17 • 2018 Arkæologi i Slesvig Archäologie in Schleswig 17 • 2018

Symposium 18.05.2018 Kolofon / Impressum

Arkæologi i Slesvig / Archäologie in Schleswig 17 2018

Redaktion og udgivelse / Redaktion und Herausgabe Pernille Kruse [email protected] Lilian Matthes [email protected] Mette Nissen [email protected] Ingo Lütjens [email protected] Tobias Schade [email protected]

Trykt med støtte fra / Gedruckt mit Unterstützung von Archäologisches Landesamt Schleswig-, ALSH

Omslag, grafisk design og opsætning / Umschlag, Layout und graphische Gestaltung Holger Dieterich (†), Ralf Opitz [email protected]

Tryk / Druck Wachholtz Verlag GmbH, Kiel / Hamburg, 2019

ISSN 0909 - 0533 ISBN 978 - 87 - 87584 - 37 - 1

Copyright Ansvaret for copyright på de anvendte illustrationer ligger hos de enkelte forfatterne. Alle rettigheder, også tryk af uddrag, fotomekanisk gengivelse eller / og oversættelse forbeholdes. / Die Autoren sind für das Copyright der gelieferten Abbildungen selbst verantwortlich. Alle Rechte, auch die des auszugs- weisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Indhold / Inhalt

Per Ethelberg Nogle teoretiske overvejelser omkring anvendelsen af 14C-dateringer til datering af forhistoriske hustomter ...... 11

Stefanie Schaefer-Di Maida Bronzezeitliche Transformationen zwischen den Hügeln (Mang de Bargen, Bornhöved, Kr . Segeberg) ...... 27. . .

Mads Leen Jensen og Arne Jouttijärvi Tombølgård revisited ...... 45 . . .

Morten Søvsø Dankirke . Nyt lys over centralpladsernes locus classicus ...... 65 . .

Merethe Schifter Bagge De otte selesamlere fra ryttergraven i Fregerslev ...... 83 . .

Tobias Schade Werkstätten oder Wohnhäuser? Ein Beitrag zur Ansprache und Deutung von wikingerzeitlichen Grubenhäusern ...... 97. . .

Klaudia Karpinska Asche und Knochen . Vogelüberreste in wikingerzeitlichen Gräbern auf den Nordfriesischen Inseln und in Dänemark ...... 115. .

Jonas Enzmann, Fritz Jürgens und Feiko Wilkes Der letzte Wikinger ? Ein Wrack aus dem 12 . Jahrhundert bei Fahrdorf, Kr . Schleswig-Flensburg ...... 133. . .

Tenna Kristensen Spuren aus dem ersten Weltkrieg in Sønderjylland – Sicherungsstellung Nord und der Luftschiffhafen Tondern ...... 153. . .

Rainer Atzbach und Philip H. W. B. Hansen Neue Forschungen zu Burg Brink in Ballum-Østerende, Kommune Tønder ...... 167 Ilona M. Gold Eine mittelalterliche Gürtelschnalle mit Darstellung der Majestas Domini aus dem Watt bei Nordstrand ...... 185 . .

Mette Nissen Højtoft II – en vejlandsby fra højmiddelalderen ...... 197 . .

Silke Eisenschmidt Gram-Slotsvej – Die Baugeschichte eines Wegedammes aus dem Spätmittelalter . .213

Mette Højmark Søvsø og Anders Hartvig Findes bygningsofre og andre arkæologiske spor efter religiøs/magisk praksis i middelalderen? Eksempler fra det sydvest- og sønderjyske område ...... 235 .

Anne Eg Larsen Huse i Haderslev ...... 255

Forfattere / Autoren ...... 265 Neue Forschungen zu Burg Brink in Ballum-Østerende, Kommune Tønder

Rainer Atzbach & Philip H. W. B. Hansen

Abstract

New archaeological research on Brink Castle has enriched our knowledge about this medieval site. Everyday life on “hoved­ gård Brink” was already known from its accountings written in 1388 / 89. The recent 167 excavations revealed this “gård” (farm­ stead) being a heavily fortified castle with solid curtain walls and a wide moat. Its fortified inner area of about 60 × 45 m Burg Brink nearly matches the size of the inner castles of Vordingborg, Hammershus, Kalund­ borg, or Nyborg and makes Brink to one of the largest Danish castles. This size, its exposed topography and its broad range of finds dating back to the 13th century, re­ sembles an older, hypothetic royal castle at Brink site that once was given to Ribe bishopric. Further research is needed on this site. Abb. 1. Die geographische Lage der Burg Brink. Fig. 1. The geographical location of Brink Einleitung und Forschungsstand Castle.

