Oktober 2019 Nr. 108

© Bistum Limburg 1 Aus dem Inhalt

Zum Thema „… Flieg, kleiner Schmetterling, weil ich Dich nicht halten kann …“ Von Ursula Rieke 4 Komische Typen – diese Heiligen! Von Sr. M. Theresia Winkelhöfer ADJC 7 Kann ich trotz aller Skandale noch stolz darauf sein, zur Kirche zu gehören? Von Franz-Josef Ludwig 9

ADJC gestern Wie wurde aus dem ersten Häuschen das Mutterhaus? Von Sr. M. Gottfriedis Amend ADJC 11

ADJC aktuell Amtseinführung der neuen Generalleitung Von Sr. Judith Diltz ADJC 16 Der Dom bekommt eine neue Glocke Von STH 23 Katharina-to-go Von Sr. M. Clarentia Kurz ADJC 24

Heilige Edith Stein Von Hans-Jürgen Blanke 20

Katharina Kasper Katharinas Hingabe an Gott im Lied erfahrbar Von Sr. Annemarie Pitzl ADJC 26 Katharina liegt das Streben nach Heiligkeit am Herzen Von Katharina Kasper 28 Spuren der Heiligsprechung Von STH 30

In Memoriam 34

2 Editorial Liebe Schwestern, liebe Freunde unserer Gemeinschaft, heute halten Sie die letzte Ausgabe zum Thema Heiligkeit in Händen. Das Thema aber wird uns noch weiter begleiten, denn – Sie erinnern sich, nicht wahr?: „Ihr sollt heilig sein; denn ich bin heilig, der HERR, euer Gott.“ (Lev 19,2) Das ist ein Auftrag, der jede und jeden angeht, der sich Christ nennt.

Katharina Kasper hat ganz ernst damit gemacht. In vielen ihrer Briefe fordert sie dazu auf, nach Heiligkeit zu streben (vgl. S. 28). Für sie ist das eine wichtige Aufgabe jeder einzelnen: Wir müssen „die Heiligkeit so recht erreichen wollen und als unsere größte Aufgabe erreichen. Was kann alles andere nützen.“ (Brief 191) Ja, sie ist sogar davon überzeugt, dass die eigene Heiligkeit die Voraus- setzung dafür ist, dass glaubwürdig Zeugnis gegeben werden kann. Sie sagt: „Wenn wir immer nach Heiligkeit streben, so können wir viel Gutes wirken unter den Kranken und Kindern. Es ist dann Frieden im Herzen und Hause.“ (Brief 238) Heiligkeit fällt uns nicht in den Schoß. Wir müssen darum beten. Und Katharina wird nicht müde, immer wieder daran zu erinnern. Der Herr will ja, dass wir heilig werden. Katharina ist sicher, dass Er für jede und jeden ein gewisses Maß an Heiligkeit vorgesehen hat. Das kann also durchaus unterschiedlich sein. Aber: „Beten wir doch fromm miteinander, dass wir … die Heiligkeit erreichen, die der Herr einer jeden gesetzt hat zu erlan- gen, damit wir in Gott glücklich werden in der Zeit und selig in der Ewig- keit. Alles, was nicht zur Heiligkeit führt, wollen wir meiden.“ (Brief 228)

Aber warum sollen wir ausgerechnet nach Heiligkeit streben, was uns Heutigen ja so fremd ist? Da ist zunächst der göttliche Auftrag. Katharina ist aber auch sicher, dass wir dann Gott im Blick behalten, dass dadurch dann alles zur Ehre Gottes geschieht, was ja immer Katharinas Ziel ist. Deshalb kann sie sagen: „Viel Arbeit und viel Sorge bringt jeder Tag mit sich. Aber die Hauptsache ist und bleibt, die wahre Tugend zu üben und fromm zu leben und zu streben nach Heiligkeit.“ (Brief 265) Wenn uns das gelingt, dann gelingt auch unser Tagewerk. Heiligkeit ist mit ganz einfachen Eigenschaften verbunden, erinnern Sie sich an Papst Franziskus´ Schreiben (vgl. Januar-Ausgabe 2019)? Da gehö- ren Gelassenheit dazu, Beharrlichkeit, Treue, Humor. Einfache Eigen- schaften, die der Alltag so erschwert, die das Alltägliche allerdings auch sehr erleichtern können.

„Nun strebet brav und fromm nach Heiligkeit, so geht es immer gut.“ (Brief 234) Das ruft Katharina auch uns heute zu. Und sie ist sich da ganz sicher: Es lohnt sich. Daher:

„Gottes Segen besonders im Streben nach Heiligkeit.“ (Brief 267)

Ihre Sr. M. Theresia Winkelhöfer ADJC und „Brücke“-Team

3 Zum Thema „… Flieg kleiner Schmetterling,

weil ich Dich nicht halten kann…“ (Petra Hildebrand) Von Ursula Rieke

Komplikation stellt das Paar vor Heraus- forderungen.

Angeborene Fehlbildungen, Schadstoffe sowie Infektionen im Mutterleib oder Geburtskomplikatio- nen bedingen gesundheitliche Einschränkungen für das Kind. - Ein Kind mit besonderen Bedürfnissen? Das kann zunächst das Ende einer „guten Hoffnung“ bedeuten.Eng getaktete Lebensplanung in der heu- tigen Zeit unter besonderem Perfektionsdruck erschwert den Umgang mit Unvorhergesehenem. Eltern geraten in eine Sinn- und Lebenskrise.

Der Traum vom gesunden Wunschkind wird ersetzt durch Verzweiflung und Ratlosigkeit. Bei Ver- mittlung der behandelnden Ärzte bzw. durch eigene Recherche entsteht hier der Kontakt zur Fach- beratungsstelle Katharina Kasper Stiftung. Die Sozialarbeiterinnen in Dernbach und Eine heilige Zeit bieten individuelle, kostenfreie, aufsuchende Bera- tung und Begleitung an: „Für alles im Leben gibt es eine Zeit“, so heißt es im Inhalte sind das gemeinsame Aushalten des Uner- Buch Kohelet – „ …eine Zeit zum Gebären und eine träglichen, das Ringen um den weiteren Weg, um Zeit zum Sterben!“ (Koh 3,2). tragfähige Entscheidungen, um Verstehen und Wie gehen wir damit um, wenn diese Zeiten sich Bewältigen der Trauersituation, um Zukunftsper- berühren? spektiven. Abschiedsarbeit verbindet alle Themen. Die Ent-bindung ist eine einzigartig bewegende, Eltern verabschieden eine wunder-bare Zeit. Dabei ist die Geburt eines - die Hoffnung auf Familienzuwachs, gesunden Kindes nach unkomplizierter Schwan- - ihr früh verstorbenes Kind, gerschaft keine Selbstverständlichkeit. Sie ist vor - den Traum von einem gesunden Kind. allem nicht planbar. Es gilt, wie bei einer unerwarteten Änderung des Reiseziels, neue Reiseführer zu finden, steinige Auf dem Weg dahin gibt es Unvorhergesehenes: Wege zu gehen, neue Wege zu suchen. - die Realisierung des Kinderwunsches gestaltet sich schwierig, Die Überlebensprognose für das Ungeborene kann - die Schwangerschaft ist beeinflusst durch bei schwerwiegenden Fehlbildungen sehr schlecht vorgeburtliche Testungen mit belastenden sein. Es ist offen, ob und wie lange das Kind nach Wartezeiten auf den Befund, der Geburt lebt. Wenn bei diesen sogenannten - die Mitteilung eines auffälligen Befundes, infausten Prognosen die Geburt eines dem Tode so einer vorgeburtlichen Diagnose, einer nahen Kindes vorzeitig eingeleitet wird, erspart man

4 ihm vermeintlich verlängertes Leiden bei intensivmedizinischer Maximalversorgung am Geburtstermin. Den Eltern soll das Aushalten der Schwangerschaft im Wissen um die Diagnose erleichtert werden. Dieser Weg beinhaltet eine quasi unmögliche Entscheidung zur vorzeitigen Beendigung dieses zerbrechlichen Lebens. Der schnellere Weg ist nicht der leichtere und bedarf vorhergehender individueller Vorbereitung, Zeit und Wissen um medizinische Hintergründe. Die Entscheidung muss individuell und medizinisch begründet, unter guter Begleitung getroffen werden. doch überwältigt von der Nähe, dem Liebreiz des Der vorgezogene Tod des Kindes mit medizi- Kindes geschieht ein Loslassen. Dieses bedarf einer nischer Unterstützung bedarf der intensiven guten pflegerischen, ärztlichen und seelsorglichen Auseinandersetzung mit dem Sterbethema. Begleitung. Idealerweise beginnt er vorgeburtlich und ist ein Zur symbolischen Unterstützung bei frühen Kinds- langer Prozess. verlusten hat die Katharina Kasper Stiftung bereits Kerstin von der Hude drückt es folgendermaßen im Jahr 2010 das KOKON Trauerprojekt initiiert. Mit aus: dem Bild des kleinen Schmetterlings, der sich aus „Abschiednehmen bedeutet nicht, sich vom dem Kokon befreit und davonfliegt in eine andere, für Verlorenen völlig zu lösen, sondern vielmehr den ihn bessere Welt, bieten wir den Eltern eine tröstliche Verlust anzuerkennen, individuell zu betrauern und Symbolik an. Das verstorbene Kind wird in einen ihm einen Platz im weiterführenden Leben beschützenden Kokon gehüllt. Der Schmetterling zuzuweisen.“(vgl. Garten, von der Hude 2014,102) verbleibt am häuslichen Trauerplatz.

Aktuelle Entwicklungen in der Palliativmedizin am Lebensbeginn zeigen Alternativen. Neopalliativmedizin meint, dem Kind seinen Weg des Wachsens, den Zeitpunkt der Geburt/ des Ster- bens selbst zu überlassen. In diesen Fällen gestal- ten die Eltern die verbleibende Zeit der Schwan- gerschaft bewusst als Familien- und Abschieds- zeit. Sie bereiten sich auf den Tag der Geburt/ des Sterbens intensiv vor und halten die Ungewissheit des Zeitpunktes aus. Dazu schreibt Dr. theol. Christoph Zimmermann-Wolf: „Erforderlich wäre im Bereich der Pränataldiagnostik eine Analogie zur schon bestehenden Palliativmedizin am Lebensende: eine Art gynäkologischer (und pädi- atrischer) pränataler wie perinataler Palliativmedi- Diese Zeichen und Kleidungsstücke, liebevoll von zin.“(vgl. Zimmermann-Wolf, 2008,102) Dernbacher Schwestern und uns zuarbeitenden Dieser Weg ist, abhängig von der Diagnose des ehrenamtlichen Helferinnen erstellt, unterstreichen Kindes sowie der körperlichen und seelischen Ver- in der schweren Situation die Würde der kleinen Kin- fassung der Mutter, eine neue Alternative, jedoch der und den ihnen eigenen Liebreiz. nicht für alle gangbar. Eltern trauen sich, das Kind in die eigenen Hände zu Das Zusammentreffen von Geburt und Sterben nehmen, einen Fuß- oder Handabdruck zuzulassen, des Kindes wird von einigen Eltern als eine beson- es den Geschwisterkindern zu zeigen – zu fotografie- dere, eine heilige Zeit erlebt. Unfassbar traurig und ren (ein erstes und letztes Familienfoto) – eine Anzei-

5 ge der Stillen Geburt zu erstellen und eine Trauer- Wir sind Vertrauensperson in unaussprechlich feier/Bestattung (mit) zu gestalten. schwerer Zeit, im Mit-Tragen von Last und Kreuz. Tröstlich sind in aller Schwere unerklärliche Momente der Heiligkeit, Heilung/Heil, - die Nähe unseres Heilandes.

Kleiner Babysarg

Das aktive Begleiten der unaussprechlichen Trauer, des individuellen Leides und die Begleitung und (Literaturverzeichnis: Nähe durch professionelle Fachberaterinnen 1. Buch Kohelet 3,2 erleichtert die Kommunikation in der Paarbezie- 2. Garten, von der Hude (2014) Palliativversorgung und hung, im Verwandten- und Freundeskreis. Trauerbegleitung in der Neonatologie. Springer, Gespräche über die Suche nach Sinn in der Schwe- Heidelberg re, das Ansprechen von Schuldgefühlen, den Mut 3. Hildebrand, P.(2011) `Flieg kleiner Schmetterling` zum Weiterleben – zu weiteren Schwangerschaf- Gedanken zur Trauer um ein Kind. Tyrolia, Insbruck ten, diese Gespräche finden nach individuellen 4. Zimmermann-Wolf, C.(2008) Pränatal – Seelsorge. Bedürfnissen in den Stiftungsräumen oder Wohnor- Books on demand, Norderstedt ten der Ratsuchenden statt. Das gemeinsame Durchleben eines `Kreuzweges`, Weiterführende Literatur: das Treffen und Aushalten unendlich schwerer Ent- Martin, B. u. M. (2014) Fest im Herzen lebt ihr weiter. Adeo, scheidungen und die Gestaltung des Familienle- Asslar bens in neuen Konstellationen bedürfen unserer Wiedemann, S. (2014) Am Ende aller guten Hoffnung. Edition vertrauenswürdigen und verlässlichen Ansprech- Friedenburg,Salzburg) partnerInnen als unbefristetes kostenfreies Ange- bot.

