HWSK-Nr. / lfd. Nr. Bemerkungen zw. Dröschkau u. Ammelgosswitz 410 1.2 / 005 (131-138; links) Köllitsch 60 1.2 / 003 Realisierung bis 2010 (142-145; rechts) zw. Döbeltitz u. Kranichau 376 1.2 / 017 (142-146,5; links)) zw. Pülswerda u. Kamitz 57 1.2 / 002 Realisierung bis 2010 (145,5-148,5; rechts) zw. Weßnig u. Schiffmühlenhaus 25 1.2 / 016 Realisierung bis 2010 (147,5-148,5; links) nördl. Pülswerda 8 1.2 / 001 Realisierung bis 2010 (149,5; rechts) zw. Lünette Zwethau u. Zwethau 116 1.2 / 013 (156-158; rechts) Polbitz 104 1.2 / 010 (168-171; links) zw. Grenzbach u. Proschwitz 88 1.2 / 008 (173-176,5; links) mögl. Gewinn an Retentionsfläche insgesamt: 1.244 ha

(weitere Vorschläge sind auch für die Mulde erarbeitet)

27 Sächsischer Landtag, DS 4/6152, Kleine Anfrage: Erwei- 28 Sächsischer Landtag, DS 4/8084, Kleine Anfrage: Gesamt- terung von Retentionsräumen in Sachsen entsprechend des bilanz Retentionsflächen der Elbe, Antwort des SMUL vom Hochwasserschutzkonzeptes Elbe. Antwort des SMUL vom 26.03.07. 27.09.06.

WWF Deutschland 25 c) Sachsen-Anhalt29 Genehmigungsplanung wurde im Jahre 2006 einge- Zu Möglichkeiten von Deichrückverlegungen gab reicht, das Planfeststellungsverfahren soll im Jahre es in Sachsen-Anhalt 2003 Vorschläge für insgesamt 2008 abgeschlossen werden. Weitere Rückdeichungen 17 Standorte. Zusammengenommen könnten 10.500 wurden und werden untersucht. ha ehemaliger Überschwemmungsflächen reaktiviert werden, was aber nur zu einer Scheitelsenkung von 0 Maßnahmen in der Aue im Rahmen von Rückdeichun- - 3 ca. (bei einem HQ100 1cm) am Pegel Wittenber- gen in Sachsen-Anhalt (Stand 2005): ge führen würde. Realisiert wurde bis 2003 nur eine - 43 mögliche Einzelmaßnahmen mit etwa 13.000 ha relativ kleine Fläche im Rahmen von Ausgleichs- und Erweiterungsfläche in Sachsen-Anhalt im LEG und Ersatzmaßnahmen beim Bau der Elbebrücke bei Wit- LEP als Vorbehaltsgebiete für den HWS seit 1999 tenberg und in 2006 eine weitere Deichrückverlegung - Überarbeitung und Neukonzipierung von Hoch- am Oberluch Rosslau (140 ha Retentionsfläche) . Im wasserschutzkonzepten an Elbe, Mulde, unter Rahmen eines Naturschutzgroßprojektes wurde darüber Berücksichtigung von Deichrückverlegungen. hinaus eine Rückverlegung im Lödderitzer Forst (Aken bei Breitenhagen, 600 ha) untersucht und beplant. Die

Maßnahmen in der Aue im Rahmen von Rückdeichungen in Sachsen-Anhalt (Stand 2005) Maßnahme Gewässer Kosten in Fläche in ha alte Länge neue Länge Stand der Mio € in km in km Umsetzung Sachau-Priesitz Elbe 3,90 210 4,6 1,0 Studie Hemsendorf Elbe 1,25 390 2,4 0,5 Genehmigungs- verfahren Garzer Bergdeich Elbe 1,60 212 2,3 1,5 Vorplanung (Vockerode) Lödderitzer Forst Elbe 10,00 600 5,7 7,0 Planfeststellungs- verfahren Hohenwarthe Elbe 2,20 75 2,0 1,3 Tischvorlage Klietznick Elbe 3,15 160 6,6 1,8 Studie Sandau-Süd Elbe 5,25 124 4,3 3,4 Vorplanung Sandau-Nord Elbe 5,20 95 3,2 2,5 Vorplanung Altjeßnitz Mulde 2,65 72 2,1 2,3 HWSK Mulde Retzau / Klecke- Mulde 3,95 233 5,4 4,3 HWSK Mulde witz Niesau / Schierau Mulde 3,50 67 3,8 2,6 Vorplanung Törten Mulde 2,80 30 1,5 1,1 HWSK Mulde mögl. Gewinn an Retentionsfläche insgesamt: 2.268 ha

29 Mitteilung des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen Anhalt von 2005. siehe auch: Hochwasserschutz des Landes Sachsen-Anhalt bis 2010 (Stand 26. März 2003), hg. v. Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Pkt. 4.2.3.

26 WWF Deutschland 3.3 Einfluss ökologischer Kriterien auf schutzkonzepte 1. Ordnung fast zur gleichen Zeit zur die Erstellung der Hochwasserschutz- befristeten Bearbeitung vorzulegen, konnte durch die konzepte (insbesondere WRRL, FFH, extreme Datenmenge und die großflächige Ausdehnung Öffentlichkeitsbeteiligung) der Gebiete kaum zielführend sein. Das Arbeitspensum war von einer ehrenamtlich arbeitenden Struktur in dem Erst seit 2005 besteht bei der Erstellung der Hochwas- relativ kurzen Auslegungszeitraum nicht zu bewältigen serschutzkonzepte (HWSK) die Pflicht zur begeleiten- gewesen. den Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP-Pflicht) im Sinne des Gesetzes über die Um- Diese (schon für sich genommen unzureichende) Nach- weltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Ein Großteil der reichung naturschutzfachlicher und schutzgebietsbezo- bestehenden HWSK30 stammt aus dem Zeitraum davor. gener Erwägungen zu letztlich bereits fertigen HWSK Daher hat bei deren Erstellung keine SUP im Gesetzes- ist etwa in Sachsen durchgängige Praxis und lässt sich sinne stattfinden können. Regelmäßig fand aber auch anhand der Akten im Einzelfall nachweisen. Die realen sonst keine vergleichbare wesentliche Berücksichtigung Aussichten, dass die nachfolgenden Strategischen von Umweltaspekten statt (vgl. etwa zu den Mindestan- Umweltprüfungen, die bereits durch zahlreiche wasser- forderungen gem. § 99b Abs. 3 SächsWG). Gängige baulichen Maßnahmen verfestigten Rahmenbedingun- Praxis war vielmehr die Erstellung der HWSK unter gen grundsätzlich noch verändern können, sind dabei großem Zeitdruck, wobei eine weitgehende konzep- äußerst gering. tionelle Beschränkung auf Fragen der Abwägung der  Dieses Verfahren führt nahezu zwangsläufig dazu, Wichtigkeit der Schutzgüter mit wasserwirtschaftlich- dass eine Verbindung der Hochwasserschutzmaß- hydrologischer Aspekten stattfand. Zahlreiche der von nahmen mit einer ökologischen Optimierung im HWSK betroffenen Flussauen liegen großflächig in Sinne der WRRL nicht stattfindet. „Natura-2000-Gebieten“. Bezüglich der Beachtung deren Schutzgebietsziele entstanden auf der Ebene der 1. Naturschutzfachliche Zielsetzungen stehen damit Erstellung der HWSK bedeutende Defizite. Außerdem im Regelfall nicht am Beginn der Planung von mangelte es an einer hinreichenden frühzeitigen und Hochwasserschutzmaßnahmen und können damit langfristigen Öffentlichkeitsbeteiligung. nicht deren Grundausrichtung bestimmen. 2. Naturschutzfachliche Zielsetzungen können damit Im Ergebnis entstanden so HWSK, die lediglich hin- im Regelfall nicht einmal im Nachgang die bereits sichtlich wasserwirtschaftlich-hydrologischer Aspekte nach anderen Zielsetzungen entwickelten Planun- im Bezug auf Schadenspotential und Schutzgegenstän- gen zumindest noch weitreichend naturschutzfach- de optimiert sind, und in die bestenfalls frühestens auf lich aufwerten. Insbesondere werden die Mög- der unmittelbaren Projektebene naturschutzfachliche lichkeiten ingenieurbiologischer Bauweisen31 im Betrachtungen einfließen können. Deren angemessene Wasserbau in der Summe der Vorhaben noch immer Berücksichtigung scheitert dann häufig zwangsläufig an viel zu wenig genutzt. den wasserwirtschaftlich begründeten Fixpunkten. Oft konnte im Planungsalltag etwa bei der direkten FFH- Im Standardfall entstanden die HWSK im Zuge eines Verträglichkeitsprüfung auf der unmittelbaren Ebene ei- Verfahrens hydrologischer-hydraulischer Optimierung nes Bauprojektes - bei der nach § 34 Abs. 3 BNatSchG (Optimierung/Auswahl hydrologisch-hydraulisch zwingend Alternativuntersuchungen vorzunehmen sind begründeter Planungsvarianten). Naturschutzfachliche - nur noch scheinbar zwischen tatsächlichen Varianten Anforderungen und Optimierungsgedanken waren gewählt werden. dabei Nebenaspekte. Wurden sie nachgereicht, konnte dies regelmäßig zu keinen wesentlichen Projektverän- Durch erst recht spät stattfindende Öffentlichkeitsbe- derungen führen. teiligung – nämlich nach Abschluss der eigentlichen  Fachplanung - konnten naturschutzfachliche Argumente Naturschutzfachliche Optimierung von Hochwas- der Umweltverbände nur noch unzureichend Berück- serschutzprojekten insbesondere im Hinblick auf sichtigung finden. Besonders die Praxis, den Umwelt- die WRRL scheitert an der Struktur der Entwick- verbänden den Großteil der einzelnen Hochwasser- lung der aktuellen HWSK

30 Vgl. zu Sachsen: Socher, M./Dornack, S./Defèr, E., Hoch- 31 Vgl. etwa: Ufersicherung - Strukturverbesserung. Anwen- wasserschutzkonzepte im Freistaat Sachsen - eine Einfüh- dung ingenieurbiologischer Bauweisen im Wasserbau. Hand- rung. In: Hydrologie und Wasserbewirtschaftung 50 (2006), S. buch (1). Hg. v. Sächsischen Staatsministerium für Umwelt 303-308. und Landwirtschaft. 2005.

WWF Deutschland 27 3.4 Wasserrückhalt in der Fläche - Waldumbau findet in Deutschland schon seit Jahren Land- und Forstwirtschaft statt, etwa in Sachsen gezielt seit 1991/92 betrieben35. Allerdings erfolgte dieser nicht im Hinblick auf Ver- Bei der Untersuchung der Gewässer in staatlicher Un- besserungen im Hochwasserschutz36, sondern bezüg- terhaltungslast wurden in Sachsen ca. 1.450 km² über- lich einer ökologisch und forstwirtschaftlich besseren schwemmungsgefährdete Flächen festgestellt. Etwa Durchmischung und Standortanpassung. zwei Drittel dieser Flächen werden landwirtschaftlich genutzt32. Dies zeigt das Potential zur Verbesserung des 3.5 Die Aufgabe bestehender Siedlungs- Wasserrückhalts in der Fläche, etwa durch Umwand- lung von Ackerflächen in Gründland oder zumindest und Gewerbestandorte in Über- die Umstellung auf alternative, nicht bodenwendende schwemmungsgebieten Ackerbauformen. Die Aufgabe bestehender Siedlungs- und Gewerbe- standorte erfolgte bislang nur in zwei Einzelfällen, die Programme zur großflächigen Umwandlung von Acker- für sich absolute Ausnahmen blieben. land in Grünland sind bislang nicht bekannt geworden, So wurde das beim Augusthochwasser 2002 völlig auch keine Statistiken über nennenswerte Erfolge auf überschwemmte und von der Außenwelt abgeschnit- diesem Gebiet. tenen Wohn- und Gewerbegebiet Röderau-Süd in der Gemeinde Zeithain in Sachsen vollständig verlegt. Die Dafür scheinen aber zumindest im Bereich alternati- Gebäude mit rund 140 Wohneinheiten und mehreren ver Ackerbauformen deutlich Fortschritte erfolgt zu Gewerbebetrieben wurden auf freiwilliger Grundlage sein. So konnte in Sachsen zwischen 1993/1994 und umgesiedelt, da die Sächsische Staatsregierung auf- 2002/2003 der Anteil der konservierenden Bodenbear- grund eingehender Untersuchungen zu der Erkennt- beitung von 0,2 % auf 27,0 % der Gesamtackerfläche nis gelangt war, dass die Siedlung auch künftig nicht gesteigert werden. Dies erfolgte jedoch weniger im Zu- effektiv gegen Hochwasser geschützt werden kann. Die sammenhang mit Programmen des Hochwasserschut- Flächen wurden als Retentionsraum der Elbe wieder- zes, als vielmehr im Rahmen des Förderprogramms hergestellt. „Umweltgerechte Landwirtschaft33“. In der Gemeinde Weesenstein in Sachsen sind die bei der Flut 2002 zerstörten bzw. stark beschädigten Ge- Erstaufforstung ist der Gegenstand öffentlicher Förder- bäude (vor allem private Wohnhäuser) im Ortszentrum programme. So fördert etwa der Freistaat Sachsen ab nicht wiedererrichtet worden. Heute werden die Flä- Mai 2007 die Erstaufforstung innerhalb des Förderpro- chen überwiegend als innerörtliche Grünanlage genutzt. gramms „Agrarumweltmaßnahmen und Waldmehrung“ (AuW/2007) im Programmteil B „Ökologische Wald- Weitere Umsiedlungen von Wohn- und/oder Gewerbe- mehrung“ mit einer Bezuschussung von 70 %. Zum standorten werden in Deutschland derzeit nicht geplant. Förderziel heißt es34: „Mit dem Ziel des Schutzes gegen Nachgewiesen werden konnte jedoch in beiden Fällen, Hochwasser und Bodenerosion, der Steigerung der dass solche Maßnahmen bei allen Schwierigkeiten

CO2-Bindung und der Verbesserung der Landschafts- grundsätzlich realisierbar sind, sofern ein ausreichender struktur soll durch die Förderung der Aufforstung bis- politischer Wille vorhanden ist. her landwirtschaftlich genutzter sowie bisher landwirt- schaftlich nicht genutzter Flächen der Waldanteil des Freistaates Sachsen langfristig von derzeit 28 % auf 30 % der Landesfläche erhöht werden.“

32 Entwurf der Sächsischen Staatsregierung für das Ope- 35 http://www.forsten.sachsen.de/de/wu/organisation/obe- rationelle Programm, d.h. die Mittelfestsetzung des EFRE- re_behoerden/landesforstpraesidium/graupa/waldundumwelt/ Fonds für die Förderperiode 2007 bis 2013 (Fassung vom wse/pdf/wzb2001_waldumbau.pdf 20.10.2006), Rn. 279. 36 Vgl. dazu die Auswertung verschiedener Studien zum The- 33 W. Schmidt, Vorbeugender Hochwasserschutz und Land- ma „Wald und Hochwasser“, siehe: http://www.ioer.de/weisse- wirtschaft, In: W. Köck (Hg.), Rechtliche Aspekte des vorbeu- ritz/pdf/Uebersicht_Forschung_Wald.pdf. genden Hochwasserschutzes. Baden-Baden 2005, S. 217. 34 http://www.smul.sachsen.de/de/wu/aktuell/foerderung/in- halt_re_906_1834.html.

28 WWF Deutschland 3.6 Fallbeispiele nichtnachhaltigen Die umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit ist Einsatzes öffentlicher Fördermittel regelmäßig ein wichtiges Kriterium für einen nach- bzw. von Fördermittelmissbrauch haltigen Planungsansatz. Entsprechende Rechtsmittel gegen das Fehlverhalten der beteiligten Akteure sind 3.6.1 Vorrede zu den Fallbeispielen derzeit immer noch sehr aufwendig und bei zahlreichen 3.6.1.1 Vorgehen / Methodik Verfahrensarten wenig erfolgversprechend. Anhand von ausgewählten Einzelbeispielen sollen im Nachfolgenden einzelne Probleme der mangelnden Insgesamt sind die gewählten Fallbeispiele also Prä- Nachhaltigkeit sowie der unzweckgemäßen Vergabe sentationsbeispiele, die der näheren Beschreibung von von öffentlichen Fördermitteln im Zusammenhang mit allgemeinen Geschehnissen dienen. Auch trotz der Maßnahmen der Hochwasservorsorge bzw. der Hoch- der häufig schwierigen Datenlage geschuldeten ver- wasserschadensbeseitigung diskutiert werden. Ziel ist bleibenden Unsicherheiten im Einzelfall, sind die hier es dabei, allgemeine Tendenzen anhand von Einzel- getroffenen Grundaussagen geeignet, die regelmäßig fällen zu illustrieren bzw. an diesen einmal konkret zu stattfindenden Tendenzen im Planungsalltag darzustel- diskutieren. len. Sie geben damit ein Bild von der aktuellen Vergabe öffentlicher Finanzierungshilfen im Zusammenhang mit Der Auswahl der Fallbeispiele ging eine sehr umfang- Hochwasserereignissen bzw. Hochwasservorsorgemaß- reiche Vorrecherche voraus, bei der eine große Anzahl nahmen. von Maßnahmen/Fördermittelvergaben einer ersten Voruntersuchung unterzogen wurde. Dabei konnten 3.6.1.2 Problemfelder - Gründe für das Nichtbe- gewisse typische Problemfelder herausgearbeitet, die achten nachhaltiger Planungsgrundsätze im Nachfolgenden näher dargelegt werden. Diese a) Förderrechtliche Hindernisse erkannten Problemfelder wurden als Arbeitshypothesen Die Förderichtlinien und Förderprogramme sind prak- dann während der vertiefenden Recherchen in zahl- tisch durchweg nicht zwingend genug formuliert, um reichen Gesprächen mit Planern, Mitarbeitern aus den den nachhaltigen Einsatz der Finanzmittel zu garantie- Verwaltungen und nichtstaatlichen Verbänden auf ihre ren. Verschiedene Förderichtlinien werden ohne jeden Stichhaltigkeit überprüft und letztlich bestätigt. Nachhaltigkeitsanspruch formuliert.

Die aus den gewonnen Verdachtsfällen vorgenommene Häufig erfordern die Förderprogramme von den Pro- konkrete Fallauswahl richtete sich nach der Darstell- jektträgern, verursacht durch ihre kurze Laufzeit, eine barkeit im Bezug auf das Vorliegen belastbaren Daten- sehr kurzfristige Abrufung und Verwendung der Mittel. materials, etwa der Zugänglichkeit zu amtlichen Daten. Dadurch bleibt bei verschiedenen Projekten kaum Zeit Doch auch in diesen Fällen ließen sich die Aussagen für eine ausgewogene Betrachtung des Gesamtrau- der aufgezeigten Fallbeispiele wegen der insgesamt mes. Das bedeutet im Planungsalltag, dass vorhandene eher schwierigen Datenlage oft nicht bis zur absoluten bauliche Anlagen nach der Zerstörung durch Hoch- Gewissheit verdichten. Bei der Datenrecherche muss- wasser einfach an alter Stelle wieder aufgebaut werden te festgestellt werden, dass viele Informationen und bzw. auch ohne Beschädigung deren Erneuerung bzw. Aktennachweise zu den Einzelbeispielen oft nicht oder Erweiterung einfach an alter Stelle erfolgt. nur unter extremem Zeitaufwand zu beschaffen gewe- sen wären. Vielfach gab es in der Kategorie der hier Fallbeispiele: vermutlich Schloßmühle Frohburg; ver- relevanten Verfahren keine oder nur eine ungenügende mutlich Elsterbecken Leipzig Öffentlichkeitsbeteiligung. b) Konflikte mit Interessen der Flächennutzer Die hier gefundenen Fallbeispiele konnten in erster Linie durch Einzelhinweise aufmerksamer Bürger, Mögliche Konflikte mit den traditionellen Flächen- durch Umweltverbände, Lokalpolitiker, eine Presseaus- nutzern werden von den Planungsträgern in der Regel wertung und teilweise auch durch die Kenntnis aus dem vermieden. Entsprechende finanzielle Anreize für eigenen Berufsalltag aufgenommen werden. Flächennutzer müssten geschaffen werden. Oft wird von Seiten der Lokalpolitik starker Druck auf die Es deutete sich an, dass gerade bei den aus nachhaltiger Entscheidungsträger in der Planbehörde ausgeübt (z. B. Sicht problematischen Vorhaben die Öffentlichkeits- bei Umstellung auf Grünlandnutzung oder Wald in der beteiligung regelmäßig - nicht selten im Gegensatz Flussaue, bei Schaffung von Retentionsräumen). zu geltenden rechtlichen Vorgaben - vom zuständigen Fallbeispiele: Weinskeaue; Schloßmühle Frohburg Projektträger / Antragsteller umgangen wurde. WWF Deutschland 29 In verschiedenen Städten und Gemeinden bestehen sehr c) Fehlende Sensibilität für Niederschläge – Umgang starke Flächennutzungsinteressen. Durch den Druck der mit Regenwasser Flächennutzer besitzen die politischen Entscheidungs- Das Prinzip, möglichst das gesamte anfallende Regen- träger oft nicht den Mut entsprechende Einschränkun- wasser unmittelbar an der Niederschlagsfläche versi- gen durchzusetzen. ckern zu lassen, wird häufig nicht beachtet. Weitere Fallbeispiel: Regenrückhaltebecken Rossau / Wasser- Probleme entstehen durch die stetig voranschreitende skianlage Größe der absoluten Versiegelungsfläche. Dort entste- hen in der Summe bedeutende Oberflächenabflüsse. In verschiedenen Gemeinden und Kreisen hat sich teil- Fallbeispiele: Wasserskianlage Rossau - Regenrückhal- weise aus sehr starken finanziellen Engpässen heraus tebecken; Feldwege bei Frohburg; Feld- und Wiesen- eine äußerst fragwürdige Praxis bei der Erlangung von wege bei Wittenberg, Polizeidirektion Westsachsen Fördermitteln herausgebildet. Dabei wird versucht, Reparaturstau an verschiedenen Infrastrukturprojek- d) Zielsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie ten über Hochwassermittel abzudecken. Diese Praxis (WRRL) entzieht den Hochwasserfonds wichtige Finanzmittel. In sehr zahlreichen Fallbeispielen wurde die Zielset- Dabei wird regelmäßig gegen die Prinzipien der Nach- zung der EG-Wasserrahmenrichtlinie – die Forderung haltigkeit verstoßen. nach Unterlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen Fallbeispiele: Straßenausbau bei Grimma; Feldwege der gewässerabhängigen Landökosysteme und der bei Frohburg Erhaltung oder Herstellung eines guten ökologischen Zustandes der Oberflächengewässer – umsetzbar bis In zahlreichen Städten und Gemeinden ist ein verstärk- 2015, nicht hinreichend beachtet. tes Interesse an der Nutzung und Erschließung von Auch die teilweise geäußerten Bekenntnisse zur natur- Überschwemmungsgebieten zu verzeichnen. Zur Erlan- nahen Gestaltung der Flüsse einschließlich ihrer Ufer gung vermeintlicher infrastruktureller Standortvorteile und angrenzenden Auen fanden eher selten Eingang in der Gemeinde oder Region werden die Grundsätze den Planungsalltag. nachhaltigen Handels nicht beachtet. Fallbeispiel: Schloßmühle Frohburg, Weinskeaue, Fallbeispiele: Polizeidirektion Westsachsen; Wegebau Elsterbecken Leipzig zwischen Dessau und Aken e) Strategische Umweltprüfung Starke Nutzungsinteressen bestehen auch in den Fluss- auen in unmittelbarer Nähe der Überschwemmungsge- Hochwasserschutzkonzepte entstanden in der Regel biete. So ist teilweise in verschiedenen vom Hochwas- ohne Strategische Umweltprüfung. Dadurch werden ser betroffenen Regionen die erhöhte Mittelvergabe für kaum veränderbare hydrologisch bedingte Fixpunkte die Asphaltierung wenig genutzter Wege festzustellen. geschaffen. Die hohe Versiegelungsrate mag in den Einzelfällen Fallbeispiel: Weinskeaue gering erscheinen, sorgt aber in der Summation sicher für deutliche Effekte. Als Nebeneffekt wächst durch f) Natura-2000 den Wegebau auch das Schadenspotential. Die Hochwasserschutzkonzepte dienen in der Pra- Fallbeispiel: Asphaltierung von Feld- und Wiesenwe- xis der Planrechtfertigung aus sich selbst heraus. Im gen bei Wittenberg Zusammenhang mit Hochwasserschutzbauten stehende Konflikte, mit Natura-2000-Gebieten, können nur noch In allen betrachteten Gebieten hielten die Flächennutzer eine unechte, örtlich sehr eingeschränkte Varianten- / Gebäudenutzer an ihren gewohnten Nutzungsformen prüfung erfahren. Die Befreiungsvorrausetzungen für fest. Oft ist dabei wenig Selbstverantwortung bei der erhebliche Beeinträchtigungen in die Schutzgebiete Abschätzung des Hochwasserrisikos im Spiel gewesen. entstehen nur formal. Fallbeispiel: Kegelbahn – „Haus des Gastes“ Bad Fallbeispiel: Weinskeaue Schandau

30 WWF Deutschland g) Feststellung der Notwendigkeit zur und dadurch auch keine Hochwasserschäden entstan- Deicherneuerung den sein können. Hier müssen durch die Fördermittel Zusätzlich entstand bei den Fallrecherchen allgemein ausreichenden Behörden im Zweifelsfall auch Deich- ein Anfangsverdacht, daß möglicherweise verschiede- zustandsgutachten der Vergangenheit zum Vergleich ne Deicherneurungen nicht zwingend notwendig sind. herangezogen werden. Bei der Bewertung von Deichbauten werden geradezu idealtypische Zustandsbedingungen (Orientierung an Im Zusammenhang mit dem mangelhaften Zustand ständig nachgebesserten technischen Vorgaben, siehe von Deichen in gering besiedelten Gebieten ergibt sich DIN 19712 - Flussdeiche, derzeit in Überarbeitung, unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit immer das sowie aktuellster Entwurf des DWA Merkblatts DWA- Erfordernis, die Möglichkeit einer Deichrückverlegung M-507 Deiche an Fließgewässern, Februar 2007) als zu ernsthaft zu überprüfen. Nach unserer Kenntnis wurde erreichendes Ziel gesetzt. Bei der aktuellen Bewertung dieser Aspekt nur in den seltensten Fällen ernstlich in mancher Deiche wird ein erhöhter Sanierungsbedarf Betracht gezogen. So gibt es Beispiele, wo die Restaue festgestellt, obwohl die Deichzustände wenige Jahre gerade unter Aufwendung sehr hoher finanzieller Mittel vor dem Hochwasser dort noch als allgemein befrie- vor natürlicher Ausuferung der Flüsse bewahrt werden digend galten. Dies ist vor allem in den Regionen soll. bemerkenswert, wo kein Hochwasser stattgefunden hat Fallbeispiel: Weinskeaue

Elbehochwasser 2002 bei Dessau © WWF / Bernd Lammel

WWF Deutschland 31 32

WWF Deutschland 3.6.1.3 Die Einzelfälle im Überblick

Fall Beteiligung der Konflikte mit Flächennutzern im Konflikte mit gesetzlichen Vor- Beurteilung der Nachhaltigkeit Öffentlichkeit Falle einer nachhaltigen Pla- gaben nungsvariante Elsterbecken Leipzig Nein, es fand keine Be- Ja, mit Plänen der touristischen Ja, Entfernung eines gesetzlich Keine nachhaltige Projektstrategie, (3.6.2.1) teiligung in der gesetzlich Flussnutzung und eventuell der geschützten Biotops - einer struk- Kosten für Entsorgung der Sedimente entstehen vorgeschriebenen Form Zielvorgabe des Landschaftsbildes turreichen Insel im Vogelschutz- immer wieder, Verschwendung öffentlicher Mittel, statt. gebiet; gerichtliche Überprüfung Möglichkeiten zur Verbesserung der Gewässerquali- aufgrund mangelnder Klagerechte tät nicht optimal genutzt nach WRRL – künstlicher, gescheitert naturferner Gewässercharakter bleibt großflächig erhalten Weinskeaue Ja, allerdings nur formal Ja, wahrscheinlich mit Anwohnern Ja, regelmäßig Konflikte mit Keine nachhaltige Planungskultur, (3.6.2.2) und Landwirtschaft, möglicherwei- Schutzgebietszielen FFH und SPA, Grundsätzlich andere Alternativvarianten wurden se mit Industrieunternehmen ein anhängiges Gerichtsverfahren nicht untersucht, wurde durch Vergleich beendet HWSK ohne SUP, Möglichkeit einer Deichrückverlegung zur Verbes- serung der Gewässerqualität nicht untersucht, durch Investition im Flachglaswerk Erhöhung des Scha- denspotentials in der Flussaue Gehölzbeseitigung im Nein, es fand keine Be- Möglicherweise mit Hochwasser- Möglicherweise Verstoß gegen Großflächige Fällung der Weichholzaue in Schutz- Biosphärenreservat teiligung statt. schutz, eventuell wirken die Gehöl- FFH-RL gebieten, Gehölze werden als Abflusshindernis „Niedersächs. Elb- ze als erhebliches Abflusshindernis, eingestuft – wissenschaftliche Grundlage fehlt, talaue“ belastbare Studienergebnisse liegen möglicherweise Verstoß gegen WRRL (3.6.2.3) z. Zt. nicht vor Schlossmühlenwehr Genehmigungsverfahren keine bekannt Ja, falsche Planungsgrundlagen, keine nachhaltige Planung (aktueller Verfahrens- Frohburg, Instandset- dauert noch an, bisher keine fundierte FFH-Verträglich- stand), evt. Verschwendung öffentlicher Mittel, zung der Wehranlage keine ausreichende Öf- keitsprüfung, Verbesserungs-potential für Gewässerqualität nach (3.6.2.4) fentlichkeitsbeteiligung, weitere Konflikte mit Zielsetzung WRRL wird nicht ausgeschöpft - das Schloss- mangelhafte Beteili- § 19 Abs. 1 BNatSchG, Fischauf- mühlenwehr erfüllt keine Funktion, gungsunterlagen stiegshilfe bisher ohne erkennbare Erhöhung des Schadenspotentials durch Bau einer Funktion neuen unnötigen technischen Anlage Regenrückhaltebecken nicht untersucht Ja, bei Nullvariante mit Betreiber nicht überprüft keine nachhaltige Planung Rossau / Wasserski- der Wasserskianlage und Nutzung eines Regenrückhaltebeckens, anlage künstlich hohe Anstauung aus zentralisierter Regen- (3.6.2.5) wasserrückhaltung, Verhinderung des Wasserver- sickerns am Entstehungsort, durch zweckfremden Betrieb der Anlage entsteht erhöhtes Risiko. Fall Beteiligung der Konflikte mit Flächennutzern im Konflikte mit gesetzlichen Vor- Beurteilung der Nachhaltigkeit Öffentlichkeit Falle einer nachhaltigen Pla- gaben nungsvariante Polizeidirektion West- nicht untersucht unbekannt Konflikte mit dem SächsWG, Keine nachhaltige Planung, sachsen Neubau im Überschwemmungs- starke Erhöhung des Schadenspotentials in der (3.6.2.6) gebiet – Abflusshindernisse quer Muldenaue, großflächige Neuversiegelung im zur Fließrichtung Überschwemmungsgebiet, Bau mehrerer ca. 100 m langen Abflusshindernisse im festgesetzten Über- schwemmungsgebiet, Funktionalität einer wichtigen Behörde wird durch Standortwahl im Hochwasserfall gefährdet Staatsstraße S 88 bei Ja, aber nur formale Be- unbekannt Recherche läuft noch, bisher keine nachhaltige Planung, Zeithain teiligung, Warnungen der unbekannt Schaffung eines Abflusshindernisses in der Flussaue (3.6.2.7) Bürger, die den Elbestau der Elbe, Erhöhung des Schadenspotentials durch bei Hochwasser vorher- Bau einer Staatsstraße im Überschwemmungsgebiet, sagten, wurden ignoriert großflächige Neuversiegelung in der Flussaue Straßenausbau bei Nein, es fand keine Be- unbekannt nicht überprüft Neuversiegelung im Landschaftsschutz- Grimma teiligung statt. Gebiet, Fördermittelbetrug da keine Hochwasser- (3.6.2.8) schäden vorhanden – Hochwasserschutz werden wichtige Mittel entzogen Asphaltierung von Feld- Nein, nach unseren In- Ja, bei Nullvariante Konflikte mit möglicherweise, erfordert vertie- keine nachhaltige Planung, und Wiesenwegen bei formationen fand keine anliegenden Gemeinden und Flä- fende Rechtsprüfung großflächige Versiegelung von zahlreichen wenig Wittenberg Beteiligung statt chennutzern aus Landwirtschaft genutzten Wegen in der Flussaue, Erhöhung des (3.6.2.9) Schadenspotentials Verschwendung öffentlicher Mittel Feldwege bei Frohburg Ja, formal Ja, Konflikte bei Nullvariante mit möglicherweise, erfordert vertie- großflächige Versiegelung im Landschaftsschutz- (Nachtrag zu) (3.6.2.9) landwirtschaftlichen Nutzern und fende Rechtsprüfung gebiet Gemeinde Frohburg Wegeneubau Nein, aber unrechtmä- Ja, Stadtverwaltung Aken wünscht möglich, keine nachhaltige Planung, zwischen Dessau ßig, wurde von einem touristische Erschließung der Verstoß gegen Schutzziele SPA- Verschwendung öffentlicher Gelder,

WWF Deutschland und Aken Umweltverband auf dem Elbaue – Konflikte mit der Stadt und FFH-Gebiete, Klageverfahren neues Schadenspotential wurde erst künstlich im (3.6.2.10) Klageweg erzwungen treten bei Umsetzung der Nullvari- läuft Überschwemmungsgebiet durch den Wegebau ante auf angelegt Kegelbahn -„Haus des unbekannt Möglicherweise mit Betreibern der - Wiederherstellung von Schadenspotential in wasser- Gastes“ - Bad Schandau Kegelbahn gefährdeten Räumen in Flussnähe (3.6.2.11) 33 3.6.2. Einzelfälle Gewässer beseitigt werden, was jedoch seit mehreren 3.6.2.1 Elsterbecken Leipzig Jahrzehnten nicht mehr vollständig erfolgte. Seit den 1980er Jahren wurden diese Arbeiten praktisch ganz Verfahren: eingestellt. „Sedimentberäumung des Elsterbeckens im Abschnitt zwischen Palmgartenwehr und Zeppelinbrücke“ Die langgestreckte Schwemminsel besaß eine Fläche von ca. 1,8 ha. Es handelte sich bei der über mehrere Problemsachverhalt: Jahrzehnte hinweg kontinuierlich entstandenen Verlan- Entfernung einer natürlich entstandenen, naturschutz- dung um ein besonders geschütztes Biotop im Sinne fachlich wertvollen und unter Biotopschutz stehenden des Landesrechts (hier § 26 SächsNatSchG). Auf der Schwemminsel im Elsterbecken, die unter Gesichts- Insel waren verschiedene wertvolle Biotoptypen wie punkten des Hochwasserschutzes zumindest neutral, z. B. eine Weichholzaue, Röhrichtbestände und Kies- wenn nicht sogar positiv zu werten wäre bänke ausgeprägt. Nach übereinstimmender Auffassung der lokalen Umweltverbände (Grüne Liga, NABU) Lage des Elsterbeckens und der Schwemminsel handelte es sich bei der Schwemminsel um ein beson- Bundesland Sachsen ders hochwertiges Biotop.

Das Elsterbecken liegt zwischen Leipzig Zentrum und Projektleitung Leipzig West. Landestalsperrenverwaltung Sachsen, Talsperren- Es stellt mit seinen Uferbereichen die Kohärenz meisterei „Untere Pleiße“ Rötha zwischen dem nördlichen und südlichen Auwald her, welcher sich quer durch das Stadtgebiet erstreckt. Finanzierung Große Teile des Auwaldes sind als FFH- und SPA – Offiziell wurde die Maßnahme als Hochwasserscha- Gebiet „Leipziger Auwald“ gemeldet. densbeseitigung 2002 geführt. Es ist aber eindeutig belegt, dass große Teile der Schwemminsel bereits vor Die im Zuge von langjährigen stetigen Sedimentabla- dem Hochwasser 2002 bestanden. gerungen entstandene Schwemminsel befand sich im Südteil des Elsterbeckens ca. 150 Meter unterhalb des Projektbeschreibung Palmgartenwehrs. Bei der Maßnahme wurde die Schwemminsel mit ihren Lebensräumen vollständig entfernt. Beschreibung Elsterbecken und Schwemminsel Für die Zukunft ist eine großflächige Sedimentent- Das Elsterbecken ist ein künstlich geschaffenes Gewäs- fernung weiterer Bereiche im Elsterbecken geplant. ser. Die offene Wasserfläche erstreckt sich über 2,5 km Insbesondere soll die Mittelrinne des Beckens beräumt Länge und ist durchschnittlich 150 m breit. Die Was- werden. Die Entfernung der Schwemminsel und der sertiefe Es nimmt im Süden die Weiße Elster auf und Sedimente ist funktional Teil der Umgestaltung des verzweigt sich im Norden in , und Weiße Gewässerknotens Leipzig. Elster. Einerseits dient es u.a. zur Ableitung von Hoch- wasserereignissen. Vor allem entstand es jedoch aus Verfahrensstand stadtgestalterischen Gründen. Entlang einer traditionell Die Insel wurde im ersten Halbjahr 2006 vollstän- intensiv für Freizeit und Tourismus genutzten Grünach- dig beseitigt. Dabei wurden nach Schätzungen (Büro se (Stadtparks mit Freizeiteinrichtungen) wurde so ein Wolff) 15.000 m³ Sedimente aus dem Elsterbecken breiter Fluss simuliert. entnommen.

Aufgrund eines Konstruktionsfehlers setzen sich seit Hochwasserschutzkonzept Errichtung des Elsterbeckens in den 1920er Jahren jähr- Im Hochwasserschutzkonzept (2004) für den Gewäs- lich große Mengen von Sedimenten ab. Das Gewässer serknoten Leipzig ist vorgesehen, das Elsterbecken gilt als sog. Sedimentfalle. Das führte in der Vergan- künftig vom derzeitigen Fließ- in ein weitgehendes genheit immer wieder zu großflächigen Verlandungser- Standgewässer umzuwandeln. Dazu soll der in der scheinungen. Vergangenheit verschlossene Arm der Alten Elster Die teilweise hochgiftigen Sedimente (Ablagerun- wieder freigelegt werden und das normale Fließwasser gen zur DDR-Zeit) mussten im Laufe der Jahrzehnte aufnehmen. Die Durchflussmenge im Elsterbecken soll regelmäßig unter sehr hohem Kostenaufwand aus dem dagegen stark vermindert werden. Ein nennenswerter

34 WWF Deutschland Durchfluss würde hier nur noch im Hochwasserfall er- Strömungsgeschwindigkeit zu erhöhen. Anhand eines folgen. Damit würde auch das Sedimentationsproblem Modellversuchs wurde die Funktionalität der Variante verringert werden. überprüft. Diese Variante wurde im weiteren Planungs- verfahren jedoch vor allem aus Gründen der Stadt- Problemlage bildgestaltung (insbesondere im Zusammenhang mit Begründet wurde das Entfernen der Insel mit dem Ar- der Planung für Leipzigs Olympiabewerbung, die das gument, dass durch die Sedimente (und die Schwemm- Elsterbecken als zentralen Wassersportveranstaltungs- insel) im Elsterbeckens eine extreme Gefahrensituation ort vorsah) nicht weiterverfolgt. Das Elsterbecken soll für die Leipziger Wohnbebauung bestehen würde. Die- nach dem Wunsch der Stadt Leipzig als durchgehende se Darstellung ist jedoch nachweislich nicht zutreffend. Wasserfläche erhalten bleiben. (vgl. zu den Untersuchungen: Technische Universität Die Durchflusskapazität des Elsterbeckens (es ist mit Dresden, Institut für Wasserbau und Technische Hydro- 150 m breiter als die Elbe bei Dresden) reicht bereits dynamik (Hrg.) Prof. H. B. Horlacher (TU Dresden), jetzt vollkommen aus, um das gesetzlich festgesetzte Dipl.- Ing. A. Bobbe (TSM Untere Pleiße Rötha), Dipl. Bemessungshochwasser von 530 m³/s am Elsterbecken Ing. U. Möricke, Stabilisierung des Sedimenthaushaltes zu bewältigen. Dieses Ereignis entspricht einem HQ150 Im Gewässerknoten Leipzig, Präsentation Abschlußbe- (= Schutzziel für die Stadt Leipzig) und ist damit richt Gutachten zur Bewirtschaftung der Weißen Elster. statistisch betrachtet einmal in 150 Jahren zu erwar- Dresden: 2002) ten. Schon der erste Anschein, dass ausgerechnet der mit Abstand breiteste Abschnitt des Gewässerknotens Die Lage und Ausformung der mittlerweile entfernten Leipzig (150 m) seine gefährdete Engstelle sein soll, ist natürlichen Schwemminsel entsprach in vielerlei Hin- schwer nachvollziehbar. sicht genau den Anforderungen der hier vorgestellten Variante mit eingebauten Strömungshindernissen. Zunächst ist festzuhalten, dass eventuell zu erwartende Ausuferungen in der Restaue bzw. im Auwald erfolgen  Insgesamt konnten im Verfahren außer Ar- würden. Objekte mit großem Schadenspotential, sind gumenten der Stadtgestaltung und ggf. des von den Ausuferungen nicht betroffen (Vgl. etwa auch Denkmalschutzes keine nachvollziehbaren Schreiben Prof. Horlacher, Technische Universität Argumente vorgebracht werden, die das kos- Dresden, Institut für Wasserbau und Technische Hydro- tenintensive Entfernen des besonders wert- mechanik, vom 30.09.2005, dort Anlage: Diagramm, vollen Biotops Schwemminsel mit Gründen Wasserspiegellagen im Elsterbecken). Doch auch insge- des Hochwasserschutzes hätten rechtfertigen samt ließ sich bislang kein zwingender Zusammenhang können. zwischen einem Weiterbestehen der in Jahrzehnten ge- wachsenen Schwemminsel mit einem verstärkten Ausu- Unter hydrologischen Gesichtspunkten werden sich fern des Flusses im HQ 150-Fall überhaupt herstellen. auch nach der Umgestaltung (entsprechend HWSK 2004) zumindest im Hochwasserfall vor allem hinter Ein Dauerproblem im Elsterbecken ist seit Bestehen dem Palmengartenwehr verstärkt Sedimente absetzen. der Anlage die erwähnte ständige Sedimenteinlagerung, In diesem Zusammenhang könnte sich die Berücksich- in deren Folge das Gewässer regelmäßig verlandet. tigung der Einbringung von Einbauten nach dem oben Um die Sedimentation im Becken abzustellen, wurden schon erwähnten Modellversuch erneut anbieten - nicht im Rahmen der Erstellung eines Hochwasserschutz- zuletzt in Gestalt der Wiederherstellung der Insel. konzeptes verschiedene Varianten geprüft. In einem von der zuständigen Wasserbehörde (TSM Rötha) in Kosten der Maßnahme Auftrag gegeben Gutachten wird als günstige Variante Kosten für die Entfernung und Entsorgung der vorhan- zur künftigen Verminderung des Sedimentproblems und denen Sedimente wurden bisher nicht bekannt gegeben. Gewährleistung eines guten Wasserabflusses im Hoch- Eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Grüne wasserfall das Einbauen von Strömungshindernissen im im Sächsischen Landtag wurde durch das Sächsische Elsterbecken vorgeschlagen, die über den Wasserspie- Umweltministerium als „unbekannt“ beantwortet. gel herausragen. Zentraler Ansatz der Überlegung ist, Nach den bisherigen Erfahrungswerten muss aber mit in der Mitte des Elsterbeckens in Strömungsrichtung Kosten von ca. 750.000 € gerechnet werden (Kosten- eine relativ schmale Rinne zu belassen und damit die schätzung: 15.000m³ x 50 €/m³ - Nach einschlägigen

WWF Deutschland 35 Erfahrungen aus anderen Fällen sind für die Bergung der Nachhaltigkeit zurücktreten. Einerseits verursacht des Sediments ca. 50 € pro m³ zu veranschlagen). die Freihaltung des Beckens andauernde Unterhaltungs- kosten (Sedimentablagerung lässt sich nicht vollstän- Ob sich aus der weiteren Behandlung der teilweise dig unterbinden, Abbaggerungen bleiben auch künftig hoch belasteten Sedimente (Altbelastung mit Giftstof- erforderlich). Andererseits musste eine wasserbautech- fen aus DDR-Zeiten) weitere Folgekosten ergeben, nisch und naturschutzfachlich deutlich wünschenswer- kann bisher nicht beurteilt werden. tere Variante hinter diesem Gestaltungswunsch zurück- treten. Nachhaltigkeit Die gewählte Variante mit vollständiger Entfernung der Zusammenfassend ist festzuhalten: Schwemminsel war im Hinblick auf den Hochwasser- Es wurde keine nachhaltige Projektstrategie ange- schutz unnötig. Durch die Maßnahme wurde anderer- wandt. In Zukunft werden im Hochwasserfall immer seits zudem ein besonders wertvolles Biotop vernichtet wieder erhebliche Sedimentablagerungen statt- und es wurden unnötige Kosten verursacht. finden, die anschließend unter sehr hohen Kosten entsorgt werden müssen. Die Chance, dem naturfer- Zusätzlich sind Teile des Konzeptes zur Steuerung des nen, künstlich angelegten Gewässer Elsterbecken Gewässerknotens Leipzig zu hinterfragen. Insgesamt zumindest teilweise einen naturnahen Charakter zu scheint sich aus fachlicher Sicht das gezielte Verlanden- geben, wurde nicht genutzt. Obwohl sich durch die lassen von Teilen des Elsterbeckens mit strömungslen- Umgestaltung des Gewässerknotens Leipzig eine kenden Einbauten anzubieten. Bei natürlicher Gestal- allgemeine Verbesserung des Gewässerzustandes tung der Einbauten unter Verwendung der von selbst ergibt, steht die hier besprochene Einzelmaßnahme entstehenden Verlandungen aus Sedimenten, kann eine sogar im unmittelbaren Widerspruch zur WRRL. deutliche Aufwertung des Naturzustandes des künstlich angelegten und insgesamt naturfernen Elsterbeckens Quellen geschehen. Dabei sind allerdings zyklische Gehölz- FFH-Erheblichkeitseinschätzung zum Vorhaben, Hoch- rückschnitte auf den Verlandungen notwendig, die aber wasserschutz an Gewässern 1. Ordnung, Sediment- hinter den sehr hohen Kosten für eine Sedimententsor- beräumung Elsterbecken. Abschnitt Palmengarten- gung um ein Vielfaches zurückstehen. wehr – Zeppelinbrücke für den Gebietsvorschlag pSCI 4639-301 „Leipziger Auwald“. Der mangelhafte Grundansatz bei der Planung scheint Vogelschutzverträglichkeitsuntersuchung (VS-VU) zum dabei auf Kosten- und Terminzwänge zurückzuführen Vorhaben, Hochwasserschutz an Gewässern 1. Ord- zu sein. Die am Verfahrensprozess beteiligten Institu- nung, Sedimentberäumung Elsterbecken. Abschnitt tionen standen unter einem erheblichen Druck, freie Palmengartenwehr – Zeppelinbrücke für das gemel- Fördermittel in einem nur begrenzten Zeitraum abzuru- dete Vogelschutzgebiet (SPA) 4639-401 „Leipziger fen. Es wurde der nicht exakte Sachverhalt zu Grunde Auwald“. gelegt, es handle sich um einen reinen Hochwasser- Hochwasserschutz an Gewässern 1. Ordnung, Sedi- schadensbeseitigungsfall 2002, um die Anforderungen mentberäumung Elsterbecken. Abschnitt Palmen- der einschlägigen Förderichtlinien optimal zu erfüllen. gartenwehr – Zeppelinbrücke, Ausnahmeantrag für So konnte eine Finanzierungsmöglichkeit für ein seit Eingriffe in geschützte Biotope gemäß § 26 Sächs- Jahrzehnten bestehendes Problem gefunden werden, NatSchG, Fachliche Grundlagen, Darstellung der eine durchaus erhebliche Teilmenge der im Elsterbe- Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. cken abgelagerten Sedimente entsorgen lassen zu kön- Hochwasserschutz an Gewässern 1. Ordnung, Sedi- nen. Die qualitativ hochwertige Ausprägung der dabei mentberäumung Elsterbecken. Abschnitt Palmen- entfernten Ablagerungen als Schwemminsel und damit gartenwehr – Zeppelinbrücke, Ausnahmeantrag für als §-26-SächsnatSchG-Biotop im SPA-Gebiet und als Eingriffe in geschützte Biotope gemäß § 26 Sächs- Kohärenzelement zwischen den beiden Teilgebieten des NatSchG, Fachliche Grundlagen. FFH-Gebiets „Leipziger Auwald“ wurde nur unzurei- Schreiben Prof. Horlacher (Technische Universität chend gewürdigt. Dresden, Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik) vom 30.09.2005, dort Anlage: Dia- Hinter dem Wunsch der Stadt Leipzig, die Wasser- gramm, Wasserspiegellagen im Elsterbecken. oberfläche des Elsterbeckens aus stadtgestalterischen Technische Universität Dresden, Institut für Wasser- Gründen vollkommen freizuhalten, mussten Aspekte bau und Technische Hydrodynamik (Hrg.), Prof. H.

36 WWF Deutschland B. Horlacher (TU Dresden), Dipl.- Ing. A. Bobbe Graben fließen in die Elbe und verfügen über ein eige- (TSM Untere Pleiße Rötha), Dipl. Ing. U. Möricke, nes Deichsystem, um die Ausuferungen des Elberück- Stabilisierung des Sedimenthaushaltes Im Gewäs- staues im Hochwasserfall zu unterbinden. serknoten Leipzig, Präsentation Abschlußbericht Gutachten zur Bewirtschaftung der Weißen Elster. Das Gebiet wird von einem Altarm der Elbe durchzo- Dresden: 2002. gen. Im Westen der Aue steigt das Gelände kontinu- Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau ierlich an und bildet eine natürliche Begrenzung für und Technische Hydrodynamik (Hrg.), Ergebnisse Hochwasserereignisse. des Werkvertrages: Studie zu den Auswirkungen der Offenlegung des Elstermühlgrabens in der Es kommen nur vereinzelt Siedlungsstrukturen vor. Stadt Leipzig auf die Auslegung und Steuerung Diese sind kleinteilig und von einer geringen Bevölke- des Leipziger Gewässerknotens unter besonderer rungsdichte geprägt. Die Flächennutzung ist vor allem Berücksichtigung der Anforderungen der EU-Was- landwirtschaftlich. serrahmenrichtlinie und des Sedimenttransportes der Weißen Elster. Präsentation am 25. Juli 2003. Während der Hochwasserereignisse im Jahr 2002 gab Leipziger Volkszeitung. Ausgabe vom 17. / 18. Septem- es nördlich von bei Polbitz eine Deichüberströ- ber 2005, S. 19 Artikel: Gericht stoppt Bagger. mung an der Elbe. Insgesamt war die Situation sehr Hochwasserschutzkonzept „Weiße Elster“, Stand angespannt, da der Elbehauptdeich durch Unterdimen- 24.09.2004. sionierung und jahrzehntelange Vernachlässigung in seiner Funktionstüchtigkeit stark geschwächt war und 3.6.2.2 Weinskeaue zu brechen drohte. Verfahren: Im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren Beschreibung des Projektes Y1 – Elbe- Schwarzer Graben / Weinske, Hochwasser- Im Jahr 2004 wurde mit der Errichtung von Teilen schutz Torgau, Neubau Binnendeich Überprüfung und des Binnendeiches (Hinterdeich), Verfahren Y1 - Instandsetzung der Weinskedeiche Elbe- Schwarzer Graben / Weinske Instandsetzung des rechten Weinskedeiches, begonnen. Etwa zeitgleich Problemsachverhalt: begannen die Sanierungs- bzw. Ausbauarbeiten an den Potentiale für Deichrückverlegungen nördlich von angrenzenden Elbedeichen (Hauptdeiche). Torgau verbunden mit bestehenden Möglichkeiten einer ökologischen Aufwertung und Potential zur Kostener- Durch die Sanierung und Ausformung des rechten sparnis werden durch die vorschnelle und kosteninten- Weinskedeiches als Binnendeich sowie die Sanierung sive Schaffung vollendeter Tatsachen dauerhaft unge- der Elbehauptdeiche nördlich von Torgau wurden zwei nutzt bleiben müssen. Fixpunkte geschaffen, die eine Deichrückverlegung an der Weinskeaue im Sinne einer zwingenden Logik der Lage Folgemaßnahmen unmöglich machen. Bundesland Sachsen Die Deichausbauten und die Projektierung der Maßnah- Der hier betrachtete Teil der Weinkeaue liegt nördlich me erfolgten ohne (d.h. zeitlich vor dessen Fertigstel- von Torgau. lung) Hochwasserschutzkonzept für das Gewässersys- tem Weinske / Schwarzer Graben. Schutzgebiete: - FFH-Gebiet „Elbaue zwischen Mühlberg und Verfahrensstand Greudnitz“ durchzieht die Aue Die Deichbauarbeiten am Binnendeich nördlich von - SPA-Gebiet „Teichgebiet und Elbaue bei Torgau“ Torgau sind heute weitgehend abgeschlossen. nimmt große Teile der Aue ein - LSG „Mittlere Elbe“ Sachverhalt Ausgehend von den Ereignissen und der bedrohlichen Kennzeichen des Gebietes Situation durch das Hochwasserereignis 2002 wünschte Die Weinskeaue wird von verschiedenen kleineren die Leitung des Flachglaswerkes Torgau und die des Fließgewässern wie Schwarzem Graben und Laggen- Gesamtunternehmens, zu dem das Werk gehört, einen graben durchzogen. Die Weinske und der Schwarze soliden Hochwasserschutz für die hoch empfindliche

WWF Deutschland 37 Industrieanlage. Der weltweit organisierte Konzern Elbe wäre auch diese Variante durchaus mit vorrangig machte seine Entscheidung für weitere geplante Inves- zu untersuchen gewesen. Allerdings ist dieses Szenario titionen am Standort Torgau von dem Vorhandensein für die Entwicklung des Naturraums weniger günstig zusätzlicher Hochwasserschutzmaßnahmen abhängig. als die hier ausführlich dargestellte Variante der natürli- Mit dieser Aussage entstand ein beträchtlicher poli- chen Flutung der Weinskeaue ab einem HQ 25. tischer Druck auf die Entscheidungsträger, da durch eine in Aussicht gestellte Investition im Flachglaswerk Kostendiskussion zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Bei Beachtung folgender Rahmenbedingungen wäre durch die Nutzung der Weinskeaue als natürlicher Den Planungen für diesen betrieblichen Schutz legten Retentionsraum möglicherweise eine Kosteneinsparung die Planungs- und Genehmigungsbehörden - unter bezüglich wasserbaulicher Maßnahmen zu erzielen Vorwegnahme der noch in Entstehung befindlichen gewesen. Diese Variante wurde allerdings nicht unter- Hochwasserschutzkonzepte - die vorhandenen Deiche sucht. an der Weinske nördlich Torgau in ihrem bisherigen Verlaufs zugrunde. Zusätzlich zum Hauptdeich sollte Formulierung einer Alternativvariante: für das Flachglaswerk ein zweiter Schutzdeich er- 1. Ausformung der jetzigen Binnendeiche nördlich richtet werden, für den Fall, dass der Hauptdeich hier Torgaus als Elbehauptdeiche mit Anschluss an brechen könnte. Eine generelle Untersuchung, ob sich die benachbarten Höhenzüge (möglicherweise als die Weinskeaue nördlich von Torgau zum natürlichen Überdimensionierung zum besonderen Schutz der Überschwemmungsgebiet oder Poldergebiet umwan- Bevölkerung Torgaus) deln lassen könnte, unterblieb. Mögliche alternative 2. Zurückverlegung der Elbedeiche nach Westen bei Schutzmaßnahmen, wie die im Planungsprozess von Beachtung der natürlichen Geländeprofilierung der dritter Seite (BUND Sachsen entsprechend eines Ange- Weinskeaue bots eines auf Deichbau spezialisierten Unternehmens) 3. Rückbau der derzeitigen Elbehauptdeiche - Ausfor- eingebrachte Möglichkeit der Errichtung einer mobilen mung dieser Deiche für einen Hochwasserschutz Hochwasserschutzeinrichtung für das Flachglaswerk HQ 25 – dies entspricht den Schutzzielen der loka- wurden nicht weiter untersucht. Weiter sind auch die len Infrastruktur Zielstellungen der WRRL nicht hinreichend in die Pla- 4. Sicherung der Ortlagen und Einzelobjekte mit hö- nung eingeflossen. herem Schutzstatus im entstehenden Überflutungs- gebiet mit wasserbaulichen Anlagen die für einen Die Untersuchung von Alternativen zu diesem System HQ 100 Schutz bieten (Ringdeiche mit entspre- aus bestehendem (zu ertüchtigenden) Hauptdeich und chender Entwässerung) zweitem Deich im Hinterland hätten sich hier jedoch 5. Bau eines leistungsfähigen Auslassbauwerkes am aus ökologischen und vor allem aus finanziellen Grün- Schnittpunkt der Weinske mit den Deichen (jetzt den angeboten. als Binnendeiche ausgebaut) nördlich Torgaus 6. Sanierung der Weinskedeiche im Bereich des Elbe- Die Errichtung der Schutzdeiche für das Flachglaswerk rückstaus bei einem Hochwasserereignis der Elbe war mit erheblichen Eingriffen in die schutzgebiets- von HQ 25 spezifischen Erhaltungsziele von Natura-2000-Ge- 7. vorhandene Weinskedeiche können nördlich Tor- bieten verbunden. Eine vorausschauende Betrachtung gaus entsprechend dem Überschwemmungsregime der Gesamtmaßnahmen mittels einer Strategischen der Weinske unter entsprechender Beachtung der Umweltprüfung fand bisher nicht statt. So folgte die Elbehochwasserereignisse ausgeformt werden Grundausrichtung der Maßnahmen im Gebiet vor allem (Schutzziel für die lokale Infrastruktur läge bei HQ hydrologischen Überlegungen und den Interessen der 25 der Weinske) traditionellen Flächennutzung. 8. Durchstich verschiedener Verwallungen in der Weinskeaue zur Verbesserung des Abflussverhal- Die Möglichkeit, die Weinskeaue eventuell als Polder- tens im Hochwasserfall der Elbe größer als HQ 25 gebiet zu verwenden, kann durch die bereits stattge- 9. Flächenkauf bzw. Entschädigung der von der fundene Ausformung der Weinskedeiche im Norden Rückverlegung betroffenen Flächennutzer – hier Torgaus als Binnendeiche nun jedoch nicht mehr sind durchaus kreative Ansätze möglich sinnvoll untersucht/geplant werden. Bezüglich der ef- 10. Einrichtung eines Flächenpools für Ausgleichs- fektiven Verringerung des Hochwasserscheitels auf der und Ersatzmaßnahmen im Zusammenhang mit

38 WWF Deutschland anderen wasserbauliche Maßnahmen Beurteilung der Nachhaltigkeit (Einnahmequelle) Die hier vorliegende Hochwasserschutzplanung im Ge- biet der Weinskeaue geschah nicht unter nachhaltigen Im Moment werden bereits zahlreiche wasserbauliche Gesichtspunkten. Unter politischen Druck wurden Fix- Maßnahmen in der Weinskeaue und an den wieder punkte im Deichsystem geschaffen, die nur noch eine errichteten Elbehauptdeichen nördlich von Torgau Gestaltungsmöglichkeit, nämlich den weitestgehenden umgesetzt bzw. sind in der Zukunft geplant. Sie werden Wiederaufbau der historischen Deichanlagen im Gebiet hier nur summarisch dargestellt. ermöglichten. Aspekte einer naturnahen Entwicklung und die Schaffung von zusätzlichem Retentionsraum 1. Sanierung und teilweise Ausbau sämtlicher Elbdei- wurden nicht hinreichend betrachtet. che zwischen Torgau (Repitz) und Polbitz. (Dieses Teilstück verursacht anteilig gesehen die höchsten Auch bezüglich der Auswirkungen und Entwick- Baukosten an den Gesamtbaukosten im Gebiet) lungschancen der Hochwasserschutzmaßnahmen auf 2. Ringdeiche mit Entwässerungsbauwerken um ver- die großflächig vorhandenen Natura-2000-Gebiete schiedene Ortslagen im Gebiet des Elberückstaus fand keine vorausschauende Berücksichtigung in der in die Weinskeaue (sind in der Diskussion) Rahmenplanung des Gesamtgebietes statt. Als Folge 3. Sanierung und Ausbau der Weinskedeiche im des frühzeitig verfestigten Planungsrahmens waren Rückstaubereich der Elbe (verbunden mit beträcht- umfangreiche, erhebliche Eingriffe zu verzeichnen, die lichen Kosten) man regelmäßig hätte abmildern oder durch eine grund- 4. Möglicherweise Errichtung eines Auslassbauwerk sätzliche Renaturierung der Aue deutlich überkompen- für die Weinske am Binnendeich nördlich Torgaus sieren können. 5. Durchstich verschiedener Verwallungen in der Weinskeaue zur Verbesserung des Abflussverhal- Hier zeichnet sich auch ein gravierender Mangel bei tens im Hochwasserfall allen bestehenden Hochwasserschutzkonzepten ab. Die HWSK entstanden unter starkem Zeitdruck und Durch die Rückverlegung bzw. wesentlich geringere stellen vor allem hydrologische Optimierungsvarianten Dimensionierung der Elbehauptdeiche hätten umfang- dar. Naturschutzfachliche Betrachtungen gingen nur reiche Mittel freigesetzt werden können. Inwieweit in geringem Umfang in die Gestaltung der jeweiligen diese Mittel ausreichend wären, die entstehenden Mehr- Maßnahmenkataloge mit ein. Auch Strategische Um- kosten für z. B. den aufwendigeren Schutz der Ortlagen weltprüfungen, die ja bereits bei der Aufstellung von und die Flächenkäufe abzudecken, bedürfte allerdings Plänen und Programmen dieser Art notwendig gewesen einer vertiefenden Untersuchung. wären, können nur noch nachgereicht werden. Es ist zu Mit zu berücksichtigen ist überdies, dass wegen des bezweifeln, dass die nachfolgenden Strategischen Um- Rückstaus der Elbe bei Hochwasserereignissen vorsor- weltprüfungen, die bereits durch zahlreiche wasserbau- gende umfangreiche wasserbauliche Arbeiten an den lichen Maßnahmen verfestigten Rahmenbedingungen Weinskedeichen und an den Schutzeinrichtungen der grundsätzlich verändern. Ortslagen notwendig sind. Da die Aue eine natürliche Senke darstellt, könnten verschiedene Deiche bei einer Besonders betroffen von dieser Fehlentwicklung sind Rückverlegung unnötig werden; hätten die Instandset- die Natura-2000-Gebiete. zungsarbeiten also letztlich eingespart werden können. Durch die eigentlich korrekte Einstufung der Hoch- wasserschutzmaßnahmen als relevant für den Schutz Sicherheitsaspekt des Menschen werden bei erheblichen Eingriffen in Bei der nun bereits verfestigten Hochwasserschutz- die Schutzgebietsziele die rechtlichen Befreiungsvor- variante – Erhaltung der Elbdeiche am alten Standort aussetzungen nach Artikel 6 Absatz 4 der FFH-RL in - müssen auch noch Sicherheitsaspekte betrachtet Anspruch genommen. Diese können aber eigentlich werden. Aus der Lage des Elbealtarmes im Deichhin- formallogisch nicht geltend gemacht werden, da bei terland resultiert eventuell ein erhöhtes Risiko für einen der Aufstellung der Hochwasserschutzkonzepte die Deichbruch. Bei den Hochwasserereignissen im Jahre jeweiligen Schutzgebietsziele eben nicht von Anfang an 2002 gab es deutliche Anzeichen, dass die Flüsse bei betrachtet wurden. Extremereignissen die Neigung besitzen, sich in ihren Allgemein wird dann im Planungsalltag unter Beru- ehemaligen Verlauf auszubreiten. fung auf die Hochwasserschutzkonzepte der Anschein

WWF Deutschland 39 erzeugt, es gäbe beim jeweiligen Teilprojekt nur eine Schwarzer Graben / Weinske, Stand: 10.09.2004 planbare Hauptvariante von der nur minimal abgewi- Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen, chen werden könne. Die nun in der Folge zwingend er- Talsperrenmeisterei Untere Pleiße, Y1 – Elbe- scheinenden Beeinträchtigungen der Schutzgebietsziele Schwarzer Graben / Weinske, Hochwasserschutz hätten aber bereits durch die entsprechende Würdigung Torgau, Neubau Binnendeich Überprüfung und der Schutzgebietsanforderungen bei der Aufstellung der Instandsetzung der Weinskedeiche, Entwurfs- und Hochwasserschutzkonzepte minimiert werden können. Genehmigungsplanung, Februar 2004 Dieser wichtige Planungsschritt geschah aber nicht. Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen, Landestalsperrenverwaltung Sachsen, Betrieb El- Zusammenfassend ist festzuhalten: baue / Mulde / Untere Weiße Elster, verschiedene Es gab im Gesamtgebiet der Weinskeaue, nördlich Entwurfs- und Genehmigungsplanungen Z . (X.X) von Torgau, keine nachhaltige Planungskultur. Elbe, Instandsetzung Elbedeiche Grundsätzlich beachtenswerte Alternativen zur Ent- wicklung der Aue wie die Nutzung als Polder bzw. 3.6.2.3 Gehölzbeseitigung in der Elbaue im natürliches Überschwemmungsgebiet wurden nicht Biosphärenreservat „Niedersächsische untersucht. Die Zielsetzungen der EG-Wasserrah- Elbtalaue“ menrichtlinie fanden bei Vorplanung keine hinrei- Verfahren: chende Berücksichtigung. Gehölzentfernungen in der Elbtalaue bei Lüchow-Dan- nenberg und Lüneburg Quellen Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Land- Problemsachverhalt: wirtschaft, Ergebnisse der landesweiten Priorisie- In Vorwegnahme der Ergebnisse noch ausstehender rung von Hochwasserschutzmaßnahmen. HWSK Untersuchungen zu Auswirkungen der Gehölze auf Maßnahmenliste, 30.11.2005, S. 113 Hochwasserereignisse werden vollendete Tatsachen Ingenieurbüro Hensen und Klemm GmbH, Hochwas- geschaffen und unmittelbar der Verwirklichung der serschutzkonzept „Schwarzer Graben / Weinske“. WRRL entgegengewirkt und ggf. sogar den Anforde- Anhang 6, Kostenvergleich 27.09.2004 rungen an einen vorbeugenden Hochwasserschutz. Ingenieurbüro Hensen und Klemm GmbH, Hoch- wasserschutzkonzept „Schwarzer Graben / Weins- Lage ke“. Anlage 13, Maßnahmeplan Priorisierung, Bundesland Niedersachsen 27.09.2004 Ingenieurbüro Hensen und Klemm GmbH, Hochwas- Der Eingriff findet in folgenden Schutzgebieten statt: serschutzkonzept „Schwarzer Graben / Weinske“. - Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“ Anlage 13, Kostenzusammenstellung, 27.09.2004 - FFH-Gebiet „Niedersächsische Elbtalaue zwischen Ingenieurbüro Hensen und Klemm GmbH, Hochwas- Schnakenburg und Lauenburg“ serschutzkonzept „Schwarzer Graben / Weinske“. - SPA-Gebiet „Niedersächsische Mittelelbe“ Tabelle 9-2, Zusammenfassender Maßnameplan, 10.09.2004 Die Gehölze befinden sich im Deichvorland und sind Torgauer Zeitung, 05.10.2005. Artikel: Ein Bollwerk häufig als Weichholzaue – FFH-Lebensraumtyp LRT gegen die Flut *91E0 – ausgeprägt. Dieser prioritär geschützte Le- Freistaat Sachsen, LfUG, Referat: Wasserbau, Hoch- bensraumtyp gehört zu den Schutzgebietszielen des wasserschutz, Geyer, Harald; Hochwasserschutz- genannten FFH-Gebietes. konzepte – Schutzziel. Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministeriums Die Gehölzentfernungen sollen auf einer Länge von für Umwelt und Landwirtschaft vom 27.08.2004, 25 Flusskilometern geschehen und sind z. Zt. wieder Mehr Hochwasserschutz für Torgau. begonnen worden. Akteneinsicht am 30.11.2006 im RP-Leipzig in das Hochwasserschutzkonzept „Schwarzer Graben / Projektträger Weinske“ (Endfassung) Durch Erlass des Niedersächsischen Umweltministeri- Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen, ums wurden die Lokalverwaltungen, Lüchow-Dannen- Talsperrenmeisterei Untere Pleiße Erstellung eines berg und Lüneburg mit dem Vollzug der Gehölzentfer- flussgebietsbezogenen Hochwasserschutzkonzepts, nung in der Elbtalaue beauftragt.

