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Überblick & Entstehung • Autonome Nationalisten / Wikipedia März 2009 • Von gestern… - Historischer Entstehungskontext / Lotta Nr.31 • Das Label: Autonome Nationalisten / AIB Nr. 69 • Mehr als eine Randerscheinung / Lotta Nr. 31 Gewalt & Erlebniswelt • Nur „radical chic“? / AIB Nr. 80 • Zwischen “Latschdemo” und “Schwarzem Block” / AIB 72 Verhältnis zur NPD • „Revolution statt Reformen“ / Lotta Nr. 31 • Nicht sanktionsfähig / AIB 78 • Vermummte Nazis raus! / Telepolis Übernahme linker Symbolik • Alles nur geklaut? / AIB Nr. 63

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Als Autonome Nationalisten (AN) bezeichnen sich zumeist jugendliche Neonazis aus den Reihen der freien Kameradschaften. Sie greifen seit etwa 2002 bei ihrem Auftreten und ihren Aktionsformen bewusst auf das Vorbild der politisch linken autonomen Bewegung zurück.

Entstehung und Entwicklung

Ihren Ursprung hat diese Strömung im Jahr 1990, als Neonazis aus dem Umfeld der Nationalen Alternative (NA) in Berlin-Lichtenberg ein Haus besetzten und damit besonders augenfällig eine Aktionsform der linken Hausbesetzer-Bewegung übernahmen. Mitte der 1990er Jahre entwickelten und Thomas Wulff als Reaktion auf die Verbote mehrere rechtsextremer Parteien und Organisationen das Konzept der „Freien Kameradschaften“. Diese nur lose organisierten, „autonomen“ und regional operierenden Kleinstgruppen aus meist nicht mehr als 20 bis 25 Personen wurden in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre zur dominierenden Organisationsform der Neonaziszene, wobei die Mitglieder in Auftreten, Kleidung, Habitus und skandierten Parolen nahezu ausschließlich dem Bild des rechtsextremen Skinheads entsprachen.

Davon deutlich abweichend traten erstmals 2002 die „Autonomen Nationalisten Berlin“ (ANB) als loser Zusammenhang von Aktivisten aus der Freien Kameradschaftsszene hervor. Zu ihnen gehörten Angehörige der „Kameradschaft Tor“, der „Kameradschaft Pankow“ und der „Vereinigten Nationalisten Nordost“, die zunächst von dem Berliner Neonazi Oliver Schweigert unterstützt wurden. Sie versuchten, mit einer Serie von Aufklebern und Sprühereien eine Drohkulisse gegen Antifaschisten aufzubauen und traten auf Neonazi-Kundgebungen wie der von der NPD organisierten Demonstration am 1. Mai 2003 in Berlin mit einem eigenen Transparent mit der Aufschrift „ Organisiert den nationalen schwarzen Block – Unterstützt örtliche Anti-Antifa-Gruppen - Wehrt Euch und schlagt zurück - Autonome Nationalisten Berlin “ auf. Eine größere Bekanntheit zunächst nur innerhalb der extrem rechten Szene riefen die ersten Versuche hervor, auch die militanten Aktionsformen der linksautonomen Szene zu übernehmen. So wurden am 1. Mai 2004 in Berlin und am 1. Mai 2005 in Leipzig erstmals versucht, „schwarze Blöcke“ in den ersten Reihen der Neonazi-Aufmärsche zu formieren und damit durch die Polizeiketten zu brechen.

In den Folgejahren übernahmen in der gesamten Bundesrepublik einzelne junge Neonazis und Kleingruppen die Bezeichnung und den Stil der „Autonomen Nationalisten“. Schwerpunkte bilden Großstädte und Ballungsräume, neben Berlin insbesondere das Ruhrgebiet („Autonome Nationalisten Östliches Ruhrgebiet“, „Autonome Nationalisten Westliches Ruhrgebiet“, „Autonome Nationalisten Wuppertal/Mettmann“, „Autonome Nationalisten Marl“) und München um die Neonazi-Kader Hayo Klettenhofer und Philipp Hasselbach.

Doch auch in kleineren Städten und sogar ländlichen Räumen sind einzelne Anhänger und Kleingruppen zu verzeichnen. So beteiligten sich in Gera im Dezember 2004 die „Autonomen Nationalisten Gera“ an den Montagsdemonstrationen gegen Sozialabbau und traten mit eigenen Pressemitteilungen in die Öffentlichkeit. Nach der Selbstauflösung des neonazistischen „Aktionsbündnisses Mittelhessen“ ebenfalls Ende 2004 treten ehemalige Mitglieder im Raum Marburg als „autonome Nationalisten“ in Erscheinung. Bei einer Demonstration in Bützow am 26. Februar 2005 trat eine Gruppierung von Rostocker Neonazis auf, die als „Autonome Nationalisten Rostock“ (ANR) mit einem entsprechenden Transparent und typischem Autonomen-Outfit firmierten. Die Personen waren hier bislang als „Hatecrew 88“ bekannt und traten 2003 auf den von Christian Worch organisierten Demonstrationen in Mecklenburg-Vorpommern erstmalig in Erscheinung. Bei der Führungsperson der „Hatecrew 88“ bzw. der „Autonomen Nationalisten Rostock“ handelt es sich um einen 2002 von Nordrhein- Westfalen nach Rostock zugezogenen Neonazi, der sich gleich nach seinem Zuzug in der Rostocker Szene etablierte und Szenepersonen um sich gruppierte. [1]

Auftreten

„Autonome Nationalisten“ zeichnen sich durch eine direkte Übernahme und Umwandlung des Kleidungsstils und der Aktionsformen der linksradikalen Autonomen aus. Sie treten bei Demonstrationen weitgehend geschlossen in einheitlicher schwarzer Kleidung, bestehend aus schwarzen Windbreakern mit Kapuze, Kapuzenpullovern und Baseball-Kappen, auf. Häufig tragen sie zusätzlich ein so genanntes Palästinensertuch, das auch zur Vermummung dienen kann. Bisweilen werden auch schwarze Handschuhe mit Protektoren getragen oder demonstrativ in den Gesäßtaschen eingesteckt, die wie in Teilen der Autonomen oder bei Hooligans als Zeichen der Gewaltbereitschaft zu deuten sind.

Wie bei dem modischen Vorbild der Autonomen werden die Kleidungsstücke mit Buttons und Aufnähern besetzt, auf den politische Slogans oder Abzeichen zum Ausdruck gebracht werden. Häufig werden dabei Parolen, Slogans, Layout-Stil und Duktus aus der autonomen Antifa-Bewegung und alternativen Jugendkulturen verwendet und nur leicht verändert, so z.B. das Logo der Antifaschistischen Aktion mit zwei schwarzen statt einer schwarzen und roten Fahne und der Umschrift „Nationale Sozialisten“ bzw. „Autonome Nationalisten - Bundesweite Aktion“ mit Bezug auf die 2001 aufgelöste „Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation“ (AA/BO). Das Logo antifaschistischer Hardcore Punk-Anhänger mit dem Schriftzug „Good night – white pride“ wurde ebenfalls übernommen und durch den Slogan „Good night – left side“ ersetzt.

Bei Demonstrationen und Kundgebungen der rechtsextremen Szene, die meist von der NPD oder Freien Kameradschaften organisiert werden, bilden sie eigene Gruppen, die bisweilen den Anspruch haben, als „Black Block“ aufzutreten, was jedoch aufgrund der geringen Teilnehmerzahlen nur selten eingelöst werden kann. Sie bevorzugen die vordersten Reihen und treten mit eigenen Transparenten auf, die sich mit englischsprachigen Slogans wie „Fight the system“ oder “Fuck the law“, populären Comicfiguren, grellen Farben und aufwändig gestalteten Schriftzügen im Graffiti-Stil wiederum an den Transparenten der Antifa-Bewegung orientieren. Durch die häufige Verwendung von Angliszismen und Elementen der Hip-Hop-Kultur unterscheiden sie sich damit deutlich vom Auftreten der traditionellen rechtsextremen Skinhead- und Altnazi-Szene. Hinzu kommt das Übernehmen von Stücken linker Bands und Musiker wie Rio Reiser oder Ton Steine Scherben. Ziel ist es zum einen, dem Bedürfnis auch Jugendlicher und junger Erwachsener mit rechtsextremen und neonazistischen Weltbildern nach einem modernisierten Lifestyle entgegenzukommen und nicht dem Image des Ewiggestrigen und den Klischees vom „Stiefel-Nazi“ und „Skinhead“ zu entsprechen. Zum anderen sind es dieselben Absichten, die auch bei den Autonomen mit der Verwendung einheitlicher schwarzer Bekleidung verbunden wurden. So hieß es in dem Aufruf zur 1.-Mai- Kundgebung: „ Die schwarze Kleidung ermöglicht uns, dass wir von Antifas, Bullen und anderen nicht mehr auseinandergehalten und erkannt werden können. “

Sie zeigen häufig ein im Vergleich zu den traditionellen Rechtsextremisten noch aggressiveres Auftreten gegenüber Teilnehmern antifaschistischer Gegendemonstrationen und der Polizei und begründen dies mit einer Bedrohung durch Staat und Antifa. So schrieben beispielsweise die „Autonomen Nationalisten Wuppertal/Mettmann“ in einer Selbstdarstellung, man werde sich „ nicht von diesem Besatzersystem rumschubsen lassen “. Mit „rechtskonservativen Organisationen“, die nach der Devise „ Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte auch die andere Wange hin “ handeln würden, will man nichts zu tun haben: „ Wer uns auf die rechte Wange schlägt, der bekommt anschließend Rechts und Links eine! “.

Auch die Praxis der autonomen Antifa-Bewegung, die sich häufig auf die Neonazis als einzigen Gegner fokussiert - was wiederum in der autonomen Antifa-Bewegung seit Jahren umstritten ist -, wurde in gewisser Weise übernommen und führte zu intensiven Anti-Antifa-Tätigkeit und gewalttätigen Übergriffen auf politische Gegner. In Berlin versuchen die Aktivisten der ANB, linke Veranstaltungen zu observieren, Daten von politischen Gegnern zu sammeln und Antifaschisten durch Drohungen einzuschüchtern. Ein führendes ANB-Mitglied hatte während seiner Beschäftigung beim Finanzamt Friedrichshain/Prenzlauer Berg den Computer angezapft, um Daten von Polizisten und politischen Gegnern zu entnehmen. Bei einem weiteren ANB- Mitglied wurden 2004 bei einer Hausdurchsuchung zahlreiche Namen und Anschriften von vermeintlichen Antifaschisten und Polizisten gefunden. Mittlerweile versuchen Kameradschafts-Aktivisten aus dem Umfeld der „autonomen Nationalisten“ mit mehr oder weniger gezielten Aktionen, ihre politischen Gegner aus der autonomen Antifa-Bewegung auch direkt anzugreifen. So gab es Angriffe auf die Wohnhäuser vermeintlicher Antifa-Aktivisten und linke Jugendclubs, Angriffe auf eine antifaschistische Ausstellung und Veranstaltungen und (spontane) Angriffe auf bekannte Antifaschisten. Alternative Jugendliche berichten, dass ihnen Neonazis im autonomen Outfit auflauerten und sie angriffen. Auch weitere Aktionsformen der Autonomen wie symbolische Hausbesetzungen werden kopiert, verbunden mit der Forderung nach „nationalen Jugendzentren“. Neben den Demonstrationen versuchen sie, durch Aufkleber und Sprühereien öffentlich auf sich aufmerksam zu machen.

Im April 2008 trat bei einer „Gedenkdemonstration“ zum Gedenken an einen wenige Tage zuvor getöteten Jugendlichen im rheinländischen Stolberg der „schwarze Block“ vermummter Neonazis bisher am massivsten auf[2] : Ein Block von ca. 600 „autonomen Nationalisten“ griff Polizeieinheiten an, zündete aus dem Block heraus Feuerwerkskörper und trat in noch nicht bekannter Brutalität auf. Das Auftreten der „autonomen Nationalisten“ war derart bundesweit noch nicht beobachtet worden, die Polizeikräfte sprachen auch zum ersten Mal in einer Pressemitteilung vom Auftreten von „Rechtsautonomen“ auf einer Demonstration. Auch die schweren Krawalle am 1. Mai 2008 in Hamburg-Barmbek gingen nach Polizeiangaben von Autonomen Nationalisten aus. [3] Ideologie

Das Verhältnis der „autonomen Nationalisten“ zum politischen System der Bundesrepublik Deutschland wie auch zu der übrigen rechtsextremen Bewegung wurde in dem ersten Demonstrationsaufruf 2004 definiert: „ Der nationalrevolutionäre, schwarze Block unterscheidet sich nicht hauptsächlich durch sein Äußeres von den anderen Demonstrationsteilnehmern, sondern durch die revolutionären Inhalte und seine Aktionen (Blockaden, Besetzungen, Verweigerungen, etc.): Wir glauben nicht daran, dass das kapitalistische System reformiert oder verbessert werden kann - das vorherrschende System IST der Fehler und muss durch eine neue, freie, gerechte und NATIONAL UND SOZIALE Gesellschaftsform ersetzt werden. “

„Autonome Nationalisten“ sehen sich selbst als bewusste Provokateure der Altnazis und lehnen deren „schwarz-weiß-rote Deutschtümelei“ oder „1933er-Romantik“ ab. Ziel ist eine breite Unterwanderung der Jugend und ein Aufbrechen der extrem rechten subkulturellen Identität der Skinhead-Szene. So formulierten die „Autonomen Nationalisten Wuppertal/Mettmann“ ihr Alternativkonzept: „ Wir setzen uns dafür ein, alle relevanten Teile der Jugend und der Gesellschaft zu unterwandern und für unsere Zwecke zu instrumentalisieren. Es spielt keine Rolle welche Musik man hört, wie lang man seine Haare trägt oder welche Klamotten man anzieht. “ Der bekannte Neonaziaktivist Axel Reitz beschrieb diese Strategie: „ Diese ‚Autonomen‘ kopieren den Stil und die Aufmachung der linken Strukturen und von linken bisher agitierten Jugendkulturen, dabei werden die bekannten Symbole und Outfits mit unseren Inhalten besetzt und in unserem Sinne interpretiert. ... Mittels dieses Auftretens besteht die Möglichkeit sozusagen unerkannt, da dem bekannten Bild des ‚Faschisten‘ entgegen laufend, in die bisher von gegnerischen Lagern beherrschte Gebiete vorzudringen, politisch und kulturell. Graffitis sprühen, unangepasst und ‚hip`sein können nicht nur die Antifatzkes, sondern auch wir, damit erreichen wir ein Klientel welches uns bis dato verschlossen geblieben ist. “ [4]

Gleichzeitig halten die „autonomen Nationalisten“ an der nationalsozialistischen Ideologie fest und propagieren Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus. Nach ihrer eigenen Stilisierung knüpfen die „Autonome Nationalisten“ ideologisch an den „linken Flügel“ der NSDAP, vertreten durch Gottfried Feder sowie Otto und Gregor Strasser an.

Besondere Schwierigkeiten bereitet es ihnen, den Begriff autonom auch inhaltlich zu füllen. Reitz beantwortete die Frage „Wieso überhaupt ‚Autonome Nationalisten?’“ in dem Neonazi-Internetforum „Freier Widerstand“ Ende 2004 zunächst nur mit einem knappen „ Was sind ‚autonome Nationalisten’, eigenständige Nationalisten, Punkt, Aus, Ende, das war’s. “. Christian Worch definierte an der selben Stelle den Begriff „autonom“ als Notlösung, da mehrere „freie Nationalisten“ mittlerweile NPD- Parteiangehörige geworden seien und daher der Begriff „frei“ verwässert wäre. Im Juli 2005 meinte Reitz: „ Nationalautonom ist zu allerst ein Begriff und je nach Apologet dieses an sich oberflächlichen Wortkonstruktes wird er anders definiert (...) Eine verbindliche Definition über den Begriff kann Dir also niemand geben (...) “

Verhältnis zur rechtsextremen Szene und NPD

Das Auftreten der „Autonome Nationalisten“ stößt innerhalb der extremen Rechten auf unterschiedliche Reaktionen. So schrieb z.B. Christian Worch, der die Herausbildung der AN zunächst begrüßt hatte, im Forum der Internetpräsenz „Freier Widerstand“: „ Tatsache ist, daß ein Kreis von angeblich oder tatsächlich führenden Leuten aus Zusammenhängen des freien Widerstandes mindestens erwogen hat, bei Demonstrationen gegen den Block mit gewaltsamen Mitteln vorzugehen oder beispielsweise diese Netzwerkseite nebst Forum entweder zu hacken oder aber gegen die Moderatoren mit körperlicher Gewalt vorzugehen. “

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte im Verfassungsschutzbericht 2007 fest: „ Nachdem die „Autonomen Nationalisten“ in den Vorjahren innerhalb des rechtsextremistischen Spektrums - selbst innerhalb der Neonaziszene - isoliert waren, zeigte sich 2007 eine Veränderung: Im Zusammenhang mit einem „Abgrenzungsbeschluss“ des Parteipräsidiums der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) gegenüber den „Autonomen Nationalisten“ erklärte sich der größte Teil der deutschen Neonazi-Szene im August 2007 mit den „Autonomen Nationalisten“ solidarisch. Dies kann als Indiz für die gestiegene Reputation der Strömung innerhalb der Szene gewertet werden. “ [5]

Das Präsidium der NPD ist gespalten und versucht sich nach außen mit Parolen wie „Unsere Fahnen sind schwarz - unsere Blöcke nicht“ abzugrenzen, kritisiert wird vor allem die „bisher nur von linksradikalen/antifaschistischen Demonstrationen bekannten Phänomene“ und man wende sich gegen „anarchistische Erscheinungsformen“. Während der Parteivorsitzende sich zunächst mit den Worten, man solle nicht „den Anspruch, modern und revolutionär wirken zu wollen, dadurch erkaufen, dass man Erscheinungs- und Kleidungsformen der altbackenen Antifa nachahmt“ distanzierte, grüßte er zuletzt bei einem Parteitag der NPD "ausdrücklich die Vertreter des Schwarzen Blocks" und ergänzte, man ließe sich nicht „durch die Medien, nicht durch Hetze, auseinanderdividieren“. [6] Auf dem Bundesparteitag der NPD im Jahre 2008 kritisierte Voigt Anleihen bei der linken Szene, wie die „geballte Kommunistenfaust“ oder „ausländische Symbole und Sprüche“, während Jürgen Rieger und Thomas Wulff die Gesellschaft der Autonomen Nationalisten nicht scheuen. [7] [8]