Prof. Dr. med. Ursula Rieke, Jahrgang 1960, verheiratet, 4 erwach- sene Kinder (1 Enkelkind), nach abgeschlossenem Medizinstudium und einigen Semestern Katholische Theologie an der WWU Münster im Gesundheitsamt Montabaur in der Aids/Infektionsberatung/- testung/-prävention und mit SexarbeiterInnen tätig. 2002 schloss sie eine berufsbegleitende Weiterbildung zur Sexualmedizinerin/ Sexual- therapeutin ab. Im gleichen Jahr übernahm sie als ärztliche Leiterin und Stiftungsvorstand den Aufbau der Katharina Kasper Stiftung. Seit 2008 fließen die Inhalte ihrer Arbeit in ihren Lehrstuhl Sozialme- dizin für Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule Mainz ein.

6 Zum Thema Komische Typen – diese Heiligen! Von Sr. M. Theresia Winkelhöfer ADJC

„Das sind schon manchmal komische Typen, diese Heiligen!“ Haben Sie auch schon mal so gedacht?

Was ist ein Heiliger? Definieren kann man das, glaube ich, gar nicht; dafür sind die Menschen, die man als Heilige oder Heiliger bezeichnet, viel zu unterschiedlich. Franz von Assisi - Statue Da gibt es Heilige, die stammen aus einem Adels- in der Kloster- geschlecht, wie zum Beispiel die heilige Elisabeth kirche des Mut- und der heilige Aloysius. Viele Heilige stammen terhauses der aus dem kirchlichen Bereich, sind Päpste, Priester ADJC oder Ordensleute. Denken Sie an Johannes Paul II, Don Bosco oder Dominikus. Es gibt Heilige, die aus ärmlichen Verhältnissen stammen wie Kathari- na Kasper oder Mütter oder Familienväter waren wie Nikolaus von der Flüe.

So unterschiedlich wie die Herkunft der Personen, die wir heilig nennen, ist auch ihr Naturell. Denken Sie mal an Petrus und Paulus. Der eine impulsiv und emotional, der andere sachlich und nüchtern; Teresa von Ávila und Therese von Lisieux – die Kirchenlehrerin, die nie ein Blatt vor den Mund nahm und die unauffällige, von der Welt kaum bemerkte Existenz einer in strenger Klausur leben- zum Christentum bekehrte. den Ordensfrau, die auch Kirchenlehrerin ist; Franz von Assisi und Charles de Foucauld – der Ja, es ist schwer, das Heiligsein zu definieren. Und eine faszinierte durch sein Auftreten und Tun so sicher kommt man schon mal bei der einen oder dem viele Menschen, dass ihm bei seinem Tod tausen- anderen zu dem Schluss: “Komische Typen, diese de Brüder folgten, der andere missionierte sein Heiligen. Mit dem oder der könnte ich auch nicht Leben lang allein, und erst nach seinem Tod bildete zusammenleben.“ Was macht also das Heiligsein sich eine Gemeinschaft, die seinem Ideal folgte. aus? „Das Wichtigste am großen Heiligen ist seine Sen- Die Heiligen unterscheiden sich auch in dem, was dung, das vom Geist der Kirche geschenkte neue sie in ihrem Leben getan haben. Thomas von Aquin Charisma“, so schreibt der Theologe Hans Urs von zum Beispiel war „einer der einflussreichsten Phi- Balthasar. „Der Mensch, der es erhält und trägt, ist losophen und Theologen der Geschichte. Er nur sein Diener, ein schwacher und bis in die höch- gehört zu den bedeutendsten Kirchenlehrern der sten Verwirklichungen hinein noch versagender Die- römisch-katholischen Kirche .... Er hinterließ ein ner, an dem das Leuchtende nicht die Person, son- sehr umfangreiches Werk.“ (Wikipedia) Johannes dern das Zeugnis, die Aufgabe, das Amt ist. `Er von Gott gründete die Gemeinschaft der „Barm- selbst war nicht das Licht, er kam nur, um Zeugnis zu herzigen Brüder“, die heute nach ihm benannt wer- geben vom Licht.´“ (S. 20) den, und widmete sich sein Leben lang der Kran- kenpflege. Monika von Tagaste, die Mutter von Die Menschen, die wir als Heilige bezeichnen, sind Augustinus, ertrug in Liebe den Jähzorn und die keine vollkommenen Menschen. Sie haben ihre Feh- Untreue ihres heidnischen Ehemannes, setzte ler, Ecken und Kanten, ihre Begrenzungen wie wir sich für den Frieden in ihrer Familie ein und erzog alle. Es gibt Heilige, die überhaupt nicht miteinander ihren Sohn Augustinus im christlichen Glauben, auskamen, die sich lieber aus dem Weg gingen. Es begleitete ihn beharrlich, bis er sich wahrhaftig gibt Heilige, die ihre Zeitgenossen schon zu Lebzei- ten erkannten. Es gibt aber auch Heilige, von denen

7 schleppend, fast widerwillig getragen; aber die Sen- dung war stärker als sie und zwang sie in ihren Dienst. Einige haben die komplizierte geometrische Teresa von Figur ihrer Sendung bis in alle Ecken und Veräste- Ávila - lungen mit Blut und Leben zu erfüllen versucht; ande- ihre Sendung re haben sich damit begnügt, die wesentliche Fläche war Reforma- zu besetzen, und manche Ränder bleiben leer. tion Denn es gibt innerhalb des Reiches der Heiligkeit sehr viele Abstufungen: von der unteren Grenze einer substantiellen Intaktheit der Sendung bis zur obersten Grenze eines Zusammenfallens von Sen- dung und Person, einer Grenze, die nur von der Mut- ter des Herrn erreicht worden ist.“ (S. 21)

Was ist ein Heiliger? Es gibt keine Definition. Letzt- lich ist es abhängig davon, was Gott aus dem Men- schen macht, den er beruft und der sich auf ihn und seinen Auftrag einlässt. Da sich die Zeiten ändern, ihre Zeitgenossen dies niemals gedacht hätten – da sich die Sendung ändert, da sich die Menschen eben weil sie so waren, wie sie erlebt wurden. Auf ändern, werden sich wahrscheinlich auch unsere keinen Fall wussten die Heiligen selbst, dass sie Vorstellungen ändern. Aber es wird bleibend gelten: eines Tages so bezeichnet werden würden. „Das Heiligenbild der Zukunft muss - nicht aus den „Alle Heiligen, gerade sie, wissen um die Defizienz `Bedürfnissen´ der Heutigen allein, sondern aus der ihres Dienstes an der Sendung, und man soll ihnen Tiefe der Offenbarungswahrheit - so neugeschaffen glauben, was sie so eindringlich sagen. Die Haupt- werden, dass die Heiligen wie einst mit uns, neben sache an ihnen ist nicht die `heroische´ persönli- uns, für uns, in uns leben, als die besten Hüter und che ´Leistung´, sondern der entschlossene Gehor- Beleber der heiligen Gemeinschaft der Kirche.“ (S. sam, mit dem sie sich ein für allemal zu Knechten 30) einer Sendung hergegeben haben und ihre ganze Existenz nur noch als Funktion und Hülle um diese Komische Typen die Heiligen? Vielleicht. Aber Sendung verstehen. Man sollte das ins Licht immer waren sie – und sie werden es sein – die, die stellen, was sie selber ins Licht stellen wollen und die Gemeinschaft der Kirche lebendig erhalten. müssen: ihre Sendung, ihre Auslegung Christi und der Heiligen Schrift. Man sollte das im Dunkel las- (Zitate aus: Hans Urs von Balthasar, „Therese von Lisieux sen, was sie selbst im Dunkel lassen wollen und – Geschichte einer Sendung“ Verlag Jakob Hegner in müssen: ihre arme Persönlichkeit. Man sollte also Köln, 1950) versuchen durch ihre Heiligenexistenz hindurch die Sendung Gottes an die Kirche zu lesen und zu verstehen.“ (S. 20f)

Es geht also um die göttliche Sendung, um den göttlichen Auftrag. Damit der erfüllt werden kann, braucht Gott den Menschen. Er beruft also den Menschen zu seinem Werkzeug. Er soll sich für das einsetzen, was Gott in dieser Welt wirken und bewirken will. Das gilt übrigens für jeden von uns. Jede und jeder von uns ist ja auch berufen, heilig Die Muttergottes zu werden; und mit Gottes Hilfe ist ihr und ihm das vom Heilborn, die möglich, wenn sie/ er sich einlässt auf die göttliche in den 80er Jahren Sendung, auf den göttlichen Auftrag. gestohlen wurde. „Was am Heiligen vollkommen ist, das ist primär seine Sendung. Sekundär kann er selbst vollkom- men genannt werden, wenn er diese Sendung im Maße seiner von der Gnade getragenen Kraft ver- wirklicht. Manche haben ihre Sendung freudig und wie im Flug ergriffen, andere haben sie schwer,

8 Zum Thema Kann ich trotz aller Skandale noch stolz darauf sein, zur Kirche zu gehören? Von Franz-Josef Ludwig

Diese Frage tauchte in einer Redaktionssitzung negativ besetzt sein. Das zeigen schon Ausdrücke der „Brücke“ auf, als wir uns mit dem Thema Heilig- wie „die stolzen Eltern“, wenn Freude über das keit beschäftigten. Spontan antwortete ich: „Dank Geschenk eines Kindes zum Ausdruck gebracht der Heiligen – Ja.“ werden soll. Wenn wir aber von einer „stolzen Person“ reden, charakterisieren wir damit eher ein Reden wir von Heiligen, so meinen wir meist die überhebliches und abweisendes Selbstbe- offiziell Heiliggesprochenen, deren Gedenken und wusstsein. Kann ich überhaupt auf etwas stolz sein, Verehrung Bestandteil kirchlichen Lebens ist. Ihre das ich nicht selbst geleistet habe? Stolz kann Biografie ist uns mehr oder weniger bekannt und schnell zur Ursache für Konflikte werden, wie sie ihre Lebensweise bewundernswert. Sie sind Vor- aktuell in vielen Ländern zum Beispiel durch bilder und Orientierungspunkte. Aus diesem übersteigerten Nationalstolz entstehen. Deshalb will Gedanken heraus kam sicher meine schnelle Ant- ich mehr von Liebe zur Kirche sprechen als von Stolz wort. darauf.

Mein Namenspatron ist der heilige Franz von Assi- si. In unserer Familie wurde der Namenstag zwar nicht gefeiert, aber mit einem bedauernden Unter- ton wurde an diesem Tag immer erwähnt, dass es früher mal so war und als Kind wurde mir bedeutet, mein Namenstag sei der 4. Oktober. Dabei hätte es auch Alternativen gegeben, sieht man auf meinen Doppelnamen. Das Leben des heiligen Franz von Assisi fand ich sehr spannend und toll, aber ihm Josef, der nachzueifern sah ich als zu schwierig an. Und so Arbeiter - dachte ich als ich erwachsen wurde, eine Familie Statue in der gründete und ein Haus baute, eigentlich würde Klosterkirche Josef der Arbeiter besser zu mir passen. In jedem des Mutter- hauses der Fall sind beide Heilige herausragende Personen, ADJC von denen man lernen kann, sein Leben im Sinne Jesu zu gestalten. Wäre die gesamte Kirche so, könnte man leicht stolz darauf sein dazu zu gehö- ren.

Aber nach und nach kamen mir Zweifel und meine Antwort auf die eingangs gestellte Frage schien mir voreilig.