40 WWF Deutschland Öffentlichkeitsbeteiligung Dies ist um so beachtlicher, da die derzeitigen Gehölz- Es hat kein Verfahren mit Beteiligung der Öffentlich- beseitigungen erhebliche Beeinträchtigungen in allen keit stattgefunden. oben genannten Schutzgebieten darstellen. Nach dem Vorsorgeprinzip hätten erst die Ergebnisse einer fach- Sachverhalt gerechten Überprüfung abgewartet werden müssen. Im Oktober 2002 verabschiedete der Niedersächsische Einmal entstandene Schäden in den Schutzgebieten Landtag einstimmig das Gesetz über das Biosphärenre- sind nur über sehr lange Zeiträume heilbar. servat „Niedersächsische Elbtalaue“. Nach dem Willen des Landtags sollte so das Gebiet mit seinen landschaft- An der Universität Karlsruhe hält man bislang für lichen, kulturellen, sozialen und ökonomischen Werten möglich, dass Gehölzgruppen nur dann eine spürbare erhalten und entwickelt werden, um so ein Miteinander Auswirkung auf die Scheitelhöhe von Hochwasserspie- von Mensch und Natur möglich zu machen. Ziel ist es, geln entfalten können, wenn sie in Form eines durch- in der stark landwirtschaftlich geprägten, aber sonst gehenden Riegels quer zur Abflussrichtung im Abfluss- strukturschwachen Region, die einmalige Elbeland- kanal liegen. Dies würde signifikante Auswirkungen schaft als Kapital für die weitere wirtschaftliche Ent- einzelner Gehölzgruppen auf die Scheitelhöhe schon wicklung insbesondere im Bereich des naturbezogenen grundsätzlich ausschließen. Andererseits könnten Ge- Tourismus zu nutzen. hölzgruppen im Sinne einer Erhöhung der Rauhigkeit des Abflussgerinnes zu einer erwünschten Verringerung Fast gleichzeitig wurde 2002 aufgrund des Elbehoch- der Abflussgeschwindigkeit beitragen. wassers von der damaligen Bezirksregierung Lüneburg für diesen Bereich ein Gutachten zur Hochwassermo- Obwohl die Ergebnisse der Stellungnahme der Uni- dellberechnung beauftragt. Dabei sollten vor allem die versität Karlsruhe im März des Jahres 2006 allgemein Auswirkungen der zunehmenden Verbuschung der Aue bekannt geworden sind, hält das Niedersächsische auf den Hochwasserabfluss untersucht werden. Das Umweltministerium weiter an seinem Anfang Juli 2005 Untersuchungsgebiet erstreckte sich über eine Län- verabschiedeten Erlass „Handlungsvorgaben zur Redu- ge von 100 Flusskilometern von Schnackenburg bis zierung der den Hochwasserabfluss beeinträchtigenden Hohnsdorf. Verbuschung im niedersächsischen Abschnitt der Mit- telelbe“ fest. Weiterhin blieb auch die vom Landkreis Ausgehend von den Ergebnissen des Gutachtens ent- Lüneburg im August 2005 erstellte Verfügung zur „Be- stand von Seiten der Bezirksregierung Lüneburg die seitigung und Reduzierung der den Hochwasserabfluss pauschale Aussage, dass der Anstieg des Wasserspie- beeinträchtigenden Verbuschung in dem zum Landkreis gels um bis zu 50 cm beim Hochwasser 2002 aus der gehörenden Abschnitt der Mittelelbe“ gültig. Die in die- Vegetationsentwicklung resultiert. sem Zusammenhang entstanden Entbuschungspläne mit Übersichtkarten zur Gehölzbeseitigung in der Elbaue Diese pauschalisierte Auslegung des Gutachtens konn- werden von der Behörde weiter als belastbar eingestuft. ten durch eine Überprüfung des Instituts für Wasser- und Gewässerentwicklung der Universität Karlsruhe Nach der zwischenzeitlichen Unterbrechung der Ge- widerlegt werden. Die Autoren weisen in der Stellung- hölzentfernung während der Vegetationsperiode wurde nahme nach, dass die Grundlagendaten und die Art Ende 2006 erneut mit der Abholzung begonnen. Bei des Einsatzes des gewählten Berechnungsmodells nur diesen Arbeiten wurden mehrer Biberwohnstätten (Er- sehr ungenaue Ergebnisse zulassen. Nach ihrer Ansicht haltungsziel des FFH-Gebietes, Art des Anhanges II der sind die Ergebnisse des Gutachtens nicht geeignet, den FFH-RL) und umfangreiche Lebensräume zahlreicher Wasseranstieg um 50 cm als Ergebnis der Vegetations- anderer Arten zerstört. FFH-Verträglichkeitsprüfungen bezüglich der Eingriffe in die Natura-2000-Gebiete Nach Auswertung des Sachstandes kann bisher kei- fanden jedoch nicht statt. ne eindeutige, qualifizierte Aussage zu der tatsäch- lichen Wirkung der Vegetation im Deichvorland auf Bewertung der Nachhaltigkeit das Abflussverhalten der Elbe bei Hochwasser im Die Gehölzbeseitigung in den Schutzgebieten verstößt hier betrachteten Abschnitt getroffen werden. Nur gegen die Kriterien einer nachhaltigen Planungs- durch weitere Untersuchungen kann eine eindeutige kultur. Solange keine stichhaltigen Beweise über die Bewertungsgrundlage geschaffen werden. tatsächliche Wirkung der Weichholzaue im Vordeich- land der Elbe existieren, hätte man keinesfalls mit

WWF Deutschland 41 den eingriffsintensiven Arbeiten beginnen dürfen. Im könnten mit erheblich geringerem Aufwand erreicht Moment ist dringend der sofortige Stopp der Fällarbei- werden. ten anzuraten. Besonders schwerwiegend ist das vorschnelle Handeln Lage der Landesbehörden, da das hochsensible Gebiet Jahr- Bundesland Sachsen zehnte zur Regeneration braucht. Das Schlossmühlenwehr gehört zum Gemeindegebiet Es wird empfohlen, die noch ausstehenden Er- der Stadt Frohburg und liegt unterhalb des Schlosses. gebnisse neuer Studie abzuwarten. Sollte sich als Es staut den Fluss Wyhra auf, der als Gewässer erster Ergebnis dieser Studien nur eine geringe Relevanz Ordnung eingestuft ist. Planungsrechtlich muss der der Gehölze auf das Abflussverhalten des Gewässers Standort dem Außenbereich nach § 35 BauGB zugeord- herausstellen, wäre die bereits stattgefundene groß- net werden. flächige Fällung als Verschlechterung des Gewässer- zustandes und damit als grober Verstoß gegen die Außerdem liegt das Wehr im Zielsetzung der WRRL einzustufen. - FFH-Gebiet „Wyhraaue und Frohburger Streitwald“ und im Wenn die notwendigen Studien eine bedeutende - Landschaftsschutzgebiet „Kohrener Land“. Wirkung der Gehölze als Abflusshindernis feststel- len sollten, wäre dann im Nachgang zunächst über Bei der Anlage des Wehres, vermutlich Ende des 19. mögliche Alternativvarianten zur Erhöhung der Jahrhunderts, kam es in der unmittelbaren Umgebung Durchflussmengen nachzudenken. flussaufwärts zu einer Verlegung des Flussbettes der Wyhra um 40 Meter. Der alte, ursprüngliche Verlauf Ein weiterer Aspekt zur Betrachtung des Baumbe- ist oberhalb des Wehres noch deutlich als Flussbett standes im Deichvorland sollte auch die Schutzfunk- ausgeformt. tion von Einzelbäumen für Hochwasserdeiche bei Oberhalb der Stauhaltung des Wehres befindet sich die Eisgang sein. Restaue der Wyhra die auch Bestandteil des FFH-Ge- bietes ist. Quellen Lehmann, Boris; Schneider, Sandra, Universität Karls- Projektleitung ruhe, Institut für Wasser und Gewässerentwicklung, Talsperrenmeisterei Untere Pleiße – Rötha / Flussmeis- Stellungnahme zum Schreiben Az 502.15-62023/2- terei Borna 2.1 der Bezirksregierung Lüneburg sowie zum Un- tersuchungsbericht zur natürlichen Gehölzsukzes- Beschreibung des Projektes sion im Vorlandbereich der Elbe (ibs Ingenieurbüro Das Schlossmühlenwehr befindet sich in einem deso- Schwerin, 2004, Projekt-Nr. 502.367). Karlsruhe: laten Zustand. Es soll grundhaft instand gesetzt wer- 28.02.2006 den. Dabei ist ein erheblicher Ausbau des Baukörpers Pressemitteilung des Bundesministeriums für Umwelt der Wehranlage vorgesehen. Neben dem Ausbau der und Reaktorsicherheit, Nr. 320/06 vom 01.12.2006, Grundkonstruktion sollen ein Tosbecken sowie ein Titel: Gabriel kritisiert Sanders Abholzaktion in Bedienhaus entstehen. niedersächsischen Auenwäldern Wie stark sich dadurch künftig das Wasserregime ver- Datenrecherche bei verschiedenen Organisationen (Par- ändert, ist bisher schwer abschätzbar. Es ist aber stark teien, Umweltverbände) zu vermuten, dass sich durch die baulichen Verände- rungen das Abflussverhalten und die Sedimentation 3.6.2.4 Schlossmühlenwehr Frohburg – Instandset- insgesamt verändern werden. zung der Wehranlage Die für das geplante Wehr festgelegte Stauhöhe liegt Verfahren: bei 162,0 mHN. Diese ist allerdings nicht eindeutig Grundhafte Instandsetzung und Ausbau des Schloss- begründbar. Sie wurde in der Vergangenheit durch den mühlenwehrs bei Frohburg Aufsatz von beweglichen Brettern bewerkstelligt und stellte nach ihrer Funktion eine Art Reservestaumög- Problemsachverhalt: lichkeit für die ausreichende Wasserbeschickung der Das Vorhaben steht in keinem sachlichen Zusammen- Mühle dar. Die feste baulich fixierte Stauhöhe liegt ca. hang mit dem Hochwasserschutz. Sonstige Zwecke bei 161,5 mHN.

42 WWF Deutschland Zusätzlich soll die künftige Durchgängigkeit des Ge- Diese Darstellung ist bisher in keiner Weise schlüs- wässers durch eine Fischtreppe hergestellt werden. Eine sig begründet worden. Die Steuerung der Stauhal- solche war bisher nicht vorhanden. tung kann tatsächlich nur äußerst geringe Effekte Allerdings ist die bisher vorgelegte Planungsvariante erzielen, da oberhalb des Wehres nur ein verhältnis- der Fischaufstiegshilfe nicht funktionstüchtig. mäßig geringer Rückhalteraum existiert.

Außerdem wurde in der Vergangenheit Wasser für die Im aktuellen Hochwasserschutzkonzept für die Wy- Bespannung des oberhalb des Wehres liegenden und hraaue wird für die Maßnahme Schlossmühlenwehr von der Wyhra abzweigenden Schlossgrabens ange- der Rückbau und die Einrichtung einer sog. Sohl- staut. Heute wird die Mühle nicht mehr betrieben – das rampe favorisiert. Der Wiederaufbau wird nur als Wasserecht ist erloschen. eine mögliche Option in Erwägung gezogen.

Baukosten Das Genehmigungsverfahren befindet sich nun mit- Die Bausumme beträgt nach bisherigem Kenntnisstand tlerweile im dritten Anlauf, da die ersten Planungen ca. 1,26 Millionen Euro. nicht genehmigungsfähig waren. Dabei spielte das Argument Hochwasserschutz in der ursprünglichen Verfahrensstand Planung immer nur eine marginale bzw. keine Rolle Die Genehmigungsplanung ist noch nicht abgeschlos- bei der Planbegründung. Bei der Auswerten der sen. Die öffentliche Beteiligung und Auslegung hat Aktenlage (z. B. Schriftwechsel zwischen den betei- bisher nur unvollständig stattgefunden, da nur der ligten Ämtern) konnte der Eindruck entstehen, als Verfahrensteil wurde nur bezüglich der Fischaufstiegs- würde das Argument Hochwasserschutz nachträg- hilfe öffentlich ausgelegt wurde. Weitere Eingriffe, die lich in die Planbegründung der folgenden Planungen durch den Ausbau bedingten wurden, liegen der Öffent- implantiert, um die Genehmigungsfähigkeit für das lichkeit nicht vor. Insbesondere die Beteiligungsrechte Projekt überhaupt herstellen zu können. der anerkannten Naturschutzverbände sind dadurch beschnitten. Sie wären nach § 57 SächsNatSchG bei • Argument 2 diesen Eingriffen in die oben genannten Schutzgebiets- Das Wehr sei notwendig, um die wertvolle Fauna kategorien aber zwingend zu beteiligen. und Flora oberhalb des Wehres zu schützen. Dabei wäre es zwingend notwendig, exakt die Stauhöhe Sachlage von 162,0 mNH herzustellen. Beim Unterschreiten Das Schlossmühlenwehr befindet sich in einem sehr dieser Stauhöhe käme es zu einem signifikanten schlechten baulichen Zustand. Dieser schlechte Zu- Rückgang des Grundwasserstandes mit entsprechen- stand resultiert in erster Linie aus der jahrzehntelangen den Schäden an den genannten Schutzgütern. Vernachlässigung und im geringeren Maße aus den Hochwasserereignissen der letzten Jahre. Insgesamt ist Auch hier kann die Argumentation nicht als schlüs- festzustellen, dass dringender Handlungsbedarf für das sig bewertet werden: Objekt besteht. Sachverhalt: Die Stauhöhe von 161,5 mHN wur- Da der ursprüngliche Zweck des Wehres nicht mehr de durch das Entnehmen des oberen erwähnten gegeben ist, nämlich die Wyhra zum Betrieb der Brettaufsatzes, bereits über eine volle Vegetations- Schloßmühle anzustauen, entfällt ein diesbezüglicher periode hergestellt. Außerdem wurde die gesamte Bedarf. Ungeachtet dessen wurde im von verschiede- Stauhaltung des Wehrs im Dezember 2005 vollstän- nen Institutionen teilweise sehr vehement der Erhalt des dig geöffnet. Dabei konnten bei einer anschließen- Schlossmühlenwehres gefordert. den Begutachtung keine negativen Veränderungen der Schutzgüter festgestellt werden. Dabei wurden folgende Begründungen für eine Wehrre- konstruktion / Wehrerweiterung abgegeben: Dennoch wurden die beiden genannten Argumente der Befürworter der Wehrrekonstruktion / Wehrerweiterung • Argument 1 als schlüssige Fixpunkte der Genehmigungsplanung Das Wehr diene dem Hochwasserschutz. Deshalb anerkannt. müsse die Stauhaltung steuerbar sein.

WWF Deutschland 43 Auf der Basis diesen beiden falschen Planungsgrund- als Planungsgrundlagen herangezogen. Außerdem ist lagen wurde in der Folge dann die Unmöglichkeit der zu hinterfragen ob die zukünftigen Unterhaltungskosten Errichtung einer Sohlrampe begründet. des Staubauwerkes bei der Bestimmung des Planungs- ziels „Wehr“ eine Rolle gespielt haben. Das beauftragte Planungsbüro errechnete unter An- nahme von unangemessenen Maximalparametern eine Die Voraussetzungen der hier einschlägigen Verga- notwendige Sohlrampenbreite von 190 Metern Breite. berichtlinie (FRW 2002) sind nicht gegeben. Danach Damit galt der Beweis für die Unmöglichkeit des Un- können Vorhaben des Wasserbaus nur gefördert wer- terfangens - Bau einer Sohlrampe - für erbracht. den, wenn sie der Verbesserung des Hochwasserschut- zes und Hochwasserschadensbeseitigung sowie einer Die hausinterne Berechnung der zuständigen Abteilung Verbesserung des ökologischen Gewässerzustandes der Genehmigungsbehörde errechnete bei Zulassung ei- dienen. Insbesondere hat der Vorhabensträger auf der nes Staupegels bei 161,43 mHN (Stauhöhe des Wehres Basis aktueller Konzepte nachzuweisen, dass unter den ohne Brettaufsatz seit Dez. 2005) und geringer Anhe- nach wasserwirtschaftlichen Aspekten in Betracht kom- bung des der Stauhöhe in der Restaue eine erforderliche menden Lösungen die wirtschaftlichste Lösung gewählt Sohlrampenbreite im Hochwasserfall von 40 Metern. worden ist. Diese Breite wäre noch zu unterschreiten, wenn bei der Berechnung ein noch etwas höherer Wasserstand in der Obwohl die Stauhaltung „Schloßmühle“ über keine Restaue angenommen worden wäre. Planrechtfertigung verfügt, wurde am bestehenden Grundkonzept festgehalten. Planungsinhalte und Im Hochwasserschutzkonzept Wyhraaue werden ober- Planungsziele wurden rein verbal den Anforderun- halb und unterhalb des Schlossmühlenwehres durch gen bestehender Förderinstrumente (Hochwasser- den geplanten Bau von Verwallungen, entsprechend schutz) angepasst, um eine Finanzierbarkeit des den Anforderungen eines HQ 100 Hochwasserereignis- Vorhabens zu erreichen. ses, Ausuferungen auf schutzwürdige Objekte verhin- dert. Durch die entsprechende Dimensionierung dieser Planungsrechtlicher Rahmen Anlagen kann auf die Steuerungsmöglichkeit und damit Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass die auf den Erhalt des Wehres vollkommen verzichtet Planungsziele und Planungsinhalte zur Behandlung werden. Bei geringer Erhöhung der Dimensionierung des baufälligen Schlossmühlenwehres sich weniger an dieser Bauwerke sind höhere Wasserspiegellagen in der sachlichen Erwägungen, als an verfahrensrechtlichen oberhalb der Staustufe gelegenen Restaue möglich. So Rahmenbedingungen orientierten. kann in der Folge auch die Breite der Sohlrampe weiter verringert werden. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand ist die aktuelle Genehmigungsplanung nun über ein wasserrechtliches Aus naturschutzfachlicher Sicht sind bei der einge- Genehmigungsverfahren nach §§ 13 u. 91 SächsWG reichten neuesten Planung sehr starke Defizite festzu- eingereicht worden. Die Projektträger beabsichtigen, stellen. Eine der guten fachlichen Praxis entsprechende das Projekt möglichst ohne Umweltverträglichkeitsprü- FFH-Verträglichkeitsprüfung existiert nicht. Mögliche fung und daraus folgend ohne ein aufwendiges Plan- Alternativvarianten wurden - z. B. die Einbindung des feststellungsverfahren umzusetzen. Altarmes der Wyhra - zu keiner Zeit ernsthaft untersucht. Das jetzige, verfahrensrechtliche Vorgehen ist nicht Die in der Oberen Genehmigungsbehörde vorliegende nachvollziehbar. Nachdem die Notwendigkeit einer fachbehördliche Einschätzung, dass die Genehmigungs- Umweltverträglichkeitsprüfung im zuständigen Fach- planung zur Wehrrekonstruktion / Wehrerweiterung bereich der Oberen Genehmigungsbehörde (Umwelt- nicht den Anforderung der Europäischen Wasserrah- fachbereich) bereits festgestellt wurde, scheint diese menrichtlinie entspricht, muss als zutreffend bezeichnet nun ohne grundsätzliche Veränderung der Planung werden. nicht mehr von der Genehmigungsbehörde eingefordert zu werden. Im Verfahren klassifizierte die Genehmi- Strategische Überlegungen, wie die systematische gungsbehörde das Projekt als Gewässerausbau bei dem Entwicklung der Ausprägungsqualität des FFH-Gebie- erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf die tes, die Qualitätsverbesserung des Gewässerzustandes Schutzgüter Tiere, Pflanzen und Wasser nicht auszu- im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie wurden nicht schließen sind.

44 WWF Deutschland Die Errichtung einer Sohlrampe wäre nach § 31 WHG Quellen sehr wahrscheinlich von Beginn an als planfeststel- Aufgrund des sehr umfangreichen Aktenmaterials wird lungsbedürftig zu werten gewesen. Da sich durch den hier auf Quellenangaben verzichtet. Bei entsprechenden baulichen Zustand der Wehranlage und auch aus förder- Nachfragen kann die Quelle benannt werden. Einige rechtlichen Gründen ein gewisser Zeitdruck aufgebaut Teilakten sind in den entsprechenden Genehmigungs- hatte, schien dieses Verfahren vom Projektträger zu behörden einsehbar. Die Vervielfältigung der Originale keinem Zeitpunkt angestrebt worden zu sein. wäre aufgrund des Aktenumfangs und daraus folgend Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die der hohen Kosten unverhältnismäßig gewesen. weitere Verschärfung des Zeitdrucks vom Projektträger durch die wiederholte Einreichung unvollständiger und Einer der Autoren nahm am 15.11.2006 und am mangelnder Planentwürfe selbst verschuldet entstanden 30.11.2006 auf Grundlage des SächsUIG bei der Obe- ist. Nach den einschlägigen Erfahrungen in der Verfah- ren Genehmigungsbehörde umfassend Akteneinsicht. rensumsetzung hätte eine frühzeitige und fachgerechte Beantragung der Variante „Sohlrampe“ sehr wahr- 3.6.2.5 Regenrückhaltebecken Rossau / scheinlich bereits zum jetzigen Zeitpunkt Planungsrecht Wasserskianlage schaffen können. Problemsachverhalt: Errichtung einer Hochwasserschutzanlage (Regenrück- Auch in finanzieller Hinsicht bestehen gewisse Fragen. haltebecken) und anschließende zweckentfremdete Nut- Es gibt deutliche Anzeichen, dass der Bau einer opti- zung, die eine zweckentsprechende Nutzung weitge- mierten Sohlrampe möglicherweise preiswerter als das hend ausschließt; Nutzung bedingt sogar selbst weitere derzeitig verfolgte Planungsziel der Wehrrekonstruk- Hochwasserschäden tion / Wehrerweiterung ausfallen würde. Eine entspre- chende Untersuchung zu den Kosten einer Sohlrampe Lage hat bisher jedoch nicht stattgefunden. Die vermutlich Bundesland Sachsen preiswertere Variante „Sohlrampe“ hätte nach den 09661 Rossau, Heidelbeerweg 1 gängigen Förderrichtlinien durchaus auch finanziert werden können, da es sich bei diesem Projekt um eine Zuständigkeit Maßnahme zur Verbesserung des ökologischen Ge- Gemeinde Rossau (Bürgermeister Horst Glöß) wässerzustandes gehandelt hätte. Baukosten des Rückhaltebeckens Planungsinhalte und Planungsziele wurden - unter Gesamtkosten: vermutlich mindestens 1,7 Millionen Umgehung rechtlicher Anforderungen - rein verbal DM (= 840.000 €) - keine Aktenlage - davon staatli- einer verfahrensrechtlichen Herstellung der Voraus- che Fördergelder: ca. 400.000 € (Fördergelder flossen setzungen eines vereinfachten Genehmigungsver- bereits in den 1990er Jahren) fahrens angepasst, um ein gebotenes Planfeststel- lungsverfahren zu umgehen. Schadenssumme des Flutschadens Privat Geschädigte durch Überflutung der Keller: Sum- Beurteilung der Nachhaltigkeit me unbekannt Das Vorgehen im Verfahren ist als besonders deut- Flutschäden Gemeinde: 495.878 € (wurden nach licher Fall von Nichtbeachtung nachhaltiger Pla- Amtsblatt der Gemeinde vom 04.09.02 als Flutschaden nungsgrundlagen einzustufen: anerkannt und als förderfähig anerkannt = Wiederauf- baugeld) Das Vorhaben ist hochwasserschutztechnisch nicht notwendig. Sonstige Zwecke könnten deutlich ge- ringerem Aufwand realisiert werden.

Weiter entsteht durch die erweiterte Wehranlage selbst ein neues, unnötiges Schadenspotential im Hochwasserfall.

WWF Deutschland 45 Sachverhalt ment und möglicherweise Fehler bei der Konstruktion Das als Regenrückhaltebecken in Rossau angelegte des Regenrückhaltebeckens (Gefahr eines Dammbruchs Gewässer wird ständig als Wasserskianlage genutzt. weist auf Unterdimensionierung hin; weiter könnten Durch den erhöhten Wasserstand im Regenrückhal- Aspekte der zu bevorzugenden dezentralen Regenwas- tebecken, der notwendig zum Betrieb der Wasser- serversickerung nur unzureichend geprüft worden sein). skianlage ist, steht nicht mehr genügend Rückhalte- vermögen zur Verfügung. Ihren eigentlichen Zweck zum Regenrückhalt kann die Anlage dadurch nicht Insgesamt ist daher festzustellen: mehr wie vorgesehen erfüllen. Öffentliche Mittel für den Hochwasserschutz wur- den zweckentfremdet. Bereits in der Planungsphase wurden die ursprüng- Durch den künstlichen, zentral gesammelten Anstau lich vier geplanten kleinen Regenrückhaltebecken zur des Regenwassers entsteht eine zusätzliche Gefah- Entwässerung eines Gewerbegebietes zu einem großen renquelle bei Starkregen. Das Gefahrenpotential Gewässer zusammengeführt, um ein genügend groß wird hier vermutlich durch die Nutzung und die dimensioniertes Becken herzustellen, das zum Betrieb Ausführung des Regenrückhaltebeckens künstlich einer Wasserskianlage geeignet ist. geschaffen. Während des Hochwassers 2002 (Starkregen in der Region) wurde das Becken am 12. August aus Angst Quellen vor einem Dammbruch entwässert. Dies erschien not- Internetseite: www.karl-nolle.de/aktuell/presse. wendig, weil der ständig für den Betrieb der Wasserski- php?id=3149. (Karl Nolle ist Abgeordneter der säch- anlage gehaltene Mindestwasserstand zu hoch war, um sischen SPD-Landtagsfraktion) die entstehenden Niederschläge aufnehmen zu können. Prof. Dr. – Ing. F. Sieker, Universität Hannover, Rege Zusätzlich war es versäumt worden, das Ablassen des n(ab)wasserbehandlung und Bewirtschaftung unter Beckens rechtzeitig anzuordnen. Durch den Umfang Berücksichtigung der Anforderungen nach § 7a und die Abflussgeschwindigkeit der so abgeleiteten WHG und einer möglichst ortsnahen Versickerung. Wassermassen kam es zu Überschwemmungen in der Umweltforschungsplan des Bundesministeriums Gemeinde, die ansonsten nicht weiter vom Hochwasser für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, betroffen worden wäre. Dabei wurden zahlreiche Keller Forschungsbericht 298 26 516, UBA-FB 000607, unter Wasser gesetzt und es entstanden Flutschäden in Texte 09/04 der Gemeinde selbst. 3.6.2.6 Polizeidirektion Westsachsen und Auch wenn die Fördermittel für den Bau der Anlage Polizeirevier Grimma bereits vor dem Augusthochwasser 2002 geflossen sind, Verfahren: ergibt sich doch eine weitere Relevanz für die Stu- Umzug der Polizeidirektion Grimma in eine Anlage, die, da die von der öffentlichen Hand übernommenen die dazu umgebaut und erheblich erweitert wird. Flutschäden vermutlich selbstverschuldet sind. Der Fall wurde auch deshalb in die Studie integriert, weil er auf Problemsachverhalt: die generelle Problematik eines Nutzungskonfliktes Öffentliches Bauvorhaben im unmittelbaren Über- zwischen den Interessen des Hochwasserschutzes und schwemmungsgebiet; Neubauten quer zur Fließrich- der touristischen Nutzung von Gewässern hinweist. tung; Verlegung bzw. Neuerrichtung einer Behörde mit Weiter zeigt er die exemplarisch die teilweise geringe zentraler Funktion im Hochwasserfall im Überschwem- Sensibilität für den Umgang mit anfallenden Nieder- mungsgebiet. schlägen. Lage Beurteilung der Nachhaltigkeit Bundesland Sachsen Unter Aspekten der Nachhaltigkeit muss die derzeitige Grimma, Köhlerstraße 3; ehemaliges Militärhospital Bewirtschaftungsform als Wasserskianlage kritisch der Sowjetarmee hinterfragt werden. Projektleitung Verantwortlich für den eingetretenen Schadensfall sind Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Bau- vermutlich das mangelhafte Entwässerungsmanage- management 46 WWF Deutschland Beschreibung der Maßnahme und des Projektes Große Teile der neuen Gebäude stehen überdies quer Größe der Liegenschaft: 19.500 m² zur Fließrichtung der Mulde. Es ist sehr wahrschein- lich, dass die Gebäudequerriegel zwischen den erhal- Die in der Sanierung befindlichen historischen Gebäu- tenen historischen Gebäuden sowie die zahlreichen de werden auf einer Länge von ca. 60 m durch neue Nebenanlagen im Hochwasserfall (HQ 100) als Ab- Quergebäude miteinander verbunden. Die Zentralge- flusshindernisse wirken. bäude werden auf einer Höhe von 1,25 m mit einem wasserdichten Sockel versehen. Zu den Außenanlagen Die allgemeine Hochwassergefährdung der Liegen- gehören Garagen und Hundezwinger. schaft ist den Entscheidungsträgern in der zuständigen Verwaltung bekannt, wie etwa einer Pressemitteilung Nach der Fertigstellung werden die Gebäude und An- des Landespolizeipräsidiums vom 30.06.2005 zu ent- lagen durch die Polizeidirektion Westsachsen und das nehmen ist. Polizeirevier Grimma genutzt. Beurteilung der Nachhaltigkeit Baukosten Auch wenn das Projekt zur Erhaltung wertvoller, Der Freistaat Sachsen finanziert 14,3 Millionen Euro denkmalgeschützter Bausubstanz beiträgt ist der hier (dabei ist unklar, ob es sich dabei um die Gesamtkosten stattfindende Ausbau im Überschwemmungsgebiet der Anlage handelt). unter nachhaltigen Gesichtspunkten abzulehnen. Da in Grimma noch zahlreiche andere Gebäudeeinheiten Verfahrensstand ungenutzt sind, ist die Standortwahl für die Institution Die Errichtung des Neubaus begann Ende März 2005. fragwürdig. Die Grundsteinlegung für den Neubau war am 30. Juni 2005. Im aktuellen Zeitraum laufen die Bauarbeiten Die Funktionen der Polizeidirektion Westsachen noch. Ab 2006 begannen die Ausbauarbeiten und tech- und des Polizeireviers Grimma können im Falle nischen Leistungen an allen Häusern. Das Projekt soll eines Extremhochwasserereignisses nicht sicher im Oktober 2007 abgeschlossen sein. aufrechterhalten werden. Dieses Risiko sollte nicht eingegangen werden, da gerade diese Institutio- Sachverhalt nen maßgeblich in die Koordinierung extremen Die Polizeidirektion Westsachsen und das Polizeirevier Hochwasserereignissen und bei Katastrophenfällen Grimma haben im Hochwasserfall und bei sonstigen eingebunden sind. extremen Ereignissen wichtige öffentliche Funktionen zu erfüllen. Die Polizeidirektionen sind fest in den Zusätzlich stellt das neu errichtete Quergebäude Hochwassernachrichtendienst eingebunden. Dabei zwischen den beiden Hauptgebäuden ein bedeuten- übernehmen sie wichtige Funktionen bei der Informati- des Abflusshindernis in der Muldenaue dar. Durch onsübertragung. Zusätzlich sind Sie zur Mitwirkung im die neue Gebäudeverbindung entsteht ein geschlos- Katastrophenfall verpflichtet, dessen Eintreten im Falle sener Querriegel von ca. 100 m Länge. Nach der eines Extremhochwassers unbedingt zu erwarten wäre. aktuell gültigen Rechtslage (vom 1. September 2003) wäre das Projekt nach § 100 Absatz 2 Nr. 4 Das Gesamtobjekt liegt in einem „Hochwassergefähr- SächsWG nicht genehmigungsfähig. deten Gebiet“. Die neu errichteten Gebäude liegen vollständig im „Überschwemmungsgebiet“. Bei einem Außerdem werden durch die Neubauten ca. 0,2 ha Bemessungshochwasser von HQ 100 (Mulde) ist mit Flussaue im Überschwemmungsgebiet neu versie- dem Eindringen des Hochwassers auf die Liegenschaft gelt. sicher zu rechnen. Bei einem Extremhochwasser ist es wahrscheinlich, dass eine Überschwemmung der Lie- Insgesamt entsteht auch ein erhöhtes Schadenspo- genschaft und von funktional wichtigen Gebäudeteilen tential durch die Lage der wichtigen Verwaltungsge- eintritt. bäude in der Flussaue. Damit muss befürchtet werden, dass je nach Ausprä- gung des Extremhochwasserereignisses eine Verminde- rung bzw. das vollkommene Erliegen der Arbeitsfähig- keit der Institutionen geschehen kann.

WWF Deutschland 47 Quellen: Als das Bedrohungspotential 2006 für die Ortschaft Presseinformation des Landespolizeipräsidiums, Stand zu groß wurde, mussten die zuständigen Behörden vom 30.06.2005, Autor: Andreas Schumann einen Teil der Straßentrasse entfernen lassen, damit Pressemitteilung des Sächsischen Staatsministeriums die gestauten Wassermengen relativ schadlos abfließen für Finanzen vom 10. November 2005, PM-Nr. konnten. 207/2005 Hochwasserausbreitungskarten entnommen der Inter- Trotz der verschiedenen im Planfeststellungsverfahren netseite des Sächsischen Landesamtes für Umwelt vorgebrachten Einwendungen der Anwohner, von der und Geologie für HQ 100 und für Extremhochwas- Straße ginge ein Hochwasserschadensrisiko aus, plante serereignisse das Straßenbauamt Meißen-Dresden die Straße in der Begehung des Umfeldes der Immobilie durch die Auto- oben beschriebenen Form. ren der Studie am 05.12.2006 Bericht der unabhängigen Kommission der Sächsischen Nach Aussage der Sächsischen Staatregierung lag Staatsregierung. Flutkatastrophe 2002. Anlagen- von Seiten des Landes keine Verantwortlichkeit für band, Kapitel D - Hochwassermeldedienst, Orga- die Schadensentwicklung vor. Die Planer trafen ihre nigramm: Organisation des Hochwassernachrichten- Entscheidungen (so die Darstellung der Behörden) nach dienstes im Freistaat Sachsen dem damals aktuellen Stand des Wissens. Hier besteht Bericht der unabhängigen Kommission der Sächsischen weiterer Untersuchungsbedarf. Staatsregierung. Flutkatastrophe 2002. Anlagen- band, Kapitel E, Gesetz über den Katastrophen- Beurteilung der Nachhaltigkeit schutz im Freistaat Sachsen Akteneinsicht am 05.12.06 im Landratsamt Grimma, Die Ausführung der Trasse kann nicht als nach- flurstücksgenaue Ansicht des Messtischquadranten. haltig betrachtet werden. Durch die Projektierung in Dammlage entstand ein groß dimensioniertes 3.6.2.7 Staatsstraße S 88 bei Riesa, Gemeinde Abflusshindernis in der Flussaue. Als Folge dieser Zeithain - Ortsteil Gohlis Wirkung erhöhte sich künstlich das Schadenspoten- Verfahren: tial für die Anwohner. Bau der Staatsstraße S 88

Problemsachverhalt: Zusätzlich muss davon ausgegangen werden, dass Bau eines Straßendamms im Überschwemmungsgebiet, durch Verbauung und Neuversiegelung gegen die Be- der im Hochwasserfall zu Aufstauungen mit erhebli- stimmungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie verstoßen chem Gefährdungspotential für Anlieger führt. wurde. Die Straße zieht eine starke Verschlechterung des Gewässerzustandes im Umfeld - also in der Fluss- Lage aue - nach sich. Bundesland Sachsen Die Straße quert das Überschwemmungsgebiet der Im Bezug auf die Bürgerbeteiligung im formalisierten Elbe. Verfahren (hier im Rahmen des Planfeststellungsver- fahrens) bleibt festzuhalten, dass dieses nicht im erfor- Öffentlichkeitsbeteiligung derlichen Maße geeignet war, die inhaltlich wichtigen Die Öffentlichkeitsbeteiligung fand im Rahmen des Anregungen der Bürger entsprechend ihrer Bedeutung Planfeststellungsverfahrens statt. ins Verfahren einzuführen.

Sachverhalt Quellen Im Überschwemmungsgebiet der Elbe wurde Anfang Verschiedenen Kleine Anfragen der Fraktionen des 2002 die Staatsstraße S 88 fertiggestellt. Während der Sächsischen Landtages in der 4. Wahlperiode und Hochwasserereignisse 2002 und 2006 kam es, hervor- die entsprechenden Antworten der Sächsischen gerufen durch die Dammlage der Straße quer zur Elbe, Landesregierung die zu klein dimensionierten Durchflüsse im Trassen- Sächsische Zeitung vom 13.03.03, Artikel: „Stur nach damm und die Abtrennung eines alten Elbarmverlaufs Projekt gebaut“ zu Wasserstauungen. Als Folge dieser Wirkungen traten Zahlreiche weitere Presseartikel aus der regionalen und 2002 umfangreiche Hochwasserschäden in Gohlis auf. überregionalen Presse

48 WWF Deutschland 3.6.2.8 Straßenausbau bei Grimma Verfahrensstand Verfahren: Die Bauarbeiten waren mit Ende des Jahres 2003 abge- Ausbau der Kreisstraßen K 8384 u. K 8330 in verschie- schlossen. denen Abschnitten bei Grimma Sachverhalt Problemsachverhalt: Die genannten Kreisstraßen sind nachweislich nicht Erneuerung und Ausbau von ländlichen Straßen mit von den Hochwasserereignissen 2002 betroffen gewe- öffentlichen Fördermitteln zur Beseitigung von Hoch- sen. Sie liegen auf einem Hochplateau über der Mulde. wasserschäden bei tatsächlichem Fehlen eines Scha- Fließgewässer existieren in der Umgebung nicht. Auch denszusammenhangs und bei einer flächigen Flächen- das Argument der Antragsteller, es hätte durch Starkre- neuversiegelung ausgerechnet mit Hochwassergeldern gen entsprechende Schäden gegeben, ist unzutreffend. Der Vergleich des Zustandes der Straßen vor und nach Lage den Hochwasserereignissen 2002 lässt sich nachweisen Bundesland Sachsen (vor allem über Aussagen von Anwohnern und An- 1. Kreisstraße von Kaditzsch nach Grechwitz vom gehörigen von Umweltverbänden). Die vorhandenen Knoten K 8384 nach Kaditzsch (Belagserneuerung Schäden waren auf jahrzehntelange Vernachlässigung mit Verbreiterung) zurückzuführen. 2. Kreisstraße K 8330 vom Kaditzsch nach Neunitz  vom Knoten K 8330 / K 8334 südlich von Neunitz Es gab bei den hier betrachteten Fällen keine bis Grechwitzer Straße am östlichen Ortsausgang Schadenskausalität zu den Hochwasserereig- von Kaditzsch (Belagserneuerung mit Verbreite- nissen 2002. rung) Beurteilung der Nachhaltigkeit 3. Kreisstraße K 8330 von Kaditzsch nach Schkortitz Die hier erwähnten Straßenausbauten verstoßen in ihrer (grundhafter Ausbau der Straße) Konsequenz in mehrer Punkten gegen die Prinzipien eines nachhaltigen Einsatzes von Fördermitteln. Alle Straßentrassen liegen im LSG „Thümmlitzwald- Muldetal“. Durch die ungerechtfertigte Finanzierung der Bau- maßnahmen werden der wirklichen Zielsetzung des Anwendbare Verwaltungsvorschrift Fördermittelprogramms wichtige Finanzmittel ent- Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatskanzlei zogen. Diese Summen fehlen dann an anderer Stelle. zur Förderung der Wiederherstellung der vom Augus- thochwasser 2002 geschädigten Infrastruktur (VwV Unter den Aspekten einer zukünftigen Unterhal- Infra 2002) vom 11.10.2002 tungslast werden die Straßen ein erhebliches Fi- nanzierungsproblem für die verschiedenen Träger Behördenzuständigkeit darstellen. Bisher konnten notwendige Gelder zum zu 1. Stadt Grimma (Baulastträger) Erhalt dieser Infrastruktur gerade nicht beschafft zu 2. Landkreis / Landratsamt Muldentalkreis werden. zu 3. Landkreis / Landratsamt Muldentalkreis Ausgerechnet mit Hochwassergeldern erfolgten Beschreibung der Maßnahme / des Projektes Neuversiegelungen von Flächen, die bisher der Re- Die Kreisstraßen (hier 1. und 2.) wurden 2003 mit tention zur Verfügung standen. einem neuen Fahrbahnbelag versehen. Dabei wurden die Straßen wesentlich verbreitert. Die Kreisstraße von In der Vergangenheit (vor dem Ausbau) musste die Kaditzsch nach Schkortitz (hier 3.) wurde auf einer Verkehrssituation auf den vorgestellten Straßen als Länge von ca. 1,5 km grundhaft ausgebaut. sehr gering bezeichnet werden. Durch den Ausbau sind nun verstärkt Verkehrsverlagerungen von dem Baukosten vorhandenen gut ausgebauten Hauptstraßennetz in das zu 1. Die vorhandenen Daten sind nicht eindeutig Landschaftsschutzgebiet zu bemerken. Damit sinkt der zuzuordnen - deshalb keine Kostenangabe. absolute Erholungswert des Schutzgebietes. Die nun zu 2. Kaditzsch -Neunitz; 167.000 € erhöhten Geschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge stellen zu 3. Kaditzsch - Schkortitz ; 1.244.533,32 € ein erhöhtes Risiko für Fußgänger, Radfahrer und die vorhandene Fauna dar.

WWF Deutschland 49 Quellen 2. Asphaltierte Radwanderwege Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Ar- östlich OL Pratau bis nordwestlich OL Dabrun; beit, Antwort auf: Kleine Anfrage des Abgeordneten südlich OL Elster (Elbe); südöstlich OL Kleindröben Johannes Lichdi, Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, über OL Mauken Drucksache 4 / 6153, Thema: „Verwendung von 3. Asphaltierte Wiesenwege Fördergeldern zur Beseitigung von Hochwasser- westlich OL Mühlanger; östlich OL Dabrun; östlich schäden an der Infrastruktur“, Anlage 4, Tabelle OL Wartenburg zu Alter Elbe westlich OL Klöden; Schreiben des Regierungspräsidiums Leipzig vom 17.11.2006, Antwort bezüglich: Antrag nach UIG Zum besseren Verständnis wurde je ein Beispiel aus zum Sachverhalt (auf Schreiben vom 01.11.2006 jeder der drei Kategorien mit der entsprechenden Neu- eingereicht von BUP-Leipzig) versieglungsfläche dargestellt. Sächsischer Rechnungshof, Jahresbericht 2004, Kom- munale infrastrukturelle Wiederaufbaumaßnahmen 1. Kategorie: Asphaltierte Feldwege bei Wartenburg nach dem Augusthochwasser 2002, S. 121 ff. Weg 076-007, Vollversigelung; Versiegelungsfläche Regelmäßige Begehungen im Gebiet durch die Autoren 490m² im FFH-Gebiet Nr. 73 (Sachsen Anhalt) und der Studie, Befragung von Anwohnern LSG Bildmaterial: Straße von Kaditzsch nach Schkortitz; Weg 076-006, Vollversiegelung; Versiegelungs- Foto: Holger Seidemann (2004) fläche, 1920 m² Zahlreiche Gespräche mit Mitarbeitern von öffentlichen Verwaltungen, Naturschutzverbänden, Planungsträ- 2. Kategorie: Asphaltierte Radwanderwege bei gern und kommunalen Verbänden Kleindröben (Radfernwanderwege) Weg 026 /183, Vollversiegelung; Versiegelungs- 3.6.2.9 Asphaltierung von Feld- und Wiesenwegen fläche 2250 m² bei Wittenberg Weg 026 /190, Vollversiegelung; Versiegelungs- Problemsachverhalt: fläche 12750 m² Flächenhafte Neuversiegelung ländlicher Wege im Überschwemmungsgebiet 3. Kategorie: Asphaltierte Wiesenwege bei Dabrun Weg 013-011, Vollversiegelung; Versieglungsfläche Lage 2160 m² im LSG Bundesland Sachsen-Anhalt Weg 013-019, Vollversiegelung; Versieglungsfläche Liegt im Elbegebiet bei Wittenberg. 12500 m² im LSG Einige Wege liegen im Landschaftsschutzgebiet (LSG) „Mittelelbe“ bzw. „Elbtal zwischen Wittenberg und Kosten / Finanzierung Bösewig“. Die Kosten sind nicht zu ermitteln gewesen. Nach Rücksprache mit verschiedenen Behörden kristallisierte Wegekategorien bei den Asphaltierungs- und Versiege- sich als Hauptfinanzierungsquelle ein Fond zur Förde- lungsmaßnahmen rung des „ländlichen Wegebaus“ heraus. Für die Wege- Straßenbaumaßnahmen - Asphaltierun- gen und teilweise auch Pflasterungen - im Umfeld der Verfahrensstand Stadt Wittenberg müssen drei Kategorien betrachtet Die drei hier genauer betrachteten Wegeverbindungen werden. wurden neu versiegelt. Sie liegen hinter dem Deich. Alle in der allgemeinen Übersicht genannten Wegever- 1. Asphaltierte Feldwege bindungen sind fertig ausgebaut. südlich der Ortslage (OL) Pratau; südöstlich der OL Wartenburg; nördlich der OL Elster (Elbe); Sachverhalt nordöstlich der OL Schützenberg; nördlich der Im Elbegebiet zwischen Wittenberg und Elster wurden Ortslage Pretzsch (Elbe); südöstlich und südwestlich im Nachgang des Augusthochwassers 2002 mittler- OL Kleidröben; nördlich der OL Klöden; nördlich weile zahlreiche Feld-, Rad- und Wiesenwege erstmals Marschwitz; westlich OL Düßnitz; und im Umfeld asphaltiert (zumeist zwischen 2002 und 2004). Zuvor der OL Großdorf-Hemsendorf, Battin, Rade gab es in diesem Gebiet nur einen sehr geringen Anteil

50 WWF Deutschland solcherart befestigter Wege. Bemerkenswert ist etwa Beurteilung der Nachhaltigkeit der Umstand, dass in der Region zuvor einmal jährlich Die betrachteten Fälle genügen nicht den Anforde- sog. Schotterpisten-Ralleys veranstaltet wurden. Dies rungen an eine nachhaltige Planung. ist mittlerweile nicht mehr möglich, weil praktisch kei- Durch die Summe aller Versieglungsflächen ent- ne unbefestigten Wege mehr vorhanden sind. stehen vermeidbare Oberflächenabflüsse und dem Boden werden biologische Funktionen entzogen. Beim Hochwasser 2002 kam es in der Elbaue zu zahl- reichen Ausuferungen. Davon betroffen waren auch Die bekannt gewordenen Beispiele zeigen nur einen hinter dem Deich gelegene Auengebiete bei Wittenberg. kleinen Ausschnitt aus der alltäglichen Praxis. Nach Die Überschwemmungen zogen sich auf der rechten unseren Recherchen ist die wachsende Neuversieg- Elbseite von Iserbergka / Elster (Elbe) nach Süden. Da- lung dieser meist nur wenig genutzten Wegever- bei entstand auch Schaden an der ländlichen Infrastruk- bindungen in allen Regionen relativ häufig anzu- tur, Teile der (unbefestigten) Wege hinter den Deichen, treffen. In Zukunft sind für die neu gebauten Wege wurden durch Deichbruch beschädigt. Allerdings hatte bedeutende Unterhaltungskosten zu erwarten. Wie das Wasser dort nur wenig Strömungskraft, was die deren Finanzierung in Zeiten eines demografischen Schäden insgesamt eher gering hielt. Überdies liegen Wandels und einer Verringerung der zur Verfügun- die den in der allgemeinen Übersicht aufgezählten Bei- gen stehenden Mittel geschehen kann, weiß noch spiele nur teilweise in Gebieten, die vom Hochwasser niemand. überschwemmt worden waren und teilweise eben auch in Gebieten ohne Überflutungsbeeinträchtigungen. Außerdem wächst mit der Neuversiegelung der Wege auch das Schadenspotential in der Flussaue. Die umfangreiche und flächenhafte Neuversiegelung von Boden wurde vor allem mit Erfordernissen des Hochwasserschutzes (Erreichbarkeit der Deiche im Quellen Hochwasserfall), denen der Landwirtschaft (Befahrbar- Verschiedene Bürger aus der Umgebung gaben zu den keit mit schweren Maschinen) oder denen des Tou- Fällen von Neuversieglung exakte Hinweise. Dabei rismus (vor allem Fahrradtourismus) begründet. Das arbeitete man auch Karten zur Neuversieglung aus. Hauptargument für die Asphaltierung beruhte in der Regel auf der gewünschten Trassenbündelung etwa von Auf der Grundlage des Umweltinformationsgesetzes Radwegen mit solchen der Landwirtschaft. konnten bei den zuständigen Behörden weitere Einzel- daten ermittelt werden. Da eine Überprüfung der zahlreichen einzelnen Vorha- ben im Rahmen dieser Studie nicht möglich war, bleibt (nachrichtlich: Vergleich der Luftbildbefliegung 2004 es bei einer aus der Summe der Wegeausbauten herzu- und 1999, Luftbilder im Landesvermessungsamt) leitenden Grundannahme. Da es sich bei den Wegka- tegorien zumeist um sehr wenig befahrene Abschnitte handelt, wäre die nun voll versiegelte Ausführung Vergleich zu anderen Straßen-/Wegeausbauten jedoch tatsächlich nicht notwendig gewesen. Einen Da bei zahlreichen Genehmigungsverfahren keine Sonderfall stellen dabei die recht intensiv genutzten Beteiligung der Öffentlichkeit stattfindet, ist neben den Radfernwanderwege dar. Hier ist die Bauart des Weges hier bekannt geworden Fällen noch mit zahlreichen an weiteren Funktionen anzupassen. Bei einer Parallel- anderen, unbekannt bleibenden Projekten dieser Art zu nutzung z. B. als Deichverteidigungsweg kann eine ent- rechnen. Dennoch konnten bei den umfangreichen Re- sprechende Befestigung der Wegeabschnitte durchaus cherchen noch verschiedene ähnlich gelagerte Fälle von sinnvoll sein. Insgesamt wäre aber angebracht gewesen, fehlgeleiteten Hochwassermitteln festgestellt werden. die naturgemäß vorhandenen Auenlehmschichten in den Wegebau sinnvoll zu integrieren. Zunächst bleibt festzuhalten, dass schon allein in der weiteren Umgebung der Stadt Grimma, hier der Orts- Beteiligung der Öffentlichkeit lagen Kaditzsch, Höfgen und Schkortitz noch weitere Verfahrenstechnisch erfolgten die Maßnahmen in einer vergleichbare Fälle von rechtswidrigem Einsatz von Vielzahl von einzelnen behördeninternen Genehmi- Hochwassermitteln im Straßenbau/-ausbau bekannt ge- gungsverfahren. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit worden sind (siehe dazu etwa: Sächsischer Rechnungs- fand dabei nicht statt. hof, Jahresbericht 2004, Kommunale infrastrukturelle

WWF Deutschland 51 Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Augusthochwasser 3.6.2.10 Wegebau zwischen Dessau und Aken 2002, S. 121 ff.). Verfahren: Ausbau/Neuerrichtung Weg 001-026 an der Elbe Exemplarisch sei noch auf den Ausbau diverser Land- zwischen Dessau und Aken wirtschaftswege im Umfeld der Gemeinde Frohburg in West-Sachsen hingewiesen. Dort wurde mit erhebli- Problemsachverhalt: chen Finanzmitteln (Vergabe nach der VwV Infra 2002) Bezeichnung des Verfahrens in großem Stil Landwirtschaftwege innerhalb des Land- Antrag auf Genehmigung der Wiederherstellung des schaftsschutzgebietes „Kohrener Land“ versiegelt bzw. vorbezeichneten Weges von der Gemarkungsgrenze ausgebaut. Eine Schadenskausalität zum Hochwasser Dessau bis zum Hochwasserschutzdeich am Bürgersee 2002 bestand auch dort in den meisten Fällen nachweis- (Aken) nach § 97 Wassergesetz für das Land Sachsen- lich nicht. Da unmittelbare Flutschäden aufgrund der Anhalt einschließlich der hier im Verfahren entspre- Topographie ausschließbar sind, wurde in den Anträgen chend § 23 Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-An- auf Schäden durch Starkregen abgestellt. Nachweislich halt vorgesehenen naturschutzrechtlichen Genehmigung war die Region jedoch während der Augustereignisse 2002 von keinem nennenswerten Regen, schon gar Weg 001-026 (entsprechend dem Wegekonzept des keinem Starkregen betroffen. Überdies war seitens der Landes Sachsen-Anhalt) an der Elbe zwischen Dessau lokalen Behörden schon vor 2002 wiederholt auf einen und Aken bestehenden Investitionsstau hingewiesen worden. Alternativer Projektname: Teil des „Großen Elbrund- Insgesamt zeichnet sich hier eine immer wieder regist- wegs“ rierbare Grundrichtung bei der Fördermittelbeantragung ab. Bei Gemeinden und Kreisen bestand in zahlreichen Weiter wird es als Bestandteil der: „Gemeinschaftsauf- Fällen die Absicht, langfristigen Reparaturstau an gabe - Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk- der Infrastruktur bzw. langfristig geplante, aber nicht tur“ bezeichnet. finanzierbare Wegeplanungen aus den Hochwasser- schadenfonds zu bezahlen. Diese Tendenz wurde von Lage der Sächsischen Staatsregierung durch eine offenbar Bundesland Sachsen-Anhalt großzügige Auslegung der Verwaltungsvorschriften Die geplante Trasse liegt im Überschwemmungsgebiet regelmäßig unterstützt. linksseitig der Elbe zwischen der Stadt Dessau und der Stadt Aken.

Aspekte eines nachhaltigen Mitteleinsatzes sind Projekt liegt in folgenden Schutzgebieten: dabei regelmäßig zu vermissen. - Biosphärenreservat (Zone IV) „Mittlere Elbe“; LSG „Mittlere Elbe“ Zunächst ist auf eine die häufig unnötige Erhöhung - FFH-Gebiet „Kühnauer Heide und Elbaue zwischen des Versieglungsgrades hinzuweisen. Aken und Dessau“ sowie Vogelschutzgebiet (SPA) Allein durch die mit Hochwasserfonds bereitgestell- „Mittlere Elbe und Steckby – Lödderitzer Forst“ ten Gelder sind in Sachsen im Einzugsgebiet der Flüsse mutmaßlich hunderte Hektar neu versiegelt Verfahren / Antragstellung worden (durch Erstversiegelung von Wegen und Antragstellung: durch die Stadt Aken Straßen bzw. durch deren Verbreiterung). Plangenehmigung: durch das Landratsamt Köthen / Anhalt Die künftig zusätzlich zu finanzierenden Unterhal- tungslasten für wenig genutzte und überdimensio- Beschreibung der Maßnahme und des Projektes nierte Infrastruktur werden die folgenden Generati- Geplant ist ein Wegeneubau zwischen Dessau und Aken onen vor bedeutende Probleme stellen. Die Folgen im Überschwemmungsgebiet der Elbe. Die geplante des demografischen Wandels, eines allgemeinen Weglänge beträgt 7 km. Ausgeführt werden, soll das Bevölkerungsrückgangs, werden in der Planungs- Projekt als ca. zwei Meter breiter, befestigter Weg in praxis vollständig ausgeblendet. sandgeschlämmter Schotterbauweise. Die im Gebiet auftretenden Flutrinnen beabsichtigt man zu pflastern.

52 WWF Deutschland Baukosten Insgesamt geht im Gebiet durch direkte Überbauung Die Baukosten betragen 801.000 Euro. eine Fläche von ca. 1,4 ha mit sehr hohem Entwick- lungspotential verloren. Verfahrensstand Das Projekt wurde durch den Landkreis Köthen / Der u. a. genannte Aspekt der Planbegründung - man Anhalt zunächst genehmigt. Anfang Dezember wurde wolle mit dem Wegeangebot die Besucherströme aus der Wegebau als Ergebnis eines Gerichtsverfahrens des anderen naturschutzfachlich besonders wertvollen NABU Sachsen –Anhalt vom Oberlandesgericht Mag- Zonen des Reservats ableiten - stellt die tatsächlichen deburg gestoppt. Der Umweltverband war im Verfahren Gegebenheiten verzerrt dar. Die bisherigen Besucher- rechtwidrig nicht beteiligt worden. Derzeit (02.12.06) zahlen im Raum sind als eher gering einzustufen. Mit wird das Genehmigungsverfahren erneut (inhaltlich dem Bau eines erschlossenen Weges ist der Anstieg jedoch unverändert) durchgeführt. Ob die Plangeneh- der Besucherzahlen im Gesamtgebiet wahrscheinlich. migung Bestand haben wird, kann als fraglich gelten. Durch den geplanten Weg, der praktisch als touristi- Über die Genehmigungsfähigkeit wird sehr wahr- sche Erschließung zu werten ist, wächst das absolute scheinlich erneut gerichtlich entschieden. Störungspotential für die vorkommenden oft hoch empfindlichen Tiere wie z. B. Brut- und Rastvögel (teil- Sachverhalt weise SPA-Schutzgebietsziele). Das kann in der Folge In einem naturschutzfachlich sehr wertvollen Elbauen- bei verschiedene Arten zur vollkommen Vergrämung gebiet, dessen besonderer Wert u. a. durch das zuge- führen. Auch die gepflasterten Teilbereiche wirken lassene, regelmäßige Ausufern der des Flusses besteht, sich negativ auf verschiede Schutzgebietsziele aus. Sie soll ein Wegeneubau durchgeführt werden. wirken z. B. als Amphibienfallen.

Die Genehmigungsbehörde und der Antragstel- Beurteilung der Nachhaltigkeit ler des Projektgenehmigungsverfahrens gehen im Genehmigungsverfahren vom Vorhandensein eines Der hier vorliegende Fall ist als eindeutiger Verstoß Weges aus. Nach den bisher vorliegenden Informa- gegen das Gebot eines nachhaltigen Mitteleinsatzes tionen ist es aber gesichert, dass bisher kein entspre- zu werten. Durch das gewollt freie Flutungsregime chend gewidmeter Weg im Projektgebiet vorhanden der Elbe wird der geplante Weg - im Falle einer ist. Die gewählte Genehmigungsplanung würde Genehmigung - beim nächsten größeren Hochwas- damit fehlgehen, da es sich um keine Wiederherstel- serereignis mit Sicherheit stark beschädigt. lung des Weges handeln kann. Ebenfalls ist festzustellen, dass der geplante Weg schon bei regelmäßig auftretenden Niederschlags- Bisher existierten im Plangebiet in der Elbaue nur mengen häufig nicht nutzbar sein wird. ausgetretene schmale Wiesenpfade und vereinzelte Fahrspuren durch illegale Autonutzung. (Bildnachweis Quellen vorhanden). Der Wegeneubau soll als sandgeschlämm- Schreiben des Landkreises Köthen / Anhalt, Untere ter Schotterweg ausgeführt werden. Da der geplante Naturschutzbehörde vom 23.11.06 an die Landes- Weg im Überschwemmungsgebiet und darüber hinaus geschäftsstelle des NABU Sachsen-Anhalt, In- in einem Elbebereich liegen würde, wo Ausuferrungen standsetzung des Wanderwegs zwischen Dessau und regelmäßig stattfinden können und sollen, ist bei ent- Aken, hier: Beteiligung der anerkannten Vereine sprechenden Hochwasserereignissen ein Abtragen und Gemeinsame Presserklärung des Ornithologischen Ver- Wegschwemmen von Teilen des Weges mit sehr hoher eins Dessau e. V. und des NABU Sachsen-Anhalt Sicherheit zu erwarten. vom 11.08.2006 Interner Schriftverkehr des NABU Sachsen-Anhalt zum Auch bezüglich des Schutzgebietsstatus der Natura- gerichtlichen Verfahren 2000-Gebiete sind gravierende Mängel zu verzeichnen. Interner Schriftverkehr des Ornithologischen Vereins Neben den Eingriffen durch den Wegebau in den FFH Dessau e. V. Lebensraumtyp 6510 (Extensive Mähwiesen der plana- ren bis submontanen Stufe) sind auch andere Schutzge- bietszielarten des Anhanges II der FFH-Richtlinie wie Biber und Fischotter von betriebsbedingten Störungen in ihrem Wanderkorridor an den Elbufern beeinträchtigt.

WWF Deutschland 53 Schreiben der Stadt Aken an die Landkreisverwaltung Da die genauen Umstände des Falles nicht bekannt Köthen vom 20.02.2005, Antrag auf Genehmigung sind, kann hier zunächst nur vermutet werden, dass der Wiederherstellung des vorbezeichneten Weges die Sanierungsplanung wahrscheinlich nicht den von der Gemarkungsgrenze Dessau bis zum Hoch- Kriterien der Nachhaltigkeit genügten. Das bekannte wasserschutzdeich am Bürgersee (Aken) nach § Schadenspotential in der Flussaue und hier speziell in 97 Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt den gefährdeten Räumen wurde nicht nach den Er- einschließlich der hier im Verfahren entsprechend fordernissen einer ausreichenden Vorsorge betrachtet. § 23 Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt Die Kegelbahn hätte nach dem derzeitigen Erkenntnis- vorgesehenen naturschutzrechtlichen Genehmigung stand nicht wieder an alter Stelle bzw. nicht mit einer hochwasserempfindlichen Ausstattung wiedererrichtet 3.6.2.11 Kegelbahn – „Haus des Gastes“ - Bad werden dürfen. Schandau Das Hotel „Haus des Gastes“ in Bad Schandau liegt in der Flussaue der Elbe. Durch das Augusthochwasser im Jahr 2002 wurde die Immobilie stark beschädigt.