Die Burgstelle Brink befindet sich in der von Tønder, 200 m südlich direkt oberhalb südjütländischen Ortschaft Ballum-Øster­ des Anwesens Brink Mølle­gård (Abb. 2). ende, Ksp. Ballum, heute ­Kommune Tøn­ Dieser Hof bewahrt den Namen der Burg der, historisch in der Harde Tønder, Højer bis heute, zu ihm gehörte auf dem Geestrü­ und Lø. Sie liegt an der ­Landstraße von Bal­ cken bis in das letzte Jahrhundert eine lum-Westerende nach Randrup, ca. 30 km Windmühle in unmittelbarer Nachbar­ südlich von Ribe und 20 km nordwestlich schaft der Burgstelle. Burg und Mühle

Archäologie in Schleswig, 17, 2018, S. 167–184 Abb. 2. Die Lage der Burgstelle Brink. Grundkarte: Preußische Generalkarte Schleswig 168 1877 / 78, Styrelsen for Dataforsyning og Effektivisering. Fig. 2. The location of Castle Brink. Basemap: Prussian Generalkarte Schleswig 1877 / 78, Styrelsen for Dataforsyning og Effektivisering.

nutzten die exponierte Lage 10 m über dem Es gibt kein in den Schriftquellen fass­ Meeresspiegel auf der weichsel­eiszeitlichen bares Gründungsdatum der Anlage, Lehm­moräne. Im Bereich des Mühlenhofs ­Poulsen (1990, 30) vermutet nach 1350, grenzt die Geest an die Marsch des Flusses weil der Riber Bischof bis zu diesem Zeit­ Breede, der nach wenigen Kilometern gen punkt „in Ballum“ urkundete. 1379 bezeugt Westen in die Nordsee mündet. ­Harrike Støt, Vogt auf Brink, gemeinsam mit Herrn Anders, Pfarrer in Ballum, ei­ In der schrifthistorischen Forschung nen Schuldschein des Ritters Henneke ist der „hovedgård“ Brink des Bischofs von ­Lembæk, des Herrn der Burg Trøjborg. Ribe vor allem durch sein überliefertes Dies ist die früheste explizite Nennung Rechnungswesen bekannt. Vogt Chris­ von Brink. Bischof­ Johan Mikkelsøn be­ tian Jacobsen führte es unter dem Epis­ dachte in seinem Testament 1388 nicht kopat von Johan Mikkelsøn (1369 – 88). nur seinen Vogt Christian Jacobsen­ mit Bjørn Poulsen (1990, 28 – 49) editierte einem Trinkhorn, sondern auch zwei das zehnseitige Geheft, das eine der we­ Edelknechte / „væbner“ und Herrn Tro­ nigen Rechnungslegungen eines adligen els Nielsen, die jeweils zwei Fohlen bzw. Wirtschaftshofes des späten Mittelalters eine Stute mit Fohlen aus der Zucht „apud im südlichen Skandinavien darstellt. Es ­castrum Brinchae“ erhielten (ebd. 30). dokumentiert das letzte Haushaltsjahr Dies wirft ein Licht auf den Eigenbetrieb, vom Juli 1388 bis zum Juli 1389 einer wohl das Rechnungsbuch verzeichnet die Ernte vierjährigen Rechnungsperiode. von 12 Mark Roggen, 3 Mark Gerste und

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink eine Mühle und ein Steinhaus genannt, Ochse darüber hinaus belegt das Rechnungsbuch Kuh eine Scheune aus Backsteinen oder zumin­ 19 Lamm dest mit Ziegeldach (ebd. 32; 34). 40 Das Rechnungsbuch gibt ­Hinweise Schwein 27 zur weiteren Herrschaftsorganisation: Es verzeichnet unter den Einnahmen auch Geldbußen, die auf ein zugehöriges „birketing“­ als Gericht hinweisen. Die his­ torische Richtstätte ­Galgenberg / „galgehøj“­ Schaf liegt knapp 2 km südöstlich der Burg bei 112 Harknag. Darüber hinaus dokumentiert es den Verkauf eines Ankers und Tau­ werks, hier dürfte es sich nach Poulsen um Strandgut handeln. Daraus folgt, dass sich die zugehörigen Herrschaftsrechte­ Abb. 3. Fleischverbrauch auf Brink im bis zum Strand in Ballum-Westerende Rechnungsjahr 1388 / 89. Datengrundlage: erstreckt haben dürften, wo sich auch die Poulsen 1990, 40. Pfarrkirche befindet. Zur Burg gehörten 169 Fig. 3. Meat consumed by Brink in the fiscal etwa 24 Knechte und Mägde, von sechs year 1388 / 89. Data set: Poulsen 1990, 40. gut bezahlten Bewaffneten bis zu einem Böttcher und einem Milchmädchen, man­ che von ihnen wohl mit eigener Familie. 3 Mark und 4 Ørtug Hafer. Die Umrech­ Neben Angaben zur Entlohnung sind auch nung historischer in moderne Maße ist die Ausgaben für angekauftes Fleisch in­ nicht unproblematisch, häufig wird die teressant, aus denen sich überraschen­ Mark Korn mit einem halben Pfund zu der Weise ermitteln lässt, dass Schaf und 249 g gerechnet, was keine große Ernte er­ Lamm in größeren Mengen verzehrt wur­ gäbe. Der genannte Hafer wurde vollstän­ den als Schwein oder vor allem Rind, das dig als Winterfutter für die Pferde­ genutzt sonst den größten Fleischanteil auf adligen (ebd. 39). Bis 1515 unterstand die Burg di­ Wohnsitzen und in Städten stellt (Abb. 3) rekt dem Riber Bischof, dann wurde sie (Poulsen 1990, 40; Wiese 2010). von Bischof Hartvig Jul an seinen Bruder Hans verlehnt. Nach der Einführung der Die archäologische Erforschung der ­verpflichtete sich 1537 dessen Burgstelle wurde seit 1992 von der Arkæo­ Sohn Jørgen Hansen Jul, die vormals dem logi Haderslev betrieben, die heute zum Bischof zustehenden Abgaben künftig an Museum Sønderjylland gehört (HAM den königlichen Lehnsmann zu entrichten. Journalnr. 2435). Lennart Madsen ge­ Jørgen ­Hansens Witwe Bege wurde 1562 lang 1992 mit einem Suchschnitt auf dem angewiesen, den Hof an den königlichen Höhen­rücken die Lokalisierung der Burg. Lehnsmann in Ribe auf Abbruch zu über­ 1999 begann eine Folge von Ausgrabungen geben, die Ländereien wurden den zugehö­ auf der Burgstelle, die erste Kampagne in rigen Bauern zur Bewirtschaftung zuge­ Zusammenarbeit mit der Løgumkloster teilt. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden Højskole, drei weitere Kampagnen folgten