Ich begann zu überlegen, was ist Stolz, was ist ein Auch die Begriffe Skandal und Kirche bieten eine Skandal, was ist Kirche und was ist Heiligkeit? große Interpretationsbreite. Die uns bekannten sexu- Die Begriffe sind vielschichtig und unterschiedlich ellen Missbrauchsfälle und die zögerliche Aufklä- interpretierbar. Stolz kann sowohl positiv als auch rungsbereitschaft sind sicher als Skandal zu

9 bezeichnen, auch Geldverschwendung und dubio- Dennoch erlebe ich zahlreiche Christen, die sich für se Bankgeschäfte. den Glauben, die Kirche und andere Menschen engagieren. Dies sehe ich bei Haupt- und Ehren- Das kirchliche Leben bewegt sich in unruhigen amtlichen, die sich aufopferungsvoll und voller Hin- Zeiten und ist von Zukunftssorgen belastet. Viele gabe einsetzen. Ganz verschiedene Gemeindemit- Menschen treten aus, immer weniger lassen sich glieder bringen ihre Talente ein. Werden die Kir- von der Frohen Botschaft ansprechen. Reformen chenbesucher auch weniger, so glaube ich, oder werden gefordert, sowohl von „unten“ als auch von hoffe doch, dass die Übriggebliebenen aus Über- höheren Stufen der Hierarchie. Alles wird zeugung dabei sind, getreu dem Motto „Ihr seid das diskutiert: Zölibat, Rolle der Frau (Maria 2.0), Salz der Erde“. Sexualmoral usw. Es gibt Reformer und Bewahrer, beide gehören zur Weltkirche. Wie kann das Auch wenn die Kirche schrumpft, sollte uns das zusammengebracht und eine Zerreißprobe nicht davon abhalten, uns weiter für die Frohe Bot- vermieden werden? schaft einzusetzen und Nächstenliebe zu praktizie- ren. Ist und war die Kirche immer heilig? Wir beten im Glaubensbekenntnis: Ich glaube an die heilige Sehen wir nicht auch am Beispiel der heiligen katholische Kirche. Was verstehen wir unter Katharina Kasper, was durch ihr Leben und Charis- Kirche? Meinen wir die Institution Kirche, ihre ma entstehen konnte und wie sie und ihre Mit- hauptamtlichen Mitarbeiter oder uns alle, die wir schwestern bis heute unserer Kirche ein Gesicht getauft sind? Die Kirche ist sowohl heilig als auch geben?

© Michael Lorenzo/pixelio.de unheilig. Heilig dort, wo sie die Botschaft Jesu lebt, Über das Positive und Gute wird selten berichtet. Es und unheilig, wo dies nicht geschieht. Dies gilt für gibt in meinen Augen nichts Besseres als die Bot- die Institution und auch für alle Mitglieder, denn schaft Jesu und die Kirche ist der Garant für ihre Wei- Kirche sind wir alle. tergabe. Diese Botschaft ist das einzig Wahre und eine Konstante, die die Zeiten überdauert. Was ist in Diese aktuellen großen Diskussionen und Debat- 2000 Jahren nicht schon alles auf- und untergegan- ten beschäftigen sich viel mit Organisation von gen? Kirche. Der Glaube, der uns vielfach verloren gegangen ist, wird oft vergessen. Deshalb mache ich weiterhin gerne in der Kirche mit.

10 ADJC damals Ich bin mit Freude dabei, ohne stolz zu sein, auch Botschaft Jesu überzeugend leben. Und so wird weil ich außer den offiziell Heiliggesprochenen auch in Zukunft das Bild der Kirche immer durch ihre noch viele „inoffizielle Heilige“ in der Kirche sehe, Mitglieder geprägt sein, ob Heilige oder Unheilige. die nicht medienwirksam hervortreten, aber die

Aus der Frühgeschichte der Kongregation Wie wurde aus dem ersten Häuschen das Mutterhaus

Von Sr. M. Gottfriedis Amend ADJC

auch mehr Menschen versorgt werden mussten, intensivierte Katharina die Bewirtschaftung des Fel- des und vergrößerte wohl auch den Viehbestand. Zumindest legt die Tatsache, dass sie 1851 eine Scheune und einen Stall an das Häuschen anbauen ließ, diese Vermutung nahe. 1852 wurde dann das Häuschen selbst durch einen Anbau vergrößert. (vgl. Chr. W.) Wie viel Räume es in diesem „Anbau“ gab, ist nicht dokumentiert. Doch reichte der Wohnraum, spätestens als Katharina anfing, sich um einen Hausgeistlichen zu bemühen, nicht mehr aus. Sie berichtet: „Wir fingen an, den kleinen Raum, welcher vom Wohngebäude bis ans Oekonomiegebäude freigelassen war, zu einem Bet- Bekanntlich baute Katharina Kasper 1847/48 ihr saale und zwei kleinen Zimmerchen herzurichten zur erstes kleines Häuschen. Es bestand „aus drei Wohnung des zu erwartenden geistlichen Herrn.“ Zimmern nebst Küche und Ökonomiegebäude.“ (Chr. W.) (Chronik von Johann Jakob Wittayer) Wie aber ging es weiter? Wie entstand das große 1853 wird ein zweiter Anbau (die Scheune und den Mutterhaus? Was wurde aus dem ersten kleinen Stall mit dem Wohnhaus verbindend) gebaut. Ferner Häuschen? Um die letzte Frage sofort zu beant- berichtet Wittayer: „Auch Scheune und Stall wurden worten: Das Häuschen wurde 1889 abgerissen, später zu Wohnzimmern umgebaut.“ weil sein Standort sich auf dem Grundstück befand, auf dem in dem angegebenen Jahr der Im Hinblick auf die Finanzierung der ständigen Bau- letzte Erweiterungsbau errichtet wurde. Das große arbeiten führt er aus: „Da die Oberin Maria nur etwa Mutterhaus entstand nämlich im Laufe vieler Jahre 200 fl. (in Äckern und Wiesen bestehend) als Vermö- in vielen Einzelschritten, die hier aufgezeichnet gen besaß und die übrigen eintretenden Mitglieder werden sollen. nur wenig oder gar nichts beibrachten, wurde die Oberin oft sehr im Vertrauen auf Gott geprüft, da sie Die Gemeinschaft wuchs sehr schnell. Bereits die Mittel nicht besaß, um die Baukosten zu bestrei- 1851 nahm die Stifterin eine Kandidatin auf. Im ten. Da sie nur auf höheren Antrieb das Werk ange- nächsten Jahr kamen weitere fünf junge Frauen fangen hatte, sprach sie dann zum Herrn, wenn es an hinzu. (vgl. Chr. W.) Katharina bewirtschaftete etwas dem Nötigen fehlte: ‚Siehe, jetzt hast Du Geld nötig Land und hielt sich mindestens eine Ziege oder für Dein Haus; nun kannst Du auch dafür sorgen; eine Kuh, sodass sich die Gemeinschaft weitge- sage mir, wohin ich gehen und für Dich lehnen soll; hend aus dem eigenen Anbau verköstigen konnte. die Zinsen musst Du aber auch übernehmen zu zah- Da durch die Vergrößerung der Gemeinschaft len.' Sie erhielt dann hin und wieder kleinere und grö- nicht nur der Bedarf an Wohnraum wuchs, sondern ßere Geschenke, um das Nötigste zu bestreiten.“

11 1854 muss wieder neu geplant werden. Aus der lich auch 1856 nicht. Bares Geld war dadurch stets Scheune entstand eine Kapelle, und der Stall „wur- knapp. Während Katharina beim Bau des kleinen de zur Sakristei und zur Wohnung für den Geistli- Häuschens sich nicht gescheut hatte, im Vertrauen chen hergerichtet“. auf Gottes Hilfe Schulden aufzunehmen, gibt sie

Bauplan aus der Chronik von Wittayer

1855 wurde eine Scheune angekauft und vergrö- diese Haltung später völlig auf, sodass Wittayer in ßert. Diese befand sich den bisherigen Gebäuden seiner Chronik einmal seufzt: „Um keine Schulden gegenüber auf der anderen Straßenseite. Außer- zu machen, wurde bisher jedes Jahr so viel gebaut, dem wurde ein zweistöckiger Anbau errichtet, um als bezahlt werden konnte. Leider hatte dies auch die vielen Kinder unterbringen zu können, die auf- die Folge, dass planlos gebaut worden war und die genommen worden waren. Wohnung ohne Gänge und zweckmäßige Einteilung nur so aneinander gebaut worden waren.“ (Chr. Inzwischen bestand die Gemeinschaft, die Novizin- W.1856) nen mitgerechnet, aus zweiundvierzig Schwestern, wenn auch nicht alle diese Schwestern im Mutter- Trotz des Geldmangels mussten Jahr für Jahr mehr haus lebten, da 1854 in Camberg und 1855 in Paf- Menschen untergebracht und versorgt werden. fendorf je eine Niederlassung eröffnet worden war. Infolge dessen wurde auch in der Folgezeit Jahr für Das personelle Wachsen der Gemeinschaft erfor- Jahr gebaut. derte die Erweiterung des landwirtschaftlichen Während Katharina 1853 von der Einrichtung eines Bereichs. Die Scheune und die Stallungen wurden „Betsaales“ spricht, erwähnt Wittayer 1857 die vergrößert. Errichtung einer Kapelle. Eine feste Einnahmequelle gab es ganz offensicht- 1858/59 wurde das später als „Osttrakt“ bezeichnete

12 Gebäude errichtet. 1859 wurde übrigens auch ein gesehen worden war, so musste mit der Zeit der Neu- Brunnen gegraben. bau einer größeren Kapelle notwendig werden. Des- halb war auch schon damals die Vorsicht getroffen 1860 wird an der Stelle des jetzigen „Aloysia- worden, dass diese Kapelle leicht in Säle umgeän- Löwenfels-Hauses“ eine Wohnung für Superior dert werden könnte. Da ein Konferenzsaal und ein Wittayer gebaut. Er führt in seiner Chronik aus: größeres, ruhig gelegenes Refektorium noch „Die Verlegung der Wohnung des Geistlichen aus Bedürfnis des Hauses waren, wurde diese Kapelle dem Kloster war fast notwendig, namentlich dafür in Aussicht genommen. Nach Beseitigung vie- wegen der Unruhe und Störungen im Kloster, wel- ler, vieler Schwierigkeiten, besonders auch wegen che bei Besuchen, besonders bei Feierlichkeiten, Beschaffung der Geldmittel wurde der Neubau einer stattfanden. Der Hochwürdigste Herr Bischof von gotischen Kapelle, welche die Ausgänge der beiden Limburg bezeichnete als Baustelle für ein solches Flügel nach der Straße in Verbindung brachte und so geistliches Haus den Garten auf der Anhöhe vis a den Hofraum von der Straße ganz abschloss, in vis dem Kloster. Wiewohl diese Stelle wegen ihrer Angriff genommen am Feste des hl. Georg, am 23. großen Entfernung vom Kloster manche Unbe- April, an welchem Tage der erste Spatenstich und quemlichkeiten für den Dienst tuenden Geistlichen Grundsteinlegung geschah. Am 15. August dessel- hat, wurde doch dem Willen des Hochwürdigsten ben Jahres war sie nicht bloß unter Dach, sondern Herrn entsprechend, dort der Neubau in Angriff das Innere auch soweit fertig, dass deren Konsekra- genommen im August und das Haus noch bis tion durch den Hochw. Herrn Bischof vorgenommen Herbst unter Dach gebracht. Bei dem fortdauern- werden konnte. Fenster, Altäre, Beplättung des Cho- den Regenwetter war der Fahrweg am Neubau res, Kommunionbank wurden schon fertig gemacht unfahrbar geworden und musste durch das Kloster während des Bauens. Die Fenster waren von mat- noch fahrbar gemacht werden.“ tem Glase in gotischen Formen gemalt von Herrn Kaplan Münzenberger, den Schulschwestern und Auch 1861 berichtet Wittayer in seiner Chronik einem Maler, mit Namen Göbel aus Montabaur. Die wieder über bauliche Veränderungen. Dieses Mal Altäre waren gearbeitet von einem Bildhauer Johann geht es um ein großes Projekt, nämlich um die Lewen von Heinsberg mit sechs Schreinern von hier. Errichtung einer großen Kapelle. Wittayer berich- Die Statuen Maria und Joseph mit dem Jesuskinde tet: aus der Meyerschen Kunstanstalt zu München. Um „Da bei dem Bau der am 28. September 1857 ein- möglichst viel Raum zu gewinnen, wurden ein Saal geweihten Kapelle nur auf das damalige Bedürfnis im nordwestlichen Flügel des Klosters mit zum Schif-