Im Jahr 2003 bewilligte das Regierungspräsidium Dresden eine neunzigprozentige Förderung für den Wiederaufbau aus den Fluthilfefonds. Im Zuge der Bauarbeiten wurden u.a. die starken Schäden an der hauseigenen Kegelbahn saniert. Die Kegelbahn befindet sich im Untergeschoss und war/ist offenbar hochwertig ausgestattet Beim folgenden Hochwasser Anfang 2006 kam es erneut zur Zerstörung der Anlage.

Elbehochwasser 2002 © WWF / Bernd Lammel

54 WWF Deutschland 4. Mögliche Ursachen unzureichender Nachhaltigkeit im aktuellen Hochwasserschutz Nach dem Vorgenannten muss festgestellt werden, dass Durch die föderale Struktur von Deutschland war es ein nachhaltiger, vorbeugender Hochwasserschutz in bislang grundsätzlich schwierig, auf Bundesebene Deutschland bezogen auf die einzelnen Nachhaltig- entwickelte Hochwasserschutzstrategien für die Länder keitsaspekte fast gar nicht oder eben nur ansatzweise verbindlich zu machen bzw. Hochwasserschutzkonzep- umgesetzt wird. Die eingesetzten Finanzierungsbeihil- te, die für einzelne Bundesländer gedacht sind, auch in fen verfehlen damit letztlich ihr Ziel. Daher muss nach anderen durchzusetzen. Hier kam es bisher vor allem den Ursachen hierfür gefragt werden. auf Abstimmung und letztlich solidarische Denken zwischen Ober- und Unterlieger an, welches so nicht 4.1 Rechtliche Situation im Hinblick auf immer vorhanden ist. nachhaltigen Hochwasserschutz (Bund und Bundesländer insgesamt) Im Zuge der Föderalismusreform 2006 erfolgte nun eine Neuordnung der Umweltkompetenzen. Damit ist Hochwasserschutz hat zu wesentlichen Teilen mit der der Weg frei für das schon lange geplante Umweltge- Umsetzung von Rechtsnormen bzw. mit deren Beach- setzbuch (UGB). Das Zusammenspiel zwischen Bund tung zu tun. Begonnen werden soll daher bei der Ur- und Ländern wurde nun neu geregelt. Für den Umwelt- sachenforschung für die unzureichende Nachhaltigkeit bereich ergeben sich gegenüber der derzeitigen Verfas- im derzeitigen Hochwasserschutz mit einer Analyse der sungslage vor allem zwei wichtige Veränderungen. rechtlichen Situation. Die Fragen lauten hierbei: - Ermöglicht das geltende Recht nachhaltigen Hoch- Zentrale Umweltmaterien im Grundgesetz (Luftreinhal- wasserschutz? tung, Lärm, Naturschutz, Wasser, Abfall, Bodenschutz) - Führt es zwingend zu nachhaltigem Hochwasser- werden von der Erforderlichkeitsklausel befreit, d.h. schutz? der Bund kann in diesen Bereichen künftig Vorschrif- - Gibt es zuviel Raum für nichtnachhaltigen Hoch- ten erlassen ohne die bisher nach Art. 72 Abs. 2 GG wasserschutz? geltende Einschränkung, wonach er nur dann dazu das - Welche Besonderheiten gibt es in einzelnen Bundes- Recht hat, „wenn und soweit die Herstellung gleich- ländern? wertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im 4.1.1 Die Rechtsetzung des Bundes allgemein gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche (WHG, BauGB, BBodSchG) Regelung erforderlich macht.“ Für andere umweltre- 4.1.1.1 Gesetzgebungskompetenz levante Bereiche, die traditionell ganz oder teilweise Die Verantwortlichkeiten im Hochwasserschutz und in auf die Kompetenzgrundlage „Recht der Wirtschaft“ der Hochwasservorsorge sind in Deutschland föderal gestützt werden (Klimaschutz, Chemikaliensicherheit, verteilt. Bisher konnte der Bund mit seiner Kompetenz u.a.), bleibt es bei den bisher geltenden Regeln, weil der Rahmengesetzgebung auf dem Gebiet der Wasser- der Kompetenztitel „Recht der Wirtschaft“ nicht von wirtschaft lediglich den Rahmen abstecken, in dem sich der Erforderlichkeitsklausel befreit wird. Hier kann der der Hochwasserschutz und die Hochwasservorsorge Bund weiterhin Umweltvorschriften erlassen, wenn bewegen sollten. So legte der Bund etwa einheitliche eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich ist. Ziele und Mindestanforderungen für die Gewässerbe- Die Rahmengesetzgebung (Art. 75 GG) wird abge- wirtschaftung fest. Die Verantwortung für die Gestal- schafft. Der Bund kann jetzt erstmals in den Bereichen tung detaillierter Strategien, Gesetze, Verordnungen Naturschutz und Wasser Vollregelungen treffen. und Maßnahmen gegen Hochwasser im Wesentlichen Damit wird der Weg frei für das Umweltgesetzbuch liegen dagegen bislang bei den Bundesländern. Die und für die Einführung einer integrierten Vorhabenge- Verantwortung für einzelne Projekte im Hochwasser- nehmigung, also einer bundesweit einheitlichen Geneh- schutz kann - abhängig von der Verteilung der Kompe- migung, die die Umweltverträglichkeit eines Vorhabens tenzen in den Ländern - bei den Kommunen liegen. unter allen Umweltaspekten (Boden, Luft, Wasser, Naturschutz, Abfall, Energie) in einem Verfahren prüft Auch der friedensmäßige Katastrophenschutz gehört und sicherstellt. An der fehlenden Regelungskompetenz nach dem Grundgesetz zur Zuständigkeit der Länder. für Wasser und Naturschutz war im Jahr 1999 der erste Der Bund hat insoweit keine originäre Kompetenz. Anlauf für ein UGB gescheitert. Grundlage für die Zivilschutzaufgabe des Bundes ist allein der militärische Angriff.

WWF Deutschland 55 Auch die Länder erhielten eigene Gestaltungsspiel- bei der planungsrechtlichen Zulässigkeit von Vorhaben räume im Umweltbereich. Die Länder werden in den strikt zu beachten ist. Wenn jedoch zwei Planungsträger Bereichen Naturschutz und Wasser und im Verfahrens- wie die privilegierte Fachplanung und die Raumord- recht in Zukunft durch eigene Rechtsvorschriften von nung mit Vorrangwirkung aufeinander stoßen, wird Bundesrecht abweichen können (Art 72 Abs. 3 GG). Für es deutlich schwieriger. Die gesetzlichen Regelungen bestimmte Teilgebiete soll allerdings dem Bund ermög- führen hier zu einer Art Zirkelschluss. Raumordnung licht werden, eine abschließende Regelung zu treffen. und Fachplanung sind daher ebenso wie die einzelnen So kann der Bund etwa die allgemeinen Grundsätze des Fachverwaltungen auf ein Miteinander angewiesen, Naturschutzrechts und die stoff- oder anlagenbezoge- wobei sich die Beteiligten in Streitfällen vor allem auf nen Anforderungen im Wasserrecht abweichungsfest ihre Kernaufgaben konzentrieren müssen. regeln. Das Umweltverfahrensrecht kann der Bund mit Zustimmung des Bundesrates abweichungsfest ausge- 4.1.1.3 Hochwasserschutz-Artikel-Gesetz (2005) stalten (Art. 84 Abs. 1 GG). In Wahrnehmung seiner damaligen Kompetenz zur Auf Initiative des Bundesumweltministeriums wurde rahmensetzenden Gesetzgebung im Hochwasserschutz in die neue Verfassung eine Übergangsregelung auf- hat der Bund in Reaktion auf die Hochwasserereignisse genommen, wonach die Länder bis zum 31.12.2009 der letzten Jahre das Gesetz zur Verbesserung des vor- von ihren Abweichungsbefugnissen beim Wasser- und beugenden Hochwasserschutzes (Hochwasserschutz- Naturschutzrecht grundsätzlich keinen Gebrauch ma- Artikel-Gesetz) vom 3. Mai 2005 erlassen. Die darin chen dürfen. Mit dieser Bestimmung soll dem Bund die getroffenen Rahmenregelungen mussten durch die Möglichkeit gegeben werden, „ungestört“ von paralle- Länder ausgefüllt werden. Im „Gesetz zur Verbesserung len Regelungsaktivitäten der Länder zunächst selbst des vorbeugenden Hochwasserschutzes“ übernahm der mit einem UGB auf den Plan zu treten (Art. 125b Bund wesentliche Teile der Grundsätze des 5-Punkte- Abs. 1 GG). Das UGB I mit Abschnitten zum Was- Programms. ser soll noch in dieser Legislaturperiode (2005/2009) kommen37. Abweichende Regelungen in den einzelnen Inhalt des Hochwasserschutz-Artikel-Gesetzes: Bundesländern sollten dann in Zukunft die Ausnahme - Die Länder wurden verpflichtet, die Gewässer oder und nicht der Regelfall sein. Gewässerstrecken zu bestimmen, an denen durch Hochwasser Schäden entstanden oder zu erwarten 4.1.1.2 Hochwasserschutz im Spannungsfeld unter- sind; 38 schiedlicher Planungen - allgemein - innerhalb festgesetzter Fristen sind Überschwem- Das Spannungsfeld zwischen dem Hochwasserschutz mungsgebiete festzusetzen unter Beteiligung der als Kernaufgabe des Wasserrechts, dem sonstigen Öffentlichkeit; Fachrecht und der Raumordnung ist kompliziert, dies - die Bundesländer regeln den Umgang mit wasser- vor allem im Vergleich zur Bauleitplanung. Gegenü- gefährdenden Stoffen sowie die hochwassersichere ber der Bauleitplanung können das Fachrecht und die Errichtung und Nachrüstung bestehender Ölhei- Raumordnung im wirklichen Konfliktfall einen (for- zungsanlagen in Überschwemmungsgebieten. Das malen) Vorrang für sich in Anspruch nehmen. An die Hochwasserschutzgesetz verpflichtet die Länder Ziele der Raumordnung hat die Gemeinde ihre Bauleit- zum Verbot von Ölheizungsanlagen, soweit dies aus pläne anzupassen (§ 1 Abs. 4 BauGB). Die privilegier- Gründen der Schadensvermeidung erforderlich ist; te Fachplanung kann unter den Voraussetzungen des - die Länder müssen vor allem bei landwirtschaftlich § 38 BauGB die gemeindliche Bauleitplanung über- genutzten Flächen durch geeignete Regelungen winden. Die Regelungen zum Hochwasserschutz kön- dafür sorgen, dass Bodenerosion und Schadstoffein- nen sich gegenüber der Bauleitplanung einen Vorrang träge in Gewässer bei Hochwasser vermieden oder zulegen, der im Recht der städtebaulichen Planung und verringert werden; - Planungsverbot für neue Baugebiete in Über- 37 Siehe dazu u.a.: http://www.bmu.de/gesetze_verord- schwemmungsgebieten; Kommunen dürfen in Über- nungen/bmu-downloads/doc/37411.php. - http://www.bmu. schwemmungsgebieten durch Bauleitpläne keinen de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/ugb_kodifikation_was- neuen Baugebiete mehr ausweisen. Nur unter neun serrecht.pdf gleichzeitig einzuhaltenden Bedingungen sind hier 38 B. Stüer, Hochwasserschutz im Spannungsverhältnis zum Ausnahmefälle möglich; übrigen Fachplanungsrecht und zum Raumordnungsrecht. In: W. Köck (Hg.), Rechtliche Aspekte des vorbeugenden Hoch- wasserschutzes. Baden-Baden 2005, S. 111-123.

56 WWF Deutschland - Genehmigungsvorbehalt für Errichtung oder Erwei- Schwächen des Gesetzes im Hinblick auf die terung von Bauten im nicht beplanten Innenbereich Anforderungen eines nachhaltigen, vorbeugenden und im Außenbereich in Überschwemmungsgebie- Hochwasserschutzes sind (Nachhaltigkeitsprüfung): ten; - Verpflichtung der Länder, noch nicht festgesetzte 1. Verminderung des Schadenspotentials Überschwemmungsgebiete vorläufig zu sichern und Das Bauverbot bezieht sich nicht auf Über- in Karten darzustellen; schwemmungsgebiete im Innenbereich und den - Verpflichtung der Länder, Gebiete, die über die ei- Außenbereich (hier nur Genehmigungsvorbe- gentlichen Überschwemmungsgebiete hinausreichen halt). oder die bei Versagen öffentlicher Hochwasserschut- Rückbau ist kein Thema. zeinrichtungen, wie Dämme, Deiche oder sonsti- ge mobile Einrichtungen überschwemmt werden 2. Gewährleistung eines verbesserten Wasser- können, sog. überschwemmungsgefährdete Gebiete, rückhalts in der Fläche zu ermitteln und kartografisch darzustellen; Weitergehende Vorschriften für einen verbesser- - Verpflichtung der Länder, auch für die überschwem- ten Wasserrückhalt sind nicht erfolgt. mungsgefährdeten Gebiete Regelungen, mit denen Überschwemmungsschäden vermeid- oder vermin- 3. Schaffung neuer Retentionsflächen derbar sind, zu erlassen; Der vielleicht wichtigste Ansatz zur Verbesse- - Verpflichtung der Länder zur Aufstellung von rung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, Plänen zu einem abgestimmten Hochwasserschutz nämlich die Wiederherstellung früherer Über- entlang der Flüsse innerhalb von vier Jahren - sofern schwemmungsgebiete für einen verbesserten nicht schon Hochwasserschutzpläne vorhanden sind; Hochwasserrückhalt, wird nicht verbindlich und - Verpflichtung, Überschwemmungsgebiete und über- konsequent verfolgt. Als Grundsatz des Hoch- schwemmungsgefährdete Gebiete künftig in den wasserschutzes im § 31a WHG fehlt der Ansatz Raumordnungsplänen, den Flächennutzungsplänen ganz, im § 31b Abs. 6 WHG wird er nur als und den Bebauungsplänen nachrichtlich zu überneh- „Soll-Vorschrift“ für die Länder ohne Vorgaben men; zur verbindlichen Umsetzung festgelegt. - Aus- bzw. Neubau und Unterhaltung von Bundes- wasserstraßen muss künftig weitgehend hochwas- 4. Verbindung von Hochwasserschutz mit der serneutral erfolgen; WRRL - Präzisierung der Aufgaben des Deutschen Wetter- Eine ökologische Gewässerentwicklung, so- dienstes. wie die Gewährleistung und Ausweitung eines natürlichen Überschwemmungsregimes genießt Die Stärken des Gesetzes sind u.a.: nicht eindeutig der Vorrang vor Maßnahmen des • verbindliche Festsetzung von Überschwemmungs- technischen Hochwasserschutzes (z.B. gesteuerte gebieten durch die Länder mit gesetzlicher Fristset- Entlastungspolder) zung und Verankerung in den Bauleitplänen, • grundsätzliches Verbot von Bebauungsgebieten in Überschwemmungsgebieten, • wenigstens grundsätzliches Verbot der Ackernut- zung in Überschwemmungsgebieten, • Einführung von Hochwasserschutzplänen, • Einführung von Restriktionen in überschwem- mungsgefährdeten Gebieten.

WWF Deutschland 57 4.1.1.4 EG-Hochwasser-RL zu erhalten, zu entwickeln oder wiederherzustellen.“ In Im Januar 2006 hat die EU-Kommission einen Vor- § 1 Abs. Nr. 11 BNatSchG heißt es: „Unbebaute Berei- schlag für eine Richtlinie über Bewertung und Manage- che sind wegen ihrer Bedeutung für den Naturhaushalt ment von Hochwasserrisiken (allgemein Hochhwas- und für die Erholung insgesamt und auch im Einzelnen serrichtlinie) vorgelegt, die dann in allen EU-Staaten in der dafür erforderlichen Größe und Beschaffenheit in nationales Recht zu überführen sein wird. Es ist zu zu erhalten. Nicht mehr benötigte versiegelte Flächen erwarten, dass diese Richtlinie noch im Jahre 2007 in sind zu renaturieren oder, soweit eine Entsiegelung Kraft gesetzt wird39. nicht möglich oder nicht zumutbar ist, der natürlichen Entwicklung zu überlassen.“ Inhaltlich basiert die Richtlinie insbesondere auf den Zuarbeiten der Bundesrepublik Deutschland und ist der Entscheidungen über vorbeugende Maßnahmen zum Stoßrichtung des Hochwasserschutz-Artikel-Gesetzes Hochwasserschutz - wie Deichrückverlegungen - in ei- vergleichbar. nem Bundesland können erhebliche Auswirkungen auf das Gebiet anderer Länder, u. U. sogar von Nachbar- 4.1.1.5 Geltendes Recht und Nachhaltigkeit im staaten haben. Deshalb müssen Maßnahmen harmoni- Hochwasserschutz siert werden. Diesem Ziel dient das Abstimmungsgebot (WHG, BNatSchG, BBodSchG) des § 32 Abs. 3 WHG. Die Landeswassergesetzte ent- a) Verminderung des Schadenspotentials / Gewährleis- halten ihrerseits Vorschriften, die eine solche Abstim- tung eines verbesserten Wasserrückhalts in der Fläche / mung erleichtern sollen. Schaffung neuer Retentionsflächen § 1 BBodSchG fordert die nachhaltige Sicherung bzw. Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) enthält insbeson- Wiederherstellung der Funktionen des Bodens. Zu die- dere in den §§ 31a bis 32 WHG vielfältige Regelungen sen gehört auch das Retentionsvermögen. zur Verminderung des Schadenspotentials (1.), Ge- währleistung eines verbesserten Wasserrückhalts in der Nachhaltigkeitsprüfung Fläche (2), Schaffung neuer Retentionsflächen (3.). Im Sinne der Nachhaltigkeitsaspekte (1.), (2.) und (3.) enthalten die einschlägigen Normen des Bun- So sollen gem. § 32 Abs. 2 S. 3 WHG frühere Über- desrechts entsprechende Forderungen. Allerdings schwemmungsgebiete, die als Rückhalteraum geeignet sind diese in der Regel nicht zwingend (d.h., in Ab- sind so weit wie möglich wieder hergestellt werden, wägungsprozessen wegwägbar). Ihre Nichtbeach- soweit überwiegende Gründe des Wohls der Allgemein- tung bzw. unzureichende Berücksichtigung bleibt heit dem nicht entgegenstehen. Daraus ergeben sich daher weitgehend folgenlos. Direktiven für die Landesplanung und die Fachplanung, Rückhalteflächen zurück zu gewinnen, und dies eben auch durch die Rückverlegung von Deichen. b) Verbindung von Hochwasserschutz mit Umwelt- schutz (insbes. der WRRL) § 31d WHG verpflichtet die Länder, in einer bestimm- Rein rechtlich besteht eine vielfältige Verbindung ten Frist Hochwasserschutzpläne aufzustellen, die u.a. (Zielkomplementarität) von Umweltschutz und Hoch- der „Rückgewinnung und Rückhalteflächen“ (§ 31d wasserschutz. Abs. 1 S. 1 WHG) dienen. In ihnen sind insbesondere „Maßnahmen zum Erhalt oder zur Rückgewinnung von Dazu gehören insbesondere die Forderung nach Un- Rückhalteflächen, zur Rückverlegung von Deichen, terlassung vermeidbarer Beeinträchtigungen der zum Erhalt oder zur Wiederherstellung von Auen sowie gewässerabhängigen Landökosysteme (§ 1a Abs. 1 u. zur Rückhaltung von Niederschlagswasser aufzuneh- 2 WHG), der Erhaltung oder Herstellung eines guten men“ (§ 31d Abs. 1 S. 3 WHG). ökologischen Zustandes der Oberflächengewässer (§ 25a Abs. 1 Nr. 2 WHG), der Schutz, die Pflege und die § 1 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG enthält die ausdrückliche Entwicklung bzw. Wiederherstellung der Leistungs- Forderung: „Natürliche oder naturnahe Gewässer sowie und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes sowie der deren Uferzonen und natürliche Rückhalteflächen sind Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebens- stätten und Lebensräume (§ 1 Nrn. 1 u. 3 BNatSchG) und die nachhaltige Sicherung bzw. Wiederherstellung 39 http://europa.eu.int/comm/environment/water/flood_risk/in- dex.htm.

58 WWF Deutschland Erhalt bzw. wenn möglich die Rückgewinnung natürli- der Funktionen des Bodens (§ 1 BBodSchG). Diesen cher Rückhalteflächen. Forderungen wird spätestens seit den 1990er Jahren auch eine entsprechende Hochwasserschutzrelevanz Zudem ergeben sich auch spezifische Zielüberein- zugesprochen. stimmungen zwischen der Bewirtschaftung von Über- schwemmungsgebieten einerseits und der Gewässer- § 1 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG enthält die ausdrückliche bewirtschaftung mit Blick auf die gewässerabhängigen Forderung: „Natürliche oder naturnahe Gewässer Landökosysteme sowie der naturschutzrechtlichen sowie deren Uferzonen und natürliche Rückhalteflä- Biotopvernetzung, für die sich die Flussauen in beson- chen sind zu erhalten, zu entwickeln oder wiederherzu- derer Weise anbieten, andererseits. stellen.“ In § 1 Abs. Nr. 10 BNatSchG wird bestimmt, dass „auch im besiedelten Bereich noch vorhandene Nachhaltigkeitsprüfung Naturbestände, wie Wald, Hecken, (…) Bachläufe, Die Rechtslage gibt reichlich Spielraum für die Weiher sowie sonstige ökologisch bedeutsame Klein- Berücksichtigung von Belangen des Umweltschut- strukturen zu erhalten und zu entwickeln“ sind. Eine zes im Hochwasserschutz im Sinne des Nachhal- Hochwasservorsorgefunktion kommt schließlich auch § tigkeitsaspektes (4.). Wirklich zwingend sind diese 1 Abs. Nr. 11 BNatSchG zu, wo es heißt: „Unbebaute Regelungen aber nicht. Bereiche sind wegen ihrer Bedeutung für den Natur- haushalt und für die Erholung insgesamt und auch im Einzelnen in der dafür erforderlichen Größe und 4.1.2 Hochwasserschutz in der Raumplanung Beschaffenheit zu erhalten. Nicht mehr benötigte ver- a) Vorgaben des Raumordnungsgesetzes (ROG) zum siegelte Flächen sind zu renaturieren oder, soweit eine Hochwasserschutz Entsiegelung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, der Hochwasserschutz ist langfristig betrachtet zu wesent- natürlichen Entwicklung zu überlassen.“ lichen Teilen Aufgabe der Raumplanung. Raumplanung kann jedoch in der Regel nicht kurzfristig handeln. § 31 BNatSchG („Schutz von Gewässern und Uferzo- Räumliche Planung kann bestehende Nutzungen nicht nen“) verpflichtet die Länder, sicherzustellen, „dass die oder kaum und neue Nutzungen (fast) nur im Hinblick oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Gewäs- auf deren räumliche Einordnung und mit nur sehr gerin- serrandstreifen und Uferzonen als Lebensstätten und gem Einfluss auf die spezifischen Wirkungen der Nut- Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten zungen, etwa durch Einfluss auf deren Lage und Größe, erhalten bleiben und so weiterentwickelt werden, dass beeinflussen. Ein Ausgleich von Risiken und Chancen sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer wird nicht vorgenommen und auch eine Moderation erfüllen können“. von Kooperationsprozessen ist nicht Gegenstand förm- licher Regionalplanung. Neben der Erweiterung der allgemeinen Sorgfaltspflicht in § 1a Abs. 2 WHG durch das Hochwasserschutz-Ar- Insgesamt lassen sich folgende Funktionen für die übe- tikel-Gesetz sind durch die Neufassung des § 32 WHG rörtliche Raumplanung innerhalb des Risikomanage- die Möglichkeiten der Ausweisung von Überschwem- mentprozesses der Naturgefahr Hochwasser abgren- mungsgebieten sogar erheblich erweitert, und ist insbe- zen40: sondere den ökologischen Strategien des Hochwasser- - Formulierung von Leitvorstellungen, Zielen, Grund- schutzes rechtliche Geltung verschafft worden. In § 32 sätzen (Programmierungsfunktion). Abs. 2 WHG ist darüber hinaus geregelt, dass Über- - Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und schwemmungsgebiete in ihrer Funktion als natürliche Maßnahmen insbesondere der Wasserwirtschaft, der Rückhalteflächen zu erhalten sind. Agrarplanung und des Naturschutzes (Koordinie- rungsfunktion). Für Überschwemmungsgebiete können gem. Landes- recht i.V.m. § 31b WHG Gebote und Verbote, ggf. mit 40 Vgl. S. Greiving, Raumordnung, Regionalplanung und Genehmigungsvorbehalten, festgelegt werden. Zweck kooperative Regionalentwicklung und ihre Aufgaben beim dieser Gebote und Verbote sind neben der Regelung des Risikomanagement der Naturgefahr Hochwasser, Vorbeugen- Hochwasserabflusses auch der Erhalt und die Ver- der Hochwasserschutz auf kommunaler Ebene. Workshop besserung der Gewässergüte sowie der ökologischen des Umweltbundesamtes Berlin und des Instituts für ökologi- sche Raumentwicklung e.V. Dresden am 13. u. 14. Dezember Strukturen der Gewässer und der Überflutungsflächen, 2000 in Dresden. - siehe: http://www.umweltdaten.de/publika- die Verhinderung erosionsfördernder Eingriffe und der tionen/fpdf-l/1964.pdf.

WWF Deutschland 59 - Freihaltung von Flächen im Vorsorgeinteresse (Flä- tur getroffen werden, zu denen u.a. auch „Freiräume zur chenvorsorge). Damit Beeinflussung von Eintritts- Gewährleistung des vorbeugenden Hochwasserschut- wahrscheinlichkeit und Schadenspotential (Steue- zes“ gehören. Enthalten sollen die Raumordnungspläne rungsfunktion). dazu gem. § 7 Abs. 3 S. 2 Nr. 5 ROG ausdrücklich „die - Räumliche Separierung von Schutzgütern einerseits raumbedeutsamen Erfordernisse und Maßnahmen des und Risikopotentialen andererseits im Rahmen der vorbeugenden Hochwasserschutzes nach den Vorschrif- Standortfindung für überörtliche Anlagen (Len- ten des Wasserhaushaltsgesetzes“ und damit implizit kungsfunktion). auch der WRRL. - Ausgleich raumwirksamer Vor- und Nachteile von Zu den Festlegungen gehören nach § 7 Abs. 4 ROG Hochwasserschutzmaßnahmen (Steuerungsfunkti- auch Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete. Doch on). sind diese Raumkategorien in der Regel Gegenstand - Beteiligung der öffentlichen Planungsträger inkl. der Regionalplanung, da maßstabsbedingt auf Landese- der Kommunen (u. U. auch Privatpersonen= bei der bene noch keine hinreichende räumliche und sachliche Planaufstellung und bei Raumordnungsverfahren; Konkretisierung möglich ist, die die Anforderungen an Moderation von Verhandlungs- und Kooperations- ein Ziel der Raumordnung erfüllen würde. prozessen beteiligter Planungsträger (Verfahrens- Sehr wohl möglich und zur Bindung abweichender funktion). Regionalplanung auch im Sinne eines interregionalen Ausgleichs erforderlich, sind textliche Zielaussagen Raumordnung umfasst alle raumbedeutsamen Bereiche zum Hochwasserschutz. und ist im wesentlichen Aufgabe der Länder (Lan- Nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 SächsLPlG sind Gemeinden desplanungsgesetze). In den Leitvorstellungen und und Gemeindeverbände, für die eine Anpassungspflicht Grundsätzen der Raumordnung (§§ 1, 2 ROG) werden begründet werden soll, aber auch direkt an der Aufstel- Vorstellungen einer wünschenswerten räumlichen lung des Landesentwicklungsplans zu beteiligen. Entwicklung im Sinne von abstrakten, noch nicht kon- kretisierten und verräumlichten Zielaussagen gemacht, Auf der Ebene der Regionalplanung findet die räumlich der Mitteleinsatz zur Verwirklichung dieser Ziele aber und sachlich konkretisierte raumplanerische Letztab- offen gelassen. wägung statt, die ihren Ausdruck in Zielen der Raum- Dazu gehört auch § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG, der im Hin- ordnung findet, die über die allgemeine Raumordnungs- blick auf den Hochwasserschutz aussagt: „Natur- und klausel des § 4 Abs. 1 ROG von öffentlichen Stellen Landschaft einschließlich Gewässer und Wald sind zu bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnah- schützen, zu pflegen und zu entwickeln. (…) Für den men zu beachten ist. Im BauGB wird dies mit § 1 Abs. vorbeugenden Hochwasserschutz ist an der Küste und 4 ROG als spezieller Raumordnungsklausel bestätigt. im Binnenland zu sorgen, im Binnenland vor allem Gem. § 9 Abs. 1 ROG sind in Ländern, deren Gebiet durch die Sicherung oder Rückgewinnung von Auen, die Verflechtungsbereiche mehrerer zentraler Orte Rückhalteflächen und überschwemmungsgefährdeter oberster Stufe umfasst, Regionalpläne aufzustellen. Im Bereiche (…)“. Planungsausschuss der regionalen Planungsgemein- Dieser Grundsatz ist bemerkenswert, weil er im Gegen- schaften in Sachsen sitzt je ein Vertreter der beteiligten satz zu anderen Grundsätzen bereits konkrete Ziele und Gebietskörperschaften. sogar Maßnahmen nennt. Im Zusammenhang mit Hochwasserschutz kommt als Auf Ebene der Landesplanung tritt zu der Funktion Inhalt eines Regionalplanes insbesondere die raumord- der Zwecksetzung (Ergänzung der Handlungsnormen nerische Festlegung von Überschwemmungsbereichen bzw. Grundsätze in den Landesplanungsgesetzen) in Form von Vorranggebieten oder Vorbehaltsgebieten noch eine Planungsfunktion hinzu. Insbesondere sollen für den Hochwasserschutz in Betracht. In den Vorrang- Festlegungen zur Raumstruktur getroffen werden (§ 7 gebieten zur Sicherung des Hochwasserabflusses und Abs. 2 ROG) sowie raumbedeutsame Planungen und -rückhaltes schließt der vorbeugende Hochwasserschutz Maßnahmen von öffentlichen Stellen und Personen andere nicht zu vereinbarende raumbedeutsame Nut- des Privatrechts aufgenommen werden, soweit sie zur zungen aus. In den Vorbehaltsgebieten zur Sicherung Aufnahme in Raumordnungspläne geeignet und zur des Hochwasserabflusses und des -rückhaltes kommt Koordinierung von Raumansprüchen erforderlich sind dem vorbeugenden Hochwasserschutz bei der Abwä- (§ 7 Abs. 3 ROG). Gem. § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2d ROG gung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzun- sollen Festlegungen zur anzustrebenden Freiraumstruk- gen ein besonderes Gewicht zu.

60 WWF Deutschland Die durch die Festlegung als Vorranggebiet für den zur Sanierung und Entwicklung von Raumfunktionen Hochwasserschutz geschützten Bereiche können neben etwa gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 SächsLPlG i.V.m. § 7 Abs. den fachgesetzlichen Überschwemmungsgebieten so- 2 Nr. 2c ROG. Die Verknüpfung mit dem Themenfeld wie potentiellen Überschwemmungsgebieten, die noch Hochwasserschutz bietet sich insbesondere für den nicht fachgesetzlich festgesetzt sind, weitere Bereiche im Rahmen der Sanierungs- und Entwicklungsgebiete zur Sicherung oder Gewinnung von Retentionsräumen genannten umweltpolitischen Problemraum der groß- aufgrund konkreter Konzepte der Fachplanung umfas- räumigen Gewässerbelastungen und der landwirtschaft- sen. Dabei ist auf Synergieeffekte mit der Landschafts- lichen Intensivgebiete an, weil hier Handlungsansätze planung zu achten. Der Aufbau von Biotopverbundsys- wie etwa Gewässersanierungen oder Extensivierungen temen und der Schutz bzw. die Wiederherstellung von landwirtschaftlicher Nutzungen auch mit Zielen des Retentionsflächen lassen sich gut miteinander kombi- Hochwasserschutzes wie Deichsanierungen bzw. Rück- nieren. verlegungen und Gewässerrenaturierungen, Uferrand- Außerdem sollten nach Einzelfallabwägung auch po- streifen, Erhöhung der Speicherwirkungen des Bodens, tentiell gefährdete Gebiete hinter den Deichen einbe- Geländes und Bewuchses verbunden werden können. zogen werden, in denen es besonders gefährliche oder Da häufig mehrere Fachplanungsträger mit unterschied- gefährdete Nutzungen gibt. Dies erfordert jedoch einer lichen Zielsetzungen beteiligt sind, ist die Ausrichtung sorgfältigen Begründung, da in diesen Gebieten, die ja ihrer Ziele und Maßnahmen auf eine integrative Ent- nominell relativ gut geschützt sind, mit der Festlegung wicklungsperspektive der räumlichen Gesamtplanung eines Vorranggebietes für den Hochwasserschutz mit als bedeutsam einzuschätzen. diesem nicht vereinbare raumbedeutsame Nutzungen ausgeschlossen werden. Da raumbedeutsame Vorha- § 13 ROG sieht für die Verwirklichung von Raumord- ben nach den Absätzen 1 und 2 gem. § 35 Abs. 3 S. 2 nungsplänen ausdrücklich eine Zusammenarbeit mit BauGB den Zielen der Raumordnung nicht widerspre- denen für die Verwirklichung maßgeblichen öffentli- chen dürfen, wird Regionalplanung für den Außen- chen Stellen und Personen des Privatrechts vor. Dabei bereich faktisch zum regionalen Bodenrecht, das die werden u.a. regionale Entwicklungskonzepte und Bodennutzung im Hinblick auf Außenbereichsvorhaben vertragliche Vereinbarungen erwähnt. In diesem Sinne unmittelbar steuert. sollte über kooperative Regionalentwicklung, das heißt Für unmittelbar eigentumsgestaltende Planung ist ein eine Zusammenarbeit auf regionaler Ebene bei glei- Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und individu- chen Beteiligungschancen und Kompetenzen, die auf eller Betroffenenbeteiligung vorgesehen. Die Betrof- ein gemeinsames Ziel ausgerichtet ist, ein regionaler fenenbeteiligung sieht § 7 Abs. 5 ROG für Fälle vor, Konsens über ein Konzept des Risikomanagements der in denen eine Beachtenspflicht nach § 4 Abs. 1 oder 3 Naturgefahr Hochwasser hergestellt werden. Mitwirken ROG begründet werden soll. Zudem bietet § 7 Abs. 6 sollten alle relevanten Planungsträger in der Region, ROG eine entsprechende generalklauselähnliche Op- also Regionalplanung, Fachplanungen und Kommunen, tion für Öffentlichkeitsbeteiligung- bzw. Einbeziehung sowie juristische und natürliche Personen des Privat- bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen. rechts. Kooperationsprozesse erfordern eine kompeten- te Moderation. Diese Rolle kann die Regionalplanung Geeignete Areale für Vorbehaltsgebiete sind mögliche übernehmen. Sind mehrere Regionalplanungsräume in Deichrückverlegungsgebiete oder denkbare Retentions- einem Flusseinzugsgebiet betroffen, sollte eine regio- räume, für die noch keine förmliche wasserwirtschaft- nale Planungsgemeinschaft die Federführung überneh- liche Aussage in Plänen oder Verordnungen getroffen men. Der angestrebte Konsens sollte sich insbesondere worden ist. Denkbar ist auch die Aufnahme von Hoch- auf die Setzung von Schutzzielen, Schutzgrad und wasserentstehungsgebieten, in denen besonders häufig Umsetzungskonzept beziehen und einen regionalen Starkregenereignisse zu verzeichnen sind, die maßgeb- Ausgleich von Chancen und Risiken beinhalten. Die lich an der Entstehung von Hochwassern beteiligt sind. geeignete Plattform für die Umsetzung der Ergebnisse Schließlich sollten diejenigen Flächen in potentiell be- ist vor allem der von der LAWA für kleinere Flussge- drohten Bereichen hinter Deichen in Vorbehaltsgebiete biete vorgesehene Hochwasseraktionsplan. einbezogen werden, die keine besondere Exponierung aufweisen. Mit der am 01.09.2006 in Kraft getretenen Födera- Ein weiterer Ansatz auf regionaler Ebene ist die Ver- lismusreform wurde auch die Raumordnung in den knüpfung der Ausweisung von hochwassergefährdeten Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungskompe- Gebieten mit Sanierungs- und Entwicklungsgebieten tenz überführt. In diesem Zusammenhang soll das

WWF Deutschland 61 Raumordnungsgesetz des Bundes (ROG) demnächst serschutzes auszuweisen hat, wurde bisher von keinem geändert und vollständig neu kodifiziert werden. Dabei Land festgelegt. Nur in Thüringen (bis 2009), Hessen sollen zwecks Schaffung eines in sich geschlossenen und Sachsen (bis 2006) wird eine generelle Frist, also Systems unter Beibehaltung der bewährten Wirkungen, keine speziell auf den Hochwasserschutz abzielende die von der bisherigen Rahmengesetzgebung ausgehen, zeitliche Vorgabe zur Fortschreibung der Regionalpläne die nunmehr bestehende Möglichkeit zum Erlass von bzw. zur Anpassung an den Landesentwicklungsplan Vollregelungen in bestimmten zentralen Bereichen ge- für die Träger der Regionalplanung genannt. In allen nutzt und in anderen Bereichen eine Ergänzung durch anderen Ländern wird entweder auf eine schnellst- Landesrecht ermöglicht werden. Des Weiteren sollen mögliche Fortschreibung der Regionalpläne hingear- gegebenenfalls zusätzliche Bundesregelungen, z.B. zur beitet oder die Anpassung der Ziele des vorbeugenden Rechtsform von Raumordnungsplänen, aufgenommen Hochwasserschutzes den anstehenden Aktualisierungen werden. überlassen. Sanktionsmittel gegen Träger der Regionalplanung, b) Umsetzung des Hochwasserschutz-Artikel-Geset- die keine bzw. unzureichende Aktivitäten zum vorsor- zes in der Raumplanung genden Hochwasserschutz entfalten, greifen in allen Mit dem Hochwasserschutz-Artikel-Gesetz des Bundes Ländern durch die Fachaufsicht und bei der Genehmi- war auch eine Stärkung des Hochwasserschutzes in der gung des Regionalplans. Viele Länder gehen davon aus, Raumplanung verbunden. Dazu wurden im Raumord- dass die Planungsregionen ordnungsgemäß ihrer Pflicht nungsgesetz die §§ 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2d und § 7 Abs. 3 zum vorsorgenden Hochwasserschutz nachkommen, S. 2 Nr. 5 ROG eingefügt. Ziel der alten Bundesregie- sodass der Einsatz von Sanktionsmitteln letztlich nicht rung war es, das raumordnerische Flächenmanagement erforderlich ist. zum vorbeugenden Hochwasserschutz zu unterstüt- zen41. Dieses umfasst: c) Raumplanung und Nachhaltigkeit im Hochwasser- - die Sicherung und Rückgewinnung von natürlichen schutz (Nachhaltigkeitsprüfung) Überschwemmungsflächen, Bezüglich des Nachhaltigkeitsaspektes „Vermin- - die Risikovorsorge in potentiell überflutungsgefähr- derung des Schadenspotentials“ (1.) eröffnet das deten Bereichen und Raumordnungsrecht ausreichend Möglichkeiten, - den Rückhalt des Wassers in der Fläche des gesam- eine weitere Anhäufung von Werten (vor allem ten Einzugsgebietes. Hoch- und Tiefbau) in hochwassergefährdeten Das bedeutet, dass auf der Ebene der Landesplanung Bereiche langfristig zu verhindern. Entscheidend ist, vor allem Grundsätze und Ziele als Vorgabe für eine dass von den Möglichkeiten vor allem auf der Ebene weitere Konkretisierung auf regionalplanerischer Ebene der Regionalplanung auch tatsächlich Gebrauch ge- verankert werden. macht wird. Für die Planung von Rückbau bietet die Raumplanung im Sinne des ROG praktisch keine Alle Länder, die ihre Landesentwicklungspläne nach Handhabe. 2002 aktualisiert bzw. deren Pläne vorliegen oder sich noch im Auf- bzw. Fortschreibungsverfahren befin- Bezüglich des Aspektes „Gewährleistung eines den, haben ihre raumordnungsrechtlich verbindlichen verbesserten Wasserrückhalts in der Fläche“ (2.) gilt Festlegungen zum vorbeugenden Hochwasserschutz ähnliches. Die Raumplanung eröffnet weitgehende grundlegend überarbeitet und zum Teil erheblich Möglichkeiten, die jedoch tatsächlich auch genutzt ausgeweitet42. In anderen Ländern ist die Regional- werden müssen. Dasselbe gilt auch für den Nachhal- planung zur Ausweisung von Raumordnungsgebieten tigkeitsaspekt „Schaffung neuer Retentionsflächen“ zum vorbeugenden Hochwasserschutz direkt durch die (3.), wie den „Verbindung von Hochwasserschutz Landesplanungsgesetze verpflichtet worden. mit der WRRL“ (4.). Eine explizite Frist, bis wann die Regionalplanung Raumordnungsgebiete des vorbeugenden Hochwas-

41 BT Drucksache 15/274, Hochwasserschutz - Erfahrungen 42 Bericht der Bundesregierung über die nach der Flusskonfe- und Konsequenzen aus der Flutkatastrophe im Sommer renz vom 15. September 2002 eingeleiteten Maßnahmen zur 2002. Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Homburger und Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Hg. weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Antwort der v. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- Bundesregierung, S. 9. sen. 2005, S. 23.

62 WWF Deutschland 4.1.3 Flächen- und Bauplanung in hochwasser- nisse und Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung gefährdeten Gebieten - Bauleitplanung muss auch auf Hochwasser bezogen werden (Bauvor- (BauGB) sorge / Schadenspotential). Über die konkrete Nutzung von Flächen entscheiden - ungeachtet der daneben existierenden Fachplanungen b) Flächennutzungsplanung - gem. Baugesetzbuch (BauGB) grundsätzlich die Ge- Bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans (FNP) meinden (§ 2 Abs. 1 BauGB). Dazu dient die Bauleit- fällt die Entscheidung für den Verlust oder die Siche- planung, für die auch Fragen des Hochwasserschutzes rung von Überschwemmungsgebieten bzw. -bereichen. relevant sind. Die Gemeinden haben dabei ihre Bau- Das BauGB macht der Flächennutzungsplanung unter leitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen (§ 1 dem Gesichtspunkt des Hochwasserschutzes an drei Abs. 4 BauGB), in der Fragen des Hochwasserschutzes zentralen Stellen Vorgaben: ebenfalls eine Rolle spielen. - § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauGB erwähnt als spezielle Dar- stellung des FNP ausdrücklich Flächen, die im Inte- Die Berücksichtigung der Belange des Hochwas- resse des Hochwasserschutzes und der Regelung des serschutzes in der Bauleitplanung wurde durch das Wasserabflusses freizuhalten sind. Hierzu gehören Hochwasserschutz-Artikel-Gesetz erheblich gestärkt. neben den eigentlichen Hochwasserschutzanlagen So wurden dazu in das BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 12 auch Hochwasserabflussgebiete, die von Bebauung BauGB [Hochwasserschutz], § 5 Abs. 4a BauGB freizuhalten sind. [Überschwemmungsgebiete / überschwemmungsge- - § 5 Abs. 3 Nr. 1 BauGB ordnet eine Kennzeich- fährdete Gebiete], § 9 Abs. 6a BauGB [Überschwem- nungspflicht für „Flächen, bei denen besondere bau- mungsgebiete / überschwemmungsgefährdete Gebiete], liche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten“ § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 BauGB [Hochwasserschutz] und erforderlich sind, an. § 246a BauGB [Überschwemmungsgebiete / über- - Nach § 5 Abs. 4a BauGB sind schließlich Über- schwemmungsgefährdete Gebiete] neu eingefügt. § 35 schwemmungsgebiete bzw. überschwemmungsge- Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB wurde neu gefasst. fährdete Gebiete nach Wasserrecht nachrichtlich zu übernehmen bzw. zu vermerken (bei Neubekannt- a) Grundsätze der Bauleitplanung machung gem. § 246a BauGB) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange des Hochwasserschutzes nunmehr gem. § 1 Abs. 6 Nr. Bestehen bereits FNP können neue Hochwasserer- 12 BauGB ausdrücklich zu berücksichtigen. Für die eignisse dazu führen, dass der FNP gem. § 7 BauGB Belange des Umweltschutzes gilt dies gem. § 1 Abs. durch eine Änderung den neuen Erkenntnissen und evtl. 6 Nr. 7 BauGB, wobei gem. a) u. g) auch die Belange geänderten Gegebenheiten angepasst werden muss. des Wassers mit umfasst sind. Diese Anforderungen werden in § 1a BauGB dann noch weiter konkreti- c) Bebauungsplanung siert. Da allgemein anerkannt ist, dass der natürliche Die endgültige Entscheidung über das Maß des Hoch- Rückhalt von Niederschlagswasser in der Fläche für wasserschutzes findet bei der Aufstellung der Bebau- das Entstehen von Hochwasser wesentliche Bedeu- ungspläne statt. Hierbei ist zwischen zwei Festset- tung hat, besitzt die in § 1a Abs. 1 BauGB enthaltene zungen zu unterscheiden: zunächst gibt es solche, die Bodenschutzklausel bedeutendes Gewicht. Über die unmittelbar etwa durch Freihalten von Retentionsflä- Schutzbestimmungen für das Landschaftsbild sowie chen dem Hochwasserschutz dienen. Andererseits gibt die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaus- es Festsetzungen, die der allgemeinen Hochwasservor- haltes bekommen die Berücksichtigung von Belangen sorge mittelbar dienen, indem sie die Bodenversiege- der Umwelt und dabei auch der naturnahen Gestaltung lung begrenzen und Flächen ausweisen, die der Versi- und Nutzung der Gewässer und der Flussregionen ein ckerung von Regenwasser dienen. erhöhtes Gewicht, wobei zu letzterer aus fachlichen - Pflicht, ausgewiesene Überschwemmungsgebiete Gründen auch Renaturierungen im Zusammenhang mit generell von Bebauung freizuhalten nach Landes- Deichrückverlegungen in Frage kommen. recht (Umsetzung von § 32 WHG) - Pflicht, Überschwemmungsbereiche von Bebauung Der Grundsatz des § 1 Abs. 5 Nr. 1 BauGB mit seinen freizuhalten gem. § 1 Abs. 4 BauGB Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhält-

WWF Deutschland 63 - § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB gibt der Gemeinde die 4.1.4 Baugenehmigungen - Bauordnungsrecht Möglichkeit, Wasserflächen, Flächen für die Was- Im Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichts- serwirtschaft, für Hochwasserschutzanlagen und für behörde, ob ein Vorhaben mit den Bestimmungen des die Regelung des Wasserabflusses festzusetzen (zu Bauplanungsrechts, des Bauordnungsrechts und sonsti- beachten ist hier der Vorrang der Fachplanungen gen öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. gem. §§ 7 u. 38 BauGB) - § 9 Abs. 6a BauGB legt parallel zum Flächennut- Über die bereits angesprochenen Rechtsbereiche hinaus zungsplan fest, dass nach Wasserrecht getroffene enthalten auch die Regelungen der Länderbauordnun- Festsetzungen (Überschwemmungsgebiete / über- gen Vorschriften, die dem Hochwasserschutz Rechnung schwemmungsgefährdete Gebiete) nachrichtlich in tragen. Nach § 16 Musterbauordnung (MBO) sind den Bebauungsplan zu übernehmen sind. bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten oder zu - Darüber hinaus sind gem. § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB unterhalten, dass durch Wasser „Gefahren oder unzu- Flächen, bei denen besondere bauliche Sicherungs- mutbare Beeinträchtigungen“ nicht entstehen können. maßnahmen gegen Naturgewalten (dazu gehört auch Darüber hinaus enthalten die Landesbauordnungen Hochwasser) besonders zu kennzeichnen. Bestimmungen über Versiegelung von Grundstücken. - Nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB können zur Be- grenzung der Bodenversiegelung gesondert Flächen Im beplanten Innenbereich eines Bebauungsplans festgesetzt werden, die von Bebauung freizuhalten gelten des Festsetzungen. Im Außenbereich ist ein sind. Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht - Durch Festsetzung nicht überbaubarer Flächen entgegenstehen. Eine Beeinträchtigung öffentlicher i.V.m. mit der BauNVO (Obergrenze für das Maß Belange liegt gem. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB ins- der baulichen Nutzung) kann das Maß der Boden- besondere dann vor, wenn das Vorhaben „Maßnahmen versiegelung begrenzt werden. zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die - Nach § 9 Abs. 1 Nr. 14 BauGB kann die Gemeinde Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz beein- entsprechende Flächen für eine zentrale Regenrück- trächtigt“. Ebenfalls gegeben ist eine solche Beein- haltung in einem Regenrückhaltebecken festsetzen. trächtigung gem. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB, wenn - Spezifische Festsetzungsmöglichkeiten für eine „Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, dezentrale Regenversickerung, also in bebauten Be- des Bodenschutzes, (…) oder die natürliche Eigenart reichen und von Dachflächen, bestehen nicht. Eine der Landschaft (…) beeinträchtigt.“ örtliche Regenversickerung kann jedoch als „Maß- nahme zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung Neben den Festsetzungen im Bebauungsplan und von Natur und Landschaft“ eingestuft werden und den Spezialregelungen der Bauordnungen kann über nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB festgesetzt werden. das Baugenehmigungsverfahren damit noch wesent- lich weitergehender Hochwasserschutz gewährleistet d) Bauleitplanung und Nachhaltigkeit im Hochwas- werden. So schützt § 32 WHG auch natürliche Über- serschutz (Nachhaltigkeitsprüfung) schwemmungsgebiete, ohne dass eine entsprechende Bezüglich des Nachhaltigkeitsaspektes „Verminderung Festsetzung erfolgt ist. Die Vorschrift hat auch ohne des Schadenspotentials“ (1.) eröffnet das Recht der eine entsprechende landesrechtliche Konkretisierung Bauleitplanung ausreichend Möglichkeiten, eine wei- unmittelbaren Geltungsanspruch, so dass § 32 WHG als tere Anhäufung von Werten (vor allem Hoch- und Tief- sonstige öffentlich-rechtliche Vorschrift zu berücksich- bau) in hochwassergefährdeten Bereiche langfristig zu tigen ist und im Ernstfall sogar zu einer Versagung der verhindern. Entscheidend ist, dass durch die Gemeinde Baugenehmigung führen kann. Allerdings bestehen hier von den Möglichkeiten auch tatsächlich Gebrauch wegen der rechtlichen Interpretationsräume erhebliche gemacht wird. Für die Planung von Rückbau bietet die rechtliche Unsicherheiten. Bauleitplanung nur sehr beschränkt eine Handhabe (§ 179 BauGB, siehe dazu weiter unten). Bezüglich des Aspektes „Gewährleistung eines verbes- serten Wasserrückhalts in der Fläche“ (2.) gilt ähnli- ches. Dasselbe gilt auch für den Nachhaltigkeitsaspekt „Schaffung neuer Retentionsflächen“ (3.), wie den „Ver- bindung von Hochwasserschutz mit der WRRL“ (4.).

64 WWF Deutschland und politischer Probleme und nicht zuletzt die Ver- Nachhaltigkeitsprüfung pflichtung zum Ausgleich der Vermögensnachteile. Das Bauordnungsrecht eröffnet der Verwaltung Möglichkeiten, Aspekte eines nachhaltigen, vorbeu- 4.1.5.2 „Baurecht auf Zeit“ (§ 9 Abs. 2 BauGB) genden Hochwasserschutzes notfalls auch zwangs- weise gegenüber Privaten durchzusetzen. Dies gilt Ein Potential zur langfristigen Eindämmung der noch sowohl für den Bereich bestehender Bebauungsplä- immer fortschreitenden Flächenversiegelung insgesamt, ne, als auch im sog. Außenbereich. Die Möglich- aber auch speziell für die innerhalb von Hochwasse- keiten bestehen bezüglich der Nachhaltigkeitsas- rentstehungs- und Überflutungsgebieten liegt in dem pekte „Verminderung des Schadenspotentials“ (1.), verstärkten Gebrauch von den Möglichkeiten zur Zwi- „Gewährleistung eines verbesserten Wasserrückhalts schennutzung bei Bauvorhaben. Nicht jedes Vorhaben in der Fläche“ (2.), insbesondere auch in natürli- erfordert feste bzw. dauerhafte Bauten. Etwa könnte chen Überschwemmungsgebieten; zur Freihaltung Gewerbe, bspw. Verkaufseinrichtungen nur zeitweilig von Flächen, die für eine künftige Schaffung neuer genehmigt werden, verbunden mit einer Rückbauver- Retentionsflächen (3.) gebraucht werden sowie zur pflichtung. Verhinderung von Baumaßnahmen, die im Wider- spruch zu den Zielen der WRRL (4.) stehen. Ent- Dazu enthält des Baugesetzbuch (§ 9 Abs. 2 BauGB) scheidend ist, dass von den Möglichkeiten im Sinne seit seiner Novellierung 2004 neue Regelungen zum der Nachhaltigkeitskriterien seitens der Behörden sog. „Baurecht auf Zeit“, die bislang noch wenig auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Praxisrelevanz erlangt haben. Danach kann in einem Bebauungsplan in besonderen Fällen festgesetzt wer- 4.1.5 Vorbeugender Hochwasserschutz contra den, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen private Interessen/Eigentum - Möglichkei- und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur für einen ten für staatlichen/behördlichen Zwang bestimmten Zeitraum zulässig oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig sind. 4.1.5.1 Möglichkeiten zu Reduzierung vorhandenen Ebenfalls soll die Folgenutzung festgesetzt werden. Schadenspotentials (Städtebauliche Gebote) a) Modernisierungsgebot (§ 177 BauGB) Derartige Festsetzungen sind jedoch nur „in besonderen Weist eine bauliche Anlage nach ihrer inneren oder Fällen“ möglich. Das heißt, es müssen besondere städ- äußeren Beschaffenheit Mißstände oder Mängel auf, tebauliche Situationen gegeben sein, in denen solche die behebbar sind, so kann der Eigentümer zur Behe- Festsetzungen erforderlich sind. Diese Situationen sind bung der Mängel bzw. zur Modernisierung der Anlage entsprechend städtebaulich zu begründen. Derartige gezwungen werden (§ 177 Abs. 1 BauGB). Mißstände Einschränkungen sind auch erforderlich, da durch das liegen gem. § 177 Abs. 3 BauGB insbesondere dann vor, „Baurecht auf Zeit“ die Berufung auf einen Bestands- wenn die bauliche Anlage nicht den allgemeinen An- schutz unmöglich wird. Denn wenn eine Nutzungsart forderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nur von vornher ein für einen bestimmten Zeitraum entspricht. Dazu gehören auch die Aspekte der Bauvor- festgelegt wird, kann daraus kein Bestandsschutz ent- sorge im Bezug auf Hochwasser (bspw. Ölheizungen). stehen. b) Verpflichtungen zum Rückbau (§ 179 BauGB) In § 11 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ist korrespondierend mit Die Gemeinde kann gem. § 179 Abs. 1 Nr. 1 BauGB der Festsetzungsmöglichkeit eines „Baurechts auf bauliche Anlagen Dritter beseitigen, wenn sie „den Zeit“ in § 9 Abs. 2 eine Ergänzung in Bezug auf den Festsetzungen des Bebauungsplan nicht entspricht und Abschluss diesbezüglicher städtebaulicher Verträge ihnen nicht angepasst werden kann“. Etwaige Vermö- geschaffen worden. gensnachteile des Eigentümers hat die Gemeinde gem. § 179 Abs. 3 BauGB zu entschädigen. Auch nach alter Rechtslage war es zulässig, im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages die Aufrechterhaltung Damit besteht grundsätzlich die rechtliche Möglich- einer bestimmten Nutzung der jeweiligen Bauanlage keit, mit Hilfe der Anpassung der Bauleitplanung an zu vereinbaren und für den Fall der Nichterfüllung das einen nachhaltigen, vorbeugenden Hochwasserschutz Recht der Gemeinde zu begründen, dieses Nutzungs- auch bestehende Nutzungen privater einzuschränken recht durch Planänderung entschädigungslos zu entzie- und sogar zu entfernen. Allerdings bleiben bei dieser hen und die Pflicht des Vertragspartners zum Rückbau Möglichkeit ein Reihe juristischer (Eigentumsschutz)

WWF Deutschland 65 dieser Anlage zu begründen. Problematisch war ein sol- gen zu einem finanziellen Ausgleich der betroffenen cher Vertrag jedoch in der Regel im Falle der Insolvenz Landwirte, weil von der Rückverlegung keine „unzu- oder Rechtsnachfolge. Durch die 2004 vorgenommene mutbaren“44 nachteiligen Wirkungen auf die Landnut- Einfügung des § 9 Abs. 2 BauGB bestehen jetzt die zung ausgehen können. Landwirte unterliegen gem. erforderlichen bauplanungsrechtlichen Voraussetzun- § 1a Abs. 2 WHG unmittelbar der Verpflichtung, bei gen, um entsprechende Vertragsgestaltungen durch die Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewäs- Festsetzungen des Bebauungsplanes abzusichern. ser verbunden sein können, die nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine Verun- 4.1.5.3 Flächenerwerb zum Hochwasserschutz - reinigung des Wasser oder eine sonstige nachteilige Vorkaufsrechte der Gemeinde Veränderung seiner Eigenschaften zu verhüten, um die Gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 BauGB steht den Gemein- Leistungsfähigkeit des Wasserhaushalts zu erhalten und den „in Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden um eine Vergrößerung und Beschleunigung des Was- Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhalten sind, serabflusses zu vermeiden. Damit muss auch für bereits insbesondere in Überschwemmungsgebieten“ ein Vor- ausgeübte ackerbauliche Nutzungen, die nach einer kaufsrecht beim Kauf von Grundstücken zu. Deichrückverlegung nicht mehr fortgesetzt werden können, sondern in eine extensivere Landnutzung zu 4.1.5.4 Deichrückverlegungen und private Ackerflä- überführen sind, kein finanzieller Ausgleich gewährt chen - Aspekte des Eigentumsschutzes werden. Eigentumsrechtlich ist die Neuqualifizierung (Art. 14 GG)43 des ehemaligen Ackerlandes zum Deichvorland eine Deichrückverlegungen sind planfeststellungsbedürftig „nicht ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung“ des Ei- (§ 31 Abs. 2 WHG). Sie können auf gewässerschutz- gentums. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des rechtliche (Stichwort: Schutz der gewässerabhängigen Eigentums durch den Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 Landökosysteme), naturschutzfachliche und auf Gründe S. 2 GG kann bei Überschreitung der verfassungsrecht- des Hochwasserschutzes (Schaffung von Rückhalteflä- lichen Zumutbarkeitsschwelle ausgleichspflichtig sein. chen) gestützt werden. Soweit die Rückverlegung Teil Gegen eine grundsätzliche Ausgleichspflicht in den hier eines Gewässerschutz- bzw. Naturschutzkonzepts oder genannten Fällen spricht nun, dass mit der Änderung Teil eines flussbezogenen Hochwasserschutzkonzepts des rechtliche Status des ehemaligen Ackerlandes nicht ist, sind diesem die Individualinteressen nachzuordnen. zwingend eine künftige Beschränkung auf Gründland- Insbesondere haben von einer Deichrückverlegung nutzung verbunden sein muss, sondern im Sinne des betroffene Landwirte keinen Anspruch darauf, dass ein Verhältnismäßigkeitsprinzips als hochwassergerechte Deich, der der Sicherung ihrer ausgeübten Landnutzung Alternative auch alternative Ackerbauformen in Frage dient, erhalten bleibt. Bezogen auf den Hochwasser- kommen. schutz ist festzuhalten, dass der Staat berechtigt ist, sein Hochwassersicherheitskonzept zu ändern, auch wenn 4.1.5.5 Festlegung von Verboten und Geboten in sich daraus belastende Konsequenzen für die künftige Überschwemmungsgebieten und über- Landnutzung in bestimmten Flussgebietsabschnitten schwemmungsgefährdeten Gebieten ergeben. a) Überschwemmungsgebiete Deichrückverlegungen führen nicht dazu, dass das Für Überschwemmungsgebiete können gem. Landes- dadurch entstehende Deichvorland dem Eigentümer recht i.V.m. § 31b WHG Gebote und Verbote, ggf. mit enteignet wird. Der geschaffene Retentionsraum dient Genehmigungsvorbehalten, festgelegt werden. Zweck zwar öffentlichen Zwecken, eine privatnützige Land- dieser Gebote und Verbote sind neben der Regelung des nutzung ist dadurch aber i.d.R. nicht ausgeschlos- Hochwasserabflusses auch der Erhalt und die Ver- sen, auch wenn die betroffenen Landwirte durch die besserung der Gewässergüte sowie der ökologischen Rückverlegung gezwungen sind, ihre Landnutzung zu Strukturen der Gewässer und der Überflutungsflächen, extensivieren. die Verhinderung erosionsfördernder Eingriffe und der Aus einer Deichrückverlegung ergeben sich nach Erhalt bzw. wenn möglich die Rückgewinnung natürli- Ansicht von Köck auch keine rechtlichen Verpflichtun- cher Rückhalteflächen.

43 Vgl. dazu etwa W. Köck, Hochwasserschutz und Um- 44 Zum Begriff der Unzumutbarkeit im Planfeststellungsrecht weltrecht: Einführung und Grundlagen. In: W. Köck (Hg.), etwa BVerfGE 51, 15, 29; siehe dazu u.a. auch Knack, VwV- Rechtliche Aspekte des vorbeugenden Hochwasserschutzes. fG, zu § 75, Rn. 46 m.w.N.. Baden-Baden 2005, S. 27 - mit zahlreichen weiterführenden Literaturangaben.

