Erzaehlen Und Selbstreflexivitaet
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Erzählen und Selbstreflexivität: Glawoggers Dokumentarfilme „Megacities“ und „Workingman’s Death“ Magisterarbeit vorgelegt von: Fabian Kösters Hinweis zum Copyright: Bis auf Weiteres liegt diese Arbeit unter den strikten gesetzlichen Urheberrechts- Bestimmungen vor. Alle genutzten Zitate, Bildausschnitte und Quellenangaben sind eindeutig gekennzeichnet und werden im Sinne des "fair use" für wissenschaftliche Arbeiten verwendet. Selbstverständlich darf – nach den üblichen Regelungen (Namensnennung, Angabe des genauen Titels inkl. Link zur Quelle, Datum der letzten Abfrage) – auch aus dem vorliegenden Text zitiert werden. Ich bin auf der Suche nach einer geeigneten CreativeCommons-Lizenz oder ähnlichem. Eine Version, die unter dieser zu findenden Lizenz veröffentlicht werden soll, wird die hier vorliegende Version dann ersetzen. 22.3.2017 © Copyright by Fabian Kösters. All rights reserved. Inhalt: 1 Einleitung: Geschichten Erzählen als kulturelle Praxis .................................. 3 2 Narrativität im Dokumentarfilm...................................................................... 7 2.1 Diegese und diegetische Ebenen ........................................................... 12 2.2 Fokalisierung und Fokus ....................................................................... 15 2.3 Faktizität und Fiktionalität .................................................................... 17 2.4 Selbstreflexivität und Metareflexivität im Dokumentarfilm................. 24 2.5 Motivation und Bedeutung.................................................................... 30 3 Die narrativen Dokumentarfilme Megacities und Workingman’s Death ..... 34 3.1 Megacities ............................................................................................. 40 3.1.1 Bombay - Der Bioskop-Mann....................................................... 42 3.1.2 Moskau – Für einen Silberrubel .................................................... 46 3.1.3 New York – The Hustler ............................................................... 52 3.2 Workingman’s Death ............................................................................ 58 3.2.1 Helden ........................................................................................... 62 3.2.2 Brüder............................................................................................ 66 3.3 Filmmusik und Score ............................................................................ 69 3.4 Ästhetisierung und Inszenierung im Kontext von Selbstreflexivität .... 73 4 Das Recht auf eine Seele – Identität und das kognitive Schema des Narrativen.................................................................................................... 78 5 Narration und Erinnerung: Denkmäler, Fotografien und Fotografien von Denkmälern ................................................................................................. 86 6 Ausblick ........................................................................................................ 91 7 Fazit............................................................................................................... 95 8 Verwendete Literatur und Abbildungsnachweise ......................................... 98 - 2 - I'll be your Mirror, Reflect what you are, In case you don't know. The Velvet Underground 1 Einleitung: Geschichten Erzählen als kulturelle Praxis „Geschichten Erzählen“ ist nicht erst seit dem Aufkommen von Blogs, Facebook und Youtube allgemein praktizierte kulturelle Praxis. Die Wiedergabe, Aufzeichnung und Bewertung von Erlebtem ist eine immer schon in allen Bildungs- und Gesellschaftsschichten angewandte Methode, etwas über die Welt zu lernen und sich selbst in der Welt zu verorten. Hierzu werden alle verfügbaren und praktikablen Werkzeuge, allgemein als Medien bezeichnet, genutzt. Die, gemessen an ihrem Forschungsobjekt noch sehr junge Narrationsforschung, beschäftigt sich innerhalb verschiedener Disziplinen mit eben diesem Geschichten Erzählen. Aber nicht nur die Narrationsforschung beschäftigt sich mit diesem Thema, Geschichten Erzählen wird auch selbstreflexiv zum Inhalt narrativer Werke. Im 1 Film MEGACITIES (1998) des österreichischen Regisseurs Michael Glawogger ist diese narrative Ausrichtung deutlich zu erkennen. Ich erinnere mich daran, wie ich MEGACITIES zum ersten Mal im Kino sah: Da wurden Märchen erzählt und Lügengeschichten, Filme auf behelfsmäßigen Geräten vorgeführt und Comics gelesen. Neben all dem erzählten die Protagonisten von ihrer Lebensgeschichte. Im acht Jahre später erschienenen zweiten Dokumentarfilm Glawoggers, 2 WORKINGMAN 'S DEATH (2006) ist dies ist ebenfalls ein prägendes Sujet. Dieser Film ist in vielerlei Hinsicht ein Werk, das an die verschwindende Schwerstarbeit erinnert – mit Fokus auf die Menschen, die sie verrichten und ihre Geschichten. 