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink x 251

x252 x163 x176

x162 x257 x 54 x274 Bygning x258 x 61 x 348 x 346 x 61 x200 x170 x221 x200 x172 x354 Funda- x 356 x 56 x355 Ildbænk ment til søjle x 92 Funda- Køkken x106 ment Bageovn x216 x123 x112 x167 x105 til søjle Rum x104 x126 x 59 x 55 x 64 x 60 x110 N x 65 x 66

Fundament til x310 Trappetåm 17

x 68 x 69 x 62 Voldgrav 10 m

Abb. 4. Die Ausgrabungen der Arkæologi Haderslev auf der südlichen Burgstelle (KRisTensen 2003). Fig. 4. Th e excavation of the southern castle site by Arkæologi Haderslev (KRisTensen 2003).

bis 2002. Unter der Leitung von Tenna von X 60, 61, 64, 66 und 56 ersetzt, das Kristensen wurde ein Ausschnitt der süd­ ebenfalls W­O­orientiert liegt und etwa lichen Burg aufgedeckt (Abb. 4): Hier fand 9 m breit ist. Von den Mauern dieses plan­ sich der südliche Burggraben mit Berme mäßig abgebrochenen Gebäudes sind vor sowie die Fundamente eines mehrphasi­ allem die Sandfundamente erhalten, die gen Backsteingebäudes. Die älteste Phase eigentlichen Backsteinmauern wurden ist nur sehr ausschnitthaft erhalten, große bis auf eine Schuttlage von Bruchstücken Feldsteine bilden die Ecke eines mit klei­ ausgeräumt. Dieses Haus war in rotem neren Feldsteinen gepfl asterten Gebäudes Backstein aufgeführt, verfügte über ein X 258, seine Nordwestecke und westliche Ziegeldach, bemalte Glasfenster und einen Begrenzung konnten gesichert werden, Boden aus glasierten Fliesen. Das Unter­ die weitere Ausdehnung ist unklar. Es geschoss mit Backstein­ und Mörtelboden wurde mit Anlage des Gebäudes X 200 war in zwei Räume unterteilt, der östliche abgebrochen, von dem nur das Sandfun­ enthielt an der Trennwand eine Herdstelle dament eines W­O­orientierten Mauer­ und in der Südostecke die Fundamente zugs erhalten ist. Dieses Gebäude wurde eines runden Backofens mit Lehmboden