Eine Ausnahme bildet Berlin. Laut dem Berliner Verfassungsschutz ist das Verhältnis zwischen der NPD und den Autonomen Nationalisten eng und vertrauensvoll . So seien die Autonomen Nationalisten nicht unwesentlich an der Wiederbelebung des Landesverbandes der NPD und dem Neuaufbau seiner Jugendorganisation JN beteiligt .[9]

Einzelnachweise

1. ↑ Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern: Jahresbericht 2005 S. 38 2. ↑ http://klarmann.blogsport.de/2008/04/06/rechts-junger-rechtsextremist-bei- messersteicherei-in-stolberg-getoetet/ 3. ↑ Netzeitung: «Nackte Gewalt ging von den Rechten aus» 4. ↑ Randzone: Beiträge zu Politik, Wirtschaft und Gesellschaft 5. ↑ Verfassungsschutzbericht 2007 des Bundesamt für Verfassungsschutz, S.58 6. ↑ Spiegel Online: Schwarzer Neonazi-Block alarmiert Polizei und Politik 7. ↑ Spiegel Online: Rieger gewinnt Machtkampf auf offener Bühne 8. ↑ Telepolis: NPD geht weiter in Richtung Militanz vom 26. Mai 2008 9. ↑ Lageanalyse der Autonomen Nationalisten in Berlin Literatur

• Christian Menhorn: Autonome Nationalisten . In: Backes/Jesse (Hg.): Jahrbuch Extremismus und Demokratie 2007 . 19. Jahrgang, Baden-Baden, Nomos Verlag, 2008, ISBN 978-3832931681. S. 213-225. • Karsten Dustin Hoffmann: Autonome Nationalisten. Der schwarze Block auf rechtsextremen Demonstrationen . In: Polizeispiegel 6/2008. Berlin, dbb- Verlag, 2008, ISSN 1437-9864. S. 19-24 (als PDF verfügbar) • Rainer Brahms: Mehr als eine Randerscheinung - Moderner Style, alte Inhalte . In: Lotta #31, Oberhausen, 2008, ISSN 1865-9632. S. 8-11 (als PDF verfügbar)

Schwerpunkt | Historischer Entstehungskontext der »Autonomen Nationalisten«

Von August Lindler Von gestern... Historischer Entstehungskontext der »Autonomen Nationalisten«

„Den Staat (und seine Helfershelfer) bekämpfen auf allen Ebenen und form der Links-Autonomen. Diese mit allen Mitteln“, so heißt es im Gründungskonzept der „Autonomen verwendeten dieses Mittel, um ihre Nationalisten / Bundesweite Aktion“ vom April 2008, dem sich bislang Entschlossenheit gegenüber dem poli- laut Eigenaussagen 20 Gruppen angeschlossen haben. Gewaltfetischis- tischen Gegner auf Demonstrationen mus und ein als „revolutionär“ verklärtes Militanzgebaren sind zentrale zu zeigen. Oft reichte bereits das for- Merkmale der Verkündungen dieser neuen Modewelle in der Neonazi- mieren eines solchen Blockes, um den Szene. „Black Block“ und Kapuzenpullis, Graffiti-Style und Anglizismen Gegner einzuschüchtern“, heißt es auf Transparenten – das weckt im öffentlichen Bild Assoziationen zu dort weiter. linksorientierten Jugendkulturen, zu den „Autonomen“ und der „Antifa“: Es ist schlicht ein derart mystifizier- eine neue „Autonomen-Bewegung“ von Rechts? tes Bild von Stärke und Gewalt, das solche Bestrebungen zur begrifflichen Bei näherer Betrachtung wird schnell neuen nationalsozialistischen Kraft Vereinnahmung verständlich werden klar, dass die Inanspruchnahme des behindere. Die Neonazis hassten die lässt. Denn der Gewaltfetischismus ist Begriffs „Autonome“ inhaltlich nichts linken Gleichheitsideale, den Anti- dem faschistischen Denken immanent: mit einer spezifischen Erscheinungs- rassismus und Antinationalismus der Soldatische Kampfbundinszenierung form linker Bewegungen zu tun hat: Autonomen und bewunderten zu- und nationalistisches Erhebungsver- Weder die Konzepte der militanten gleich deren militanten Habitus – das sprechen, völkische Apokalypse und italienischen Autonomia Operaia der entschlossene Auftreten und deren Todeskult sind konstitutiv für faschisti- späten 1960er Jahre, noch die Anfang subkulturelle wie auch mediale Aus- sche Bewegungen. der 1980er Jahre in Deutschland im strahlungskraft. Christian Worch Kontext der Hausbesetzerszenen ent- bezeichnete 2004 den Begriff als Nationalsozialismus als standene Bewegung der „Autono- einen Ersatz für „Freie Nationalisten“, »Nationaler Sozialismus« men“ weisen inhaltlich irgendeine Ge- da letzterer auch von Aktivisten in Ein Blick in die Inhalte der AN macht meinsamkeit mit den „Autonomen Anspruch genommen würde, die schnell deutlich, um wessen Geistes Nationalisten“ (AN) auf. Kein Wunder, mittlerweile bei der NPD organisiert Kinder es sich da handelt. So heißt es denn jene autonome Linke, die zu- seien. in einem Schulungstext „Nationalis- gleich als erste Bewegung hierzulande In einer 2005 aktualisierten neona- mus und Sozialismus – eine notwendi- die Form einer radikal linken Jugend- zistischen Broschüre mit dem Titel ge Synthese“, angeboten auf der Ho- kultur mit eigenen öffentlichkeitswirk- „Der schwarze Block – eine notwendi- mepage der AG Ruhr-Mitte: „Das der- samen stilistischen Ausdrucksformen ge Klarstellung“, heißt es nicht beson- zeit herrschende wirtschaftliche und entfaltet hatte, zog ihr Selbstver- ders klarstellend: „Autonom leben politische System wird, sollte es noch ständnis zu einem nicht unerheblichen heisst unabhängig sein!“ Die Autoren lange bestehen, das deutsche Volk in Maß aus einem militanten Verständnis haben erkennbar Schwierigkeiten, den […] endgültigen Untergang füh- von Antifaschismus. Die Bezugnahme Unabhängigkeit mit ihrem autoritär- ren.“ Dies wird dadurch erklärt, dass von Rechtsaußen auf das Label „auto- faschistischen Weltbild in Einklang zu „sich heute zu den wirtschaftlichen nom“ hat daher keine inhaltlichen, bringen: „Der Mensch will ohne und politischen Maßnahmen zur Kne- sondern vielmehr habituelle Gründe. Zwänge oder Pflichten leben. Leichter belung und Ausbeutung des deut- Denn die Autonomen waren der neo- gesagt als getan. Er muß sich an Ge- schen Volkes auch noch solche zu sei- nazistischen Rechten zugleich Tod- setze halten, Pflichten erfüllen usw. ner biologischen Auflösung gesellen“. feinde wie Objekt heimlicher Bewun- doch das bedeutet nicht, dass er nicht Dagegen wird das Ideal des NS- derung. Eine Bewunderung, der schon unabhängig ist. Er sucht Mittel diese Staates gesetzt: „die Schaffung einer in den 1980er Jahren der verstorbene Zwänge zu umgehen und scheitert an sozialistischen Volksgemeinschaft in Neonazi-Stratege Michael Kühnen seiner eigenen Überzeugung.“ einem völkisch ausgerichteten Staat”. Ausdruck gegeben hatte. Kühnen er- Es bleibt also der Habitus des Ein Staat, der auf rassistischen Wur- klärte, dass es einzig dieser politische „Kämpferischen“, der adaptiert wird: zeln fußt: „Im deutschen Volke muß Gegner sei, der durch sein entschiede- „Der schwarze Block hat seinen Ur- das Bewusstsein um die eigene Art, nes Auftreten die Entfaltung einer sprung in der gleichnamigen Aktions- und damit das Bekenntnis zu ihr, sowie

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der Stolz darauf wieder geweckt wer- den“, wird dort gefordert. Mit der Abschaffung einer auf reine Profit- maximierung ausgerichteten Produk- tionsweise hat ein solcher „Sozia- lismus“ nichts zu tun: „Ein Unter- nehmer soll durchaus aus seinem Betrieb soviel Einkommen beziehen, wie es sein Einsatz für die Gemein- schaft und seine Leistung rechtferti- gen“, heißt es weiter. Als „Parasit am Volk“ werden vielmehr in antisemiti- scher Verklärung die Zirkulations- sphäre des Kapitals, die Banken und die Aktiengesellschaften identifiziert. Woran die neonazistischen Verkünder dung von Ernst Röhm. Deren sich als den. Hierbei wurde in den 1970er bis eines „nationalen Sozialismus“ histo- „revolutionär“ inszenierender völ- in die 1980er Jahre hinein versucht, risch anknüpfen, sind antisemitische kisch-antisemitischer Gewaltkult ist die Friedens- und Ökologiebewegung Traktate der geistigen Gründungsväter es, der diesen bewegungsorientierten mit völkisch-nationalistischen Inhalten des NS, wie Gottfried Feder. Dieser und volksmobilisierenden nationalpo- zu durchsetzen. hatte die „Brechung der Zinsknecht- pulistischen Flügel des Faschismus für In den offen militant neonazistisch schaft“ durch eine „nationale Revolu- die heutige militant-neonazistisch in Erscheinung tretenden GdNF- tion“ gefordert. orientierte Rechte so anziehend Strukturen war es in den 1980er Das Versprechen einer „nationalen macht. Jahren dann deren „Führer“ Kühnen, Revolution“ entfaltete sich historisch Der Ende 1932 von Hindenburg der dazu aufrief, das organisatorische im Kontext eines „neuen Nationalis- zum Reichskanzler ernannte Kurt von Muster und öffentliche Inszenierungen mus“ von Rechtsaußen, der gegen die Schleicher war es, der unter Bezug- der linken „Autonomen“ zu kopieren. Weimarer Republik gerichtet war. Zu nahme auf das Konzept von Hans Kühnen und sein „Stellvertreter“ deren Protagonisten zählten die Zehrer den Begriff der Querfront po- Worch gaben Anstöße zu einer ersten Vertreter der so genannten Konserva- pulär machte. Er versuchte vergeblich, Hausbesetzung durch Neonazis aus tiven Revolution wie der nationalrevo- den „linken“ SA-Flügel von der NSDAP dem Umfeld der Nationalen Alter- lutionär orientierten Rechten. In einem abzuspalten und in die Reichswehr native (NA) im Osten Berlins Anfang Beitrag eines bekannten Nationalre- einzugliedern. Einer solchen Rhetorik des Jahres 1990. Worch wiederum volutionärs jener Zeit, Ernst Niekisch, bedient sich auch die heutige natio- entwickelte zusammen mit Thomas kommt das Gewalt verherrlichende nalrevolutionär orientierte Rechte. „Steiner“ Wulff 1992 ein Strategie- Verständnis von einer „nationalen Re- papier zur Errichtung einer „autono- volution“ deutlich zum Ausdruck: „Seit Nationalrevolutionäre men Rechten“ – auch im Hinblick auf 1918 gibt es nur ein einziges erlaubtes Inszenierungen in der die staatliche Verbotswelle gegen deutsches Programm: die Ordnung Nachkriegszeit neonazistische Organisationen. Dieses des gesamten deutschen Daseins In den 1970er Jahren war es eine Strategiepapier, das als Konzept für unter den kriegerischen Gesichtspunkt Abspaltung der NPD, die Aktion Neue Freie Kameradschaften und „führerlo- zu stellen.“ Rechte (ANR), die mit nationalrevolu- sen Widerstand“ in der Szene die Zudem existieren historische Bezug- tionärem Impetus in Erscheinung trat Runde machte, beinhaltete wesentli- nahmen der heutigen AN auf den so und aus deren Umfeld unterschiedli- che Züge der Organisationsform wie genannten linken Flügel der NSDAP, che Ansätze zu einer Querfront-Politik des Habitus der heutigen AN. personifiziert in den Strasser-Brüdern hinein in das bunte Lager der neuen  ebenso wie auf die SA vor der Ermor- sozialen Bewegungen entwickelt wur-

Lotta #31 | Sommer 2008 | Seite 13 Titel

[1] Das Label: : Jülich/attenzione Foto »Autonome Nationalisten«

Bereits 2004 wiesen wir im AIB # 64 matischen extrem rechten kulturellen ständige Nationalisten, Punkt, Aus, Mustern los und orientierten sich an Ende, das war’s.«1 Der Hamburger darauf hin, dass in der Region Berlin den kulturellen Codes der linksradika- Neonazikader Christian Worch greift nicht mehr Organisationen und deren len autonomen Bewegung, die sie mit später helfend in die Diskussion ein eigenen Ideologie-Fragmenten verset- und definiert den Begriff »autonom« Strategien das Auftreten von Neonazis in zen (siehe AIB # 63). Sie treten u.a. als Notlösung, da mehrere »freie Na- der Öffentlichkeit bestimmen, sondern unter dem Label »Autonome Nationa- tionalisten« mittlerweile NPD-Partei- listen« auf. Da dieses Modell zuneh- angehörige geworden seien und daher ein Personenkreis von politisch aktiven mend bundesweit übernommen wird, der Begriff »frei« verwässert sei.2 Ein Kadern. Deren jeweiligen Interessen, soll an dieser Stelle ein erster »Autonomer Nationalist« beteuert an Überblick zu diesem Neonazi-Label dieser Stelle, dass er selbstverständ- Streitereien und Vorlieben prägen die geboten werden. lich im »obligatorischen Braunhemd« Neonazi-Szene. zum Treffen erscheine, aber trotzdem Autonome Nationalisten? den autonomen Stil für einen wichti- Der Begriff »autonom« kann von gen Lifestyle halte.3 Ein anderer Nut- den »Autonomen Nationalisten« kaum zer führt zu diesem Thema aus: »Zu- Ein Machtvakuum innerhalb der mit Inhalten gefüllt werden. Selbst dem bezieht sich das autonom auch Berliner Neonazi-Szene, das durch der sonst so schreibfreudige und mit- auf den Lebenswandel der Bewegung,

[1] Wunschdenken den Rückzug tonangebender führen- teilungsbedürftige westdeutsche Neo- weg vom Skinhead Image und hinein mancher Neonazis: der Kader der alten GdnF-Struktur naziaktivist Axel W. Reitz beantwor- ins moderne Leben.«4 Und weiter: »Wir ein schwarzer Block. (siehe AIB # 52) entstanden ist, be- tete die Frage »Wieso überhaupt ›Au- sind unabhängig von bestehenden Aktivisten des Akti- dingt eine spezielle Form politischer tonome Nationalisten?‹« in einem strukturen oder festgefahrenen denk- onsbündnis Mittel- Orientierung. Die führenden Protago- Neonazi-Internetforum Ende 2004 weisen (...) es ist keine subkultur wie hessen am 29. Sep- tember 2004 in Hep- nisten aus der Kameradschaftsszene zunächst nur mit einem knappen »Was z.B. Skinheads es ist ein lebensgefühl, penheim. sagen sich zunehmend von den dog- sind ›autonome Nationalisten‹, eigen- eine einstellung, eine lebensart eine

6 AIB 69 5.2005

Titel

[1] Autonome Natio- nalisten kopieren Inhalte, Style und [1] Parolen der autono- men Bewegung.