66 WWF Deutschland § 31b WHG [Überschwemmungsgebiete] durch Rechtsverordnung festsetzen. In der Rechts- (1) Überschwemmungsgebiete sind Gebiete zwischen verordnung sind die nach §32 Abs. 1 Satz 2 WHG oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochu- erforderlichen Regelungen zu treffen. In der Rechts- fern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser über- verordnung kann auch bestimmt werden, dass Hinder- schwemmt oder durchflossen oder die für Hochwasse- nisse beseitigt werden, die Nutzung von Grundstücken rentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden. geändert wird und Maßnahmen zur Verhütung von (2) […] Die Länder erlassen für die Überschwem- Auflandungen und Abschwemmungen getroffen werden; mungsgebiete die dem Schutz vor Hochwassergefahren ökologische Belange sind zu berücksichtigen. Außer- dienenden Vorschriften, soweit dies erforderlich ist: dem kann die Befreiung von den Verboten nach Absatz 1. zum Erhalt oder zur Verbesserung der ökologischen 2 Satz 1 Nr. 2 bis 6 zugelassen werden, sofern dadurch Strukturen der Gewässer und ihrer Überflutungsflä- die Ziele des §32 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 WHG chen, nur unwesentlich beeinträchtigt werden. 2. zur Verhinderung erosionsfördernder Maßnahmen, (2) Unbeschadet weitergehender Regelungen in einer 3. zum Erhalt oder zur Gewinnung, insbesondere Verordnung nach Absatz 1 sind in einem festgesetzten Rückgewinnung von Rückhalteflächen, Überschwemmungsgebiet folgende Handlungen unter- 4. zur Regelung des Hochwasserabflusses oder sagt: 5. zur Vermeidung und Verminderung von Schäden 1. die Ausweisung von neuen Baugebieten in einem durch Hochwasser. Verfahren nach dem Baugesetzbuch; die zuständige Insbesondere wird durch Landesrecht geregelt: Wasserbehörde kann einer geplanten Ausweisung 1. der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen zustimmen, wenn durch die Bebauung der Hoch- einschließlich der hochwassersicheren Errichtung wasserabfluss und die Rückhaltung nicht wesentlich neuer und Nachrüstung vorhandener Ölheizungsan- beeinträchtigt werden und eine Gefährdung von Le- lagen; das Verbot der Errichtung neuer Ölheizungs- ben und Gesundheit der Bewohner und Sachwerten anlagen, soweit zur Schadensvermeidung erforder- durch geeignete Maßnahmen ausgeschlossen wird, lich, 2. Aufhöhungen oder Abgrabungen mit einer Grundflä- 2. wie Störungen der Wasserversorgung und der Ab- che von mehr als 100 m², wasserbeseitigung so weit wie möglich vermieden 3. die Errichtung oder wesentliche Änderung baulicher werden, Anlagen mit einer überbauten Fläche von mehr als 3. die behördliche Zulassung von Maßnahmen, die den 100 m², Wasserabfluss erheblich verändern können, wie die 4. die Errichtung von Mauern, Wällen oder ähnlichen Erhöhung oder Vertiefung der Erdoberfläche. Anlagen quer zur Fließrichtung des Wassers bei Werden bei der Rückgewinnung von Rückhalteflä- Überschwemmungen, chen Anordnungen getroffen, die erhöhte Anforde- 5. Lagerung von Stoffen, die den Hochwasserabfluss rungen an die ordnungsgemäße land- oder forstwirt- behindern kann, schaftliche Nutzung eines Grundstücks festsetzen, so 6. das Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen mit gilt § 19 Abs. 4 Satz 1 und 3 entsprechend. einer Fläche von mehr als 100 m² und (3) In den nach Absatz 2 Satz 3 und 4 festgesetzten 7. die Umwandlung von Grünland in Ackerland. Überschwemmungsgebieten wird für landwirtschaftlich Führt ein Verbot nach Satz 1, eine weitergehende Re- genutzte und sonstige Flächen durch Landesrecht ge- gelung in einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 oder regelt, wie mögliche Erosionen oder erheblich nachtei- eine Anordnung auf Grund einer Rechtsverordnung lige Auswirkungen auf Gewässer insbesondere durch nach Absatz 1 zu einem besonderen wirtschaftlichen Schadstoffeinträge zu vermeiden oder zu verringern Nachteil für den Betroffenen, so ist eine Entschädigung sind. zu leisten. Werden bei der Rückgewinnung von natür- lichen Rückhalteflächen Anordnungen getroffen, die § 31b WHG ist Rahmenrecht, welches erst durch seine erhöhte Anforderungen an die ordnungsgemäße land- Umsetzung in Landesrecht unmittelbar Geltung erlangt. und forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks festsetzen, gilt §48 Abs. 7 entsprechend. Umsetzung von § 31b in Landesrecht am Beispiel von (3) Für noch nicht festgesetzte Überschwemmungsge- Sachsen: biete kann die zuständige Wasserbehörde zur Siche- § 100 SächsWG [Überschwemmungsgebiete] rung des Hochwasserabflusses im Einzelfall auch eine (1) Die untere Wasserbehörde kann Überschwem- Einzelanordnung treffen, wenn zu besorgen ist, dass mungsgebiete im Sinne des §32 Abs. 1 Satz 1 WHG das Überschwemmungsgebiet durch Eingriffe beein-

WWF Deutschland 67 trächtigt und dadurch der Schutzzweck gefährdet wird. 4.1.6 Beschleunigungserlasse - rechtlicher Spiel- Eine Einzelanordnung ist aufzuheben, sobald über die raum vor allem im Hinblick auf geltendes Festsetzung entschieden ist, spätestens jedoch nach Umweltrecht Ablauf von drei Jahren. Wenn besondere Umstände es Im Nachgang der Hochwasserereignisse der letzten erfordern, kann die Frist bis zu einem weiteren Jahr Jahre und im Zusammenhang mit der seitdem deutlich verlängert werden. verstärkt betriebenen Erstellung und Umsetzung von (4) Gebiete im Sinne des §32 Abs. 1 Satz 1 WHG sind, Hochwasserschutzplanungen, wurde wiederholt thema- auch wenn sie nicht als Überschwemmungsgebiet tisiert, dass dringend Beschleunigungen in verfahrens- festgesetzt sind, für den schadlosen Abfluss des Hoch- rechtlicher Hinsicht notwendig seien. wassers und die dafür erforderliche Wasserrückhaltung freizuhalten. Die natürliche Wasserrückhaltung ist zu So heißt es etwa in der Hochwasserschutzkonzeption sichern sowie erforderlichenfalls wiederherzustellen des Landes Sachsen-Anhalt45: und zu verbessern. „Die für einen nachhaltigen Hochwasserschutz erfor- (6) Die zuständige Wasserbehörde kann auch über die derlichen Maßnahmen wie beispielsweise die Deich- in einer Verordnung nach Absatz 1 geregelten Fälle hi- sanierung sind zum Teil mit aufwändigen verwaltungs- naus eine Befreiung von den Verboten und Geboten des rechtlichen Genehmigungsverfahren verbunden. Die Absatzes 2 erteilen, wenn überwiegende Interessen des bestehenden Regelungen haben in der Vergangenheit Allgemeinwohls oder eines Einzelnen dies erfordern zu zeitlichen Verzögerungen der Maßnahmen geführt. und die Ziele des §32 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Sie sind deshalb auf den Prüfstand zu stellen, Mög- WHG nur unwesentlich beeinträchtigt werden. lichkeiten der Vereinfachung sind zu prüfen.“ U. a. „im Naturschutzrecht sollten Deichsanierungen von der b) Überschwemmungsgefährdete Gebiete Eingriffsregelung ausgenommen werden“. Für überschwemmungsgefährdete Gebiete können gem. In einem Entwurf des Ministeriums für Landwirtschaft Landesrecht i.V.m. § 31c WHG Maßnahmen festgelegt und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt für einen werden. Deren Zweck sich wegen des Regelungszu- Erlass zur „Deichsanierung im Rahmen der Beseitigung sammenhangs an denen von § 31b WHG orientiert, der Hochwasserschäden“ vom 27.09.02 heißt es: „Bei also neben der Regelung des Hochwasserabflusses der Wiederherstellung der Deiche bzw. der Erneue- auch der Erhalt und die Verbesserung der Gewässergüte rung und DIN-gemäßen Gestaltung liegen zwingende sowie der ökologischen Strukturen der Gewässer und Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses vor. der potentiellen Überflutungsflächen, die Verhinderung Die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung sind erosionsfördernder Eingriffe und der Erhalt bzw. wenn prioritär vor allen anderen Rechtsgütern anzusiedeln. möglich die Rückgewinnung natürlicher Rückhalteflä- Vordringlich ist die Beseitigung der Hochwasserschä- chen. Letztlich sollte für den Landesgesetzgeber damit den und die Herstellung eines DIN-gerechten Zu- auch die Möglichkeit bestehen, hier eine Grundlage für standes der Deiche. (…) Die Wiederherstellung eines Verbots- und Gebotsregelungen zu verankern. ordnungsgemäßen Zustandes bedarf als Maßnahme der Gefahrenabwehr keiner behördlichen Zulassung. Diese § 31c WHG [Überschwemmungsgefährdete Gebiete] Deichsanierungen können daher unverzüglich ohne (1) Überschwemmungsgefährdete Gebiete sind Gebiete, vorheriges Zulassungsverfahren begonnen werden.“ die Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 31b Abs. Ebenfalls in Sachsen wurde 2005 im Sächsischen 1 sind, aber keiner Festsetzung nach § 31b Abs. 2 Satz Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (AZ: 3 und 4 bedürfen oder die bei Versagen von öffentlichen 41-8960-55) ein entsprechender „Deichsicherungser- Hochwasserschutzeinrichtungen, insbesondere Deichen lass“ erarbeitet. Danach sollte wegen des „mittlerweile überschwemmt werden können. 2 Durch Landesrecht dritten Hochwasserereignis innerhalb weniger Jahre wird geregelt, dass die Gebiete nach Satz 1, in denen (…) eine Gefährdung der Deiche i.S. von § 94 Abs. 2 durch Überschwemmungen erhebliche Beeinträchtigun- Satz 2 SächsWG“ vorliegen. Gestützt auf diese poli- gen des Wohls der Allgemeinheit entstehen können, zu zeiliche Generalklausel sollten in Verbindung mit dem ermitteln und in Kartenform darzustellen sind. allgemeinen Polizei- und Verwaltungsverfahrensrecht, (2) Durch Landesrecht werden für die überschwem- die notwendigen Maßnahmen mit Sofortvollzug ange- mungsgefährdeten Gebiete die notwendigen Maßnah- ordnet werden. men zur Vermeidung oder Verminderung von erhebli- 45 Hochwasserschutz des Landes Sachsen-Anhalt bis 2010 chen Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit (Stand 26. März 2003), hg. v. Ministerium für Landwirtschaft durch Überschwemmung geregelt. und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Pkt. 5.

68 WWF Deutschland oder Dammes hergestellt, beseitigt, verstärkt oder sonst  Ungeachtet des tatsächlichen Vorliegens eines sein Bauzustand verändert wird. Diese Veränderung polizeirechtlichen Notstandes im Einzelfall muss zudem den Hochwasserabfluss beeinflussen. (Ort und Zeit), sind diese Beschleunigungsbe- Sofern es sich bei den Deichbaumaßnahmen um mühungen zunächst in tatsächlicher Hinsicht einen Ausbau im Sinne des Wasserrechts handelt, ist hoch problematisch. Mit der kostenintensiven die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens DIN-gerechten Instandsetzung eines Deiches zwingend. erledigen sich in der Regel schon aus Ge- sichtspunkten einer soliden Haushaltsführung, Das WHG sieht auch keine Beschleunigungsmög- anschließende Deichrückverlegungen. Haupt- lichkeiten für die Planung und Errichtung von kritikpunkt an einer nicht streng einzelfallbe- Hochwasserschutzanlagen vor. Damit bleibt bundes- zogenen Feststellung eines polizeirechtlichen rechtlich bestenfalls noch der Weg über § 31 Abs. Notstandes, sondern dessen generellen Anwen- 4 WHG: Abs. 4 S. 1 ermöglicht einen abschnitts- dung zum Zwecke der unverzüglichen Schaf- weisen Ausbau, Abs. 4 S. 2 ebnet über die Verwei- fung vollendeter Tatsachen ist die Vorwegnah- sung auf § 9a WHG den Weg für einen vorzeitigen me sorgfältiger Planung im Rahmen der erst zu Beginn. erstellenden Hochwasserschutzkonzepte.

b) Umweltrecht (UVPG, BNatSchG, FFH-RL, Vogel-  Überdies würde ein solches Vorgehen aber schRL) auch eine Reihe rechtlicher Probleme aufwer- fen. Schon das Vorliegen eines polizeirechtli- Planen und Bauen insbesondere von Hochwasser- chen Notstandes richtet sich nach tatsächlichen schutzanlagen stehen in Deutschland im hohen Maße Gegebenheiten, die gesetzlich genau definiert mit der Beachtung von rechtlichen Normen des Um- sind. Daneben sind für die Planung und Durch- weltschutzes in Verbindung. Die rechtliche Wertigkeit führung von Deichbauarbeiten aber auch noch des Umweltschutzes zeigt sich bereits darin, dass eine Reihe weiterer rechtlicher Vorschriften zu dieser als Staatsaufgabe im Grundgesetz (Art. 20a GG) beachten, deren Einhaltung regelmäßig zwin- verankert ist. Inhaltlich wird das Planungsrecht mehr gend ist und nicht per Ministererlass aufgeho- und mehr durch europäisches Recht bestimmt. Dies gilt ben werden kann. etwa für das Verwaltungsrecht allgemein wie speziell auch für das Umweltrecht. Hierzu gehören die Richtli- a) Wasserrecht (WHG) nien auf den Gebieten Umweltverträglichkeitsprüfung Nach § 31 Abs. 2 S. 1 WHG bedarf die Herstellung, (UVP) und Umweltprüfung, über den freien Zugang zu Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Umweltinformationen, zur Erhaltung der natürliche Le- Gewässers oder seiner Ufer (Gewässerausbau) der bensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen Planfeststellung. Wesentlich ist eine Umgestaltung in (Flora-Fauna-Habitat) und die Vogelschutz-Richtlinie. diesem Sinne dann, wenn sie den Zustand des Gewäs- sers einschließlich seiner Ufer in einer für den Wasser- Die Vorschriften des BauGB und des Fachplanungs- haushalt bedeutsamen Weise verändert. Bedeutsam für rechts (WHG, LandesWasserGesetze) räumen der den Wasserhaushalt sind: Wasserstand, Wasserabfluss, Behörde eine planerische Gestaltungsfreiheit ein, die Selbstreinigungsvermögen, Schiffbarkeit oder Fische- sich auf alle Gesichtspunkte erstreckt, die zur Verwirk- rei. Dem entsprechen auch die einschlägigen Normen lichung des gesetzlichen Planungsauftrags und zugleich des Landerechts (bspw. § 80 Abs. 1 SächsWG), da zur Bewältigung der von dem Vorhaben in seiner diese den Ausbaubegriff nach § 31 Abs. 2 S. 1 WHG räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme von zugrundelegen. Abzugrenzen ist der „Ausbau“ dabei Bedeutung sind. Die planerische Gestaltungsfreiheit regelmäßig von einer reinen „Unterhaltung“, die in findet dabei ihre Grenzen zum einen in den zwingenden § 28 Abs. 1 WHG geregelt ist bzw. im Landesrecht Versagungsgründen des jeweiligen Fachplanungsrechts (bspw. § 88 Abs. 2 SächsWG) und sonstiger infolge der Konzentrationswirkung zu Nach § 31 Abs. 2 S. 2 WHG stehen Deich- und Damm- beachtender Rechtsvorschriften. Solche Grenzen setzt bauten, die den Hochwasserabfluss beeinflussen, dem regelmäßig das Umweltrecht. Gewässerausbau gleich. Deich- und Dammbauten im Sinne von § 31 Abs. 2 S. 2 WHG sind solche Maßnah- men, durch die das technische Bauwerk eines Deiches

WWF Deutschland 69 Grundsätzlich muss unterschieden werden zwischen Eine Pflicht zur SUP besteht gem. §§ 14b, 14c UVPG zu beachtenden, d.h. bindenden Regelungen der Raum- in vier Bereichen für Pläne und Programme, die: ordnung bzw. anderer Fachrechte (Beachtensgebote - in der Anlage 3 Nr. 1 zum UVPG aufgeführt = Planungsleitsätze / Ziele) und solchen Vorschriften, sind die in der Abwägung überwindbar sind (Berücksichti- (Nr. 1.3 Hochwasserschutzpläne nach § 31d WHG, Nr. gungsgebote = Planungsgrundsätze / Grundsätze). 1.4 Maßnahmeprogramme nach § 36 WHG); - in der Anlage 2 Nr. 2 zum UVPG für Vorhaben, die Belange der Umwelt und insbesondere des Umwelt- umweltprüfungspflichtig oder vorprüfungspflichtig rechts sind im Hinblick auf das „Abwägungsgebot“ mit erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen maßgeblicher Bestandteil der Planung. Wie Umweltbe- sind lange in den Abwägungsvorgang verfahrenstechnisch (Qualitätskriterium gem. Nr. 2.2 sind u.a. „Reichtum, (bzw. formell) Eingang finden richtet sich nach den Qualität und Regenerationsfähigkeit von Wasser, von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Boden, Natur und Landschaft des Gebietes“; Maßgaben zum allgemeinen Abwägungsgebot, die ihre Schutzkriterium gem. Nr. 2.3 sind u.a. festgesetzte Konkretisierung in speziellen Verwaltungsrichtlinien Schutzgebiete wie FFH- u. Vogelschutzgebiete, (formalisierte behördeninterne Weisungen) gefunden Naturschutzgebiete, etc.; Gebiete, in denen die haben. Über diese allgemeinen Maßgaben für die Qualitätsnormen der WRRL überschritten werden; Abwägung hinaus sind jedoch vor allem gesetzlich Überschwemmungsgebiete); normierte Prüfungs- und Abwägungsverfahren für Um- - für umweltprüfungspflichtige oder vorprüfungs- weltbelange anzuwenden. Die Voraussetzungen für die pflichtige Vorhaben mit erheblichen nachteiligen Pflicht zu deren Anwendung und der Verfahrensablauf Umweltauswirkungen einen Rahmen setzen und selbst sind im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz nach einer Einzelfallprüfung erhebliche Umweltaus- (UVPG) des Bundes und in denen der Länder festge- wirkungen haben; legt. - einer Verträglichkeitsprüfung nach § 35 I Nr. 2 BNatSchG unterliegen, also möglicherweise erhebli- Danach werden Planungen von Hochwasserschutzmaß- che Auswirkungen auf Habitate oder Vogelschutzge- nahmen regelmäßig begleitet von einer Strategischen biete haben. Umweltprüfung (SUP) und einer Umweltverträglich- keitsprüfung (UVP). SUP und UVP finden in einem ge- Liegt eine SUP-Pflicht vor, gliedert sich das Verfahren stuften Verfahren statt, das sich über die Raumordnung in verschiedene Verfahrensschritte: und Landesplanung bis zur konkreten Projektzulassung - Feststellung der Notwendigkeit einer SUP (Scree- in der Planfeststellung erstreckt. ning) nach §§ 14b, 14c UVPG und den entsprechen- den Anlagen bzw. Art. 5 Abs. 5 Plan-UP; aa) Strategische Umweltprüfung (SUP) - Festlegung des Untersuchungsrahmens und Bestim- mung der in den Umweltbericht aufzunehmenden Pläne und Programme mit rahmenbildender Funkti- Informationen (Scoping) nach § 14f UVPG bzw. on für künftige Genehmigungsverfahren unterliegen Art. 5 Abs. 4 Plan-UP-RL; unter bestimmten Voraussetzungen SUP-Pflicht. - Erstellung des Umweltberichts nach § 14g UVPG Konkrete Projekte, bei denen u.a. aufgrund ihrer Art, bzw. Art. 5 Abs. 1 bis 3 der Plan-UP-RL; Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Um- - Konsultationen (Behörden- und Öffentlichkeitsbe- weltauswirkungen zu rechnen ist, sind einer UVP zu teiligung, grenzüberschreitende Beteiligung) nach unterziehen. §§ 14h bis 14j UVPG bzw. Art. 6 u. 7 Plan-UP-RL; - Berücksichtigung des Umweltberichts und der In der Umweltprüfung auf der Plan- und Programme- Ergebnisse durchgeführter Konsultationen bei der bene werden dabei typischerweise eine Vielzahl von weiteren Entscheidungsfindung nach § 14k UVPG Maßnahmen, Vorhaben oder Planungen in einem größe- bzw. Art. 8 Plan-UP-RL; ren Raum und die sich daraus ergebenden Summenwir- - Bekanntgabe der Entscheidung sowie bestimmter kungen wiederum unter noch relativ globalen Vorgaben Informationen über das Ergebnis der SUP nach § 14 untersucht und ermittelt. Die UVP ist dagegen auf die Abs. 1 UVPG bzw. Art. 9 Plan-UP-RL; Verwirklichung eines konkreten Projekts gerichtet. - Überwachung (Monitoring) nach § 14m UVPG bzw. Art. 10 Plan-UP-RL.

70 WWF Deutschland Die SUP ist unselbständiger Teil der jeweiligen Trä- Weitere Kriterien für die Vorprüfung des Einzelfalls gerverfahren und damit in diese Verfahren integriert (§ (Erheblichkeitsuntersuchung) ergeben sich aus den je- 2 Abs. 4 UVPG). Die nach dem UVPG erforderlichen weiligen Anlagen 2 zum UVPG und denen der Landes- Verfahrensschritte werden im Rahmen der jeweiligen UVPG dies sind: Verfahren durchgeführt • ausgewiesene Schutzgebiete (NSG, LSG, FFH, SPA, etc.); bb) Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) • gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 BNatSchG bzw. § 18 ThürNatG wie etwa Die Zulassung bestimmter Vorhaben ist von der - natürliche oder naturnahe Bereiche fließender Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und stehender Binnengewässer einschließlich abhängig (UVP-Pflicht). ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbeglei- tenden natürlichen oder naturnahen Vegetation Die UVP soll die Beeinträchtigungen und Auswirkun- sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlan- gen eines Vorhabens vor dessen Durchführung über- dungsbereiche, Altarme und regelmäßig über- prüfen (nach Maßgabe des UVPG). Die unmittelbaren schwemmten Bereiche, und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens müssen - Moore, Sümpfe, Röhrichte, seggen- und binsen- identifiziert, beschrieben und bewertet werden. Dabei reiche Nasswiesen, Quellbereiche, Binnenland- muss sich die Prüfung auf mögliche Wechselwirkungen salzstellen, erstrecken. - offene Binnendünen, offene natürliche Block-, Schutt- und Geröllhalden, Lehm- und Lösswän- Bewertungskriterien sind die Schutzgüter Mensch, de, Zwergstrauch-, Ginster- und Wacholderhei- Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Land- den, Borstgrasrasen, Trockenrasen, Schwerme- schaft, einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen tallrasen, Wälder und Gebüsche trockenwarmer sowie Kultur- und sonstige Sachgüter. Die Berücksich- Standorte, tigung der Umweltbelange hat dann im Rahmen der - Bruch-, Sumpf- und Auwälder, Schlucht-, Gesamtentscheidung zu erfolgen. Blockhalden- und Hangschuttwälder, - offene Felsbildungen, alpine Rasen sowie Die UVP-Pflicht kann sich dabei aufgrund der Art, Grö- Schneetälchen und Krummholzgebüsche. ße und Leistung eines Vorhabens ergeben. § 3b UVPG • besonders bzw. streng geschützter Arten (§ 10 Abs. verweist dazu auf die in Anlage 1 zum UVPG aufge- 2 Nr. 10f BNatSchG), führten Vorhaben. Unterschieden wird dabei zwischen • bedrohte Arten gemäß Roter Liste (Bundes- und Vorhaben, für die in der Regel eine UVP durchzufüh- Landesebene). ren ist (Regel-UVP-Pflicht) und solchen, für die eine UVP erst dann erforderlich ist, wenn eine Vorprüfung cc) Natura 2000 dies festgestellt hat. Die Pflicht zur Vorprüfung kann Zur Errichtung eines kohärenten europäischen ökolo- sich direkt aus der Anlage 1 selbst ergeben. In anderen gischen Biotopverbundes wird ein flächendeckendes Fällen besteht sie nur, wenn Landesrecht dies vorsieht System von Schutzgebieten errichtet (Natura 2000), (§ 3d UVPG). bestehend aus FFH-Gebieten (Fauna-Flora-Habitat- Richtlinie, Richtlinie 92/43/EWG - FFH-RL) und Vorhaben, bei denen eine UVP durchzuführen bzw. de- Vogelschutzgebieten (Vogelschutzrichtline, Richtlinie ren Durchführung zu prüfen ist, sind etwa (gem. Anlage 79/409/EWG - VogelschRL). FFH-Gebiete umfassen 1 zum UVPG): die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und - der Bau von Stau- und Speicheranlagen für Was- die Habitate der Tier- und Pflanzenarten des Anhangs II ser(13.6); der FFH-RL (Art. 3 FFH-RL). Die Umsetzung in deut- - die Umleitung von Wasser (13.7); sches Recht erfolgte in den §§ 32 bis 38 BNatSchG. - Flusskanalisierungs- und Stromkorrekturarbeiten Vogelschutzgebiete („Special Protection Areas“ - SPA) (13.8); sind die für die in Anhang I der VogelschRL aufgeführ- - Bau eines Deiches oder Dammes, der den Hochwas- ten Vogelarten „zahlen- und flächenmäßig geeignetsten serabfluss beeinflusst (13.13) Gebiete“. Gem. Art. 6 Abs. 2 FFH-RL unterliegen - sonstige Ausbaumaßnahmen an Gewässern (13.16) Natura-2000-Flächen einem umfassenden Störungs- und Verschlechterungsverbot.

WWF Deutschland 71 dd) Artenschutz Gem. § 34 Abs. 1 BNatSchG sind Projekte (dazu zählen sämtliche Maßnahmen des Hochwasserschut- Neben dem besonderen Flächen- und Objektschutz ge- zes) vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf hört zum Naturschutzrecht traditionell auch der Schutz ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines der wild wachsenden Pflanzen und wild lebenden Tiere Natura-2000-Gebietes zu überprüfen. Die Über- in ihrer natürlichen und historisch gewachsenen Viel- prüfungspflicht besteht ausnahmslos (Pflicht zur falt (Artenschutz). Maßgeblich sind in Deutschland in FFH-Verträglichkeitsuntersuchung). Fällt diese erster Linie die Artenschutzbestimmungen der §§ 39ff Verträglichkeitsprüfung negativ aus, wobei bereits BNatSchG, die in der Bundesartenschutzverordnung die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung (BArtSchV) weiter konkretisiert sind, sowie teilweise genügt, ist das Projekt bzw. der Plan grundsätzlich mit unmittelbarer Wirkung die FFH-RL, die Vogel- unzulässig (§ 34 Abs. 2 BNatSchG). schutzrichtlinie wie auch die EG-Artenschutz-Ver- ordnung. Daneben haben noch weitere internationale Abkommen Einfluss auf das deutsche Artenschutzrecht. Allerdings ist auch bei negativem Ergebnis einer Ver- träglichkeitsprüfung gleichwohl eine Zulassung mög- Die FFH-RL ordnet ein allgemeines Schutzsystem für lich, wenn der Ausnahmetatbestand des den Art. 6 Abs. bestimmte in Anhängen aufgeführte Arten an, wobei für 4 FFH-RL umsetzenden § 34 Abs. 3 BNatSchG erfüllt in Anhang IV aufgeführte „streng zu schützende Arten“ ist: strikte Verbote der absichtlichen Beeinträchtigung - Danach können nach vorgeschalteter negativer und Naturentnahme, der absichtlichen Störung gelten Alternativenprüfung „zwingende Gründe des über- (Art. 12, 13 FFH-RL). Die ergänzend heranzuziehende wiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich VogelschRL enthält für die wild lebenden europäischen solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“ eine Vogelarten entsprechende Verbote (Art. 5 VogelschRL). Durchführung des Projekts rechtfertigen. Voraus- setzung ist jedoch, dass keine „zumutbare Alterna- Aus EG-rechtlichen Gründen sieht § 42 BNatSchG tive“ gegeben ist, also wenn der mit dem Projekt einen abgestuften Schutz für „besonders geschützte“ bzw. Plan verfolgte Zweck an anderer Stelle oder und „streng geschützte“ Arten vor. Gerade für die in in anderer Ausgestaltung im Großen und Ganzen in § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG genannten streng ge- vergleichbarem Maße ohne oder mit geringeren Be- schützten Arten (nach früherem Recht: vom Aussterben einträchtigungen für das Schutzgebiet zu erreichen bedrohte Arten) gelten weitgehende Schutzvorschriften. ist. Dabei dürfen die Kosten und Nachteile, die mit Wild lebende Tiere und Pflanzen besonders bzw. streng der Verwirklichung des Alternativlösung verbunden geschützter Arten genießen nach § 42 BNatSchG einen sind, nicht völlig außer Verhältnis zum Nutzen für gesteigerten Schutz. Auf Antrag kann gem. § 62 Abs. das Schutzgebiet stehen. 1 BNatSchG eine Befreiung von den Störungs- und - Soweit sich in dem von dem Projekt oder Plan Beeinträchtigungsverboten des § 42 BNatSchG erteilt betroffenen Gebiet sog. „prioritäre Biotope“ oder werden, wenn (1) die Durchführung der Vorschriften „prioritäre Arten“ befinden, erschwert dies die im Einzelfall zu einer nicht beabsichtigten Härte führen Zulassung einer Ausnahme erheblich. Ohne Stel- würde und die Abweichung mit den Belangen des Na- lungnahme der Europäischen Kommission können turschutzes und der Landschaftspflege zu vereinbaren als Ausnahmegründe nur noch solche im Zusam- ist oder wenn (2) überwiegende Gründe des Gemein- menhang mit der Gesundheit des Menschen, der wohls die Befreiung erfordern. öffentlichen Sicherheit geltend gemacht werden. Sonstige Gründe i.S.d. § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG, Damit kann also auch bezüglich des Artenschutzes also solche sozialer, wirtschaftlicher oder politischer wie im Gebietsschutz etwa in einer Planabwägung Art, können von der Zulassungsbehörde bei einer grundsätzlich der Schutz der besonders geschützten Genehmigungsentscheidung hingegen nur nach Arten eingeschränkt oder gar ganz aufgehoben wer- vorheriger Stellungnahme der Kommission berück- den. Allerdings steht diese Befreiungsmöglichkeit sichtigt werden (§ 34 Abs. 4 S.2 BNatSchG). hinsichtlich europäischer Schutzgebiete unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den Festlegun- gen der FFH-RL (Art. 12, 13 u. 16 FFH-RL).

72 WWF Deutschland c) Öffentlichkeitsbeteiligung werden die Überschwemmungs- und Retentionsflä- Die in der politischen Diskussion stehende Beschleu- chen erfasst; eine Abschätzung der Schadenspotentiale nigung der Planungsverfahren darf nicht zu Lasten der erfolgte dagegen bisher noch nicht in allen Ländern. Öffentlichkeitsbeteiligung gehen. Entsprechend der neuen EG-Richtlinie und dem geänderten Umweltver- Die Pflicht zur Umsetzung des HWS-ArtikelG ist in träglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) müssen die Behör- sämtlichen Bundesländern gleich, ebenfalls die unmit- den bei der Aufstellung von Hochwasserschutzplänen telbare Anwendung von Bundesrecht, wie BNatSchG, eine Strategische Umweltprüfung, die übergreifend BBodSchG, ROG oder BauGB. Ebenso sind fachlicher und integriert alle Umweltwirkungen auf Schutzgüter Wert und eventuelle Verbindlichkeit von Empfehlungen abwägt, durchführen. Diese Prüfung sieht auch eine etwa des „5-Punkte-Programms“ der Bundesregierung, Einbindung der Öffentlichkeit vor. Ähnliches bestimmt der LAWA oder der IKSE in allen (betroffenen) Bun- das BauGB für die Erstellung von Bauleitplänen und desländern gleich. Dennoch gibt es einige bemerkens- das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) für das werte Unterschiede bzw. Besonderheiten in den Hoch- Planfeststellungsverfahren. wasserschutzstrategien der einzelnen Länder.

Das Verfahren der Beteiligung selbst ist dabei for- 4.2.1 Sachsen malisiert und kann nur unter klar definierten Voraus- Im vom Augusthochwasser 2002 mit Abstand am setzungen ggf. verkürzt werden. stärksten betroffenen Bundesland Sachsen wurde in der Folgezeit eine umfassende eigene Hochwasserschutz- strategie erarbeitet, die zeitlich u.a. auch dem HWS-Ar- 4.2 Die Hochwasserschutzstrategien der tikelG voranging. Länder (Konzepte und Wassergesetze) Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist Hochwasser- a) Grundsätze der Hochwasserschadensbeseitigung schutz im Wesentlichen Aufgabe der Bundesländer. an Gewässern nach dem Augusthochwasser 2002 Diese sind jedoch verpflichtet, die erweiterten Mög- Unmittelbar nach dem Hochwasserereignis, noch im lichkeiten für einen vorbeugenden Hochwasserschutz September 2002, gab des Sächsischen Staatsministeri- (HWS-ArtikelG) innerhalb der neuen Rahmenfestle- ums für Umwelt und Landwirtschaft die „Grundsätze gungen des Bundes vor allem im geänderten WHG zur Hochwasserschadensbeseitigung an Gewässern“ an in Landesrecht umzusetzen, sowie die Raumordnung die zuständigen Behörden46. Darin hieß es u.a.: den Festlegungen des geänderten ROG anzupassen. „1. Oberster Grundsatz ist die Gewässer brauchen In einigen Ländern wurden neben der Verbesserung keine Mauern und Deiche. Auf alle verzichtbaren des formalrechtlichen Instrumentariums (Einführung Mauern und Deiche ist daher zu verzichten. von Raumordnungsgebieten zum Hochwasserschutz) 2. Maßnahmen im Rahmen der Schadensbeseitigung, auch zusätzliche Aktionsprogramme zum strategischen einschließlich Gewässerrückverlegungen müssen Hochwasserschutz und zur Verbesserung der Koordi- immer auch mit Blick auf die Chance zur Verbesse- nation eingeführt. So wurden in Baden-Württemberg rung des Hochwasserschutzes erfolgen. Hochwasserpartnerschaften für den Informations- (…)“ transfer zwischen den Akteuren im Hochwasserschutz eingerichtet. In Bayern wurde das Aktionsprogramm b) Die aktuelle Hochwasserschutzstrategie des Frei- 2020 verabschiedet. In Sachsen wurde ein landesweiter staates Sachsen (Entwicklungsschritte) Hochwasserschutzaktionsplan und in Schleswig-Hol- 1. Schritt (Leitsätze) stein ein Gesamtplan „Binnenhochwasserschutz und Hochwasserrückhalt“ erarbeitet, in Sachsen-Anhalt Grundlage der weiteren Ausgestaltung der Strategie ein Aktionsplan zum Hochwasserschutz. In Thürin- war die Formulierung von Leitsätzen für den künftigen gen wurde ein Handlungskonzept Hochwasserschutz Hochwasserschutz. der Landesregierung durch das Kabinett beschlossen. Spezielle Leitfäden für den vorbeugenden Hochwas- serschutz durch die Regionalplanung liegen vor bzw. sind geplant in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Niedersachen und Sachsen-Anhalt. In den meisten Ländern wurden oder 46 Erlass des SMUL vom 27.09.02 „Grundsätze zur Hochwas- serschadensbeseitigung an Gewässern“.

WWF Deutschland 73 „Leitsätze für einen zukunftsweisenden integrierten Hochwassergefahren bewusst machen Hochwasserschutz“ (2004)47 Um die Begrenzung der Nutzungsansprüche an den gewässernahen Raum zu erreichen, muss die Gefahr „Wasser zurückhalten von Hochwasser als realer Bestandteil der natürlichen Jeder Kubikmeter Wasser, der durch die Wiedergewin- Bedingungen am Gewässer bewusst gemacht werden - nung von Überschwemmungsgebieten, durch Gewäs- der Politik, den Institutionen und den Bürgerinnen und serrenaturierung, Entsiegelung, Versickerung und Bürgern. Das 100-jährige Hochwasser kommt nicht durch standortgerechte Land- und Forstbewirtschaf- erst in 100 Jahren, sondern es kann bereits nächste tung sowie durch Erhalt und Förderung von Kleinstruk- Woche eintreten und nächstes Jahr wieder. turen zur Wasserrückhaltung in der Landwirtschaft zurückgehalten wird, ist ein Gewinn für den Naturhaus- Vor Hochwasser warnen halt und entlastet uns beim Hochwasser. es bleibt aber Andern als andere Elementarrisiken wie Erdbeben, eine natürliche Hochwassergefahr. Sturm und Hagel ist die zu erwartende Hochwasser- entwicklung über einen bestimmten Zeitraum konkret Hochwasser abwehren abzusehen. Es gilt, diesen Zeitraum durch die Ver- Zum Schutz vorhandener Nutzungen in den Flussniede- besserung der Vorhersageinstrumente zu verlängern rungen können Deiche, Mauern, Rückhaltebecken und und noch besser als bisher zur Schadensminderung zu Talsperren helfen, Hochwassergefahren bis zu einem nutzen. vorbestimmten Bemessungshochwasser abzuwehren. Technischer Hochwasserschutz ist eine Maßnahme der Eigenvorsorge stärken öffentlichen Infrastruktur wie Straßen oder Telekom- Die solidarische Vorsorge der Gemeinschaft hat Gren- munikation, um die Nutzungsbedingungen bestimmter zen. Auch beim Hochwasser bleibt letztlich die Verant- Räume zu verbessern. wortung des Einzelnen für sein handeln. Es wird auch in Zukunft keinen Anspruch des Einzelnen auf Hoch- Schutzanlagen unterhalten wassersicherheit geben. Wie in anderen Lebensberei- Bei der Forderung nach dem Bau neuer Hochwasser- chen auch, kann die Versicherung ein geeignetes Mittel schutzanlagen darf der Aufwand nicht unterschätzt sein, die Eigenvorsorge zu unterstützen. werden, der die bereits vorhandenen Schutzanlagen von Deichen, Mauern, Rückhaltebecken und Talsperren in Solidarität üben sicherem Zustand zu erhalten. Allein der Bedarf für die Hochwasserschutz ist ein Geschäft, dessen Investiti- Grundinstandsetzung der Rheindeiche in Deutschland onen sich sehr rasch, mitunter aber auch erst nach ist auf über eine Milliarde DM veranschlagt. Generationen gewinnbringend auszahlen können. Hochwasserschutz fordert damit Solidarität nicht nur Grenzen erkennen heute, sondern auch über Generationen hinweg. Gera- Technischer Hochwasserschutz gibt aber keine absolute de deswegen dürfen notwendige Entscheidungen nicht Sicherheitsgarantie. Es bleibt die Hochwassergefahr auf die lange Bank geschoben werden. jenseits des Bemessungshochwassers. Die Auseinander- setzung mit diesem Restrisiko bleibt in der Verantwor- Integriert Handeln tung des Nutzers am Gewässer. Nur das Bündel der Maßnahmen von natürlicher Wasserrückhaltung, technischer Hochwasserabwehr, Schadenspotential vermindern Verminderung des Schadenspotentials, des Bewusstma- Keine Ausweisung von Baugebieten in hochwasserge- chens einer verbleibenden Hochwassergefahr und der fährdeten Räumen, Empfehlungen zum hochwasserkom- Eigenvorsorge führt zur Verbesserung des Schutzes vor patiblen Bauen und die Orientierung der Nutzungen Hochwasser. Der Wille zur Veränderung wird daran an den Vorwarnzeiten lassen kurzfristig die größten zu messen sein, in welchem Umfang die erforderlichen Erfolge bei der Begrenzung von Hochwasserschäden Mittel aufgebracht und die notwendigen Nutzungs- erwarten. restriktionen auch länderübergreifend durchgesetzt werden.“

47 Instrumente und Handlungsempfehlungen für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz. Hg. v. Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft 2004.

74 WWF Deutschland 2. Schritt (Hochwasserschutzstrategie) - detaillierte lokale Beschreibung der Gefah- Aus diesen Leitsätzen hat der Freistaat Sachsen dann die renprozesse Grundzüge seiner Hochwasserschutzstrategie erarbeitet. - Darstellung im großen Maßstab (1:5.000) - Adressaten: Kommunen, Wasserwehren, Das Instrumentarium des sächsischen Hochwasser- Landkreise, Bevölkerung, Betriebe, Behör- schutzes49 den, Medienträger 1. Planerische und technische Vorsorge - Grundlage für Flächennutzungsplanung, - Gefahrenhinweiskarten Projektierung von Schutzmaßnahmen, ope- - Überschwemmungsgefährdung bei hundert- rative Hochwasserabwehr jährlichem Hochwasser und Extremhoch- - Hochwasserschutzkonzepte wasser - Analyse vergangener Hochwasserereignisse - Schadenspotential bei Extremhochwasser - Darstellung des derzeitigen Schutzniveaus - Überblicksdarstellung im kleinen Maßstab - Ableitung von Maßnahmen für ein definier- (1:100.000) tes Schutzniveaus - Adressaten: Katastrophenschutzbehörden, - Bericht und Kartendarstellungen zu allen Raumplanung hochwasserrelevanten Sachverhalten im - Grundlage für das Erkennen von Interes- großen Maßstab (1:10.000) senkonflikten und Schwerpunkten des Hoch- - Adressaten: Träger von Hochwasserschutz- wasserschutzes und der Hochwasserabwehr maßnahmen, Genehmigungsbehörden, - Gefahrenkarten Betroffene - Überschwemmungsgefährdung bei Wieder- - Integrierte Planungsgrundlage für den kehrintervallen 20, 50, 100, 300 Jahre gesamten Hochwasserschutz

Grundzüge der Hochwasserschutzstrategie des Freistaates Sachsen48 [Deichkrone] Hoheitliche Verantwortung Aufklären, Warnen, Bekämpfen Operative HW- Weitergehende (Staat / Kommune) Abwehr durch Vorsorge Rückhalten und Abwehr durch bautech- Erhöhen des Technischer nische Anlagen - Speicher, Rückhaltebe- HW-Schutzni- Schutz cken, Deiche, Retentionssteuerung - und veaus durch schadloser Abfluss durch Gewässerausbau Abflussminderung und Rückhalten in Mindern des Flächenvorsorge der Fläche - Forst, Feldflur, öffentliche HW-Anfalls Flächen, privater Bereich - durch Keine Ausweisung neuer Baugebiete in Planerische ↕ Überschwemmungsgebieten; Ausweisung Vorsorge von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten in Raumordnungsplänen für Überschwem- mungsgebiete und überschwemmungs- gefährdete Gebiete Gefahrenbewusststein entwickeln, hoch- Eigenvorsorge wasserangepasste Bauweisen (Standsi- Individuelle Verantwortung cherheit, Baumaterialien, Funktionssi- (Bürger) cherheit) und Flächennutzungen [Deichfuß]

48 Vgl.: Das Landeshochwasserzentrum und die sächsische 49 Vgl.: Das Landeshochwasserzentrum und die sächsische Hochwasserschutzstrategie. hg. v. Landesamt für Umwelt und Hochwasserschutzstrategie. hg. v. Landesamt für Umwelt und Geologie, 14.06.2006; siehe: http://www.smul.sachsen.de/de/ Geologie, 14.06.2006; siehe: http://www.smul.sachsen.de/de/ wu/umwelt/lfug/lfug-internet/documents/Einfuehrung.pdf. wu/umwelt/lfug/lfug-internet/documents/Einfuehrung.pdf.

WWF Deutschland 75 - Überschwemmungsgebiete lichen Infrastruktur und die Maßnahmen des präventi- - Festsetzung von Überschwemmungsgebie- ven Hochwasserschutzes anhand einer konzeptionellen ten gem. § 100 SächsWG i.S.v. § 32 Abs. 1 Gesamtschau für alle Gewässer I. Ordnung und die S. 1 WHG Elbe durchzuführen. Zwischen März 2003 und März - Bis 2002 waren in Sachsen 23 Über- 2005 wurden hierfür insgesamt 47 HWSK erarbeitet schwemmungsgebiete festgesetzt. und bestätigt. Sie enthalten insgesamt 1.596 Maßnah- - Im Juni 2006 waren in Sachsen 358 Über- mevorschläge für Hochwasserschutzmaßnahmen zur schwemmungsgebiete festgesetzt (bzw. Erreichung der gesetzten Hochwasserschutzziele. übergeleitet oder vorläufig festgesetzt) - Hochwasserentstehungsgebiete Der Mindestinhalt der HWSK ergibt sich aus den An- - Festsetzung von Hochwasserentstehungs- forderungen von § 99 b Abs. 3 SächsWG: gebieten gem. § 100b SächsWG „1. eine Ereignisanalyse eines abgelaufenen Extrem- - Dazu Untersuchung potentieller Hoch- hochwassers wie des Hochwassers 2002, wasserentstehungsgebiete und Ausweisung 2. einen Vergleich mit weiteren historischen Hochwas- zweiter Pilotgebiete (Breitenbrunn/Ritter- sern, grün; Altenberg/Geising) 3. hydrologische Untersuchungen und hydraulische 2. Operativer Hochwasserschutz Berechnungen, - sächsischer Hochwassernachrichtendienst 4. die Ermittlung des bestehenden Schutzgrades sowie - sächsische Wasserwehren des Gefährdungs- und Schadenspotentials, - sächsische Katastrophenschutzverordnung 5. die Ableitung eines differenzierten Schutzniveaus aus Nummern 1 bis 4 unter Beachtung der Wahr- Nachhaltigkeitsprüfung scheinlichkeit des Schadenseintritts und der Scha- Im Bezug auf die weiter oben festgelegten Nachhaltig- denshöhe, keitskriterien ist festzustellen, dass der Hochwasser- 6. einen Maßnahmenplan zur Erreichung des nach schutz auf der Verminderung des Schadenspotentials Nummer 5 definierten Schutzniveaus, (1.) basieren soll. Allerdings bezieht sich die Konzep- 7. Gefahrenkarten.“ tion dabei nur auf die Bauvorsorge und die Verhinde- rung neuer Bauvorhaben. Rückbau gehört nicht zur Sachsen entschied sich hier insbesondere für ein Strategie. Ebenfalls ist Bestandteil der Strategie die „differenziertes Schutzniveau“. Dafür wurden für die Gewährleistung eines verbesserten Wasserrückhalts in jeweiligen Schutzobjekte folgende Richtwerte festge- der Fläche (2.). legt (statistisches Wiederkehrintervall Tn in Jahren): Doch gerade die Schaffung neuer Retentionsflächen - Geschlossene Siedlungen 100 (3.) findet in der Grundkonzeption keine Erwähnung - Industrieanlagen 100 mehr (im Gegensatz zu den vorangegangenen Leitsät- - Überregionale Infrastrukturanlagen 100 zen). Ebenfalls keine Erwähnung findet die Verbindung von Hochwasserschutz mit der WRRL (4.). - Einzelgebäude, nicht dauerhaft 25 Andererseits ist im Sinne der Nachhaltigkeitskriterien bewohnte Siedlungen zu begrüßen, dass der technische Hochwasserschutz - Regionale Infrastrukturanlagen 25 nur als auf der Verminderung des Schadenspotentials - Landwirtschaftlich genutzte Flächen 5 und dem verbesserten Wasserrückhalt in der Fläche auf- - Naturlandschaften - bauend betrachtet wird. Technischer Hochwasserschutz - Sonderobjekte im Einzelfall bestimmen wird in dieser Hinsicht als nachrangig dargestellt. Der 6. Schritt „Maßnahmenplan zur Erreichung des 3. Hochwasserschutzkonzepte50 Schutzniveaus“ beinhaltete die Prüfung verschiedener Umgesetzt wird die Hochwasserschutzstrategie des möglicher Lösungsansätze. Dabei wurden anhand von Freistaates Sachsen vor allem mit Hilfe der Hochwas- Konfliktanalysen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen serschutzkonzepte (HWSK). Nach dem Hochwasser Vorzugsvarianten ausgewiesen. Grundsätzlich wurden im August 2002 hatte die Sächsische Staatsregierung folgende Maßnahmekomplexe untersucht51: beschlossen, den Wiederaufbau der wasserwirtschaft-

50 Vgl.: Socher, M./Dornack, S./Defèr, E., Hochwasserschutz- 51 Socher, M./Dornack, S./Defèr, E., Hochwasserschutzkon- konzepte im Freistaat Sachsen - eine Einführung. In: Hydrolo- zepte im Freistaat Sachsen - eine Einführung. In: Hydrologie gie und Wasserbewirtschaftung 50 (2006), S. 303-308. und Wasserbewirtschaftung 50 (2006), S. 305.

76 WWF Deutschland „- … dem Gewässer Raum gebende Maßnahmen durch 4. Schritt (Priorisierung von Hochwasserschutzmaß- Erweiterung der Fließquerschnitte der Flüsse, nahmen)52 Schaffung von potentiellen Überflutungs- und Für die Ableitung zu planender, konkreter Hochwas- Geschiebeablagerungsflächen einschließlich Deich- serschutzmaßnahmen wurde 2005 durch die Landes- rückverlegungen, Beseitigung von Fließhindernis- talsperrenverwaltung (LTV) eine landesweite Prio- sen und Störstellen (z. B. zu gering dimensionierte risierung aller 1.596 in den HSWK vorgeschlagenen Brücken, Wehre mit Rückstau in Baugebiete) Maßnahmen durchgeführt. - … Hochwasser rückhaltende Maßnahmen durch Dabei wurden alle Maßnahmen anhand von vier Kri- Kapazitätserweitung in vorhandene Stauanlagen terien einem speziell entwickelten Bewertungsschema und Neuerrichtung von Hochwasserrückhaltebecken bearbeitet. - … bauliche Schutzmaßnahmen für Siedlungsgebiete Die vier Kriterien waren: / bedeutende Infrastruktur- und Wirtschaftseinrich- - Schadenspotential, tungen durch Deichanlagen- und -ertüchtigungen, - Verletzlichkeit von Leb und Leben, Verteidigbarkeit, Polderanlagen, lokal begrenzte stationäre und Folgegefahren (Vulnerabilität), mobile Hochwasserschutzanlagen (Schutzmauern, - Nutzen-Kosten-Verhältnis u. Fluttore usw.) und spezielle Objektschutzmaßnah- - wasserwirtschaftliche Effekte (Retention bzw. men“ Hochwasserabfluss).

„Dabei war zu berücksichtigen, dass eine vom ökolo- In einem nächsten Schritt ist nun nach rein wasserfach- gischen Ansatz her vorrangig zu prüfende signifikante lichen und wirtschaftlichen Kriterien zu klären, welche Verminderung der Hochwasserentstehung in der Fläche Maßnahmen entsprechend der Priorisierung durchge- durch Änderung der Flächennutzung (Aufforstung, führt werden können und zwar unter Berücksichtigung Grünlandanlage, Entsiegelung usw.) relativ langer - der (technischen/baulichen) Durchführbarkeit, Umsetzungszeiträume bedarf.“ - der Finanzierbarkeit, - der Genehmigungsfähigkeit, Nachhaltigkeitsprüfung - der Kostenträgerschaft und Im Bezug auf die oben festgelegten Nachhaltigkeits- - der (gesellschaftlichen) Akzeptanz. kriterien ist festzustellen, dass eine Verminderung des Schadenspotentials (1.) keine Zielstellung der HWSK Beschlossen wurde ein erster Maßnahmeplan 2005 bis ist. Vielmehr geht es allein um den Schutz bestehender 2008. Die Umsetzung der Gesamtmaßnahmen bleibt Anlagen und Einrichtungen. Dies jedoch mit einem dabei eine Generationenaufgabe. differenzierten Schutzniveau, wodurch weniger wich- tige Anlagen bewusst einem höheren Risiko ausgesetzt werden und damit Möglichkeiten eröffnet werden, Hochwasserschutzmaßnahmen verhältnismäßiger zu gestalten. Die Gewährleistung eines verbesserten Was- serrückhalts in der Fläche (2.) wird unter Verweis auf die langen Umsetzungszeiträume nur nachrangig ver- tieft untersucht. Die Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) wird als vorrangiges Ziel der HWSK formuliert. Keine Berücksichtigung findet jedoch die Verbindung von Hochwasserschutz mit der WRRL (4.). Wiederum zu begrüßen ist, dass technischer Hochwasserschutz nur als nachrangig dargestellt wird.

52 Ergebnisse der landesweiten Priorisierung von Hoch- wasserschutzmaßnahmen in Sachsen. Hg. v. Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, 30.11.2005.

WWF Deutschland 77 Bewertungsschema - Landesweite Priorisierung von Hochwasserschutzmaßnahmen Priorisierungspunkte Punkte Maximum Schadpotential nahe 0 Mio € ((fast) keines) 0 <2 Mio € (gering) 5 2-10 Mio € (mittel) 15 >10 Mio € (hoch) 25 Nutzen-Kosten-Verhältnis nahe 1 (äußerst gering) 0 <1-2 (gering) 5 2-5 (mittel) 15 >5 (hoch) 25 wasserwirtschaftliche Aspekte Verbesserung keine oder nur lokale Verbesserung 0 Retentionsvermögen Verbesserung mit regionaler Wirkung 5 Verbesserung mit überregionaler Wirkung 10 Verbesserung keine oder nur lokale Verbesserung 0 Abflußverhältnisse Verbesserung mit regionaler Wirkung 5 Verbesserung mit überregionaler Wirkung 10 Verbesserung keine oder unwesentliche Verbesserung 0 Gewässerökologie u./o. signifikante Verbesserung 5 Gewässerstrukturgüte Vulnerabilität (Verletzlichkeit von Leb und Leben, Verteidigbarkeit, Folgegefahren) Besondere Betroffenheit keine Betroffenheit 0 bzw. Verwundbarkeit mittelschwere Betroffenheit 5 schwere besondere Betroffenheit (insbe- 10 sondere akute Lebensgefahr) Besondere Folgegefahren keine nennenswerten Folgegefahren 0 (von Objekten ausgehende mittelschwere Folgegefahren 5 Gefährdungen) große, schwerwiegende Folgegefahren 10 Besonderes kein besonderes Schutzerfordernis 0 Schutzerfordernis (fehlende Bestehendes, besonders Schutzerfordernis 5 Hochwasserverteidigbarkeit) Gesamtsumme max 100 0 bis 30 Pkt. gering 35 bis 60 Pkt. mittel 65 bis 100 Pkt hoch

78 WWF Deutschland Nachhaltigkeitsprüfung d) Besonderheiten im sächsischen Wasserrecht Im Zuge der Ausformulierung der Ziele des Hoch- aa) Überschwemmungsgebiete wasserschutzes (1. Schritt) über die Entwicklung der Vor 2002 wurde in Sachsen die Neuausweisung von Hochwasserschutzstrategie Sachsens (2. Schritt) ist Überschwemmungsgebieten nicht mit der erforderli- bei der letztlichen Priorisierung der Maßnahmen (3. chen Konsequenz vorangetrieben. Zwischen 1990 und Schritt) eine deutliche Verschiebung der Schwerpunkte 2002 wurden nur ganze vier neue Überschwemmungs- feststellbar. Die Verbesserung des Nachhaltigkeitsge- gebiete ausgewiesen. Es gab für ganz Sachsen nur 21 sichtspunktes Retentionsvermögen (2.) erfährt keine Überschwemmungsgebiete, die nach altem (DDR-) gesonderte Gewichtung mehr, dies insbesondere gegen- Recht festgesetzt und übergeleitete worden waren. über dem technischen Schutz von Werten (Schadenspo- Deshalb wurde in Sachsen nach dem Augusthochwas- tential (1.)). Zusammengenommen macht der Schutz ser 2002 und schon vor dem HWS-ArtikelG die Mög- von Schadenspotential (Schadpotential + Vulnerabilität) lichkeit einer beschleunigten Ausweisung in Form der praktisch 50 % der Gewichtungsmasse aus. Die Verbes- vorläufigen Festsetzung geschaffen. Daraufhin wurden serung des Retentionsvermögens kann dagegen ledig- bis zum 30.03.04 insgesamt 358 Überschwemmungsge- lich mit maximal 10 % Gewichtungsmasse berücksich- biete mit 49.210 ha (2,7 % der Landesfläche) ausgewie- tigt werden. sen - zum Vergleich: bei der Flut 2002 waren 37.606 ha überflutet gewesen53. c) Auswirkung der Hochwasserschutzstrategie des Freistaates Sachsen in der Praxis Bezüglich der Ausweisung von Überschwemmungs- (Nachhaltigkeitsprüfung) gebieten wurde in Sachsen eine vom Bundesrecht in Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nachhal- mehreren Punkten abweichende Regelung getroffen. tigkeitskriterien ist festzustellen, dass folgerichtig So schreibt der Bund in § 31b WHG etwa zwingend zur Hochwasserschutzstrategie des Freistaates vor, als Bemessungsgrundlage für die Ausweisung Sachsen (in Gestalt des Priorisierungsschemas) die immer ein hundertjähriges Hochwasser anzunehmen. Verminderung des Schadenspotentials (1.) durch Der Bund differenziert bei den Gewässern oder Ge- Rückbau keine Relevanz hat (Vorhandenes wird wässerabschnitten dabei nach sächsischer Auffassung geschützt, nicht vermindert). Die Schaffung neuer nicht nach der tatsächlichen Erforderlichkeit. In Sach- Retentionsflächen (3.) kann lediglich im Unter- sen gibt es Gewässer erster und zweiter Ordnung, in punkt „Verbesserung des Retentionsvermögens“ mit anderen Bundesländern, wie z.B. in Bayern, auch noch Beachtung finden, der wie gerade ausgeführt mit solche dritter Ordnung. Das sächsische Wassergesetz maximal 10 % insgesamt eher schwach gewichtet (SächsWG) legt deshalb fest, dass ein hundertjähriges ist. Die Verbindung von Hochwasserschutz mit der Hochwasser im Regelfall zu Grunde zu legen ist (§ 100 WRRL (4.) kann insgesamt sogar nur mit maximal 5 SächsWG). % Gewichtungsmasse berücksichtigt werden.

 Insgesamt führt die Anwendung des Priorisie- rungsschemas zu einer eindeutigen Bevorzu- gung von Maßnahmen des technischen Hoch- wasserschutzes zum Schutz von Werten, die sich in ursprünglichen Überflutungsräumen der Flüsse befinden. Ein Hochwasserschutz ent- sprechend der oben genannten Nachhaltigkeits- kriterien ist damit weitgehend ausgeschlossen bzw. marginalisiert.

53 SMUL, W.-D. Dallhammer, Aktueller Diskussionsstand zum Hochwasserschutzrecht in Bund und Ländern. In: W. Köck (Hg.), Rechtliche Aspekte des vorbeugenden Hochwasser- schutzes. Baden-Baden 2005, S. 27.

WWF Deutschland 79 § 100 SächsWG § 31 b WHG Hundertjähriges Hochwasser als Regelfall Zwingend immer hundertjährige Hochwasser Festsetzung nur soweit erforderlich - Festsetzung erforderlich bei allen Gewässern Gesetz enthält Mindestverbote (Abs. 2) - Regelungsaufträge wie geltendes Recht sowie - Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete neue Regelungen zur Vermeidung und Vermin- - Errichtung oder wesentliche Änderung baulicher derung von Schäden durch Hochwasser (Abs. 2 Anlagen nach § 35 BauGB Nr. 5), und das Ackerbauverbot (Abs. 3), das - Umwandlung von Grünland in Ackerland Verbot der Ausweisung neuer Baugebiete, sowie Einführung eines Genehmigungsverfahrens für bauliche Anlagen nach §§ 30, 34, 35 BauGB in Überschwemmungsgebieten

vorläufige Festsetzung von Überschwemmungsgebie- ten (Abs. 5)

Festsetzung innerhalb von 5 Jahren nach Verkündung des Gesetzes

bb) Hochwasserschutz-Aktionsplan Der Sache nach sind dies die Gegenstücke zueinander. (§ 99a SächsWG) Eine wichtige Erkenntnis aus der Analyse des August- In § 99a SächsWG hat sich der Freistaat mit dem hochwassers 2002 und der vergleichenden Betrachtung Instrument des Hochwasserschutz-Aktionsplans ein mit historischen Hochwassern war, dass abgesehen von eigenes Instrument gegeben, welches über die Vorgaben lokalen Gewitterzellen, die überall entstehen können des WHG hinausgeht. und dann auch zu lokalen Hochwasserereignissen füh- ren können, Großereignisse, die zumindest ganze Fluss- Im Hochwasserschutz-Aktionsplan sollen auf Landese- läufe oder Regionen betreffen, fast immer an der selben bene die Grundsätze und Ziele des landesweiten Hoch- Stelle ihren Ausgang haben und zwar dann, wenn ganz wasserschutzes für den gesamten Freistaat „im Sinne bestimmte meteorologische Voraussetzungen gegeben eines fachübergreifenden nachhaltigen Gesamtkonzep- sind54. Solche Hochwasserentstehungsgebiete sind Ge- tes“ (§ 99 Abs. 1 SächsWG) dargestellt werden. In ihm biete in Mittelgebirgs- und Hügellandschaften, in denen sind u.a. die bestehenden HWSK zusammenzufassen bei Starkniederschlägen oder Schneeschmelze in kurzer und zu integrieren. Über die behördeninterne Bindungs- Zeit starke oberirdische Abflüsse eintreten können, die wirkung hinaus kann er durch Rechtsverordnung gem. zu einer Hochwassergefahr führen können. § 99 Abs. 4 SächsWG für allgemein verbindlich erklärt werden. Es müssen drei Faktoren zusammentreffen. Erstens müssen in dem Gebiet im Vergleich zu anderen immer cc) Hochwasserentstehungsgebiete wieder zu extremen Starkniederschlägen oder Schnee- (§ 100b SächsWG) schmelzen kommen. Zweitens muss das Gebiet eine Die Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltefähig- Reliefneigung (Hangneigung) haben, die dazu führt keit der Gebiete, in denen die erhöhte Wahrschein- bzw. führen kann, dass das Wasser gleichsam zu Tale lichkeit starker Niederschläge z.B. mit einem starken schießt. Drittens muss das Wasserversickerungs- bzw. Geländegefälle zusammentrifft, ist von enormer Bedeu- Wasserrückhaltevermögen der Flächen innerhalb dieses tung für das Entstehen bzw. die Höhe von Hochwasser. Gebietes bedingt durch natürliche Einflüsse (z.B. felsiger Untergrund) oder menschliche Einflüsse 2004 wurden im Sächsischen Wassergesetz Rege- (z.B. Versiegelung) gestört sein. lungen über Hochwasserentstehungsgebiete neu verankert, die allgemein als vorbildhaft auch für die anderen Bundesländer gewürdigt wurden. In Sach- sen wurde dazu erstmals neben den Überschwem- 54 SMUL, W.-D. Dallhammer, Aktueller Diskussionsstand zum mungsgebieten eine neue Gebietskategorie im Hochwasserschutzrecht in Bund und Ländern. In: W. Köck Hochwasserschutz geschaffen. (Hg.), Rechtliche Aspekte des vorbeugenden Hochwasser- schutzes. Baden-Baden 2005, S. 41.

80 WWF Deutschland Diese Voraussetzungen zeigen, dass die Handlungsop- „Maßnahmen zur Gewährleistung der Hochwassersi- tionen hier sehr begrenzt sind. Der Sache nach kann cherheit 2003/2004 es daher nur darum gehen, das vorhandene natürliche Nach der Beseitigung der größten und sicherheits- Wasserversickerungs- oder Wasserrückhaltevermögen relevantesten Schäden nach dem Hochwasser 2002 zu verbessern, z.B. durch Aufforstung, Einsatz des sollten nunmehr die Deichabschnitte saniert werden, Mulchverfahrens in der Landwirtschaft, und der Unter- bei denen während des Hochwasserereignisse akute lassung weiterer Versiegelungen oder zumindest deren Standsicherheitsgefährdungen auftraten. Dies betraf Ausgleichs. Deichabschnitte mit einer Gesamtlänge von ca. 80 km. Dazu kamen noch Instandsetzungsarbeiten an Sielen Im verminderten Maße sind Hochwasserentstehungs- und Schöpfwerken. Das geschätzte Finanzvolumen gebiete aber sämtliche Flächen, in denen sich Wasser betrug ca. 68 Mio €. Als Voraussetzung der Maßnah- sammelt, welches über Oberflächengewässer abgeleitet men wurde neben der Mittelbereitstellung vor allem wird und im Hochwasserfall die Fluten erhöhen kann. eine Reduzierung und Straffung der Genehmigungsver- fahren genannt. Die Maßnahmen der Schadensbeseiti- Bei der Festsetzung von Hochwasserentstehungsge- gung sollten bereits in die DIN-gerechte Sanierung der bieten handelt es sich nicht um eine Entscheidung mit Deichanlagen übergehen.“ materiellem Planungscharakter, da die Festsetzung vom Vorhandensein gesetzlich definierter natürlicher Gege- „Erkenntnisse bei der Abwehr der Hochwassergefahren benheiten abhängig ist. Liegen diese vor, hat die Behör- In allen vom Hochwasser bedrohten Landkreisen de grundsätzlich in der gesetzlich festgelegten Weise zu und kreisfreien Städten, auf Landes-, Regierungsbe- reagieren, das heißt das Gebiet festzusetzen55. zirks- und Ortsebene wurden Katastrophenschutzstäbe eingerichtet. Mit der Anwendung des § 100b SächsWG gab es Es wurde festgestellt, dass an ca. 80 % aller Deichan- zunächst erhebliche Probleme, u.a. deswegen, weil lagen die Deichverteidigungswege fehlen oder unzu- zeitweilig gesetzeswidrig alle Kaufverträge über Grund reichend ausgebaut sind. Deren Schaffung soll mit den und Boden der Landestalsperrenverwaltung (LTV) zur Konzepten des ländlichen Wegebaus und Tourismus- Klärung des Vorkaufsrechts vorzulegen waren. Un- konzepten verknüpft werden.“ geachtet der enormen Bedeutung der genannten Was- Es wurde festgestellt: „Vorhandene zeitliche Restriktio- serrückhaltefähigkeit gibt es auch noch immer keine nen aus Naturschutzgründen führten dazu, dass ein Teil Rechtsverordnungen über die Ausweisung von Hoch- der Deichanlagen bis zum Hochwasserereignis nicht wasserentstehungsgebieten56. Derzeit gibt es in Sachsen gemäht werden konnte. Dadurch wurde das Erkennen lediglich ein festgesetzte Hochwasserentstehungsgebiet von Sickerstellen erheblich erschwert. Gehölze auf (HWEG „Geising-Altenberg“, seit dem 24.10.06). Ein Deichen oder in Böschungsflussbereichen gefährdeten weiteres HWEG („Schwarzwasser-Teilgebiet Brei- durch ihre Durchwurzelung die Standsicherheit der tenbrunn“) ist in Vorbereitung57. Beide Ausweisungen Deiche, begünstigten die Durchsickerung und er- wurden/werden pilothaft durchgeführt. schwerten und behinderten die Deichverteidigung zu Lande und im erheblichen Maße aus der Luft.“ 4.2.2 Sachsen Anhalt Als eine der gewonnenen Erkenntnisse wurde formu- Im Land Sachsen-Anhalt wurde eine Hochwasser- liert: „Hochwasserschutzanlagen sind in erster Linie schutzkonzeption erarbeitet, die Arbeitsschritte zur technische Anlagen zum Schutz der Allgemeinheit. Die Umsetzung bis zum Jahr 2010 enthält. Darin heiß es dafür zuständigen Unterhaltungspflichtigen müssen (auszugsweise)58: den ordnungsgemäßen Zustand der Anlagen jederzeit gewährleisten können.“

55 Erläuterung des SMUL zu § 100b WasserG, siehe: Sächsi- 58 Hochwasserschutz des Landes Sachsen-Anhalt bis 2010 scher Landtag, Plenarprotokoll 4/49, S. 3914. (Stand 26. März 2003), hg. v. Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt. 56 Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll 4/49, S. 3914. 57 Sächsischer Landtag, DS 4/7669, Kleine Anfrage: Hoch- wasserentstehungsgebiete I, Antwort des SMUL vom 27.02.07.