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink (Bef. X 55). Möglicherweise ruhte die Ur- und Frühgeschichte der Christian- ­Decke auf einem Mittel­längsunterzug, Albrechts-Universität zu Kiel (CAU Kiel) der von zwei Ständern in den jeweiligen und der Afdeling for Arkæologi og Kul­ Raum­mitten gestützt wurde (Kristen­ turarvsstudier der Aarhus Universitet sen 2003). Weitere Mauer­fundamente (Vorbericht: Andresen­ u. a. 2017): sind im Westen und Osten des Gebäudes Im Januar 2017 führten Christoph zu erkennen, es könnte sich um die Fun­ ­Rinne und Stefan Magnussen, CAU Kiel, damente der ausgebrochenen Ringmauer mit einer Gruppe Studierender eine geo­ handeln, die hier eine Stärke von 2 m er­ magnetische Prospektion einer Fläche reicht. In der jüngsten Bauphase wurde von 200 × 160 m von der Landstraße bis südlich an die Küche ein quadratisches um die lokalisierte Burgstelle durch, Fundament angesetzt, das ­Kristensen als die mehrere Anomalien verzeichnete Treppenturm deutet. Eine Treppe an der (Abb. 5). Die auffälligste Struktur, drei ge­ Feldseite der Ringmauer erscheint jedoch rade Linien an der Nordwest-, Südost- und ungewöhnlich, unter Vergleich mit der Südwestseite der Fläche, die ein Rechteck ebenfalls bischöflichen Burg Spøttrup in umschließen, entpuppte sich im Laufe­ Nordjütland (Venge 2017) wäre hier eher der Grabung als Reste eines Stachel­ an den Unterbau eines Latrinenerkers zu drahtzauns. Im Süd­osten der Untersu­ denken, der in den süd­lichen Burggra­ chungsfläche, wo die Burg­stelle lokalisiert 171 ben entsorgte und zu Wohnräumen im worden war, zeichnete­ sich eine dichte Obergeschoss des Südbaues gehörte. Der ­Konzentration von Anomalien ab, bei de­ südliche Burggraben wurde nur in einem nen es sich wohl um das Fundament der Ausschnitt erfasst, weder Breite noch Tie­ abgegangenen Windmühle handelt. An fe konnten ermittelt werden. diese nach Nordwesten anschließend ist Die chronologische Einordnung des ein „D“-förmiger Schatten auszumachen, Südbaues ist unklar, die älteste Keramik der etwa 60 × 45 m Fläche umschließt. ist bleiglasierte Irdenware aus Rouen, die Dies ist der geomagnetische Ausschlag in die zweite Hälfte des 13. oder das frühe der Burgstelle, wahrscheinlich die Verfül­ 14. Jahrhundert gehört, die jüngsten Fun­ lung des Burggrabens. In seinem Inneren de sind Tonpfeifen, die in die Spätphase liegt eine etwa kreisförmige Sammlung der Burg fallen und nach dem schriftli­ von Anomalien, bei denen es sich um den chen Abbruchdatum von 1562 zu datieren Ausschlag einer ­Backsteinkonzentration sind (Kristensen 2003). Damit gibt das der abgebrochenen Gebäude handeln Fundgut Hinweise sowohl auf eine ältere dürfte, die sich auch bei der Feldbege­ als auch eine jüngere Periode der Burg­ hung oberflächlich deutlich abzeichnete anlage, die nicht von den Schriftquellen (Rinne­ / Magnussen 2017). erfasst wurde. Vom 22. Mai bis zum 9. Juni 2017 folgte die eigentliche Ausgrabung unter der Lei­ tung von Ulrich Müller (CAU Kiel) und Die Untersuchungen im Frühjahr 2017 Rainer Atzbach (Aarhus Universitet) mit 22 Aarhuser und 5 Kieler Studierenden Die jüngsten Forschungen an Burg im Rahmen der regulären Lehrgrabung Brink sind eine Zusammenarbeit der des Bachelorstudiengangs Archäologie Arkæologi Haderslev, des Instituts für an der AU. Zwei benachbarte Felder von

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink 172

Abb. 5. Messbild der geomagnetischen Prospektion mit Eintragung der südlichen und der nördlichen Grabungsfläche. Messbild:Rinne / Magnussen 2017. Fig. 5. Measurement results of the geomagnetic study of the northern and southern excava- tion area. Measurement: Rinne / Magnussen 2017.

20 × 20 m (Feld I) und 15 × 5 m (Feld II) Abbruchhorizont A 1058 der Burganlage, wurden im Bereich der Burgstelle geöff­ der stark mit Backsteingrus durchsetzt net. Ursprünglich war der direkte An­ war, es fanden sich kaum vollständige schluss an die Nordgrenze der Ausgrabun­ Backsteine, der Abbruch war sehr gründ­ gen der Arkæologi Haderslev angestrebt lich ausgeführt worden (Abb. 6). Das Nor­ worden, es zeigte sich allerdings nach dende von Feld II erwies sich abgesehen Georeferenzierung der alten Dokumen­ von einer bronzezeitlichen Koch­grube tation, dass die neuen Schnitte im Nord­ als steril und fundleer, dies galt auch für bereich der Burgstelle platziert worden die Südostecke von Feld II. Hier lag je­ waren. Nach maschinellem Abtrag der weils der eiszeitliche Schluff direkt unter­ Humusabdeckung zeigte sich im ersten halb des Pflughorizontes, dieser Bereich Planum weitgehend flächendeckend der wurde daher nicht weiter untersucht.

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink 173

Abb. 6. Gesamtplan der Grabungsbefunde. Hervorgehoben: Burggraben (dunkelgrau), Aus- bruchgrube der Nordmauer (rot) und Fundamentrest der Nord-Süd-verlaufenden zentra- len Mauer. Die nicht hervorgehobenen Befunde gehören zum Abbruchhorizont der Burg. Fig. 6. Overview of the excavation area and results. Highlighted areas. Trench (dark grey) Robber trench of the northernwall (red) and the foundation stones of the north-south facing central wall. The unmarked areas are all part of the demolition of the castle.