›kampfesart‹ (...)«5 versucht ein ande- gelockert (siehe AIB # 68). Man muss sondern auch wir, damit erreichen wir rer User das »autonom« zu erklären. mittlerweile weder eine fundierte völ- ein Klientel welches uns bis dato ver- Diese Formen von widersprüchlichen kische Identität, noch eine extrem schlossen geblieben ist«10 fasst Reitz Patchworkidenditäten, die zwischen rechte subkulturelle Identität vorle- die Vorteile der »Autonomen Nationa- Neonazi-Ideologie, modern jugendli- ben, um in der Kameradschafts-Szene listen« zusammen. chem Lifestyle und dem Lebensstil der anerkannt zu werden. Diese Stategie Vorbilder aus der linksautonomen beschreibt Reitz stellvertretend für Autonome Praxis? Szene hin- und herpendeln, bedienen die »Autonomen Nationalisten«: Der äußerlichen Anpassung an die sich des Begriffes »autonome Natio- »Diese ›Autonomen‹ kopieren den Stil linksautonome Szene folgte eine ver- nalisten« als beliebiges Label. und die Aufmachung der linken Struk- suchte Anpassung der Aktionsformen. »Der autonome Style ist ein Stil der turen und von linken bisher agitierten Dieser Schritt stellt eine logische Kon- sich in den letzten Monaten heraus- Jugendkulturen, dabei werden die be- sequenz aus dem selbstgestellten An- 1| Axel W. Reitz: @ lin- kristallisierte und mittlerweile ein kannten Symbole und Outfits mit un- spruch der Kameradschafts-Aktivisten ker Rechter, Freier Wi- derstand Forum am fester Bestandteil unser Zusammen- seren Inhalten besetzt und in unserem als »Autonome Nationalisten« dar. 18.12.2004 hänge mit eigenem politischen An- Sinne interpretiert.«9 Der direkten Eine Aktivistin aus dem Umfeld der 2| Worch: @ Kleiner spruch geworden ist.«6 resümierte Übernahme und Umwandlung von Pa- verbotenen Berliner Kameradschaft Mohr, Freier Widerstand Forum am 7.2.2005 Axel Reitz zwar im November 2004, rolen, Slogans, Layout-Stil und dem Tor erklärte: »... zudem erhielt das 3| ANB-BERLIN-SÜD: konnte jedoch keine näheren Angaben Duktus aus der autonomen Antifa-Be- wort autonom mit der zeit folgende autonom-warum?, zu dem eigenen politischen Anspruch wegung und alternativen Jugendkul- aspekte (...) entschlossenheit zum wi- Freier Widerstand Fo- rum am 7.2.2005 bieten. Auch Monate später konnte er turen sind dabei kaum Grenzen ge- derstand mit u.a. auch agressiven 4| K2, Freier Widerstand nicht die Inhalte der »Autonomen Na- setzt. So gab es Hausbesetzungen für mitteln. Sprich das entschlossene auf- Forum am 20.11.2004 tionalisten« präsentieren, sondern ein »nationales Jugendzentrum« und treten und durchsetzen seiner ziele 5| A-N-R, Freier Wider- stand Forum am 11 nur deren Rolle in der Neonazi-Szene englischsprachige Neonazi-Graffitis, beispielsweise auf der straße etc.« 20.11.2004 beschreiben: »Der Begriff autonom Aufkleber und Transparente in für Ein anderer Vertreter dieser Strömumg 6| Axel W. Reitz, Freier steht auch für eine Profilierung, einer normale Bürger unverständlicher Slo- erklärte eine »kämpferische Grund- Widerstand Forum am 22.11.2004 7 Entwicklung in unseren Reihen.« Als gan-Form (»Fight the System, Fuck einstellung« zum Merkmal der »Auto- 7| Axel W. Reitz: er im Juli 2005 erneut nach den »Au- the Law«). Das Symbol der autonomen nomen Nationalisten«. Nun seien die @Daffy Duck, Freier Wi- tonomen Nationalisten« gefragt Antifa-Bewegung, eine rote und eine Leute da, die aus der »defensiven Hal- derstand Forum am 8.2.2005 wurde, gestand er genervt ein: »Natio- schwarze Fahne im Kreis mit dem tung der ›nationalen Bewegung‹« her- 8| Axel W. Reitz, Freier nalautonom ist zuallerst ein Begriff Schriftzug »Antifaschistische Ak- austräten und sagen würden »Hier ist Widerstand Forum am und je nach Apologet dieses an sich tion«, wurde eins zu eins übernom- Schluß«.12 So wurde am 1. Mai 2004 in 04.07.2005 9| Axel W. Reitz, Freier oberflächlichen Wortkonstruktes wird men und mit dem Schriftzug »Natio- Berlin und am 1. Mai 2005 in Leipzig Widerstand Forum am er anders definiert (...) Eine verbind- nale Sozialisten« versehen. Das Logo von »Autonomen Nationalisten« ver- 22.11.2004 liche Definition über den Begriff kann antifaschistischer Hardcore-Anhänger sucht, »Schwarze Blöcke« in den er- 10| Axel W. Reitz, Freier Widerstand Forum am Dir also niemand geben (...)«8 mit dem Schriftzug »Good night white sten Reihen der Neonazi-Aufmärsche 22.11.2004 pride« wurde ebenfalls übernommen zu formieren, die (erfolglos) die Poli- 11| Raskild, Freier Wi- Autonomer Style? und durch den Slogan »Good night zeiketten durchbrechen wollten. Diese derstand Forum am 19.12.2004 Trotz der inhaltlichen und konzep- left side« ersetzt. »Mittels dieses Auf- gescheiterte Praxis wurde ins auto- 12| A-N-R, Freier Wider- tionellen Unbestimmtheit blieb die tretens besteht die Möglichkeit, sozu- nome Konzept gebastelt: »meiner per- stand Forum am Entstehung der »Autonomen Nationa- sagen unerkannt, da dem bekannten sönlichen meinung nach sind die 20.11.2004 13| Raskild, Freier Wi- listen« nicht ohne Folgen. Der bis Bild des ›Faschisten‹ entgegen lau- gruppen, die sich autonom nennen derstand Forum am dato durch entsprechende kulturelle fend, in die bisher von gegnerischen auch bereit dazu ihren willen mit an- 19.12.2004 Identitäten begrenzende Zugang zur Lagern beherrschten Gebiete vorzu- deren wegen durchzusetzen und sich 14| A-N-R, Freier Wider- stand Forum am Kameradschafts-Szene wurde durch dringen, politisch und kulturell. Graf- nicht zu beugen. Und sei es z.B. nur 22.11.2004 die Loslösung von den dogmatisch ex- fities sprühen, unangepasst und ›hip‹ so sachen wie das wegschieben der trem rechten kulturellen Mustern sein können nicht nur die Antifatzkes, bullen am 1. mai in berlin.«13 y

5.2005 69 AIB 7 Das Label: »Autonome Nationalisten« Titel

y Der scheinbar erfolgreichen Kombi- [1] nation der »Autonomen Nationali- sten« aus verändertem Erscheinungs- bild und erlebnisorientierten Aktions- formen folgte eine Fokussierung auf die direkte Auseinandersetzungen mit [1] Englischsprachiges dem politischen Gegner aus der An- Transparent mit Slo- tifa-Bewegung. Auch hierbei wird eine gans im autonomen Praxis der autonomen Antifa-Bewe- Stil. Aktivisten der mittlerweile gung, die Fokussierung auf die Neo- verbotenen Kamerad- nazi-Bewegung als einzigem Gegner, schaft Tor am kopiert, welche innerhalb der autono- 10. Januar 2004 in men Antifa-Bewegung zu Recht seit Berlin Jahren umstritten ist. Seit einigen Monaten versuchen Berliner Kameradschafts-Aktivisten aus dem Umfeld der »Autonomen Na- der einen Seite bis ins Detail kopiert, erachten, aber das war es dann auch tionalisten« mit mehr oder weniger um sie auf der anderen Seite mit schon, politischer Wert dabei gleich gezielten Aktionen ihre politischen ganzer Energie aufs Bitterste zu Null (...)«.16 Im Vorfeld der Mobilisie- Gegner aus der autonomen Antifa-Be- bekämpfen. Die »Autonomen Nationa- rung zu einem »Schwarzen Block« auf wegung direkt anzugreifen. So gab es listen« tragen einerseits rote Fahnen einem Neonaziaufmarsch erklärte eine Angriffe auf die Wohnhäuser ver- auf Neonazi-Demonstrationen vor sich Magdeburger Neonazi-Internetseite meintlicher Antifa-Aktivisten und her und bezeichnen sich als »Soziali- erbost: »Ein Zeichen von politischer linke Jugendclubs, Angriffe auf eine sten«, um anderseits ganze Stadteile Radikalität ist dieser Mummenschanz antifaschistische Ausstellung (siehe mit der Parole »Reds better run« und sicherlich nicht, eher schon von per- Seite 24) und Veranstaltungen und »C4 for Reds« zu versehen. sönlicher Schwäche, die mit ober- (spontane) Angriffe auf bekannte An- Hier scheinen eher jugendliche flächlicher Selbstdarstellerei über- tifaschisten. Vereinzelt berichteten al- Verhaltensweisen wie der Drang zum spielt werden soll (...) wer unsere ternative Jugendliche, dass sie von Kräftemessen, Revierkämpfe, Provo- politischen Zusammenhänge mit ei- Neonazis im autonomen Outfit gezielt kation und der Wunsch nach auf- nem Abenteuerspielplatz verwechselt, aufgelauert und angegriffen worden sehenerregenden Aktionen mit Erleb- sollte lieber ganz schnell aus unseren sind. Der Wille zu gezielten Aktionen nischarakter mit politischen Motiven Reihen verschwinden.«17 Einige ost- ist aus den Kreisen »Autonomer Natio- verknüpft zu werden. Die direkte und deutsche Neonazis trugen daher am 1. nalisten« deutlich vernehmbar. »(...) bewusste Konfrontation mit Antifas, Mai 2005 T-Shirts mit der Aufschrift: 15| Befreiungskämpfer: es geht um sinnvolle militanz z.B. auf Detektivspielchen und nächtliche Ac- »Unsere Fahnen sind schwarz – unsere Autonomes Outfit, demos um sich gegen schikane zu tion sind eben jene Aktionsformen, Blöcke NICHT!«. Im Nachhinein wurde Freier Widerstand Fo- rum am 22.01.2005 wehren oder anderweitige militante die gesucht werden, wenn die Erleb- dementsprechend kritisiert: »Natio- 16| revuelta, Freier Wi- widerstandsformen.« und nicht mehr niswelt wichtiger ist als die politische nale Sozialisten gehen nicht auf die derstand Forum am um »sinnlose, ungeplante und ziellose Fundierung. Strasse um sich zu vermummen und 23.11.2004 14 17| Aufruf »Schwarze (suff-)reaktionen« . einzuigeln. Wir wollen der Bevölke- Fahnen statt schwarze Diesem Handeln geht offenbar Konflikte rung unsere Ansichten und Ziele mit- Blöcke!« von keine Analyse der politischen Situa- Die Entwicklung der »Autonomen teilen und vermitteln, da wirkt diese festungsstadt.com 18| Rufe ins Reich, tion voraus und keine dezidierte Nationalisten« verläuft nicht ohne Wi- Art von Demonstration eher beängsti- Freier Widerstand politische Konzeption. So wird mal in derspruch. Da in einem Neonazi-Inter- gend und abweisend der Bevölkerung Forum am 01.05.2005 provokanter Absicht ein Solidaritäts- netforum immer diffuseren Fragen gegenüber.«18 19| Oliver Schweigert, Freier Widerstand Fo- Transparent für ein linkes Wohn- nachgegangen wird (z.B. »Wie ziehen Nachdem auf einem Neonazi-Auf- rum am 12.2004 projekt auf einer Neonazi-Demonstra- sich eigentlich Autonome Nationali- marsch im November 2004 in Berlin 20| Oliver Schweigert: tion gezeigt, um dann einige Monate sten im Sommer an?«15), erklärte ein u.a. Chart- und Hip-Hop-Musik ge- Stellungnahme »Lügen haben kurze Beine! später mit Graffiti-Parolen und Auf- User frustriert: »Viele definieren ›au- spielt wurde, warf Oliver Schweigert ›Autonomer Nationalist‹ klebern die Räumung eines anderen tonom‹ ja aufgrund ihres Aussehens, als ein Vertreter der alten Kamerad- zeig mir mal deine.«, linken Wohnprojektes zu feiern. Die dass heisst sie ziehen sich zwar an wie schafts-Strukturen den »Autonomen www.nwbb.org, Januar 2005 autonome Antifa-Bewegung wird auf sie es für einen Autonomen für richtig Nationalisten« vor: »Nicht nur das sol-

8 AIB 69 5.2005 Das Label: »Autonome Nationalisten« Titel

[1]

ches Geseiere nichts mit unserer Art scheint die Neonaziszene noch nicht zu tun hat, ja ihr vollkommen fremd gefunden zu haben oder aus Angst vor ist, nein es widerspricht auch unserem der folgenden Auseinandersetzung politischen Wollen, welches sich ge- nicht geben zu wollen. [2] gen die, von den Henkern Deutsch- lands gewollte sog. Multikulturelle Ge- Fazit sellschaft, richtet.«19 Im Zusammen- Im Moment scheint sich zumindest hang mit einem Neonazi-Aufmarsch in in Berlin die jüngere Fraktion in der Magdeburg im Januar 2005 brach der Kameradschaftsszene unter dem Label Konflikt zwischen Oliver Schweigert »Autonome Nationalisten« gegen die als Schwächung der Neonazi-Szene [1] Neonazis im »au- und den »Autonomen Nationalisten« alten Strukturen durchgesetzt zu ha- ausgelegt werden. Doch hier muss ent- tonomen Look« auf erneut aus. Dieses mal ging es um die ben. Eine Situation, die in anderen gegengehalten werden, dass durch das einer Neonazi- Demonstration unter gesuchte Auseinandersetzung der Regionen wie z.B. Hamburg aufgrund Ablegen des völkischen Dogmatismus, dem Motto »Keine »Autonomen Nationalisten« mit auto- führungsstarker Altkader unwahr- die unverbindlichen organisatorischen Waffenlieferung an nomen Antifaschisten am Rande der scheinlich ist. Die niedrigschwelligen Verpflichtungen und die Erhöhung Israel« am 16. April Demonstration. In einer Stellung- Angebote der Kameradschaftscliquen des Erlebnisfaktors eine zunehmende 2005 in Essen. nahme mit dem Titel »Lügen haben an erlebnisorientierte rechts anpoliti- Anzahl von rechts anpolitisierten Ju- [2] Keine politischen kurze Beine! ›Autonomer Nationalist‹ sierte Jugendliche wurden von einer gendlichen angezogen wird. In unter- Inhalte, sondern iden- zeig mir mal deine.« beklagte er: zunehmenden dynamischen Entwick- geordnetem Maße finden auch jetzt titäre Selbstbestäti- »Durch undizipliniertes Verhalten ist lung, einem wachsenden Personenpo- noch politische Aktivitäten wie Mahn- gung und Provoka- mir ein Blöckchen von möchte gerne tenzial und einer höheren Mobilisie- wachen für NS-Größen, Flugblattak- tion. Aufkleber der Berliner Autonomen superrevolutionären ›autonomen Na- rungsfähigkeit honoriert. So scheint tionen und Schulungen statt. Der Er- Nationalisten. (C4 ist tionalisten‹ aufgefallen. Diese Leute es für einige Aktivisten der Neonazi- folg dieser Politpraxis wird sich erst in ein Plastikspreng- waren zu keiner Zeit in der Lage sich Szene möglich zu sein, das organisati- einigen Jahren zeigen: Wie viele von stoff.) dem Tag entsprechend dizipliniert zu ons-soziologische Modell der Autono- den jugendlichen »Autonomen Natio- verhalten (...)«20 Im März 2005 lande- men in Teilen zu kopieren. Da aber die nalisten« Gefallen an der Politik fin- ten die »Autonomen Nationalisten« inhaltliche politische Praxis – so weit den und sich mehr und mehr in politi- auf der Tagesordnung des fünften Ar- vorhanden – zwangsläufig eine andere sche Strukturen begeben, wie viele beitstreffens des Nationalen und So- ist, erfolgt nur eine sekundäre Politi- sich irgendwann ausgetobt haben und zialen Aktionsbündnis Mitteldeutsch- sierung. Diese dürfte kaum eine poli- ins bürgerliche Leben zurückkehren, land (NSAM) in Thüringen: »Selbster- tische Nachhaltigkeit als Resultat bei wie viele sich zurückziehen, wenn sie nannte ›autonome Nationalisten‹, Was den jugendlichen Aktivisten hervor- den ersten ernsthaften Gegendruck bedeutet ›autonom‹ und wie wollen bringen. von Antifaschisten zu spüren bekom- wir, als breite Masse in Zukunft mit Die zunehmende Entpolitisierung men und wieviele nach der ersten Be- diesen Störern umgehen?«. Eine ein- der Kameradschafts-Szene unter dem währungsstrafe die Lust an ständiger deutige Antwort auf diese Frage Label »Autonome Nationalisten« kann Action verlieren. ࡯

5.2005 69 AIB 9 Schwerpunkt | Moderner Style, alte Inhalte

Von Rainer Brahms ter Wille braucht keine Partei!“ ver- standen sich die „Freien“ zunächst all- gemein als Gegenmodell zur partei- Mehr als eine förmigen Organisierung. Der Eintritt prominenter „freier“ Führungs- personen wie Wulff, Thorsten Heise Randerscheinung und Ralph Tegethoff in die NPD brachte Teile der „Freien“ dazu, sich Moderner Style, alte Inhalte noch deutlicher vom Konzept Partei abzugrenzen. Seit 2002 bezeichnen sich einzelne Gruppen aus diesem Das Phänomen eines „autonom-nationalistischen Blocks“ sei ihm bisher Spektrum in expliziter Ablehnung der nur aus den neuen Bundesländern bekannt gewesen, so Hamburgs als reformistisch verachteten NPD und Polizeipräsident Werner Jantosch nach den Ausschreitungen am 1. Mai der mit ihr kooperierenden „Freien in der Hansestadt. Sein Staatsschutz hatte vor dem Aufmarsch mit etwa Nationalisten“ als „Autonome Natio- 200 „Autonomen Nationalisten“ (AN) gerechnet; an deren „Schwarzem nalisten“. Zumindest in NRW ist dieser Block“ beteiligten sich aber etwa 400 Neonazis. Nicht auf der Höhe der Ableger zurzeit tonangebend. Neben Zeit war lange Zeit auch der Verfassungsschutz. Noch im Mai 2007 beti- der Abgrenzung gegenüber extrem telte man eine Broschüre mit „Autonome Nationalisten – eine militante rechten Parteien konstruieren die AN Randgruppe“, erst jetzt beginnt man das Phänomenen ernst zu nehmen ihre Identität vor allem aus zwei und spricht von einer „Entwicklung, die man sehr genau im Auge behal- Faktoren: ihrem „Style“ und ihren ten muss“. Aktionsformen. Dabei orientieren sie sich stark an der jugendkulturell AntifaschistInnen hingegen wiesen Entstehung geprägten linken Szene, mit teilweise schon seit längerem darauf hin, dass Bereits Mitte der 1990er Jahre – skurrilem Ergebnis: In Berlin wurde der sich besonders radikal und militant nach dem Verbot zahlreicher neona- einer Gruppe „Autonomer Nationalis- gebende Flügel der „Freien Kamerad- zistischer Organisationen – tauchte ten“ ihr Äußeres bereits zum Verhäng- schaften“ einen der wichtigsten Fak- der Begriff der „Autonomen Nationa- nis – sie wurden von anderen Neona- toren der Neonaziszene darstellt – listen“ in Diskussionen der extremen zis für Linke gehalten und verprügelt. Tendenz steigend. Berliner Neonazis Rechten auf. In einem „Autonom-Na- waren maßgeblich an der Ausbildung tionalistischen Manifest“ konzentrier- Style dieses Szeneflügels beteiligt, und auch te man sich aber mehr auf in Ihr äußeres Auftreten ist das wohl in Thüringen erfreut sich das Konzept Zellenform organisierte, militant-terr- auffälligste Merkmal der AN, unter- großer Beliebtheit. Die meisten Ver- roristische Kleingruppen als auf die scheiden sich die „Autonomen Natio- treter der AN kommen aber aus dem Übernahme linker Ästhetik und nalisten“ in diesem Punkt doch funda- Westen, insbesondere aus NRW. Dort Aktionen. Als „Autonome Nationa- mental vom Großteil der extremen stellen sie seit etwa zwei Jahren den listen“ bezeichneten sich einige NRW- Rechten. Wenn sie nicht gerade im Großteil der neonazistischen Aktivis- Neonazis bereits 1995: Nach dem „Black Block“ unterwegs sind, kleiden ten. Verbot der Freiheitlichen Deutschen sich die meisten Protagonisten der AN Arbeiterpartei 1995 waren es ehema- – orientiert am Style alternativer Ju- lige FAP- Aktivisten um Dieter gendlicher – in trendiger Streetwear, Riefling, die zuerst unter dem Label wie sie in der Skate- und Hardcore - Kameradschaft Recklinghausen, spä- Szene, aber auch der Antifa en vogue ter dann als Autonom-Nationalisti- ist: Cargo-Hosen, buttongespickte sche Zelle bzw. „Autonome Nationa- Caps und Marken-Turnschuhe be- listen“ ihre Aktivitäten fortsetzten. stimmen das Bild. Die Schriftzüge auf Im Zuge der Ausbildung der Freien Transparenten und T-Shirts erinnern Kameradschaften zur zentralen Orga- teilweise an HipHop; Flugblätter und nisationsform neben der NPD wurde Internetseiten werden ästhetisch dem in der Folge aber zunächst die von Stil antifaschistischer Gruppen ange- Führungskadern wie Christian passt, linke Insignien werden modifi- Worch und Thomas Wulff geprägte ziert, völkisch besetzt und insgesamt Eigenbezeichnung als „Freie Nationa- linke Symbolik kopiert. „Mittels dieses listen“ oder später auch „Freie Kräfte“ Auftretens besteht die Möglichkeit populär. Mit Parolen wie „Organisier- sozusagen unerkannt, da dem be-