Das Aloysia-Löwenfels- Haus heute

13 fe und ein Saal im östlichen Flügel, hinter dem Bilder lieferte Bildhauer Moonken aus Cronberg. Die Hochaltar, zur Sakristei verwendet. Die ganze Einweihung soll nach Ostern vorgenommen wer- Arbeit war somit in drei Monaten und drei Wochen den.“ (Chr. W.) 1865 bekam das Kapellchen Fenster vollendet. Die Konsekrations-Feierlichkeiten mit Glasmalereien. waren in der vorgeschriebenen Weise vorgenom- 1869 wurde der Betsaal in den 1858/59 errichteten men worden von dem Hochwürdigsten Herrn Osttrakt verlegt. Zudem zogen die Waisenmädchen Bischof Peter Joseph Blum und den anwesenden in das Priesterhaus. Die Knaben hatten die Barm- Geistlichen: Herrn Sekretär Roos, Schlosskaplan herzigen Brüder von Montabaur 1861 übernommen. Dr. Boecker von Molsberg, Domvikar Dr. Cratz als Sie waren mit den Kindern in die Ziegelhütte in Mon- Commissarius, Religionslehrer Müller zu Monta- tabaur gezogen, die für diesen Zweck umgebaut wor- baur, Kaplan Stähler zu Montabaur, Pfarrer Klau zu den war. Wirges, Kaplan Münzenberger und Superior Wit- tayer.“ 1884 wurde der Osttrakt erweitert, um Räumlichkei- ten für das Noviziat zu schaffen.1889 wurde der 1862 wurde ein Holzschuppen an das Ökonomie- ganze Nordtrakt abgebrochen; nur die Kapelle blieb gebäude angebaut. Ferner wurde „der Kreuzweg erhalten. Auch das erste kleine Häuschen wurde (14 Stationen) und ein Kapellchen zu Ehren der entfernt. An der so entstandenen freien Stelle wurde schmerzhaften Muttergottes in dem Garten zwi- der sog. „Neubau“ errichtet. Die Bezeichnung wurde schen dem Kloster und dem Hause für die Geistli- bis 1966 beibehalten.1901 wurde die 1861 errichtete chen auf der Anhöhe errichtet. Die Stationshäus- Klosterkirche renoviert und mit einer Dampfheizung chen werden aber erst im Frühjahr 1863 fertig; die und elektrischem Licht ausgestattet.

Exkurs in die Neuzeit – im Überblick

Da die Gebäude auf Fließsand standen, wurden in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts die bis- herigen Bauten nach und nach abgerissen und neu erbaut. Nur die Klosterkirche blieb erhalten, sie wurde aber umgebaut. 1961 wird der Chorflügel abgerissen und mit dem Umbau der Klosterkirche begonnen. Die Klosterkir- che wird zum Binnenhof erweitert und mit einer Wabenwand abgeschlossen: Die Grabstätte Mutter Maria Katharinas wird neu gestaltet. Der Altarraum wird entsprechend den Konzilsbeschlüssen umge- staltet: an der Altar-Rückwand wird eine überlebens- große Darstellung der Schutzmantelmadonna als Mosaik angebracht; es werden neue Buntfenster eingesetzt, die Heiligenfiguren werden von ihrem Farbanstrich befreit. Zu Weihnachten 1961 schenkte die Bauleitung 3 neue Glocken für die Mutterhauskirche. Am 12.4.1962 findet die Konsekration der neugestal- teten Mutterhauskirche durch Bischof Wilhelm Kempf statt. Am 1.2.1964 wird der neue Küchentraktes durch Bischof Wilhelm Kempf eingeweiht. Am 10.11.1964 wird auf dem Speicher des Neubaus Muttergotteskapelle am Aloysia-Löwen- mit vielen Gästen, darunter Reg.-Präsident Dr. fels-Haus Schmitt, das Richtfest gefeiert.

14 1966 ist der Neubau des Mutterhauses vollendet. Heiligenfiguren werden wieder angemalt und von Vom alten Mutterhaus ist nur die renovierte Mutter- ihrem Platz zwischen den Pfeilern zur Mitte der Kir- hauskirche übriggeblieben. che hin und an höherer Stelle versetzt. Am 19.3.1966 findet die Einweihung der neuen Die Arbeiten sind am 28.6.1988 abgeschlossen. Hauskapelle einschließlich der Orgel statt. Am 14.12.1966 wird das Richtfest der beiden letz- Am 20.5.1997 beginnt ein erneuter Umbau der Klos- ten Bauabschnitte (Verbindung zwischen den terkirche. Jetzt wird das Mosaikbild hinter dem Altar schon fertigen Bauabschnitten und der neuen Pfle- unter Putz gelegt; die schmiedeiserne Gitter an der gevorschule) gefeiert. Empore werden durch eine gemauerte Brüstung ersetzt. Am 24.1.1998 wird die neugestaltete Kloster- Die Einweihung der zuletzt fertiggestellten Bauteile kirche wieder eröffnet. einschließlich der Pflegevorschule, gemeint ist das später als „Katharina-Kasper-Haus“ bezeich- Am 25.1.1998 wird zum ersten Mal über dem Schrein nete Gebäude, das sich dem Mutterhaus gegen- der seligen Mutter Maria Katharina, der jetzt unter über befindet, erfolgt am 26.5.1968. dem Altar seinen Platz hat, die hl. Messe gefeiert.

1982 wird der 1. Stock im Flügel 5 des Mutterhau- ses für Zwecke der neuen Provinzleitung, die hier am 01.10.1982 ihren Sitz nimmt, umgebaut.

Am 25.5.1988 wird mit einer Renovierung der Klos- terkirche begonnen. Der Altar wird verkleinert, die

15 Amtseinführung der neuen Generalleitung

In einem feierlichen Gottesdienst wurde die neue Generalleitung der Armen Dienstmägde Jesu Christi in ihr Amt einge- führt. Der Gottesdienst stand – wie das Generalkapitel – unter dem Motto „Wage dich hinein in die Tiefe“. Sr. M. Gonzalo Vakasseril ADJC, die bisherige General- oberin, überreichte Sr. M. Judith Diltz ADJC die Konstitutionen und das General- direktorium der Kongregation, um dadurch symbolisch darzustellen, welche Verant- wortung sie für die nächsten sechs Jahre übernommen hat.

„Es ist unsere Aufgabe als ADJC, den Zweck der Gemeinschaft, wie er von unse- rer Gründerin, der heiligen Katharina, in Das neue Leitungsteam: (v.l.n.r.) Generaloberin Sr. M. den Statuten des `Frommen Vereins´ von Judith Diltz, Generalvikarin Sr. Annemarie Pitzl, General- 1842 dargelegt wurde, zu erhalten, näm- rätinnen Sr. M. Jacqueline Injete und Sr. M. Betty Vazhepa- lich die Ausbreitung der Tugend durch Bei- rambil. spiel, Belehrung und Gebet´“, so Sr. M. Gonzalo. Stimme. Wir erkennen weiterhin, dass Gottes „In der Kraft des Heiligen Geistes möge die neue Hände uns formen. Heute sind wir weniger. Die Generalleitung die innere Kraft finden, die gesamte Frauen, die sich uns anschließen, kommen meist Kongregation, alle Bemühungen und jede einzelne aus Ländern südlich des Äquators, sind nicht Schwester zu leiten.“ mehr ganz jung und haben oft schon Karriere gemacht. Wir sind international in einer Welt, die Sr. M. Judith Diltz ADJC griff in ihren Worten das Bild des Töpfers auf:

„Als ich über die besondere Zeremonie heute nachdachte, kam mir die Geschichte von Jeremi- as Besuch in der Töpferei in den Sinn. Mir scheint, dass geistliches Leben viel gemeinsam hat mit dem Töpfer in der Geschichte, der einen Klumpen Ton auf der Töpferscheibe formt und ggf. neu formt. Für uns Schwestern im 21. Jahr- hundert unterscheidet sich die Situation von den Tagen unserer Stifterin und der Zeit, als die Kon- gregation viele Mitglieder hatte. Wir sind umge- staltet worden von Gott, unserem Töpfer.

Gottes Absicht für uns als Frauen im geistlichen Leben heute ist nicht so klar – aber das ist nie der Fall. Wir vertrauen. Wir hören auf die innere

Sr. M. Gonzalo überreicht Sr. M. Judith die Konstitutionen der Gemeinschaft.

16 verzweifelt das Beispiel des Miteinanders von hung können wir die Wunden der Welt heilen und Menschen aus verschiedenen Kulturen und die Gebrochenheit kitten durch die umwandelnde Rassen und verschiedener Herkunft braucht. Liebe Gottes. Gemeinsam.

Ja, unsere Form des Tons hat sich verändert. Es scheint mir, dass der neugeformte Ton das Doch unser Herz ist darauf ausgerichtet, unse- passendste Symbol für die Armen Dienstmägde rem Gott zu dienen, wie es die hl. Katharina ist – für unsere Kongregation, die buchstäblich getan hat. Und unsere Umarmung ist so weit wie aus dem Ton dieser Gegend in Deutschland die ihre. Und wenn wir uns umschauen und all gewachsen ist. die Menschen sehen, die sich heute mit uns Schwestern versammelt haben – Angeglieder- Ich danke Ihnen für Ihr Hiersein heute, Ihre Gebete, te, Nachbarn, Freunde, Familienangehörige, Unterstützung, Bestätigung. Wir vertrauen auf ein Spenderinnen und Spender, Menschen mit Füh- wachsendes Miteinander. Danken wir unseren Vor- rungsverantwortung in Kirche und Gesellschaft gängerinnen in der Generalleitung – Sr. M. Gonza- – dann können wir sagen, dass sich unsere lo, Sr. Annemarie, Sr. Barbara und Sr. M. Shirley. Umarmung geweitet hat. Wir danken Gott, dass Sie haben sich eingesetzt, dass der Ton bereit ist so viele von Ihnen uns unterstützen, sein Werk für diesen Tag. Ihre Arbeit hat uns bis hierher zu tun. Wir tun Gottes Werk nicht allein, sondern gebracht, und wir wissen, dass sie (nach einer wohl- haben viele Partner/innen an der Töpferschei- verdienten Erholung) weitermachen, den Ton zu be. Bei der Prozession von Dernbach nach Wir- formen und Gott zu preisen. – Mögen wir alle offen, ges am 21. Oktober vergangenen Jahres haben bereit, geschmeidig sein in den Händen unseres wir gesehen, dass viele „in Katharinas Schuhen“ liebenden Töpfers Gott.“ folgen. Und nur in dieser besonderen Bezie- (Sr. M. Judith Diltz ADJC)

Impressum Druck: Druckerei Corzillius, Selters "Brücke der Hoffnung" erscheint viermal jährlich. 600 Exemplare Auflagenhöhe: Herausgeber: Jahresbeitrag: Provinzialat der ADJC, Dernbach Konvente auf Spendenbasis Anschrift der Redaktion: Mitarbeiter und Freunde der Gemeinschaft Euro 30,- Katharina-Kasper-Str.10 IBAN: 56428 Dernbach/Ww; DE19510500150788008333 Tel.: 02602/6830; Fax: 02602/683194; BIC: NASSDE55XXX Email: [email protected] Redaktion: Redaktionsschluss dieser Ausgabe: Sr.Theresia Winkelhöfer (verantwortlich), Dr. Hans-Jürgen 07. September 2019 Blanke, Herbert Bruns, Elmar Busse, Winfried Gramich, Claudia Keßler, Sr. Clarentia Kurz, Ingrid und Franz-Josef Internet: www.dernbacher.de Ludwig, Sr. Annemarie Pitzl.

17 Erhör, o Gott, mein Flehen Erhör, o Gott, mein Flehen, Hab auf mein Beten acht. Du sahst von fern mich stehen, Ich rief aus dunkler Nacht. Auf eines Felsens Höhe Erheb mich gnädiglich. Auf dich ich hoffend sehe: Du lenkst und leitest mich. Mein Bitten hast erhöret, Mein Gott, in Gnaden du. Wer deinen Namen ehret, Dem fällt dein Erbe zu. So schenke langes Leben Dem, der sich dir geweiht; Wollst Jahr um Jahr ihm geben, Ihn segnen allezeit. Du bist gleich einem Turme, Den nie der Feind bezwang. Ich weiche keinem Sturme, Bei dir ist mir nicht bang. In deinem Zelt bewahren Willst du mich immerdar. Mich hütet vor Gefahren Dein schirmend Flügelpaar. Vor Gottes Angesichte Steh er in Ewigkeit. Es wird ja nie zunichte Des Herrn Barmherzigkeit. So will dein Lied ich singen, Wie ich es dir versprach, Mein Lobesopfer bringen Von neuem Tag um Tag.

