Kammerspiel Und Sinnenrausch Premiere Für „Tristan Und Isolde“ / Regisseur Matthias Von Stegmann Setzt Auf Intimes Spiel
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Nummer 211 · Montag, 10. September 2012 Kultur regional Mindener Tageblatt 9 Brangäne (Ruth Maria Nicolay) und Kurwenal (Ro- man Trekel) können das Liebespaar Tristan (An- dreas Scha- ger) und Isol- de (Dara Hobbs) nur kurze Zeit aufhalten. MT-Fotos: Manfred Otto Kammerspiel und Sinnenrausch Premiere für „Tristan und Isolde“ / Regisseur Matthias von Stegmann setzt auf intimes Spiel Von Christian Helming alle Theorie. und wann der Einbruch „Mild und leise, wie kommt – doch Schager Minden (hel). Nichts kann die er lächelt“, so beginnt zieht das durch; ein Geduld eines Opernbesu- jener legendäre Tristan von scheinbar chers dermaßen strapazieren Schlussmonolog, be- unerschöpflicher wie eine verkorkste Auffüh- kannt als „Isoldes Lie- Stimmkondition, der bestod“, der das viel- sich noch im dritten rung von Wagners „Tristan leicht ergreifendste Akt, längst dem Tode und Isolde“; während eine Stück Musik darstellt, näher als dem Leben, gelungene in nahezu rausch- das Wagner für Frau- liebestoll von einem hafte Zustände versetzen enstimme komponiert zum anderen Ende der Der Todestrank soll Isolde Erlösung bringen. kann. hat – eines der bewe- Bühne schleppt und da- gendsten Opernfinale bei Töne aus sich hi- ten Akt scheint sie der anstren- chestergruppen fällt gegen eine Kaum eine andere Oper wan- überhaupt. naus schleudert, als gel- genden letzten Woche mit andere ab. Es ist ein Skandal, delt während ihrer Bühnenum- Wenig leise präsen- te es, den Marktplatz Haupt-, Generalprobe und dass dieser exzellente Klang- setzung auf solch schmalen tiert sich in den vier und nicht das Stadt- Premiere – drei Aufführungen körper nun schon so lange um Grad zwischen Triumph und Stunden zuvor das theater zu beschallen. in nur sechs Tagen – etwas Tri- so eine Existenz kämpfen Scheitern. Dieses Damokles- musikalische Gesche- Ein schneidiger Tristan, but zollen zu müssen. Dann muss. schwert schwebt über jeder hen der Mindener Tris- manchmal auch stimm- fängt sie sich und führt die Zum sich über die drei Akte neuen Inszenierung. Auch tan-Premiere. Hier lich etwas scharfkantig. Aufführung mit einem bezau- immer mehr einstellenden Sin- über jener des Regisseurs Mat- trifft ein inszenatori- Und dennoch: ein furio- bernden Schlussmonolog zu nenrausch trägt auch Frank thias von Stegmann, die unter sches Kammerspiel, ses Rollendebüt! einem vielumjubelten Schluss. Phillip Schlößmann bei, der der musikalischen Leitung von das auf Aktualisierun- In diesem Wettstreit Auch die kleineren Rollen ein Schiffsdeck als Einheits- Frank Beermann am Samstag gen und Regietheater- der Lautstärke hält sich sind adäquat besetzt. Thomas bühnenbild und zeitlos-histo- im Mindener Stadttheater Pre- Umdeutungen verzich- Roman Trekel ge- de Vries (Melot), Andre Riemer risierende Kostüme entworfen miere hatte. tet, auf eine pralle mu- schickt zurück, ohne (Seemann, Hirt) und Sebastian hat, sowie Mariella von Ve- Die Vorbereitung des Publi- sikalische Umsetzung, dabei stimmlich abzu- Eger (Steuermann) runden das quel, deren Lichtdesign den kums auf diese, für den unbe- vom Orchester und fallen. Sein warm tim- Ensemble ab. Tadellos der eh- Bühnenraum weitet und im- darfteren Besucher aufgrund den Solisten bis an die brierter Kurwenal über- renamtliche Wagnerchor Min- mer wieder für magische Mo- ihrer Armut an äußerer Hand- akustische Schmerz- zeugt durch dezente den mit seinen Einwürfen aus mente sorgt. Das rund 40-mi- lung und ihrer anspruchsvol- grenze getrieben. Viel- Eleganz und ebenfalls dem Bühnenhintergrund im nütige Liebesduett im zweiten len Musik vielleicht schwie- leicht das einzige Man- eindrucksvolles Spiel. ersten Akt, stimmstark und im- Akt und „Isoldes Liebestod“ rigsten Wagner-Oper war ge- ko dieser Aufführung: James Moellenhoff, mer präsent. am Ende, wenn die Protago- neralstabsmäßig durchgeplant. Die nicht immer aus- spielt und singt einen nistin „entrückt“ ins Licht Ein halbes Dutzend gut be- gewogene akustische Die Liebe ist übermächtig... König Marke von Beermann und die NWD schreitet, prägen sich intensiv suchter Einführungsvorträge Balance. Man fühlt Furcht einflößender sind ein exzellentes Team ein. sollten auf den wagnerschen sich an Leonard Bernsteins le- Andreas Schagers Tristan Statur, in dessen Gefühlswel- Kein Wunder, dass sich am Tristan-Kosmos vorbereiten. gendäres Bonmot erinnert: „So strotzt vor Selbstvertrauen und ten sich Trauer, Zorn und Ent- Regisseur Matthias von Steg- Ende eines langen Opern- Doch nun war der Moment der laut ihr könnt. Und dann cre- vokaler Kraft. Er spielt einen täuschung über das Verhalten mann steht für seine Vision des abends ekstatischer Jubel des Wahrheit gekommen. Zu Ende scendo!