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kannten Bild des ‘Faschisten’ entge- damit bewusst von der Skinheadszene gen laufend, in die bisher von gegne- ab und inszeniert sich als vermeintliche rischen Lagern beherrschte Gebiete Avantgarde. Als „jung, rebellisch, vorzudringen, politisch und kulturell“, revolutionär“ oder auch „autonom, so der Führungskader Axel Reitz. Alt- radikal, national“ präsentiert sich z.B. backen wirkende, altdeutsche Schrift- die AG Rheinland. Kein Wunder, dass arten sind verschwunden, stattdessen dieser radikale Stilbruch, verbunden bedient man sich modisch wirkender mit dem selbstbewussten Auftreten als Schriften und hat auch keinerlei Be- neue Speerspitze der Bewegung, bei rührungsängste gegenüber Anglizis- etablierten Kräften in der Szene auf men. Statt klassischem RechtsRock Ablehnung trifft. oder gar Marschmusik werden bei Aufmärschen Lieder aus dem Bereich Aktion des Deutschpop und sogar des Punk In ihrem Streben nach einem zeitge- oder Hardcore gewählt, des Öfteren mäßen, revolutionären Habitus bezie- auch von Bands, die eigentlich eher als hen sich die „Autonomen Nationalis- Bild einer „coolen“, ansprechenden „links“ gelten. Auf diese Weise ver- ten“ auch in ihrem öffentlichen Auf- „Jugendkultur“ abgeben. Die massive sucht man, durch ein trendiges und treten und ihren Aktionsformen mehr Markierung des öffentlichen Raums zugleich alternativ-rebellisch wirken- oder weniger offen auf Praktiken der durch Aufkleber und Wandparolen ist des Erscheinungsbild gezielt Jugend- autonomen Linken. Man versucht, zudem Ausdruck des starken Bedürf- liche anzusprechen: „Für uns ist es Festnahmen zu verhindern, führt Sitz- nisses, im Alltag Dominanz zu sugge- nicht wichtig, welche Kleidung man blockaden durch, um die Freilassung rieren. trägt oder wie lang die Haare sind, von Gesinnungsgenossen zu errei- Parallel zur Orientierung an Style was zählt ist der Einsatz für Deutsch- chen, organisiert – auch militante – und Aktion der antifaschistischen land... Heute gibt es in nahezu jeder Gegenaktivitäten gegen linke Demon- Szene wird gewalttätigem Handeln Jugendkultur Personen, die sich als strationen und Veranstaltungen. gegen diese in der politischen Praxis Nationalisten verstehen“, wirbt denn Ganz im Stil alternativer Jugendsze- der AN häufig ein hoher Stellenwert auch die „rechtsautonome“ AG Rhein- nen wird versucht, mittels Sprüh- eingeräumt. Dieses äußert sich in land. Wer immer noch glaube, dass er schablonen und Graffiti nicht nur zahlreichen, geplanten und spontanen Springerstiefel und Bomberjacken tra- Inhalte zu verbreiten, sondern vor Überfällen auf vermeintliche oder tat- gen müsse, um bei den Nazis der allem den Eindruck von Aktionismus sächliche Linke, alternative Kneipen Gegenwart mitzumachen, irre sich. und Erlebnisorientierung zu vermitteln. und linke Veranstaltungen. Gewalt Man versuche stattdessen, „alle rele- „Graffitis sprühen, unangepasst und gegenüber dem politischen Gegner vanten Teile der Jugend und der Ge- ‘hip’sein können nicht nur die besitzt, auch im Alltag, für das sellschaft zu unterwandern und für Antifatzkes, sondern auch wir, damit Selbstverständnis vieler AN anschei- unsere Zwecke zu instrumentalisie- erreichen wir ein Klientel welches uns nend ein große Rolle. ren“, erklärten die Autonomen Natio- bis dato verschlossen geblieben ist“, Aus der Erfahrung mit internen nalisten Wuppertal / Mettmann. Die- so Reitz. Videos von Aufmärschen, Streitigkeiten, Repression und nicht ses großspurige Ansinnen entspricht Sprühaktionen und dem nächtlichen zuletzt abgeschaut vom politischen natürlich mehr einem Wunschdenken, Verteilen von Flugblättern und dem Gegner, ruft man dazu auf, nach dem als dass es sich 1:1 in die Realität um- Verkleben von Plakaten und Aufkle- „Do it yourself“-Prinzip zu handeln: setzen ließe. Vielmehr grenzt man sich bern sollen Interesse wecken und das „Ihr benötigt eine Fahne? Näht sie

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selbst! Ihr braucht ein Flugblatt zur sprich: sich Auseinandersetzungen mit Nationalsozialismus bilden nach wie Überfremdung? Macht es selber oder der Polizei liefern und gegen politische vor den inhaltlichen Kern: „Es gibt, fragt Kameraden in der Umgebung!“, Gegner vorgehen. und wird ewig, nur einen wahren Na- heißt es in einem „DIY-Leitfaden“. Dieser Stil entspricht dem militanten tionalen Sozialismus geben. Als Welt- Man wolle „weg von führungsausge- Selbstverständnis der AN, das sie mit anschauung entwickelt sich dieser richteter Gruppenbildung“. Daher Parolen wie „Support your local ns selbstständig weiter, modernisiert sich solle „jeder (vertrauenswürdige) black block!“ oder „Destroy this bezüglich der Aktionsgebiete, basiert Aktivist in einer Gruppe maßgeblich an System!“ zu unterstreichen suchen. aber weiterhin auf den grundlegenden Aktionen, Planungen, Ideeneinbrin- Gerade in den letzten beiden Jahren Leitsätzen, die einst in eindeutigen gung und ähnlichem beteiligt sein“. In ist festzustellen, dass sich die Heraus- Schriften und Büchern festgelegt wur- der Praxis ist eine Umsetzung dieses bildung eines „Schwarzen Blocks“ den.“ Prinzips jedoch nur in Teilen zu beob- verstetigt hat, wie nicht zuletzt der 1. Man hat kein Problem damit, als achten: Zwar werden jüngere Neo- Mai 2008 in Hamburg gezeigt hat. Nazis bezeichnet zu werden: Antifa- nazis bei Aktivitäten einbezogen, doch Doch auch innerhalb der AN gab es schistInnen sprächen immer von ei- es sind nach wie vor dieselben Füh- nach Hamburg Kritik: Die „heutige nem „Nazi-Problem“ in Dortmund. rungskader, die das Sagen haben. Jugend, die leider dank der anhalten- „Richtig müsste es heißen: Dortmund den Liberalisierung unserer ‘Be- hat Nazis, aber kein Problem damit“, Black Block wegung’ auch bei uns Eintritt erhalten erklärte Dennis Giemsch, einer der Bei Aufmärschen treten die AN be- hat, redet von Gewalt, stachelt sich führenden AN-Vertreter, in einem sonders radikal auf und suchen damit auf, gibt damit an, kann sie im Leserbrief. Ideologischer Kern bleibt schwarz vermummt die Konfrontation Notfall aber nicht konsequent durch- das Ideal einer nationalsozialistischen mit Polizei und AntifaschistInnen. Im setzen“, so die den AN zuzurechnen- Volksgemeinschaft. „Glaubt es ein- Vorfeld einer rechten 1.-Mai-Demo den Freien Nationalisten Gladbeck. fach, hier steht nicht nur ‘Nationale 2004 in Berlin wurde die Nützlichkeit Denn was die meisten AN gerne ver- Sozialisten’ drauf, hier sind auch na- eines „Schwarzen Blocks“ so erklärt: schweigen: Der neonazistische tionale Sozialisten drinne“, entgegne- „Der gewaltfreie, friedliche Kampf hat schwarze Mob ist meist nicht viel ten AN gegenüber kritischen Kamera- fast 60 Jahre stattgefunden und wir mehr als pseudo-militant. „So wird den. haben nichts erreicht. Es ist unverant- provoziert, geschrien, Steine gewor- Auch wenn sich die meisten AN- wortlich, wenn heute noch Kame- fen, und wenn 300 Antifaschisten Gruppen aus NRW zuletzt kritisch raden davon reden, absolut und situa- Steine und Äste in den Zug rammen, gegenüber „Querfront“-Strategien tionsunabhängig gewaltfrei zu blei- sitzen 85% der anwesenden äußerten, so diskutierten zumindest ben.“ Die Wunschvorstellung eines ,Kameraden’ kauernd in der Ecke“, so Dortmunder ANler nach dem Mord am geschlossenen und militanten Auftre- die FN Gladbeck. Punk Thomas „Schmuddel“ Schulz tens vermummter Neonazis geistert einen Aufruf an „alle dortmunder seit jenem – gescheiterten – NPD- Ideologie antiimperialistischen antifaschisten“. Aufmarsch durch Teile der Neonazi- Die Modernisierungstendenzen be- Darin sollten diese aufgefordert wer- Szene. In einem kurz darauf veröffent- schränken sich im Wesentlichen auf den, sich den AN anzuschließen: „laßt lichten Konzeptpapier hieß es, der das Äußere und die Wahl der Aktions- uns gemeinsam gegen den wahren „nationale schwarze Block“ solle formen. Ideologisch steht auch für die feind kämpfen! zusammen sind wir eigenständig, offensiv und entschloss- „Autonomen Nationalisten“ das eine macht!“ „Querfront“-Ambitionen sen gegen „Polizei-Willkür“ agieren, Bekenntnis zu Volk, Rasse und Nation dokumentiert auch der T-Shirt-Auf- weiter im Zentrum. Zwar haben Ver- druck „Autonome Nationalisten. Bald treter der AN wie der Dortmunder gibt es kein ‘rechts’ oder ‘links’ mehr! Alexander Deptolla mit der AG Dann gibt es nur noch das System und Auch Tierrecht ist Thema: Tierrecht neue Themen besetzt, an seine Feinde“. Neonazi mit „Antispeziesistische Aktion“-Fahne den ideologischen Grundfesten wird aber nicht gerüttelt. Themen Nicht geduldet werden könne eine Eine nationalistische Besetzung der „Verwischung Jahrzehnte langer poli- sozialen Frage und die Agitation tischer Manifeste“, schreiben in der gegen die Globalisierung sind zwei der AG Ruhr-Mitte organisierte Gruppen zentralen Themen der AN. Im Vorfeld in einer Stellungnahme mit dem Titel des vor allem von AN-Strukturen „Verfälschung und kontraproduktive organisierten Aufmarsches am 1. Mai Erneuerungen“ vom April dieses 2007 in Dortmund hieß es, „politische Jahres. Die Grundüberzeugungen des Schlagworte wie links und rechts“

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hätten im kapitalistischen Alltag an Schärfe verloren: „Das Kapital kassiert, das Volk blutet!“ Der „nationale und sozialistische Widerstand“ stehe für einen „konsequenten Angriff auf die Interessen des Kapitals“. Statt einer umfassenden Kapitalismuskritik liefert die vermeintliche „Analyse“ jedoch nur die aus dem historischen NS hinläng- „Kampf dem ewigen Kapitalismus“: Aus dem NS bekannte Feindbilder... lich bekannten Feindbilder. Neben einer antisemitisch und rassistisch auf- geladenen Agitation gegen den Ka- in Einklang zu bringen mit dem Modernisierungsfähigkeit faschisti- pitalismus haben gerade die NRW- Bestreben, sich „langfristig in der scher Ästhetik gesellt sich die Frage Kameraden sich dem Kampf gegen Mitte der Gesellschaft und bei der nach der inhaltlichen Anschlussfähig- Israel und die USA verschrieben. Dort- Mehrheit der deutschen Bürger [zu] keit solcher flexiblen Identitätsspiele munder AN-Strukturen versuchen seit verankern und sie mit unserer politi- an ein faschistisches Weltbild, das 2005, den Antikriegstag mit einem schen Ideologie [zu] überzeugen“, wie geprägt ist von einem völkisch-biolo- gegen Israel und die USA gerichteten es z.B. die AG Rheinland propagiert. gistisch hergeleiteten Verständnis von Aufmarsch als festen Termin im Ak- Dieser Widerspruch zwischen Theorie Identität. Ebenso widersprechen mo- tionskalender der Neonaziszene zu und Praxis zeigt sich auch in den dische und propagandistische Insze- verankern. Publikationen: Während man einer- nierungen unter anglisierten Aus- Doch auch traditionelle Themen seits unscheinbar gestaltete Flyer mit drucksformen dem Anspruch auf werden bearbeitet. Mit dem Aufkom- zumindest sprachlich zurückhaltend „Rettung des Deutschen Volkes“: men der AN haben die „Anti-Antifa“- gehaltenen Aussagen verteilt, verklebt Neonazis, die mit Nike-Turnschuhen Bestrebungen in der Szene neuen man andererseits wiederum Aufkleber, und Caps ausgestattet „smash the Aufwind bekommen – ob Foto- oder die von Militanzfetischismus geprägt system“ im Graffiti-Style an Häuser- Videodokumentation antifaschisti- sind und zur Gewalt gegen Linke auf- wände sprühen, um gegen einen an- scher Demonstrationen, Gegenaktio- rufen. geblich deutschfeindlichen „one nen, Bedrohungen und gewalttätige Ob es den AN gelingen wird, sich world“-Imperialismus zu demonstrie- Angriffe. Aktuell widmet man sich mit langfristig in der Neonaziszene zu ren, machen sich selbst lächerlich. der Kampagne „Hol dir deine Stadt behaupten, dürfte nicht nur von Ver- Denn die Übernahme einer solchen zurück – Gegen Moscheebau, Auslän- halten und Zukunft der NPD und der multikulturellen Patchworkidentität derwahlrecht und Multikultur!“ einem restlichen Szene abhängen, sondern demontiert zugleich praktisch das ei- klassischen Thema der extremen vor allem davon, ob sich das Interesse gene Authentizitätsbeharren auf eine Rechten. der Einzelnen auch bei zunehmendem völkisch-nationale Identität. Widerstand und Repression hält. Ei- Unter diesem Blickwinkel könnte Einschätzung niges Konfliktpotenzial birgt auch die das Gehabe der AN als antagonisti- In einer Zeit, in der jedes Wochen- Militanzfrage. Interessant für die sche Ausdifferenzierung in der neona- ende irgendwo neonazistische De- zukünftige Ausrichtung dürfte unter zistischen Szene gedeutet werden, die monstrationen stattfinden, haben viele anderem der geplante Aufmarsch am möglicherweise das Ende eines bislang jüngere Neonazis das Interesse an 6. September 2008 in Dortmund sein, noch gemeinsam gepflegten Selbst- langweiligen „Latschdemos“ verloren. gilt die Westfalenmetropole doch als verständnisses einläutet. Als Anzei- Subjektive Erfolgserlebnisse sind ihnen Hochburg der „Autonomen Nationa- chen hierfür kann eine Diskussion ge- wichtiger als die Vermittlung politi- listen“. sehen werden, welche die Szene zur- scher Inhalte. Den „Autonomen Na- Nicht nur angesichts der zuneh- zeit umtreibt: Während die AN in der tionalisten“ gelingt es, durch ihr menden szeneinternen Auseinander- Regel massiv gegen Israel hetzten und Kräftemessen mit Polizei wie Gegen- setzungen über solche Adaptionen sich mit islamistischen Terrorgruppen demonstrantInnen wieder einen spür- linker subkultureller sowie modisch solidarisieren, präsentieren sich einzel- baren Eventcharakter zu bieten – der trendorientierter Ausdrucksformen ne „Autonome Nationalisten“, die sich „Black Block“ als Teil der jugendlich- stellt sich zudem die grundsätzliche im Kampf gegen islamistischen Terror neonazistischen Erlebniswelt. Frage, wie weit das Spiel politischer und den Islam an der Seite Israels Das pseudo-revolutionäre Gehabe, Mimikry gespielt werden kann, ohne wähnen, als „Nationale Sozialisten für gepaart mit dem Auftreten als nicht das eigene Beharren auf eine natio- Israel“.  auf Außenwirkung bedachter, extrem nalsozialistische Identität ad absurdum rechter Bürgerschreck, ist jedoch kaum zu führen. Denn zu der Frage nach der

Lotta #31 | Sommer 2008 | Seite 11 Ästhetisierte Gewalt Titel

Nur »radical chic«?