WWF Deutschland 81 „Erforderliche Maßnahmen des Hochwasserschutzes“ Moderner Hochwasserschutz Hochwasservorsorge Technischer Hochwasserschutz Stärkung des natürlichen Wasser- rückhaltes in der Fläche (Hochwas- serflächenmanagement - Flächenvorsorge (Festsetzung - Deiche, Mauern - Freiflächen, landwirtschaftliche von Überschwemmungsgebie- - Hochwasserrückhaltebecken, Flächen ten) Talsperren - urbane Flächen - Bauvorsorge (Anpassung - Gewässerausbau - Flussauen vorhandener Bebauungen und Nutzungen) - Verhaltensvorsorge - Risikovorsorge (finanzielle Vor- sorge für Hochwasserschäden, etwa durch Versicherungen)

„Möglichkeiten der Deichrückverlegung „Technischer Hochwasserschutz“ Zu Möglichkeiten von Deichrückverlegungen gibt es in (Schwerpunkt des Gesamtkonzepts) Sachsen-Anhalt wasserwirtschaftlich und ökologisch „Die Hochwasserereignisse im Sommer des Jahres begründete Vorschläge. Mit Deichrückverlegungen an 2002 und der dabei sichtbar gewordene Umfang an 17 Standorten könnten insgesamt 10.500 ha ehemaliger Gefährdungsstellen sowie einzelnen Deichbrüchen an Überschwemmungsflächen reaktiviert werden, was aber den Deichsystemen, insbesondere an Mulde und Elbe, nur zu einer Scheitelsenkung von 0 - 3 cm (bei einem zeigen den Bedarf an qualifizierten Maßnahmen.“ HQ100 1cm) am Pegel Wittenberge führen würde. „Deichsanierung, Deichertüchtigung und Deichneu- Realisiert wurde bis 2003 nur eine relativ kleine Fläche bau sind wichtige Parameter im komplexen System des im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Hochwasserschutzes“. beim Bau der Elbebrücke bei Wittenberg. Eine weitere „Die besondere Situation Sachsen-Anhalts ist dadurch Deichrückverlegung war 2003 im Zuge der Deichsanie- gekennzeichnet, dass rung am Oberluch Rosslau (140 ha Retentionsfläche) - sich mit 361,2 km fast 50 % des gesamten Elbedei- in Umsetzung. Im Rahmen eines Naturschutzgroßpro- che in unserem Land befinden, jektes wurde darüber hinaus eine Rückverlegung in - 86 % allein der Elbe- und Elberückstaudeiche be- der Lödderitzer Forst (Aken bei Breitenhagen, 600 ha) reits vor dem Sommerhochwasser 2002 als sanie- untersucht.“ rungsbedürftig bekannt waren, - Sachsen-Anhalt keinen direkten Einfluss auf den „Die Umsetzung der Deichrückverlegungen gestal- Hochwasserschutz in den Entstehungsgebieten von tet sich jedoch insgesamt sehr problematisch. In der Elbe, Mulde, Saale, Schwarzer Elster, Unstrut u.a. lokalen Öffentlichkeit wird die Schaffung neuer Über- auf Grund seiner geographischen Lage nehmen flutungsflächen häufig kritisch diskutiert, da mit solchen kann, Maßnahmen Nutzungsänderungen, Veränderungen der - Versäumnisse im passiven Hochwasserschutz des Grundwasserverhältnisse u. dgl. einhergehen können. Deichbaus, die in den vergangenen Jahren auf In Sachsen-Anhalt werden bei den konkreten Planun- Grund von Konzessionen gegenüber einem teilweise gen im Rahmen der Deichsanierung an geeigneten überzogenen Naturschutz und Denkmalschutz im Standorten auch die Rückverlegungsmöglichkeiten mit Mittelelbebereich eingetreten sind, überwunden wer- betrachtet. Über diese Einbeziehung hinaus kann die den müssen. Dringlichkeit eines umfassenden Deichrückverlegungs- Das Schutzgut Mensch in seinen Siedlungsgebieten programms mit alleinigen Anforderungen des Hoch- hat absoluten Vorrang vor allen anderen Schutzgütern. wasserschutzes nicht begründet werden.“ Dies ist auch bei der Neuanlage von Hochwasser- schutzdeichen zu beachten, bei der der Schutz von Sied- Agrar- und Forstnutzungen lungen Vorrang vor Flächenschutz haben muss. Nur Möglichkeiten der Agrar- und Forstnutzungen werden so ist es möglich, dem Fluss in der Aue mehr Raum zu allgemein genannt, ohne konkrete Umsetzungsvorhaben. geben und ggf. Polder zur Kappung von Abflussspitzen neu zu schaffen bzw. effektiver als bisher zu nutzen.“

82 WWF Deutschland „Zusammenfassung“ 4.2.3 Brandenburg Insgesamt sind bis 2010 für die Umsetzung der Hoch- a) Strategie zur Hochwasserabwehr in Brandenburg wasserschutzkonzeption einschließlich der Unterhal- Ansatz und Inhalt der Hochwasserschutzstrategie des tungsmaßnahmen in Sachsen-Anhalt in Landesverant- Landes Brandenburg lassen sich weitgehend dem vom wortung ca. 310 Mio € eingeplant. Die Finanzierung Land erstellten Handbuch zur Hochwasserabwehr ent- setzt sich aus Landes-, Bundes- und EU-Mitteln nehmen (Auszüge)59: zusammen. Neben der Fortsetzung der Schadensbeseitigung (40 „Das Hochwassergeschehen in Brandenburg wird Mio €) wurden in Sachsen-Anhalt die Maßnahmen da- bestimmt durch die beiden Flussgebiete Oder und Elbe. für in sog. drei Säulen des Hochwasserschutzes zusam- Beide Flüsse treffen in ihrem mittleren beziehungsweise mengefasst: mittleren und unteren Lauf auf Brandenburger Ge- - Flächenmanagement biete. An der Elbe einschließlich der Nebenflüsse sind (Überschwemmungsgebiete) 4,50 Mio € 26.000 Menschen auf rund 26.300 Hektar Landesfläche - Technischer Hochwasserschutz 303,50 Mio € betroffen. An der Oder, die im Brandenburger Bereich - Hochwasservorsorge 1,66 Mio € den Grenzfluss zur Republik Polen bildet, und deren Nebenflüssen sind auf brandenburgischem Gebiet etwa Als Bestandteil des Hochwasserschutzes ist auch der 34.400 Menschen und 87.000 Hektar Landesflächen Unterpunkt „Errichtung von Flutungspoldern; Deich- direkt betroffen. Hier fällt besonders das tiefliegende rückverlegungsmaßnahmen“ aufgeführt. Für technische Oderbruch ins Gewicht, wo ein Versagen der Hochwas- Flutungsbauwerke in Havel- und Alandpoldern sind 5 serschutzanlagen die direkte Gefährdung von 20.000 Mio € eingeplant; für Untersuchungen zu möglichen Menschen zur Folge hätte.“ Deichrückverlegungen 0,25 Mio €. Dies entspricht 0,08 % der Gesamtausgaben für Hochwasserschutz in „Hochwasser muss aber nicht zwangsläufig hohe Schä- Sachsen-Anhalt. den durch Überschwemmungen bedeuten. In den po- tenziell gefährdeten Gebieten des Landes Brandenburg konnte durch technische Hochwasserschutzmaßnahmen (Deiche, Talsperren, Rückhaltebecken und andere Schutzanlagen) sowie durch gezieltes Hochwasserma- Nachhaltigkeitsprüfung nagement in den letzten Jahren ein deutlich verbesser- Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nach- tes Schutzniveau erreicht werden. haltigkeitskriterien ist festzustellen, dass bei der Der Schutz flussnaher beziehungsweise tiefliegender Hochwasserschutzkonzeption von Sachsen-Anhalt Gebiete vor Überschwemmung durch Hochwasser wird weder die Verminderung des Schadenspotentials vor allem durch technische Maßnahmen, zum Beispiel (1.), noch die Verbesserung des Wasserrückhalts in Talsperren, Rückhaltebecken und insbesondere Deich- der Fläche (2.) eine nennenswerte Rolle spielen. Die anlagen, gewährleistet. Deshalb wurden und werden Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) beschränkt erhebliche Mittel eingesetzt, um die Deichanlagen an sich auf wenige Vorzeigeprojekte. Sachsen-Anhalt den hochwassergefährlichen Flussabschnitten dem setzt nahezu ausschließlich auf einen technischen aktuellen technischen Standard anzupassen. Die Deich- Hochwasserschutz. Die Verbindung von Hochwas- baumaßnahmen sowie die ordnungsgemäße Unter- serschutz mit einer ökologischen Aufwertung der haltung der Hochwasserschutzanlagen obliegen dem Gewässer im Sinne der WRRL (4.) wird nicht nur Landesumweltamt (LUA).“ nicht angestrebt, sondern vielmehr recht deutlich als unerwünschtes zusätzliches Problem bezeichnet. „Neben den technischen Hochwasserschutzmaßnahmen Angesichts der vermeintlichen Erfordernisse eines gewinnt die Erhaltung und Wiedergewinnung von Über- technischen Hochwasserschutzes sollen Umweltas- schwemmungsgebieten, sowie eine angepasste Flächen- pekte als Störfaktoren aus der Planung nach Mög- nutzung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten an lichkeit beseitigt werden. Bedeutung.“

59 Handbuch für die Hochwasserabwehr an Gewässern und Deichen im Land Brandenburg. Hg. v. Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg. aktualisierte Neuaufl. 2003.

WWF Deutschland 83 „Im Hochwasserschutz erfolgt eine enge Zusammen- der Oder erfolgte der Ausbau analog dem Oderdeich- arbeit mit dem Naturschutz (z.B. Deichrückverlegung ausbau auf ein HW 200 mit 1 Meter Freibord.“ im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Branden- burg).“ „Im Zusammenhang mit der Umsetzung der WRRL ist in Brandenburg60 ein Vorhaben für die Untere Ha- „Die Sanierung der brandenburgischen Elbedeiche soll velniederung in Vorbereitung. Die hier beabsichtigte bis zum Ende des Jahrzehnts abgeschlossen sein.“ Renaturierung eines rund 80 km langen Havelabschnit- „Überwiegend erfolgt die Sanierung der Deiche auf de- tes soll zur Entwicklung ökologisch intakter, naturnaher ren alter Trasse. Eine Rückverlegung des Elbedeiches Strukturen unter Beachtung des vorsorgenden Hoch- bis zu 500 Meter landeinwärts wird derzeit zwischen wasserschutzes beitragen.“ Lenzen und Wustrow (Böser Ort) im Rahmen eines naturschutzfachlichen Großprojektes realisiert. Nachhaltigkeitsprüfung Im Flussgebiet der Havel ist vor allem die Untere Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nachhal- Havel von Berlin bis zur Einmündung in die Elbe für tigkeitskriterien ist festzustellen, dass bei der Hoch- den Hochwasserschutz von Bedeutung. Die zahlreichen wasserschutzkonzeption von Brandenburg weder Nebenwasserläufe unterhalb Rathenows, die durch die Verminderung des Schadenspotentials (1.), noch Rückstau beeinflusst werden, sind im Mündungsbereich die Verbesserung des Wasserrückhalts in der Fläche eingedeicht. In diesem Gebiet sind Polderflächen vor- (2.) eine nennenswerte Rolle spielen. Die Schaffung handen, die bei extremen Hochwasserabflüssen in der neuer Retentionsflächen (3.) beschränkt sich auf Elbe zu deren Entlastung (Scheitelkappung) in Abstim- wenige Vorzeigeprojekte. Brandenburg setzt nahezu mung mit Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern ausschließlich auf einen technischen Hochwasser- und Sachsen- Anhalt geflutet werden können.“ schutz. Die Notwendigkeit einer Verbindung von Hochwasserschutz mit einer ökologischen Aufwer- „Das Abflussregime der Oder ist gekennzeichnet durch tung der Gewässer im Sinne der WRRL (4.) wird hohe Wasserführung bei Schneeschmelze in den Mittel- grundsätzlich erkannt , reduziert sich in der Umset- gebirgen und durch geringe Abflüsse in den Sommer- zung aber ebenfalls auf wenige Vorzeigeprojekte. monaten. Starkniederschläge führen hier in der Regel vor allem im Oberlauf zu Überschwemmungen. Au- b) Aktueller Entwurf zur Novelle des brandenburgi- ßergewöhnlich starke, langanhaltende Niederschläge schen Wassergesetzes (WasserG Bbg.) führten in der Vergangenheit aber auch in der Sommer- In Brandenburg wird derzeit an der Novellierung des periode, zuletzt 1997, zu verheerenden Hochwasserer- WasserG Bbg. zur Umsetzung des HWS-ArtikelG gear- eignissen. Eine besondere Gefahr besteht an der Oder beitet. Festzustellen ist bei diesem Entwurf61: bei Eishochwasser, wenn die Mündung zugefroren ist - die Wiedergewinnung von Überflutungsflächen und einsetzendes Tauwetter im Oberlauf zur Ausbildung findet keine Erwähnung; einer Hochwasserwelle führt. Seit dem Sommerhoch- - Regelungen zu einer Kopplung des HW-Schutzes wasser 1997 wurden erhebliche Anstrengungen zur mit der ökologischen Gewässerentwicklung, neben Instandsetzung und Sanierung der brandenburgischen der Wiedergewinnung von Überflutungsflächen vor Oderdeiche nach modernen technischen Standards un- allem die Auenrenaturierung finden keine Erwäh- ternommen. Die Oderdeiche werden für einen Wasser- nung, damit schein keine Umsetzung zu erfolgen stand, der einem 200-jählrigem Hochwasser entspricht, - der neuen Grundsätze des HW-Schutzes in § mit 1 Meter Freibord ausgebaut. Von den 163 Kilome- 31a WHG, ter Deichen an der Oder sind mit Unterstützung der EU - des Gebotes zur Auenentwicklung gem. § 31b inzwischen über 75 Prozent saniert. Der Schwerpunkt Abs. 2 Nr. 2 WHG; der Deichbauarbeiten liegt derzeit im Bereich des - das Verhältnis zu den im selben Gesetz stehenden Unteren Odertals.“ Zielen der WRRL (guter ökologischer Zustand) wird nicht adressiert („Wasserkörper“ umfassen „Der Brandenburgische Abschnitt der Lausitzer Neiße naturgemäß auch Teile der Aue, deren naturnahe ist im Wesentlichen eingedeicht. Die Sanierungsarbei- ten sind bis auf Restarbeiten im Bereich Guben abge- 60 Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Bericht zur Be- schlossen. Die Deiche wurden hier für ein HW 100 mit standsaufnahme für das Land Brandenburg. Hg. v. Ministeri- um für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des 50 Zentimeter Freibord ausgebaut. Im Rückstaubereich Landes Brandenburg. 2005. 61 Mitteilung der Grünen Liga Brandenburg.

84 WWF Deutschland Strukturen daher zu thematisieren wären); sind leider immer wieder festzustellen. Während also Stichworte: die Kommunen in der Bauleitplanung die Belange des - Erreichen der Ziele in gewässerbezogenen Hochwasserschutzes berücksichtigen müssen, ist dane- Schutzgebieten (gem. Art. 4 Abs. 1c WRRL) ben auch die Eigenverantwortung des einzelnen Bür- - Auen als Teil des Wasserkörpers - guter Zustand gers gefordert. Sowohl bei Neubaumaßnahmen als auch - Pauschale Regelung verstößt gegen Begrün- bei der Nutzung der Wohnungen lassen sich mit ver- dungserfordernis für Ausnahmen vom Ver- gleichsweise geringem Aufwand schadenminimierende schlechterungsverbot Maßnahmen verwirklichen. So kann beispielsweise auf den Bau eines Kellergeschosses verzichtet werden. In naturschutzfachlicher Hinsicht scheint aber das Und in hochwassergefährdeten Räumen sollten kei- Hauptproblem die vorgesehene Abholzung der Auen zu ne hochwertigen Elektrogeräte aufgestellt werden. sein (Entwurf WasserG Bbg neu): Für alle größeren Gewässer in Niedersachsen liegen bereits Überschwemmungsgebietsverordnungen vor § 100b Anforderungen in Überschwemmungsgebieten oder befinden sich in Bearbeitung. Mit den festgesetz- (1) In einem Überschwemmungsgebiet nach § 100a ten Überschwemmungsgebieten ist bereits heute ein Abs. 1 ist Instrument vorhanden, Vorhaben zu verhindern, die den (…) Hochwasserabfluss oder den Retentionsraum nachteilig 3. das Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen beeinflussen. Die unteren Wasserbehörden sind wieder- (…) holt darauf aufmerksam gemacht worden, auf dieses untersagt. Element des vorbeugenden Hochwasserschutzes beson- deren Wert zu legen. Das Programm zur Neufestsetzung § 100c Vorländer von Überschwemmungsgebieten soll nach den Zielen (1) Soweit es zur Wiederherstellung eines ausreichen- der Verwaltungsreform in Niedersachsen von den Kom- den Hochwasserabflussprofils erforderlich ist, obliegt munen ab 2005 fortgesetzt werden und im Jahre 2008 dem gemäß § 126 Abs. 4 Zuständigen in Vorländern im Wesentlichen abgeschlossen sein. Das Niedersäch- nach § 100a Abs. 1 die Beseitigung von Vorlanderhö- sische Umweltministerium ist bereit, dieses ehrgeizige hungen. (…). Ziel durch kompetenten Fachverstand zu unterstützen.“ (2) Durch die Nutzung der Vorländer dürfen Belange des Hochwasserschutzes, insbesondere der schadlose In Niedersachsen wurde ein Fließgewässerprogramm Hochwasserabfluss, nicht beeinträchtigt werden. Die entwickelt. Eine ausdrückliche Verbindung mit Maß- Wasserbehörde kann gegenüber dem Eigentümer oder nahmen des Hochwasserschutzes besteht nicht, jedoch Nutzungsberechtigten anordnen, dass können faktische Bezüge zu einem nachhaltigen vorsor- 1. Gegenstände und Bewuchs, die den Wasserabfluss genden Hochwasserschutz hergestellt werden63: hindern können, zu beseitigen sind, „Das Fließgewässerprogramm hat zum Ziel, die Vielfalt (…). niedersächsischer Flüsse und Bäche wieder herzustel- len. Die für die typische Pflanzen- und Tierwelt nieder- 4.2.4 Niedersachsen sächsischer Fließgewässer naturnahen Lebensräume, Das Land Niedersachsen hat kein unmittelbares Hoch- ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit und die nachhalti- wasserschutzkonzept entwickelt, seitens der Landesre- ge Nutzbarkeit der Gewässer sollen wieder geschaffen gierung wir die Zuständigkeit hier schwerpunktmäßig und erhalten werden. Obwohl grundsätzlich die öko- bei den Kommunen gesehen62: logische Verbesserung aller Fließgewässer in Nieder- sachsen notwendig ist, ist dieses gemeinsame Ziel der „Die Gewährleistung eines ausreichenden Hochwasser- Wasserwirtschaft und des Naturschutzes nur schritt- schutzes für besiedelte Flächen ist vorrangig Aufgabe weise und auf längerfristige Sicht zu verwirklichen. einer jeden Gemeinde im Rahmen ihrer allgemeinen Daher wurden in einem ersten Schritt alle Gewässer Daseinsvorsorge. Auch gemäß der baugesetzlichen vorgeschlagen, durch deren Renaturierung ein durch- Vorgaben sind in Flächennutzungsplänen die im Inter- gängiges Netz naturnaher und damit funktionsfähiger esse des Hochwasserschutzes freizuhaltenden Flächen Fließgewässer wieder hergestellt werden kann. Eine darzustellen und zu beachten. Entsprechende Defizite Auswahl dieser Gewässer wurde im Fließgewässer-

62 http://www.umwelt.niedersachsen.de/master/C7777569_ 63 http://www.umwelt.niedersachsen.de/master/C787922_ N11348_L20_D0_I598# N11356_L20_D0_I598.html. WWF Deutschland 85 schutzsystem der Fachbehörde für Naturschutz (Nie- diesen Gebieten, nicht überbewertet werden.“ dersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz - NLWKN) veröffentlicht.“ „Hochwasserschutzmaßnahmen sind flussgebietesbe- „Die seit 1989 bis 2004 für Maßnahmen der natur- zogen, oder einfach gesagt, überregional zu planen. nahen Gewässergestaltung eingesetzten Fördermittel Dadurch rücken die Möglichkeiten des naturnahen belaufen sich auf rd. 80 Millionen Euro, mit denen Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge ca. 750 Einzelmaßnahmen gefördert werden konnten. mehr in den Vordergrund. Aber auch technisch-kon- Dieses Geld kam hauptsächlich aus Fördermitteln des struktive Hochwasserschutzmaßnahmen müssen diesen Landes, der EU und eigenen Mittel der Projektträger. Anforderungen genügen. Moderne, zukunftsweisende Alleine durch das PROLAND-Programm der EU wer- Methoden müssen deshalb verschiedene Lösungen inte- den diese Projekte jährlich mit ca. 1,3 Millionen Euro grativ verbinden. Es gilt: Soviel naturnaher Hochwas- gefördert. Die zu fördernden Maßnahmen werden im serschutz und Hochwasservorsorge wie möglich, soviel Bau- und Finanzierungsprogramm „Naturnahe Gewäs- technischer Hochwasserschutz wie nötig.“ sergestaltung“ festgelegt. Jedes Jahr wird neu entschie- den, wie viele Finanzmittel zur Verfügung stehen und in „Hochwasserschutz durch Rückhalt in der Fläche. welche Projekte das Geld fließt. Auch zukünftig werden Heute ist Hochwasserschutz (…) durch verbesserte und Maßnahmen der naturnahen Gewässergestaltung ange- ergänzte Methoden zu betreiben, die möglichst ohne gangen werden müssen, um der Umsetzung der Was- nachteilige Einwirkungen auf die Natur auskommen, serrahmenrichtlinie gerecht zu werden. Die derzeitige also naturnah wirken. Dies ist in erster Linie durch Schätzung des Gesamtbedarfs hierfür liegt zwischen Wasserrückhalt in der Fläche der Einzugsgebiete zu 100 und 250 Millionen Euro.“ erreichen.“

Nachhaltigkeitsprüfung „Gewässerrenaturierung und Eigendynamik. Ge- Festzuhalten ist, dass es in Niedersachsen keine wässerstrukturelemente wie Sandbänke, Kolke oder ausdrückliche Hochwasserschutzstrategie auf Lan- Schnellen aber auch rückgestaute Bereiche werden desebene gibt. Die Zuständigkeit liegt hier bei den durch Renaturierung technisch ausgebauter Gewäs- Gemeinden. Damit entspricht der Hochwasserschutz ser neu geschaffen. (…) In Bereichen, in denen keine in Niedersachsen im Wesentlichen schlicht einer Gefährdung für die Anwohner vorliegt, kann auch einer Anwendung bestehender Gesetze bei der kommuna- Selbstentwicklung der Gewässer durch Eigendynamik len Planung (Bauleitplanung) und im Bauordnungs- Raum gegeben werden. Damit lässt sich ebenfalls ein recht. Naturnahe Gestaltung der Oberflächengewäs- Beitrag für den naturnahen Hochwasserrückhalt in der ser (Nachhaltigkeitsaspekt (4.)) ist in Niedersachsen Fläche leisten.“ ein Thema, steht aber in keinem ausdrücklichen Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz. „Landwirtschaft. Auf den landwirtschaftlich genutz- ten Überschwemmungsflächen ist Ackerbau generell 4.2.5 Thüringen problematisch, weil es bei Hochwasser zu erhöhtem a) Strategie eines Vorbeugenden Hochwasserschutzes Bodenabtrag und Nährstoffeintrag in die Fließgewäs- in Thüringen ser kommen kann. Eine Nutzung durch Grünlandwirt- Der Freistaat Thüringen hat grundsätzliche Erwägun- schaft, die zudem auch noch abflusshemmend wirkt, ist gen zum vorbeugenden Hochwasserschutz formuliert anzustreben.“ (Auszüge)64: „Während Flächenversiegelungen in urbanen Berei- „Forstwirtschaft. In Flussauen können Auwälder den chen kleiner Einzugsgebiete zu einer gravierenden Rückhalt in der Fläche vergrößern. Wo möglich, sollten Verschärfung der Hochwasser führen können, entsteht deshalb neue Auwälder entstehen.“ durch die fast vollständige Sättigung der Böden bei ausgedehnten und lang anhaltenden Regenfällen in „Technischer Hochwasserschutz. Dort wo naturnaher großen Flussgebieten sozusagen eine natürliche Versie- Hochwasserschutz nicht möglich oder nicht ausrei- gelung der Oberfläche. Deshalb darf der menschliche chend ist, muss der Einsatz technischer Hochwasser- Einfluss auf das Hochwassergeschehen, vor allem in schutzeinrichtungen geprüft werden.“

64 Vorbeugender Hochwasserschutz in Thüringen. Hg. v. Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt Thüringen 2001.

86 WWF Deutschland Nachhaltigkeitsprüfung 4.3 Förderprogramme und nachhaltiger Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nachhal- Hochwasserschutz tigkeitskriterien ist festzustellen, dass vorbeugender 4.3.1 Finanzierungsmöglichkeiten für Hoch- Hochwasserschutz, so wie er seitens der Landes- wasserschutzmaßnahmen und zur Beseiti- regierung beschrieben wird weitgehend den Nach- gung von Hochwasserschäden (Fonds) haltigkeitskriterien entspricht. Die Verminderung Zur Behebung von Schäden von Hochwasserereignis- des Schadenspotentials (1.) spielt allerdings keine sen sowie zur Umsetzung von Hochwasserschutzmaß- nennenswerte Rolle. Auch wenn der menschliche nahmen existiert in Deutschland eine Vielzahl von Fi- Einfluss auf die Auswirkungen von Hochwasser- nanzierungsmöglichkeiten. Seitens der EU, des Bundes ereignissen im Hinblick auf Flächenversiegelun- und der Länder wurden verschiedene Fonds aufgelegt gen grundsätzlich als eher gering angesehen wird, bzw. Hochwasserschutzmaßnahmen in bestehende wird jedoch die Notwendigkeit einer Verbesserung Fonds integriert. Oftmals überschneiden sich Fonds ge- des Wasserrückhalts in der Fläche (2.) gesehen. genseitig. Bei zahlreichen Vorhaben lassen sich Hoch- Die Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) wird wasserschadensbeseitigung und Hochwasserschutz- als Hauptaufgabe benannt; technischer Hochwas- maßnahmen nicht wirklich voneinander abgrenzen. Aus serschutz wird demgegenüber ausdrücklich als diesem Grund sollen die Finanzierungsmöglichkeiten sekundär bezeichnet. Auch die Notwendigkeit im Nachfolgenden ohne eine dahingehende Unterschei- einer Verbindung von Hochwasserschutz mit einer dung einer Prüfung im Hinblick auf die oben genannten ökologischen Aufwertung der Gewässer im Sinne Nachhaltigkeitskriterien unterzogen werden. Zugleich der WRRL (4.) wird deutlich dargelegt. werden die Größenordnungen der bereitstehenden bzw. Insgesamt bleibt aber die praktische Umsetzung die- vergebenen Fördermittel dargelegt. Nicht zuletzt wer- ser Grundsätze zu hinterfragen. Auch in Thüringen den die jeweiligen Fördervoraussetzungen thematisiert, scheinen sich die tatsächlich im Zusammenhang mit die für die Frage der Feststellung von Fördermittelmiß- dem Hochwasserschutz erfolgten/geplanten Maß- bräuchen entscheidend sind. nahmen zunächst weitgehend auf den technischen Hochwasserschutz zu beschränken. 4.3.1.0 Begriffe und Grundzüge der Förderung der b) Neufassung des Thüringischen Wassergesetzes Schadensbeseitigung (ThürWG) a) Begriffe66 Im Jahr 2003 (also vor dem HWS-ArtikelG) wurde ein Die anläßlich der Hochwasserkatastrophe im August Entwurf für neues Thüringisches Wassergesetz zur Um- 2002 mit zwischen dem Bund und den Ländern ab- setzung der WRRL vorgelegt. gestimmte Definition des Begriffes „Hochwasser“ schließt mit ein: Bezogen auf den vorbeugenden Hochwasserschutz be- - wild abfließendes Wasser, stand bei diesem Entwurf vor allem im Hinblick auf die - Sturzflut, Regelungen zum Vorrang der Versickerung des Nieder- - hochwasserbedingtes Aufsteigen von Grundwasser, schlagswassers Nachbesserungsbedarf65. - hochwasserbedingter Hangrutsch. Im § 57 Abs. 3 ThürWG (neu) wäre vor allem zweite Satz zu ändern. Hier sollte festgeschrieben werden, Der Schadensbegriff stellt auf die Höhe der Wieder- dass Niederschlagswasser nicht nur „darüber hinaus in herstellungskosten bzw. die Wiederbeschaffungskos- geeigneten Fällen versickert werden“ soll, sondern dass ten unter Einhaltung von baulichen und technischen dies der generell zu bevorzugende Fall ist. Insofern wäre Normen ab: zu formulieren, dass der Beseitigung des Niederschlags- Zum Gesamtschaden zählen: wassers durch Versickerung/Verrieselung im direkten - nur unmittelbarere Schäden, Umfeld eines Baugebietes Vorrang vor der Einleitung in - nur Hochwasserschäden, ein Gewässer oder in Abwasseranlagen zu gewähren ist. - nur bauliche Anlagen / Ausstattung, Der Versickerung auf dem jeweiligen Grundstück soll - nur im Einzugsgebiet Elbe / Donau, gegenüber der Versickerung/Verrieselung im direkten Umfeld eines Baugebietes der Vorzug gegeben werden. 65 Mitteilung der Grünen Liga Thüringen. In Verbindung damit wäre eine Befreiung vom An- 66 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und schlusszwang für Regenwasser aufgrund einer Versicke- Wiederaufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische rung/Verrieselung vor Ort vorzusehen. Staatskanzlei (2003), S. 11.

WWF Deutschland 87 - nur zwischen dem 10. und 31. August 2002, Charakters von Soforthilfen in ihrer Höhe begrenzt waren.  Ausgleich der Wiederbeschaffungskosten (= definierter Gesamtschaden) 2. Aufbauhilfen Aufbauhilfen ergänzen und erweitern die Soforthilfen. Mit b) Grundzüge der Förderung den Aufbauhilfen wird - teilweise auch in gestuften Ver- Im Vollzug gliedert sich der Wiederaufbau insgesamt in fahren - ein hoher Schadensausgleich erreicht. Sie werden vier Blöcke: 1. Soforthilfen; 2. Aufbauhilfen; 3. Sofort- differenziert und gezielt für bestimmte Investitionen - also maßnahmen und 4. Aufbaumaßnahmen. nicht pauschal - eingesetzt und dienen dem eigentlichen Wiederaufbau. Der differenzierte Schadensausgleich ent- Hilfen beziehen sich auf den Ausgleich von Schäden spricht dem Verfahren her stärker der regulären Förderpra- Dritter, während es bei den Maßnahmen um die staatliche xis. Er bedarf auch aufgrund seines hohen Ausgleichsni- Infrastruktur geht. Soforthilfen und -maßnahmen dienen veaus aus haushalts- und zuwendungsrechtlichen Gründen dem sofortigen Wiederaufbau; Aufbauhilfen und -maß- einer umfassenderen Antragsstellung sowie einer tieferen nahmen dienen dem langfristigen, nachhaltigen Wieder- Prüfung durch die Bewilligungsstellen. Insoweit geht hier aufbau. Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

1. Soforthilfen 3. Sofortmaßnahmen Bei Soforthilfen gegenüber Dritten handelt es sich um Sofortmaßnahmen umfassen vor allem Beräumungen erste Not- und Übergangshilfen, die an die betroffenen und kurzfristige bzw. provisorische Wiederherstellung der Bürger, Hauseigentümer, Kommunen, Unternehmen, Infrastruktur. Landwirte etc. in sehr einfachen und nach pauschalierten Kriterien ausgezahlt wurden. Auch die Antragstellung und 4. Aufbaumaßnahmen -prüfung war hier so vereinfacht, dass die Bewilligung Bei den Aufbaumaßnahmen geht es um den eigentlichen. sehr kurzfristig durchgeführt werden konnte. Insoweit langfristigen und nachhaltigen Wiederaufbau im Bereich ging Schnelligkeit ausnahmsweise vor Gründlichkeit, der staatlichen Infrastruktur. Dies setzt einen entsprechen- zumal die ausgereichten Fördersummen entsprechend des den Planungsvorlauf voraus.

c) Programmstruktur im Bereich Sofort- und Aufbauhilfen Programmstruktur im Bereich Sofort- und Aufbauhilfen (Landesprogramme, Bundesprogramme und Bund-Länder-Programme)

Private Haushalte Wohnungsgebäude Wirtschaftsunter- Land- und Forst- Kommunale Eigentümer nehmen wirtschaftsbetriebe Infrastruktur Landesprogramm Landesprogramm Landesprogramm Landesprogramm Abschlagszahlungen 500 € je Person 500 € je Gebäude 500 € je Arbeits- 50 € je Hektar je 1. Mittelüberweisung platz Betrieb 2. Mittelbereitstellung Bund-Länder-Pro- gramm 15.000 € je Unternehmen Soforthilfen Bundesprogramm: Bundesprogramm: Bundesprogramm: Spezifische Förder- Spezifische Förder- Hilfen bei Exis- höhe höhe tenzgefährdung Bund-Länder- Bund-Länder-Pro- Bund-Länder-Pro- Bund-Länder-Pro- Programm 80 % gramm GA-Unter- gramm 15.000 € je gramm 90 % der Wie- der Wiederherstel- nehmensförderung Betrieb derherstellungskosten lungskosten (für alle Tiefbaumaß- nahmen 100 %) Bund-Länder-Pro- Bund-Länder-

Aufbauhilfen gramm DtA-Unter- Programm max. nehmensförderung 1 Mio € je Betrieb bis 75 % (Deutsche Ausgleichsbank)

88 WWF Deutschland 4.3.1.1 Solidaritätsfonds der Europäischen Tschechien 129 Mio € (17,7 %) Kommission Frankreich 21 Mio € (2,9 %). Unmittelbar nach der Hochwasserkatastrophe 2002 ha- ben sich die Europäische Kommission und das Europä- Innerhalb der Bundesrepublik wurden die Mittel aus ische Parlament für die Errichtung des Gemeinschafts- dem Solidaritätsfonds wie folgt aufgeteilt: instruments Solidaritätsfonds entschieden (Verordnung - Aufstockung des Fonds Aufbauhilfe (50 %) (EG) Nr. 2012/2002 des Rates vom 11. November 2002 - Finanzierung der entstandenen Katastrophenschutz- zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen kosten / Kosten zur Sicherung von Hochwasser- Union). Die Mittel des Fonds sollen in den Mitglieds- schutzeinrichtungen (50 %) staaten und Bewerberländern eingesetzt werden. Ziel ist es, eine schnelle finanzielle Hilfe bei Naturkatastrophen Die zur Aufstockung des Fonds Aufbauhilfe vorgesehe- größeren Ausmaßes, die gravierende Folgen für die nen Mittel in Höhe von 222 Mio € wurden auf Grund- Lebensbedingungen der Bürger, Umwelt oder die Wirt- lage der von den Ländern ermittelten Gesamtschäden schaft einer oder mehrerer Regionen bzw. eines oder verteilt68: mehrerer Länder haben, zu gewähren. Der Fonds kann Bayern 2,56 % (5,7 Mio €) dabei u.a. für die Aufräumarbeiten und den Wiederauf- Brandenburg 1,78 % (4,2 Mio €) bau lebenswichtiger Infrastrukturen verwendet werden. Mecklenburg-Vorpommern 0,43 % (1 Mio €) Der Fonds verfügt über Haushaltsmittel in Höhe von Niedersachsen 2,26 % (5,0 Mio €) jährlich 1 Mrd. EUR. Sachsen 78,85 % (175 Mio €) Sachsen-Anhalt 13,34 % (29,6 Mio €) Die Unterstützung aus dem Fonds erfolgt in Form einer Schleswig-Holstein 0,05 % (0,1 Mio €) einmaligen, globalen Finanzhilfe (ohne Notwendigkeit Thüringen 0,64 % (1,4 Mio €) einer Kofinanzierung), die die öffentlichen Anstrengun- gen des Empfängerstaates ergänzt. Die im Rahmen des Die verbliebenen 222 Mio € wurden zur Finanzierung Fonds förderfähigen Maßnahmen dienen der Behebung der Katastrophenschutzkosten und für Maßnahmen zur von grundsätzlich nicht versicherbaren Schäden und unverzüglichen Sicherung von Schutzeinrichtungen betreffen: entsprechend den Anteilen am Gesamtschaden wie folgt - den kurzfristigen Wiederaufbau zerstörter Infra- auf Bund und Länder verteilt69: strukturen und Ausrüstungen in den Bereichen Bund 33,1 Mio € Energieversorgung, Wasser/Abwasser, Telekommu- Bayern 4,8 Mio € nikation, Verkehr, Gesundheit und Bildung; Brandenburg 3,6 Mio € - die Bereitstellung von Notunterkünften und die Mo- Mecklenburg-Vorpommern 0,8 Mio € bilisierung der für die unmittelbaren Bedürfnisse der Niedersachsen 4,3 Mio € betroffenen Bevölkerung bestimmten Hilfsdienste; Sachsen 148,9 Mio € - die unverzügliche Sicherung der Schutzeinrichtun- Sachsen-Anhalt 25,2 Mio € gen und Maßnahmen zum unmittelbaren Schutz des Schleswig-Holstein 0,1 Mio € Kulturerbes; Thüringen 1,2 Mio € - die Säuberung der von der Katastrophe betroffenen Gebiete einschließlich der Naturräume. Damit erhielt der vom Hochwasser mit Abstand am schwersten betroffene Freistaat Sachsen in Summe Am 11. November 2002 hat der Rat der EU die entspre- 324 Mio € aus dem Solidaritätsfonds der Europäischen chende Verordnung zur Errichtung des Solidaritätsfonds Union. erlassen. Zugleich erhielten in diesem Jahr die von der Überschwemmungskatastrophe betroffenen Regionen Die Mittel außerhalb des Fonds Aufbauhilfe sollten eine finanzielle Unterstützung aus dem Fonds in Höhe vorrangig verwendet werden zur Finanzierung der von 728 Mio €67. Davon erhielten: Deutschland 444 Mio € (61,0 %) Österreich 134 Mio € (18,4 %) 68 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wieder- aufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanz- lei (2003), Pkt. 2.1.2. 69 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wieder- 67 Jahresbericht 2002-2003 der EU-Kommission zum Solidari- aufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanz- tätsfonds vom 26.5.2004, Anhang 1. lei (2003), Pkt. 2.1.2. WWF Deutschland 89 Katastrophenschutzkosten einschließlich der Verlegung 4.3.1.2 Bund-Länder-Fonds „Aufbauhilfe“ von Krankenhäusern und zur Deponierung von Abfäl- Wichtigstes Finanzierungsinstrument für den Wie- len. Zudem sollten Maßnahmen zur unverzüglichen deraufbau nach dem Augusthochwasser 2002 war der Sicherung von Schutzeinrichtungen finanziert werden, Fonds Aufbauhilfe. Dessen Errichtung wurde durch welche hauptsächlich Hochwasserschutzanlagen sowie das Flutopfersolidaritätsgesetz vom 20.09.02 geregelt. Wiederherstellung von Gewässern einschließlich Ne- Dessen Kern ist das Aufbauhilfefondsgesetz (Art. 5), benanlagen wie Dämme und Ufermauern an Flussläu- in dem die Einrichtung eines Fonds „Aufbauhilfe“ als fen umfassen. Sondervermögen des Bundes festgelegt ist. Zum Ende des Jahres 2006 soll der Hochwasser-Aufbauhilfefonds Die Mittel zur Aufstockung des Aufbauhilfefonds soll- aufgelöst werden, da die Mittel weitgehend verteilt ten für den Wiederaufbau im Bereich der Staatsstraßen, sind. der kommunalen Energieversorgungsunternehmen und für die kurzfristige Wiederherstellung von Infrastruktur a) Fondsmittel und deren Verteilung (Bund, Länder)70 im ländlichen Raum verwendet werden. Der Fonds wurde gespeist durch Mittel des Bundes, der Länder und der Gemeinden Die Mittel aus dem Solidaritätsfonds mussten innerhalb Bund 3.507 Mio € (49,4 %) eines Jahres verausgabt werden. Dies bedeutete ein Länder und Gemeinden 3.593 Mio € (50,6 %) kurzfristiges Antrags- und Bewilligungsverfahren. An- tragsschluss war der 31.03.2003. Die ordnungsgemäße Der Bundesanteil sollte wie folgt verteilt werden: Verwendung der Finanzhilfe musste der Europäischen 1. Wiederherstellung kommunaler Infrastruktur Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf 1.097 Mio € (31,3 %) der Einjahresfrist in einem Bericht mit Begründung 2. Schadensausgleich für Haushalte und Unternehmen der Ausgaben vorgelegt werden. Fernen mussten in 1.044 Mio € (29,8 %) dem Bericht die eingeleiteten bzw. vorgeschlagenen 3. Wiederherstellung zerstörter Infrastruktur Präventivmaßnahmen angegeben werden, die das 970 Mio € (27,7 %) Ausmaß solcher Schäden künftig begrenzen bzw. deren 4. Leistungsreserve 396 Mio € (11,3 %) Wiederholung verhindern sollen. Die ordnungsgemäße Abwicklung und Überwachung der finanzierten Maß- Der Länderanteil sollte wie folgt verteilt werden: nahmen lag im Verantwortungsbereich der Leistelle 1. Kofinanzierung Bund-Land-Programm Infrastruktur Wiederaufbau bzw. ihrer Nachfolgeeinrichtung. 1.097 Mio € (30,5 %) 2. Kofinanzierung Bund-Land-Programm Haushalte / Nachhaltigkeitsprüfung Unternehmen 1.044 Mio € (29,1 %) Der Solidaritätsfonds der EU dient in erster Linie ei- 3. Landespauschalmittel für Landesprogramme ner schnellen Hilfe. Die Mittel selbst werden jedoch 1.056 Mio € (29,4 %) weitgehend zur Wiederherstellung von Anlagen 4. Mittel zur möglichen Kofinanzierung der Leistungs- verwendet, die langfristigen Bestand haben sollen. reserve 396 Mio € (11,0 %) Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nach- haltigkeitskriterien ist festzustellen, dass bei der Die vom Hochwasser betroffenen Länder erhielten den Mittelvergabe die Verminderung des Schadenspo- Länderanteil zur Kofinanzierung von Bund-Land-Pro- tentials (1.), nur insofern eine Rolle spielte/spielt, grammen; die verbleibenden Mittel stehen als Lan- dass das Ausmaß künftiger Schäden vor Ort durch despauschale für eigene Programme und Leistungen Präventivmaßnahmen reduziert werden soll. Die im Bereich Wiederaufbau zur Verfügung. Zu diesen Prüfung, ob ein Schandesausgleich/Wiederaufbau Beträgen kommen noch die überwiegend bereits zur besser an anderer Stelle erfolgen soll, war/ist keine Auszahlung gelangten Soforthilfen mit einem Volumen Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Gel- von 500 Mio €. dern aus dem Solidaritätsfonds. Eine Verbesserung des Wasserrückhalts in der Fläche (2.), die Schaf- fung neuer Retentionsflächen (3.) oder die Verbin- dung von Hochwasserschutz mit einer ökologischen Aufwertung der Gewässer im Sinne der WRRL (4.) 70 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und sind kein Gegenstand der Regelungen des Solidari- Wiederaufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische tätsfonds. Staatskanzlei (2003), Pkt. 2.1.1.

90 WWF Deutschland Die Aufteilung des Anteils am Fonds, der den Län- Der Schwerpunkt der Maßnahmen lag in Sachsen, wo dern zur Verfügung steht, orientiert sich am jeweiligen allein ca. 797 km Gewässerrandstreifen und Ufermau- Anteil der Länder am Gesamtschaden aller Länder. Die ern (einseitig) etc. und 191 km Deiche saniert wurden. festgelegte Quote betrug: Bayern 2,56 % Aus dem Titel „Wiederherstellung der Infrastruktur Brandenburg 1,78 % im ländlichen Raum“ des Fonds Aufbauhilfe und aus Mecklenburg-Vorpommern 0,43 % anderen Quellen wurden bis zum 31.12.2003 u.a. rund Niedersachsen 2,26 % 660 km ländliche und rund 300 km forstwirtschaftli- Sachsen 78,85 % (= 4.404 Mio €) che Wege finanziert. Zusammen mit 109 Projekten zur Sachsen-Anhalt 13,34 % Abwasserentsorgung und Trinkwasserversorgung (43 Schleswig-Holstein 0,05 % Projekte) sowie zur Schadensbewältigung in Dörfern Thüringen 0,64 % (348 Projekte) wurden insgesamt 46 Mio € eingesetzt. Für alle Maßnahmen zur Wiederherstellung der länd- Der Anteil von Sachsen ist bezüglich der Herkunft und lichen Infrastruktur (Wasserwirtschaft, Dörfer, Wege) Verwendung wie folgt strukturiert: zusammen wurden bis zum 31.12.2003 rund 197 Mio € 1. Wiederherstellung kommunaler Infrastruktur (Bun- ausgegeben. 2004 flossen ca. 174 Mio €. desanteil 765 Mio €; Landesanteil 765 Mio €) 2. Schadensausgleich für Haushalte und Unternehmen Für die Beseitigung der Schäden an den Bundes- (Bundesanteil 817 Mio €; Landesanteil 722 Mio €) fernstraßen waren 70 Mio € vorgesehen. Inzwischen 3. Landespauschalmittel für Landesprogramme (Lan- wurden weitere 60 Mio € zur Verfügung gestellt. Die desanteil 1.335 Mio €) Schäden an den vorhandenen Straßen sind weitgehend beseitigt. Im Rahmen der Schadensbeseitigung war/ist Im Jahr 2004 wurden für den Freistaat Sachsen zu- auch die hochwasserfreie Verlegung einiger Bundes- sätzliche Restmittel des Aufbauhilfefonds in Höhe von straßen und der Bau von Ortsumgehungen anstelle der maximal 140 Mio € nachverhandelt. Damit sollten u.a. Wiederherstellung am alten hochwassergefährdeten insbesondere an Elbe und an Mulde weitere Deiche Standort vorgesehen. grundhaft saniert werden71. Das Hochwasser hat auch an der Schieneninfrastruktur Die Mittel zur Beseitigung der Hochwasserschäden der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes sind mittlerweile verteilt und viele Aufbauprogramme große Schäden verursacht; zum Großteil in Sachsen werden mit Ablauf dieses Jahres abgeschlossen72. Es ist und Sachsen-Anhalt. Im Aufbauhilfefonds stehen für nur noch ein geringes Restvolumen von noch nicht aus- die Schadensbeseitigung 151 Mio € zur Verfügung, gegebenen, aber bereits gebundenen Mitteln vorhanden. davon 18 Mio € aus dem EU-Solidaritätsfonds. Die Nach Regierungsangaben waren Ende 2005 die Fonds- Schäden sollen bis 2005 beseitigt sein. mittel in Höhe von rund 6,47 Millionen Euro folgender- maßen aufgeteilt: Sachsen 4,7 Milliarden Euro, Sach- sen-Anhalt 762,2 Millionen Euro, Niedersachsen 129,9 Millionen Euro, Bayern 85,4 Millionen Euro, Branden- burg 67,4 Millionen Euro, Thüringen 36,8 Millionen Euro und Schleswig-Holstein 2,7 Millionen Euro. Auf den Bund seien rund 570 Millionen Euro entfallen und als Reserve hätten 87,1 Millionen Euro zur Verfügung gestanden. Mit der Auflösung des Fonds zum Jahresen- de sollen die vorhandenen Restmittel auf den Bund und die betroffenen Länder übergehen.

71 Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll 4/49, S. 3920. 72 Bundesrat Drucksache 541/06; siehe auch http://www. bundestag.de/aktuell/hib/2006/2006_279/05.

WWF Deutschland 91 b) Mittelverwendung73

Programm(beispiele) Mittel Bemerkungen Hilfen für Privathaushalte und Unternehmen Wohngebäude 923 Mio € Instandsetzung beschädigter Wohngebäude sowie Erneuerung beschädigter o. zerstörter Bauteile durch Ersatzbau oder Ersatzerwerb. (23.000 Wohngebäude und Wohnungen) Infrastrukturprogramme insbes. für Kommunen u. den ländlichen Raum Infrastruktur in den Fondsmittel 845 Mio € Programm dient insbes. der Wiederherstellung Gemeinden - davon 48 Mio € aus Solidaritätsfonds der städtebaulichen Infrastruktur einschließ- der EU (SFEU) lich kultureller,. sozialer, verkehrlicher, was- - über Kofinanzierungsmittel der Län- ser- und verkehrlicher Infrastruktur. der insges. 1,64 Mrd. € (insgesamt 711 Gemeinden) Infrastruktur im ländli- - insgesamt 316 Mio € zur Beseitigung von Schäden an oberirdischen chen Raum / Wasserwirt- - davon 111,9 Mio für Deichsanierung Gewässern und Hochwasserschutzanlagen schaftliche Maßnahmen und Deichrückverlegung (ca. 2.450 Projekte) Schwerpunkt Sachsen, wo allein 797 km Ge- wässerrandstreifen und Ufermauern (einseitig) und 191 km Deiche saniert wurden Infrastruktur im ländli- insgesamt 381 Mio € (bis 2004) für Anlagen zur Abwasserentsorgung und chen Raum / Ländliche - davon 47 Mio € aus SFEU Trinkwasserversorgung, ländliche und forst- u. forstwirtschaftliche - über Kofinanzierungsmittel der Län- wirtschaftliche Wege Wege der insges. 730 Mio € Infrastruktur des Bundes Bundesfernstraßen insgesamt 130 Mio € Schadensbeseitigung und Errichtung hochwas- - davon 28 Mio € aus SFEU serfreier Ortsumgehungen sowie Verlegungen Schieneninfrastruktur insgesamt 151 Mio € - davon 18 Mio aus SFEU Gesamt ca. 6,5 Mrd. €

Maßnahmen zum Hochwasserschutz im Elbe- und Donaueinzugsgebiet, die aus Mitteln des Fonds „Aufbauhilfe“ finanziert wurden (Stand 31.12.2003)

Maßnahme Anzahl der Umfang der Maßnahmen Höhe der öffentli- Projekte chen Ausgaben Vorarbeiten für Maßnahmen zur Instandset- 73 - 53,8 Mio € zung der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur Wiederherstellung von Gewässerrandstreifen, 12 799 km (einseitig) 131,9 Mio € Ufermauern etc. Wiederherstellung von Wasserläufen 93 38 km 2 Mio € Deichsanierung inkl. Deichrückverlegungen 213 333 km (Deiche + 111,9 Mio € 66.000 m³ Rück-haltevolumen) Wiederherstellung von Poldern, Hochwasser- 37 Rückhaltevolumen 16,5 Mio € rückhaltebecken und sonstigen Hochwasser- rd. 6 Mio m³ schutzanlagen Abwehr von Hochwassergefahren in Dörfern 18 - 0,2 Mio € Summe ca. 2.450 316,0 Mio €

73 Bericht der Bundesregierung über die nach der Flusskonferenz vom 15. September 2002 eingeleiteten Maßnahmen zur Ver- besserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Hg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. 2005, S. 16-18.

92 WWF Deutschland c) Vergabevorschriften Nachhaltigkeitsprüfung Im Zusammenhang mit dem Fonds Aufbauhilfe wurden Eine Verbindung der Mittelvergabe mit Nachhaltig- zwischen den Ländern und dem Bund Verwaltungs- keitskriterien des vorbeugenden Hochwasserschut- vereinbarungen abgeschlossen, welche grundsätzlich zes erfolgte nicht. die Verwendung der Fluthilfen regeln. Auf Basis dieser Vereinbarungen haben die Landesregierungen im We- 4.3.1.4 Umschichtungen im Bundeshaushalt sentlichen die einschlägigen Förderrichtlinien für die Die Bundesregierung hatte den Ländern zugesagt, dass überwiegend Bund-Land-Programme aus dem Aufbau- sie die Wiederherstellung der Bundesverkehrsinfra- hilfefonds erlassen. struktur vorrangig durch Umschichtungen im Bundes- haushalt finanzieren wollte und nicht mit Mitteln des Im Rahmen der Schadensbeseitigung konnten zusätz- Fonds „Aufbauhilfe“75. lich auch Maßnahmen der Modernisierung und Vermei- dung künftiger Hochwasserschäden gefördert werden. Nachhaltigkeitsprüfung Sowohl nach der Verwaltungsvereinbarung „Besei- Eine Verbindung der Mittelvergabe mit Nachhaltig- tigung und Behebung von Hochwasserschäden an keitskriterien des vorbeugenden Hochwasserschut- Wohngebäuden“ als auch der Verwaltungsvereinbarung zes erfolgte nicht. „Wiederherstellung der Infrastruktur in den Gemein- den“ war auch die Errichtung von geschädigten Gebäu- 4.3.1.5 Landeshaushalte den und Einrichtungen an anderer Stelle förderfähig. Diese Möglichkeit wurde bei dem von der Flut völlig Nach den Schäden 2002 stellte der Freistaat Sachsen überschwemmten und von der Außenwelt abgeschnit- für Soforthilfen und -maßnahmen unverzüglich Mit- 76 tenen Wohn- und Gewerbegebiet Röderau-Süd in der tel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung . Die den Gemeinde Zeithain in Sachsen, unter Einsatz auch von Gemeinden und Landkreisen zugewiesenen Beträge Mitteln aus dem Programm „Aufbauhilfe Wohngebäu- sollten für die Finanzierung unaufschiebbarer und de“ (Titel 632 15) genutzt worden. Die Gebäude mit unabweisbarer Baumaßnahmen zur Wiederherstellung rund 140 Wohneinheiten und mehreren Gewerbebetrie- der Funktionalität der kommunalen Infrastruktur aus ben wurden auf freiwilliger Grundlage umgesiedelt, da nachfolgenden Förderbereichen verwendet werden. die Sächsische Staatsregierung aufgrund eingehender Untersuchungen zu der Erkenntnis gelangt war, dass In der Reihenfolge der Dringlichkeit: die Siedlung auch künftig nicht effektiv gegen Hoch- 1. Verkehrliche Infrastruktur wasser geschützt werden kann. Die Flächen wurden - Straßen als Retentionsraum der Elbe wiederhergestellt. In der - Brücken Gemeinde Weesenstein in Sachsen sind die bei der Flut 2. Abwasser-, wasser- und abfallwirtschaftliche Ein- 2002 durch zerstörten bzw. stark beschädigten Gebäude richtungen (vor allem private Wohnhäuser) im Ortszentrum nicht 3. Soziale Infrastruktur wiedererrichtet worden. - Kindertagesstätte - Schulen Die Betrachtung der Vergabevorschriften im Hinblick - Krankenhäuser auf eine Nachhaltigkeitsprüfung erfolgt in einem - Altenheime gesonderten Kapitel anhand der Vergaberichtlinien des - Sportstätten mit 78,85 % der festgestellten Schäden Abstand am 4. Städtebauliche Infrastruktur schwersten betroffenen Bundeslandes Sachsen. - historische Innenstädte - Kultureinrichtungen 4.3.1.3 Soforthilfen - Stadtbildprägende Gebäude Zu den erst später aufgelegten Fonds kommen zur Bewältigung der Hochwasserkatastrophe vom August 2002 noch die überwiegend bereits unmittelbar nach 75 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Beginn des Hochwassers zur Auszahlung gelangten Wiederaufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Soforthilfen mit einem Volumen von 500 Mio €74. Staatskanzlei (2003), S. 15. 76 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und 74 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wiederaufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Wiederaufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanzlei (2003), Pkt. 3.7.1. Staatskanzlei (2003), Pkt. 2.1.1. WWF Deutschland 93 Insgesamt haben 195 Städte und Gemeinden sowie 14 schaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Landkreise von den zugewiesenen Mitteln 101 Mio € in Küstenschutzes“ (GAK). Anspruch genommen. Das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbes- Zur Finanzierung des Sofortprogramms der Deichsanie- serung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ rung 2006 nach dem Frühjahrshochwasser 2006 stellte (GAKG regelt in § 1, welche Maßnahmen als Gemein- der Freistaat zusätzlich noch einmal 10 Mio € bereit77. schaftsaufgabe wahrgenommen werden: 1. Maßnahmen zur Verbesserung der Produktions- und Nachhaltigkeitsprüfung Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirt- Eine Verbindung der Mittelvergabe mit Nachhaltig- schaft durch keitskriterien des vorbeugenden Hochwasserschut- a) rationellere Gestaltung land- und forstwirt- zes erfolgte nicht. schaftlicher Betriebe, b) markt- und standortangepasste Landbewirt- schaftung, 78 4.3.1.6 Arbeitsmarktprogramm des BMWA c) Ausgleich natürlicher Standortnachteile, Aus dem Arbeitsmarktprogramm „Hochwasserhilfe d) Sonstige Maßnahmen; Teil III Deichbau 2002/2003“ flossen Mittel in Höhe 2. Maßnahmen zur Neuordnung ländlichen Grundbe- von ca. 44,5 Mio € durch das Bundesministerium für sitzes und Gestaltung des ländlichen Raums nach Wirtschaft und Arbeit. Damit wurden 5.213 Arbeitslose dem Flurbereinigungsgesetz einschließlich von in 307 Maßnahmen in den Jahren 2002 und 2003 im Maßnahmen zur Sicherung eines nachhaltig leis- Hochwasserschutz beschäftigt. tungsfähigen Naturhaushalts; Nachhaltigkeitsprüfung 3. Maßnahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe Eine Verbindung der Mittelvergabe mit Nachhaltig- zur Umnutzung ihrer Bausubstanz; keitskriterien des vorbeugenden Hochwasserschut- 4. Wasserwirtschaftliche und kulturbautechnische zes erfolgte nicht. Maßnahmen; 5. Maßnahmen zur Verbesserung der Marktstruktur; 6. Küstenschutzmaßnahmen. 4.3.1.7 Sonderprogramm „Hochwasser“ der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Vorplanungsmaßnahmen sind Bestandteil der Gemein- Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ schaftsaufgabe. (GAK) a) GAK-Grundstruktur und Mittelverteilung Neben dem Sonderprogramm „Hochwasser“ enthält Neben den Fonds Aufbauhilfe und den Solidaritäts- bereits die reguläre GAK verschiedene Fördermöglich- fonds der Europäischen Kommission kommt dem keiten für Maßnahmen, die indirekt dem Hochwasser- Hochwasser-Sonderprogramm im Rahmen der Ge- schutz dienen, und zwar: meinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen - Anbau von Zwischenfrüchten oder Untersaaten im Wirtschaftsstruktur“ besondere Bedeutung für die Ackerbau Finanzierung von Hochwasserschutzmaßnahmen/Hoch- - Mulch- und Direktsaatverfahren wasserschadensbeseitigung zu. - Anlage von Blühflächen oder Schonstreifen - Umwandlung von Ackerflächen in extensiv zu nut- Nach dem Grundgesetz obliegen den Bundesländern zendes Dauergrünland Planung, Durchführung und Finanzierung der Hoch- - mehrjährige Stillegung von Ackerland wasserschutzmaßnahmen. Der Bund beteiligt sich an - Erstaufforstung der Finanzierung der Hochwasserschutzmaßnahmen der Länder im ländlichen Raum im Rahmen der „Gemein- § 10 GAKG legt fest, dass der Bund den Ländern 60 % der Ausgaben erstattet. Im Falle des Küstenschutzes be- trägt der Erstattungssatz 70 %; für Maßnahmen, die aus 77 Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll 4/49, S. 3920. Mitteln der fakultativen Modulation von Direktzahlun- 78 Bericht der Bundesregierung über die nach der Flusskonfe- gen der Europäische Union finanziert werden, beteiligt renz vom 15. September 2002 eingeleiteten Maßnahmen zur sich der Bund mit 80 %. Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Hg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen. 2005, S. 17.

94 WWF Deutschland Länderschlüssel für die Verteilung der Bundesmittel für 2002 zur Verfügung gestellte und abgerufene Mittel GAK (gem. Anlage 2 GAKG): für79: - Brandenburg (8,461 %); - Sachsen 12 Mio €; - Niedersachsen (14,420 %); - Sachsen-Anhalt 7,8 Mio € und - Sachsen (5,604 %); - Brandenburg 2,1 Mio € (abgerufen 2,0 Mio €) - Sachsen-Anhalt (5,795 %); - Thüringen (5,304).

Zusammenstellung der Vorhaben und des Mittelbedarfs für GAK in 2006, Neubewilligungen (Beträge in Mio €)80: Maßnahmen Anzahl Gesamt- GAK EAGFL Sonstige öf- kosten fentl. Mittel 1. Integrierte ländliche Entwicklung 8.602 746,338 182,529 224,184 100,977 1.3 Infrastrukturmaßnahmen 1.148 82,763 11,900 32,432 20,046 2. Wasserwirtschaftliche u. kulturbautechn. 511 244,609 139,782 53,041 27,779 Maßnahmen 2.1 Gewässerrandstreifen, Schutz- 11 1,171 0,743 0,219 0,175 pflanzungen, Auewald 2.2 Gewässerausbau, Wildbachverbauung, 464 212,821 127,470 47,618 16,877 Hochwasserschutzanlagen 2.3 Überbetriebl. Bewässerung / Frost- 4 5,300 1,250 - 4,000 schutzberegnung / Wasserspeicherung 2.4 Abwasseranlagen 32 25,316 10,318 5,204 6,727

Zusammenstellung der Vorhaben und des Mittelbedarfs für GAK in 2006, im laufenden Haushaltsjahr benötigte Kassenmittel (Beträge in Mio €)81: Maßnahmen GAK EAGFL Sonstige öf- fentl. Mittel 1. Integrierte ländliche Entwicklung 196,433 220,731 94,411 1.3 Infrastrukturmaßnahmen 13,723 28,898 20,486 2. Wasserwirtschaftliche u. kulturbautechn. 141,469 45,501 23,959 Maßnahmen 2.1 Gewässerrandstreifen, Schutzpflanzungen, 1,87 0,934 0,041 Auewald 2.2 Gewässerausbau, Wildbachverbauung, 126,739 36,852 12,387 Hochwasserschutzanlagen 2.3 Überbetriebl. Bewässerung / Frostschutz- 1,250 - 4,000 beregnung / Wasserspeicherung 2.4 Abwasseranlagen 11,611 7,715 7,531

79 BT Drucksache 16/2522, GAK-Rahmenplan 2006-2009. 81 BT Drucksache 16/2522, GAK-Rahmenplan 2006-2009, 80 BT Drucksache 16/2522, GAK-Rahmenplan 2006-2009, Übersicht 3. Übersicht 3.

WWF Deutschland 95 b) Sonderprogramm „Hochwasser“ Entsprechend den Vorgaben dieser Förderungsgrundsät- Im Rahmen der GAK wurde nach dem Augusthochwas- ze und des GAK-Gesetzes können die Länder Bundes- ser 2002 das Sonderprogramm „Hochwasser“ geschaf- mittel bis zur Höhe von 60 % ihrer Investitionskosten fen. Aus dem Sonderprogramm werden Maßnahmen in für Hochwasserschutzmaßnahmen im ländlichen Raum den Bereichen Wasserwirtschaft, der Dorfentwicklung erhalten. bzw. Wiederherstellung von dörflicher Infrastruktur Die Länder setzen im Mittel pro Jahr ca. 40 Mio € nach dem Hochwasser und die Wiederherstellung von GAK-Bundesmittel für Hochwasserschutzmaßnahmen ländlichen und forstwirtschaftlichen Wegen gefördert. ein82. Antragsteller können sein Gemeinden und Gemein- Die Länder können diesen Anteil im Rahmen ihres deverbände im ländlichen Raum, Teilnehmergemein- Landesplafonds durch Schwerpunktsetzung zu Lasten schaften und ihre Zusammenschlüsse (Flurbereini- anderer Fördertatbestände und durch den Einsatz von gungsgesetz) sowie natürliche und juristische Personen EU-Mitteln zur Förderung der ländlichen Entwicklung und privatrechtliche Personengesellschaften. Je nach erhöhen. Zuwendungsempfänger werden unterschiedliche Höchstquoten an Zuschüssen gewährt. Im aktuellen Hochwasserschutz-Investitionsprogramm des Freistaates Sachsen zur Umsetzung der Hochwas- Neben der Wiederherstellung von Straßen, Plätze, serschutzkonzepte 2005 und 2006 ist (bei gleich be- Wegen, Anlagen oder Gebäuden hat vor allem der vor- liebender Mittelausstattung) mit Mitteln aus GAK und beugende Hochwasserschutz in diesem Programm eine EFRE (incl. Kofinanzierung) bis 2020 das Erreichen große Bedeutung. eines Mittelvolumens von 1 Mrd € vorgesehen (2005 insgesamt 41 Mio €; 2006 insgesamt 59,666.7 Mio €)83. Der Förderrahmen wird von Bund und Ländern jähr- lich überprüft und gemeinsam neu festgelegt. Die c) GAK-Rahmenplan 2006-2009 (Auszüge)84 Fördervoraussetzungen basieren insbesondere auf dem Grundsätze der Förderung wasserwirtschaftlicher und 5-Punkte-Programm der Bundesregierung. Es werden kulturbautechnischer Maßnahmen u.a. gefördert: 1. Zuwendungszweck - Deichrückverlegungen zur Wiedergewinnung von Umweltverträgliche nachhaltige Entwicklung des Überschwemmungsgebieten ländlichen Raumes und Verbesserung der mit der Land- - Anlage von Retentions- und Polderflächen wirtschaft verbundenen Infrastruktur sowie Bewirt- - Bau von Hochwasserrückhaltebecken schaftung der landwirtschaftlichen Wasserressourcen - Naturnaher Gewässerausbau und Wildbachverbau- unter Berücksichtigung der Ziele der EU-Wasserrah- ung menrichtlinie - Anlage von Schutzpflanzungen und Auewald - Neubau von Deichen inkl. Bau der Deichverteidi- 2. Gegenstand der Förderung gungswege 2.1 Vorplanungen wie konzeptionelle Vorarbeiten, - Grunderwerb für die benötigten Flächen Zweckforschungen, Untersuchungen, Beweissiche- rungen und Erhebungen im unmittelbaren Zusam- Fördervoraussetzungen sind u.a.: menhang mit wasserwirtschaftlichen und kultur- - der Wiedergewinnung von Überschwemmungsge- bautechnischen Maßnahmen nach Nrn. 2.2 bis 2.8. bieten wird gegenüber dem Neubau oder der Erwei- terung von Hochwasserschutzanlagen der Vorrang gegeben, - die Hochwasserschutzmaßnahme steht im Einklang mit den Grundsätzen des vorbeugenden Hochwas- serschutzes (entsprechend den LAWA-Leitlinien und 82 Bericht der Bundesregierung über die nach der Flusskonfe- dem 5-Punkte-Programm der Bundesregierung) und renz vom 15. September 2002 eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Hg. - es handelt sich wegen des Auftrages der GAK v. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- (Verbesserung der Agrarstruktur) um Hochwasser- sen. 2005, S. 25f. schutzmaßnahmen im ländlichen Raum (d.h. nicht 83 Finanzierung und Förderung ökologischer Hochwasser- im städtischen Bereich). schutzmaßnahmen. Hg. vom Sächs. Staatsministerium f. Umwelt u. Landwirtschaft (2006), S. 30. 84 BT Drucksache 16/2522, GAK-Rahmenplan 2006-2009.