3 Bereits mit LA SORTIE DE L 'U SINE LUMIÈRE À LYON (1895) , der als erster Film im eigentlichen Sinne des Mediums gilt, ist die Erwerbsarbeit als bestimmendes gesellschaftliches Thema der Moderne bereits im Titel erwähnt. Die Filme der Lumiére-Brüder sind aus heutiger Sicht als Dokumentarfilme einzuordnen; 1 Megacities – 12 Geschichten vom Überleben (Österreich 1998). Drehbuch und Regie: Michael Glawogger [Die Zeitangaben beziehen sich auf die DVD-Fassung Edition "Der Standard" 2006]. 2 Workingman's Death – 5 Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert (Österreich 2006). Drehbuch und Regie: Michael Glawogger. 3 La Sortie de l'Usine Lumière à Lyon (Frankreich 1895). Regie: Auguste Marie Louis Nicolas Lumière und Louis Jean Lumière. - 3 - dennoch sollte es knapp 30 Jahre dauern, bis John Grierson 1926 4, zum ersten Mal von einem dokumentarischen Wert in Bezug auf einen Film spricht. Der Begriff sollte danach „zunächst eine besondere Qualität des Authentischen unterstreichen, die keineswegs im Widerspruch zu erkennbar narrativen Überformungen der Wirklichkeit [...] stand“ 5. Narrative Elemente sind auch in Glawoggers Dokumentarfilmen ein charakteristisches Merkmal. Mit welchem Effekt diese eingesetzt werden, soll Thema der vorliegenden Arbeit sein. Insbesondere werde ich dabei das Phänomen der Selbstreflexivität und Metareferentialität berücksichtigen. In beiden Filmen wird der integrative Ansatz und die Fokussierung auf die Narration bereits in der Rahmung, also im Titel, deutlich. Im Falle der MEGACITIES wählt der Regisseur den Untertitel 12 G ESCHICHTEN VOM ÜBERLEBEN und weist damit gleich deutlich auf die Produkthaftigkeit seines Werkes hin. In WORKINGMAN ’S DEATH lautet der Untertitel 5 B ILDER ZUR ARBEIT IM 21. J AHRHUNDERT , auch dies ein klares Zeichen für die Gemachtheit dessen, was wir als Publikum zu sehen bekommen, das Gemalte, Geformte, Ästhetisierte. In beiden Fällen finden sich schon in der Rahmung und den Untertiteln sogenannte Metareferenzen, das heißt Verweise auf ein Zeichensystem, welches auf einer anderen erzählerischen Ebene zu verorten ist. Diese Metareferenz ist markiert in der Bezeichnung der Episoden als Geschichten beziehungsweise Bilder . Diese Relationen, die Bezugnahmen unterschiedlicher Zeichensysteme (beispielsweise Film/Literatur) und unterschiedlicher Texte innerhalb desselben Zeichensystems (beispielsweise Film/Film) zueinander aufzuzeigen ist mein Anliegen. Dabei steht ebenfalls die Frage im Raum, welchen Effekt metareferentielle Verweise auf die Rezeption haben. Dem Aspekt der Selbstreflexivität als besondere Form der Metareferenz wird hierbei, da er in den genannten Werken ein charakteristisches Merkmal ist, besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Auf welche Weise wird Geschichten Erzählen selbst zum Thema der Geschichte, wie werden die Mediensysteme, die hierfür genutzt werden, repräsentiert? 4 Vgl. Heinz-B. Heller: Dokumentarfilm. In: Reclams Sachlexikon des Films. Hrsg. von Thomas Koebner. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Reclam, 2007, S. 149. 5 Heinz-B. Heller: Dokumentarfilm, S. 149. - 4 - Narrativität ist, dies ist schon an dem oben angeführten Zitat von Heller 6 deutlich erkennbar, kein ausschließlich auf fiktionale Texte beschränktes Phänomen. Der Dokumentarfilm kann und sollte also auch unter dem Aspekt der Narration untersucht werden. Narrativ ist jeder Text, jedes Medienprodukt, das eine Geschichte erzählt, die vom Publikum als solche erkannt und verstanden wird. Werner Wolf beschreibt diesen Vorgang präzise in seinem Aufsatz „Das Problem der Narrativität in Literatur, Bildender Kunst und Musik“ : Ich fasse also das Narrative (und damit auch den Akt seiner Realisierung, das Erzählen) als kulturell erworbenes und mental gespeichertes kognitives Schema im Sinne der frame theory auf, d.h. also als stereotypes verstehens-, kommunikations- und erwartungssteuerndes Konzeptensemble, das als solches medienunabhängig ist und gerade deshalb in verschiedenen Medien und Einzelwerken realisiert, aber auch als lebensweltliche Erfahrung angewandt werden kann. 7 Die im Zitat erwähnte, aus der Verhaltensforschung stammende Frame Theory geht von einer willkürlichen Anwendbarkeit von Bezugsrahmen in Zusammenhang mit an ein Subjekt gerichteten Reizen aus. Je präziser jedoch der „passende“ Rahmen gewählt, beziehungsweise der implizierte Rahmen erkannt wird, desto effizienter gestaltet sich die Interaktion oder (wie in diesem Fall) die Kommunikationsübermittlung. Wenn beispielsweise das Publikum einen Film als Dokumentarfilm erkennt und den entsprechenden Bezugsrahmen auf die dargestellten Inhalte anwendet, so werden die Besucher den Kinosaal, unabhängig von der individuellen Bewertung des Gesehenen, eher