Die »Autonomen Nationalisten« und die Ästhetisierung von Gewalt

Das Medienecho war gewaltig. Über schen Demonstration wird von schwarz neonazistische Gruppen sukzessive gekleideten, geschlechtslosen Wesen jene ikonographischen Formen, die Tage taten die Mainstreammedien ihre dominiert, deren Sozialraumverhalten bisher den linksradikalen Autonomen Verwunderung darüber kund, dass ihre Aggressivität aussteuert. Von In- vorbehalten schienen (vgl. AIB Nr. 63 teresse für die Kommunikation von und 69). Die »Autonomen Nationalis- »autonome Neonazis« am Rande Inhalten ist hier, was die Form des ten« suchen sämtliche popkulturellen der diesjährigen Neonazi- »Black Block« nach außen kommuni- Formen politischer Selbstdarstellung zu ziert und ästhetisiert: Kampfgemein- integrieren. Das Layout und die Text- Maidemonstration in Hamburg schaft, Maskulinität und Gewalt. Da- stilistik von Homepages, Flyern und gegenüber Polizei und Journalisten hinter tritt die intendierte politische Transparenten kopiert den Stil der An- Botschaft, nämlich die Negation ge- tifa bis ins Detail. Diese extrem rechte unverhohlen gewalttätig auftraten. sellschaftlicher Zustände, und die An- Aneignung von Textbausteinen wie tizipation anderer Zustände, zurück. »Kapitalismus zerschlagen« makuliert Betrachtet man den »Schwarzen Block« den Typus linker Agitationssprache zur zunächst also nicht als soziale Bewe- Phrase, weil die Linke es nur schwer gungsform politischer Subjektivität, vermag, die Dialektik der eigenen In- sondern als Konzept der Kommunika- halte schlagwortartig zu transportie- In der antifaschistischen Linken hat tion politischer Inhalte, gewinnt die ren. In der Debatte um das Phänomen die Debatte gerade erst begonnen. Debatte um die »Autonomen Nationa- der »AN« beruhigt man sich in der anti- Eine Broschüre aus NRW begnügt sich listen« in der Linken eine neue Bri- faschistischen Linken mit dem Argu- mit dem Versuch, die antikapitalisti- sanz. ment, hinter diesen Enteignungen lin- sche Phraseologie der »Autonomen Im vergangenen Jahrzehnt übernah- ker Codes stünde keine den linken Nationalisten« anzuprangern. Anson- men einige jugendkulturell geprägte Autonomen vergleichbare politische sten kleiden die Autoren ihre Ratlo- sigkeit in die schlichte Formel, man selbst halte das Copyright für »Auto- nome«. Eine kritische Reflexion des eigenen kulturellen Habitus lässt der Text vermissen. Die Debatte darüber, ob der kultu- relle Code der »Autonomen« den Ge- walthabitus des Männerbundes ästhe- tisiere, oder ein legitimer Ausdruck von Radikalität sei, findet sich bereits in den feministischen Kritiken des Schwarzen Blocks, als dieser noch ein genuines Ausdrucksmittel der radika- len Linken war. Das Erscheinungsbild nahezu jeder größeren antifaschisti-

8 AIB 80 3.2008 Ästhetisierte Gewalt Titel

Der Philosoph Ernst Bloch brachte [1] Neonazis der »Anti- seine Beobachtungen der Enteignung faschistischen Aktion der sozialen Interaktions- und Kom- Fürstenwalde« bei munikationsformen der alten Arbei- einem Neonazi-Auf- marsch am 1. Mai terbewegung durch den Nationalsozia- 2004 in Berlin Lichten- lismus auf den Begriff der »Entwen- berg. dungen aus der Kommune.« Bloch analysiert, wie die Formübernahme (Lieder, Aufmärsche, Agitationsveran- staltungen, Sprache der Propaganda und soziale Praxis im Stadtteil) durch den Nationalsozialismus nach und nach einer Mehrheit der Arbeiter eine Annäherung an die faschistische Uto- [1] pie der Volksgemeinschaft ermöglichte, ohne ihren kulturellen Code ändern zu Praxis. Vielmehr handle es sich bei den das Zentrum bilden, in welchem reak- müssen. Dabei hebt Bloch die Enteig- »AN« um »verkleidete Neonazis«. Die- tionäre Vergemeinschaftung an die nung der sozialen Praxen der Arbeiter- ses trifft zwar zweifelsohne zu, löst das Stelle kollektiver und individueller bewegung durch den Faschismus in Problem medial vermittelter gesell- Emanzipation tritt. erster Linie im vorpolitischen Raum schaftlicher Stereotypen, wonach linke Wer diesen Mechanismus der Ver- hervor. Die Melodien jener linken Ge- Gruppen ›gewalttätig‹ und ›nihilistisch‹ selbstständigung, der Aktion um der sänge, die einen Marschrhythmus auf- seien, aber nicht auf. Angesichts der Aktion willen blockieren will, muss wiesen, wurden in das Gesangbuch der Enteignungen durch eine Fraktion der mit den geschlossenen Formen der SA übernommen, da ihr Rhythmus als extremen Rechten nur auf dem Copy- Selbstinszenierung brechen und an bekannt vorausgesetzt werden konnte right dessen zu beharren, was unter deren Stelle Formen aktiver Teilhabe und zudem eingängig war. Allerdings »autonom« zu verstehen sei, artiku- aller als Ausdrucksform von Radika- erfuhren die Texte eine fundamentale liert in erster Linie die eigene politi- lität ermöglichen. inhaltliche Änderung. An die Stelle sche Hilflosigkeit. der antizipierten Befreiung der Arbei- Die Kritik an der Inszenierung des »Entwendungen aus der Kommune« ter trat nun die eschatologische Na- »Black Block« als symbolische Kampf- Der dargestellte Vorgang der Enteig- herwartung einer nationalen Revolu- gemeinschaft von Aktivisten, deren nung von Symbolen, Ritualen und For- tion. politisches Selbstbewusstsein sich we- men ist keineswegs auf den subkultu- Die Auftritte der »Autonomen Na- sentlich über den militanten Aktionis- rellen Habitus der Autonomen be- tionalisten« bieten Anlass, die eigene mus am Rande von Demonstrationen schränkt. Die sukzessive Enteignung politische Praxis zu hinterfragen und realisierte, ist immer noch aktuell. Da jugendkultureller Stile durch die ex- selbstbewusst jene Formen politischer vielen Autonomen die kollektive mili- treme Rechte zum Ende der 1990er Kommunikation zu bannen, die nur- tante Aktion als Kern des Politischen Jahre verlief analog zu den jetzt zu be- mehr leere Form und hohle Phrase sind. gilt, kommt es entgegen der propa- obachtenden Prozessen der Differen- Die Suche nach einer adäquaten gierten Absicht zur Abkopplung des zierung der rechten Szene. Zunächst Bilder- und Formensprache, die einer- Vollzugs der Tat vom zu vermittelnden erweiterte eine kleine Gruppe von Neo- seits Ausdruck der kollektiven Suche Inhalt. Wo jedoch die Aktion, sprich nazi-Aktivisten gegen interne Wider- nach Emanzipation ist, andererseits die Form des Politischen, Vorrang vor stände das Spektrum der jugendkultu- jedoch den Ballast reaktionärer Verge- deren inhaltlicher Kontextualisierung rellen Codes. Danach erkannten Kader meinschaftungsangebote hinter sich genießt, nimmt es nicht Wunder, dass die Vorteile einer erweiterten jugend- lässt, ist eine Herausforderung für ei- der Deutungskontext der »Propaganda kulturellen Integrationsfähigkeit der nen linken Kulturbegriff. Daher gilt es der Tat« entweder diffus oder politisch Szene. Die Formenteignungen der heu- eine Formensprache zu finden, die von umcodierbar, enteignenbar wird. Das tigen extremen Rechten haben ihr Vor- ihrem Inhalt nicht abkoppelbar, und Kennzeichen faschistischer Ideologie bild in der Bewegungs- und Auf- somit auch nicht von rechts zu enteig- von George Sorel bis be- stiegsphase des Nationalsozialismus in nen ist. ࡯ steht gerade darin, dass die Tat, die Deutschland und der anderen europäi- Aktion und die Form ihres Vollzugs schen Faschismen.

3.2008 80 AIB 9

Zwischen »Latschdemos« und »Schwarzem Block«

Schon mehrfach berichtete das AIB über die Bedeutung von Demonstrationen für die neona- Beispiel Berlin Berlin im August 2005: Rund 700 zistische Erlebniswelt (vgl. AIB # 64). In den vergangenen zwei Jahren kam es zunehmend zu Neonazis haben sich zu einer Demon- szeneinternen Auseinandersetzungen über den Charakter von Neonazi-Demonstrationen. stration unter dem Motto »Meinungs- freiheit für Alle – Paragraph 130 ab- Während einige Demonstrationen als Form der politischen Kommunikation mit »normalen« schaffen!« zusammengefunden. Kurz Bürgern begreifen, sehen andere in ihnen den Ort um die Konfrontation mit AntifaschistInnen zuvor war der Neonaziaufmarsch zum Gedenken an den Hitlerstellvertreter und der Polizei zu suchen. Gerade bei der Frage der Gewalt kochen die Emotionen zwischen in verboten den verschiedenen Flügeln hoch, wenn durch antifaschistisches Engagement Neonazi-Aufmär- worden. Doch weder das Gedenken an Rudolf Hess, noch die Forderung nach sche gestoppt oder verhindert werden. Eng verbunden ist dieser Konflikt mit der Strömung Meinungsfreiheit prägt das Auftreten der »Autonomen Nationalisten« und deren Wunsch nach einem militanten »Black Block« auf des »Berliner Blocks« auf der Demon- stration. Der Großteil der Berliner De- Neonazi-Demonstrationen (Vgl. AIB # 69), da gerade diese Personenzusammenschlüsse ein monstranten scheint primär an kör- gewalttätiges Auftreten bei Demonstrationen propagieren. perlichen Auseinandersetzungen mit

24 AIB 72 3.2006 »Latschdemos« und »Schwarzer Block« NS-Szene

lich etwas radikaler und entschlosse- 1| Broschüre ner als die Masse der Demonstranten, »Schwarzer Block – Eine notwendige Klar- blieben dabei jedoch noch immer in- stellung« des Aktions- nerhalb des Rahmens der herrschen- bündnis Mittelhessen, den Gesetze. Für Worch stand daher 6. Mai 2004. fest: »Wir reden hier also nicht von ei- 2| Stellungnahme »Über freien und auto- ner juristischen Gefährdung unserer nomen Nationalismus« Demonstrationen durch Gewaltbereit- von Christian Worch, schaft oder gar konkrete Gewalttaten, 25. Januar 2005. 3| Stellungnahme zum sondern vornehmlich über eine Stilf- Thema »Autonome rage.«2 Nationalisten« des Eben diese Stilfrage in Form des Aktionsbüro Süd- deutschland, Sommer Auftreten bei Demonstrationen the- 2005. matisierte das neonazistische Akti- 4| Aufruf für eine Kund- onsbüro Süddeutschland aus München gebung in Heilbronn von Lars Käppler, in einer Stellungnahme zum Thema 1. Februar 2006. »Autonome Nationalisten«. Die ein- zige mögliche politische Botschaft, der einzige Inhalt der »Autonomen AntifaschistInnen und der Polizei in- noch eine Horde halbvermummter Ju- Nationalisten« ließe sich demnach auf teressiert. Dementsprechend auch die gendlicher wahr, die ihnen Parolen hooliganhaftes Verhalten – die pure Parolen in Richtung der Antifaschi- wie »Bordsteinfressen nur für Zecken« Gewaltanwendung gegen Personen stInnen: »Haut sie, haut sie, haut sie entgegenruft. oder Sachen – reduzieren.3 auf die Schnauze«, »Auf die Fresse, Die »Autonomen Nationalisten« auf die Fresse« und »Schläge für alle »Black Block« ? würden demnach bei Demonstrationen und zwar umsonst«. Obwohl der Neo- Ein geschlossenes, gewalttätiges glauben, für Deutschland kämpfen zu nazi-Redner Lutz Giesen mehrfach zur Auftreten vermummter Demonstran- können, indem sie sich in Hooligan- Disziplin aufruft, wird erfolglos ver- ten auf Neonazi-Aufmärschen ist seit manier auf den vermeintlichen Feind sucht, zu linken Gegendemonstranten dem (gescheiterten) NPD-Aufmarsch stürzen. Sie seien dabei nicht mehr in durchzubrechen. Die Reden über »Ru- am 1. Mai 2004 in Berlin als Wunsch- der Lage, politische Inhalte an die ei- dolf Hess« und den »Paragraphen bild in Teilen der Neonazi-Szene prä- gentliche Zielgruppe – das deutsche 130« stoßen auf wenig Interesse. sent. Auch wenn in diesem Fall der Volk – zu transportieren und würden Stattdessen tönen weiterhin Gewalt- Durchbruchsversuch nach einigen Me- nicht den notwendigen »Identifikati- fantasien gegen Links aus dem Berli- tern wieder zum Stehen kam, galt das onsfaktor« bei der Bevölkerung für ner Block: »Gegen linkes Gezeter, 9 militante Auftreten innerhalb der sich verbuchen können, so die Kritik. Millimeter«, »Schnabeltasse wunder- Szene zumindest als Teilerfolg. Adressat sei nur noch die Antifa und bar, kommt zur Jugend Antifa« und Kurz darauf veröffentlichte das die Botschaft würde sich allein auf Ge- »Wenn wir wollen schlagen wir euch neonazistische Aktionsbündnis Mit- walt beschränken. Ähnlich sehen es tot«. Selbst der Demonstrationsanmel- telhessen ein Konzeptpapier für einen auch andere neonazistische Führungs- der Sebastian Schmidtke kann sich »nationalen schwarzen Block«. Dieser kader. Der westdeutsche Neonazi-Füh- nur noch schwer zusammenreißen soll sich demnach auf Neonazi-De- rer Lars Käppler rief zwar anläßlich einer und ist selbst an Ausbruchsversuchen monstrationen formieren, um eigen- NPD-Wahlkampfaktion seine Anhänger in Richtung Gegendemonstranten be- ständig, offensiv und entschlossen auf, »dem linken Verbrecherpack die teiligt. Der Berliner Neonazi-Kader gegen »Willkür« vorzugehen, das Stirn zu bieten«, stellte jedoch klar: » René Bethage versucht daher mittels heißt, um gemeinsam Polizeiketten zu (...) nicht nur das ist unser Anliegen, Megaphon den Berliner Block zu ei- durchbrechen.1 Selbst der Hamburger vor allem und in erster Linie geht es nem vernünftigen Demonstrations-Auf- Neonazi-Kader Christian Worch, wel- uns darum, die Deutschen zu errei- treten zu bewegen. Doch seine Anwei- cher seit Jahren zahlreiche Demonstra- chen, die es noch sein wollen«4 sungen werden ignoriert und der Ber- tionen organisiert, äußerte Verständ- Thomas Wulff aus Norddeutschland liner Block steigert sich in immer nis für die »Autonomen Nationalisten« stellte anläßlich einer gestoppten offenere Agressivität hinein. Die we- und deren militantes Auftreten. Diese NPD-Demonstration in Richtung der nigen Bürger nehmen letztendlich nur agierten seiner Meinung nach ledig- Militanzbefürworter klar: »Die Kund- y

3.2006 72 AIB 25 »Latschdemos« und »Schwarzer Block« NS-Szene

diese mittelmäßige Demonstrations- Auseinandersetzung in pathetischen Worten als kriegsähnliche Situation dargestellt: »(...) wenn dir die Tränen vom Reiz ihres Gases ins Gesicht strö- men, wenn sie dich zu Boden prügeln und auf dich eintreten, wenn sich dein Blut mit dem von Tausenden ge- fallenen Soldaten im Boden ver- mischt, dann befindest du dich in Halbe.« Intern löste der Polizeieinsatz eine Diskussion über Militanz auf De- monstrationen bis in die Führungse- bene der Kameradschafts-Szene aus. Der Demonstrations-Organisator Chri- stan Worch erklärte das erfolglose mi- litante Vorgehen der Demonstranten rein rational und nüchtern als aus- sichtslos: »(...) man kann auch mit zweitausend Mann nicht eine fünffach gestaffelte Polizeikette hinter Sperr- gittern wegdrängen; das ist einfach physisch unmöglich« und kommt zu dem Schluss: »Also bleibt nur der Rechtsweg.«7 In einer folgenden Stellungnahme gibt man sich mit einer juristischen Auseinandersetzung nicht zufrieden. Halbe soll als Ausgangspunkt einer zunehmenden Radikalisierung die- nen: »Aber wer die Bedingungen und Reaktionen am Beispiel Halbe stu- diert, wird zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Frieden und der y gebungen der auf parlamentarischer Jugend!« und »Ruhm und Ehre der Rechtssicherheit im Lande auf diese Ebene kämpfenden Organisationen Waffen-SS« gegen die eingesetzten Weise kein Dienst erwiesen worden 5| »Erklärung des Ver- sammlungsleiters der werden auch zukünftig immer im Rah- Polizisten Flaschen geworfen; es kam sein dürfte (...) Man führt die Men- JN-Kundgebung am 8. men der gegebenen Möglichen durch- zu gezielten Tritten, Faustschlägen schen auf einen Weg, der Gewalt be- Mai 2005 in Berlin« geführt werden. Wer anderes erwartet und Anrempelungen. Zudem wurden denklich näher, und schreit entsetzt von Thomas Wulff, 10. Mai 2005. Fehler im oder propagiert, wird sich zusätzliche durch Neonazi-Demonstranten Reiz- auf, wenn absehbare Folgen eintreten Original. Spielfelder schaffen müssen«5 stoffsprühgeräte gezielt gegen Polizi- sollten«8 Als Antwort auf diese Posi- 6| Vgl. Landtag Bran- sten eingesetzt und eine Beamtin tion kursiert innerhalb der Neonazi- denburg Drucksache 4/2324 – 4.Wahlperi- Praxistest Halbe durch Schläge mit einer Fahnenstange Szene eine Antwort aus dem Umfeld ode. Nahezu traumatisch für zahlreiche verletzt. Daraufhin gingen einzelne des neonazistischen »Freundeskreis 7| Stellungnahme Neonazis muss der gescheiterte Durch- Polizeikräfte mit Pfefferspray gegen Halbe« als weit verbreitete Rundmail. »Halbe – wie geht es weiter?« von Christian bruchversuch bei dem Neonaziauf- die gewalttätigen Demonstranten vor In dieser erklärt der Autor ganz offen: Worch, 16. November marsch im vergangenen Herbst in und stoppten die Durchbruchsversu- »Aber diesen Standpunkt den ich öf- 2005. Halbe gewesen sein. (Vgl. AIB # 70) che.6 fentlich vertrete deckt nicht das was 8| Stellungnahme »Ge- danken zum Begriff Ge- Neonazis hatten mehrfach versucht, Einige Neonazis waren nach dem ich denke«. Warum diese Person aus walt – Beispiel Halbe«, die polizeilichen Trennlinien zu durch- Praxistest ihrer theoretischen Demon- dem Organisatoren-Umfeldes des November 2005. brechen. Hierbei wurden unter den strations-Militanz-Diskussionen tief Halbe-Aufmarsches öffentlich etwas 9| HK steht für Haken- kreuz. Fehler im Original. Parolen »Die Straße frei der deutschen erschüttert. In einem Bericht wurde anderes zum Thema Militanz auf De-

