Das Stanser Verkommnis
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Das Stanser Verkommnis Autor(en): Achermann, Hansjakob Objekttyp: Article Zeitschrift: Schweizer Schule Band (Jahr): 68 (1981) Heft 16: Bruder Klaus und das Stanser Verkommnis PDF erstellt am: 03.10.2021 Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-532720 Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. 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Allein schon die unterschiedliche Le- rus und Zug) in die Geschichte unseres Lan- bensweise der städtischen Patrizier und Bür- des eingegangen, welche als erste Verfas- ger auf der einen Seite und der Häupterfami- sungsurkunde die eigentliche Grundlage für lien und Bauernsippen auf der anderen Seite die Eidgenossenschaft bis zum Jahre 1798 schuf Zwietracht und Spannungsherde. Dazu bildete. Der Hauptort des Kantons Nidwaiden trat eine divergierende Verfassungsentwick- erscheint deshalb im Titel, weil die Einigung in lung. In den Städten setzte sich im Verlauf des Stans zustande kam. Das Wort «Verkommnis» 15. Jahrhunderts eine straffe, geschlossen wird hier noch im ursprünglichen Sinn der mit- aristokratische Verfassungsform durch, in den telhochdeutschen Sprache verwendet und be- Ländern behielt die demokratische Landsge- deutet Übereinkunft oder Vereinbarung. Die- meinde ihre alte Stellung. Die Herrschaft der ser Begriff ist im schweizerischen Recht vor Landeshäupter war dadurch beschränkt, im 1481 nicht üblich. Statt dessen brauchten die Gegensatz zu jener der Stadtpatrizier. Natür- Stadt- und Landschreiber andere Umschrei- lieh färbte das mildere Regiment der Länder bungen wie «Freundschaft, Verständnis, Ver- auf ihre Untertanengebiete ab; der Drang zum einigung, Burg- und Landrecht, geschworener Ausbau einer absolutistisch gefärbten Lan- Bund» als Bezeichnung für die verschiedenen deshoheit war weit weniger spürbar als bei zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Für die den Städten. Voll Neid blickten darum die Namensgebung der Stanser Einigung schei- städtischen Untertanen auf die freieren Ver- nen diese gebräuchlichen Rechtsbegriffe hältnisse in den Innern Orten. Aufstände ge- nicht ausgereicht zu haben, es musste ein gen die Stadtherrschaft waren die Folge; dabei neuer gesucht werden. Man fand ihn im Wort unterstützten die benachbarten Länderorte Verkommnis. Wir können daraus entnehmen, ihre «Berufskollegen» heimlich, manchmal so- dass schon damals mitunter das Formale eine gar offen gegen die städtische Aristokratie. wichtige Rolle gespielt hat. Solche Machenschaften trugen nichts zum Der Vergleich vom 22. Dezemer 1481 ist in besseren gegenseitigen Verständnis bei. Ei- zwei Dokumenten vertraglich festgehalten nen weiteren Streitpunkt bildeten die wilden worden. Die erste Urkunde regelte Beziehun- «Läufe und Auszüge» ohne obrigkeitliche Ab- gen der acht Orte untereinander, die zweite segnung. Sie liefen ja dem städtischen Begeh- hält die Rechte und Pflichten fest, die Freiburg ren nach Ordnung diametral entgegen. Etwas und Solothurn eingehen mussten, um in den anders beurteilte man diese Kriegszüge in den Bund aufgenommen zu werden. Ländern. Da solche Läufe gewöhnlich auf Ko- Der Aussöhnung war ein mehrjähriger Streit sten fremder Potentaten gingen, sah man in ih- unter den verbündeten acht Ständen voraus- nen vor allem die Möglichkeit der materiellen gegangen. Der äussere Anlass hierzu hatte Bereicherung (Beute, Landerwerb). der Saubannerzug, der zum grossen Teil von Hinter all diesen Streitpunkten versteckt der Jungmannschaft der Innern Orte getragen stand jedoch auch die grundsätzliche Frage war, und das Burgrecht der Städte Zürich, nach der künftigen Struktur des eidgenössi- Bern, Luzern, Freiburg und Solothurn gegeben. sehen Bundes. Dabei arbeitete die städtische Durch dieses Burgrecht wurden Freiburg und Gruppe auf eine straffere Organisation hin mit Solothurn faktisch als gleichberechtigte Stän- dem Keim zum zentral regierten Staat. Die de in den Bund aufgenommen, was nicht dem Länder hingegen wollten am damaligen, sehr Willen der Länder entsprach. lockeren Zustand festhalten und