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink Abb. 7. Profilschnitt durch den nördlichen Burggraben. Fig. 7. Section through the northern moat.

174

Abb. 8. Profilschnitt durch die Ausbruchgrube der nördlichen Ringmauer. Fig. 8. Section through the robber trench of the northern wall.

Die auf drei Wochen begrenzte Lehrgrabung hier ein Profilschnitt vor der Nordwest­ blieb weitgehend auf die Dokumentation kante von Feld II angelegt, der bis zur Gra­ des oberen Planums beschränkt. Da sich im benunterkante abgetieft wurde (Abb. 7). Übergang zwischen Feld I und Feld II der Die Nordkante des Burggrabens konnte NW-SO-verlaufende Burggraben als dun­ in Feld II mit Befund A 1056 klar erfasst kelbraune Verfärbung abzeichnete, wurde werden, die Südkante ist ungesichert.

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink Nach Ausweis des Profilgrabens liegt die Die Funde Grabenbreite über 5,60 m, die Grabentie­ fe über 1,70 m unterhalb der Pflugunter­ Die Funde der Burg Brink charakteri­ kante, hier wurde mit Befund A 1089 der sieren hauptsächlich die späte Periode der geologische Untergrund erreicht, die Burg, ihre Datierung reicht bis zur Zerstö­ Grabensohle fiel jedoch weiter nach Sü­ rung der Anlage. Die Gesamtzahl beläuft den ab, so dass der ursprüngliche Graben sich auf 3228 Funde, davon 356 Keramik­ wohl deutlich breiter und tiefer war. Lei­ scherben inkl. Baukeramik. Während die der erbrachte die Grabenfüllung nur blei­ Scherben generell eine ziemlich einheit­ glasierte Irdenware, die sich nicht näher liche Größe haben, sind die Funde aus als in das späte Mittelalter oder die frühe dem Abbruchhorizont A 1058 tendenziell Neuzeit datieren lässt (s. u.). größer und deshalb besser einzuordnen. Südlich des Grabens zeichnete sich Wegen der drei Hauptschwerpunkte der eine NW-SO-verlaufende Maueraus­ Ausgrabung – das Haus, der Graben und bruchgrube Befund A 1048 ab, die vor der Abbruchhorizont – wird hier der spe­ dem Westprofil von Feld I geschnitten zielle Fokus auf die Keramik dieser drei wurde (Abb. 8). Die Ausbruchgrube war Kontexte gelegt. 1,20 m breit und knapp 2 m tief. Das Steinmaterial war bis in die unterste 175 Lage entfernt worden, was hier eine qua­ Das Haus litätvoll durchgemauerte Backsteinmau­ er vermuten lässt, da eine so gründliche Im Zentrum der Grabungsfläche zeigte Beraubung wohl kaum durchgeführt sich eine massive Ziegelkonzentration und worden wäre, um einen aus Backstein­ die Fundamentreste eines Gebäudes, des­ bruch und Mörtel bestehenden Kern ei­ halb wird hier ein Haus vermutet (Abb. 6). ner Schalenmauer auszubrechen. Dieser Diesem Gebäude werden folgende Schich­ solide aufgeführte Mauerzug wird hy­ ten zugeordnet A 1003, A 1004 und A 1005, pothetisch als nördliche Ringmauer der die zum Laufhorizont und Fundament des Burganlage angesprochen. Hauses gehörten. Im Vergleich zu der Aus­ Annähernd im rechten Winkel zu die­ grabung von 1999 – 2002 zeigten die Zie­ ser Ausbruchgrube und dem Burggraben gel eine deutlich schlechtere Erhaltung, verlief ein ebenfalls etwa meterbreites die durch den intensiven Steinraub beim Mauerfundament quer durch die Fläche. Abbruch in diesem Bereich bedingt war. Ein Probeschnitt durch das Fundament Nur wenige Funde konnten dem Abbruch­ in der Mitte von Feld I zeigte, dass es horizont und dem Fundament zugeordnet nach 20 cm auf dem anstehenden Boden werden. Hier fanden sich zwei Tonpfei­ aufsaß, hier könnte es sich um einen in­ fenstiele und zwei Scherben Werraware. neren Anbau an die Ringmauer handeln. Während die Tonpfeifenstiele nicht be­ Seine innere Struktur konnte nicht ge­ friedigend datiert werden können, außer klärt werden, doch könnte eine Asche­ dass sie ab 1600 in Gebrauch waren, ist die konzentration im Westen von Feld I auf Werraware auf die Periode von 1568 – 1653 eine Herdstelle hinweisen, die aus Zeit­ einzuschränken, der Schwerpunkt liegt im gründen nicht näher untersucht werden Zeitraum von 1590 bis 1625. Gefäßtypen konnte. waren allerdings nicht zu identifizieren