(Edith Stein)

(Aus: Gebete der Dichter, ausgewählt von Alois Weimer. Patmos, Düsseldorf 2006)

18 Macarius Tauc, Ikone in der Kirche St. Martin in Bad Bergzabern [https://www.heiligenlexikon.de/BiographienE/Edith_Stein.html; Stand: 8.7.2019]

19 Heilige

Edith Stein (1891-1942) – Jüdische Gelehrte und katholische Märtyrerin

Edith Stein gehört zu den Menschen, deren ganzes Leben unter besonderen Zeichen zu stehen scheint. Geboren wird sie in Breslau am 12. Okto- ber 1891, am jüdischen Versöhnungsfest Jom Kip- pur, als jüngstes von 11 Kindern einer strenggläubi- gen jüdischen Familie. Im Alter von zwei Jahren verliert sie ihren Vater. Während ihrer Teenagerjah- re bewundert sie ihre Mutter, die nach dem frühen Edith Stein als Tod des Mannes einen Holzhandel erfolgreich führt Lehrerin in den und der großen Familie mit unermüdlichem Fleiß 20er Jahren ein Auskommen sichert und sich dabei ganz von [https://www.pinterest Gottes Willen leiten lässt. Die junge Edith selbst .com/pin/136445063 meldet sich allerdings vom Religionsunterricht ab, 690099365/; Stand: weil alle nur äußerlich vollzogenen Riten ihr hohl 8.7.2019] und leblos erscheinen, und bezeichnet sich zwi- schen ihrem 14. und 21. Lebensjahr als Atheistin.

Aber Edith Stein ist auf der Suche nach der Wahr- heit. Einer ihrer bekannten Aussagen zufolge sind wahrzunehmen meinen und bei näherem Zusehen Wahrheits- und Gottessuche untrennbar miteinan- bemerken, dass es sich um ein herabfallendes Blatt der verknüpft: „Wer die Wahrheit sucht, sucht Gott, handelt, so ist unsere Wahrnehmung als Täuschung ob es ihm klar ist oder nicht.“(1) Von 1911 an stu- entlarvt. [...] Dass wir aber die Wahrnehmung eines diert sie nach bestandenem Abitur in Breslau, fliegenden Vogels hatten, dieser Tatbestand ist Tübingen und Freiburg Psychologie, Philosophie unaufhebbar und kann durch keine neue Erfahrung und Geschichte. Besonders angetan ist sie von angetastet werden. Und alles, was zu diesem ‚Phä- dem Begründer der Phänomenologie, Professor nomen' - Wahrnehmung des fliegenden Vogels - Edmund Husserl,(2) den sie zusammen mit ihrer gehört, kann beschrieben werden, und diese Freundin Rose Gutmann zunächst in Göttingen Beschreibung bleibt wahr, auch wenn die Wahrneh- kennen lernt, dem sie dann nach Freiburg folgt, weil mung sich als trügerisch herausgestellt hat.“(3) dessen Lehre, menschliche Erkenntnis finde in der Erfahrung, d.h. in den Phänomenen, ihren festen Das Ringen um Klarheit, das Erkennen der Grenzen Grund und damit auch ihre „Wahrheit“, einen nach- der eigenen Vernunft bestimmen Edith Steins weite- haltigen Eindruck bei ihr hinterlassen hat. Sie ren Weg im Leben und im Denken. In ihrer philoso- erklärt diesen Leitgedanken folgendermaßen: phischen Arbeit versucht Edith Stein, die Husserl- sche Phänomenologie mit der Lehre des Thomas „Schon Descartes [...] hat es gesehen: Wenn wir an von Aquin zu verbinden. Als ihr Hauptwerk gilt die allem zweifeln können, was natürliche Erfahrung religionsphilosophische Schrift „Endliches und ewi- und Wissenschaft lehren, so bleibt doch als ges Sein“ (posthum 1950). Edith Steins Philosophie unbezweifelbarer Rest bestehen: der Zweifel ist wesentlich durch den christlich-katholischen Glau- selbst. Und nicht nur der Zweifel, sondern auch die ben geprägt. Von zentraler Bedeutung ist der Gedan- Wahrnehmung, deren Zuverlässigkeit angezweifelt ke, dass sich die menschliche, endliche Vernunft in wird, als Erlebnis des zweifelnden Subjekts, und so der Suche nach Wahrheit an der religiösen Offenba- jedes Erlebnis überhaupt, die ganze Domäne des rung ausrichten müsse. So schreibt Edith Stein in Bewusstseins. [...] Wenn wir einen Vogel im Flug „Endliches und ewiges Sein“: „Die vollendete Erfül-

20 lung dessen, worauf die Philosophie, als Streben mir: Das ist die Wahrheit.“(6) Diese Lektüre, aber nach Weisheit abzielt, ist allein die göttliche Weis- auch verschiedene gescheiterte persönliche Bezie- heit selbst, die einfache Schau, mit der Gott sich hungen, die eine Lebenskrise auslösen, bewegen selbst und alles Geschaffene umfasst. […] Die größ- Edith Stein derart, dass sie zum Katholizismus kon- te Annäherung an dieses höchste Ziel ist während vertiert. Am 1. Januar 1922, einem jüdischen Feier- des Erdenlebens die mystische Schau. Es gibt aber tag, dem „Fest der Beschneidung des Herrn“, lässt auch eine Vorstufe, zu der nicht diese höchste sie sich in Bad Bergzabern taufen. Diesem Übertritt Begabung nötig ist, und das ist der echte, lebendi- der Tochter zum Katholizismus bringt die Mutter kein ge Glaube.“(4) Verständnis entgegen; sie verurteilt ihn als Aposta- sie, also als Abwendung vom rechten Glauben, und Mit der Entfaltung des philosophischen Bewusst- bricht den Kontakt zur Tochter ab. seins hatte Edith Stein sich auch wieder religiösen Fragestellungen geöffnet. An Hand der Schriften Schon mit ihrer Taufe steht für Edith Stein fest, dass Max Schelers über die katholische Glaubenslehre sie Karmelitin werden möchte, ein Wunsch, den sie und konkret in einem Seminar über das „Vater jedoch erst ein Jahrzehnt später realisieren wird. unser“ kommt sie mit dem christlichen Glauben in Zunächst verbindet sie ihre religiösen Vorstellungen Berührung. Als ihr 1917 Anna Reinach, die zum mit einem pädagogischen Engagement, wie sie es in Protestantismus konvertierte jüdische Witwe eines einem Brief aus dem Jahr 1928 erläutert: „Je tiefer im Krieg gefallenen Freundes und Studienkolle- jemand in Gott hineingezogen wird, desto mehr gen, begegnet, erlebt sie aus größter Nähe die von muss er auch in diesem Sinn aus sich herausgehen, christlichem Glauben und Trost genährte Überzeu- das heißt in die Welt hinein“. Aus diesem Grund gung, dass Jesu Kreuzestod zur Hoffnung für alle arbeitet Edith Stein von 1923 bis 1931 als Lehrerin Menschen werden könne, da durch ihn das Leben am Mädchengymnasium und an der Lehrerinnen- über den Tod gesiegt habe. ausbildungsanstalt der Dominikanerinnen von St. Magdalena in Speyer. Dabei setzt sie, die 1919 Mit- Edith Steins Promotion von 1916 über „Das Pro- glied der liberalen DDP geworden war, sich für die blem der Einfühlung“, in der die Autorin formuliert Rechte von Frauen ein und gilt in den 20er Jahren als „Indem wir einfühlend auf uns verschlossene Wert- bereiche stoßen, werden wir uns eines eigenen Mangels oder Unwerts bewusst“,(5) hatte mit der offenen Frage nach der möglichen Bedeutsamkeit auch von religiösen Phänomenen geschlossen. Dass sie diesen religiösen Phänomenen nach- forscht und den Weg einer Lehrerin beschreitet, statt die vorgezeichnete akademische Laufbahn einzuschlagen, hängt mit verschiedenen Barrieren zusammen, die ihr den Weg an der Universität ver- legten, aber letztlich auch mit einem weiteren weg- weisenden Zeichen. Ihre Bemühungen, sich an einer deutschen Universität zu habilitieren, bleiben erfolglos – nicht zuletzt aufgrund des patriarchali- schen Denkens ihres akademischen Lehrers Hus- serl.

Eher zufällig – und auch das muss man als ein Zei- chen verstehen - stößt Edith Stein im Sommer 1921 bei ihrer Freundin Hedwig Conrad-Martius auf die Schriften der Teresa von Ávila: „Ich begann zu lesen, war sofort gefangen und hörte nicht mehr auf Edith Stein um 1935 bis zum Ende. Als ich das Buch schloss, sagte ich https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/edith-stein/ [Stand 9.7.2019] 21 gefragte Referentin zu Themen der Frauenfrage. Von 1932 an ist sie Dozentin am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster, bis die antisemitischen Kampagnen der Nationalso- zialisten, die auch die Konvertiten erfassen, ihrer dortigen Tätigkeit ein Ende bereiten. In den Folge- jahren nutzt Edith Stein die erzwungene Berufsun- tätigkeit für Übersetzertätigkeiten (z.B. Thomas von Aquins „Quaestiones disputatae de veritate“ oder Schriften des englischen Kardinals Newman), aber auch für ihre philosophischen, theologischen und pädagogischen Projekte. 1936 verfasst sie das zitierte Lied „Erhör, o Gott, mein Flehen“, das sich eng an den 61. Psalm anlehnt.

Angesichts der zunehmenden Repressalien gegen die Juden in Deutschland wendet sich Edith Stein im April 1933 in einem Brief an Papst Pius XI. mit der Bitte, eine Enzyklika oder wenigstens eine päpstliche Verlautbarung gegen den aufblühen- Edith Stein um 1938/39 den radikalen Antisemitismus zu veröffentlichen, https://de.wikipedia.org/wiki/Edith_Stein#/media/Datei:Edith_S weil – und dies ist im prophetischem Geist gespro- tein_(ca._1938-1939).jpg [Stand 9.7.2019] chen - ein „Vernichtungskampf gegen das jüdische Blut“ begonnen habe.(8) Wohl aus Bedenken der 1987 wird Edith Stein von Papst Johannes Paul II. Kurie, das sich anbahnende Konkordat mit dem selig-, 1998 heiliggesprochen. 1999 erhebt der nationalsozialistischen Deutschland und damit Papst Edith Stein überdies zusammen mit Katharina Zusicherungen der Machthaber zum Schutz der von Siena und Birgitta von Schweden zu einer der katholischen Kirche nicht zu gefährden, bleibt eine Schutzheiligen Europas. Es ist das erste Mal in der päpstliche Reaktion aus. Kirchengeschichte, dass eine Katholikin jüdischer Edith Stein tritt am 14. Oktober 1933 in den Karmel Abstammung solche Auszeichnungen erhält. Die Köln-Lindenthal ein und wählt bei ihrer Einkleidung Heiligsprechung stößt nicht nur bei einigen christli- den Namen Teresia Benedicta a Cruce (Teresia, chen und jüdischen Gläubigen auf zum Teil heftige die vom Kreuz Gesegnete). Um wegen ihrer Kritik; denn der Papst sieht sich dem Vorwurf ausge- jüdischen Herkunft den Kölner Konvent nicht zu setzt, er wolle dadurch von den Versäumnissen der gefährden, siedelt sie im Dezember 1938 in den katholischen Kirche während des Nationalsozialis- Karmel Echt in den Niederlanden über. Dort wird mus ablenken. Die Religionsphilosophin Gerl- sie am 2. August 1942 zusammen mit ihrer Falkovitz kommentiert diese Heiligsprechung aber Schwester Rosa, die im Karmel als Pförtnerin als Resultat eines aus christlicher Haltung erlittenen arbeitet, von der Gestapo verhaftet. Rosa trifft Martyriums. Sie fährt fort: […] die Kirche kann nie- dasselbe Schicksal. Bei ihrer Verhaftung soll Edith manden heiligsprechen, ohne umfassend auch vom Stein zu ihrer Schwester gesagt haben: „Komm, sonstigen Leben des Betreffenden zu wissen. Von wir gehen für unser Volk“. Mit dieser Äußerung Edith Stein weiß man, dass sie nach ihrer Konversi- verweist sie gleichzeitig auf ihre deutschen und on und Taufe im Jahr 1922 ein heiligmäßiges Leben jüdischen Wurzeln und versteht ihr Schicksal als geführt hat. Schon als Lehrerin bei den Dominikane- Stellvertretung für ein nationales bzw. universales rinnen in Speyer fiel sie durch ihr intensives Gebets- Leiden. Höchstwahrscheinlich am 9. August 1942 leben auf. Ihr Leben war geprägt von einer unglaubli- wird sie zusammen mit acht weiteren Nonnen im chen Nähe zu Jesus Christus. Sie verbrachte man- Habit in den Gaskammern von Auschwitz er- che Nacht in der Kirche vor dem Tabernakel. Nach mordet, u.a. mit Sr. M. Aloysia Löwenfels ADJC. ihrem Eintritt in den Kölner Karmel vertiefte sie ihre Beziehung zu Christus immer mehr. Wir wissen aus