“ ungestümen, leidenschaftli- Tristans die Waage halten – ein Gesamtkunstwerks eine Riege Publikums Bahn bricht. Ein- chen Heißsporn und Drauf- zweifelnder König mit profun- von Sängerdarstellern zur Ver- mal mehr haben das Stadtthea- gänger, in dessen Ego Selbst- der, angenehmer Bassstimme, fügung, die das Konzept des ter Minden, die NWD, der fe- Kurwenal zweifel keinen Platz haben. In voluminös in der Tiefe, unan- intimen Kammerspiels sowohl derführende Mindener Wag- kann seinen seinem Spiel bisweilen etwas gestrengt in hoher Lage. Ruth bereit ist zu tragen, als auch ner-Verband und seine Vorsit- Herrn Tristan eckig, verausgabt er sich rück- Maria Nicolay knüpft mit ihrer über die darstellerischen Mittel zende Jutta Hering-Winckler, nicht aufhal- sichtslos gegen sich selbst – Verkörperung der Brangäne dazu verfügt. Die intime Atmo- Herz und Motor dieser Pro- ten. auch stimmlich. Man fragt sich nahtlos an ihre famose Leis- sphäre des Stadttheaters ver- duktion, Außerordentliches während der drei Akte, wie tung als Ortrud im Lohengrin stärkt diesen Eindruck. So viel auf die Beine gestellt. lange er das wohl durchhält von vor drei Jahren an. Ein Intensität und Authentizität Rollenportrait, erlebt man selten. ᔡ Weitere Aufführungen: 16. Verrat: König das sowohl sän- Auch orchestral. Frank September 16 Uhr, 21. Sep- Marke (James gerisch als auch Beermann lotet die Abgründe tember 18 Uhr, 23. Septem- Moellen- darstellerisch der schwül-chromatischen ber 16 Uhr, 26. September hoff) ertappt keine Wünsche Partitur bis in den letzten Win- 18 Uhr und 29. September Tristan und offen lässt. kel aus. Die Nordwestdeutsche 16 Uhr; Karten bei Express- Isolde. Dara Hobbs Philharmonie folgt ihm bes- Ticketservice (Obermarkt- Foto: agiert als Isolde tens präpariert: bedrohliches straße 26-30) Helming auf gleich hohem Blech, homogenes Holz, seidi- Niveau. Im zwei- ge Streicher. Keine der Or- @ Video auf MT-Online Feststimmung mit einigen mahnenden Worten Eva Wagner-Pasquier spricht sich deutlich für Fortbestand des „herrlichen Orchesters“ aus Von Ursula Koch Prof. Eva Märtson, Präsidentin (Bürgermeister Michael Buh- dem Kreis Minden-Lübbecke, der Wagner-Verbände, entge- re). Regierungspräsidentin Ma- „der ja noch beschließen wird“. Minden (mt). Die Rednerliste gen. Sie betonte in ihrem rianne Thomann-Stahl nannte Auch Eva Wagner-Pasquier, des Festaktes zur Opernpre- Dank, dass dieses Zeichen, das sie eine „unermüdliche Motiva- mit Katharina Wagner Leiterin miere war lang. Doch das die Tür des Hauses Wahnfried torin“, die „Minden zur Wag- der Festspiele in Bayreuth, Wichtigste geschah zum in Bayreuth ziert, für sie die ner-Hauptstadt Nordrhein- sprach von einem „herrlichen Liebe zur Musik symbolisiere. Westfalens“ mache. Sie war es, Orchester“ und machte sich für Schluss: Verena Lafferentz- In den Reden wurde immer die als Erste die akute Gefähr- sein Fortbestehen stark. Wagner erhielt das Goldene wieder das Engagement der dung des beteiligten Orches- Von einem nächsten Opern- W der Wagnerverbände Sponsoren und von Dr. Jutta ters, der Nordwestdeutschen Projekt wurde mehrfach gespro- überreicht. Hering-Winckler gelobt, der Philharmonie (NWD), an- chen, häufiger das Jahr 2015 ge- Vorsitzenden des Mindener sprach. Sie lobte die Stadt Min- nannt. Landrat Dr. Ralf Nier- Jutta Hering-Winckler (rechts) freute sich, Verena Lafferentz- Die Enkelin des Komponisten Verbandes, die erneut das den für ihren jüngsten Be- mann hatte schon zu Beginn zu Wagner und Eva Wagner-Pasquier (links) in Minden begrüßen nahm das Ehrenzeichen von „Wagner-Wagnis“ einging schluss und dankte im Voraus neuen Spenden ermutigt. zu können. MT-Foto: Koch.