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink 0 5 mm 0 5 mm

Abb. 9. Fragment einer grünglasierten Abb. 10. Fragment rotbemalte Feinware, Blattkachel mit dem Buchstaben „E“ oder Bruchstück eines Signalhorns. X 974. Foto: „F“, X 1029.1. Foto: Digital Archaeology, AU. Digital Archaeology, AU. Fig. 9. Fragment of a green glazed panel tile Fig. 10. Fragment of a redpainted fi neware with a letter “E” or “F”, X 1029.1. Photo: Dig- presumably belonging to a signal horn, X 974. ital Archaeology AU. Photo: Digital Archaeology, AU. 176

(Hurst u. a. 1986, 24). Abgesehen von der an der Grabensohle einsinken und diese Werraware, wurde ein Fragment grün gla­ kontaminieren, was die Datierung der sierter weißer Irdenware im Laufhorizont älteren Nutzungsphasen erschwert. Die des Hauses gefunden und das Fragment Funde aus dem Burggraben reichen von einer grün glasierten Blattkachel mit dem jüngerer Grauware bis zu bleiglasierter Buchstaben „E“ oder „F“ (Abb. 9). Dazu Irdenware. Ein besonderer Fund war eine kommt eine Scherbe salzglasierten, mo­ kleine Scherbe rotbemalter hellgrundiger delverzierten Steinzeugs. Die erkennbare Irdenware, die zunächst als Pingsdorfer fl orale Dekoration und die schwache Salz­ Keramik angesprochen wurde (Abb. 10). glasur sprechen für eine Einordnung als Nach eingehender Recherche und Verglei­ Kölner Steinzeug (ebd. 208). chen mit anderen Funden, wird sie nun als Fragment eines Signalhorns interpretiert.1 Ähnliche keramische Signalhörner sind Burggraben von verschiedenen Produktionszentren in Deutschland, wie Aachen, Raeren oder Aus archäologischer Sicht ist die Datie­ Langwehe bekannt. Der Fundtyp ist be­ rung eines Grabens problematisch, weil kannt als Aachhorn, ähnliche Instrumen­ die enthaltenen Funde eine lange Zeit­ te wurden dort bei der Heiltumsweisung spanne abdecken können. Jüngere Ob­ geblasen (Haasis­Berner 1994; Jansen jekte können in die weichen Schichten 1995; MÜhrenberg / FalK 2001, 156 f.).

1 Wir danken unserem Kollegen Lars Meld­ gaard Sass Jensen, Aarhus Universität, für den zielführenden Hinweis!

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink Abbruchhorizont Burg Brink in der Topographie der Macht

Im Vergleich zu anderen Befunden von Die laufenden Untersuchungen zu Burg Burg Brink beinhaltet die Schicht, die als Brink sind Teil des übergeordneten For­ Abbruchhorizont angesprochen wird, schungsprojekts „Topography of Power“ einen höheren Anteil identifizierbarer an der Afdeling for Arkæologi og Kul­ Fragmente. Es handelt sich um Rand- und turarvsstudier der Aarhus Universitet, das Bodenscherben sowie Handhaben von den Zusammenhang zwischen Burganlage Grapen, gelb glasierte Scherben eines und Umland untersucht. Tellers und einige Scherben bleiglasier­ Eine erste Analyse von 13 ausgewählten ter Irden­ware wohl lokaler Produktion mittelalterlichen Burganlagen im König­ (­Linaa 2006, 96; 100). reich Dänemark zeigte eine überraschend Insgesamt ist das Keramikspektrum deutliche Korrelation zwischen dem ge­ der jüngsten Grabungskampagne sehr sellschaftlichen Status des Erbauers einer typisch für einen spätmittelalterlichen Burg und ihrer Topographie. Königliche bis frühneuzeitlichen Kontext, dessen Burganlagen wie etwa Kalø in der Bucht Schwerpunkt auf bleiglasierter Irdenware, von Aarhus bieten eine herausragende Tonpfeifen und norddeutsch-niederländi­ Rundumsicht, während die eher wohl­ schen Importen liegt. All dies deutet auf habenden Bauern zuzurechnenden klei­ 177 die spätere Nutzungsphase der Burg. Die neren Anlagen in Holzbauweise, wie etwa früheren Ausgrabungskampagnen von Hedegård in Nordjütland, nur ihr engs­ 1999 bis 2002 unter der Leitung von Tenna tes Umfeld etwa in der Schussweite einer Kristensen erbrachten eine deutlich grö­ Armbrust einsehen können. Wichtiger als ßere Anzahl an Funden, die in die erste, das Erkennen eines herannahenden Fein­ spätmittelalterliche Periode der Burg zu des ist hierbei zweifellos die umgekehrte datieren sind. Hier lag der Schwerpunkt Sichtweise: je bedeutender der Bauherr, auf unglasierter grauer und roter Irden­ desto sichtbarer seine Burg (Atzbach ware und es fanden sich auch Fragmente 2018 a und b; Atzbach u. a. 2018). aus Rouen und Siegburg aus dem 13. und Es lag nahe, diesen Zusammenhang auch 14. Jahrhundert. am Burgenbestand von Schleswig zu be­ Daher ist eine Gesamtauswertung aller trachten. Hier unterliegt das Quellenmate­ Kampagnen erforderlich, um ein umfas­ rial publikationsbedingt einigen Beschrän­ senderes Bild der Burgennutzung und der kungen: Während der Forschungsstand zu zugehörigen Siedlungskammer zu zei­ Nordschleswig nicht nur in Fachartikeln gen, die im Kontaktfeld zwischen Nord­ und Monographien sondern auch als On­ deutschland, den Niederlanden und Däne­ line-Ressource zugänglich ist (Fund og mark liegt. Zusätzliche Ausgrabungen an Fortidsminder 2018), gestaltet sich der Zu­ der Burg Brink und ihrem Umfeld werden gang zum südlichen Teil der Region schwie­ helfen, die bereits bekannten Netzwerke, riger. Aus diesem Grund konzentrieren sich die aus den Funden dieses vitalen Kon­ die folgenden Betrachtungen vornehmlich taktareales herauszulesen sind, verständ­ auf die 85 Anlagen im heute dänischen Teil licher zu machen. Schleswigs ( und Riberhus wur­ den als Grenzburgen miteinbezogen), wäh­ rend aus dem südschleswigschen Teil nur