22 ADJC aktuell vielen Briefen an ihre Mitschwestern und aus ver- 1)Stein, Edith: Brief 259, ESW IX, S. 102. 2 schiedenen Aufzeichnungen, wie tief sie ihren Glau- 2)„Alle Mädels träumen von einem Busserl, Edith aber träumt nur von Husserl“, scherzen Steins Freundinnen. ben gelebt hat.“ (9) 3) Stein, Edith: Einführung in die Philosophie, ESW XIII; S. In Edith Stein sind zwei Wurzeln Europas, das 17f. Judentum und das Christentum, in einer Person 4)Stein, Edith: Endliches und ewiges Sein, ESGA 11/12, S. 30. vereint und miteinander versöhnt. Ihren Tod muss 5) Stein, Edith: Zum Problem der Einfühlung, Inaugural- man begreifen als ein jüdisches Martyrium, das in Dissertation, ESGA 5, S. 97. christlicher Stellvertretung und Sühne erlitten wur- 6) Diese Worte legt ihre erste Biographin Teresia Renata de. Damit ist sie als Brückenbauerin ein Vorbild de Spiritu Sancto Posselt Edith Stein in den Mund. (Edith bzw. ein Zeichen für Zeiten, in denen Europa und Stein. Lebensbild einer Philosophin und Karmelitin, Nürnberg, 1948, 28.) seine Gesellschaften immer mehr in Gegensätzen 7) Stein, Edith ESGA 2, S. 86. und Widersprüchen zerrissen und die Kraft der 8) Zum Inhalt des Briefes s. https://www.zukunft-braucht- Versöhnung und des Ausgleichs vergessen zu erinnerung.de/der-edith-stein-brief/ [Stand: 9.7.2019]. haben scheinen. 9) https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/sie- ist-fur-deutschland-gestorben [Stand: 9.7.2019]. (Hans-Jürgen Blanke)

Der Dom bekommt eine neue Glocke

Das Domgeläut in Limburg bekommt Zuwachs. 380 Kilogramm wiegt die Glocke, und sie besteht aus Das Besondere an dieser Nachricht: Die neue Glo- Kupfer und Zinn. Sie hat einen Durchmesser von 82 cke ist der heiligen Katharina Kasper geweiht. Und Zentimeter und ist damit die kleinste Glocke im Dom- das ist ohne Zweifel ein Zeichen der Wertschät- geläut. Der Glockenschlag ist in der Tonart C zu zung und Erinnerung. hören.

Der Bischof von Limburg, Dr. Georg Bätzing, hatte Die Glockenweihe wird am 20. Oktober in einem Got- die Idee, „Vom Geist bewegt – heilige Katharina tesdienst sein. In den darauffolgenden Tagen wird die Kasper bitte für uns“ auf die Glocke zu schreiben. Glocke mit Hilfe eines Krans in den Turm hochgezo- Außerdem ist ein Bild der Heiligen mit ihren gen und eingesetzt. Bis zur Weihe können Interes- Geburts-, Sterbe- und Heiligsprechungsdaten auf sierte die Glocke im Nordschiff des Doms anschau- der Glocke abgebildet. en.

23 ADJC aktuell Übrigens, die Glocke wurde von einer Limburger Familie gestiftet. (STH)

Sr. M. Simone Weber ADJC (r.) probiert den Klang der Katha- rina-Kasper-Glocke aus. Links Weihbischof Dr. Tho- mas Löhr und Sr. M. Albertona Hahn ADJC.

Katharina-to-go

Unter diesem Titel stand die erste Soireé im Mutter- haus. Was ist eine Soireé? „Als Soirée bezeichnet man ursprünglich eine abendlich stattfindende Zusammenkunft, eine Abendgesellschaft von Personen, die sich zu gemeinsamem Trinken, Musizieren, Theaterspielen, Vorlesen und Gesprächen treffen. Der Begriff wurde besonders im 19. Jahrhundert geprägt, als die Abendgesellschaften den Weg aus den Königs- und Herrscherhäusern in die bürgerliche Gesellschaft fanden. Abendgesellschaften fanden in Privatsalons statt.“ So ähnlich kann man es bei Wiki- pedia lesen. Bei der ersten Soiree im Mutterhaus ging es darum, den Gästen, Katharina Kasper so nahe zu bringen, dass sie etwas mitnehmen konnten – Katharina-to- go eben. Etwa fünfzig Gäste wurden in der Aula mit einem Glas Birnensaft begrüßt. Nach der Begrüßung durch Provinzoberin Sr. M. Theresia Winkelhöfer ADJC schlug Hildegard Schaefer-Breit, die Organistin des Mutterhauses, in die Klaviertasten, bevor Katharina Kasper (Sr. M. Theresia) im Gespräch einem heuti-

24 gen Zeitgenossen (Pfarrer Ralf Plogmann) begeg- nete. Das Lesespiel benutzte Originalaussagen der Heiligen. Im Anschluss daran moderierte Sr. Annemarie Pitzl ADJC das interessierte und interessante Ge- spräch der Gäste. Umrahmt wurde der Abend durch die Klavier- und Flötenkunst von Hildegard Schaefer-Breit, die zum Gelingen des Abends beitrug. Es war ein Geschenk für die Organisatoren, dass die Anwesenden einhellig der Meinung waren, dass dies nicht die einzige und letzte Soireé Katha- rina-to-go sein sollte. (Sr. M. Clarentia Kurz ADJC)

Applaus in der Kirche?

Am 28. Juni 2019 fand der alljährliche Münz- verschiedenen Beobachtungen gewinne ich den Firmenlauf in Koblenz statt. Aus den Einrichtungen Eindruck, dass es in den letzten Jahren in der Kirche der Dernbacher Gruppe nahmen ca. 30 Läufer ganz viel Solidaritätsapplaus und wenig Bewunder- daran teil. ungsapplaus gegeben hat. Hintergrund dafür ist sicher eine Kultur der Barmherzigkeit, die den Men- Beim Münz-Firmenlauf gibt es verschiedene Arten schen in seiner Gebrochenheit deutlicher wahr- von Applaus: den Bewunderungsapplaus für nimmt. Das macht es dem Einzelnen auch leichter, Glanzleistungen, den Aufmunterungsapplaus zu seinen Fehlern zu stehen. Er braucht sie nicht sowie – ganz hinten – den Solidaritätsapplaus. mehr zu verstecken. Und die Kirche als ganze Und das ist ohne Zweifel der herzlichste. Auch in braucht Sünden und Fehler nicht länger zu tabuisie- der Kirche wird geklatscht, wenn ein Chor gut ren, seit Johannes Paul II. den Mut hatte, ein öffentli- gesungen hat, wenn eine Band gut gespielt hat ches Sündenbekenntnis der Kirche im Rahmen der oder wenn ein Bischof gut gepredigt hat. Auch Vorbereitung des Gnadenjahres 2000 abzulegen. wenn die Kirchenmusik zur größeren Ehre Gottes aufgeführt wird – die Besucher eines Konzertes Diese Entwicklung ist nur zu begrüßen, aber es darf wollen ihre Dankbarkeit und ihre Anerkennung uns dabei nicht der andere Pol der Wirklichkeit aus zum Ausdruck bringen. den Augen verschwinden. Kirche ist nicht nur eine Kirche der Sünder, sondern auch eine Kirche der Darüber hinaus möchte ich die Frage stellen: Worü- Heiligen. Am 14. Oktober 2018 konnten wir bei der ber und wofür wird in der Kirche applaudiert? Aus Heiligsprechung von Katharina Kasper in Rom das hautnah erleben. Aber auch sonst wird uns fast täg- lich in der Liturgie und im Kalender ein Christ vorge- stellt, der durch die Begegnung mit Christus über sich hinaus gewachsen ist. Diese Christen verdie- nen unseren Applaus der Bewunderung. Doch von Erwachsenen, die sich in der Firmvorbereitung enga- gieren, höre ich häufiger die Not: Wie können wir in den Vorbereitungsstunden ein Klima aufbauen, in dem die heranwachsenden Christen auch stolz auf die Kirche sein können? Sportler werden bewun-

25 Katharina Kasper dert, die Trikots der Fußballstars für teures Geld gekauft, mit den angehenden Superstars im Show- geschäft wird mitgefiebert. In diesen Bereichen funktioniert der seelische Vorgang problemlos, dass Talente, die Spitzenleistungen vollbringen, faszinierend für die breite Masse sind. Sie wecken die Sehnsucht: So möchte ich das auch mal kön- nen! Oder: So möchte ich auch mal werden!

Bei den Heiligen und der persönlichen Beziehung zu ihnen erleben die Firmkatecheten oftmals eine vorweggenommene Resignation. Da wirkt die © Dieter Schütz/pixelio.de menschliche Größe eher erdrückend. – Dabei wäre auf diesem Gebiet – ähnlich wie im Sport oder Voraussetzungen für seelische Wachstumsprozes- in der Musik – die Wechselwirkung zwischen Spit- se. zenleistung einzelner und Massenbegeisterung ebenso möglich. Es ist schließlich derselbe seeli- Es ist schön, wenn auch in der Kirche die Balance sche Vorgang. Wer mit misstrauischem Blick die zwischen den drei Applausformen sich wieder ein- spontane Begeisterung vieler bei der Heiligspre- pendelt. chung von Katharina Kasper mit dem Etikett „Per- (Elmar Busse ISch) sonenkult“ versieht, hat nichts verstanden von den

Katharinas Hingabe an Gott im Lied erfahrbar Die Heiligsprechung Katharina Kaspers hat viel in „O mein Jesu, lasse mich, O lasse mich doch einmal Bewegung gesetzt. Viele Menschen haben sich mit Dir ganz angehören. Mache mich, wie Du mich ihrem Leben und ihrem Werk beschäftigt und sich haben willst, wirke, leide und liebe Du in mir und davon inspirieren lassen. Wir sind dadurch reich lasse mich wirken, leiden und lieben in Dir.“ beschenkt worden. P. Helmut Schlegel OFM hat mehrere Lieder getextet. Ein Kanon entstand nach Zum Singen musste der Text umgestaltet werden. P. einem Ausschnitt aus Katharinas Brief, den sie am Helmut hat an zwei Stellen etwas eingefügt, was 27. Februar 1853 an Bischof Peter Josef Blum Katharinas Hingabe an Gott noch deutlicher macht. geschrieben hat. Dort heißt es: Hier der Text des Kanons (Veränderungen hervor- gehoben):

„Mein Jesus, lass mich ganz dir angehören und keine Furcht soll unsre Liebe stören. Lass werden mich wie du mich haben willst, weil du in mir den Durst nach Leben stillst. Mein Jesus, wirke, leide, liebe du in mir, auf dass ich wirke, leide, liebe ganz in dir.“

„… keine Furcht soll unsre Liebe stören“: Katharinas Briefe geben Zeugnis davon, dass auch die schwie- rigsten Situationen ihre Christusliebe nicht stören konnten. An Herausforderungen hat es in ihrem Leben nicht gemangelt. Ich bin sicher, dass sie durch ihre Christusliebe so vieles gemeistert hat, wo andere längst aufgegeben hätten.

26 „Lass werden mich, wie du mich haben willst“: Viertelnoten hervorgehoben, etwa „Jesus angehö- Menschwerdung ist ein Prozess, auf den sich ren“, „Liebe“, „Durst nach Leben“, „ganz in dir“. Die Katharina ganz eingelassen hat. Christus konnte Achtelnoten geben dem Kanon eine einladende so immer mehr in ihr Gestalt annehmen – eine Ein- Lebendigkeit, und der Melodieverlauf drückt für mich die Tiefe und Nähe der Beziehung Katharinas zu ladung auch für jede und jeden von uns! Jesus im Auf und Ab des Lebens aus: Nichts kann mich von ihm trennen. „… weil du in mir den Durst nach Leben stillst“: Für Katharina war Jesus die Quelle, an der sie sich Der letzte Teil des Textes „Mein Jesus wirke, leide, niedergelassen und aus der sie geschöpft hat bei liebe …“ spiegelt in seiner Vertonung sozusagen das all ihrem Denken, Beten und Handeln. Der Durst Fundament von Katharinas Leben wider: Du in mir, nach Leben in unserer Zeit ist so groß – und die ich in dir. Quellen, aus denen Menschen schöpfen, sind nicht unbedingt geeignet, diesen Durst nach Leben Danke an Helmut Schlegel und Alexander Keidel für so zu stillen, dass sie Perspektive finden. dieses Geschenk! Sr. Annemarie Pitzl ADJC Alexander Keidel hat diesen Text als dreistimmigen Kanon sehr einfühlsam vertont. Es braucht eine Weile, sich die Melodie anzueignen und exakt den Rhythmus aufzunehmen, doch diese Mühe lohnt sich.