96 WWF Deutschland 2.2 Anlage von Gewässerrandstreifen, Schutzpflanzun- 3. Ab 2003 stehen aus dem Fonds „Aufbauhilfe“ gen, Auewald und sonstigen landschaftsverträg- Bundesmittel von bis zu 320 Mio € (davon 20 Mio lichen Anlagen zur Verbesserung der natürlichen € zur Deckung von Ausgaberesten aus 2002) für Produktionsbedingungen des Pflanzenbaues sowie das Sonderprogramm bereit. Diese Mittel werden zur Verminderung von Stoffausträgen und von entsprechend der Regelung in der nach § 2 Abs. 6 Bodenabtrag. des Aufbauhilfefondgesetzes zu erlassenden Rechts- 2.3 Naturnaher Gewässerausbau zur Verbesserung des verordnung auf die betroffenen Länder verteilt. Auch Wasserrückhalts in der Landschaft und der natur- die Kofinanzierung der Länder wird aus dem Fonds nahen Gewässerentwicklung oder der Durchgän- „Aufbauhilfe“ bereitgestellt. gigkeit der Gewässer. Durch die Einbringung dieser Mittel als nationalen 2.4 Neubau und Erweiterung von Hochwasserschutz- Finanzierungsanteil für Maßnahmen zur Entwick- anlagen. lung des ländlichen Raums nach der Verordnung 2.5 Wildbachverbauung einschl. der Sanierung der (EG) Nr. 1257/1999 kann das Finanzvolumen noch Einzugsgebiete vorrangig mit ingenieurbiologi- erheblich verstärkt werden. schen Methoden. Grundsätze für die Förderung der Wiederherstellung 3. Zuwendungsempfänger der durch das Hochwasser beschädigten Infrastruktur Zuwendungsempfänger können das Land oder sonstige im ländlichen Raum Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Unterhal- tungspflichtige an Gewässern sein. Begünstigte können Allgemeine Bestimmungen außerdem Körperschaften des öffentlichen Rechts sein, die Mitglieder der Träger der Maßnahmen sind; (…). Zuwendungszweck: Förderung der Wiederherstellung (Wiederaufbau und 4. Zuwendungsvoraussetzungen Instandsetzung) der durch das Hochwasser an Elbe und 4.1 Wasserwirtschaftliche und kulturbautechnische Donau einschließlich der Einzugsgebiete zerstörten Maßnahmen dürfen nur gefördert werden, wenn oder beschädigten Einrichtungen und Anlagen. Alle bei ihrer Durchführung die Grundsätze einer Maßnahmen sind an den Anforderungen eines vorbeu- nachhaltigen Wasserwirtschaft einschließlich genden Hochwasserschutzes auszurichten. Vorhandene des vorbeugenden Hochwasserschutzes, gewäs- Hochwasserschutzkonzepte sind aufgrund der Erfah- serökologischer Ziele und soweit vorhanden der rungen der Hochwasserkatastrophe zu überprüfen und agrarstrukturellen Entwicklungsplanung sowie der anzupassen. Erfordernisse des Umwelt- und Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt werde. A. Wiederherstellung der durch das Hochwasser be- Die Wiedergewinnung von Überschwemmungsge- schädigten wasserwirtschaftlichen Infrastrukturen bieten ist gegenüber dem Neubau oder der Erwei- 1. Gegenstand der Förderung terung von Hochwasserschutzanlagen Vorrang zu 1.2 Wiederherstellung von Gewässerrandstreifen, geben. Schutzpflanzungen und sonstigen landschaftsver- träglichen Anlagen zur Verbesserung der natürli- Anhang II zum Rahmenplan 2006 bis 2009 chen Produktionsbedingungen des Pflanzenbaues Sonderprogramm Hochwasser sowie zur Verminderung von Stoffausträgen und 1. Ausgehend vom Fonds „Aufbauhilfe“ zur Beseiti- von Bodenabtrag; gung der Hochwasserschäden an Elbe und Donau 1.3 Wiederherstellung von Wasserläufen durch natur- vom Sommer 2002. nahen Gewässerausbau zur Verbesserung des Was- Die Maßnahmen zum Wiederaufbau der Infrastruk- serrückhalts in der Landschaft und der naturnahen tur in ländlichen Räumen werden nach den GAK- Gewässerentwicklung; Bestimmungen durchgeführt und finanziert. 1.4 Wiederherstellung von Hochwasserschutzanlagen; 2. Zur Finanzierung von Sofortmaßnahmen zum Hoch- 1.5 Wiederherstellung von Wildbachverbauungen ein- wasserschutz werden für 2002 Bundesmittel aus schl. der Sanierung der Einzugsgebiete vorrangig dem GAK-Plafond von 21,9 Mio € und Verpflich- mit ingenieurbiologischen Methoden; tungsermächtigungen von 38.3 Mio € zur Verfügung gestellt.

WWF Deutschland 97 3. Zuwendungsvoraussetzungen 1.1.6 den Erwerb von bebauten und unbebauten 3.1 Die Wiederherstellungsmaßnahmen dürfen nur Grundstücken im Zusammenhang mit Maßnahmen gefördert werden, wenn bei ihrer Durchführung nach Nrn. 1.1.4 und 1.1.5; die Grundsätze einer nachhaltigen Wasserwirt- 1.1.7 Abbruchmaßnahmen bei durch Hochwasser- schaft einschließlich gewässerökologischer Ziele schäden nicht mehr nutzbarer ländlicher Bausub- und - soweit vorhanden - der agrarstrukturellen stanz. Entwicklungsplanung sowie die Erfordernisse des 5. Sonstige Zuwendungsbestimmungen Umwelt- und Naturschutzes und der Landschafts- 5.1 Die Maßnahmen sollen auf der Grundlage vor- pflege berücksichtigt werden. handener Planungen (Dorferneuerungsplanung, Der Wiedergewinnung von Überschwemmungs- Agrarstrukturelle Entwicklungsplanung, u.a.) gebieten ist gegenüber der Wiederherstellung von durchgeführt werden. Den Erfordernissen des Hochwasserschutzanlagen Vorrang zu geben. Hochwasserschutzes und der gesamten wasser- Die Wiederherstellung darf nur gefördert werden, wirtschaftlichen Planung ist in geeignetem Maße wenn das Vorhaben im Einklang mit den Vorgaben Rechnung zu tragen. vorhandener und aufgrund der Erfahrungen der Hochwasserkatastrophe überprüfter und angepass- C. Wiederherstellung der durch das Hochwasser be- ter Hochwasserschutzkonzepte steht. schädigten ländlichen Wege 4. Art, Umfang und Höhe der Zuwendungen 1. Gegenstand der Förderung 4.2.1 Zuwendungsfähig sind: Förderungsfähig sind: - Vorarbeiten gemäß Nr. 1.1; 1.2 Wiederherstellung von Verbindungswegen, land- - die förderungsfähigen Kosten der Maßnahmen wirtschaftlichen Wegen, dazugehörender Brücken nach Nummern 1.2 bis 1.9 die nach Abzug von und Wasserdurchlässe sowie die Wiederherstellung Leistungen Dritter verbleiben; zerstörter bzw. beschädigter Begleitmaßnahmen - die Kosten für Architekten- und Ingenieurleis- des Natur-, Wasser- und Landschaftsschutzes; tungen nach der Honorarordnung für Archi- 1.3 Ortsausfahrten bis zu einer Länge von 100 m, tekten und Ingenieure (HOAI) in der jeweils wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den geltenden Fassung; Wiederherstellungsmaßnahmen stehen; - die infolge der Wiederherstellungsmaßnahme 3. Zuwendungsvoraussetzungen notwendigen Maßnahmen des Naturschutzes Bei der Wiederherstellung der zerstörten Wege sol- und der Landschaftspflege; len die „ Richtlinien für den ländlichen Wegebau“ - notwendiger Grunderwerb für die Wiederher- (RLW) des DVWK berücksichtigt werden. stellungsmaßnahmen. D. Wiederherstellung der durch das Hochwasser be- B. Wiederherstellung der durch das Hochwasser be- schädigten forstwirtschaftlichen Wege schädigten Dörfer 1. Gegenstand der Förderung 1. Gegenstand der Förderung 1.1 Wiederherstellung der beschädigten forstwirt- 1.1 Zuwendungsfähig sind die Aufwendungen für schaftlichen Wege einschließlich der dazugehöri- 1.1.2 Maßnahmen zur Wiederherstellung der örtli- gen notwendigen Anlagen. chen Verkehrsverhältnisse; Bei Planung und Ausführung der Vorhaben sind 1.1.3 Maßnahmen zur Wiederherstellung von Anla- die anerkannten Regeln des forstlichen Wegebaus, gen zur Abwehr von Hochwassergefahren für den z.B. die Richtlinien für den ländlichen Wegebau Ortsbereich und zur Wiederherstellung innerörtli- des Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft und cher Gewässer unter Berücksichtigung der gesam- Kulturbau e.V. (DVWK-Regeln 137/1999) in ihrer ten wasserwirtschaftlichen Planung; jeweils gültigen Fassung zu beachten. 1.1.4 Maßnahmen zur Wiederherstellung von Bau- 5. Sonstige Zuwendungsbestimmungen und Erschließungseinrichtungen und -infrastruktu- 5.1 Wegebefestigungen mit Schwarz- und Betondecken ren, einschließlich zerstörter Plätze und Freiräu- sind grundsätzlich nicht förderungsfähig. me; 1.1.5 Maßnahmen zur Wiederherstellung land- und forstwirtschaftlicher oder ehemals land- und forst- wirtschaftlich genutzter Bausubstanz einschließlich der dazugehörigen Hof-, Garten- und Grünflächen;

98 WWF Deutschland d) Nachhaltigkeitsprüfung Projekten zählen zwei aktuelle Vorhaben an der Elbe, das Projekt „Lenzener Elbtalaue“ in Brandenburg und Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nachhal- das Projekt „Mittlere Elbe“ in Sachsen-Anhalt. Hier tigkeitskriterien ist festzustellen, dass GAK be- sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um die züglich Mittelvergabe und Fördervoraussetzungen derzeitigen Elbdeiche zurückzuverlegen, sodass neue grundsätzlich sämtlichen vier Nachhaltigkeitskri- Vorländer und Auwälder entstehen können. terien entspricht. Besonders hervorhebenswert ist, Insgesamt hat der Bund für diese zehn Projekte Mit- dass sogar Rückbau (1.) ermöglicht und die Verbin- tel in Höhe von 89,42 Mio € (bei Gesamtkosten von dung von Hochwasserschutz mit einer ökologischen 119,86 Mio €) bereitgestellt. Aufwertung der Gewässer im Sinne der WRRL (4.) deutlich gefordert wird. Ausdrücklich steht die Nachhaltigkeitsprüfung Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) gegenüber Das Programm dient damit der Verbindung von dem technischen Hochwasserschutz im Vorrang, die Hochwasserschutz mit einer ökologischen Aufwer- Verbesserung des Wasserrückhalts in der Fläche (2.) tung der Gewässer im Sinne der WRRL (4.). wird ausdrücklich genannt.

Wenn dennoch - wie weiter oben ausgeführt - in der 4.3.1.9 EU-Strukturfonds EFRE Praxis nicht Projekte im Sinne der Nachhaltigkeits- a) Allgemeine Vorgaben der EU zur Mittelvergabe kriterien im Vordergrund stehen, sondern solche des Für die Mittelvergabe von Geldern aus EU-Fonds gel- technischen Hochwasserschutzes und speziell bei ten allgemein die Strategischen Kohäsionsleitlinien der GAK solche im Bereich der ländlichen Infrastruktur Gemeinschaft86. Zweck dieser Leitlinien die Herstel- (vor allem Straßen), so muss dies wohl vor allem lung weitgehender Kohärenz der Mittelvergabe mit den mit den politischen Wünschen vor Ort sowie den strategischen Zielen und Vorgaben der EU. bestehenden HWSK erklärt werden und damit, dass nicht nachhaltige Maßnahmen eben letztlich auch Zu den Gründen für die Kohäsionsleitlinie heißt es u.a.: über GAK finanzierbar sind, die Nachhaltigkeitskri- „(14) Zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung terien also offenbar nicht zwingend sind. sollten die strategischen Leitlinien die Berücksichti- gung des erforderlichen Schutzes und der Verbesserung 4.3.1.8 Förderprogramm des Bundes „Errichtung der Umwelt bei der Vorbereitung nationaler Strategien und Sicherung schutzwürdiger Teile von widerspiegeln.“ Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung Weiter wird ausgeführt: Mit dem seit 1979 bestehenden Förderprogramm des „1.1.2 Stärkung der Synergien zwischen Umweltschutz Bundes „Errichtung und Sicherung schutzwürdiger und Wachstum Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich Umweltinvestitionen können in dreierlei Form zur repräsentativer Bedeutung85 soll die Erhaltung des Na- Wirtschaftsleistung beitragen: Sie können lang- turerbes und der biologischen Vielfalt in Deutschland fristige Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums unterstützt werden. Ziel ist es, großflächige, naturnahe gewährleisten, sie vermeiden extreme Umweltkosten Landschaften und die dort vorkommenden wildleben- für die Wirtschaft (z.B. Ausgaben für Gesundheits- den und aktuell gefährdeten Pflanzen- und Tierarten fürsorge, Sanierungskosten oder Schadensbe- dauerhaft zu sichern. Im Rahmen des Förderprogramms hebung), und sie stimulieren Innovation und die werden auch Vorhaben finanziell unterstützt, die der Schaffung von Arbeitsplätzen. (…) dauerhaften Sicherung und Wiederherstellung von Daher werden folgende Aktionsleitlinien empfohlen: Fließgewässern und ihren Überschwemmungsgebie- - Deckung des beträchtlichen Bedarfs an Infrastruk- ten dienen, z.B. an Elbe, Hamme, Isar, Oder, Regen, turinvestitionen, insbesondere in den Konvergenz- Rhein und Wümme. Zehn von bislang 62 geförderten regionen und in den neuen Mitgliedstaaten, um dem Projekten dienen diesem Ziel. Zu den bedeutendsten Umweltrecht in den Bereichen Wasser, Abfälle, Luft, Natur- und Artenschutz sowie biologische Vielfalt zu 85 Bericht der Bundesregierung über die nach der Flusskonfe- genügen renz vom 15. September 2002 eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Hg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- 86 Entscheidung des Rates vom 06.10.06 über strategische sen. 2005, S. 28. Kohäsionsleitlinien der Gemeinschaft (2006/702/EG).

WWF Deutschland 99 - (…) Der aktuelle Entwurf der Sächsischen Staatsregierung - Maßnahmen zur Risikoverhütung durch bessere für das Operationelle Programm, d.h. die Mittelfest- Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, (…).“ setzung des EFRE-Fonds für die Förderperiode 2007 bis 2013 (Fassung vom 20.10.2000) sieht vor, von den Nachhaltigkeitsprüfung knapp 4 Mrd. € Strukturfondsmitteln, 1,22 Mrd. für Grundsätzlich stehen die Vorgaben zur Mittelver- Infrastruktur, 1,23 Mrd. für Wissenschaft und Bildung gabe durch die EU mit den Nachhaltigkeitskrite- und 587 Mrd. zur direkten Wirtschaftsförderung zu ver- rien für einen vorsorgenden Hochwasserschutz in wenden. Innerhalb der Prioritätsachse Infrastruktur sind Einklang. Hervorzuheben sind die Forderungen knapp 405 Mio € für Hochwasserschutz vorgesehen. Ist nach künftiger Vermeidung von Sanierungskosten der technische Hochwasserschutz vor allem Gegenstand oder Schadensbehebung im Zusammenhang mit der des EFRE-OP, werden flächenbezogene Maßnahmen im Umwelt, also auch natürlichen Hochwasserereig- EPLR 2007-2013 Schwerpunkt 2 (ELER) gefördert. nissen (Verminderung des Schadenspotentials (1.) sowie wohl auch Verbesserung des Wasserrückhalts c) Geplante Mittelvergabe in Sachsen in der Fläche (2.)). Dabei sollen sämtliche Maßnah- Entwurf der Sächsischen Staatsregierung für das Opera- men einer Verbesserung der natürlichen Ressourcen tionelle Programm des Freistaates Sachsen für EFRE- dienen (Verbindung von Hochwasserschutz mit Fonds in der Förderperiode 2007 bis 2013 (Fassung einer ökologischen Aufwertung der Gewässer im vom 20.10.2000, Auszüge): Sinne der WRRL (4.) sowie letztlich auch Schaffung neuer Retentionsflächen (3.)). Insgesamt bleiben die Prioritätsachse 3: Ausbau und Verbesserung der Infra- Vorgaben jedoch naturgemäß recht unkonkret. struktur für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum 130. Der Hochwasserschutz setzt sich zusammen aus b) Anliegen des EFRE-Fonds und Mittelvergabe präventiven Maßnahmen und Umbaumaßnahmen der Künftig werden für Maßnahmen des Hochwasserschut- Verkehrsinfrastruktur. Der präventive Hochwasser- zes verstärkt Mittel des Europäischen Strukturfonds schutz basiert auf der Grundlage bestätigter Hoch- EFRE verwendet werden. Der Fonds dient der regio- wasserschutzkonzepte, die selbst Gegenstand der nalen Entwicklung Die konkrete Mittelvergabe erfolgt Förderung sein können, und schließt Baumaßnahmen weitgehend nach den Vorstellungen in den Regionen (stationäre Anlagen des technischen Hochwasserschut- vor Ort. In Deutschland sind dies die Bundesländer. zes), Projekte der natürlichen Wasserrückhaltung sowie Investitionen in Ausrüstungsgegenstände für Wasser- Die Mittelvergabe von Geldern aus EFRE richtet sich wehren ein. Anpassungen der Verkehrsinfrastruktur an nach einer von der EU dazu erlassenen Verordnung, die Risiken durch Hochwasserereignisse beziehen sich wobei insbesondere auch Projekte im Zusammenhang auf den Neubau, Ersatz bzw. Erneuerung von Gewässer mit der Verbesserung der Umwelt finanziert werden kreuzenden Brücken, Stützwänden und Durchlässen an können/sollen87. Staatsstraßen. 131. Der Hochwasserschutz zielt darauf ab, die von Im Hochwasserschutz-Investitionsprogramm des Hochwasser bedrohten Gebiete durch Verminderung Freistaates Sachsen zur Umsetzung der Hochwasser- des Schadensrisikos in Katastrophenfällen als Wirt- schutzkonzepte 2005 und 2006 ist (bei gleich belieben- schaftsstandorte attraktiv zu halten und sowohl für der Mittelausstattung) mit Mitteln aus GAK und EFRE Unternehmen als auch für die Bevölkerung als Exis- (incl. Kofinazierung) bis 2020 das Erreichen eines Mit- tenzgrundlage zu bewahren. Als Standortfaktor ist der telvolumens von 1 Mrd € vorgesehen (2005 insgesamt Hochwasserschutz eine wesentliche Grundvorausset- 41 Mio €; 2006 insgesamt 59,666.7 Mio €)88. zung für regionale Entwicklung. Seine Gewährleistung ist essentiell für die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Neue Arbeitsplätze werden nur temporär während der Inves- 87 Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 des Europäischen Par- titionsphase geschaffen. laments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäi- 132. Beim Hochwasserschutz übersteigt der Investiti- schen Fonds für regionale Entwicklung und zur Aufhebung onsbedarf laut der bestehenden Konzepte die verfüg- der Verordnung (EG) Nr. 1783/1999; Amtsblatt der EU v. baren Finanzmittel um ein Vielfaches. Anhand einer 31.07.06 DE, L 210/1. Prioritätenliste können die Projekte unter anderem 88 Finanzierung und Förderung ökologischer Hochwasser- nach ökologischen Kriterien und Lageentscheidungen schutzmaßnahmen. Hg. vom Sächs. Staatsministerium f. Umwelt u. Landwirtschaft (2006), S. 30. ausgewählt und umgesetzt werden.

100 WWF Deutschland Umwelt / Wasser Indikatoren und Zielwerte - Prioritätsachse 3 195. Laut EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist bis Indikator „Deiche“: Maßeinheit : „km“ zum Jahr 2015 der „gute ökologische Zustand“ für alle Indikator „Hochwasserschutzmauern“: Wasserkörper (Fließ- und Stillgewässer, Grundwasser) Maßeinheit: „km“ zu erreichen, […]. Die Bestandsaufnahme des SMUL aus 2005 zur WRRL kommt zu dem Ergebnis, dass Hochwasserschutz nur für 12,9 % der Fließgewässerkörper (gemessen 527. Der Hochwasserschutz hat vor dem Hintergrund an der Anzahl) eine Zielerreichung derzeit als „wahr- des Augusthochwassers 2002 und erneuter zwischen- scheinlich“ angesehen wird, hingegen für 57,7 % ohne zeitlicher Hochwasserereignisse als Kriterium für zusätzliche Maßnahem als „unwahrscheinlich“. Standortentscheidungen für Gewerbe- und Wohnan- 196. Einfluss auf den ökologischen Zustand der siedlungen an Bedeutung gewonnen. Oberflächengewässer haben auch strukturelle Ver- 528. Die innerhalb des Vorhabens zu fördernden änderungen durch Querbauwerke, Uferverbaue, Projekte können zum einen aus wasserwirtschaftlichen Hochwasserschutzanlagen, Beseitigung der Ufer- und Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes (vor Wasservegetation, Sohlvertiefungen u.a. Besonders allem Bau stationärer Anlagen des technischen Hoch- problematisch ist der Zustand der natürlichen Auen. Sie wasserschutze), zum anderen aus dem hochwasser- sind in vielen Abschnitten stark beeinträchtigt. 60 % schutzgerechtem Umbau von Ingenieurbauwerken der der Fließgewässerabschnitte sind in ihrer Auendynamik Verkehrsinfrastruktur bestehen. „deutlich“ bis „vollständig verändert“. Die Verbesse- 530. Gefördert werden sollen besonders die Erstellung rung der Fließgewässer- und Auenstruktur ist auch aus von Hochwasserschutzkonzepten und der Bau von Sicht des Hochwasserschutzes von Belang, da die Ge- stationären Anlagen des technischen Hochwasserschut- wässer aufgrund ihrer z.T. naturfernen Struktur sowie zes, ferner Projekte zur Verbesserung des natürlichen mangels Retentionsflächen Wassermengenereignisse Wasserrückhaltevermögens und Investitionen in Aus- nicht mehr fassen können. rüstungsgegenstände für Wasserwehren. Die Anpas- sung von Bauwerken der Verkehrsinfrastruktur umfasst Hochwasserschutz den hochwasserschutzgerechten Neubau, Ersatz bzw. 283. Zur Erfüllung eines umweltgerechten nachhalti- die Erneuerung von Ingenieurbauwerken, wie Brücken, gen Hochwasserschutzes sind neben einer sinnvollen Stützwände und Durchlässe an Straßen in Baulast des Verknüpfung von Maßnahmen für den nachhaltigen Freistaates Sachsen und der Kommunen. Hochwasserrückhalt in der Fläche des Einzugsge- bietes sowie in den Gewässern und Auen zum Schutz Nachhaltigkeitsprüfung von Ortslagen an vielen Stellen auch technische bzw. Die Pläne für eine künftige Mittelvergabe aus bauliche Hochwasserschutzmaßnahmen (Deiche, dem Strukturfonds EFRE in Sachsen stehen mit Rückhaltebecken, Talsperren, etc.) unverzichtbar. Die den Nachhaltigkeitskriterien für einen vorsorgen- vollständige Freigabe der ursprünglichen natürlichen den Hochwasserschutz nur teilweise in Einklang. Überflutungsflächen und der Rückzug aus allen hoch- Zunächst ist hervorzuheben, dass nicht die Vermin- wassergefährdeten Bereichen in der durch Menschen derung des Schadenspotentials (1.) im Vordergrund gestalteten Kulturlandschaft ist nicht realisierbar. steht, sondern dessen Schutz. Allerdings ist etwa die Verlegung von Infrastruktur vorgesehen, die in die- Infrastrukturelle Standortqualität des Freistaates Sach- sem Zusammenhang grundsätzlich zu begrüßen ist. sen erhöhen Ausdrücklich wird der Schwerpunkt auf Maßnah- 322. In den letzten Jahren litten zahlreiche sächsische men des technischen Hochwasserschutzes gelegt, Regionen verstärkt unter den Folgen von Hochwasse- wohinter eine Verbesserung des Wasserrückhalts rereignissen. Ein effizienter präventiver Hochwasser- in der Fläche (2.) und die Schaffung neuer Retenti- schutz ist notwendig, um künftig die wirtschaftlichen onsflächen (3.) eindeutig als sekundär zurücktreten. Folgen derartiger Ereignisse zu vermindern. Die Die Verbindung von Hochwasserschutz mit einer konzeptionellen Vorbereitungen der Hochwasserschutz- ökologischen Aufwertung der Gewässer im Sinne maßnahmen im Rahmen von Hochwasserschutzkonzep- der WRRL (4.) wird erwähnt, bildet aber keinen ten sowie ihre bauliche Realisierung sollen gefördert Schwerpunkt der geplanten Maßnahmen. werden, um den in betroffenen Gebieten angesiedelten Unternehmen und der Bevölkerung Schutz vor den Risiken solcher Naturereignisse zu bieten.

WWF Deutschland 101 4.3.1.10 EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG Nachhaltigkeitsprüfung Allgemeines Ziel der INTERREG-Initiativen war und INTERREG dient nur als Nebenzweck auch dem ist es, dafür zu sorgen, dass nationale Grenzen kein vorbeugenden Hochwasserschutz. Mit seiner Be- Hindernis für eine ausgewogene Entwicklung und Inte- tonung von Innovation und Umweltfreundlichkeit gration des europäischen Raums sind. INTERREG III steht er grundsätzlich im Einklang mit den Nachhal- wird über drei Ausrichtungen umgesetzt. tigkeitskriterien für einen vorsorgenden Hochwas- Ausrichtung A betrifft die grenzüberschreitende Zusam- serschutz. Allerdings sind dessen Anforderungen menarbeit. Es werden u.a. Maßnahmen gefördert, die nicht unmittelbar verbindlich im Sinne einer För- zu Verbesserungen im Bereich Verkehr (insbes. um- dervoraussetzung. Daher können mit INTERREG weltfreundliche Verkehrsarten) und in den Bereichen geförderte Projekte in Praxis genausogut auch im Wasser- und Energieversorgung führen. Gegensatz zu den Nachhaltigkeitskriterien stehen. Ausrichtung B ist der transnationalen Kooperation ge- widmet. Eines der Fördergebiete ist u.a. die Förderung der Umwelt und einer nachhaltigen Bewirtschaftung 4.3.1.11 EU-Finanzierungsinstrument ELER / der natürlichen Ressourcen, insbesondere des Wassers. EAGFL Wird die Bewirtschaftung insbesondere des Wassers a) Anliegen von ELER und Mittelvergabe durch Überschwemmungen beeinträchtigt, können In- Der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Ent- frastrukturinvestitionen (wegen der begrenzten finanzi- wicklung des ländlichen Raums (ELER) ist das neue, ellen Mittel) in Ausnahmefällen gefördert werden. zentrale Finanzierungsinstrument der EU in den Berei- Ausrichtung C zielt auf die Stärkung der interregiona- chen Landwirtschaft und ländlicher Raum. Er vereint len Zusammenarbeit. die bisher getrennt verwalteten Fonds EAGFL-A, EAGFL-G und LEADER+. Der ELER soll zur Förde- Im Rahmen von INTERREG B werden durch den Bund rung nachhaltiger Entwicklung des ländlichen Raums Projekte gefördert, die der weiteren Verbesserung des in der gesamten Gemeinschaft in Ergänzung zu den vorbeugenden Hochwasserschutzes dienen. Hierzu Markt- und Einkommensstützungsmaßnahmen der ge- gehören die Projekte „ODERREGIO“ und „ELLA“, die meinsamen Agrarpolitik, der Kohäsionspolitik und der der Entwicklung und Vereinbarung einer gemeinsamen gemeinsamen Fischereipolitik beitragen. Die Förderung Strategie der Raumordnung zum vorsorgenden Hoch- trägt zur Verwirklichung folgender Ziele bei: wasserschutz im Oder-/Elbeeinzugsgebiet dienen; der - Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirt- Erhebung von Daten zum Hochwasserschutz und zur schaft und der Forstwirtschaft durch Förderung der Verbesserung der Raumplanungsinstrumente sowie der Umstrukturierung, der Entwicklung und der Innova- Realisierung von Pilotprojekten, bspw. der innovativen tion; Integration von Hochwasserschutzbelangen in ausge- - Verbesserung der Umwelt und der Landschaft durch wählten Regional- und Entwicklungsplänen (Risiko, Förderung der Landbewirtschaftung; Landnutzung, Siedlungsentwicklung etc.). - Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum und Förderung der Diversifizierung der Wirtschaft. Für die Zeitspanne 2000 bis 2006 beträgt sie Beteili- Ein viertes, übergreifendes Ziel ist die weitere Unter- gung des EFRE-Fonds an der neuen Initiative INTER- stützung des LEADER-Konzeptes. Die Ziele werden in REG III. 4,875 Mrd. € Förderschwerpunkten konkretisiert.

Ein Projekt mit Förderung durch INTERREG III A ist Der EAGFL (Europäischer Ausrichtungs- und Garan- bspw. das Hochwasserrückhaltebecken Rennersdorf in tiefonds für Landwirtschaft) ist ein Fonds zur Finanzie- der Oberlausitz im Freistaat Sachsen89. rung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU. Er ist neben dem EFRE, dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF) einer der sog. „Strukturfonds“. Der Umfang des EAGFL machte in den letzten Jahren rund die Hälfte des Haushaltes der Europäischen Union

89 Finanzierung und Förderung ökologischer Hochwasser- schutzmaßnahmen. Hg. vom Sächs. Staatsministerium f. Umwelt u. Landwirtschaft (2006), S. 32.

102 WWF Deutschland aus. So machte der EAGFL im Haushaltsjahr 2004 rund Wie beim EFRE läuft derzeit die Programmplanung 43,6 Milliarden Euro der 91,8 Milliarden umfassenden für künftige Förderperiode, hier für die Jahre 2007 bis Ausgaben der EU aus. Er besteht aus zwei Abteilungen, 201392. der Abteilung Garantie und der Abteilung Ausrichtung, wobei ersterer - mit beispielsweise 38,2 Milliarden b) ELER in Sachsen Euro im Haushaltsjahr 2004 - den Großteil der Finanz- Ist der technische Hochwasserschutz vor allem Gegen- mittel des EAGFL bindet stand des sächsischen EFRE-OP, werden flächenbezo- Die Abteilung Ausrichtung ist für sonstige Ausgaben im gene Maßnahmen über ELER im „Entwicklungspro- Bereich der ländlichen Entwicklung in weniger gut ent- gramm für den ländlichen Raum im Freistaat Sachsen wickelten Regionen zuständig. Der EAGFL, Abteilung 2007-2013 (EPLR 2007-2013) im Schwerpunkt 2 „Ver- Ausrichtung, speist z.B. die Förderung nach LEADER. besserung der Umwelt und Landschaft“ gefördert93.

Im Rahmen der Fördermaßnahmen zur Entwicklung Das Potential, Veränderungen der Bodennutzung im des ländlichen Raums können auch für Maßnahmen des ländlichen Raum mit einem verbesserten Hochwasser- Binnenhochwasserschutzes EAGFL-Mittel eingesetzt schutz zu verbessern ist groß, dazu die Ausgangsanaly- werden90. Die EU-Beteiligung kann bis zu 50 % (in den se des Entwurfs94: neuen Ländern bis zu 75 %) der öffentlichen Ausgaben „Dem Hochwasserschutz gilt in Sachsen hohe Auf- betragen. Voraussetzung ist, dass die beabsichtigten merksamkeit. Bei der Untersuchung der Gewässer 1. Hochwasserschutzmaßnahmen der EU-Kommission im Ordnung wurden ca. 1.450 km² überschwemmungsge- Rahmen der ländlichen Entwicklungspläne gemeldet fährdete Flächen festgestellt. Etwa 2/3 dieser Flächen und notifiziert wurden. Für die erforderliche nationa- werden landwirtschaftlich genutzt, 23,8 % als Grün- le Mitfinanzierung können auch GAK-Mittel genutzt land und 38,5 % als Ackerland. Der größte Teil der werden. überflutungsgefährdeten landwirtschaftlichen Flächen Von dieser Fördermöglichkeit haben die Länder in liegt in den Gebieten der mittleren Elbe, der Freiberger unterschiedlichem Maß Gebrauch gemacht. Die Bun- Mulde und der Zwickauer Mulde. desregierung setzt sich dafür ein, dass diese Förder- Zirka 5 % der Landesfläche wurden in Sachsen bisher möglichkeit bei der Neuausrichtung der Förderung im als Hochwasserentstehungsgebiete identifiziert. Die Rahmen der geplanten Verordnung für die Entwicklung Flächen liegen vorwiegend in den oberen Gebirgslagen des ländlichen Raums (ELER-Verordnung) für die der Einzugsgebiete obere Elbe, Freiberger Mulde und nächste Förderperiode 2007 bis 2013 unvermindert Zwickauer Mulde. Durch konservierende Bodenbe- erhalten bleibt. arbeitung, Umwandlung von Acker in Grünland oder Flurneugestaltung könnte hier der Hochwasserschutz Die Mittelvergabe von Geldern aus ELER richtet sich verbessert werden. nach einer von der EU dazu erlassenen Verordnung, Zu beachten ist weiterhin, dass zur Erfüllung eines um- wobei insbesondere auch Projekte im Zusammenhang weltgerechten nachhaltigen Hochwasserschutzes neben mit der Verbesserung der Umwelt finanziert werden einer sinnvollen Verknüpfung von Maßnahmen für den können/sollen91.

90 Bericht der Bundesregierung über die nach der Flusskonfe- 92 Links zu den Programmplanungsentwürfen der Länder renz vom 15. September 2002 eingeleiteten Maßnahmen zur insgesamt finden sich unter: www.eu-natur.de. - speziell zu Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Hg. Sachsen: http://www.smul.sachsen.de/de/wu/aktuell/foerde- v. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- rung/inhalt_re_1708.html. sen. 2005, S. 23. 93 Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum im Frei- 91 Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. Sep- staat Sachsen 2007-2013. Entwurf (Stand 10.11.2006). tember 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländli- chen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds 94 Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum im Frei- für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER); Amtsblatt staat Sachsen 2007-2013. Entwurf (Stand 10.11.2006), S. der EU v. 21.10.05 DE, L 277/1. 55f.

WWF Deutschland 103 natürlichen Hochwasserrückhalt in der Fläche des Ein- - Forstwirtschaft zugsgebietes, sowie in den Gewässern und Auen zum - Aufforstung auch in Hochwasserentstehungsgebie- Schutz der Ortslagen an vielen Stellen auch technische ten, bzw. bauliche Hochwasserschutzmaßnahmen (Deiche, - Waldumbau, Rückhaltebecken, Talsperren, etc.) erforderlich sind, - Förderung der naturnahen Waldbewirtschaftung und da die alleinige Freigabe der ursprünglichen Über- Waldmehrung flutungsflächen und der Rückzug aus allen hochwas- - Landwirtschaft sergefährdeten Bereichen in der durch den Menschen Angepasste Bodenbearbeitung in der Landwirtschaft. gestalteten Kulturlandschaft an Grenzen stößt.“ Konservierende Bodenbearbeitung97 (Mulchsaat) und etwa Zwischenfrüchte sollen dabei dem Hoch- Im Entwurf des EPLR 2007-2013 im Schwerpunkt 2 wasser- und Erosionsschutz sowie den Zielen der „Verbesserung der Umwelt und Landschaft“ heißt es WRRL in Hochwasserentstehungs- und Abflussge- dann95: bieten dienen „Im Rahmen der sächsischen Entwicklungsstrategie werden (…) folgende Ziele festgelegt: Nachhaltigkeitsprüfung - Nachhaltige Sicherung/Verbesserung des Zustandes Grundsätzlich bietet ELER die Möglichkeit, Projek- bzw. der Vielfalt an natürlichen bzw. schutzwürdigen te zu finanzieren, die den oben genannten Nachhal- Lebensräumen und heimischen Tier- und Pflanzen- tigkeitskriterien für einen vorsorgenden Hochwas- arten, serschutz entsprechen. Dies betrifft insbesondere - (…) den Aspekt der Verbesserung des Wasserrückhalts - Aufrechterhaltung einer nachhaltigen Landbewirt- in der Fläche (2.) sowie einer ökologischen Auf- schaftung, wertung der Gewässer im Sinne der WRRL (4.). - Erhöhung der Stabilität und der Naturnähe der Grundsätzlich könnte ELER auch für Umwandlung Wälder. von Ackerflächen in Grünland im Zusammenhang (…) mit der Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) In der sozioökonomischen und der SWOT-Analyse eingesetzt werden und letztlich auch zu Standort- wurde festgestellt, dass sich der Zustand der Umwelt /Betriebsverlagerungen im Sinn einer Verminderung in den vergangenen 15 Jahren deutlich verbessert hat. des Schadenspotentials (1.). Doch scheinen die bei- Die bisher ergriffenen Maßnahmen reichen jedoch den letzten Punkte derzeit nicht konkret geplant zu noch nicht aus oder müssen fortgeführt werden, was in werden. Im Ergebnis gilt auch hier. Ein nachhaltiger der SWOT-Analyse beispielsweise anhand der hohen vorbeugender Hochwasserschutz könnte durchaus Erosionsgefährdung der Böden, negativer Tendenzen mit Hilfe des Programms verwirklicht werden, wenn bei der Artenvielfalt oder der teilweise unwahrscheinli- dazu der politische Wille in den Ländern vorhan- chen Erreichung eines guten Zustands von Grund- und den wäre. Verbindliche Vorgaben in dieser Hinsicht Oberflächenwasserkörpern gezeigt wird. (…) Durch seitens der EU gibt es nicht. die Maßnahmen des sächsischen EPLR 2007-2013 sollen dabei besonders die stoffliche Belastung und die Bodenerosion gemindert sowie die biologische Vielfalt 4.3.1.12 EU-Strukturfonds FIAF erhöht werden. Daneben unterstützen die Agrarumwelt- Neben EFRE besteht mit dem Finanzinstrument für die maßnahmen durch die Bewirtschaftung und den Erhalt Ausrichtung der Fischerei (FIAF) ein weiterer Struk- der Kulturlandschaft die Förderung des Tourismus (…), turfonds, der auch für Projekte eingesetzt werden kann, sichern Arbeitsplätze im ländlichen Raum, dienen dem die im Zusammenhang mit dem vorbeugenden Hoch- Erhalt des natürlichen Erbes und fördern den Wasser- wasserschutz stehen. rückhalt in der Fläche (Hochwasserschutz).“

Im Freistaat Sachsen sollen Maßnahmen im Rahmen von ELER durch EAGFL im Bezug auf Hochwasser- schutzmaßnahmen eingesetzt werden für96: 96 Finanzierung und Förderung ökologischer Hochwasser- schutzmaßnahmen. Hg. vom Sächs. Staatsministerium f. Umwelt u. Landwirtschaft (2006), S. 40.

95 Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum im Frei- 97 Vgl. dazu: Entwicklungsprogramm für den ländlichen staat Sachsen 2007-2013. Entwurf (Stand 10.11.2006), S. Raum im Freistaat Sachsen 2007-2013. Entwurf (Stand 114. 10.11.2006), S. 210 .

104 WWF Deutschland Im Operationellen Programm FIAF der Bundesrepublik Nachhaltigkeitsprüfung Deutschland findet sich die Maßnahme 3.1. „Schutz und Grundsätzlich bietet LIFE die Möglichkeit, Projekte Entwicklung aquatischer Ressourcen“. zu finanzieren, die einer ökologischen Aufwertung der Gewässer im Sinne der WRRL (4.) dienen. Auch In Sachsen setzt die Landestalsperrenverwaltung (LTV) hier gilt, die Fonds-Mittel können zur Unterstützung Mittel des FIAF für Maßnahmen an Gewässern 1. Ord- von nachhaltigen Maßnahmen im Zusammenhang 98 nung mit folgenden Zielen ein : mit dem vorbeugenden Hochwasserschutz könnte - Herstellung einer der Fischfauna angepassten Struk- eingesetzt werden, wenn dazu der politische Wille in tur der Fließstrecken, den Ländern vorhanden ist. Verbindliche Vorgaben - Verbesserung der Gewässerdurchgängigkeit, in dieser Hinsicht seitens der EU gibt es nicht. - Wiederherstellung von Wanderrouten und Laichge- bieten (insb. Lachs), 4.3.1.14 Sonderkredite öffentlicher Banken (KfW, - Schaffung von Fischkinderstuben DtA, SAB, Lfi) durch Unmittelbar nach dem Hochwasserereignis im August - Rückbau von Wehren, 2002 wurden seitens öffentlicher Kreditinstitute Son- - Renaturierung ausgebauter Gewässerstrecken unter derkredite für Hochwasser-Opfer eingerichtet100. Wahrung der hydraulischen Leistungsfähigkeit der Gewässer Seitens der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) wurden Zuschüsse bis zu einer Million Euro aus Hoch- Nachhaltigkeitsprüfung wasser-Hilfsfonds ausgereicht. Mit einer Soforthilfe Grundsätzlich bietet FIAF die Möglichkeit, Projekte in Höhe von 15.000 Euro hat die Bundesregierung den zu finanzieren, die einer ökologischen Aufwertung Opfern der Hochwasserkatastrophe kurzfristig notwen- der Gewässer im Sinne der WRRL (4.) dienen. Auch dige Liquidität zur Verfügung gestellt. Für die eigent- hier gilt, die Fonds-Mittel können zur Unterstützung liche Hilfe zur Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit von nachhaltigen Maßnahmen im Zusammenhang wurde ein Hilfsfonds mit über 600 Mio € eingerichtet. mit dem vorbeugenden Hochwasserschutz könnte Diese Mittel wurden nach Angaben der KfW schnell eingesetzt werden, wenn dazu der politische Wille in und unbürokratisch an die betroffenen Unternehmer den Ländern vorhanden ist. Verbindliche Vorgaben und Freiberufler als Zuschüsse über die Deutsche in dieser Hinsicht seitens der EU gibt es nicht. Ausgleichsbank (DtA) in Zusammenarbeit mit den je- weiligen Landesförderinstituten bzw. den Hausbanken 4.3.1.13 EU-Finanzierungsinstrument LIFE vergeben. Im Rahmen des seit dem Jahr 1992 bestehenden Fi- nanzierungsinstruments für die Umwelt (LIFE) leistet Im Rahmen des Hilfspakets für die gewerbliche Wirt- auch die Europäische Kommission einen Beitrag zum schaft stellte die Gründer- und Mittelstandsbank des Schutz von Auen, indem sie Finanzmittel für praktische Bundes (Zusammenschluss von KfW und DtA) den Naturschutzmaßnahmen bereitstellt, die u.a. auch der Flutopfern zusätzlich zinsgünstige Kredite aus dem Ei- Verbesserung der ökologischen Situation von Auen genkapitalhilfe-Programm (EKH) des Bundes (eigent- dienen, sofern diese als besondere Schutzgebiete nach lich für Existenzgründer gedacht) zu Sonderkonditio- Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie vorgeschlagen sind. nen zur Verfügung. Das Eigenkapitalprogramm wurde Von ca. 60 Projekten, die bislang im Rahmen dieses dazu für hochwassergeschädigte kleine und mittlere Förderprogramms in Deutschland gefördert wurden, Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sowie für sind zehn Projekte auf den Schutz von Flüssen mit ih- Selbständige und Freiberufler geöffnet, die schon län- ren Auen ausgerichtet. Dazu gehören Vorhaben an Ems, gere Zeit bestehen. Die Hilfe konnte unter Anrechnung Elbe, Inn, Mein und Rhein. Für diese Vorhaben mit Ge- samtkosten in Höhe von 28,4 Mio € wurden insgesamt 99 Bericht der Bundesregierung über die nach der Flusskonfe- 14,7 Mio € (= 51,79 %) bereitgestellt99. renz vom 15. September 2002 eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Hg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- sen. 2005, S. 28. 100 http://www.kfw.de/DE_Home/Presse/Pressearchiv/ 98 Finanzierung und Förderung ökologischer Hochwasser- bis11.2005/Pressemitteilung23340.jsp. - Hilfen nach der Flut. schutzmaßnahmen. Hg. vom Sächs. Staatsministerium f. Programme für den Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Umwelt u. Landwirtschaft (2006), S. 34. Staatskanzlei (2002).

WWF Deutschland 105 von Eigenmitteln aufgrund der staatlichen Haftung Sonderkonditionen geschaffen für verbilligte Kredite an bis zu 40 % der förderfähigen Kosten betragen, wobei betroffenen Unternehmen. der Höchstbetrag bei 500.000 € lag. So konnten Flut- schäden ohne umfangreiche Kreditwürdigkeitsprüfung Nachhaltigkeitsprüfung durch die Hausbank finanziert werden. Das als Eigen- Eine Verbindung mit diesen Sonderkrediten/Eigen- kapital fungierende Darlehen hat eine Laufzeit von kapitalhilfen mit den oben genannten Nachhaltig- 20 Jahren, wobei in den ersten Jahren keine Tilgung keitskriterien für einen vorsorgenden Hochwasser- verlangt wird. Zudem sind in den ersten beiden Jahren schutz fand nicht statt. Insbesondere erfolgte keine keine Zinsen zu zahlen. Gefördert wurden die Reno- Prüfung, ob die betroffenen Unternehmen nicht vierung und Entsorgung für Grundstücke und Gebäude besser verlagert werden sollten (Verminderung des sowie die Reparatur oder Ersatzbeschaffung beschädig- Schadenspotentials (1.)). Allerdings war regelmäßig ter Anlagen, Fahrzeuge, Waren und Ausstattungen. mit der Geldausreichung ein Nachweis der wirt- schaftlichen Überlebensfähigkeit verbunden, womit Die DtA-Hilfen konnten mit Zuschüssen aus der zumindest theoretisch Betriebe von der Förderung Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen ausgeschlossen wurden, deren Wiedererrichtung nur Wirtschaftsstruktur“ sowie mit zinsgünstigen Kredi- bei zwingenden Hochwasservorsorgemaßnahmen ten aus dem Hochwasserprogramm der Kreditanstalt denkbar wäre, die jedoch unverhältnismäßig teuer für Wiederaufbau (KfW) kombiniert werden. Anträge wären. Grundsätzlich wurde mit diesen Hilfen aber auf einen Zuschuss aus dem Hochwasser-Hilfsfonds das Schadenspotential wieder erhöht, also das Ge- konnten in Sachsen über die Hausbanken bei der Säch- genteil der Nachhaltigkeit in diesem Sinne erzeugt. sischen Aufbaubank (SAB) bzw. in Sachsen-Anhalt beim Landesförderinstitut (Lfi) gestellt werden. In allen anderen Bundesländern mussten sich die betroffenen 4.3.1.15 GA-Sonderprogramm Hochwasser Unternehmen direkt an ihre Hausbank wenden. Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regiona- len Wirtschaftsstruktur“ (GA) ist das wichtigste Instru- Sonderprogramm - Private Antragsteller ment der Bundesländer zur Förderung von Investiti- Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hat noch onen der Wirtschaft. Es wird je zur Hälfte von Bund 2002 für Eigentümer von hochwassergeschädigten und Land finanziert. Förderungen aus der GA sind in Wohngebäuden ein Kreditprogramm erstellt, des- der Regel nicht rückzahlbare Zuschüsse zu Investiti- sen Kredite in den Anlaufjahren (zw. einem und fünf onsvorhaben. Sie teilt sich in Förderung für gewerbli- Jahren) nicht getilgt werden müssen. Die Laufzeiten che Wirtschaft und Förderung für die wirtschaftsnahe betragen entweder fünf oder zehn Jahre. Der Zinssatz Infrastruktur. ist subventioniert und beträgt effektiv zwischen 2,5 und 3,1 % pro Jahr. Der Kreditbetrag wurde auf höchstens Im Rahmen von GA wurde das das GA-Sonderpro- 100.000 € begrenzt. gramm Hochwasser aufgelegt. Es basiert auf den Förderregeln des aktuellen Rahmenplans Förderfähig Sonderprogramm - Gewerbliche Antragsteller ist hier in der Regel produzierendes Gewerbe mit über- Für hochwassergeschädigte Unternehmen der gewerb- regionalem Absatz. Bei den GA-förderfähigen Unter- lichen Wirtschaft sowie Freiberufler und Selbständi- nehmen gilt das GA-Sonderprogramm Hochwasser nur ge (vor allem für Schäden an gewerblich genutzten für Schäden am Anlagevermögen und die Aufbauhilfe Immobilien) wurde von der KfW ein Kreditprogramm ergänzend für Schäden am Umlaufvermögen, z.B. an erstellt, dessen Kredite in den Anlaufjahren (zw. einem Warenbeständen. und zwei Jahren) zunächst nicht getilgt werden müssen. Die Laufzeit beträgt maximal zehn Jahre. Der Zinssatz 4.3.1.16 Versicherungen ist subventioniert und beträgt effektiv zwischen 3,3 und Die Versicherungswirtschaft entrichtete für Schäden aus 4,5 % pro Jahr. dem August-Hochwasser 2002 in Deutschland rund 1,6 Mrd. €, wobei nach Sachsen etwa 1,2 Mrd € flossen101. Auch die Landwirtschaftliche Rentenbank bot für hochwassergeschädigte land- und forstwirtschaftliche 101 Betriebe Darlehen zu besonders günstigen Konditio- Instrumente und Handlungsempfehlungen für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz. Hg. v. Sächsischen nen an. Daneben wurden im Rahmen des Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (2004), Umstrukturierungsprogramms (Richtlinie 65/99) S. 21.

106 WWF Deutschland Nachhaltigkeitsprüfung 4.3.2 Mittelverwendung und Vergaberichtlinien Eine Verbindung mit diesen Sonderkrediten/Eigen- zur Beseitigung von Hochwasserschäden kapitalhilfen mit den oben genannten Nachhaltig- (am Beispiel der Beseitigung der Schäden keitskriterien für einen vorsorgenden Hochwasser- des Augusthochwassers 2002 in Sachsen) schutz fand nicht statt. Ansonsten entsprechen die 4.3.2.1 Zuständigkeiten für die Vergabe Überlegungen zur Nachhaltigkeit hier denen zum Die Vergabe von öffentlichen Fördermitteln an den vorgenannten Abschnitt „Kredithilfen“. jeweiligen Antragsteller erfolgt im Regelfall anhand spezieller Vergaberichtlinien. Anträge werden anhand 4.3.1.17 Spenden dieser Richtlinien geprüft und eine Auszahlung kann In Folge des Augusthochwassers 2002 wurde das nur erfolgen, wenn die Vorgaben der Richtlinien einge- höchste Spendenaufkommen in der Nachkriegsge- halten werden. schichte Deutschlands erzielt. In Sachsen standen insgesamt ca. 300 Mio € an Spendenmitteln zur Verfü- Für die Vergabe von Fördermitteln im Zusammen- gung, davon 285 Mio € Spendengelder (nach Abzug der hang mit dem Hochwasserereignis 2002 zeichneten in Sachspenden und direkt an Private geleisteten Spen- Sachsen für den Bereich der staatliche Infrastruktur den)102. Zu deren Verteilung wurde der Lenkungskreis die Ministerien mit ihren nachgeordneten Behörden Spenden gebildet, der eine Abstimmung über gemeinsa- verantwortlich; für die kommunale Infrastruktur die in me Richtlinien zur Spendenvergabe herbeigeführt und den Regierungspräsidien eingerichteten behördenüber- Verfahrensweisen abgestimmt hat. Im Lenkungskreis greifenden Wiederaufbaustäbe Augusthochwasser 2002 wirkten Vertreter des Freistaates Sachsen, der Wohl- (WASA) und für die privaten Haushalte und Unterneh- fahrtsverbände, der beiden kommunalen Spitzenver- men die Sächsische Aufbaubank (SAB)103. bände und des Vereins „Sachsen helfen e.V.“ mit. Verwendet wurden die Spenden vor allem für geschä- Die Kommunen hatten dazu ihre gesamten Schäden digte Gebäude- und Wohnungseigentümer; in Notlagen und geplanten Wiederaufbaumaßnahmen in einem geratene Arbeitnehmer, Freiberufler, Mitunternehmer Maßnahmeplan zu bündeln. Die Gesamtentscheidung und Gesellschafter und die Unterstützung mildtätiger zum Maßnahmeplan erfolgte im WASA in Abstimmung Vereine. mit den Landratsämtern. Eingehend geprüft werden sollen dabei: Nachhaltigkeitsprüfung - Schadenskausalität und Eine Verbindung mit diesen Sonderkrediten/Eigen- - Schlüssigkeit der Wiederaufbaumaßnahme sowie kapitalhilfen mit den oben genannten Nachhaltig- - Plausibilität der Kostenberechnung und keitskriterien für einen vorsorgenden Hochwasser- - Prioritätensetzung. schutz fand nicht statt. Ansonsten entsprechen die Überlegungen zur Nachhaltigkeit hier denen zum 4.3.2.2 Infrastruktur in den Kommunen vorgenannten Abschnitt „Kredithilfen“. a) Die festgestellten Schäden (nach Förderanträgen)104 Die Schäden an der Infrastruktur in den Kommunen gehörten zu den großen Schadensbereichen. Sie um- fassten das gesamte Spektrum an Infrastruktureinrich- tungen kommunaler und nicht-kommunaler Träger - angefangen von der Wasserwirtschaft über Straßen und Brücken, Bildungs- und Sozialeinrichtungen bis hin zu öffentlichen Grünanlagen.

103 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wieder- aufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanz- lei (2003), Pkt. 2.4. 102 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wieder- 104 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wieder- aufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanz- aufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanz- lei (2003), Pkt. 2.8.1. lei (2003), Pkt. 3.5.

WWF Deutschland 107 Anträge und Bestätigungen nach Infrastrukturbereichen (kommunale Infrastruktur) Anträge Bestätigungen Anzahl Wiederherstel- Anzahl Projekte (Anteil an Wiederherstellungs- Projekte lungskosten in Gesamtprojekten in %) kosten in T€ (Anteil am T€ Gesamtmittelvolumen in %) Tiefbau Straßen und Brücken 3.660 495.118 3.422 (35 %) 463.992 (36 %) Gewässer- und 2.410 198.014 2.156 (23 %) 147.438 (11 %) Hochwasserschutz Wasser- und Abfallwirtschaft 1.068 155.813 1.021 (11 %) 123.613 (10 %) Tiefbau insgesamt - - 69 % 57 % Hochbau Städtebauliche- / dörfliche 944 86.443 855 73.584 Infrastruktur Wirtschaftsnahe Infrastruktur 569 67.750 541 60.520 Sport- und Freizeit 483 97.684 422 103.365 Soziale Einrichtungen 498 153.506 391 140.529 Schulhausbau 307 61.671 271 63.830 Kommunale Liegenschaften 334 50.188 254 37.096 ÖPNV 144 64.474 136 68.643 Kultureinrichtungen 101 15.594 56 4.219 Hochbau insgesamt - - 31 % 43 % Gesamt 10.518 1.446.253 9.525 1.286.829

Mehr als die Hälfte (69 %) der als förderfähig einge- tung der Träger, insbesondere der Kommunen erfolgen, stuften Projekte sind dem Tiefbau zuzuordnen, der im d.h. die Maßnahmen wurden zu 100 % finanziert. Bezug auf die Anzahl der Projekte die drei größten Die Förderung der kommunalen Infrastruktur mit 90 Schadensbereiche der kommunalen Infrastruktur um- % bzw. 100 % der förderfähigen, anerkannten Kosten fasst. Hier flossen über die Hälfte der Gesamtmittel (57 entsprach in der Praxis auch dem Regelsatz. Begründet %). Über ein Drittel (35 bzw. 36 %) der bestätigten Pro- wurde diese hohe und in vielen Fällen vollständige För- jekte und Mittel finden sich dabei im Bereich Straßen derung damit, dass die Kommunen für den weiterhin und Brücken. Der Bereich Gewässer- und Hochwasser- und parallel zu verfolgenden Aufbau Ost ausreichend schutz macht bei der kommunalen Infrastruktur nur ei- Mittel für Investitionen bzw. deren Kofinanzierung nen eher geringeren Anteil aus (11 bzw. 10 %), da sich behalten sollten. Weiter solle auch eine weitere Neuver- in kommunaler Zuständigkeit ausschließlich Gewässer schuldung vermieden werden 2. Ordnung befinden. Zunächst erfolgt eine Förderung in Höhe von 100 % b) Fördersätze105 der anerkannten Kosten nur bei Straßen- und Brü- In Sachsen gilt der Höchstfördersatz von 90 % für alle ckenbaumaßnahmen für Kommunen mit weniger als infrastrukturellen Maßnahmen. Da gleichzeitig Spen- 8.000 Einwohnern, wenn sie eine Geschäftsbesorgung den und Versicherungsleistungen Eigenmitteln gleich- durch die Straßenbauverwaltung vorgesehen haben. gestellt wurden, konnte der Wiederaufbau einer Zahl Eine entsprechende Regelung gilt für die Schadensbe- von Infrastrukturmaßnahmen ohne zusätzliche Belas- seitigung bei Hochwasserschutzanlagen bzw. bei der Wiederherstellung von Gewässern unter Zuhilfenahme der Landestalsperrenverwaltung. Auf die genannten 105 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wieder- Bereiche entfielen ca. 50 % der kommunalen Schäden aufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanz- lei (2003), Pkt. 2.3.5. - Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll in Sachsen. 3/71, S. 4846.

108 WWF Deutschland Ebenfalls zu 100 % gefördert wurden Tiefbaumaßnah- weiter oben ausgeführt wurde mehrere Förderprogram- men, aus denselben, eben genannten Gründen. Hierzu me anwendbar. Durch die Schaffung der verschiedene gehörten insbesondere die Schadensbeseitigungen in Förderprogramme betreffenden VwV Infra 2002 steht den Bereichen Straßen/Brücken, Gewässer/Hochwas- für ein sehr breites Förderspektrum mit normalerweise serschutz und Trinkwasser/Abwasser. unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, Bewilligungsverfahren und -stellen sowie einem großen Das Verfahren zur Vorbereitung und Umsetzung der Fördervolumen ein sehr überschaubares Instrumenta- Wiederaufbaumaßnahmen orientierte sich an den rium zur Verfügung. Die bestehenden Fachförderricht- Maßnahmeplänen der Kommunen. Diese umfassten linien werden lediglich ergänzend angewendet. Bei alle in der Kommune zum Wiederaufbau gehörenden unterschiedlichen Einzelregelungen ist die VwV Infra infrastrukturellen Schadensbeseitigungen als Einzel- 2002 maßgebend. maßnahmen. In der VwV Infra 2002 werden die einzelnen, förder- b) VwV Infra 2002 fähigen kommunalen Infrastrukturbereiche beschrie- Die Grundlagen für den Wiederaufbau der Infrastruktur ben. Ausdrücklich genannt werden die verkehrliche, im kommunalen Bereich wurden seitens des Bundes die wasser- und abfallwirtschaftliche, die soziale, die und der betroffenen Länder vor allem auf Basis der Ver- städtebauliche / dörfliche Infrastruktur sowie die Sport-, waltungsvereinbarung (VV Aufbauhilfe Infrastruktur in Freizeit- und Tourismusinfrastruktur. Als Zuwendungs- den Gemeinden 2002) gelegt. Für den ländlichen Raum empfänger gelten grundsätzlich die Träger (Kommu- wurde diese durch das Sonderprogramm „Hochwasser“ nen, Zweckverbände, nicht-kommunale Träger). der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstrukturen und Küs- tenschutz ergänzt. Umfang, Verfahren und Kriterien für Die VwV Infra 2002 wird in verwaltungsinternen die Wiederherstellung der kommunalen und ländlichen Anwendungshinweisen weiter konkretisiert. Dies gilt Infrastruktur speziell im Freistaat Sachsen regelt die insbesondere für Aspekte der Schadensdefinition, das „Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatskanzlei Zusammenwirken mit Fachförderrichtlinien, den För- zur Förderung der Wiederherstellung der vom Augus- dergegenstand oder die Standardverbesserung aufgrund thochwasser 2002 geschädigten Infrastruktur („VwV eines höheren Niveaus von bspw. technischen Normen Infra 2002“) sowie die aus dem genannten GA-Sonder- oder wegen verbesserter Verkehrs- oder Hochwassersi- programm abgeleitete Richtlinie des SMUL für die För- cherheit. Außerdem enthalten die Hinweise Regeln zum derung der vom Hochwasser geschädigten Infrastruktur Verfahren bspw. bei der Behandlung der kommunalen in den ländlichen Gemeinden. Maßnahmepläne.