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink ausgewählte Burgen berücksichtigt werden Als Instrument zur Beurteilung ader konnten. Hier fiel die Wahl auf die von Len­ topo­graphischen Lage wird das messbare nart Madsen besprochenen Burgen Rends­ Sichtfeld der Anlagen verwendet. Im Inter­ burg, Schwabstedt, Treja, Gottorf, Jurisborg esse der Einheitlichkeit der Methode wur­ und Egernborg in Eckernförde sowie die nur de im Bereich des Herzogtums Schleswig mit großen Einschränkungen verortbare ab­ nicht wie in der Pilotstudie auf das digitale gegangene Duborg in Flensburg. Höhenmodell Dänemarks zurückgegrif­ Es sind nur vergleichsweise wenige fen, sondern die „Viewshed-Funktion“ von Burgen gesellschaftlich höher stehenden „Google Earth Pro“ genutzt, deren prop­ Bauherren zuzuschreiben: Nordborg, Kol­ rietäres digitales Geländemodell auch für dinghus, Jurisborg, Sønderborg Schloss und den südschleswigschen Teil kostenfrei zu­ Riberhus wurden vom Königtum errichtet, gänglich ist. Die Berechnung basiert also Brink, Schwabstedt, Treja, Lustrupholm auf der heutigen Erdoberfläche, die im De­ und Møgeltønder wahrscheinlich vom Bi­ tail nicht dem mittelalterlichen Relief ent­ schof von Ribe bzw. Schleswig, dies gilt auch spricht, sondern hier nur als Annäherung für Gottorf, das an den Herzog überging. genutzt werden soll. Wie in der Pilotstudie Die Egernborg in Eckernförde, Haderslev­ wurde die Augenhöhe willkürlich auf 10 m hus, Brundlund und Tønderhus sind her­ über Grund gesetzt, um den Blick auf bzw.b 178 zogliche Bauten. Dies gilt wohl auch für die von einem Turm zu simulieren, betrach­ Grenzfeste Rendsburg, diese fiel an die Gra­ tet wird nur das Sichtfeld in einem Radi­ fen von Holstein und wurde deren Residenz us von 2 km, was der optischen Auflösung (Madsen 2014). Die übrigen 74 Burgen im des menschlichen Auges ohne Hilfsmittel nördlichen Schleswig werden hier behelfs­ entspricht und gerade noch einzelne Ge­ mäßig als „Privatburgen“ angesprochen, bäude erkennen lässt (Atzbach 2018 a, wobei ausdrücklich festzustellen ist, dass es 5; 7). Die Quantifizierung des Sichtfeldes meist keine Quellen zu ihren mittelalterli­ erfolgte in „ImageJ“ aus standardisierten chen Besitzern oder ihren Erbauern gibt. Im hochauflösenden Digitalbildern, die aus Einzelfall mag deshalb eine derart anonyme „Google Earth Pro“ exportiert wurden „Privatburg“ durchaus vom König, Herzog (ImageJ 2018). oder einem Bischof errichtet worden sein. Auffallend ist, dass Burg Brink mit Darüber hinaus gibt es nicht unerhebliche Abstand das größte Sichtfeld aller be­ Unterschiede in der Gruppe der adligen trachteten Burgen in Schleswig hat, 75 % Bauherren, z. B. wurde die hier als Privat­ des Umlands ist einsehbar (Abb. 11 a). burg geführte Burg Nørrevold von Valde­ Zunächst wäre hier einzuwenden, dass mar Sappi errichtet, Sohn des Herzogs Erik, die Lage auf der Geest an der Kante der Halbbruder Herzogs Valdemar und der Ge­ Marsch stets eine herausragende Sicht mahlin Helvig des Königs Valdemar Atter­ von einem 10 m hohen Standpunkt mit dag. Damit gehört ihr Erbauer definitiv zur sich bringen könnte. Dies hält jedoch obersten Gesellschaftsschicht Schleswigs. einer Überprüfung nicht stand: unmit­ Der Großteil dieser „Privatburgen“ wird telbar nördlich der Burgstelle Brink be­ jedoch wohl in der Blütezeit des dänischen findet sich Brink Møllegård. Er liegt im Burgenbaus aufgeführt worden sein, in der Windschatten des Geestrückens und Krisenzeit des 14. Jahrhunderts (Etting besitzt selbst bei einer fiktiven Überhö­ 2010, 29 – 51; Olsen 2014, 101 – 134). hung um 10 m nur ein Sichtfeld von 38 %