So sind durch den Rhythmus wichtige Worte mit

27 Katharina Kasper

Katharina liegt das Streben nach Heiligkeit am Herzen O-Ton Katharina Kasper

Möchten wir so vollkommen gemeinschaftlich nach eigene Heiligkeit erstrebt wird, so geht ja alles ande- Heiligkeit streben und das Leben Jesu nachahmen, re gut und Gott segnet das Wirken der armen wie es von Gott gewollt ist. Möge der liebe Gott die Schwestern. (Brief 140) Genossenschaft sowie jedes einzelne Glied, ihre Der liebe Gott scheint Euch doch sichtlich zu segnen Unternehmungen und Anliegen allezeit leiten und wenigstens in Eueren materiellen Verhältnissen. führen nach seinem hl. Willen und Wohlgefallen. Hoffentlich in geistiger Beziehung noch mehr wird (Brief 25) der Herr Euch segnen an Gnaden und Heiligkeit vor Gott und den Menschen. (Brief 143) Betet fromm und strebt ernstlich nach Heiligkeit. Es tut not. Beten wir für- und miteinander. (Brief 117) Als Profeßschwestern müssen wir die Reinheit und die Heiligkeit so recht erreichen wollen und als unse- Ich will vielmehr den lieben Schwestern anraten, re größte Aufgabe erreichen. Was kann alles andere sprechen und sich gegenseitig austauschen und nützen. (Brief 191) aneifern für ihren heiligen Beruf und dessen Pflich- ten, wie sich eine jede bemühen möchte, zu spre- Ja, meine lieben Schwestern, beten wir täglich ver- chen und sich auszutauschen über die große, eint mit- und füreinander, damit der Herr mit Freude unverdiente Gnade der Berufung zum Ordensstan- sehen kann auf unser Wirken und Arbeiten und wir de und den vielen Gnaden die wir in demselben als Dienstmägde Christi so recht vereint miteinander empfangen, und daß wir treu mit der Gnade mitwir- im Berufe wirken und nach Heiligkeit streben immer ken wollen, damit wir jene Heiligkeit erreichen möch- mehr. (Brief 193) ten, die uns der Herr zu erreichen bestimmt hat. (Brief 136) Wir müssen viel beten und dem lieben Gott uns innig empfehlen mit der ganzen Genossenschaft und all Hier noch alles in gewohnter Weise, viel Arbeit und ihren Mitgliedern, daß der Herr Seine Genossen- Sorge, aber auch viel Freude, wenn alles zur Ehre schaft mit allen Mitgliedern täglich leitet, führt, belebt Gottes geschieht und gewirkt wird, besonders die und regiert. Beten wir zu seiner heiligsten Mutter,

28 dem heiligen Joseph sowie allen Heiligen und Es freut mich, daß es Ihnen und den lieben Schwes- Engeln des Himmels. Bitten wir täglich um die Rein- tern gut geht und Frieden im Herzen und Hause ist. heit und Heiligkeit für alle Mitglieder der ganzen Wenn wir immer nach Heiligkeit streben, so können Genossenschaft sowie aller pflegeempfohlenen wir viel Gutes wirken unter den Kranken und Kindern. Kranken und Kinder, welche der Genossenschaft Es ist dann Frieden im Herzen und Hause. (Brief 238) anvertraut sind. (Brief 202) Nun beten wir mit- und füreinander, um Gottes reich- Alle haben sich recht gefreut, jung und alt, groß und ste Gnaden zu erlangen, damit wir an Tugend und klein. Besonders aber freut und beglückt mich ein Heiligkeit immer mehr wachsen und zunehmen für gutes und frommes Leben und Streben der lieben uns und unsere Genossenschaft und pflegeempfoh- Schwestern nach Heiligkeit. Ohne dieses ist ja lenen Kinder und Kranken. (Brief 254) alles andere nichts. (Brief 204) Viel Arbeit und viel Sorge bringt jeder Tag mit sich. Beten wir doch fromm miteinander, daß wir fromm Aber die Hauptsache ist und bleibt, die wahre leben und die Heiligkeit erreichen, die der Herr Tugend zu üben und fromm zu leben und zu streben einer jeden gesetzt hat zu erlangen, damit wir in nach Heiligkeit. (Brief 265) Gott glücklich werden in der Zeit und selig in der Ewigkeit. Alles, was nicht zur Heiligkeit führt, wollen Gottes Segen besonders im Streben nach Heiligkeit. wir meiden. (Brief 228) (Brief 267) (Bei Katharina Fließtext - ausgewählt STH) Nun strebet brav und fromm nach Heiligkeit, so geht es immer gut. (Brief 234)

29 Katharina Kasper Spuren der Heiligsprechung

Am 14. Oktober jährt sich zum ersten Mal der Tag Gruppen, die einfach mehr erfahren wollen von die- der Heiligsprechung. Dieser Tag ist uns allen noch ser außergewöhnlichen Frau. Es gibt auch immer in lebhafter Erinnerung. Dabei spielt es keine Rolle, wieder Gruppen – auch auf Bistumsebene -, die eine ob man in Rom dabei war oder in Dernbach oder Wallfahrt machen auf den Spuren Katharinas. sonst wo zu Hause das große Ereignis verfolgt hat. Letztes Jahr sprachen wir von einem Jahrhundert- Auch der Südwestfunk hat die Heiligsprechung ereignis; und dieses Gefühl ist auch heute noch nicht vergessen. Nach Dreharbeiten im Mutterhaus ganz lebendig. Im Grunde besteht kein Zweifel und bei Anlässen wie dem Ausflug des Generalkapi- darüber, dass dies auch eine Tatsache ist: Die Hei- tels nach Limburg wurde der Film „Katharina Kasper, ligsprechung Katharina Kaspers ist für alle Freunde die Heilige des Westerwaldes“ unter dem Thema und Verehrer Katharinas das Jahrhundertereignis. „Bekannt im Land“ im August ausgestrahlt, ein Film,

Ein Jahr liegt es nun schon zurück, und ist doch der einfach wunderbar gelungen ist und anspricht. noch ganz lebendig. Das liegt sicher auch an den Spuren, die diese Heiligsprechung in unserer Im Bistum wurde die Initiative gestartet „Katharina Gegenwart hinterlassen hat und hinterlässt. in leichter Sprache“. Ein Team des Referates Seel- sorge für Menschen mit Behinderungen des Bistums Einmal im Monat findet in der Klosterkirche der Limburg hat sich der Ausstellung „Katharinas Spu- Katharina-Kasper-Gottesdienst „Bewegt von ren“ angenommen und die Führung in leichter Spra- Gottes Geist – Bitte für uns, Katharina“ statt. Noch che bearbeitet. Im November wird das Heft vorge- immer ist das ein Gottesdienst, der die Klosterkir- stellt und veröffentlicht und wird dann auch in „Ka- che bis auf den letzten Platz füllt. Manchmal müs- tharinas Spuren“ ausliegen. sen die Besucher auch auf die Empore auswei- chen. Die beiden bekannten Heiligsprechungslie- Noch im Werden ist ein Pilgerweg durch Dernbach, der werden in jedem Gottesdienst geschmettert der die Spuren Katharinas im Blick hat. Hier wird die und lassen immer Erinnerungen wach werden. Das Ortsgemeinde Dernbach mit dem Kloster aktiv. Das Besondere an diesem Gottesdienst: Katharina Projekt soll spätestens zum 200. Geburtstag von selbst kommt zu Wort und spricht zu den Men- Katharina – 2020 – realisiert werden. Die Stationen schen, die ihr nahe sein wollen. des Weges werden beschildert und mit Infotafeln versehen, die das Leben und Wirken der heiligen Schon vor der Heiligsprechung haben viele Men- Katharina dokumentieren. Sowohl die Schwestern, schen unsere Ausstellung „Katharinas Spuren“ als auch das Bistum sind für die Inhalte verantwort- besucht. Seit der Heiligsprechung sind es noch viel lich, die Ortsgemeinde will die Kosten tragen. Paral- mehr geworden – sowohl Einzelpersonen, als auch lel dazu soll es künftig einen überregionalen „Pilger-

30 weg Katharina Kasper“ durch den Westerwald Oratorium war schon vor einem Jahr vom Bistum in geben. Dieser Weg soll verbunden werden mit den Auftrag gegeben worden. Nun sind wir gespannt, schon vorhandenen deutschen Jakobswegen von was dabei herausgekommen ist. Limburg über Dernbach nach Koblenz. Die Initiati- Katharina hat Spuren hinterlassen, ihre Heiligspre- ve für diese zweite Strecke geht auch auf die chung hat das auch getan. Die eben erwähnten Akti- Gemeinde Dernbach zurück. vitäten sind sicher nur einige wenige von vielen ande- ren, die es auch gibt, von denen wir aber keine Ja, und am 13. Oktober wird des ersten Jahresta- Kenntnis haben. ges der Heiligsprechung in Dernbach und Wirges gedacht. Morgens findet nach einer Statio in der Die Sache Katharinas muss weitergehen, sie geht Klosterkirche und einer Prozession zur Dorfkirche weiter und wird weitergehen. Diese Frau hat den dort das Pontifikalamt mit Bischof Dr. Georg Bät- Menschen heute so viel zu sagen, dass man einfach zing statt. Anschließend gibt es bei einem einfa- nicht von ihr schweigen kann. chen Mittagessen rund um die Kirche die Möglich- (STH) keit zur Begegnung. Ein Höhepunkt dieses Tages ist die Uraufführung des Oratoriums „Beati Pau- peres“ im Westerwälder Dom in Wirges. Dieses

31 Zum Nachdenken Was man auf einer Reise lernen kann Von Johann Roth

loren, da stieg der Sohn vom Tier herab und nun lie- fen beide, Vater und Sohn, neben dem Maultier wei- ter. Einige Meilen hatten sie auf diese Weise hinter sich gelassen, da stießen sie auf fahrendes Volk, Gaukler, Akrobaten und Spaßmacher. »Seht nur!«, lachten die: »Welch ein Narrentreiben! Da haben die beiden ein kräftiges Maultier, schaffen es aber nicht, sich von ihm an ihr Ziel tragen zu lassen. Das Laufen scheint ihnen viel Vergnügen zu bereiten.« Und lachend zog die Gruppe davon.

Was tun? Der Vater überlegte nicht lange und setzte sich zusammen mit seinem Sohn auf den Rücken des Tieres und so setzten sie ihre Reise fort. Doch es lagen nur wenige Meter hinter ihnen, da kam eine alte Marketenderin des Weges. Als sie die beiden auf dem Tier entdeckte, da begann sie zu schimpfen: »Was tut ihr nur dem armen Tier an! Wollt ihr es zu Tode quälen? Ihr solltet es tragen, an- statt euch von ihm tragen zu lassen. Seht ihr denn nicht, dass es dem Tode nahe ist? Ist denn gar kein Gemeinsam mit seinem Sohn hatte der Vater die Verstand mehr hier auf Erden?« ferne Hauptstadt besucht. Nun war es Zeit, die Heimreise anzutreten, und so machten sich die beiden mit ihrem Maultier auf den Weg nach (Fortsetzung auf Seite 36) Hause. Der Vater hatte Platz auf dem Rücken des Tiers genommen, der Sohn folgte ihm zu Fuß. Da kam ihnen eine Gruppe Kaufleute entgegen, die sich sehr ereiferten, als sie ihrer ansichtig wurden. »Nun schau sich das einer an!«, riefen sie: »Der Alte hat es sich auf dem Maultier bequem gemacht, während der Junge den ganzen Weg laufen muss. In was für einer verrückten Welt wir doch leben!«

Als die Kaufleute vorüber waren und ihr Gezeter langsam verhallte, stieg der Vater vom Maultier ab und setzte seinen Sohn auf dessen Rücken. Und so zogen sie weiter ihres Weges. Da begegneten ihnen ein paar Mönche, die riefen: »Ist das zu fassen? Der Junge darf gemütlich reiten, aber der Alte muss sich zu Fuß quälen. Wie die Zeiten sich ändern!«

Die Mönche hatten sich schon in der Ferne ver-

32 Bücher bauen Brücken

Neues Buch von Peter Dyckhoff

Durch die Zeitschrift „Die Stimme Padre Pios“ erfuhr Peter Dyckhoff, dass Pater Pio von Pie- trelcino (1887-1968) das Ruhegebet betete, was durch viele seiner Briefe belegt ist . Aus der Zeit von 1910 bis 1922 stehen uns 336 Briefe zur Verfügung, die Pater Pio an seine geistlichen Begleiter schrieb. Hinzu kommen noch 56 weitere Briefe. Dyckhoff zitiert die Stel- len, die das Ruhegebet widerspiegeln und kom- mentiert sie.