Die Richtlinie „VwV Infra 2002“ regelt darüber hinaus Als zentrale Kriterien für die Förderfähigkeit nach der auch den Schadensausgleich, der in den folgenden, „VwV Infra 2002“ sind die Einhaltung der Gebietsku- weiteren Verwaltungsvereinbarungen mit dem Bund lisse, der Nachweis des Hochwasserschadens (Kausa- festgehalten worden ist: lität), der mittel- bis langfristige Bedarf der Infrastruk- - zum Sonderprogramm Hochwasser der „Gemein- turen (Schlüssigkeit der Wiederherstellung) und die schaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirt- Vermeidung von erneuten Investitionen in funktions- schaftsstruktur“ (GA-Mittel für wirtschaftliche und wertlose Objekte. Infrastruktur) - zur Beseitigung von Hochwasserschäden an gemein- Die Dringlichkeit der Vorhaben wurde in folgender Rei- sam von Bund und Land oder vom Bund finanzier- henfolge gestuft: ten Einrichtungen aller Ressorts 1. Verkehrliche Infrastruktur - zum Arbeitsmarktprogramm Hochwasserhilfe zur 2. Wasser- und abfallwirtschaftliche Infrastruktur Beseitigung von Hochwasserschäden 3. Soziale Infrastruktur - zur Aufbauhilfe Infrastruktur des straßengebunde- 4. Städtebauliche und dörfliche nen ÖPNV in Sachsen einschließlich Straßenbahn 5. Sport-, Freizeit- und Tourismusinfrastruktur 2002

Für die Investitionen der Kommunen als auch der freien Träger von Infrastruktureinrichtungen waren/sind wie

WWF Deutschland 109 Zuwendungskriterien VwV Infra 2002 (Auszüge): (…) „1. Zuwendungszweck 4. Zuwendungsvoraussetzungen Zuwendungszweck ist eine Unterstützung zur Fördervoraussetzung ist ein durch das Augusthoch- Wiederherstellung der vom Augusthochwasser wasser 2002, insbesondere durch Überflutung unmit- 2002 insbesondere durch Überflutung geschädigten telbar entstandener Schaden. Infrastruktur. Es werden Investitionen für bauliche Die Förderung der Wiederherstellung von Infra- Maßnahmen und Anlagen einschließlich notwendiger strukturmaßnahmen nach Nr. 2 setzt außerdem Ausstattungen sowie erforderliche Beräumungsmaß- voraus, dass: nahmen gefördert. - die Ausgaben nicht anderweitig gedeckt werden kön- 2. Zuwendungsgegenstand nen (Versicherungsleistungen u.ä.), (…) insbesondere für die: - die Zuwendungsempfänger die fachspezifischen Vor- - Verkehrliche Infrastruktur gaben beachten, Zur verkehrlichen Infrastruktur gehören insbesondere - eine Kostenberechnung nach HOAI (Phase 1 u. 2 Straßen und Brücken in kommunaler Baulastträger- - analog Maßnahmeplan) vorliegt, schaft, sowie auch Anlagen des ÖPNV und SPNV wie - eine angemessene Eigenbeteiligung des Maßnah- z. B. Gleisanlagen, Betriebshöfe menträgers gesichert ist und - Wasser- und abfallwirtschaftliche Infrastruktur - eine Schadenskausalität zum Augusthochwasser Hierzu gehören auch Trinkwasserversorgungsanla- 2002 nachgewiesen werden kann. gen, Abwasseranlagen (Kläranlagen, Kanalisation), Die Wiederherstellung muss darüber hinaus sinn- Abfallbeseitigungsanlagen (einschließlich Deponi- voll sein (z.B. kein unvertretbarer Wiederaufbau in en), abschwemmungsgefährdete Altlasten, Hochwas- Überschwemmungsgebieten und kein Wiederaufbau serschutzanlagen sowie die Wiederherstellung von von vor der Hochwasserkatastrophe funktions- und Gewässern einschließlich Nebenanlagen wie z.B. wertloser Objekte, keine Wiederherstellung von Ufermauern. Einrichtungen, die öffentliche Dienste anbieten, die - Soziale Infrastruktur durch Überkapazitäten gekennzeichnet sind). Die Hierzu gehören soziale und gesundheitliche Ein- Sinnhaftigkeit der Wiederherstellung ist in Zweifels- richtungen, Dienste und sonstige Institutionen wie fällen schlüssig darzulegen. z. B. Krankenhäuser, Kindertagesstätten, Schulen/ 5. Umfang, Art und Höhe der Zuwendung Sportstätten, Alten- und Pflegeheime, psychiatrische 5.1. Umfang der Zuwendung Einrichtungen, Behinderteneinrichtungen, Jugend- Zuwendungsfähig sind die Ausgaben, die zu einer einrichtungen, Beratungsstellen, Sozialstationen. angemessenen baulichen Wiederherstellung der in - Städtebauliche und dörfliche Infrastruktur ein- Nr. 2 genannten Infrastruktureinrichtungen aufge- schließlich der Wiederherstellung von historischen wendet werden müssen („Wiederbeschaffungswert“ Innenstädten, Dörfern sowie Kulturstätten und stadt- unter Berücksichtigung der aktuellen Vorschriften und dorfbildprägenden Gebäuden. für eine gleiche oder gleichwertige Konstruktion). - Zur örtlichen Infrastruktur gehören z. B. auch Wege, Zu den zuwendungsfähigen Ausgaben zählen insbe- Plätze, Parkflächen und Grünanlagen. sondere - Sport-, Freizeit- und Tourismusinfrastruktur wie - Ausgaben der Wiederherstellung der baulichen Anla- Sportanlagen, Bäder, touristische Basiseinrichtun- gen gen, kulturelle Einrichtungen. - Baunebenkosten von bis zu 10 v. H., bei Ersatzneu- Die vorgenannte Reihung gibt eine Orientierung hin- bauten bis zu 14 v. H. der Baukosten sichtlich der Dringlichkeit von Maßnahmebereichen. - Abriss- und sonstige Beräumungsausgaben, Zuwendungsgegenstand ist die Infrastruktur im - Ausgaben für den Ersatzneubau, auch an anderer Hochwassergebiet einschließlich der Einrichtungen Stelle, in nicht-kommunaler Trägerschaft. - Ausgaben für die Wiederherstellung der baulichen Gefördert werden Maßnahmen zur Beseitigung der Außenanlagen durch das Hochwasser verursachten unmittelba- - Ausstattungsgegenstände ab 5000 €, sofern es sich ren Schäden; im Rahmen der Schadensbeseitigung um Investitionsgüter handelt. Diese Wertgrenze gilt können auch Maßnahmen zur Vermeidung künftiger nicht für Ausstattungsgegenstände, die für die Funk- Hochwasserschäden (keine ausschließlich präventi- tionsfähigkeit des Gebäudes erforderlich sind. ven Maßnahmen) und zur Modernisierung gefördert Eine früher gewährte Förderung desselben Objektes werden. aus öffentlichen Mitteln schließt eine nochmalige

110 WWF Deutschland Finanzierung von Maßnahmen im Rahmen dieser des Nachhaltigkeitsaspektes Verminderung des Verwaltungsvorschrift nicht aus. Schadenspotentials (1.). Erwägungen, beim Wieder- (…) aufbau bereits Möglichkeiten künftiger Verbesse- 7. Verfahren rungen des Wasserrückhalts in der Fläche (2.) oder Abweichend vom Regelförderverfahren wird zur Möglichkeiten zur Schaffung neuer Retentionsflä- Koordinierung, Bündelung und Steuerung der Infra- chen (3.) mit zu berücksichtigen, sind in der Verwal- strukturmaßnahmen bei den Regierungspräsidien tungsvorschrift nicht enthalten. Ebenso spielt - bei ein „Wiederaufbaustab Augusthochwasser“ (WASA) den Maßnahmen im Wasserbau - die Verbindung eingerichtet. von Hochwasserschutz mit der WRRL (4.) keine 7.1. Maßnahmeplan Rolle. Damit gibt die Verwaltungsvorschrift keine Die betroffenen Kommunen erstellen Maßnahme- Handhabe, die Schaffung vollendeter Tatsachen pläne nach dem Musterformblatt „Maßnahmeplan zu verhindern, die diesen Nachhaltigkeitsaspekten kommunale Infrastruktur“. Hierbei listen sie ihre entgegenstehen können. durch das Augusthochwasser 2002 beschädigten In jedem Fall problematisch sind grundsätzlich Infrastruktureinrichtungen (einschließlich nicht-kom- die hohen Fördersätze von regelmäßig 90 bis 100 munaler Träger im Gemeindegebiet sowie Schäden %. Eine (nahezu) vollständige Finanzierung von bei ihren Unternehmen) unter Angabe der Priorität Vorhaben durch Dritte verleitet schon naturgemäß auf. Neben der Dokumentation der Schäden, dem dazu, beim Begünstigten Fragen der Nachhaltig- Nachweis der Art der Schadensermittlung (Kosten- keit und Wirtschaftlichkeit in den Hintergrund zu berechnung und Gutachten) und einer Beschreibung verdrängen. Aus diesem Grund besteht bei öffentli- des Schadens sind Informationen aufzunehmen, ob chen Förderprogrammen sonst auch regelmäßig der die Maßnahme bereits begonnen, ein Förderantrag Zwang zur Eigenbeteiligung in erheblichem Umfang bereits gestellt und Abschlagszahlungen des Frei- (bei Kommunen regelmäßig um die 30 %). staates Sachsen, Versicherungsleistungen und Spen- den für die Infrastrukturmaßnahme schon eingesetzt 4.3.2.3 Staatliche Infrastruktur106 wurden. a) Die Schäden (…) Die Beseitigung der Schäden an Staatsstraßen und 7.2. Gesamtentscheidung zum Maßnahmeplan -brücken wurde aus dem Landesanteil („freie Spitze“) Der Maßnahmeplan wird im WASA in Abstimmung des Aufbauhilfefonds finanziert. Über 170 km Staats- mit dem Vertreter des zuständigen Landratsamtes straßen waren vom Augusthochwasser 2002 betroffen. und den Bewilligungsstellen in Hinblick auf Scha- Zur Herstellung der sofortigen Wiederbefahrbarkeit denskausalität und Schlüssigkeit der Wiederaufbau- zahlreicher Verkehrsachsen wurden noch 2002 über maßnahme sowie Plausibilität der Kostenberech- 200 Vorhaben mit einem Volumen von ca. 21 Mio € nung und Prioritätensetzung geprüft. Die im WASA umgesetzt. vertretenen Bewilligungsstellen prüfen die einzelnen Maßnahmen bezüglich der Fachplanung bzw. –vor- Schwerpunkt der Maßnahmen war dann die Umset- gaben und ordnen sie einer Finanzierungsquelle zu.“ zung des von der Straßenbauverwaltung aufgestellten c) Nachhaltigkeitsprüfung 2-Jahres-Programms zur Wiederherstellung der ver- kehrlichen Infrastruktur. Der überwiegende Teil der Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nach- hochwasserbedingten Vorhaben sollte bis Mitte 2004 haltigkeitskriterien findet sich in der Verwaltungs- abgeschlossen werden. Insgesamt sollte bis 2005 im vorschrift die wesentliche Formulierung: „Die Bereich der Staatsstraßen ein Bauvolumen von bis zu Wiederherstellung muss (…) sinnvoll sein (z.B. 200 Mio € (einschließlich Beseitigung geohydrologi- kein unvertretbarer Wiederaufbau in Überschwem- scher Folgeschäden) umgesetzt werden. Schwerpunkte mungsgebieten und kein Wiederaufbau von vor der im Straßenbau lagen in den Landkreisen Weiße- Hochwasserkatastrophe funktions- und wertloser ritzkreis, Mittlerer Erzgebirgskreis und Sächsische Objekte, keine Wiederherstellung von Einrichtun- Schweiz. gen, die öffentliche Dienste anbieten, die durch Überkapazitäten gekennzeichnet sind). Die Sinnhaf- 106 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wie- tigkeit der Wiederherstellung ist in Zweifelsfällen deraufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staats- schlüssig darzulegen.“ Das entspricht der Beachtung kanzlei (2003), Pkt. 2.3.6, Pkt. 3.6. - Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll 4/49, S. 3921.

WWF Deutschland 111 Für die staatlichen Liegenschaften zeichnete das Kaditz, Mickten, und zum Schutz von Nünchritz, Riesa, Sächsische Staatsministerium der Finanzen verantwort- Zeithain und Torgau. lich. b) FRW 2002 Bei den entstandenen Schäden an staatlicher Infra- Für den Bereich Wasserwirtschaft/Hochwasserschutz struktur sind vor allem jedoch die Schäden in der wurde die „Richtlinie des Sächsischen Staatsministe- Wasserwirtschaft inklusive der Schäden im Bereich riums für Umwelt und Landwirtschaft zur Förderung des Hochwasserschutzes und der Fließgewässer zu von wasserwirtschaftlichen Maßnahmen“ (Förderricht- nennen. Hier wurden insgesamt 14.600 Schäden festge- linie Wasserwirtschaft - FRW 2002) vom 3. Juli 2003 stellt, darunter mehr als 130 Deichbrüche und Schäden, erstellt; [Auszüge]: deren Behebung für die Bewohner in Flussnähe bedeut- 1 Zuwendungszweck, Rechtsgrundlage sam ist. 1.5 Vorhaben des Wasserbaus werden gefördert zur Verbesserung des Hochwasserschutzes uns zur Für die Wiederherstellungsmaßnahmen, die aus den Hochwasserschadensbeseitigung sowie zur Ver- Landespauschalmitteln des Aufbauhilfefonds finanziert besserung des ökologischen Gewässerzustandes wurden, wurde in der Landestalsperrenverwaltung und zur Unterstützung der Aufgabenträger bei der (LTV) ein zentraler Aufbaustab eingerichtet, dem vier Wahrnehmung der Gewässerunterhaltungspflicht. regionale Aufbaustäbe unterstehen; letzteren sind ört- 2 Gegenstand der Förderung liche Bauleitungen - sog. Flussgebietsverantwortliche 2.2 Abwasserbeseitigung - nachgeordnet. In den Stäben sind neben der Wasser- [Errichtung, Erweiterung, Ertüchtigung und Ersatz wirtschaftsverwaltung alle einschlägigen Fachbehörden von Anlagen zur öffentlichen Abwasserbeseitigung] der staatlichen bzw. kommunalen Ebene vertreten. Dazu gehören auch Bauwerke zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung in Siedlungsgebieten Der Schwerpunkt der Schadensbeseitigung lag zu- sowie Kleinkläranlagen in öffentlicher Träger- nächst in der Gewässerbereinigung (Wiederherstellung schaft. der Durchlässigkeit der Gewässer) sowie in der pro- 2.4 Hochwasserschutz und -schadensbeseitigung visorischen Befestigung bzw. Lückenschließung von Förderfähig sind Hochwasserschutzvorhaben Deichen. Im Nachgang erfolgt nun die Instandsetzung sowie Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr, In- der geschädigten Gewässer einschließlich der hierzu standsetzungs- und Ersatzmaßnahmen an Anlagen gehörenden Hochwasserschutzeinrichtungen sowie der der öffentlichen Wasserversorgung, der öffentli- der Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken. Die chen Abwasserbeseitigung sowie an Gewässern Wiederherstellung orientiert sich grundsätzlich an den und wasserbaulichen Anlagen. Die förderfähigen Verhältnissen vor der Flut. Hierbei sollen die Anfor- Hochwasserschutzvorhaben umfassen insbesonde- derungen eines vorbeugenden Hochwasserschutzes re den Erwerb von Retentionsflächen, Baumaßnah- (Gefahrenabwehr) beachtet werden. Soweit wasserwirt- men sowie die Anschaffung mobiler Vorrichtungen schaftlich als notwendig erachtet, werden deshalb im zum technischen Hochwasserschutz. Rahmen der Umsetzung zusätzliche Maßnahmen wie 4 Zuwendungsvoraussetzungen Rückbau und Verlegung von Deichen, Retentionsflä- 4.1 Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit chen, Polder etc. vorgesehen. 4.1.1 Der Vorhabenträger hat auf der Basis aktueller Konzepte nachzuweisen, dass unter den nach was- Allein nach dem August-Hochwasser 2002 wurden in serwirtschaftlichen Aspekten in Betracht kommen- Sachsen fast 12.000 Schäden an Gewässern behoben. den Lösungen die wirtschaftlichste Lösung gewählt Dafür wurden 522 Mio € ausgegeben. Bereits bis Ende worden ist. 2002 waren insgesamt 51,4 Mio € zur Schadensbehe- bung umgesetzt worden. Bei den Zuwendungsvoraussetzungen (vor allem Punkt Im Maßnahmenplan des Hochwasserschutz-Investi- 4.1.1) sind sehr enge Betrachtungsrahmen abgesteckt. tionsprogramms des Freistaates Sachsen sind bspw. Durch eine Fokussierung auf die kostengünstigste 18 komplexe Hochwasserschutzmaßnahmen entlang Variante der nach wasserbaulichen Aspekten be- der Elbe mit einem Gesamtumfang von 144 Mio € achtlichen Lösungsmöglichkeiten bleibt kaum noch enthalten, davon bis zum Jahr 2008 insgesamt 70 Mio Raum für nachhaltige Auswahlkriterien. So spielen €. Das betrifft u.a. Maßnahmen zum Schutz der Lan- zukünftige Unterhaltungskosten, die Langlebigkeit der deshauptstadt Dresden, d.h. der Altstadt, von Gohlis, Anlage, die Erfüllung der Wasserrahmenrichtlinie und

112 WWF Deutschland die Entwicklung des Naturzustandes im Gebiet um die 2. die Neuerrichtung von gleichartigen Wohngebäu- Baumaßnahme in der Förderrichtlinie keine explizit den an Stelle von durch das Hochwasser zerstörten genannte Rolle. Wohngebäuden oder die Errichtung und der Erwerb von gleichartigen Gebäuden an anderer Stelle (Er- Nachhaltigkeitsprüfung satzbauten) Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nach- 3. Baumaßnahmen zur Wiederherstellung der zu Num- haltigkeitskriterien ist festzustellen, dass für die mer 1. und 2. zugehörigen privaten Erschließung, Vergabe ausschließlich wirtschaftliche und was- wie zum Beispiel private Erschließungsstraßen, serwirtschaftliche Optimierungsgebote eine Rolle Stützmauern und Uferbefestigungen sowie Ord- spielen, ohne Berücksichtigung der Aspekte Vermin- nungsmaßnahmen. derung des Schadenspotentials (1.), Verbesserung (2) Nicht gefördert werden Gebäude des Wasserrückhalts in der Fläche (2.), Schaffung 1. die zum Zeitpunkt der Hochwasserkatastrophe nicht neuer Retentionsflächen (3.) oder Verbindung von bewohnt waren, ausgenommen Gebäude, die sich Hochwasserschutz mit einer ökologischen Aufwer- bei Schadenseintritt noch im Rohbaustadium oder tung der Gewässer im Sinne der WRRL (4.). in der Rekonstruktion (Instandsetzung, Modernisie- rung) befanden und aus diesem Grund nicht be- 4.3.2.4 Hochbau (Wohngebäude) wohnt waren, Von den ermittelten Schäden des Augusthochwassers 2. die zum Rückbau vorgesehen waren bzw. vorgesehen 2002 in Sachsen (6,2 Mrd. €) entfielen auf Wohngebäu- sind. de 27,5 %. Die Anzahl geschädigter Gebäude betrug ca. III. Zuwendungsempfänger 26.000107. 1. Zuwendungsempfänger ist der Eigentümer des Ge- bäudes/der Wohnung. Sowohl nach der Verwaltungsvereinbarung „Besei- 2. Zuwendungsempfänger nach dieser Verwaltungs- tigung und Behebung von Hochwasserschäden an vorschrift können natürliche Personen, juristische Wohngebäuden“ als auch der Verwaltungsvereinbarung Personen des Privatrechts und Gemeinden sein. „Wiederherstellung der Infrastruktur in den Gemein- IV. Zuwendungsvoraussetzungen den“ ist die Errichtung von geschädigten Gebäuden und Voraussetzung für die Zuwendung ist: Einrichtungen an anderer Stelle förderfähig. 1. dass das Gebäude von der Flutkatastrophe im August 2002 ganz oder teilweise zerstört worden ist Geregelt wurde die Fördermittelvergabe für Wohnge- oder hochwasserbedingte Schäden aufweist. bäude in der „Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Behebung von Hoch- wasserschäden an Wohngebäuden vom 26.09.2002“ Nachhaltigkeitsprüfung (VwV - Aufbauhilfe - Wohngebäude 2002), Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nach- [Auszüge]: haltigkeitskriterien ist hervorzuheben, dass die Möglichkeit von Ersatzbauten an anderer Stelle I. Rechtsgrundlage, Zuwendungszweck ausdrücklich eröffnet wird im Sinne einer Vermin- 2. Zweck der Zuwendung ist es, den Eigentümern von derung des Schadenspotentials (1.). Ersatzbauten Eigentumswohnungen und Wohngebäuden Hilfe bei stehen jedoch in keinerlei Vorrangverhältnis zur der Beseitigung der Hochwasserschäden oder bei Wiedererrichtung im Sinne einer Prüfungs- bzw. der Wiedererrichtung von zerstörten Wohngebäuden Nachweisreihenfolge, dass Wiederaufbau, nur zu leisten. nachrangig und somit begründet möglich ist. Die II. Zuwendungsgegenstand Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen (1) Gefördert werden im Hinblick auf Potentiale einer künftigen Verbes- 1. Baumaßnahmen zur Beseitigung von Schäden an serung des Wasserrückhalts in der Fläche (2.) oder durch Hochwasser beschädigten Wohngebäuden und der Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) sind kein zur Erneuerung beschädigter oder zerstörter Bautei- Gegenstand der Verwaltungsvorschrift. le solcher Wohngebäude (Instandsetzung),

107 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wieder- aufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanz- lei (2003).

WWF Deutschland 113 4.3.2.5 Unternehmen 1.2 Die Zuwendung darf nur im Rahmen eines trag- Vom Augusthochwasser 2002 waren in Sachsen rund fähigen Gesamtfinanzierungsplanes eingesetzt 12.000 Unternehmen betroffen, zusammen mit denen werden. in Sachsen-Anhalt (1.600) waren dies mithin rund 3 % 2. Gegenstand der Förderung des gesamten Unternehmensbestandes in den östlichen Gefördert werden die Vornahme von Ersatzbeschaf- Bundesländern108. Von den ermittelten Schäden der fungen, Reparaturen an Maschinen und Einrich- Flut in Sachsen (6,2 Mrd. €) entfielen auf gewerbliche tungsgegenständen sowie die Durchführung von Unternehmen 22,9 %109. Investitionen, die die Betriebsfähigkeit der Zuwen- dungsempfänger wieder herstellen. Gleichfalls Nach der Richtlinie des Bundesministeriums für förderfähig ist der Erwerb eines hochwassergeschä- Wirtschaft und Technologie für die Gewährung von digten KMU [kleine u. mittlere Unternehmen] durch Zuwendungen für die vom Hochwasser geschädigten ein KMU, wenn dadurch die drohende Stilllegung Unternehmen und Angehörigen freier Berufe aus dem einer Betriebsstätte und damit verbunden ein Abbau Hochwasserhilfsfonds vom 05.09.02 erhielten die von Dauerarbeitsplätzen verhindert werden können. Unternehmen Zuwendungen, die vor der Hochwasser- 3. Zuwendungsempfänger katastrophe lebensfähig waren und bedingt durch das 3.1 Zuwendungen aus dem Programm erhalten grund- Hochwasser nachweislich auf eine Sonderfinanzierung sätzlich alle betroffenen KMU. angewiesen waren, um im Rahmen eines tragfähigen 4. Zuwendungsvoraussetzungen Finanzierungskonzepts den Bestand des Unternehmens Voraussetzung für die Gewährung der Zuwendung langfristig zu sichern und die Arbeitsplätze zu erhalten. ist das Vorliegen eines durch Überflutung oder Voraussetzung für die Gewährung der Zuwendungen Grundwassereintritts resultierenden Schadens. war das Vorliegen eines aus Überflutung und Grund- 4.3 Der Antragsteller muss durch geeignete Unter- wassereintritt resultierenden Schadens. Der Wieder- lagen plausibel belegen, dass mit Genehmigung aufbau musste innerhalb des jeweiligen Bundeslandes der Zuwendung der Bestand des Unternehmens erfolgen. Vorgelegt werden musste ein Konzept aus gesichert erscheint. dem hervorgeht, dass eine Weiterführung des Unterneh- mens möglich ist110. Die Voraussetzungen zur Umsetzung hochwasserge- schädigter Unternehmen bzw. zum Wiederaufbau von In Sachsen wurde hierzu die „Richtlinie des Sächsi- Unternehmen an einem anderen Standort sind nicht in schen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit den Richtlinien die SMWA geregelt. Allerdings ist die- über die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen des se Möglichkeit in der Spruchpraxis „Hochwasserhilfe“, Programms für vom Hochwasser geschädigte kleine in der zweifelhafte Fälle mit dem Bundesministerium und mittlere Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, für Wirtschaft und Technologie bzw. dem Bundesminis- des Handwerks, des Handels, der Freiberufe und ande- terium für Wirtschaft und Arbeit abgestimmt wurden, rer Dienstleister vom 02.09.2002“ erlassen (Richtlinie festgelegt. Wirtschaft des SMWA); (Auszüge): Der sächsische Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit 1. Zuwendungszweck schrieb in einem Brief vom 26.09.02 an die flutgeschä- 1.1 Zweck der Zuwendung ist es, den Zuwendungsemp- digten Firmen in seinem letzten Satz „Auch der Wie- fängern die von der Hochwasserkatastrophe im deranfang in hochwassersicheren Gebieten im Freistaat August 2002 […] betroffen sind, eine schnelle und ist möglich111. angemessene Hilfestellung zu geben.

108 BT Drucksache 15/274, Hochwasserschutz - Erfahrungen und Konsequenzen aus der Flutkatastrophe im Sommer 2002. Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Homburger und weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP, Antwort der Bundesregierung, S. 6. 109 Augusthochwasser 2002. Schadensausgleich und Wieder- aufbau im Freistaat Sachsen. Hg. v. Sächsische Staatskanz- lei (2003). 110 Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll 3/71, S. 4849. 111 Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll 3/71, S. 4849.

114 WWF Deutschland Hierbei war in einigen Fällen festzustellen, dass aus Nachhaltigkeitsprüfung den Fluthilfefonds Mittel für infrastrukturelle Baumaß- Bezogen auf die weiter oben festgelegten Nachhal- nahmen eingesetzt wurden, denen jeglicher Zusammen- tigkeitskriterien ist festzuhalten, dass die Verlegung hang mit dem Schadensereignis fehlte.“ der gefährdeten Unternehmen, im Hinblick auf eine Verminderung des Schadenspotentials (1.), kein „Kommunale infrastrukturelle Wiederaufbaumaßnah- Gegenstand der Richtlinie ist, aber dennoch in der men nach dem Augusthochwasser 2002“ Praxis möglich war. Verlegungen stehen jedoch in „Straßen- und Brückenbauvorhaben wurden z.T. ohne keinerlei Vorrangverhältnis zur Wiedererrichtung im Schadenskausalität zum Augusthochwasser 2002 zur Sinne einer Prüfungs- bzw. Nachweisreihenfolge, Sanierung aus Fluthilfemitteln angemeldet bzw. bewil- dass Wiederaufbau, nur nachrangig und somit be- ligt. Für sie war keine Förderung zulässig.“ gründet möglich ist. Die Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen im Hinblick auf Potentiale Bei den drei Regierungspräsidien waren Wiederauf- einer künftigen Verbesserung des Wasserrückhalts in baustäbe Hochwasser (WASA) eingerichtet worden. der Fläche (2.) oder der Schaffung neuer Retentions- Die Kommen hatten als Antragsteller die Gesamtheit flächen (3.) sind kein Gegenstand der Verwaltungs- aller infrastrukturellen Schäden bzw. Maßnahmen ihres vorschrift. Hoheitsgebietes in einem Maßnahmeplan zusammenzu- 4.3.3 Fördermittelmissbrauch stellen und bis 15.11.2002 den WASA vorzulegen. Er- (offizielle Mitteilungen) gänzend konnten bis 31.05.2003 erst nach dem Winter erkennbar gewordene geohydrologische Folgeschäden 4.3.3.1 Bundesrechnungshof nachgemeldet werden. Die WASA hatte die Anträge Seitens des Bundesrechnungshofs werden in den im Hinblick auf Kostenhöhe, Schadenskausalität und Jahresberichten von 2003 und 2004 keine Fehlverwen- Prioritäten zu prüfen und als Bewilligungsstellen eine dungen angemahnt (nur ein verfrühtes Abrufen vor Entscheidung zu fällen. Fälligkeit). Im Jahresbericht 2005 wird berichtet, dass von der Bahn 70 Mio € zurückgefordert wurden, da die Prüfungsgegenstand. Ziel der Prüfung war es, die Grün- mit Fördermittelanträgen geltend gemachten Schäden de für die Vielzahl der Nachmeldungen und den Anstieg tatsächlich über Versicherungsleistungen abgedeckt der Schadenssumme beim Wiederaufbau, insbesonde- waren. re im Bereich Straßen- und Brückenbau von 464 auf 1.054 Mio € aufzuklären. Für die Prüfung wurden 533 4.3.3.2 Landesrechnungshof Sachsen entsprechende Maßnahmen mit einem Antragsvolumen Im Jahresbericht 2003 des sächsischen Landesrech- von 154 Mio € erfasst. Als Stichprobe sind davon 105 nungshofs spielten die Wiederaufbaumaßnahmen nach Maßnahmen vor Ort begangen worden, Zu 125 Objek- dem Augusthochwasser 2002 noch keine Rolle. Im ten erfolgte Akteneinsicht. 82 Maßnahem wurden mit Jahresbericht 2004 stellt dann die Prüfung der kommu- unterschiedlichem Vertriefungsgrad näher geprüft. nalen infrastrukturellen Wiederaufbaumaßnahmen nach dem Augusthochwasser 2002 einen deutlichen Schwer- Der Sächsische Rechnungshof hat im Rahmen einer punkt dar. Querschnittsprüfung 533 kommunale Baumaßnahmen mit einem Antragsvolumen von 154 Millionen Euro Jahresbericht des Rechnungshofs des Freistaates Sach- erfasst. 82 Straßen- und Brückenbauprojekte wurden sen 2004 (Auszüge/Zusammenfassungen): schließlich mit unterschiedlichem Vertiefungsgrad „Vorwort“ näher geprüft. Dabei stellte der Rechnungshof fest, „Die zügige Bewältigung eines enormen Katastrophe- dass 31 Maßnahmen mit einem Wertumfang von nereignisses wie des Augusthochwassers 2002 stellte 25 Millionen Euro zu beanstanden waren, weil der gel- besondere Anforderungen an die staatlichen und kom- tend gemachte Schaden nicht oder nicht ausschließlich munalen Behörden. Da die schnelle Wiederherstellung durch das Augusthochwasser 2002 verursacht worden der Infrastruktur im Vordergrund stand, waren Fehler war. Bei 21 dieser Maßnahmen mit einer Summe von und Mängel schwer zu vermeiden. Gleichwohl ist auf 17 Millionen Euro waren demnach die durch Verwal- den gerechtfertigten und effektiven Einsatz der öffentli- tungsvorschriften des Freistaates vorgegeben Fördervo- chen Mittel Acht zu geben. Bei der Prüfung konnte sich raussetzungen gar nicht erfüllt, bei den zehn weiteren der Rechnungshof angesichts des Umfangs der einge- mit einem Wertumfang von acht Millionen Euro nur leiteten Maßnahmen nur auf Stichproben beschränken. Teilbereiche.

WWF Deutschland 115 Fördervoraussetzung war die Einhaltung der Vorschrif- 4.3.3.3 Bericht der Sächsischen Aufbaubank ten der VwV Infra. Nach Einschätzung der Sächsischen Aufbaubank (SAB) hat jeder siebte private Empfänger von „Häufig wurde allein schon die Tatsache, dass ein Ort Fluthilfe zu viel Geld erhalten und muss diese daher vom Hochwasserereignis betroffen war, als ausreichei- zurückzahlen112. chend für einen Ersatzanspruch angesehen.“ Demnach forderte die SAB bisher von 9.383 Antrag- Entscheidende Zuwendungsvoraussetzung ist ein durch stellern insgesamt über 77 Millionen Euro Hilfsgelder das Augusthochwasser 2002, insbesondere durch Über- zurück. Im Rahmen der so genannten Verwendungs- flutung unmittelbar entstandener Schaden. Dementspre- nachweisprüfung hat die SAB bis Anfang August 2006 chend hat der Freistaat definiert, was als Hochwasser rund 48.000 der insgesamt 64.522 Anträge auf staat- zu betrachten ist. Dass nämlich ein zuwendungsfähiger liche Fluthilfegelder geprüft. Bis zum Abschluss der Schaden durch das Hochwasser der Elbe oder ihrer Zu- Prüfung könnte sich die Summe der zurückgeforderten flüsse entstanden sein muss. Ausdrücklich ausgeschlos- Hilfsmittel daher weiter erhöhen. Insgesamt hat die sen ist der Ausgleich von Schäden, die beispielsweise SAB Fluthilfegelder in Höhe von 1,53 Milliarden Euro durch Starkregen verursacht wurden. Doch genau um ausbezahlt. solche Schäden handelt es sich bei der überwiegenden In mindestens 14 Fällen wurde Strafanzeige wegen Zahl der beanstandeten Fälle. Betrugs gestellt. Ermittelt wird nur, wenn gefälsch- (Vgl. auch Fallbeispiele: Straßenausbau bei Grimma te Unterlagen eingereicht wurden, die einen höheren - 3.5.2.9; Feldwege bei Frohburg - 3.5.2.10) Schaden belegen sollten oder eine andere Nutzung von beschädigten Gebäuden vortäuschten. Der Aufbaubank Im Gegensatz dazu vertritt die Leitstelle Wiederauf- zufolge gab es auch Anträge, obwohl es überhaupt kei- bau bei der Staatskanzlei die Auffassung, dass auch in ne Hochwasserschäden gab. solchen Fällen ein ausgleichsfähiger Schaden vorläge, Von den meisten Antragstellern wird aber nur die wenn etwa Niederschlagswasser „sturzbachartig in zu viel erhaltene Summe zurückverlangt. Bußgelder tiefer gelegene Gebiete“ abgeflossen sei. werden nicht erhoben. Die Hilfsmittel waren von der Nach Darstellung des Rechnungshofes habe die Staats- Bank grundsätzlich unter Vorbehalt ausgezahlt worden. kanzlei mit dieser Neudefinition des Hochwasserbe- Das heißt, wenn die Endabrechnung einen geringeren griffs die eigenen Vorgaben übergangen. Die Folge: Betrag ergibt, muss zurückgezahlt werden. Bei der überwiegenden Zahl der vom Rechnungshof beanstandeten Fälle hält die Staatskanzlei eine Rück- 4.4 Weitere Aspekte für Ursachen der un- forderung der Fördermittel nicht für gerechtfertigt. zureichenden Nachhaltigkeit im Hoch- wasserschutz insgesamt (Stichworte) Nachhaltigkeitsprüfung Eine Überprüfung der Übereinstimmung von Wie- Anhand der in der vorliegenden Studie vorgenomme- deraufbaumaßnahmen kommunaler Infrastruktur nen Darstellung der Umsetzung fachlicher Anforderun- mit Aspekten eines nachhaltigen, vorbeugenden gen an einen nachhaltigen, vorbeugenden Hochwas- Hochwasserschutzes erfolgte naturgemäß nicht. Der serschutz (5-Punkte-Programm der Bundesregierung; Landesrechnungshof beschränkte sich im Wesentli- LAWA, IKSE, Wasserbauer) in Rahmenrecht (vor allem chen auf eine Überprüfung der Schadenskausalität. WHG), dieses umsetzendes Landesrecht (Landes Was- Im Ergebnis musste er feststellen, dass die Kom- sergesetze), des Rechts der Raumordnung, Bauleitpla- munen im erheblichen Umfang aus Hochwasser- nung und Bauordnung; der Hochwasserschutzstrategien geldern Infrastrukturprojekte vor allem im Bereich der Länder, des Förderansatzes verschiedener öffentli- Straßen- und Brückenbau finanzierten, bei denen cher Förderprogramme und die Anforderungen an deren kein ausreichender Zusammenhang zu den Hoch- Vergabe mittels Vergaberichtlinien konnte aufgezeigt wasserereignissen bestand. Festzuhalten bleibt auch, werden, dass die Verbindlichkeit der Beachtung der dass sich der Rechnungshof auf eine stichprobenar- Nachhaltigkeitsaspekte zunehmend unkonkreter wurde tige Prüfung beschränken musste, die Dunkelziffer bis keine Rolle mehr spielte. für vergleichbare Mißbräuche also vermutlich recht hoch ist.

112 Bericht der SAB, siehe: http:www.mdr.de/escher/ archiv/2083946.htm.

116 WWF Deutschland Betroffen sind sämtliche oben aufgezeigten Nachhal- verzichtbar ist bzw. ausläuft. In diesen Fällen muss die tigkeitskriterien der Verminderung des Schadenspoten- Grundfrage immer lauten. warum nicht? und nicht wie tials (1.), der Verbesserung des Wasserrückhalts in der bisher, warum gerade hier? Fläche (2.), der Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) und der Verbindung von Hochwasserschutz mit einer Wie oben gezeigt erfolgt die Priorisierung der Maß- ökologischen Aufwertung der Gewässer im Sinne der nahmen selbst in Sachsen mit seinen bezüglich einer WRRL (4.). Ausweitung von Retentionsräumen sehr aufgeschlosse- nen Leitsätzen im Hochwasserschutz dann letztlich auf Neben der unzureichenden rechtlichen Verbindlichkeit der Ebene der konkreten Priorisierung der Maßnahmen der Einhaltung der Nachhaltigkeitsaspekte und ihrer („Socher“) dem gegenüber den Erfordernissen umge- mangelnden bis fehlenden Berücksichtigung bei der kehrten Muster. Deichrückverlegungen fallen letztlich Vergabe öffentlicher Gelder spielen aber noch eine Rei- verfahrensnotwendig durch das Priorisierungsraster. he weiterer Faktoren für die festgestellte unzureichende Realisierung der Nachhaltigkeitsfaktoren eine Rolle. c) Lokale Risikobetrachtung Ziel der aktuellen Konzepte im Hochwasserschutz mit a) Stellenwert technischen Hochwasserschutzes in dem eindeutigen Schwerpunkt auf dem technischem Öffentlichkeit und Verwaltung Hochwasserschutz ist regelmäßig erkennbar nicht, das Hochwasserschutz wird noch immer hauptsächlich als Risiko insgesamt zu reduzieren, sondern immer nur unmittelbare Gefahrenabwehr verstanden. Ungeachtet die Frage, wie welche Hochwasserstände im jeweils aller neuen und nachhaltigeren Ansätze im Hochwas- betrachteten Gebiet zu kontrollieren sind, also welcher serschutz auf politischer und fachlicher Ebene, wird Deich wie hoch ist, etc. Die Reduzierung des Gesamt- der technische Hochwasserschutz in der Bevölkerung, risikos im gesamten Flussgebiet schlägt sich trotz aller bei den Verantwortlichen in den Gemeinden und nicht Vorgaben zur regionalen bzw. flussgebietsbezogenen zuletzt auch bei einem Großteil der noch traditionell Zusammenarbeit (bspw. IKSE) letztlich in den Ein- ausgebildeten gestandenen Wasserbaufachleuten und zelmaßnahmen nicht nieder. Diese erfolgen in ihrer in den Landesverwaltungen als Hauptaufgabenfeld des Begründung regelmäßig aus Bedürfnissen unmittelbar Hochwasserschutzes angesehen. Die Vorstellung, dass vor Ort. Hochwassergefahren letztlich nur Folge einer noch unzureichenden technischen Vorsorge sind (also grund- Dabei findet der eingeschränkte Weitblick oftmals sätzlich beherrschbar sind) ist noch immer weitverbrei- bereits auf der Ebene des eigenen Gemeindeterritori- tete Grundansicht. ums statt. Es mangelt am Bewusstsein, vorbeugenden Hochwasserschutz auf dem gesamten Gemeindegebiet In der Öffentlichkeit ist eine Deichertüchtigung daher zu betreiben und sich darüber hinaus möglicherweise meist gut vermittelbar, eine Deichrückverlegung dage- interkommunaler Vereinbarungen zu bedienen. gen nicht. Ersteres suggeriert Schutz und Kontrollier- barkeit, letzteres Nutzungseinschränkungen und unkon- d) Mangelnde Koordination der Planungen trollierbare Gefahren. Hier könnte nur eine intensive (Fachplanungen, Raum- und Bauleitplanungen) Öffentlichkeitsarbeit zu einem langsamen Umdenken Den Planungsträgern der Wasserwirtschaft, der Raum- führen. Diese ist jedoch nicht absehbar, wenn letztlich ordnung, der Bauleitplanung sowie der Fachplanungen auch die für Hochwasserschutz letztlich zuständigen Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft stehen zahlrei- Landesverwaltungen praktisch und bisweilen sogar che Instrumente zur Verfügung, die für den Hochwas- ganz offensiv (Bsp. Sachsen-Anhalt) klare Prioritäten serschutz eingesetzt werden können. im technischen Hochwasserschutz sehen und setzen. Defizite bestehen hier insbesondere bei der Koor- b) Verkehrtes Priorisierungsmuster dination zwischen den Planungsbehörden und beim Die Frage, wo und wie die Rückverlegung von Deichen Vollzug der Erfordernisse des Hochwasserschutzes. sinnvoll ist, ist oft sehr schwierig. Ein Indiz ist immer Wesentliche Ursache dafür ist, dass die derzeit vorhan- die aktuelle Flächennutzung, also die Feststellung, denen Instrumente in noch nicht ausreichendem Maße dass Flächen in hochwassergefährdeten Räumen bzw. auf die Aufgabe Hochwasserschutz ausgerichtet und in Hochwasserentstehungsgebieten derzeit extensiv abgestimmt sind. Etwa die Planung eines nachhaltigen genutzt werden bzw. ihre derzeitige intensive Nutzung Hochwasserschutzes mit weitgehender Ausweitung der

WWF Deutschland 117 Retentionsflächen kann nur funktionieren, wenn sie („Nutzen“) an der Hochwasserentstehung mit, tragen fachübergreifend geschehen würde. Land, Landkreise, jedoch keine Kosten, da sie selber in der Regel keine Kommunen und Akteure müssen gemeinsam und Ober- Hochwasserprobleme haben und keine Maßnahmen und Unterlieger übergreifend planen. der Unterlieger mitfinanzieren. Unterlieger tragen die Kosten des Hochwasserproblems, d.h. bei ihnen treten In der Praxis findet keine tatsächlich fachübergreifen- Schäden auf, die Schutzmaßnahmen erfordern. de Integration der verschiedenen Fachplanungen statt Solange das staatliche Förderinstrumentarium im Be- (Vollzugsdefizit). Jede Fachplanung hat ihr Budget und reich Hochwasserschutzeinrichtungen unabhängig von wacht darüber. Dabei betreffen verschiedene Fachpla- der Ausweisung von Siedlungs- und Verkehrsflächen in nungen oftmals dasselbe Gebiet (Wasser, Landwirt- hochwassergefährdeten Bereichen agiert, besteht kein schaft, Wirtschaft, Natur, Verkehr, etc.). Hier besteht Anreiz, Schäden zu vermeiden, indem man die Sied- ein Koordinationsauftrag an die Landesentwicklung. lungsstruktur entsprechend anpasst. Bislang funktioniert diese Koordination nicht wirklich. Die einzelnen Fachressorts sind bislang regelmäßig Im Hinblick auf die Finanzierung von Hochwasser- noch nicht einmal bereit, anderen Fachressorts gegenü- schutz wäre etwa vorstellbar, mit regionalen Koopera- ber wirklich frühzeitig ihre Planungen offenzulegen. tionen, die sich eine formale Struktur gegeben haben, eine ergebnisorientierte Vereinbarung über die Ver- Hochwasser müsste als Pflichtaufgabe aller betroffenen wendung von Fördergeldern zur Verwirklichung von Einzelakteure/-fachplanungen durchgesetzt, und nicht Hochwasserschutz zu treffen. wie bisher als Nebenaspekt (Kür) behandelt werden. Dazu müsste sämtlichen Akteuren verdeutlicht werden, Empfehlenswert wäre etwa im Rahmen von flussge- das Problem Hochwassergefahr gelöst werden, und es bietsweiten Hochwasserschutzkonzepten eine finanziell nicht um das einfache Abarbeiten von Einzelprojekten bezifferte Zusammenstellung der Kosten und Nutzen geht. zu erarbeiten. Je nach Situation können ökonomi- sche Instrumente wie Ausgleichsfonds für Kosten aus e) Naturschutzfachliche Flächensicherung Maßnahmen zum vorsorgenden Hochwasserschutz, Mit dem Instrumentarium zur Flächensicherung (z.B. Fördermittel der EU, des Bundes und der Länder, Ab- Naturschutzgebiet, Biosphärenreservat, Nationalpark) gaben- oder Anreizsysteme sowie Abgabensysteme zur kann der Naturschutz in naturnahen Flussgebieten einen indirekten Förderung hochwassergerechter Nutzungen weit reichenden Beitrag zum Schutz von Auenberei- eingesetzt werden. So könnte ein solcher Ausgleich chen und damit für einen nachhaltigen, vorbeugenden etwa im Zusammenhang mit der anstehenden Umset- Hochwasserschutz leisten. Naturschutzfachplanungen zung der WRRL mit erledigt werden. sind jedoch meist nur unzureichend mit wasserwirt- schaftlichen Planungen abgestimmt. Künftig wäre eine g) Ausgleich für private Nutzungseinschränkungen engere Kooperation zwischen der Landschaftsplanung unzureichend geregelt und Wasserwirtschaft erforderlich, etwa bei der Wir- Bei Deichrückverlegung sind die privaten Eigentümer keinschätzung einzelner Maßnahmen. das Problem. Auch wenn zur Durchführung von Deich- rückverlegungen - wie oben gezeigt - ein anwendbares f) Ausgleich von Kosten und Nutzen insgesamt nicht rechtliches Instrumentarium, inklusive Zwangsmitteln geregelt (Ober- u. Unterlieger) besteht, erfolgen sie in der Praxis eben nur in Ausnah- Das Grundproblem von Hochwasserschutz ist, dass der mefällen. Neben den eben genannten Gründen, ist eine Nutzen eines nachhaltigen Hochwasserschutzes der der Hauptursachen die Scheu der Verantwortlichen, Unterlieger hat, den Aufwand und die Nutzungsein- entsprechende Maßnahmen notfalls zwangsweise und schränkung (bspw. Ackerland zu Grünland; Bauland zu gegen den Willen und die Interessen privater Betrof- Retentionsfläche) der Oberlieger. fener, zu beschließen und dann auch noch tatsächlich durchsetzen zu müssen. Selbst wenn man der oben Ein Ausgleich (vor allem finanzieller Lastenausgleich) genannten Auffassung von Köck113 folgt, dass es für die von Risiken und Chancen bzw. Kosten und Nutzen des Hochwasserschutzes ist jedoch unerlässlich für die 113 W. Köck, Hochwasserschutz und Umweltrecht: Einführung Akzeptanz von Maßnahmen des Risikomanagements. und Grundlagen. In: W. Köck (Hg.), Rechtliche Aspekte des Oberlieger wirken über ihre Siedlungsentwicklung vorbeugenden Hochwasserschutzes. Baden-Baden 2005, S. 27 - mit zahlreichen weiterführenden Literaturangaben.

118 WWF Deutschland von einer Deichrückverlegung betroffenen Landwirte i) Hochwassergelder sind Fördergelder und der damit erzwungenen Extensivierung ihrer Land- Hochwassergelder sind zweckgebunden und müssen nutzung keine rechtlichen Verpflichtungen zu einem als Fördermittel regelmäßig bis zu einem bestimmten finanziellen Ausgleich gibt, bleiben die Schwierigkeiten Ausschlusstermin abgerechnet werden. Nachhaltiger einer politischen Umsetzung. Verantwortungsträger der Hochwasserschutz ist aber eine langfristige und kom- verschiedenen Verwaltungsebenen erwerben ihr Mandat plexe Angelegenheit, für deren öffentliche Akzeptanz in demokratischen Wahlen bzw. werden von gewählten überdies häufig ein erheblicher Aufklärungs- und Mandatsträgern kontrolliert. Damit sinkt die Neigung Argumentationsaufwand erforderlich ist. Wegen der zu unpopulären Maßnahmen. Fördermittellogik muss jeder Anspruchsberechtigte, um einen ihm ggf. zustehenden Anteil zu erhalten, schnell Deswegen besteht auch hier die absolute Notwendig- ein Projekt finden, welches er damit finanzieren kann. keit, neben dem Aufzeigen der Zwangsmöglichkei- Notfalls muss der Bedarf eben mehr oder weniger her- ten, die Betroffenen von den Notwendigkeiten eines beigeredet werden, um keine Mittel verfallen zu lassen. nachhaltigen vorbeugenden Hochwasserschutzes zu Nochdazu muss alles schnell gehen, also ohne Zeit überzeugen und Instrumente zu finden, dass ein solcher für grundlegende neue Planungen, jenseits des tradi- mit ihren Interessen in Einklang gebracht wird. Die tionellen technischen Hochwasserschutzes. Das führt Flächennutzer müssen als Partner gewonnen werden. zu Projekten, die schnell planbar sind und möglichst Daher stellt sich die Frage, was sie dazu motivieren ohne großen Argumentationsaufwand breite öffentliche könnte. Akzeptanz finden.

Hochwasservorsorgemaßnahmen müssten entsprechend j) Sensibilisierung für Aspekte der Hochwasser- bewertet werden. Es müsste bewertet werden, was wel- entstehung / Nutzung des Vorhandenen che Investition kostet und welchen Hochwasserschutz Die Steuerung der Hochwasserentstehung über eine an sie bringt. Erforderlich sind Ausgleichsprogramme Retentionsvermögen orientierte Flächennutzung muss für Auslagerung, Stillegung von Ackerflächen müsste noch viel deutlicher in das Bewusstsein der Bevölke- dabei länderübergreifend geplant werden, damit etwa rung, aber auch der kommunalen Entscheidungsträger Aspekte der Bodenqualität mit berücksichtigt werden gehoben werden. können (Grenzertragsböden, Bördeboden, etc.). Auch die Möglichkeiten des Flächentauschs könnten stärker Auf gemeindlicher Ebene liegen dabei eine Reihe von genutzt werden. relativ schnell reaktivierbarer Ressourcen, die nichts mit einem - oft schwer vermittelbaren Rückbau - zu tun Hochwasserschutz muss also einen Wert bekommen, haben. So könnte die Steuerung verstärkt über die Bau- der sich in Geld bemisst. Dann wird er auch für Private leitplanung erfolgen, wobei das Augenmerk auf vor- interessant. Sinnvoll ist hier die Kombination aus recht- handene Mulden oder kleine Dämme gelenkt werden lichen Möglichkeiten der zwangsweisen Einschränkung könnte, die vielerorts schon vorhanden sind. des Eigentums (bereits weitgehend vorhanden) und andererseits von Anreizen zur freiwilligen Mitarbeit. k) Potentiale im Stadtumbau / Integrierte Stadtent- wicklungskonzepte (INSEK) h) Landwirtschaft will Ausgleichsflächen, nicht Aus- Wie bereits mehrfach erwähnt muss vor allem die gleichszahlungen kommunale Hochwasservorsorge künftig größere Die Praxis zeigt, dass Landwirte regelmäßig nicht an Beachtung finden. Dies könnte etwa auch im Rahmen Ausgleichszahlungen für Nutzungseinschränkungen des Stadtumbaus erfolgen, wonach nicht mehr benö- oder gar Flächenverkäufe interessiert sind. Ihr Ziel ist, tigte Bauten mit Fördermitteln zurückgebaut werden. die Weiterführung eines landwirtschaftlichen Betriebes Vielerorts wurde seit Jahren viel zu dicht am Wasser auf ausreichend geeigneten Flächen. Daher interes- gebaut. Daraus entstanden mit der Zeit gewaltige Scha- sieren sie sich weniger für Ausgleichszahlungen, als denspotentiale. Deshalb müssen die Anforderungen des vielmehr für geeignete Ausgleichsflächen. Diese sind Hochwasserschutzes in den INSEKs eine bedeutendere naturgemäß schwerer zu beschaffen, als Gelder. Hier Rolle spielen. muss daher nach neuen Möglichkeiten gesucht werden.

WWF Deutschland 119 Bislang gibt es kein koordiniertes Vorgehen von Stadt- noch gelangten wir bei der Einzelprojektbetrachtung umbau/-rückbau und Hochwasservorsorge. Hochwasser in der Vorrecherche zu der Erkenntnis, dass diese DIN findet sich nicht in den Leitbildern der Stadtumbau- auch in naturschutzfachlich extrem wertvollen Gebieten Ost-Programme (Abbruch und Aufwertung). Dazu häufig ohne die notwendige Sensibilität für den Einzel- sollten die aussagekräftigen Gefahrenhinweiskarten fall gehandhabt wurde. des Landesamtes für Umwelt und Geologie sowohl den Entscheidungen über den Abriss von Gebäuden als In der hier vorliegenden Studie wurden zur Anwendung auch über Aufwertungsmaßnahmen verstärkt zugrunde der RAS-Q keine Praxisfälle aufgearbeitet. Allerdings gelegt werden. liegen besonders in den engen Tälern der vom Hoch- wasser betroffenen Mittelgebirge zahlreiche bekannte l) Unzureichende Förderung von Unternehmensverla- Fälle vor, wo auf wenig befahrenen Straßen unter dem gerungen Projekttitel „Wiederherstellung durch Ausbau“ Infra- Soweit eine Umsiedlung etwa von Gewerbe von ge- strukturmaßnahmen zu bedeutenden Verbreiterungen fährdeten Standorten erfolgen soll, wird dies im Regel- der Trassen geführt haben. Nach der Darstellung der fall für den Gewerbetreibenden nur interessant werden, örtlichen Verwaltung war die Fördermittelvergabe an wenn dies nicht mit zusätzlichen finanziellen Belastun- die Querschnittsanpassung der Straßen an die Erfor- gen für ihn verbunden ist. Soweit hier Förderung mit dernisse der RAS-Q gebunden. Als Konsequenz kam öffentlichen Mitteln möglich ist, beschränkt sich diese es baubedingt regelmäßig zu bedeutenden Eingrif- auf eine Investitionsförderung am neuen Standort. Für fen in angrenzende Natura-2000-Gebiete. Durch die die eigentlichen Wechselkosten bestehen keine Förder- Verbreiterung der Straßen sind nun wesentlich höherer möglichkeiten. Damit bleibt eine Betriebsverlagerung Geschwindigkeiten möglich. Das führt gerade in den eine betriebswirtschaftliche Mehrbelastung des Un- unmittelbar anliegenden bzw. durchschnittenen Schutz- ternehmers und bleibt damit für diesen grundsätzlich gebieten zu erheblichen Auswirkungen auf die Schutz- uninteressant. gebietsziele. Außerdem kann für die verbreiterten Straßen eine Zunahme des Durchgangsverkehrs in die Hier müssten umfassende neue Fördermöglichkeiten Schutzgebiete hinein prognostiziert werden. gefunden werden, die deutliche Anreize schaffen könn- ten. o) Einfluss von Drittinteressen (Bsp. gesteuerte/unge- steuerte Überflutung) m) Schutzwälder Zusätzliche Überflutungsflächen lassen sich im Hoch- Um forstwirtschaftliche Instrumente des vorsorgenden wasserfall grundsätzlich durch gesteuerte oder unge- Hochwasserschutzes besser anwenden zu können, ist steuerte Überflutung nutzen. Die Entscheidung für eine es notwendig, dass der Forstwirtschaft von der Was- der beiden Möglichkeiten basiert regelmäßig auf einer serwirtschaft verbesserte Grundlagen zur Verfügung Abwägung von Unterhaltungskosten, Naturverträglich- gestellt werden. Auf dieser Grundlage sind problemo- keit, Aufwand - letztlich häufig Nachhaltigkeitsaspek- rientiert Schutzwaldausweisungen im Sinne des Hoch- ten versus Wirkungsgrad. wasserschutzes einzusetzen. Tendenziell besteht bei Entscheidungen dieser Art je- n) Technische Normen und Anforderungen der Nach- doch daneben immer die Gefahr, dass auch noch ande- haltigkeit und des Umweltrechts rer Interessen mit bedient werden, die nicht unmittelbar Verschiedene technische Handlungsanweisungen zur mit dem Hochwasserschutz und dessen Nachhaltigkeit Ausführung von Bauprojekten (z. B. DIN 19712 für in Verbindung stehen (etwa Landwirtschaft, Fischerei). Flussdeiche und RAS-Q für Straßenquerschnitte) Nicht zuletzt können hier die Interessen der Bauwirt- werden regelmäßig idealtypisch angewendet. Eventu- schaft über die Wege kommunaler Einflussnahme ell auftretende Konflikte mit den Anforderungen des großes informelles Gewicht erlangen. Der Bau teurer Naturraumes müssen in der Praxis hinter den als gesetzt Auslassbauwerke ist aus deren Sicht viel ertragverspre- betrachteten Normen zurücktreten. chender als die Aussicht, bei Deichrückverlegungen mit Bei unseren Fallrecherchen spielten diese Detailaus- dem Bagger Deiche wegräumen zu können. wertungen zur DIN 19712 keine tragende Rolle. Den-

120 WWF Deutschland 5. Zusammenfassung In der vorliegenden Studie erfolgte eine Darstellung der Sächsischen Staatsregierung für die Mittelfestset- der Umsetzung fachlicher Anforderungen an einen zung des EFRE-Fonds für die Förderperiode 2007 bis nachhaltigen, vorbeugenden Hochwasserschutz (5- 2013 sind innerhalb der Prioritätsachse Infrastruktur Punkte-Programm der Bundesregierung; LAWA, IKSE, knapp 405 Mio € für Hochwasserschutz vorgesehen. Wasserbauer) in Rahmenrecht (vor allem WHG), dieses umsetzendes Landesrecht (Wassergesetze der Länder), Nachhaltige Verwendung von Finanzierungshilfen das Recht der Raumordnung, Bauleitplanung und Bau- bedeutet daher eine Optimierung hinsichtlich zweier ordnung bis hin zu den Hochwasserschutzstrategien der Aspekte. Einerseits sollten: Länder, den Förderansätzen verschiedener öffentlicher - die Investitions- und langfristigen Unterhaltungs- Förderprogramme und den Anforderungen an deren kosten der Maßnahmen so gering wie möglich Vergabe mittels Vergaberichtlinien. Dabei konnte auf- gehalten werden und zugleich sollte gezeigt werden, dass die Verbindlichkeit der Beachtung - die Wirksamkeit künftiger Schadensvermeidung wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekte ausgehend von so hoch wie möglich sein. den großen Leitlinien über die konkretisierenden Re- gelungen bis zu den unmittelbaren Maßnahmen zuneh- Es muss genauso vermieden werden, dass künftig mend unkonkreter wurde bis keine Rolle mehr spielte. öffentliche Gelder zur Beseitigung von eigentlich Ungeachtet der regelmäßig feststellbaren Unverbind- vermeidbaren Schäden aufgebracht werden, wie lichkeit bis Irrelevanz wesentlicher Nachhaltigkeitskri- auch die gegenwärtigen und künftigen finanziellen terien in der Summe der finanzierten Maßnahmen, wird Belastungen der öffentlichen Hand für Hochwasser- ihre Beachtung aber von den geltenden Regelungen schutz so gering wie möglich sein sollten. nicht ausgeschlossen, sondern theoretisch sogar tenden- ziell befördert. 5.2 Die Kriterien der Nachhaltigkeit Finanziert und umgesetzt werden dürfen keine Projek- te, die zu den nachfolgenden Anforderungen an einen 5.1 Die Aufgabe - Finanzierung von nach- nachhaltigen vorbeugenden Hochwasserschutz im Wi- haltigen Maßnahmen des vorbeugen- derspruch stehen. Vielmehr muss dafür Sorge getragen den Hochwasserschutzes werden, dass gerade solche Projekte geplant und finan- Hochwasser verursachen häufig Schäden in Milliar- ziert werden, die diesen Anforderungen entsprechen. denhöhe. Andererseits verschlingen auch Anlagen des Hochwasserschutzes Milliarden an Investitions- und 1. Verminderung des Schadenspotentials Unterhaltungskosten. Im verhältnismäßig dicht besiedelten Deutschland wurden und werden Werte in Gebieten angehäuft So hinterließ bspw. die Jahrhundertflut vom Sommer (Schadenspotential), die ehemals den Flüssen als Über- 2002 materielle Schäden von über 11 Mrd. €, wovon schwemmungsflächen zur Verfügung standen. Trifft etwa die Hälfte öffentliches Eigentum betrafen. Die ein Hochwasser auf diese Siedlungen, Industriegebiete Schäden an öffentlichen Infrastruktureinrichtungen und sonstigen Bauwerke, so kann es sehr hohe Schäden betrugen 3,5 Mrd. €. Die zur unmittelbaren Schadens- verursachen. Daher muss nach Möglichkeit die Anhäu- beseitigung aus öffentlichen Quellen bereitgestellten fung neuer Werte (Hochbauten, Infrastruktur, insbes. Mittel beliefen sich auf 7,8 Mrd. €. Straßen) vermieden und verhindert werden. Vielmehr Allein nach dem August-Hochwasser 2002 wurden in müssen nach Möglichkeit vorhandene Werte aus diesen Sachsen fast 12.000 Schäden an Gewässern behoben, Gebieten entfernt werden (Rückbau, Verlagerung). wofür 522 Mio € ausgegeben wurden. Etwa aus dem Hochwasser-Aufbauhilfefonds flossen 111,9 Mio € in 2. Gewährleistung eines verbesserten Wasserrück- Hochwasserschutzprojekte, vor allem in Deichsanie- halts in der Fläche rungen. Aus dem Sonderprogramm „Hochwasser“ der (insbesondere in Hochwasserentstehungsgebieten) „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur Das Retentionsvermögen des Bodens muss bundesweit und des Küstenschutzes“ (GAK) flossen allein 2006 in und gerade in Hochwasserentstehungs- und Überflu- Gewässerausbau, Wildbachverbauung und Hochwas- tungsgebieten deutlich erhöht werden durch: serschutzanlagen 126,7 Mio €, wozu Neubewilligungen in Höhe von 212,8 Mio € kamen. Im aktuellen Entwurf

WWF Deutschland 121 - konsequente Neuaufforstungen, Der Umfang der Aufgabe wird deutlich allein bei einem - Waldumbau sowie Blick auf die Situation im Freistaat Sachsen, die weit- - Ausweitung landwirtschaftlicher Gründlandbewirt- gehend der in den anderen Bundesländern entspricht. schaftung und Die sächsische Staatsregierung stellt die Aufgabe selbst - nichtwendender Bodenbearbeitung. wie folgt dar114: „Laut EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist bis zum Zum Erhalt des Retentionsvermögens des Bodens Jahr 2015 der ‚gute ökologische Zustand’ für alle Was- muss serkörper (Fließ- und Stillgewässer, Grundwasser) zu - die fortschreitende Neuversiegelung gestoppt erreichen, […]. Die Bestandsaufnahme des SMUL aus oder zumindest eingedämmt und 2005 zur WRRL kommt zu dem Ergebnis, dass nur für - bestehende Versiegelung, wo immer dies möglich 12,9 % der Fließgewässerkörper (gemessen an der An- ist, beseitigt bzw. minimiert werden zahl) eine Zielerreichung derzeit als ‚wahrscheinlich’ angesehen wird, hingegen für 57,7 % ohne zusätzliche 3.) Schaffung neuer Retentionsflächen Maßnahem als ‚unwahrscheinlich’. (insbesondere durch großflächige Deichrückverlegun- Einfluss auf den ökologischen Zustand der Oberflä- gen) chengewässer haben auch strukturelle Veränderungen Allein an der Elbe sind von früher 6.172 km² (617.200 durch Querbauwerke, Uferverbaue, Hochwasserschutz- ha) umfassenden Überschwemmungsflächen heute anlagen, Beseitigung der Ufer- und Wasservegetation, lediglich noch Flächen von insgesamt 838 km² (83.800 Sohlvertiefungen u.a. Besonders problematisch ist ha) übrig geblieben. Das entspricht einem Rückgang der Zustand der natürlichen Auen. Sie sind in vielen der Überschwemmungsfläche auf nur noch 14 % des Abschnitten stark beeinträchtigt. 60 % der Fließge- ursprünglichen Bestandes. wässerabschnitte sind in ihrer Auendynamik ‚deutlich’ Aufgabe der aktuellen Hochwasserschutzstrategien und bis ‚vollständig verändert’. Die Verbesserung der -konzepte wäre es daher, u.a. an der Elbe und ihren Zu- Fließgewässer- und Auenstruktur ist auch aus Sicht flüssen im möglichst großen Maße (d.h. möglichst meh- des Hochwasserschutzes von Belang, da die Gewässer rere zehntausend Hektar und nicht nur wenige tausend aufgrund ihrer z.T. naturfernen Struktur sowie mangels Hektar) Überschwemmungsfläche zurückzugewinnen. Retentionsflächen Wassermengenereignisse nicht mehr fassen können.“ 4.) Verbindung von Hochwasserschutz mit dem geltenden Ziel der Verbesserung der Gewässer- 5.) Technischer Hochwasserschutz qualität (WRRL) - Synergieeffekte Im Bezug auf einen nachhaltigen vorbeugenden Hoch- In einer Gesamtschau auf die WRRL lässt sich erken- wasserschutz liegen die Grenzen des technischen nen, dass der Schutz noch vorhandener Auen und die Hochwasserschutzes, insbesondere des Deichbaus auf Wiederherstellung ehemals vorhandener Auen aus der der Hand: Richtlinie indirekt abgeleitet werden können. Damit - Hohe Deiche bewahren möglicherweise vor Über- lässt sich letztlich auch die Forderung nach einem natur- schwemmung, beschleunigen aber zugleich talwärts nahen Hochwasserrückhalt in den Auen aus der Richt- strömende Wassermassen (Probleme werden auf linie herauslesen. Auch wenn sich also ein „naturnaher Unterlieger verlagert bzw. dort neu geschaffen); Hochwasserschutz“ mit Hilfe der Richtlinie nur indirekt - Deiche können der Anlage oder Erweiterung von begründen lässt, gibt die Richtlinie zumindest bei der Retentionsflächen im Wege stehen; anschließenden Umsetzung des „naturnahen Hoch- - überdies verursacht der technische Hochwasser- wasserschutzes“ recht deutliche Vorgaben. Und nicht schutz hohe Kosten (Errichtung und Unterhaltung) zuletzt enthält die Richtlinie - im Gegensatz zur bundes- und republikanischen Gewässerschutzgesetzgebung - klare - nicht zuletzt werden dabei Werte in Überflutungs- Zeitvorgaben. Die Erreichung eines „guten Zustandes“ räumen geschaffen, die wiederum selbst ein Scha- (und damit in optimistischer Betrachtung auch die denspotential bilden; Revitalisierung von ganzen Flusslandschaften) muss bis 2015 erreicht sein (Ausnahmen sind möglich). Bei dem üblichen Planungsvorlauf, besteht damit ein erheblicher Zeitdruck für die Umsetzung der WRRL und damit für 114 Vgl. dazu den Entwurf der Sächsischen Staatsregierung für das Operationelle Programm, d.h. die Mittelfestsetzung des die Verknüpfung mit den ebenfalls derzeit in Aufstel- EFRE-Fonds für die Förderperiode 2007 bis 2013 (Fassung lung befindlichen Hochwasserschutzkonzepten vom 20.10.2006), Punkt Umwelt/Wasser, Abs. 195f.