26 AIB 72 3.2006 »Latschdemos und »Schwarzer Block« NS-Szene

monstrationen vertritt als sie denkt, wird kurz darauf deutlich: »(...)Ein Durchbruchsversuch muss von einer geschlossenen Gruppe ausgehen und nicht von einzelnen (...) Ich bin der erste der sagen würde wenn 200 Leute dastehen würden und die entschlos- sen wären (...) der das Signal zum An- griff geben würde wenn Du willst so- gar mit der HK-Fahen in der Hand«9 Doch später schließt sich der Autor der Position von Worch an und kommt zu dem Schluss: »Ein Durchbruch sollte auch von Erfolg sein. Und hier muss man eiskalt militärisch gesehen abwegen. Verheize ich meine Leute oder nicht. Die erste Sperre wäre viel- leicht überwunden worden an der zweiten wäre man gescheitert (...)« Anschließend wird militantem Agieren auf Demonstrationen perspektivisch eine Abfuhr erteilt: »Zum anderen kommt hinzu das die Bewegung zukünftig sich jede Demonstration ab- schminken kann wenn Auseinander- setzungen mit der Polizei bei Demon- strationen zum Tagesgeschäft wird. (...) Und es würde da ein Schaden für unsere Bewegung entstehen wenn uns die Möglichkeit genommen wird öf- fentlich auf der Straße auf unsere Interessen gegenüber der Polizei, Block« ist somit in manchen Regionen 10| So Christian Worch Ziele hinzuweisen.« wenn diese wegen antifaschistischen zu einem Teil der jugendlich-neonazi- in einer Stellungnahme Blockaden Aufmärsche nicht loslaufen stischen Erlebniswelt geworden. zu einer Demonstration in Magedeburg, 15./16. Fazit lässt. Zum anderen bilden die kurzen Während die NPD aufgrund ihres lega- Januar 2005. Zu einem geschlossenen, militan- »Actioneinlagen« mittlerweile ein len Status dieses Bedürfnis kaum be- 11| Stellungnahme ten Vorgehen durch eine breite Masse entscheidendes Mobilisierungspoten- friedigen kann, steht für Christian »Über freien und auto- nomen Nationalismus« neonazistischer Demonstrations-Teil- tial. Gerade jugendliche Neonazis und Worch und die »Freien Kameradschaf- von Christian Worch, nehmer auf Aufmärschen ist die Neo- vor allem die Anhänger der »Autono- ten« trotz aller Kritik die Akzeptanz 25. Januar 2005. nazi-Szene im Moment weder willens men Nationalisten« haben durch die einer »militanten Minderheit«10 auf noch in der Lage. Die meisten Neo- Häufigkeit und die mittlerweile hohe Demonstrationen als mögliche Option nazi-Führungskader stehen aus politi- Anzahl von Neonazi-Demonstrationen im Raum. So sieht Worch mindestens schen Überlegungen einem durchge- das Interesse an diesen verloren. teilweise nachvollziehbare Gründe für hend militanten Auftreten bei Demon- Langweilige »Latschdemos« mit den das Bedürfnis nach einem »Schwarzen strationen skeptisch bis ablehnend immer gleichen Reden üben für sie Block«, die nüchtern analysiert wer- gegenüber. Für ein entschiedenes Vor- kaum noch einen Reiz aus, da ihnen den müssten.11 Die spannende Frage gehen gegen die ersten Versuche, ei- subjektive Erfolgserlebnisse wichtiger bleibt jedoch, was folgt, wenn auch nen »nationalen Schwarzen Block« als politische Inhalte sind. Die »Auto- die ständig scheiternden Durchbruch- auf Nazi-Aufmärschen zu bilden, sind nomen Nationalisten« bieten durch versuche des »nationalen schwarzen die meisten Neonazi-Demonstrations- das propagierte Kräftemessen mit Po- Blocks« keinen Funfaktor und kein Organisatoren jedoch auch noch nicht lizei und AntifaschistInnen jedoch subjektives Erfolgserlebnis mehr bie- bereit. Zum einem erhoffen sie sich so wieder einen spürbaren Eventcharak- ten. ࡯ Vorteile bei der Durchsetzung ihrer ter bei Demonstrationen. Der »Black

3.2006 72 AIB 27 Die Autonomen Nationalisten und die Partei | Schwerpunkt

Leiter des NPD-Ordnungsdienstes Manfred Börm will den Rechts-“Autonomen“ Steffen Pohl von der Demo verweisen Von Tomas Sager »Revolution statt Reform« Die »Autonomen Nationalisten« und die Partei

Eigentlich schien das Verhältnis zwischen NPD und „Autonomen von Rechts-“Autonomen“ bei einer Nationalisten“ nach dem Zerwürfnis im vorigen Sommer wieder halb- Demonstration der Partei in Frankfurt wegs bereinigt. Doch der Zwist ist noch lange nicht aus der Welt. Auch – eine Erklärung mit dem Titel „Unsere in NRW zofft man sich zuweilen – zuletzt wegen der Stolberg - Fahnen sind schwarz – unsere Blöcke Aufmärsche im April. Dabei ist der Streit in NRW längst nicht so heftig nicht!“: eine scharf formulierte Ab- wie anderswo, weil die NPD an Rhein und Ruhr weiß, wie sehr sie auch rechnung mit dem Demonstrationsge- auf diesen Teil des „freien“ Spektrums angewiesen ist. baren „autonomer“ Neonazis. „Schwarze Blöcke“ seien „anarchisti- Thüringer Rechts-“Autonome“ glaub- »Kommunistische Hände« sche Erscheinungsformen“. „Nach der ten, ihren Augen nicht trauen zu kön- Ähnlich drastische „Verhaltensre- Devise ‘Qualität statt Quantität’ stellen nen, als sie die „Verhaltensregeln“ der geln“ aufzustellen trauten sich jene wir fest, dass wir – auch auf die Gefahr NPD für eine Demo Anfang April in NPD-Gliederungen zwar nicht, die künftig geringerer Teilnehmerzahlen Weimar lasen. „Sämtliche Arten der zum „Trauermarsch“ in Stolberg am hin – nicht bereit sind, uns diesem po- Vermummung“ seien „untersagt“, 26. April aufriefen. Doch Manfred litischen Zeitgeistphänomen anzupas- hieß es dort. Für begriffsstutzige Ka- Börm, Leiter des NPD-Ordnungsdien- sen.“ Die Erklärung habe eine „unnö- meraden reichten die Veranstalter De- stes, verstand auch so wenig Spaß an tig spalterische Tendenz“, kritisierte tailanweisungen nach: „Sollte es nicht diesem Tag. Mal waren es Transparen- Christian Worch: Sie sei nicht nur regnen, ist das Tragen von Kapuzen te der Rechts-“Autonomen“, die für eine „Abgrenzung gegenüber gewiss- vollständig untersagt. Regnet es, sind seinen Geschmack zu hoch getragen sen äußerlich erkennbaren Erschei- Sonnenbrillen nicht nur unangebracht, wurden und als Vermummung hätten nungsformen bei Demonstrationen“, sondern auch das Tragen derselben verstanden werden können, mal stör- sondern auch eine „Abgrenzung ge- untersagt.“ Der Ordnungsdienst wer- te er sich an den zum Himmel gerek- genüber den dahinterstehenden Ge- de gegen Verstöße „bedingungslos“ ten Fäusten, die er, so klagte ein danken und den Leuten, die diese Ge- vorgehen. Nicht nur das Outfit der Demoteilnehmer später, als „kommu- danken tragen“. Geschlagen wird Demoteilnehmer bereitete der NPD nistische Hände“ bezeichnet haben demnach der „Schwarze Block“, ge- Sorgen. „Strikt untersagt“ sei auch soll. Das alles kulminierte in einem meint ist aber das gesamte rechts- „das Auftreten in geschlossenen Blö- Handgemenge zwischen Börm und “autonome“ Spektrum, dem Worch cken und das Skandieren von Parolen seinen Ordnern auf der einen Seite etwa ein Viertel der parteifreien Neo- in Kombination mit dem demonstrati- sowie dem Duisburger Rechts-“Auto- nazis zurechnet. Die NPD schob ven Heben der eigenen Faust“. nomen“ Steffen Pohl und anderen schließlich eine zweite Erklärung nach, ANs auf der anderen Seite. die als Abschwächung verstanden Rückblick: Mitte August 2007 be- wurde und suchte vor der Niedersach- schloss das NPD-Präsidium – u.a. als sen-Wahl wieder den Schulterschluss Reaktion auf das aggressive Auftreten mit Rechts-“Autonomen“.

Lotta #31 | Sommer 2008 | Seite 17 Schwerpunkt | Die Autonomen Nationalisten und die Partei

»Wir schlafen aus« wie die NPD es wollte, drei Wochen „Querfront“ mit Linken ausgesprochen In NRW tat sich im Frühherbst 2007 später auf die Straße gegangen wer- und sich selbst als „Anti-Hitleristen“ die Dürener NPD mit dem Versuch den solle. Während regionale NPD- bzw. „nationale Antifaschisten“ defi- hervor, die ANs zu domestizieren. Vor Gliederungen ihren „Trauermarsch“ niert hatte. einem Aufmarsch am 22. September für den 26. April planten, ließ die AG ließ sie wissen: „Teilnehmer die mit Rheinland schon für den 12. April eine »Höchster Verrat« Sturmmasken oder Kleidungsstücke Demo anmelden. Gegenseitige Unter- ANs aus Marl – und in der Folge der linken Szene ausgestattet sind, stellungen und Vorwürfe waren die auch die AG Ruhrgebiet-Mitte, die werden bei den Kontrollen dazu auf- Folge: ob die NPD wieder nur ihr Par- den Marler Text auf ihrer Homepage gefordert diese während der Demon- teisüppchen koche oder ob, umge- wiedergab – wollten die Notbremse stration abzugeben. Sollte man nicht kehrt, die Freien an einem gemeinsa- ziehen: „Für den einzig wahren Natio- damit einverstanden sein, werden wir men Vorgehen nicht interessiert seien? nalen Sozialismus – Gegen Verfäl- diese Personen nicht zulassen.“ Die Offen ausdiskutiert wurde der Konflikt schung und kontraproduktive Erneue- Konsequenz war, dass die Teilnehmer- zunächst nicht. Statt dessen klagten rungen“, titelten sie über ihrem Text. zahl mit 150 unter den Erwartungen die „autonome“ Initiatoren der Demo Knapp zwei Dutzend Gruppen aus lag. Die Rechts-“Autonomen“ blieben vom 12. April: „Es werden Gerüchte NRW, die sich mehr oder weniger ein- daheim: „Wir schlafen aus. Keine über Anmelder und Umfeld der deutig als ANs oder AN-nah verstehen Unterstützung den Spaltern!“ Veranstalter verbreitet, in der Absicht und die Erklärung unterzeichneten, In ihren wenigen Äußerungen zum die Teilnehmerzahl zu senken.“ Zwar wehrten sich einem Glaubensbe- eigenen Selbstverständnis spielt das gelang es schließlich, wohl unter kenntnis gleich gegen eine „Verdre- Verhältnis zur NPD und zum Konzept maßgeblicher Beteiligung der Landes- hung unsere Weltanschauung“: „Es Partei für die NRW-Rechts-“Autono- NPD, beide Seiten zunächst wieder gibt, und wird ewig, nur einen wahren men“ nur am Rande eine Rolle. Die unter einen Hut zu bekommen, doch Nationalen Sozialismus geben.“ Er Aktionsgruppe Ruhr-Mitte schreibt: der Eindruck bleibt: Rechts-“Revolu- basiere „weiterhin auf den grundle- „,Do it yourself’ soll das Motto sein, tionäre“ und ein Teil der NPDler sind genden Leitsätzen, die einst in ein- wofür man keinen Kader, und schon einander kulturell fremd. Während die deutigen Schriften und Büchern fest- gar keinen Parteifunktionär und dess- einen beispielsweise nach dem 1. Mai gelegt wurden“. Die „öffentliche sen Zustimmung braucht... Selbst- die in Hamburg praktizierte Militanz Verleumdung geistiger Vorväter und ständig, willensstark und opferbereit, als vorbildhaft abfeiern, sind die ande- Blutsbrüder“ grenze „an höchstem das sind die Eigenschaften, die zählen. ren glücklich und zufrieden, wenn Verrat gegenüber diesem Nationalen Und kein Amt innerhalb einer Partei, Parteifunktionäre weitgehend unge- Sozialismus“. kein Status innerhalb einer Kamerad- stört ihre Reden abspulen können, wie Die Konfliktlinien bleiben erst ein- schaft und schon gar nicht gesell- bei der Mai-Demo der NPD in Nürn- mal: Innerhalb der NPD werden sich schaftliches Ansehen in einem korrup- berg geschehen. „Bürgerliche“, NS-Traditionalisten wie ten Staat.“ Die Aktionsgruppe Rhein- Diese Fremdheit berührt in NRW Börm, deren Politikverständnis auf land vermeidet es, das Verhältnis zur allerdings bislang nur Fragen der Optik dem Prinzip von Befehl und Gehorsam NPD konkret zu bestimmen. Ganz all- und des Auftretens, aber noch nicht basiert, und jene NPD-Gliederungen, gemein heißt es weiter: „Im Gegensatz die neonazistische Orientierung. Ei- die auf Grund eigener Schwäche auf zu Parteien liegt uns nichts daran, bei gentlich ist es ja nur eine Frage der die Kooperation auch mit Rechts- Wahlen kurzfristig eine breite Masse Zeit: Wenn ein Teil der Szene unge- “Autonomen“ nicht verzichten könn- der Bevölkerung zu erreichen, sondern niert im Bereich „linker“ Ausdrucks- nen, kaum auf eine gemeinsame wir wollen uns langfristig in der Mitte formen, Styles und Moden wildert, Position gegenüber den ANs einigen der Gesellschaft und bei der Mehrheit kann dann erwartet werden, dass sie können. Und innerhalb des rechts- der deutschen Bürger verankern und sich politisch weiterhin am histori- “autonomen“ Lagers stellt sich die sie mit unserer politischen Ideologie schen NS orientieren? Oder wird Frage, wieweit sich eine angebliche überzeugen.“ irgendwann auch der ideologische „Autonomie“ und der feste Glaube an Gehalt in Frage gestellt? „Höflichst, den „einzig wahren Nationalen Revolutionäre Ungeduld aber bestimmt“ sei eine Gruppe von Sozialismus“ letztlich überhaupt ver- „Revolution statt Reform!“ ist das ANs aus Niedersachsen bei einem tragen.  Motto der AG Rheinland. Dazu gehört Treffen von Rechts-“Autonomen“ im eine „revolutionäre“ Ungeduld, die Ruhrgebiet aus dem Saal geworfen immer mal wieder zu Konflikten mit worden, berichteten die Freien Natio- der NPD führt. Zum Beispiel bei der nalisten Niedersachsen unlängst. Frage, ob in Stolberg gleich in der Diese Gruppe hatte die Schraube Woche nach Kevin P.’s Tod oder erst, offenbar überdreht, als sie sich für eine

Seite 18 | Lotta #31 | Sommer 2008

NPD nicht sanktionsfähig Titel

Nicht sanktionsfähig Die Ausgrenzung des »Black Block« scheitert

Die NPD führt das »Volksfront-Bündnis« merksamkeit, als er sich beim freund- deutsche Werte einfordert« sei künf- schaftlichen Austausch mit Vertretern tig bei Veranstaltungen der NPD nicht mit den freien Kameradschaften zwar an, des »Black Block« fotografieren ließ. mehr willkommen: »auch auf die Ge- verfügt jedoch nicht über die Stärke, um Schon während der Reden legten NPD- fahr künftig geringerer Teilnehmer- Funktionäre Wert darauf, den »Black zahlen hin« sei die Partei nicht bereit ihr nicht genehme Kräfte aus der Bewe- Block« gesondert hervorgehoben auf sich »diesem politischen Zeitgeistphä- gung zu drängen. der Parteiveranstaltung willkommen nomen anzupassen«. zu heißen. In rechten Internetforen Die Partei versuchte, den »NS Black kursierten später Fotos, die den NPD- Empörte Reaktionen Block« auszugrenzen, scheiterte jedoch Generalsekretär Peter Marx mit einem Auf die NPD-Erklärung folgte ein »Black Block«-Button am Jackett Sturm der Entrüstung aus den Reihen an der Kritik aus der Kameradschafts- zeigten. Diese NPD-Nettigkeiten ge- der freien Kameradschaften. Die szene und musste sich schließlich vom genüber dem »Black Block« waren »Freien Nationalisten Neuss« fürchte- eine 180-Grad-Wendung der Partei. ten um die gute Zusammenarbeit zwi- eigenen Beschluss distanzieren. Nur wenige Wochen zuvor hatte das schen parteifreien Kräften und der NPD-Präsidium noch eine Erklärung NPD. Wenn es nicht bald Widerspruch veröffentlicht, in der es den »Black aus NPD-Kreis- und Landesverbänden Block« scharf angriff und zu seiner gegen die Ausgrenzungserklärung gäbe, Ausgrenzung aufrief. sollten »solidarisch gesonnene Partei- mitglieder« aus der NPD austreten. Stein des Anstoßes Zudem sei der Block eine optische Be- Am 15. August 2007 erschien eine reicherung für die Bewegung, die für Erklärung des NPD-Parteipräsidiums Jugendliche äußerst attraktiv sei. mit dem Titel »Unsere Fahnen sind Gleichzeitig distanzieren sich die Die »Black Block«-Diskussion fand schwarz – unsere Blöcke nicht«. Aus- »Freien Nationalisten Neuss« von Ang- zwischen August und September 2007 löser waren die handfesten Auseinan- lizismen, der Verwendung von abgewan- statt. Obwohl sie schon etwas zurück- dersetzungen zwischen NPDlern und delten Logos der »Antifaschistischen liegt, verdient sie eine rückblickende »Black Block«-Aktiven, die es am Aktion« und von »Palituch-Trägern«. Betrachtung. An ihr lässt sich able- Rande einer NPD-Demonstration am 7. Auch das »Aktionsbüro Norddeutsch- sen, wie fragil das »Volksfront«- Juli 2007 in Frankfurt/Main gegeben land« übernahm wenig später die Pro- Bündnis zwischen NPD und Kamerad- hatte. Tenor des Schreibens: Bei Ak- »Black-Block«-Stellungnahme aus Neuss schaften ist, wenn es zu Belastungs- tionen »des nationalen Widerstandes« beinahe im Wortlaut. proben kommt. Die NPD ist die Kraft, würden zunehmend »Schwarze Blöcke« Der »parteifreie« Neonazi Sven die die »Volksfront« steuert – ihr Ein- auftreten, die »Optik, Sprache (Angli- Skoda beschwerte sich in einer per- fluss reicht jedoch offenbar nicht aus, zismen), Parolen und Inhalte des Geg- sönlichen Stellungnahme: Die NPD sei um Richtungsvorgaben zu machen ners kopieren.« Solche »anarchisti- eine systemtreue Partei, die einen zu oder Sanktionen gegen ihr nicht pas- schen Erscheinungsformen« wirkten »bürgerlichen Kurs« fahre und in der sende Strömungen auszusprechen. »beängstigend und damit abstoßend« man es schwer habe, wenn man sich Als die NPD im September 2007 in auf Außenstehende. Die NPD wolle öffentlich traue, »den Nationalsozia- Hannover ihren Landesparteitag für hingegen zeigen, dass »wir die Mitte lismus als etwas Positives zu begrei- Niedersachsen abhielt, wurde genau des Volkes, das wahre Deutschland« fen«. »Taktik, Auftreten und konkrete beobachtet, wer mit wem beim Pau- repräsentieren. Wer nicht bereit sei, Aktionen des ›schwarzes Blocks‹« hält senplausch zusammenstand. Beson- durch sein »Aussehen und Verhalten Skoda zwar für diskussionswürdig, er ders Parteichef Udo Voigt erntete Auf- eine neue Ordnung zu vertreten, die lobt aber die ehrliche Motivation und