In einem Brief vom 9. Februar 1914 schreibt Peter Dyckhoff Pater Pio: Pater Pio und das Ruhegebet „Was die Seele in diesem Zustand empfängt, das empfängt sie auf eine ganz andere Weise 208 Seiten, 12 x 17,5 cm, Hardcover als früher. Jetzt ist es Gott selbst, der unmittel- gebunden mit Lesebändchen bar im Zentrum der Seele handelt und wirkt, € 10,00 (D) € 10,30 (A) ohne die Mithilfe der inneren oder äußeren ISBN 978-3-86357-238-9 Sinne … Was ich über diesen gegenwärtigen Zustand zu sagen vermag, ist, dass die Seele auf nichts anderes mehr achtet als auf Gott Erschienen im Fe-Verlag allein; sie fühlt, dass sich ihr ganzes Sein auf Bernhard Müller Gott ausrichtet und in Gott sammelt, und diese Hauptstraße 22 Ausrichtung und Sammlung ist derart stark, 88353 Kisslegg dass sämtliche Fähigkeiten, selbst in ihren allerersten Regungen, auf natürliche Weise [email protected] und beinahe spontan zu Gott hinführen und Tel.: 07563 608 998-0 ihm instinktiv entgegeneilen.“

33 In Memoriam gib, dass wir Christus, den Johannes vorausverkün- digt hat, als den erkennen, der uns das ewige Leben erworben hat.“ Wir sind zuversichtlich, dass Sr. Ire- näa Christus erkannt und durch ihn ewiges Leben geschenkt bekommen hat. Wir gedenken unserer Schwester Irenäa in Liebe und Dankbarkeit. (Sr. M. Jeanette Basch ADJC / Sr. M. Theresia Winkelhöfer ADJC)

Sr. M. Irenäa ADJC (Wilma Grosch)

Am Hochfest der Geburt des hl. Johannes des Täufers wurde Schwester Irenäa vom Herrn heim- gerufen. In der Lesung aus dem Propheten Jere- mia hörten wir: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt …“ (Jer. 1,5) Das kann man auch von Sr. Irenäa sagen. Wilma Grosch wurde am 10. Mai 1930 in Ulmbach, Kreis Schlüchtern, geboren. Nach dem Besuch Sr. M. Charlotte ADJC der Volksschule blieb sie zunächst im Elternhaus (Irmgard Friederich) und half im Haushalt und Garten. Während der Wintermonate besuchte Wilma die Schwester Charlotte, Irmgard Friederich, war das 7. Nähschule der Vinzentinerinnen in Ulmbach. Ab Kind der Eheleute Peter und Karoline Friederich, Februar 1949 bis zu ihrem Eintritt in unsere geboren am 15.07.1941 in Frankfurt/ Goldstein. Gemeinschaft im Januar 1950 arbeitete sie in der Ab Ostern 1952 bis 1960 ging sie in Frankfurt aufs Küche des St. Elisabethen-Krankenhauses in Schiller-Gymnasium. Vom 01. Nov. 1960 bis März Frankfurt-Bockenheim. Dort reifte ihr Entschluss, 1961 war Irmgard als Helferin im Katharinen Kinder- Ordensschwester zu werden. garten in Goldstein tätig. Sr. Irenäa wurde am 12. September 1950 einge- Am 01. April 1961 begann sie die Ausbildung zur kleidet und ins Noviziat aufgenommen und legte Krankenpflege im Marienkrankenhaus in Frankfurt, am 24. September 1952 ihre ersten Gelübde ab. die sie im März 1964 mit dem Staatsexamen ab- Sr. Irenäa wurde nach der Profess in größeren und schloss. Anschließend arbeitete sie als Kranken- kleineren Filialen in der Küche eingesetzt, meis- schwester auf der Augenstation. tens als Küchenleiterin. Die Orte ihrer Tätigkeiten Irmgards ältere Schwester, Sr. Adelharda, ist eine waren: Bernkastel, Odenkirchen, Clemenshaus in Schwester unserer Gemeinschaft. Daher war ihr die , Kloster Tiefenthal, Hagen-Haspe, Kongregation schon bekannt, als sie im Marien- Koblenz-Horchheim. Gegen Ende ihrer Zeit dort krankenhaus in Frankfurt, das zu unserer Gemein- erlitt sie einen Unfall mit einem komplizierten Bein- schaft gehörte, die Ausbildung begann. So wuchs in bruch und wurde dadurch arbeitsunfähig. 1999 ihr der Wunsch, auch in die Kongregation einzu- wurde sie deshalb Altenheimbewohnerin in Dern- treten. bach. Sie wechselte mehrmals zwischen Herz- Sie trat am 15.09.1965 in Dernbach ein, wurde am Jesu-Heim und Josefshaus. 25. August 1966 eingekleidet und erhielt den Im Frühjahr 2003 wurde ein längerer Aufenthalt in Ordensnamen Sr. Charlotte. Am 20. August 1968 Gangelt notwendig. Von dort aus wurde sie am 02. legte sie ihre ersten hl. Gelübde ab. September 2003 ins Herz-Jesu-Heim Dernbach Bereits als Novizin wurde Schw. Charlotte in das St. versetzt. 2014 wurde sie mit allen Schwestern des Martinus-Krankenhaus nach Düsseldorf versetzt, Herz-Jesu-Heims in das neu errichtete St. Agnes- wo sie als Krankenschwester wirkte und auch nach haus verlegt. der Profess wieder zurückkehrte. Sie blieb bis 1974 In den letzten Monaten verschlechterte sich ihr in Düsseldorf. Gesundheitszustand. Sie verstarb am 24. Juni Im August 1974 wurde sie im Maria-Hilf-Kranken- 2019. haus in Gangelt, eine psychiatrische Einrichtung, Im Tagesgebet beteten wir: „Herr, unser Gott … auf einer Abteilung akut psychiatrisch Kranker als Leiterin eingesetzt.

34 Von 1981 bis 1982 besuchte Schw. Charlotte die Unzulänglichkeiten ihrer Mitmenschen umgehen. Fortbildungsakademie in Köln-Hohenlind zur Ein Bild oder eine Metapher, ein Symbol, was mir bei Ausbildung für Pflegemanagement, die sie erfolg- ihr einfällt. reich abschloss. Für mich war sie ein tief verwurzelter Baum, der für Ab 1983 übernahm sie die Aufgabe als Pflege- Mitarbeiter und für Klienten Geborgenheit und dienstleiterin in Gangelt. Hier wirkte sie bis 1993. Schatten spendet; der seine Höhe erreicht hat, aber Danach wurde sie in das St. Vincenzstift in Aul- nach wie vor kraftvoll war und nach den neben ihr hausen, eine Einrichtung der Heilerziehungshilfe, wachsenden Bäumen Ausschau hielt und sehr versetzt. Hier leitete sie das Pflegemanagement - achtsam war. bis 1998. Unvergessen waren ihre Auftritte während der Kar- Danach kehrte sie 1999 nach Gangelt zurück in nevalssitzungen in Gangelt. Ob sie als Punkerin oder das Katharina Kasper Heim als Oberin für unsere als feine Dame aus Frankfurt auftrat, sie war immer pflegebedürftigen und kranken Schwestern. Sie ein Garant für beste Stimmung. Auch war sie den war auch als Pflegedienstleitung dort eingesetzt Annehmlichkeiten von gutem Essen und Trinken und hatte ein gutes Verhältnis zu den Mitarbeiten- angetan – dies machte sie so menschlich. den. Bis 2003 wurden hier nur Ordensschwestern Einen hohen Stellenwert räumte sie stets sterben- aufgenommen. Als nicht mehr alle Plätze belegt den Menschen ein. Hier hat sie oft Tage und Nächte werden konnten, wurde die Barbara-Station auch bei Sterbenden, insbesondere bei sterbenden Mit- für Nichtordensangehörige geöffnet. Sr. Charlotte schwestern, verbracht. war auch Ansprechpartnerin für diese Bewohner, Sr. Charlotte war ein Mensch mit großer Schnauze auch als ab August 2014 keine alte Schwester und großem Herz. Ich persönlich habe ihr ganz ganz mehr dort war. viel zu verdanken“. Bis 2018 blieb Sr. Charlotte in Gangelt im Konvent. Ende des Zitats. Durch ihr frohes, lebendiges Wesen und ihre An Sr. Charlottes Todestag gedenkt die Kirche des Erfahrung sorgte sie für die Aktivierung der hl. Christophorus, des Reisebegleiters, da er - nach Heimbewohner und legte großen Wert auf Fest- der Legende - das Jesuskind ans andere Ufer trug. und Feiergestaltung. Ihr war es wichtig, aufrichtig Er wird Sr. Charlotte an das Ufer des neuen für die Menschen da zu sein, aufmerksam Morgens, des unvergänglichen Tages, begleitet zuzuhören und nach ihren Möglichkeiten Hilfe und haben. Sie ist nun im Licht und wird fürbittend liebevollen Rat zu schenken. Sie war bei eintreten für uns und alle, denen sie in ihrem Leben Bewohnern und Mitarbeitenden sehr beliebt. dienen durfte. Durch eine plötzliche Erkrankung wurde Sr. Wir gedenken unserer Schwester Charlotte in Liebe Charlotte pflegebedürftig und wechselte nach und Dankbarkeit. Dernbach als Bewohnerin ins Agneshaus. (Sr. M. Jaicy Jacob ADJC) Bei dem letzten Aufenthalt im Herz-Jesu-Kranken- haus war sich Sr. Charlotte bewusst, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Wie in ihrem ganzen Leben, vertraute sie auch am Lebensende auf die Hilfe Gottes. Sie sagte zu uns: “Bringt mich nach Hause!“. Sie wusste, dass ihr im Krankenhaus nicht mehr geholfen werden konnte. Dieser Wunsch wurde ihr am nächsten Tag erfüllt. Am 23. Juli kam sie zurück ins Agneshaus und in der folgenden Nacht, am 24. Juli, als der neue Tag begonnen hatte, holte Gott, der Herr über Leben und Tod, unsere Sr. Charlotte heim und erlöste sie so von ihrer schweren Krankheit. Nach Bekanntgabe ihres Heimgangs schrieb ein langjähriger Mitarbeiter von Sr. Charlotte einen Der heilige Chris- Brief an Sr. Theresia, unsere Provinzoberin, aus tophorus. Rechter dem Sie hier einen Auszug finden: Teil des Flügelal- „Drei Dinge, die mich bei ihr beeindruckten: tars Die Perle von * Ihre Fähigkeit, Dinge und Sachverhalte offen und Brabant ehrlich anzusprechen. (1467–1468 * Sie war kein Mensch mit großartigen Utopien, sondern sie sah die Arbeit und erledigte diese. * Ihre große Menschlichkeit. Sie konnte auch mit

35 Fortsetzung von Seite 32

Da stiegen Vater und Sohn vom Maultier, ergriffen ein paar Äste, die am Wegesrand lagen, bauten daraus eine Bahre und betteten das Maultier darauf. Sie schulterten die Bahre und nahmen ihren Weg wieder auf. Als sie das nächste Dorf erreicht hatten, bildete sich schnell eine große Menschentraube um sie herum. »Schaut nur, diese Dummköpfe!«, war zu hören. »Wer von Verstand trägt denn sein Maultier in der Welt spazieren? Ist das Langohr denn nun der Herr und der Mensch sein Reittier?«

Was weiter aus dem Vater und dem Sohn ge- worden ist? Davon hat mir keiner erzählt.

Wer Adler spielen will, darf nicht in Sorge sein,

ob ihm sein kleines Meisennest zerpflückt und zerstört wird. (Theodor Fontane)

Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe der „Brücke der Hoffnung“: 30. November 2019

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