122 WWF Deutschland - zudem wiegen sie die Anlieger in einer scheinbaren Sicherheit und befördern damit, dass noch mehr • Dafür scheinen aber zumindest im Bereich alternati- Werte (Schadenspotential) hinter dem Deich ge- ver Ackerbauformen deutlich Fortschritte erfolgt zu schaffen werden. sein. So konnte in Sachsen zwischen 1993/1994 und 2002/2003 der Anteil der konservierenden Bodenbe-  Technischer Hochwasserschutz ist vielerorts we- arbeitung von 0,2 % auf 27,0 % der Gesamtackerflä- gen nicht mehr rückgängig zu machender mensch- che gesteigert werden. Dies erfolgte jedoch weniger licher Nutzung der natürlichen Überflutungsräume im Zusammenhang mit Programmen des Hochwas- weiterhin notwendig. Grundsätzlich (insbesondere serschutzes, als vielmehr im Rahmen des Förderpro- bezogen auf den Deichbau) stellt er aber keine gramms „Umweltgerechte Landwirtschaft. Lösung der Probleme dar, sondern verlagert diese regelmäßig bzw. erschafft sogar neue. • Aufforstung ist Gegenstand öffentlicher Förder- programme. So fördert etwa der Freistaat Sachsen 5.3 Die aktuelle Praxis des ab Mai 2007 die Erstaufforstung innerhalb des Hochwasserschutzes Förderprogramms „Agrarumweltmaßnahmen und Waldmehrung“ mit einer Bezuschussung von 70 % 1. Verminderung des Schadenspotentials zu dem Ziel, den Waldanteil des Freistaates Sachsen • Die weitere Neuerrichtung von Hochbauten auf langfristig von derzeit 28 % auf 30 % der Landesflä- Überschwemmungsflächen der Flüsse ist durch che zu erhöhen.“ entsprechende Änderungen im Baurecht künftig nur noch in begründeten Ausnahmefällen möglich. • Waldumbau findet in Deutschland schon seit Jahren statt, etwa in Sachsen gezielt seit 1991/92 betrie- • Die Neuerrichtung bzw. der großzügige Ausbau ben. Allerdings erfolgte dieser nicht im Hinblick öffentlicher Infrastruktur, insbesondere der von auf Verbesserungen im Hochwasserschutz, sondern Straßen auf potentiellen Überschwemmungsflächen bezüglich einer ökologisch und forstwirtschaftlich erfolgt unvermindert. Oftmals werden diese Projekte besseren Durchmischung und Standortanpassung. sogar ausgerechnet mit öffentlichen Hochwassergel- dern finanziert. • Förmlich festgesetzte Hochwasserentstehungsge- biete gibt es in Sachsen derzeit lediglich eines, das • Der Rückbau bzw. die Verlegung bestehender Sied- HWEG „Geising-Altenberg“ (seit dem 24.10.06). lungs- und Gewerbestandorte gelang bislang nur in Ein weiteres HWEG („Schwarzwasser-Teilgebiet zwei Einzelfällen, beidemale in Sachsen. So wurde Breitenbrunn“) ist in Vorbereitung. Beide Auswei- das erst wenige Jahre zuvor im Überflutungsgebiet sungen werden pilothaft durchgeführt. Konkrete entstandene Wohn- und Gewerbegebiet Röderau- Maßnahmen zur Verbesserung erfolgten noch nicht. Süd in der Gemeinde Zeithain nach der Flut 2002 vollständig verlegt. In der Gemeinde Weesenstein • Ungebremst ist dagegen die Neuversiegelung von wurden die bei der Flut 2002 zerstörten bzw. stark Flächen in Deutschland. In den letzten vier Jahren beschädigten Gebäude nicht wiedererrichtet. nahm das Wachstum von Siedlungs- und Verkehrs- Weitere Umsiedlungen von Wohn- und/oder Gewer- flächen täglich eine Fläche von 115 Hektar neu in bestandorten werden in Deutschland derzeit nicht Anspruch. Das entspricht in etwa einer Fläche von geplant. Nachgewiesen werden konnte in beiden ca. 160 Fußballfeldern. Etwa die Hälfte davon ist Fällen, dass solche Maßnahmen bei allen Schwie- versiegelt. Speziell im Freistaat Sachsen verschwin- rigkeiten grundsätzlich realisierbar sind, sofern ein den durch Versiegelung täglich 8 Hektar Boden, das ausreichender politischer Wille vorhanden ist. entspricht etwa 15 Fußballfeldern.

2. Gewährleistung eines verbesserten 3. Schaffung neuer Retentionsflächen Wasserrückhalts in der Fläche (insbesondere durch großflächige Deichrückverlegun- (insbesondere in Hochwasserentstehungsgebieten) gen) • Programme zur großflächigen Umwandlung von Von früher 617.200 ha Überschwemmungsflächen der Ackerland in Grünland sind bislang nicht bekannt Elbe sind durch Verkürzung der Lauflänge der Elbe geworden, auch keine Statistiken über nennenswerte (Abtrennen von Flussbögen) und Eindeichungen heute Erfolge auf diesem Gebiet. lediglich noch 83.800 ha übrig geblieben. Das ent-

WWF Deutschland 123 spricht einem Rückgang der Überschwemmungsfläche liche Fragen bei technischen Hochwasserschutzpro- auf nur noch 14 % des ursprünglichen Bestandes. jekten deutlich zurückgestellt. So entstanden etwa im Der „Aktionsplan Hochwasserschutz Elbe“ der IKSE Standardfall die HWSK im Zuge eines Verfahrens rein von 2003 sieht ernsthafte Untersuchungen für Deich- hydrologischer Optimierung (Optimierung/Auswahl rückverlegungen zur Auenrenaturierung an Standorten hydrologisch begründeter Planungsvarianten). Natur- an der Mittleren Elbe für lediglich insgesamt 2.685 schutzfachliche Anforderungen und Optimierungsge- Hektar vor. Der mögliche Gewinn an Retentionsflä- danken waren dabei Nebenaspekte. Wurden sie nachge- che nach den Planungen in Sachsen-Anhalt (Stand reicht, konnte dies regelmäßig zu keinen wesentlichen 2005) beträgt insgesamt mögliche 2.268 Hektar. Die Projektveränderungen mehr führen. Naturschutzfach- in Sachsen erstellten insgesamt 47 Hochwasserschutz- liche Optimierung von Hochwasserschutzprojekten konzepte (HWSK) enthalten insgesamt 1.596 Maßnah- insbesondere im Hinblick auf die WRRL scheitert mevorschläge für Hochwasserschutzmaßnahmen. Nur damit schon an der Verfahrensstruktur der Entwicklung ein verschwindend geringer Anteil (9 Einzelvorhaben) der aktuellen HWSK. beschäftigt sich mit Rückdeichungen. Bezogen auf die geschätzten Investitionskosten würden diese wenigen 5. Technischer Hochwasserschutz Maßnahmen jedoch einen Großteil des Gesamtbudgets Tatsächlich liegt der Schwerpunkt im derzeit prak- beanspruchen (mdl. Aussagen der Landestalsperrenver- tizierten Hochwasserschutz nicht darin, den Flüssen waltung Sachsen). Nach aktuellem Planungsstand sind wie ursprünglich beabsichtigt, mehr Raum zu geben. in Sachsen in Umsetzung der Maßnahmen der Hoch- Vielmehr besteht Hochwasserschutz - wie in der Ver- wasserschutzkonzepte mittlerweile rund 2.000 ha neue gangenheit - nahezu ausschließlich aus Maßnahmen des Rückhalteflächen (gesteuert und ungesteuert) geschaf- technischen Hochwasserschutzes. In der Summe wird fen worden bzw. in Umsetzung. Hinzu kommen Maß- Hochwasserschutz ganz traditionell vor allem in der nahmevorschläge aus dem HWSK Elbe, die weitere Ertüchtigung bestehender Deiche gesehen. So wurden 2.090 ha Rückhalteflächen betreffen (deren vollständige etwa an der Elbe und ihren Nebenflüssen allein von Realisierung aber derzeit nicht feststeht). 2003 bis 2005 insgesamt 241,4 km bestehende Dei- che mit einem finanziellen Aufwand von 228,2 Mio € Aktuell werden Deichrückverlegungen im Umfeld der ertüchtigt. Elbe also lediglich für wenige tausend Hektar überwie- gend nur geprüft, dies entspricht der Rückgewinnung 5.4 Die Ursachen fehlender Nachhaltigkeit von weniger als einem Prozent der verlorenen Über- schwemmungsflächen. 5.4.1 Rechtliche Vorgaben Zusammenfassend lässt sich für die umfangreiche 4. Verbindung von Hochwasserschutz mit dem Rechtsetzung zum Hochwasserschutz (vor allem WHG, geltenden Ziel der Verbesserung der Gewässer- dieses umsetzende Wassergesetze der Länder, das Recht qualität (WRRL) - Synergieeffekte der Raumordnung, Bauleitplanung und Bauordnung) Die Verbesserung der Gewässerqualität im Sinne der feststellen, dass dieses einen nachhaltigen vorbeugen- WRRL bzw. die ökologische Aufwertung der Gewäs- den Hochwasserschutz nicht nur begünstigt, sondern ser stellen bis heute kein nennenswertes Anliegen von nachdrücklich einfordert. Allerdings sind die ent- Projekten und Konzepten des Hochwasserschutzes dar. sprechenden Vorgaben oftmals nicht zwingend genug Auch spielten diese Fragen bei der Finanzierung von und können dadurch in der Praxis zugunsten anderer Maßnahmen zur Hochwasserschadensbeseitigung in Aspekte regelmäßig zurückgestellt werden. Insbesonde- der Summe keine Rolle. Erwünschte Synergieeffekte re kann die bestehende rechtliche Forderung nach einer werden damit gerade im Hinblick auf die Umsetzungs- Ausweitung der Retentionsräume und der nur nachran- frist der WRRL bis 2015 weitgehend verschenkt. Daran gigen Betrachtung von Maßnahmen des technischen ändern auch vereinzelte kleinere ökologische Modell- Hochwasserschutzes in der Praxis leicht in ihr direktes projekte nichts. Gegenteil verkehrt werden.

Werden also nicht nur ökologisch optimierte Hoch-  Insgesamt entsprechen die rechtlichen Vorgaben wasserschutzkonzepte in der Summe gar nicht erst in weitgehend den Anforderungen der Nachhaltig- Angriff genommen, so werden sogar naturschutzfach- keit, sind jedoch nicht zwingend genug.

124 WWF Deutschland 5.4.2 Die Hochwasserschutzstrategien der nur mit maximal 5 % Gewichtungsmasse berücksichtigt Länder werden. a) Sachsen  In Sachsen führt die Anwendung des Priorisie- Hochwasserschutz ist in Sachsen derzeit eines der rungsschemas insgesamt zu einer eindeutigen wichtigsten Anliegen der Landespolitik. Umfang und Bevorzugung von Maßnahmen des technischen Qualität der bisherigen konzeptionellen Arbeit über- Hochwasserschutzes zum Schutz von Werten, die treffen die der anderen Bundesländer erheblich. In sich in ursprünglichen Überflutungsräumen der einem mehrstufigen Verfahren gelangte man ausgehend Flüsse befinden. Ein Hochwasserschutz entspre- von strategischen Leitlinien und einer ausformulierten chend der Nachhaltigkeitskriterien ist damit weit- Hochwasserschutzstrategie in mehreren Schritten zu gehend ausgeschlossen bzw. marginalisiert. insgesamt 47 Hochwasserschutzkonzepte (HWSK), die 1.596 Maßnahmevorschläge für Hochwasserschutz- b) Sachsen-Anhalt maßnahmen enthalten, konzipiert als Generationenpro- Bezogen auf die Nachhaltigkeitskriterien ist festzu- jekt. Die Realisierung der einzelnen Maßnahmen richtet stellen, dass bei der Hochwasserschutzkonzeption von sich nun nach einem differenzierten Priorisierungssche- Sachsen-Anhalt weder die Verminderung des Schaden- ma. An diesem bemisst sich daher letztlich die Frage spotentials (1.), noch die Verbesserung des Wasserrück- der tatsächlichen Nachhaltigkeit der Aktivitäten im halts in der Fläche (2.) eine nennenswerte Rolle spielen. Freistaat Sachsen. Die Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) beschränkt sich auf wenige Vorzeigeprojekte. Sachsen-Anhalt setzt Für die den späteren Konzeptionen zugrundeliegen- nahezu ausschließlich auf einen technischen Hochwas- de Hochwasserschutzstrategie ist im Bezug auf die serschutz. Die Verbindung von Hochwasserschutz mit Nachhaltigkeitskriterien festzustellen, dass Hochwas- einer ökologischen Aufwertung der Gewässer im Sinne serschutz zunächst auf der Verminderung des Schaden- der WRRL (4.) wird nicht nur nicht angestrebt, sondern spotentials (1.) basieren soll. Allerdings bezieht sich vielmehr recht deutlich als unerwünschtes zusätzliches die Konzeption dabei nur auf die Bauvorsorge und die Problem bezeichnet. Angesichts der vermeintlichen Verhinderung neuer Bauvorhaben. Rückbau gehört Erfordernisse eines technischen Hochwasserschutzes nicht zur Strategie. Ebenfalls ist Bestandteil der Stra- sollen Umweltaspekte als Störfaktoren aus der Planung tegie die Gewährleistung eines verbesserten Wasser- nach Möglichkeit beseitigt werden. rückhalts in der Fläche (2.). Doch gerade die Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) findet in der Grundkonzep-  Sachsen-Anhalt setzt nahezu ausschließlich auf tion keine Erwähnung mehr (im Gegensatz zu den der einen technischen Hochwasserschutz. Ein Hoch- Strategie vorangegangenen sog. Leitsätzen). Ebenfalls wasserschutz entsprechend der Nachhaltigkeitskri- keine Erwähnung findet die Verbindung von Hochwas- terien ist damit weitgehend ausgeschlossen bzw. serschutz mit der WRRL (4.). Andererseits ist im Sinne marginalisiert, die Verbindung von Hochwasser- der Nachhaltigkeitskriterien zu begrüßen, dass der tech- schutz mit einer ökologischen Aufwertung wird nische Hochwasserschutz nur als auf der Verminderung sogar ausdrücklich als unerwünscht bezeichnet. des Schadenspotentials und dem verbesserten Was- serrückhalt in der Fläche aufbauend betrachtet wird. c) Brandenburg Technischer Hochwasserschutz wird in dieser Hinsicht Bezogen auf die Nachhaltigkeitskriterien ist festzu- als nachrangig dargestellt. stellen, dass bei der Hochwasserschutzkonzeption von Für tatsächlichen Aktivitäten im Freistaat Sachsen, Brandenburg weder die Verminderung des Schadenspo- bezogen auf das entwickelte Priorisierungsschema tentials (1.), noch die Verbesserung des Wasserrückhalts (Gewichtung verschiedener Aspekte anteilig an 100 % in der Fläche (2.) eine nennenswerte Rolle spielen. Die Gesamtbetrachtung), ist festzustellen, dass die Ver- Schaffung neuer Retentionsflächen (3.) beschränkt sich minderung des Schadenspotentials (1.) durch Rückbau auf wenige Vorzeigeprojekte. Brandenburg setzt nahezu keine Relevanz hat (Vorhandenes wird geschützt, nicht ausschließlich auf einen technischen Hochwasser- vermindert). Die Schaffung neuer Retentionsflächen schutz. Die Notwendigkeit einer Verbindung von Hoch- (3.) kann lediglich an untergeordneter Stelle Beachtung wasserschutz mit einer ökologischen Aufwertung der finden, und dabei mit maximal 10 % insgesamt eher Gewässer im Sinne der WRRL (4.) wird grundsätzlich schwach gewichtet werden. Die Verbindung von Hoch- erkannt, reduziert sich in der Umsetzung aber ebenfalls wasserschutz mit der WRRL (4.) kann insgesamt sogar auf wenige Vorzeigeprojekte.

WWF Deutschland 125  Brandenburg setzt nahezu ausschließlich auf einen den Nachhaltigkeitskriterien. Die tatsächlich technischen Hochwasserschutz. Ein Hochwasser- im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz schutz entsprechend der Nachhaltigkeitskriterien erfolgten/geplanten Maßnahmen scheinen sich ist damit weitgehend ausgeschlossen bzw. margi- dennoch weitgehend auf den technischen Hoch- nalisiert. wasserschutz zu beschränken.

d) Niedersachsen 5.4.3 Die Finanzierungsinstrumente Festzuhalten ist, dass es in Niedersachsen keine aus- Zur Finanzierung von Projekten des Hochwasserschut- drückliche Hochwasserschutzstrategie auf Landesebene zes, wie auch zur Beseitigung von Hochwasserschäden gibt. Die Zuständigkeit liegt hier bei den Gemeinden. standen und stehen eine Vielzahl von Fonds zur Verfü- Damit entspricht der Hochwasserschutz in Nieders- gung. achsen im Wesentlichen schlicht einer Anwendung bestehender Gesetze bei der kommunalen Planung  Fördern einige Fonds ausdrücklich nachhaltige (Bauleitplanung) und im Bauordnungsrecht. Naturnahe Projekte, so spielen Fragen der Nachhaltigkeit bei Gestaltung der Oberflächengewässer (Nachhaltigkeitsa- der Vielzahl der Fonds keine bzw. nur eine unter- spekt (4.)) ist in Niedersachsen ein Thema, steht aber geordnete Rolle. in keinem ausdrücklichen Zusammenhang mit dem Insgesamt ermöglichen die Fonds damit einerseits Hochwasserschutz. grundsätzlich die Finanzierung von Projekten, die den Anforderungen der Nachhaltigkeit genü-  In Niedersachsen besteht keine ausdrückliche gen. Andererseits sind sie in dieser Hinsicht nicht Hochwasserschutzstrategie. nur nicht zwingend genug. Vielmehr ist auch die Finanzierung von Vorhaben, die im direkten Wi- e) Thüringen derspruch zu den Nachhaltigkeitskriterien stehen, Bezogen auf die Nachhaltigkeitskriterien ist festzustel- insgesamt betrachtet leicht möglich. len, dass vorbeugender Hochwasserschutz, so wie er seitens der Landesregierung beschrieben wird, weitege- a) Solidaritätsfonds der EU hend den Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Die Ver- Der Solidaritätsfonds der EU dient in erster Linie einer minderung des Schadenspotentials (1.) spielt keine nen- schnellen Hilfe bei Naturkatastrophen größeren Ausma- nenswerte Rolle. Auch wenn der menschliche Einfluss ßes. Der Fonds verfügt über Haushaltsmittel in Höhe auf die Auswirkungen von Hochwasserereignissen im von jährlich 1 Mrd. EUR. Die Mittel selbst werden Hinblick auf Flächenversiegelungen grundsätzlich als dabei weitgehend zur Wiederherstellung von Anlagen eher gering angesehen wird, wird jedoch die Notwen- verwendet, die langfristigen Bestand haben sollen. digkeit einer Verbesserung des Wasserrückhalts in der Fläche (2.) gesehen. Die Schaffung neuer Retentions-  Bezogen auf die Nachhaltigkeitskriterien ist flächen (3.) wird als Hauptaufgabe benannt; technischer festzustellen, dass bei der Mittelvergabe die Hochwasserschutz wird demgegenüber ausdrücklich Verminderung des Schadenspotentials (1.), nur als sekundär bezeichnet. Auch die Notwendigkeit einer insofern eine Rolle spielte/spielt, dass das Ausmaß Verbindung von Hochwasserschutz mit einer ökologi- künftiger Schäden vor Ort durch Präventivmaß- schen Aufwertung der Gewässer im Sinne der WRRL nahmen reduziert werden soll. Die Prüfung, ob (4.) wird deutlich dargelegt. ein Schandesausgleich/Wiederaufbau besser an Insgesamt bleibt aber die praktische Umsetzung dieser anderer Stelle erfolgen soll, war/ist keine Voraus- Grundsätze zu hinterfragen. Auch in Thüringen schei- setzung für die Inanspruchnahme von Geldern nen sich die tatsächlich im Zusammenhang mit dem aus dem Solidaritätsfonds. Eine Verbesserung des Hochwasserschutz erfolgten/geplanten Maßnahmen Wasserrückhalts in der Fläche (2.), die Schaffung zunächst weitgehend auf den technischen Hochwasser- neuer Retentionsflächen (3.) oder die Verbindung schutz zu beschränken. von Hochwasserschutz mit einer ökologischen Aufwertung der Gewässer im Sinne der WRRL  Die Hochwasserschutzstrategie des Freistaates (4.) sind kein Gegenstand der Regelungen des Thüringen entspricht bis auf die Frage der Ver- Solidaritätsfonds. minderung des Schadenspotentials weitgehend

126 WWF Deutschland b) Bund-Länder-Fonds „Aufbauhilfe“ ermöglicht, und die Verbindung von Hochwas- Wichtigstes Finanzierungsinstrument für den Wie- serschutz mit einer ökologischen Aufwertung der deraufbau nach dem Augusthochwasser 2002 war der Gewässer im Sinne der WRRL (4.) deutlich gefor- Fonds Aufbauhilfe. Der Fonds wurde gespeist durch dert wird. Ausdrücklich steht die Schaffung neuer Mittel des Bundes, der Länder und der Gemeinden und Retentionsflächen (3.) gegenüber dem technischen verfügte insgesamt über 7 Mrd €. Hochwasserschutz im Vorrang, die Verbesserung  Eine Verbindung der Mittelvergabe mit Nachhal- des Wasserrückhalts in der Fläche (2.) wird aus- tigkeitskriterien des vorbeugenden Hochwasser- drücklich genannt. schutzes erfolgte nicht. Wenn dennoch in der Praxis nicht Projekte im Sinne c) Bundeshaushalt der Nachhaltigkeitskriterien im Vordergrund stehen, Die Bundesregierung finanzierte die Wiederherstellung sondern solche des technischen Hochwasserschutzes der Bundesverkehrsinfrastruktur vorrangig durch Um- und speziell bei GAK solche im Bereich der ländlichen schichtungen im Bundeshaushalt und nicht mit Mitteln Infrastruktur (vor allem Straßen), so muss dies wohl des Fonds „Aufbauhilfe“ (allein an den Schienenwegen vor allem mit den politischen Wünschen vor Ort erklärt der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes werden. Und weiter damit, dass nicht nachhaltige Schäden in Höhe von etwa 850 Mio €). Maßnahmen wie Straßenbau in Flussauen eben letztlich  Eine Verbindung der Mittelvergabe mit Nachhal- auch über GAK finanzierbar sind. Nachhaltigkeitskrite- tigkeitskriterien des vorbeugenden Hochwasser- rien sind also offenbar nicht zwingend. schutzes erfolgte nicht. g) Förderprogramm des Bundes „Errichtung und d) Landeshaushalte Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Land- Auch die Länder stellten nach den Schäden 2002 für schaft mit gesamtstaatlich repräsentativer Bedeutung Soforthilfen und -maßnahmen unverzüglich Mittel aus Mit diesem Programm soll die Erhaltung des Natur- den Landeshaushalten zur Verfügung erbes und der biologischen Vielfalt in Deutschland (Sachsen 101 Mio €). unterstützt werden. Ziel ist es, großflächige, naturnahe  Eine Verbindung der Mittelvergabe mit Nachhal- Landschaften und die dort vorkommenden wildleben- tigkeitskriterien des vorbeugenden Hochwasser- den und aktuell gefährdeten Pflanzen- und Tierarten schutzes erfolgte nicht. dauerhaft zu sichern. Im Rahmen des Förderprogramms werden auch Vorhaben finanziell unterstützt, die der e) Arbeitsmarktprogramm des BMWA dauerhaften Sicherung und Wiederherstellung von Aus dem Arbeitsmarktprogramm „Hochwasserhilfe Teil Fließgewässern und ihren Überschwemmungsgebieten III Deichbau 2002/2003“ flossen Mittel in Höhe von ca. dienen. Zehn von bislang 62 geförderten Projekten 44,5 Mio € durch das Bundesministerium für Wirtschaft dienen diesem Ziel. Insgesamt hat der Bund für bislang und Arbeit. zehn Projekte Mittel in Höhe von 89,42 Mio € (bei  Gesamtkosten von 119,86 Mio €) bereitgestellt. Eine Verbindung der Mittelvergabe mit Nachhal-  tigkeitskriterien des vorbeugenden Hochwasser- Das Programm dient unmittelbar der Verbin- schutzes erfolgte nicht. dung von Hochwasserschutz mit einer ökologi- schen Aufwertung der Gewässer im Sinne der f) Sonderprogramm „Hochwasser“ der „Gemein- WRRL (4.). schaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) h) EU-Strukturfonds EFRE GAK ist eine der wesentlichen Finanzierungsmög- Der Europäische Strukturfonds EFRE Fonds dient der lichkeiten für Projekte des Hochwasserschutzes. Die regionalen Entwicklung und stellt eine der wichtigsten Länder setzen im Mittel pro Jahr ca. 40 Mio € GAK- Finanzierungsinstrumente der (östlichen) Bundesländer Bundesmittel für Hochwasserschutzmaßnahmen ein. dar. Die konkrete Mittelvergabe erfolgt weitgehend  Bezogen auf die Nachhaltigkeitskriterien ist fest- nach den Vorstellungen in den Regionen (Länder) zustellen, dass GAK bezüglich Mittelvergabe und selbst, hat dabei aber bestimmten Vorgaben der EU Fördervoraussetzungen grundsätzlich sämtlichen zu genügen. Künftig werden besonders in Sachsen für vier Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Besonders Maßnahmen des Hochwasserschutzes verstärkt EFRE- hervorhebenswert ist, dass sogar Rückbau (1.) Mittel verwendet werden. Aktuell plant die Sächsischen

WWF Deutschland 127 Staatsregierung für die Förderperiode 2007 bis 2013 einen vorsorgenden Hochwasserschutz. Allerdings von den knapp 4 Mrd. € Strukturfondsmitteln knapp sind dessen Anforderungen nicht unmittelbar 405 Mio € (also über 10 %) für Hochwasserschutz verbindlich im Sinnen einer Fördervoraussetzung. einzusetzen. Daher können mit INTERREG geförderte Projekte in Praxis genausogut auch im Gegensatz zu den  Die Vorgaben zur Mittelvergabe durch die EU ste- Nachhaltigkeitskriterien stehen hen grundsätzlich mit den Nachhaltigkeitskriterien in Einklang. Hervorzuheben sind die Forderungen j) EU-Finanzierungsinstrument ELER / EAGFL nach künftiger Vermeidung von Sanierungskos- Der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwick- ten oder Schadensbehebung im Zusammenhang lung des ländlichen Raums (ELER) ist das neue, zen- mit der Umwelt, also auch natürlichen Hoch- trale Finanzierungsinstrument der EU in den Bereichen wasserereignissen (Verminderung des Schaden- Landwirtschaft und ländlicher Raum. Er vereint die spotentials (1.) sowie wohl auch Verbesserung bisher getrennt verwalteten Fonds EAGFL-A, EAGFL- des Wasserrückhalts in der Fläche (2.)). Dabei G und LEADER+. ELER soll zur Förderung nachhalti- sollen sämtliche Maßnahmen einer Verbesserung ger Entwicklung des ländlichen Raums beitragen. Der der natürlichen Ressourcen dienen (Verbindung Umfang des EAGFL machte in den letzten Jahren rund von Hochwasserschutz mit einer ökologischen die Hälfte des Haushaltes der Europäischen Union aus, Aufwertung der Gewässer im Sinne der WRRL bspw. im Haushaltsjahr 2004 rund 43,6 Milliarden Euro (4.) sowie letztlich auch Schaffung neuer Retenti- der 91,8 Milliarden umfassenden Ausgaben der EU. Im onsflächen (3.)). Insgesamt bleiben die Vorgaben Rahmen der Fördermaßnahmen zur Entwicklung des jedoch naturgemäß recht unkonkret. ländlichen Raums können auch für Maßnahmen des  Binnenhochwasserschutzes EAGFL-Mittel eingesetzt Die Pläne für eine künftige Mittelvergabe von werden. Ist der technische Hochwasserschutz vor allem EFRE in Sachsen stehen mit den Nachhaltig- Gegenstand des EFRE (schwerpunktmäßig in Sachsen), keitskriterien für einen vorsorgenden Hochwas- werden über ELER eher flächenbezogene Maßnahmen serschutz nur teilweise in Einklang. Zunächst ist im ländlichen Raum finanziert. hervorzuheben, dass nicht die Verminderung des  Grundsätzlich bietet ELER die Möglichkeit, Schadenspotentials (1.) im Vordergrund steht, son- Projekte zu finanzieren, die den Nachhaltigkeits- dern dessen Schutz. Allerdings ist etwa die Verle- kriterien entsprechen. Dies betrifft insbesondere gung von Infrastruktur vorgesehen, die in diesem den Aspekt der Verbesserung des Wasserrückhalts Zusammenhang grundsätzlich zu begrüßen ist. in der Fläche (2.) sowie einer ökologischen Auf- Ausdrücklich wird der Schwerpunkt auf Maßnah- wertung der Gewässer im Sinne der WRRL (4.). men des technischen Hochwasserschutzes gelegt, Grundsätzlich könnte ELER auch für Umwand- wohinter eine Verbesserung des Wasserrückhalts lung von Ackerflächen in Grünland im Zusam- in der Fläche (2.) und die Schaffung neuer Reten- menhang mit der Schaffung neuer Retentionsflä- tionsflächen (3.) eindeutig als sekundär zurücktre- chen (3.) eingesetzt werden und letztlich auch zu ten. Die Verbindung von Hochwasserschutz mit Standort-/Betriebsverlagerungen im Sinn einer einer ökologischen Aufwertung der Gewässer im Verminderung des Schadenspotentials (1.). Doch Sinne der WRRL (4.) wird erwähnt, bildet aber scheinen die beiden letzten Punkte derzeit nicht keinen Schwerpunkt der geplanten Maßnahmen. konkret geplant zu werden.

i) EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG Im Ergebnis gilt auch hier. Ein nachhaltiger vorbeu- Ziel der INTERREG-Initiativen ist es, dafür zu sorgen, gender Hochwasserschutz könnte durchaus mit Hilfe dass nationale Grenzen kein Hindernis für eine ausge- des Programms verwirklicht werden, wenn dazu der wogene Entwicklung und Integration des europäischen politische Wille in den Ländern vorhanden wäre. Ver- Raums darstellen. INTERREG dient nur als Neben- bindliche Vorgaben in dieser Hinsicht seitens der EU zweck auch dem vorbeugenden Hochwasserschutz. gibt es nicht.  Mit seiner Betonung von Innovation und Umwelt- freundlichkeit steht INTERREG er grundsätzlich im Einklang mit den Nachhaltigkeitskriterien für

128 WWF Deutschland k) EU-Strukturfonds FIAF die Deutsche Ausgleichsbank (DtA), die Hausbanken Neben EFRE besteht mit dem Finanzinstrument für die oder die jeweiligen Landesförderinstituten (in Sachsen Ausrichtung der Fischerei (FIAF) ein weiterer Struk- Sächsische Aufbaubank - SAB) bzw. in Sachsen-Anhalt Landesförderinstitut - Lfi). turfonds, der auch für Projekte eingesetzt werden kann,  die im Zusammenhang mit dem vorbeugenden Hoch- Eine Verbindung mit diesen Sonderkrediten/Ei- wasserschutz stehen. genkapitalhilfen mit den oben genannten Nachhal-  Grundsätzlich bietet FIAF die Möglichkeit, tigkeitskriterien für einen vorsorgenden Hochwas- Projekte zu finanzieren, die einer ökologischen serschutz fand nicht statt. Insbesondere erfolgte Aufwertung der Gewässer im Sinne der keine Prüfung, ob die betroffenen Unternehmen WRRL (4.) dienen. nicht besser verlagert werden sollten (Verminde- rung des Schadenspotentials (1.)). Allerdings war Auch hier gilt, die Fonds-Mittel können zur Unterstüt- regelmäßig mit der Geldausreichung ein Nach- zung von nachhaltigen Maßnahmen im Zusammenhang weis der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit mit dem vorbeugenden Hochwasserschutz könnte ein- verbunden, womit zumindest theoretisch Betriebe gesetzt werden, wenn dazu der politische Wille in den von der Förderung ausgeschlossen wurden, deren Ländern vorhanden ist. Verbindliche Vorgaben in dieser Wiedererrichtung nur bei zwingenden Hochwas- Hinsicht seitens der EU gibt es nicht. servorsorgemaßnahmen denkbar wäre, die jedoch unverhältnismäßig teuer wären. Grundsätzlich l) EU-Finanzierungsinstrument LIFE wurde mit diesen Hilfen aber das Schadenspoten- Im Rahmen des seit dem Jahr 1992 bestehenden Fi- tial wieder erhöht, also das Gegenteil der Nachhal- nanzierungsinstruments für die Umwelt (LIFE) werden tigkeit in diesem Sinne erzeugt. Finanzmittel für praktische Naturschutzmaßnahmen bereitstellt, die u.a. auch der Verbesserung der ökolo- 5.4.4 Verwaltungsvorschriften zur Vergabe von gischen Situation von Auen dienen, sofern diese als Hochwassergeldern besondere Schutzgebiete nach FFH-RL vorgeschlagen a) Kommunale Infrastruktur „VwV Infra 2002“ sind. Von ca. 60 Projekten, die bislang im Rahmen Die Flut vom Sommer 2002 hinterließ in Deutschland an dieses Förderprogramms in Deutschland gefördert öffentlichen Infrastruktureinrichtungen Schäden in Höhe wurden, sind zehn Projekte auf den Schutz von Flüssen von etwa 3,5 Mrd. € (bei 11 Mrd. € Gesamtschäden). mit ihren Auen ausgerichtet. Bei Gesamtkosten in Höhe Von den Schäden in Sachsen insgesamt (6,2 Mrd. €) von 28,4 Mio € wurden insgesamt 14,7 Mio € entfielen auf Infrastruktur 37,6 %, darunter die kom- (= 51,79 %) bereitgestellt. munale Infrastruktur 20,8 %. Schäden an kommunaler  Grundsätzlich bietet LIFE die Möglichkeit, Infrastruktur stellen damit mit etwa einem Fünftel der Projekte zu finanzieren, die einer ökologischen Gesamtschäden eine der wichtigsten Schadensgruppen Aufwertung der Gewässer im Sinne der WRRL dar. (4.) dienen. Die vergaberechtlichen Grundlagen für den Wiederauf- Auch hier gilt, die Fonds-Mittel können zur Unterstüt- bau der kommunalen Infrastruktur wurden seitens des zung von nachhaltigen Maßnahmen im Zusammenhang Bundes und der betroffenen Länder wurden vor allem mit dem vorbeugenden Hochwasserschutz eingesetzt auf Basis der Verwaltungsvereinbarung (VV Aufbau- werden, wenn dazu der politische Wille in den Ländern hilfe Infrastruktur in den Gemeinden 2002) gelegt. Im vorhanden ist. Verbindliche Vorgaben in dieser Hinsicht Freistaat Sachsen regelte die darauf aufbauende „Ver- seitens der EU gibt es nicht. waltungsvorschrift der Sächsischen Staatskanzlei zur Förderung der Wiederherstellung der vom Augusthoch- m) Sonderkredite öffentlicher Banken (KfW, DtA, wasser 2002 geschädigten Infrastruktur („VwV Infra SAB, Lfi) 2002“) die Mittelvergabe Unmittelbar nach dem Hochwasserereignis im Au- gust 2002 wurden seitens öffentlicher Kreditinstitute  Bezogen auf die Nachhaltigkeitskriterien findet Sonderkredite für Hochwasser-Opfer eingerichtet. So sich in der Verwaltungsvorschrift die wesentliche wurde etwa durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau Formulierung: „Die Wiederherstellung muss (…) (KfW) zur Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit sinnvoll sein (z.B. kein unvertretbarer Wieder- von Unternehmen ein Hilfsfonds mit über 600 Mio € aufbau in Überschwemmungsgebieten und kein eingerichtet. Ausgereicht wurden die Zuschüsse über Wiederaufbau von vor der Hochwasserkatastrophe WWF Deutschland 129 funktions- und wertloser Objekte, keine Wieder-  Bezogen auf Nachhaltigkeitskriterien ist hervor- herstellung von Einrichtungen, die öffentliche zuheben, dass die Möglichkeit von Ersatzbauten Dienste anbieten, die durch Überkapazitäten an anderer Stelle ausdrücklich eröffnet wird im gekennzeichnet sind). Die Sinnhaftigkeit der Sinne einer Verminderung des Schadenspotenti- Wiederherstellung ist in Zweifelsfällen schlüs- als (1.). Ersatzbauten stehen jedoch in keinerlei sig darzulegen.“ Das entspricht der Beachtung Vorrangverhältnis zur Wiedererrichtung im Sinne des Nachhaltigkeitsaspektes Verminderung des einer Prüfungs- bzw. Nachweisreihenfolge, dass Schadenspotentials (1.). Erwägungen, beim Wiederaufbau, nur nachrangig und somit begrün- Wiederaufbau bereits Möglichkeiten künftiger det möglich ist. Die Vermeidung der Schaffung Verbesserungen des Wasserrückhalts in der Fläche vollendeter Tatsachen im Hinblick auf Potentiale (2.) oder Möglichkeiten zur Schaffung neuer Re- einer künftigen Verbesserung des Wasserrück- tentionsflächen (3.) mit zu berücksichtigen, sind in halts in der Fläche (2.) oder der Schaffung neuer der Verwaltungsvorschrift nicht enthalten. Ebenso Retentionsflächen (3.) sind kein Gegenstand der spielt - bei den Maßnahmen im Wasserbau - die Verwaltungsvorschrift. Verbindung von Hochwasserschutz mit der WRRL (4.) keine Rolle. Damit gibt die Verwaltungsvor- d) Unternehmen „Richtlinie Wirtschaft“ schrift keine Handhabe, die Schaffung vollendeter Von den ermittelten Schäden des Augusthochwassers Tatsachen zu verhindern, die diesen Nachhaltig- 2002 in Sachsen (6,2 Mrd. €) entfielen auf gewerbliche keitsaspekten entgegenstehen können. Unternehmen 22,9 %. Nach der Richtlinie des Bundes- ministeriums für Wirtschaft und Technologie für die b) Wasserwirtschaft/Hochwasserschutz „FRW 2002“ Gewährung von Zuwendungen für die vom Hochwas- Von den Schäden der Flut 2002 in Sachsen insgesamt ser geschädigten Unternehmen und Angehörigen freier (6,2 Mrd. €) entfielen auf Gewässer etwa 653 Mio €, Berufe aus dem Hochwasserhilfsfonds erhielten die davon 429 Mio € bei Gewässern I. Ordnung und Dei- Unternehmen Zuwendungen, die vor der Hochwasser- chen und 224 Mio € bei Gewässern II. Ordnung. Für die katastrophe lebensfähig waren und bedingt durch das Mittelvergabe im Bereich Wasserwirtschaft/Hochwas- Hochwasser nachweislich auf eine Sonderfinanzierung serschutz gilt in Sachsen die „Richtlinie des Sächsischen angewiesen waren. In Sachsen wurde hierzu die „Richt- Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft zur linie des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft Förderung von wasserwirtschaftlichen Maßnahmen“ und Arbeit über die Gewährung von Zuwendungen im (Förderrichtlinie Wasserwirtschaft - FRW 2002). Rahmen des Programms für vom Hochwasser geschä- digte kleine und mittlere Unternehmen der gewerb-  Bezogen auf die Nachhaltigkeitskriterien ist lichen Wirtschaft, des Handwerks, des Handels, der festzustellen, dass für die Vergabe ausschließ- Freiberufe und anderer Dienstleister vom 02.09.2002“ lich wirtschaftliche und wasserwirtschaftliche erlassen (Richtlinie Wirtschaft des SMWA); (Auszüge). Optimierungsgebote eine Rolle spielen, ohne Berücksichtigung der Aspekte Verminderung des  Bezogen auf die Nachhaltigkeitskriterien ist Schadenspotentials (1.), Verbesserung des Was- festzuhalten, dass die Verlegung der gefährdeten serrückhalts in der Fläche (2.), Schaffung neuer Unternehmen, im Hinblick auf eine Verminderung Retentionsflächen (3.) oder Verbindung von Hoch- des Schadenspotentials (1.), kein Gegenstand der wasserschutz mit einer ökologischen Aufwertung Richtlinie ist, aber dennoch in der Praxis mög- der Gewässer im Sinne der WRRL (4.). lich war. Verlegungen stehen jedoch in keinerlei Vorrangverhältnis zur Wiedererrichtung im Sinne c) Wohngebäude „VwV - Aufbauhilfe - Wohngebäude einer Prüfungs- bzw. Nachweisreihenfolge, dass 2002“ Wiederaufbau, nur nachrangig und somit begrün- Von den ermittelten Schäden des Augusthochwassers det möglich ist. Die Vermeidung der Schaffung 2002 in Sachsen (6,2 Mrd. €) entfielen auf Wohngebäu- vollendeter Tatsachen im Hinblick auf Potentiale de 27,5 %. Geregelt wurde die Fördermittelver- einer künftigen Verbesserung des Wasserrück- gabe für Wohngebäude in der „Verwaltungsvorschrift halts in der Fläche (2.) oder der Schaffung neuer des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Retentionsflächen (3.) sind kein Gegenstand der Behebung von Hochwasserschäden an Wohnge- Verwaltungsvorschrift. bäuden vom 26.09.2002“ (VwV - Aufbauhilfe - Wohngebäude 2002).

130 WWF Deutschland 5.4.5 Fördermittelmissbrauch b) Lokale Risikobetrachtung a) Landesrechnungshof Sachsen Die Reduzierung des Gesamtrisikos im gesamten Flussgebiet schlägt sich trotz aller Vorgaben zur re- Im Jahresbericht des sächsischen Landesrechnungs- gionalen bzw. flussgebietsbezogenen Zusammenar- hofs 2004 stellt die Prüfung der kommunalen infra- beit (bspw. IKSE) letztlich in den Einzelmaßnahmen strukturellen Wiederaufbaumaßnahmen nach dem nicht nieder. Es mangelt schon am Bewusstsein, Augusthochwasser 2002 einen Schwerpunkt dar. Eine vorbeugenden Hochwasserschutz auf dem gesam- Überprüfung der Übereinstimmung von Wiederaufbau- ten Gemeindegebiet zu betreiben und sich darüber maßnahmen kommunaler Infrastruktur mit Aspekten hinaus möglicherweise interkommunaler Vereinba- eines nachhaltigen, vorbeugenden Hochwasserschutzes rungen zu bedienen. erfolgte naturgemäß nicht. Der Landesrechnungshof beschränkte sich im Wesentlichen auf eine Überprüfung c) Mangelnde Koordination verschiedener der Schadenskausalität. Fachplanungen Den Planungsträgern der Wasserwirtschaft, der  Im Ergebnis musste der sächsische Landesrech- Raumordnung, der Bauleitplanung sowie der Fach- nungshof feststellen, dass die Kommunen im planungen Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft erheblichen Umfang aus Hochwassergeldern stehen zahlreiche Instrumente zur Verfügung, die für Infrastrukturprojekte vor allem im Bereich Stra- den Hochwasserschutz eingesetzt werden können. ßen- und Brückenbau finanzierten, bei denen kein Doch in der Praxis findet keine tatsächlich fachü- ausreichender Zusammenhang zu den Hochwasse- bergreifende Integration der verschiedenen Fachpla- rereignissen bestand. nungen statt (Vollzugsdefizit). b) Bericht der Sächsischen Aufbaubank Gerade mit dem Instrumentarium zur Flächensiche- Eine Überprüfung der Übereinstimmung von Wieder- rung (z.B. Naturschutzgebiet, Biosphärenreservat, aufbaumaßnahmen privater Antragsteller mit Aspekten Nationalpark) kann der Naturschutz in naturnahen eines nachhaltigen, vorbeugenden Hochwasserschutzes Flussgebieten mit dem Schutz von Auenbereichen erfolgte naturgemäß nicht. einen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten.  Naturschutzfachplanungen sind jedoch meist nur Nach Einschätzung der Sächsischen Aufbaubank unzureichend mit wasserwirtschaftlichen Planungen (SAB) hat jeder siebte private Empfänger von abgestimmt. Fluthilfe zu viel Geld erhalten. d) Ausgleich von Kosten und Nutzen zwischen 5.4.6 Weitere Aspekte für Ursachen Ober- und Unterliegern ungeregelt unzureichender Nachhaltigkeit Grundproblem des Hochwasserschutzes ist, dass der Neben der unzureichenden rechtlichen Verbindlichkeit Nutzen eines nachhaltigen Hochwasserschutzes der der Einhaltung der Nachhaltigkeitsaspekte und ihrer Unterlieger hat, den Aufwand und die Nutzungsein- mangelnden bis fehlenden Berücksichtigung bei der schränkung (bspw. Ackerland zu Grünland; Bauland Vergabe öffentlicher Gelder spielen noch eine Reihe zu Retentionsfläche) der Oberlieger. Oberlieger wir- weiterer Faktoren für die festgestellte unzureichende ken über ihre Siedlungsentwicklung („Nutzen“) an Realisierung der Nachhaltigkeitsfaktoren eine Rolle. der Hochwasserentstehung mit, tragen jedoch keine Kosten. Unterlieger tragen die Kosten des Hochwas- a) Überhöhter Stellenwert technischen Hochwasser- serproblems, d.h. bei ihnen treten Schäden auf, die schutzes in Öffentlichkeit und Verwaltung Schutzmaßnahmen erfordern. Ungeachtet aller neuen und nachhaltigeren Ansätze im Hochwasserschutz auf politischer und fachlicher e) Ausgleich für private Nutzungseinschränkungen Ebene, wird vor allem anderen technischer Hoch- unzureichend geregelt wasserschutz in der Bevölkerung, bei den Verant- Bei Deichrückverlegung sind die privaten Eigen- wortlichen in den Gemeinden und nicht zuletzt auch tümer das Problem. Die Flächennutzer müssen als bei einem Großteil der noch traditionell ausgebil- Partner gewonnen werden. Hier fehlen gezielte deten Wasserbaufachleuten und in den Landesver- und länderübergreifende Ausgleichsprogramme für waltungen als Hauptaufgabenfeld des Hochwasser- Auslagerung, Stillegung und Flächentausch von schutzes angesehen. Ackerflächen

WWF Deutschland 131 f) Hochwassergelder sind Fördergelder Ein nennenswerter Rückbau findet jedoch weder Hochwassergelder sind zweckgebunden und müssen statt, noch wird er geplant. als Fördermittel regelmäßig bis zu einem bestimm- ten Ausschlusstermin abgerechnet werden. Das führt 2. Die Gewährleistung eines verbesserten Wasser- zu Projekten, die schnell planbar sind und möglichst rückhalts in der Fläche gelingt nur ansatzweise. ohne großen Argumentationsaufwand breite öffent- Der Flächenverbrauch und die Flächenversiegelung liche Akzeptanz finden, womit Aspekte der Nach- in Deutschland insgesamt konnten bislang nicht haltigkeit zwangsläufig nicht ausreichend gewichtet verlangsamt werden. Hinsichtlich der Bodennut- werden. zung in Bezug auf dessen Retentionsvermögen gibt es nennenswerte Verbesserungen vor allem im g) Potentiale im Stadtumbau Hinblick auf die Ausweitung alternativer Boden- Bislang gibt es kein koordiniertes Vorgehen von bearbeitungsformen in der Landwirtschaft. Eine Stadtumbau/-rückbau und Hochwasservorsorge. großflächige Umwandlung von Ackerland in Gründ- Hochwasser findet sich nicht in den Leitbildern der land in Überschwemmungsgebieten hat jedoch nicht Stadtumbau-Ost-Programme (Abbruch und Aufwer- stattgefunden und ist aktuell auch nicht absehbar. tung). Besonders alarmierend ist, dass ausgerechnet Gelder h) Unzureichende Förderung von Unternehmens- aus öffentlichen Hochwasserschutzprogrammen verlagerungen bzw. solchen zur Behebung von Hochwasserschä- Soweit die Förderung einer Umsiedlung etwa von den massiv dafür eingesetzt werden, Flächen in den Gewerbe mit öffentlichen Mitteln möglich ist, Überflutungsräumen im erheblichen Maße neu zu beschränkt sich diese auf eine Investitionsförderung versiegeln (Neubau und Ausbau von Straßen bzw. am neuen Standort. Für die eigentlichen Wechsel- Neuversiegelung von Forst- und Landwirtschaftswe- kosten bestehen keine Fördermöglichkeiten. gen).

i) Einfluss von Drittinteressen (Bsp. gesteuerte/un-  Hochwassergelder werden regelmäßig dazu gesteuerte Überflutung) verwendet, lang erwünschte und bislang nicht Grundsätzlich besteht bei Investitionsentscheidun- finanzierbare lokale Infrastrukturmaßnahmen zu gen im Hochwasserschutz immer die Gefahr, dass finanzieren. auch noch anderer Interessen mit bedient werden, die nicht unmittelbar mit dem Hochwasserschutz 3. Die Schaffung neuer Retentionsflächen vor allem und dessen Nachhaltigkeit in Verbindung stehen durch Deichrückverlegungen findet nur als Nebena- (etwa Landwirtschaft, Fischerei). Nicht zuletzt kön- spekt der aktuellen Hochwasserschutzkonzepte statt. nen auch die Interessen der Bauwirtschaft über die Man beschränkt sich auf wenige Vorzeigeprojekte Wege kommunaler Einflussnahme großes informel- bzw. eine Anzahl nur sehr kleiner Vorhaben. Zusam- les Gewicht erlangen. Der Bau teurer Auslassbau- mengenommen kann durch die aktuell betriebenen, werke ist aus deren Sicht viel ertragversprechender geplanten bzw. erwogenen Deichrückverlegungen als die Aussicht, bei Deichrückverlegungen mit dem keine nennenswerte Verbesserung im Hochwasser- Bagger einmalig Deiche wegräumen zu können. schutz insbesondere im hier eingehender untersuch- ten Umfeld der Elbe erreicht werden. 5.4.7 Ergebnis Vielmehr werden durch einen massiv betriebenen 1. Was die Verminderung des Schadenspotentials technischen Hochwasserschutz und weiteren Ausbau anbelangt, wurde eine künftige Neuerrichtung von der Infrastruktur in Überflutungsgebiete vollendete baulichen Anlagen in Überschwemmungsgebieten Tatsachen geschaffen, die einer künftigen Auswei- durch Rechtsänderungen weitgehend unterbunden. tung der Retentionsflächen im Wege stehen. Auch scheint hinsichtlich einer Hochwasserereig- nissen angepassteren Nutzung von Gebäuden ein  Es bleibt festzuhalten: Den Flüssen wird insge- Umdenken erkennbar. Insbesondere die Nutzung samt nicht mehr Raum gegeben, künftige Maßnah- von Ölheizungen wurde rechtlich erschwert. men in dieser Richtung werden sogar erschwert. Die Festsetzung von förmlichen Überschwem- mungsgebieten wird mit großer Energie in den Ländern betrieben.

132 WWF Deutschland 4. Eine wirkliche Verbindung von Hochwasserschutz Finanzierungshilfen zur Beseitigung von Hochwas- mit ökologischen Kriterien vor allem im Hinblick serschäden sowie für Hochwasserschutzmaßnahmen auf eine Herstellung eines „guten Zustands“ im Sin- fließen zu weit überwiegenden Teilen in Projekte, ne der WRRL (4.) ist nur in Einzelfällen erkennbar. bei denen Aspekte der Nachhaltigkeit insgesamt In ihrer Mehrzahl folgen die aktuellen Maßnahmen regelmäßig unberücksichtigt bleiben. Regelmäßig des Hochwasserschutzes dem Gedanken eines klas- werden diese gegenüber anderen Interessen/Aspek- sischen technischen Hochwasserschutzes. Ökologi- ten zurückgestellt. Dies erfolgt, obwohl geltendes sche Aspekte und insbesondere solche der WRRL Recht und Fördermittelprogramme nachhaltigen, sind dabei bestenfalls Nebenaspekte. vorbeugenden Hochwasserschutz ermöglichen wür- den, ihn allerdings nicht zwingend einfordern.  Das vorhandene Potential für Synergieeffekte aus einer Verbindung von Hochwasserschutz mit der WRRL (nicht zuletzt eine Frage der Kosten und des Planungs- und Umsetzungsaufwandes) wird weitgehend vollständig verkannt

 Die fristgemäße Erreichung der Ziele der WRRL insgesamt erscheint damit hoch fraglich.

Elbehochwasser bei Dessau 2002 © WWF / Bernd Lammel

WWF Deutschland 133 6. Vorschläge zur Erreichung eines nachhaltigeren Einsatzes öffentlicher Finanzierungshilfen im Hochwasserschutz 6.1 Anpassung rechtlicher Vorgaben - nicht zu einer Erhöhung des Schadenspotentials (1.) (Gesetze) führt, wie dies insbesondere bei der Errichtung bzw. dem Ausbau öffentlicher Infrastruktur (vor allem Ihrer Zielstellung nach kann die aktuelle Rechtslage von Straßen) in Überschwemmungsgebieten regel- im Bezug auf Nachhaltigkeit im Hochwasserschutz in mäßig der Fall ist; Deutschland als zufriedenstellend bezeichnet werden. - soweit dennoch aus wichtigen Gründen in Über- Allerdings sind die Normen insgesamt in dieser Hin- schwemmungsgebieten gebaut wird, einer angepass- sicht nicht zwingend genug. Im Bezug auf die wirksa- ten Bauweise (1.) entspricht, etwa nach Möglichkeit me Eindämmung von Vorhaben, die mit nachhaltigem auf eine schadensanfällige Ausstattung verzichtet Hochwasserschutz nicht im Einklang stehen, ist das wird; bestehende Recht unzureichend. - nicht zu einer Verschlechterung des Wasserrückhalts in der Fläche (2.) führt (keine Neuversiegelungen  Bestehende rechtliche Vorgaben zur Beachtung von Flächen ohne ausreichende Ausgleichsmaßnah- von Aspekten der Nachhaltigkeit müssen verbind- men); licher gestaltet werden. Die Regelungen müssen - sich nicht entscheidungsbehindernd für nachfolgen- so ausgestaltet werden, dass: de Generationen auswirkt; insbesondere nicht mögliche Maßnahmen für einen künftig - Projekte des technischen Hochwasserschutzes, tat- verbesserten Wasserrückhalt in der Fläche (2.) in sächlich nur noch dann möglich sind, wenn nachhal- Überschwemmungsgebieten sowie in Hochwasse- tigere Projekte nachweislich nicht realisierbar sind; rentstehungsgebieten (Erneuerung bestehender bzw. - Projekte des technischen Hochwasserschutzes Neuversiegelungen von Flächen) bzw. - sofern sie überhaupt erforderlich sind - ihrerseits nicht künftige Möglichkeiten zur Schaffung neuer weitgehend Aspekte der Nachhaltigkeit beachten Retentionsflächen (3.) behindern kann; (Stichwort WRRL); - nicht die Verschlechterung ökologischer Gegeben- - die Errichtung bzw. den Ausbau von öffentlicher heiten an Gewässern und in Auen insbesondere im Infrastruktur, insbesondere von Straßen, in Über- Bezug auf die WRRL (4.) bewirken kann; schwemmungsgebieten wirksam unterbunden oder - nicht künftig möglichen Maßnahmen für eine zumindest weitestgehend eingeschränkt werden. Verbesserung der ökologischen Gegebenheiten an Gewässern und in den Auen insbesondere im Bezug 6.2 Vergaberichtlinien öffentlicher auf die WRRL (4.) im Wege stehen könnte. Finanzierungshilfen - dem Gebot der Wirtschaftlichkeit folgt (unter Für die Vergabe sämtlicher öffentlicher Finanzierungs- Beachtung der übrigen Nachhaltigkeitsgebote), die hilfen, die für Bereiche eingesetzt werden können, die Maßnahmen müssen ein positives Nutzen-Kosten- für den Hochwasserschutz eine Rolle spielen können Verhältnis aufweisen; (direkt und/oder indirekt), muss die Beachtung der - von den lokal geschützten Werten/Menschen lang- Nachhaltigkeitskriterien verbindlich festgeschrieben fristig unterhaltungsfähig ist (Kosten für Unterhal- werden. Dies muss in den jeweiligen Vergaberichtlinien tung der neuen Struktur sind von lokalen Budgets erfolgen. finanzierbar ohne externe Subvention).

a) Öffentliche Finanzierungshilfen insgesamt b) Finanzierungshilfen bei Hochwasserschäden  Über Festlegungen in den jeweiligen Vergabe-  Über die allgemein geltenden Anforderungen an richtlinien muss künftig verbindlich abgesichert Vergaberichtlinien hinaus muss gerade bei Fi- werden, dass grundsätzlich keine Vorhaben mehr nanzierungshilfen speziell zur Beseitigung von gefördert werden, die nicht mit den Aspekten der Hochwasserschäden sichergestellt sein, dass: Nachhaltigkeit vereinbar sind, bzw. nur in begrün- deten Ausnahmefällen zu einzelnen Aspekten im - Schäden, die zum wiederholten Male auftreten (1.), Widerspruch stehen dürfen. Dazu sollte künftig grundsätzlich nicht förderfähig sind. bei jeder Mittelvergabe seitens des Antragstellers nachgewiesen werden müssen, dass das Vorhaben:

134 WWF Deutschland c) Finanzierungshilfen für Hochwasserschutzprojekte - das Projekt in hohem Maße geeignet ist, sich als  Über die allgemein geltenden Anforderungen an Baustein in ein regionales bzw. flussgebietsbezoge- Vergaberichtlinien hinaus muss gerade bei Finan- nes Gesamtkonzept eines nachhaltigen vorbeugen- zierungshilfen speziell für Hochwasserschutzpro- den Hochwasserschutzes einzufügen; jekte künftig nicht nur verbindlich abgesichert - die Maßnahmen im Bezug auf die Folgen von Hoch- werden, dass grundsätzlich keine Vorhaben mehr wasserereignissen neutral für Ober- und Unterlieger gefördert werden, die nicht mit den Nachhaltig- sind; keitskriterien vereinbar sind, sondern vielmehr - (insbesondere bei geplanten Maßnahmen des tech- tatsächlich solche geplant werden, die diesen nischen Hochwasserschutzes) der bezweckte Schutz entsprechen. Dazu sollte künftig bei jeder Mittel- nicht durch vergleichsweise nachhaltigere Maßnah- vergabe seitens des Antragstellers nachgewiesen men beim Oberlieger erreicht werden kann. werden müssen, dass: - das Projekt in hohem Maße geeignet ist, sich als Baustein in ein fachübergreifendes (u.a. Raumord- - das Vorhaben geeignet ist, zur Verringerung der Ab- nung, Bauleitplanung, Fachplanungen für Natur- flussgeschwindigkeiten beizutragen (Verringerung schutz, Land- und Forstwirtschaft) raumbedeutsa- des Hochwasserrisikos und der Hochwasserscheitel mes Planwerk einzufügen; bzw. -abflüsse), insbesondere durch die Erhöhung - eine Untersuchung stattgefunden hat, ob sich für der Gerinnerauhigkeit mit dem Ziel einer zeitlichen die projektierten Flächen eine naturschutzrechtliche Streckung (Altarmschlüsse, Erhaltung und Etablie- Flächensicherung (z.B. Naturschutzgebiet, Biosphä- rung von Auwald); renreservat, Nationalpark) zum Schutz von Auenbe- - für jeden betroffenen Deichstandort eine Rückverle- reichen und damit für einen nachhaltigen, vorbeu- gung geprüft wurde (3.); genden Hochwasserschutz anbieten würde (4.); - ein Projekt des technischen Hochwasserschutzes nur - die geplanten Maßnahme zuvor den lokalen und darum projektiert werden soll, weil bezogen auf die regionalen Entscheidungsträgern (Fachbehörden, Planung für den gesamten Flussverlauf und bezogen Gebietskörperschaften, Umweltverbände) und direk- auf die Gegebenheiten vor Ort, eine Rückdeichung ten einzelnen Betroffenen vorgestellt und mit ihnen (3.) nicht möglich und wünschenswert ist, also aktiv diskutiert wurden (aktives Beteiligungsprin- insbesondere Gewässerrenaturierungen in HW- zip); insbesondere die Möglichkeiten einer früh- Entstehungs- und Starkniederschlagsrisikogebieten zeitige Öffentlichkeitsbeteilung im Rahmen einer (Potential vor allem: begradigte und eingemauerte/ vorgelagerten Strategische Umweltprüfung genutzt betonierte Flussläufe) nicht in Frage kommen. Dies wurden. kommt nur dort in Betracht, wo Siedlungen und In- frastruktur zu schützen sind, die mit guten Gründen d) Finanzierungshilfen der EU dort auch langfristig verleiben sollen;  Über die allgemein geltenden Anforderungen an - die Maßnahme langfristig nicht zu Lasten des ökolo- Vergaberichtlinien hinaus sollte bei Finanzierungs- gischen Prozessgefüges gehen (v.a. ökologische hilfen der EU seitens dieser künftig verbindlich Gewässerdurchgängigkeit, Sedimenttransport, bio- sichergestellt werden, dass Maßnahmen, an deren logisch-chemische Prozesse wie Temperatur-Selbst- Finanzierung sich die EU beteiligt: reinigung-Nährstoffhaushalt, Habitatverfügbarkeit) (4.); - sofern sie Bezüge zu Schutzgebieten von „Natura - bei einem unumgänglichen Projekt des technischen 2000“ haben können, erst dann förderfähig sind, Hochwasserschutzes die Möglichkeiten zu einer wenn mögliche Synergieeffekte zur Verbesserung Verbesserung der ökologischen Gegebenheiten an im Schutzgebiet umfassend abgeprüft wurden und Gewässern und in den Auen insbesondere im Bezug mitbezweckt werden und die Maßnahmen nicht auf die WRRL (4.) maximal genutzt werden, insbe- eventuellen künftigen Verbesserungsmöglichkeiten sondere ingenieurbiologischen Maßnahmen umfas- im Wege stehen können; send und bevorzugt geprüft wurden; - sofern sie möglicherweise Auswirkungen auf - das geplante Schutzniveau dem Verhältnis von geschützte Arten im Sinne der FFH-RL sowie der Wahrscheinlichkeit des Eintretens zur potentiellen VogelschRL haben, erst dann förderfähig sind, wenn Schadenshöhe (bspw. Wohnhäuser oder Parkanla- mögliche Synergieeffekte zur Lebensraumverbesse- gen) entspricht; rung umfassend abgeprüft wurden und mitbezweckt

WWF Deutschland 135 werden und die Maßnahmen nicht eventuellen künf- - Regionale Kooperationen zum Hochwasserschutz, tigen Verbesserungsmöglichkeiten im Wege stehen die sich eine formale Struktur geben, müssen institu- können; tionelle Förderung erhalten. - sofern sie Flussgebiete und deren Auenlandschaften - Empfehlenswert wäre etwa Finanzierungshilfen da- betreffen, nur dann förderfähig sind, wenn mögliche ran zu knüpfen, dass ein regionaler Ausgleichsfonds Synergieeffekte im Hinblick auf die Zielsetzungen besteht. Im Rahmen von flussgebietsweiten Hoch- der WRRL umfassend abgeprüft wurden und die wasserschutzkonzepten könnte dazu eine finanzi- Maßnahmen nicht eventuellen künftigen Verbesse- ell bezifferte Zusammenstellung der Kosten und rungsmöglichkeiten im Wege stehen können. Nutzen zu erarbeiten sein. Je nach Situation können ökonomische Instrumente wie Ausgleichsfonds für 6.3 Veränderung der Förderziele Kosten aus Maßnahmen zum vorsorgenden Hoch- öffentlicher Finanzierungshilfen wasserschutz, Fördermittel der EU, des Bundes und / Ausgleichsfonds (verbesserter der Länder, Abgaben- oder Anreizsysteme sowie Ausgleich von Kosten und Nutzen) Abgabensysteme zur indirekten Förderung hoch- wassergerechter Nutzungen eingesetzt werden. So Wesentliches Hindernis für die Realisierung eines nach- könnte ein solcher Ausgleich etwa im Zusammen- haltigen vorbeugenden Hochwasserschutzes sind neben hang mit der anstehenden Umsetzung der WRRL der unzureichenden Aufklärung (Hochwasserschutz mit erledigt werden. wird noch immer weitgehend als Gefahrenabwehr - Die Hochwasservorsorgemaßnahmen selbst müssten mittels technischer Bauten verstanden) der weitgehend künftig entsprechend bewertet werden. Es müsste fehlende Lastenausgleich von Risiken und Chancen bewertet werden, was welche Investition kostet und bzw. Kosten und Nutzen des Hochwasserschutzes. welchen Hochwasserschutz sie bringt. Erforderlich Dies betrifft das Verhältnis von Ober- zu Unterliegern sind dann Ausgleichsprogramme für Auslagerung, sowie das von Nutzern von Flächen. Hier muss künftig Stillegung von Ackerflächen. Diese müsste dabei auch mittels öffentlicher Finanzierungshilfen für einen länderübergreifend geplant werden, damit etwa As- verstärkten Ausgleich gesorgt werden: pekte der Bodenqualität mit berücksichtigt werden  können (Grenzertragsböden, Bördeboden, etc.). Die bestehenden Finanzierungshilfen müssen - Gerade für Landwirte müssen neben Ausgleichszah- künftig verstärkt hinsichtlich der Schaffung von lungen für Nutzungseinschränkungen verstärkt nach Anreizen für einen verbesserten Ausgleich der Möglichkeiten des Flächentauschs gesucht werden. Kosten und des Nutzes von Hochwasserschutz- Dafür könnten finanzielle Anreize geschaffen wer- maßnahmen umstrukturiert werden: den. - Für die Umsiedlung etwa von Gewerbe von gefähr- - Für Oberlieger müssen finanzielle Anreize geschaf- deten Standorten muss eine Förderung erfolgen, die fen werden, im Interesse der Unterlieger Vorhaben der eigentlichen Wechselkosten hinausgeht. Hier des nachhaltigen vorbeugenden Hochwasserschutzes müssen tatsächliche Anreize geschaffen werden. zu projektieren (Flächenentsiegelungen, Deichrück- verlegungen, Nutzungsänderungen von Flächen, etc.). Dazu müssen gezielt überkommunale Pro- jektanträge von Ober- und Unterliegern gemeinsam gefördert werden; wobei sich die Unterlieger an den Planungen beteiligen, deren Realisierung bei den Oberliegern erfolgt.

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WWF Deutschland Der WWF Deutschland ist Teil des World Wide Fund For Nature (WWF) - einer der größten unabhängigen Naturschutzorganisationen der Welt. Das globale Rebstöcker Straße 55 Netzwerk des WWF ist in mehr als 100 Ländern aktiv. Weltweit unter- 60326 Frankfurt am Main stützen uns über fünf Millionen Förderer. Tel.: 069 / 7 91 44 - 0 Der WWF will der weltweiten Naturzerstörung Einhalt gebieten und eine Zukunft Fax: 069 / 61 72 21 gestalten, in der Mensch und Natur in Harmonie leben. Deshalb müssen wir E-Mail: [email protected] gemeinsam • die biologische Vielfalt der Erde bewahren, • erneuerbare Ressourcen naturverträglich nutzen und • die Umweltverschmutzung verringern und verschwenderischen Konsum

eindämmen. des WWF International • Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier Stand: Juni 2007 © Copyright des WWF International ® Warenzeichen