8 AIB 7 8 1.2008 NPD nicht sanktionsfähig Titel

NPD-Landtagsabgeordneter in Sach- sen, legte in der Januar-Ausgabe der NPD-Parteizeitung »Deutsche Stimme« noch einmal nach. Er unterstellte, dass »›Autonome Nationalisten‹ mit ihrem antifaschistischen Krawall-Ha- bitus« schädlich für die »Position des nationalen Antikapitalismus« seien. Trotz solcher neuerlichen Provoka- tionen steht dennoch fest: Der NPD- Vorstoß zur Ausgrenzung des »Black Block« ist gescheitert, die offene Konfrontation mit den freien Kame- radschaften auf Eis gelegt.

Angst um den Zusammenhalt Die NPD versuchte erfolglos, sich von einer Fraktion der freien Kame- radschaften loszusagen, da diese mit ihrer offenen Militanz den Bemühun- den Einsatzwillen aus diesem Spek- »keine Kleidervorschrift bei Demos« gen der Partei, von ihrem Krawall- trum. Das »Aktionsbüro Mittelhessen« erlassen, man stehe zum »Volksfront- Image loszukommen, im Wege steht. verwies darauf, dass die NPD auf die Gedanken« und habe auch Verständ- Die Debatte war aber auch ein Testbal- Kameradschaften wegen ihrer Mobili- nis dafür, dass manche ihre Anonym- lon, um zu überprüfen, ob die Partei- sierungsstärke nicht verzichten könne: ität bei Aktionen mit Sonnenbrille und spitze die Zügel in der von ihr initiier- »Ihr wollt dann ›eben alleine demon- Mütze schützen wollen. ten Volksfront fest genug im Griff hat, strieren‹? Dann tut es doch!«. Der NPD Beim Parteitag in Hannover am 17. um Sanktionen gegen parteifreie stünde es nicht zu, Forderungen zu September 2007 folgte schließlich das Kräfte auszusprechen. Das ist geschei- stellen und Ausgrenzungsbeschlüsse endgültige Rückrudern der NPD. Süf- tert und hat der Partei Schaden zuge- abzufassen. fisant beschrieb der parteifreie Ham- fügt. Die Kritik erforderte einen pein- Das neonazistische »Autorenkollek- burger Neonazi Christian Worch, wie lichen Rückzieher, zum Preis eines tiv MP5« wetterte, dass die NPD »mit NPD-Chef Udo Voigt die Verantwor- Glaubwürdigkeits-Verlusts. Interessant ihrem Ausgrenzungsbeschluss vom 15. tung für die »Mißhelligkeiten« zwi- ist, dass die DVU als drittes Glied der August unzweifelhaft die Machtfrage schen Partei und »Black Block« den »Volksfront« gänzlich drum herum- im rechten Lager (stellt). Sie versucht Medien zuschreiben wollte. Von Di- kam, sich zur Sache zu äußern. von nun an nicht mehr nur interne stanzierungsbemühungen war nichts Es zeigt sich aber auch, wie stark Kritiker unter Kontrolle zu bringen, mehr zu spüren. die Solidarisierungseffekte bei den sondern einen politischen Gegner ent- freien Kameradschaften sein können: weder offen zu zerstören oder in die Weiterhin Konfliktpotential Die NPD griff mit ihrer Erklärung le- Defensive durch offene Isolation zu Die NPD steckt also weiterhin im diglich den »Black Block«, also einen drängen«. Dilemma, alle möglichen Zielgruppen kleinen Teil der Kameradschaften, an. ansprechen zu wollen – Bürgerliche, Die empörten Reaktionen kamen je- Der Rückzieher Ältere, die Jungen und die sich revo- doch aus der gesamten Kamerad- Am 10. September 2007 erschien lutionär gebenen neonazistischen schaftsszene. In der schriftlich ge- ein neuerliches Schreiben der NPD, Subkulturen. In einem Interview in führten Debatte gab es dennoch keine das zwar die Kernaussagen der Ur- der Herbstausgabe des JN-Magazins einzige Stellungnahme von Neonazis, sprungserklärung aufrecht zu erhalten »Hier und Jetzt« gibt Udo Voigt sich die sich offensiv zum »Black Block« versuchte, aber vor allem die Wogen unversöhnlich: Der Kampf um »die bekannten. Die Verteidigungsbeiträge glätten sollte. Man strebe natürlich Köpfe der breiten Masse des Volkes« wurden fast ausnahmslos von Kame- eine »enge Zusammenarbeit mit dem sei »durch das Tragen schwarzer Klei- radschaftsaktiven verfasst, die selbst überwiegenden Teil des freien natio- dung in Verbindung mit Vermummun- Vorbehalte gegen den »Black Block« nalen Widerstandes an«, man wolle gen« nicht zu führen. Jürgen Gansel, haben. ࡯

1.2008 78 AIB 9 (Vermummte) Nazis raus! Michael Klarmann 27.08.2007

"Autonome Nationalisten" lieben den Nationalsozialismus und meinen doch auch: "Fuck Authority". Die NPD mag diese "Anarchisten" gar nicht (mehr)

Seit Herbst 2004 wächst die "Volksfront von rechts", und NPD-Chef Udo Voigt hat es galant geschafft, die bürgerlich-miefige DVU sowie die radikalen und zur Militanz neigenden "Freien Kameradschaften" an einen Tisch zu bekommen. Das Lager der "nationalen Sozialisten" expandierte. Aussagen von NPD-Oberen nahmen an Radikalität zu und manche Rede klang schon so, als übernehme die NPD bald die Macht im "Reichstag". Doch nun rumort es im Volksfront-Haus, denn die Gruppe der "Autonomen Nationalisten" gibt sich störrisch. Diese Neonazis stellen die "Systemfrage" radikal offen und halten von der bürgerlichen Maskerade der NPD wenig. Solche "anarchistische[n] Erscheinungsformen" will die NPD in ihren Reihen aber nicht mehr dulden.

Auslöser für den rhetorischen Kleinkrieg zwischen "autonomen" und bürgerlichen Neonazis war ein Aufmarsch am 7. Juli in Frankfurt. Als an jenem Sonnabend rund 700 Neonazis im "Jerusalem am Main" (Hessens NPD-Chef Marcel Wöll) aufmarschierten, um gegen Kapitalismus und Globalisierung zu demonstrieren, bildeten etwa 200 Teilnehmer des Aufmarsches einen "". Zwar hatte es zuvor schon solche von den Linksautonomen abgeschauten "Schwarzen Blöcke" bei rechten Aufmärschen gegeben, doch das geballte Auftreten war in dieser Art neu. Und die oft als elitär geltende und gelegentlich spöttisch von anderen Neonazis in Anlehnung an die SS "Schwarze Garde" genannte Gruppe wollte auch in Frankfurt ihr Ding durchziehen. Es kam zu Rangeleien mit NPD-Ordnern, als diese versuchten, polizeiliche Auflagen wie das Vermummungsverbot durchzusetzen.

Nach dem Aufmarsch entbrannte zwischen "Autonomen" und NPD der noch andauernde Streit. Inoffiziell hieß es dazu in Szeneforen, die NPD-Ordner seien "Polizei-Vasallen" und die Partei fahre eine "pseudo-bürgerliche schmuseschiene". Den "Autonomen", die mit ihrem Megaphon gegen den Lautsprecherwagen der NPD anpolterten, wurde vorgeworfen, auf einer NPD- Demonstration "Scheiß NPD" geschrieen zu haben. Aber auch über offizielle Stellungnahmen trug man den Streit aus. Unter dem Label der "Nationalen Sozialisten - Rhein/Ruhr" wurde etwa über "wildgewordene [NPD-]Ordner" geschimpft, die zu "Hilfssheriffs" und "besonders engagierten Hilfspolizisten" geworden seien. Und: "Bei Angriffen durch Antifaschisten werden wir auch in Zukunft [...] angemessene Gegenwehr leisten! Rechtswidrigen Anordnungen grün/weißer Systembüttel werden wir keinerlei Folge leisten! Bei Polizeigewalt werden wir von unserem Notwehrrecht Gebrauch machen!"

Nachdem zuvor schon Wöll als Anmelder besagten Aufmarsches eine jene Kritik widerlegende Klarstellung abgegeben hatte, folgte Mitte August die Stellungnahme Unsere Fahnen sind schwarz - unsere Blöcke nicht! (1) von Seiten des NPD-Parteipräsidiums. In dem Text heißt es, dass die NPD keinen "Schwarzen Block" mehr bei ihren Aufmärschen dulden werde. Man sei von NPD- Seiten nicht bereit, sich "diesem politischen Zeitgeistphänomen anzupassen", und man spreche sich "in aller Deutlichkeit gegen derartige anarchistische Erscheinungsformen aus".

Bezeichnend an der Stellungnahme ist indes das, was nur zwischen den Zeilen durchschimmert: Nicht die politische Radikalität und das fast offene Auftreten als Nationalsozialisten kreidet die NPD den "Autonomen" an, sondern schlicht deren Äußeres. Die NPD wolle ordentlich auftreten um die "Herzen" der Bürger zu gewinnen, heißt es. Mit "schwarz vermummten Menschen" in den eigenen Reihen gehe dies nicht. Das "auf außenstehende Betrachter beängstigende und damit abstoßende Äußere ist nach unserer Auffassung kein Ausdruck revolutionären Handelns", schreibt die NPD weiter und verweist darauf, dass wegen linksautonomer Randale wie in Rostock selbst "Nationalisten", die vermummt auftreten, von den Bürgern als Gefahr angesehen würden. "Wer eine Demonstration mit einem Faschingsball verwechselt, soll ihr lieber fernbleiben", stellt das NPD-Präsidium fest.

Anfangs war jenes Papier offenbar nur für den internen Gebrauch bestimmt. NPD-kritische Webforen und Portale veröffentlichten es jedoch schon am 16. August noch vor der Partei. Rechtsextremismus-Experten und selbst manches rechte Portal veröffentlichten den Text oder Zitate zuerst nur unter dem Vorbehalt, dass die Authentizität noch nicht ganz belegt sei. Dennoch diskutierte man in den Internet-Foren der Braunszene schon wild über die NPD-Stellungnahme. In einem Forum wurde angesichts dessen, dass viele "Freie Kräfte" unterdessen den "Kameradschaften" den Rücken kehrten und "Autonome" geworden seien, schon die Frage gestellt, ob überhaupt noch "Großaufmärsche" der Braunszene möglich seien, wenn die NPD die "Schwarzen" ausschließe.

Schließlich bestätigte dann NPD-Generalsekretär Peter Marx am 17. August ausgerechnet dem NPD-kritischen Blog (2) des tagesschau.de-Experten Patrick Gensing die Echtheit des Papiers, das die Partei trotz anderer Datierung erst am 17. August auf ihrer Homepage online stellte. Marx ging aber noch weiter. Bei den "Autonomen Nationalisten" handele es sich um eine kleine Gruppe, die durch staatliche Institutionen gefördert werde, sagte der NPD-Obere und meinte damit eigentlich zwischen den Zeilen: es seien Agents Provocateurs, die das "nationale Lager" in Misskredit bringen sollten.

"Autonome Nationalisten" plädieren für "optischen Pluralismus"

Seit Jahren tummeln sich in der rechtsextremen Szene "Autonome Nationalisten", die zwar für einen "nationalen Sozialismus" kämpfen wollen, zugleich aber Probleme haben, Autoritäten anzuerkennen. "Revolution now" oder "Fuck Authority" ist auf ihren Stickern oder Transparenten zu lesen. Viele "Autonome" tragen auch Aufnäher oder Sticker mit roten und schwarzen Flaggen, bekannt aus der Antifabewegung. Statt "Antifaschistische Aktion" ist neben den Fahnen indes "Nationale Sozialisten - Bundesweite Aktion" zu lesen. "Organisierter Wille braucht keine Partei! Nationaler Sozialismus voran!" heißt es in ihren Pamphleten.

Die "Autonomen" sowie deren "Black Blocs" inmitten von Aufmärschen wirken auf den ersten Blick tatsächlich wie Linksautonome: Kapuzenpullis oder - jacken, Basecaps, Lederhandschuhe, Sonnebrillen, schwarze Kleidung, die nach dem Vorbild der Linksautonomen ein einheitliches und martialisches Bild abgeben. "Autonome" sind gepierct und mancher von ihnen trägt gar unter seiner Kapuze oder Mütze einen Irokesen-Haarschnitt. Während die "Autonomen" selbst davon fabulieren, die radikale Sperrspitze der "nationalen Bewegung" zu sein, nennt sie ein gestandener Rechtsrocker und Neonazi-Glatzkopf in einem Forum schlicht "antifaklons".

Längst sind die Diskussionen rund um die Vorwürfe der NPD völlig unübersichtlich geworden, manchmal kamen in wenigen Tagen hunderte Postings in Foren-Threads zusammen. Und unterdessen haben sich auch verschiedene Gruppierungen und Vertreter der Braunszene zu Wort gemeldet. Vorreiter waren dabei schon am 17. August die im Netzwerk der Braunszene noch eher unbedeutenden "Freien Nationalisten Neuss", die etwa entgegen der NPD für einen "optische[n] Pluralismus" plädierten und daran erinnerten, dass man Jugendliche in Aufmärschen als "Autonome" oder "Metal-Head oder [...] locker gekleidete[r] Skater" viel eher anspreche als im bürgerlichen Schick der NPD. "Das solltet Ihr Parteipräsidiumsmitglieder mal raffen!", moserte das "Autorenkollektiv linker Niederrhein".

Und auch das "Aktionsbüro Norddeutschland", eine der wichtigsten Gruppierungen und Organe der "Freien", schimpfte über die "Tradition [zur Ausgrenzungspolitik] in [den] reaktionären Führungszirkeln der NPD". Weder besagtes "Aktionsbüro", noch der unterdessen auch bundesweit immer einflussreicher werdende Düsseldorfer Neonazi-Kader Sven Skoda hielten etwas von dem Vorwurf, man habe beim verhassten "System" angeheuert. Vielmehr vertrete die NPD wie Jahre zuvor keinen "systemalternativen Politikansatz" mehr, schimpfte der bekennende "Freie" in einer Stellungnahme zum "Stimmungsbild parteifreier Kräfte aus dem Westen". Skoda schimpft gar, die NPD glaube offenbar, vom "System" etwas "geschenkt" zu erhalten, wenn sie sich "stets freundlich und devot gebeugt" zeige. Doch wer das denke sei "bereits soweit in diesem System angekommen, daß er selbst Teil des Problems geworden ist". Da müsse die NPD sich nicht "wundern", wenn sie künftig "auch so behandelt" werde, drohte Skoda gar den "Kameraden".

LINKS

(1) http://www.npd.de/index.php?sek=0&pfad_id=7&cmsint_id=1&detail=923 (2) http://npd-blog.info/?p=1017#more-1017

Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26022/1.html

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Alles nur geklaut? NS-Szene

Rote Fahnen auf einer Neonazi- Demonstration in Berlin. Teilnehmer erklären, dass noch zwei Elemente auf den Fahnen fehlen würden. Alles nur geklaut?