alle Schwie- Die eigentlichen Gründe für das Zerwürfnis la- rigkeiten in Kauf nehmen, die eine absolute gen tiefer, letztlich wohl im Auseinanderleben Selbständigkeit der einzelnen Orte für das schweizer schule 16/81 579 Sondertagung der Länder mit den Boten von Luzern,Zug und Glarus in der Ratstube zu Stans, 1477. (Aus der Chronik des Diebold Schilling) Bundessystem mit sich brachte. Es verwun- Burgrechts auf die ganze Eidgenossenschaft dert bei dieser Konstellation wenig, dass alle an. Die Städte hätten nach diesem Projekt die Projekte zur Überwindung der Krise von den Länder in ihr Burgrecht, die Länder die Städte Städten ausgingen. Die Länder begnügten in ihr Landrecht aufzunehmen. Doch die sich darin, die Vorschläge zu zerzausen, wenn Landsgemeindeorte winkten ab. Da kam der nicht gar abzulehnen. Vorschlag auf einen alle umfassenden Bund Die Verhandlungen über den ganzen Fragen- der zehn Stände. Auch dieser Plan fand bei komplex begannen im Herbst 1477 und dauer- den Ländern keine Zustimmung, wären doch ten, zeitweilig zwar unterbrochen wegen der auf diese Weise Freiburg und Solothurn zu Verstrickung in innen- und aussenpolitische gleichberechtigten Orten hinaufgerückt. Die Händel (Mailänderkrieg, Amstaldenhandel), Länder verlangten darum zwei verschiedene bis zum Winter 1481, also rund vier Jahre. Ein Verträge. Der erste sollte den Städten ihr Ho- erster Vorschlag strebte die Erweiterung des heitsgebiet gewährleisten - eine ihrer Haupt- 580 schweizer schule 16/81 forderungen. In einem zweiten Schriftstück orte hatten die Schutz- und Hilfsbestimmun- sollten die Aufnahmebedingungen von Frei- gen - im Grunde genommen die Ausdehnung bürg und Solothurn geregelt werden. Auf der der Abmachungen des Burgrechts auf die gan- Grundlage dieses Vorschlages wurde seit ze damalige Eidgenossenschaft - bloss theo- dem Sommer 1481 verhandelt. Vorerst mus- retischen Wert. Ihr Territorium war unbestrit- sten freilich noch verschiedene Detailfragen ten. Anders als bei den städtischen wollten gelöst werden, die oft genug den glücklichen sich ihre Untertanen nicht unter eine andere Ausgang ernsthaft in Frage stellten. Herrschaft begeben. Das Stanser Verkomm- Die Einigung von Stans wäre wohl kaum ohne nis verunmöglichte in Zukunft Interventionen die Ratschläge des Mystikers und Eremiten der Länder in die innern Angelegenheiten der Nikiaus von Flüe zustande gekommen. Wie- Städte. Dadurch standen die städtischen Un- derholt wurde er um Hilfe angegangen; zuletzt tertanen allein und ausschliesslich ihren Ob- vor der entscheidenden Sitzung vom 22. De- rigkeiten gegenüber, die fortan bestimmen zember1481, als der damalige Stanser Pfar- konnten, welches Mass an Freiheit sie ihren rer Fleimo am Grund zu ihm in den Ranft (Sach- Landschaften gewähren wollten. Dieses Zu- sein) eilte. Auf die Worte dieses grossen Rat- geständnis an die Städte bedeutete ein Abrük- gebers hin haben die Städte und die Länder ken von einer jahrzehntelang geübten Politik, eingelenkt. Ihm wird darum auch ein grosser was einzelnen Länderorten sehr schwer gefal- Anteil an der Friedensstiftung zugeschrieben. len sein mag. Als eine Folge dieser Abmachun- Nicht ohne Grund wird im Abschied jener gen kann man die Hilfeleistungen der drei Ur- denkwürdigen Tagsatzung dem frommen stände bei den Auseinandersetzungen zwi- Klausner im Ranft für seine Treue, Mühe und sehen Städtern und Bauern im 17. Jahrhun- Arbeit der Dank ausgesprochen. Diese in den dert sehen (Bauernkrieg). eidgenössischen Abschieden jener Epoche Umgekehrt mussten auch die Städte mit ihren eher ungewohnte Ehrung verdeutlicht klar das Ideen zurückstecken. Ihre Vorstellungen vom grosse Verdienst des Einsiedlers um das Zu- «allgemeinen, gleichen und ziemlichen Bund» Standekommen der Einigung. - Neben Bruder mit Einschluss von Freiburg und Solothurn Klaus dürfen wir aber die Tagsatzungsge- stiessen auf strikte Ablehnung bei den Lands- sandten nicht vergessen, die bereit waren, auf gemeindeständen. Ein solcher Bund hätte die Ratschläge des Eremiten einzugehen, und wohl, selbst wenn er auf den überlieferten Ab- durch die Preisgabe sturer Standpunkte