Die Übernahme linker Symbolik durch Nazis

»Damals Symbol der radikalen Linken. Zeichen für Diese Forderung nach Schaffung Zweckmittel dar, um diese Eigenschaf- eines rechten Schwarzen Blocks, ge- ten auf Demonstrationen gegen die Militanz, radikalen Widerstand gegen das herrschende stellt in einem Nazi-Internetforum staatlichen Organe verteidigen zu System und gegen nationale Strukturen jeglicher Art. und hauptsächlich unterstützt durch können. Dass Teile der Naziszene nun Nazis aus den Umfeldern der Kame- versuchen, über ein gemeinsames Auf- Autonome Gruppen. Unabhängig, selbstständig, radschaft Tor und des Märkischen treten in schwarz diese Eigenschaften eigengesetzlich. Im BB [Schwarzer Block (englisch: Heimatschutz (MHS), begleitete die mit ins Boot zu holen, zeugt also eher eher unspektakuläre und träge Nazi- von absoluter Unkenntnis linker Ge- Black Block)] sammelten sich jene, die schon durch ihr mobilisierung zum 1. Mai in Berlin. schichte. Gerade die Endphase des auftreten eine gewisse Militanz zeigen wollten. [...] Deutlich wird an diesen paar Zeilen die schwarzen Blocks bei den Autono- romantische Hoffnung der Nazis, durch men, als Teile der AA/BO den schwar- Es ist an der Zeit, dass wir die neuen Möglichkeiten Schaffung eines rechten schwarzen zen Block zum identitären Programm- voll ausschöpfen und damit beginnen uns neu zu Blocks von oben könnte schlagartig merkmal erkoren hatten und gleich- ein Agieren auf Demonstrationen zeitig die Polizeistrategen einen organisieren. Der gewaltfreie, friedliche Kampf hat fast erreicht werden, wie es bei der auto- »militärischen« Umgang mit ihm 60 Jahre stattgefunden und wir haben nichts erreicht. nomen Linken in den 80er Jahren der gefunden hatten, zeigt deutlich, dass Fall war. Völlig übersehen wird von dieses Konzept schon Mitte der 90er Es ist unverantwortlich, wenn heute noch Kameraden Nazi-Seite aber augenscheinlich, dass Jahre von der Realität eingeholt davon reden, absolut und situationsunabhängig, der schwarze Block bei den Autono- wurde. ⁄men immer nur ein Mittel zum Zweck So stößt dieses »Konzept« auch in gewaltfrei zu bleiben.« war. Oben zitierte Eigenschaften wie großen Teilen der Nazi-Szene auf Ab- Unabhängigkeit und Selbständigkeit lehnung. Einer der ersten, die auf fehlen in der Naziszene völlig und diese Thesen reagierten, war Christian laufen ihr ideell zuwider. Sie lassen Worch, der seine Stellungnahme dazu sich auch durch einen schwarzen nutzte, noch weiter zwischen den ge- Block nicht realisieren und waren in planten Mai-Aufmärschen in Berlin der autonomen Linken bereits vor und Leipzig zu spalten. So äußert Aufkommen eines solchen vorhanden. Worch in seinen »Leipziger Leitli- Der schwarze Block stellte ein reines nien«: »Wir brauchen in Leipzig kei-

16 AIB 63 3.2004 Alles nur geklaut? NS-Szene

nen schwarzen Block in unserem Zug, schwinden.« Auch in der bürgerlichen zeiabsperrung waren diese Vorkomm- denn unser Zug ist EIN Block.« In den Presse blieb die Forderung nach einem nisse auch schon alles, was diesen folgenden Wochen entbrannte zwi- schwarzen Block natürlich nicht un- Block in seinem Agieren vom Rest des schen Worch und den Organisatoren bemerkt und es wurde plötzlich aller- Aufmarsches unterschied. Damit konn- des schwarzen Blocks ein Streit um orts bemerkt, dass Nazis nicht mehr te der Schwarze Block keine seiner die Ausrichtung nationalsozialistischer nur in Bomberjacke und Springer- seitens der Naziszene definierten Politik, in dem es vor allem darum stiefeln rumlaufen, sondern man sie Funktionen erfüllen. Somit bleibt der ging, sich zwischen Bürgernähe und ja sowieso schon nicht mehr von Schwarze Block lediglich ein Versuch Abgrenzung zu entscheiden. In einem »normalen« Jugendlichen unterschei- unter vielen, den Anteil jugendlicher Diskussionsbeitrag heißt es: »Das den könne. Erlebniswelten auf Aufmärschen wei- problem ist, ich sehe in agitation und Erste Praxisversuche für einen ter zu steigern. [1] propaganda keinen bezug zum deut- schwarzen Block gab es bereits Ende So ähnlich sehen es auch Teile der schem volk und heimat bei euch letzten Jahres auf einem Nazi-Auf- Organisatoren selber, die den schwar- ’autonomen nationalisten’«. Auch marsch in Berlin. Damals liefen ca. 30 zen Block zwar als lustig und aufre- wenn dieser Streit ohne gemeinsame jugendliche Nazis weitgehend in gend empfanden, aber über die Wirk- [1] Berliner Position beendet wurde, so machte er schwarz gekleidet und mit roten Fah- samkeit und die Umsetzung der Ur- Kameradschaftsaktivisten für AntifaschistInnen eines ziemlich nen bestückt an der Spitze der Demo. sprungsforderungen doch eher ent- im autonomen Look auf schnell deutlich: Einen modernen Dieser Versuch scheiterte jedoch fast täuscht waren. Der Rest der Nazi- einer Neonazi- oder gar fortschrittlichen National- an der verwirrten Berliner Polizei, die Szene hat anscheinend gar nicht erst Demonstration in sozialismus kann es nicht geben. wahrscheinlich auch wegen der mit- Notiz vom schwarzen Block genom- Neubrandenburg. Doch nicht nur der zur eigenen geführten Transparente mit Antifa- men und so wird dieser auch in keiner Demonstration nach Leipzig mobili- Aktionszeichen, von einem antifa- der uns vorliegenden Nachbetrach- sierende Worch, sondern auch die schistischen Störmanöver ausging tungen näher erwähnt. wichtigsten Unterstützer für die Berli- und erst einmal versuchte, den ge- ner Demonstration, das Aktionsbüro samten Block aus der Demonstration Von Kuba bis nach Palästina Norddeutschland, distanzierten sich zu entfernen. Auch wenn diese Bemühungen um sofort von der Idee eines schwarzen Am 1. Mai selbst fand sich dann einen schwarzen Block auf dem 1. Blocks. So wird von Seiten des eine größere Anzahl von schwarz Mai-Aufmarsch gerade nach dem Aktionsbüros kritisiert: »Was für eine gekleideten Nazis auf dem Aufmarsch großen Vorfeldgetöse eher lächerlich ‘konsequente Haltung’ mit einem ein, die sich dann zu einem (ca. 150 und aufgesetzt anmuten, reiht sich ‘schwarzen Block’ ausgedrückt wer- Personen starken) schwarzen Block diese Adaption linker bzw. antifaschi- den soll, ist nicht nachvollziehbar.« formierten. Diese fast ausschließlich stischer Symbolik in eine ganze Reihe So werden auch hier die Grenzen der aus Berlin und Brandenburg stam- derartiger Versuche ein. So ist es völkischen Ideologie schnell sichtbar. menden Nazis waren zum Teil mit Tü- längst nichts besonderes mehr, Nazis Eine nationalsozialistische Bewegung chern und Sonnenbrillen vermummt. mit Palästinenser-Tüchern oder Che- muss sich immer für das Volk einset- Nur mit der geforderten Radikalität Guevara-T-Shirts auf Aufmärschen zu zen und kann nicht wie die auto- haperte es noch ein wenig; als die sehen. Es stellt sich natürlich sofort nomen Linken unabhängig vom Volk Polizei dazu aufforderte, die Vermum- die Frage nach der Motivation der oder gar gegen dieses agieren. Konse- mung zu unterlassen, leistete ein Nazis, Symboliken ihrer politischen quent warnt das Aktionsbüro davor, Großteil Folge. Auch als einzelne Teil- Widersacher zu übernehmen. Meist mit einem schwarzen Block »Angst im nehmer aus den Reihen des schwarz- funktionieren die Argumentations- Volk zu erzeugen« und stellt später en Blocks in Gewahrsam genommen muster in der Nazi-Szene hier nach fest, »wer unsere politischen Zusam- wurden, gab es keinen nennenswer- einem ähnlichen Schema. Die Sym- menhänge mit einem Abenteuerspiel- ten Widerstand. Bis auf einige verein- boliken werden aus ihrem (linken) platz verwechselt, sollte lieber ganz zelt geworfene Plastikflaschen und politischen Kontext gerissen und so schnell aus unseren Reihen ver- ein bisschen Drängeln an einer Poli- auf einige wenige Punkte reduziert,

3.2004 63 AIB 17 Alles nur geklaut? NS-Szene

dass die Nazi-Szene politisch an diese auf Aufmärschen relativ weit verbrei- in eine Jugendbewegung. So ist nur anknüpfen kann und sie von rechts tet sind, aber auf der Straße vom noch ein relativ diffuses »Nazi sein« neu besetzt. Das Palästinenser-Tuch »Nazi-Fußvolk« kaum benutzt wer- das einende Moment für diese Bewe- wird so ausschließlich als das Symbol den. Mitunter kommt es auch zu recht gung und innerhalb dieser sind fast eines unterdrückten Volkes gesehen, skurrilen Szenen, wie zum Beispiel alle kulturellen Ausprägungen der welches militant für seine Befreiung beim zweiten Nazi-Aufmarsch in deutschen Gesellschaft erlaubt, mit [1] gegen die Juden kämpft. Diese Re- Gladenbach, als der Organisator des denen sich irgendwie (auf Biegen und duktion passt natürlich in das Welt- Aufmarsches, Manuel Mann, einen Brechen) Übereinstimmungen kon- [1] Der Berlin/Branden- bild der Nazis, die ihre Identität ganz Tag vorher in einem linken Infoladen struieren lassen. Es ist schon seit burger Nazi-Aktivist ähnlich konstruieren und sich selbst eine stattliche Anzahl Palästinenser- Jahren zu beobachten, dass auf Auf- Sebastian Schmidtke mit als Freiheitskämpfer für ein unter- tücher kaufte, um sie an die Teilneh- märschen nicht mehr rechte Skin- Palästinenser-Tuch und drücktes (deutsches) Volk sehen, das mer zu verteilen. Denen wird es aber heads die Mehrzahl der Teilnehmen- Che-Guevera-T-Shirt auf gegen eine konstruierte jüdische auch nicht allzu schwer gemacht, da den stellen, sondern ein Mix aus einer Neonazi- Weltverschwörung kämpft. Ähnlich sie sich trotz dieser ungewohnten Anhängern verschiedener Jugendkul- Demonstration in Berlin. funktioniert es auch bei Che Guevara Kleidungsstücke nicht von ihrer bis- turen. Diese Entwicklung hat den und anderen Symbolen wie Liedern herigen rassistischen Ideologie und faschistischen Kadern in den letzten von »Ton Steine Scherben« oder Praxis trennen müssen. Bedeuten Jahren vielfältige neue Agitations- »Slime«, die mitunter auf Aufmär- diese Solidaritätsbekundungen doch felder eröffnet und die jugendlich schen abgespielt oder von Nazi-Bands auf keinen Fall eine Solidarität mit in geprägte Kameradschaftsszene sah gecovert werden. Besonders gut funk- Deutschland lebenden MigrantInnen, sich einem starken Zulauf ausgesetzt. tioniert dieses natürlich bei Symbo- sondern getreu der »Blut-und-Boden- Mancherorts wurde diese neue Ent- liken, deren politischer Gehalt eher Ideologie« der Nazis erstreckt sich die wicklung fast euphorisch kommen- platt oder fragwürdig ist. Nachdem Solidarität nur auf Befreiungskämp- tiert. Hinzu kam, dass durch das das Konterfei von Che durch die Band fer, die auf »eigenem« Boden für ihre gewandelte äußere Erscheinungsbild Rage against the Machine quasi zum Freiheit kämpfen. An dieser Stelle ist sich die Nazis nicht mehr durch ihr Pop-Symbol erkoren wurde, ist es dann auch das Weltbild der »Fuß- Aussehen gleich als solche zu erken- natürlich nicht mehr besonders truppen« vollständig wiederherge- nen geben und sich somit die Ableh- schwer, es aus dem eigentlichen Kon- stellt, und sie können nach dem Auf- nung durch die Gesellschaft auf ein text zu entreißen. Auch ein in heutiger marsch – das Palästinenser-Tuch wurde Minimum reduzierte. Denn wegen der Betrachtung platt antiamerikanisch längst wieder vom Führungskame- durch sie vertretenen Werte z.B. in erscheinendes Lied wie »Yankees raden eingesammelt und im Autoradio Bezug auf Nation, Leistung und Arbeit raus« von Slime braucht nicht mehr läuft wieder Landser – trotzdem Hetz- sind und waren Nazis von weiten besonders weit entkontextualisiert zu jagden auf Südamerikaner machen Teilen der Gesellschaft nie ausge- werden, um auch von Nazis benutzt oder beim arabischen Imbiß einen grenzt, sondern nur wegen ihres zu werden. Die meisten Teilnehmer Brandsatz durch die Scheibe werfen. »Nazi seins«. Gerade dieses »Nazi von Nazi-Aufmärschen scheinen dieser sein« war es, was durch einen Groß- Argumentation aber trotzdem nicht Neue Entwicklung oder alter Hut teil der Medien eben jahrelang als ganz oder nur widerwillig Folge lei- Für AntifaschistInnen zeigt sich in identisch mit dem »Skinhead sein« sten zu wollen. Dieses äußert sich diesem Phänomen nur ein weiteres dargestellt wurde. Diese neuere Ent- darin, dass besagte Symboliken zwar Indiz für einen Wandel der Nazi-Szene wicklung stellt daher weniger Antifa-

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schistInnen als die Zivilgesellschaft Leipzig über das Auftreten der Teil- Entwicklung keine neue ist! So haben vor das Problem, dass zum Beispiel auf nehmer: »Solange Befindlichkeits- sich Nazis auch schon vor zehn Jah- politischen Veranstaltungen immer mode und teilweise grobe Entstel- ren in Palästinasolidarität versucht wieder auch Nazis versuchen mitzu- lungen von Gesicht und Körper mit- und auch linke Symbole wurden diskutieren, ohne dass eine entspre- hilfe von Formen primitiver Stammes- schon Anfang der 90er Jahre von der chende Handhabe gefunden wird. kulturen das Bild einer Versammlung ersten Anti-Antifa-Kampagne aufge- Meistens ist sich kaum jemand sicher, zumindest deutlich sichtbar ausma- griffen. Überhaupt wurde schon bei ob es sich überhaupt wirklich um chen, wird sich niemals auch nur eine der ursprünglichen Konstruktion des Nazis handelt. Auf Veranstaltungen erkennbare Gruppe seither abseits Nationalsozialismus auf linke Symbo- rund um den Irak-Krieg war dies beson- stehender Deutscher in unserer Mitte liken und Phrasen zurückgegriffen. ders häufig der Fall, gerade wenn auf einfinden.« (Gemeint waren Piercings Die Entwicklung, dass Nazis einerseits Seiten der Zivilgesellschaft antiameri- und Tattoos. Der Verfasser). Dieses in vielen Jugendkulturen Fuß gefasst kanische Ressentiments und eine ver- »neue« Lebensgefühl macht sich auf haben und diese Kulturen auf der kürzte Kapitalismuskritik vorherrsch- der einen Seite oft in einer gesteiger- anderen Seite in eine sich neu formie- ten, an welche die Faschisten mit ten Militanz, gepaart mit einem tota- rende Nazibewegung mit einbringen, Leichtigkeit anknüpfen können. len Realitätsverlust gegenüber staat- ist jedoch sehr wohl relativ neu und licher Repression bemerkbar. Auf der verlangt nach einem offensiven Um- Zwischen Subkultur und Beliebigkeit anderen Seite sind Konzerte und gang. Trotz verbesserter Agitations- »autonome Aktionen« interessanter Antifaschistische Strategie sollte möglichkeiten und einem breiteren geworden als langweilige Schulungs- somit nicht mehr nur noch an den Aktionsfeld in der Gesellschaft hat veranstaltungen und politische In- offen auftretenden Nazis ansetzen, diese Entwicklung, weg von der Szene, halte. Dieser Entwicklung wollten auch sondern auch an den Anknüpfungs- hin zur Bewegung, den Nazis nicht die Berliner »Erfinder« des schwarzen punkten, die die entsprechenden Ju- nur Vorteile verschafft. Durch die Ver- Blocks in nichts nachstehen und die gendkulturen überhaupt interessant ankerung in den verschiedenen Ju- ohnehin nur durch ihren extremen für Nazis machen. Ebenso kann es die gendkulturen und den Wegfall des Drang zur Selbstdarstellung auffallen- Aufgabe von AntifaschistInnen sein, abgrenzenden Skinheadoutfits ist die de Kameradschaft Tor konnte sich so das Bild, das die Medien jahrelang Identifikation mit der Nazi-Ideologie erneut vom Rest der Szene absetzen. von Nazis gezeichnet haben, zu korri- stark gesunken. Es fällt viel leichter, gieren und für ein neues Problem- nach einigen Jahren der politischen Antifaschistische Praxis?! bewusstsein in der Öffentlichkeit zu Betätigung die Szene wieder zu ver- Die antifaschistische Bewegung werben. Ansonsten besteht die Ge- lassen und einem scheinbar bürgerli- hat diese Entwicklung eine ganze Zeit fahr, dass das Problem Neonazis in der chen Leben nachzugehen. Dieses hat lang verschlafen und sich nicht aus- Öffentlichkeit weiter an Stellenwert mitlerweile massive Auswirkungen auf reichend mit dem Wandel in der verliert, da kaum noch jemand die die Struktur so mancher Kamerad- Naziszene auseinandergesetzt. So wird Existenz von Nazis im öffentlichen schaften genommen, in denen sich, lieber darüber gestritten, ob das Raum wahrnehmen wird. durch die extreme Kurzlebigkeit be- Benutzen von teilweiser gleicher Sym- Letztenendes sollte sich eine anti- dingt, oft keine erfahrenen Aktivisten bolik auf Überschneidungen in der faschistische Linke aber auch über mehr befinden. Das früher zentral Ideologie hindeutet oder nicht, eigene Symboliken und Parolen Ge- durch Parteien und Organisationen anstatt darüber zu diskutieren, was danken machen, da auch hier, wie »verwaltete« nationalsozialistische diese Entwicklung für eine antifaschi- beschrieben, genug Einfallstore für Weltbild ist oft einem diffusen Mix stische Intervention bedeuten muss. faschistische Argumentationen vor- aus Rassismus und Erlebnishunger Gerade was die Frage der Verwendung handen sein können. ࡯ gewichen. So beschwert sich Chris- linker Symbole angeht, muss hier aber tian Worch nach der Demonstration in eindeutig gesagt werden, dass diese

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