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink Borg Brink

2 km Image © 2018 Aerodata International Surveys

179

Brink Møllegård

2 km

Image © 2018 Aerodata International Surveys; Image © 2018 DigitalGlobe

Abb. 11. a Sichtfeld der Burg Brink. b Sichtfeld Brink Møllegård. Generiert unter Google Earth Pro. Fig. 11. a Viewshed from Castle Brink. b Viewshed from Brink Møllegård. Made by Google Earth Pro.

(Abb. 11 b). Es ist auch kein genereller Zu­ Die Burganlagen mit einer Rundumsicht sammenhang zwischen guter Rundum­ über 50 % verteilen sich geographisch sicht und geographischer Lage im eher recht gleichmäßig über das nördliche flachen Westschleswig festzustellen: Schleswig (Abb. 12).

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink Koldinghus Sønderskovgård Sdr Stenderup Skanse Møgelhøj Skinkelborg Vamdrupgård Voldsted Riber Kjærgård Volds Gamle Drenderup

Riberhus Slotsbakke Tyrstrup Harreby Lustrupholm voldsted Krejsel voldsted Møjbøl Præstegårdshaven Lykkesholm voldsted Skrydstrup Voldsted Ultang Nørrevold

Søndervold Borrebjerg Voldsted ved Brede Å Brink

Brundlund Trøjborg Skovbølgård voldsted Trælbanken Gammelgårds have Solvig_Herregård Møgeltønder Gammelgaard 18 Tønder slot Svenskeskansen 20 km

Abb. 12. Burgen in Schleswig mit einer Rundumsicht, die mehr als 50 % des Umkreises von 2 km um die Burg abdeckt. Grundkarte: Skærmkort, Styrelsen for Dataforsyning og Eff ekti- visering. Fig. 12. Castles in Schleswig with a panoramic view exceeding 50 % of a 2 km area around the castle. Basemap: Skærmkort, Styrelsen for Dataforsyning og Eff ektivisering.

Die von Lennart Madsen behandelten Anlagen wie Schloss Sønderborg oder die frühen Burganlagen, die zur Zeit Herzog Nordborg auf Aals, die mit nur 20 % Sicht­ Abels und seiner Söhne vom Königtum, feld das Schlusslicht bildet. Andererseits dem Herzog oder dem Bischof von Ribe besitzen nur 36 der 92 insgesamt betrachte­ bzw. Schleswig errichtet wurden, sollen ten Anlagen in Schleswig ein Sichtfeld über hier zunächst gesondert betrachtet wer­ 50 %, das ist nur etwas mehr als ein Drittel. den. Sie können in einer Rangliste ihres Vergleicht man die Anzahl der Burgen Sichtfelds sortiert werden (Abb. 13). mit einem Sichtfeld von mehr als 60 %, so Insgesamt verfügen 10 dieser 18 gesell­ liegt der Anteil in der herausgehoben Grup­ schaftlich herausgehobenen Burganlagen pe bei 7 Anlagen, also bei knapp 40 %. In über ein Sichtfeld von mehr als 50 % auf das der Gesamtgruppe von 92 schleswigschen Umland, also mehr als die Hälfte. Einer­ Burgen besitzen nur 19, also 20 % eine der­ seits fi nden sich unter den Burgen mit be­ art exponierte Lage (Abb. 14). Werden die grenzterer Sicht durchaus auch königliche oben aufgelisteten sieben herausgehobenen

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink der Bauherr, desto sichtbarer seine Burg“ Burg Sichtfeld Status auch für Schleswig bestätigt werden kann: (%) gesellschaftlich herausgehobene Bauherren Brink 75 Bischof konnten offensichtlich viermal häufiger eine Tønder slot 70 Herzog exponierte Lage besetzen als die übrigen Brundlund 70 Herzog Angehörigen der adlig-militärischen Elite. Der Hintergrund dieser Platzwahl bedarf Lustrupholm voldsted 65 Bischof weiterer Aufklärung. Vor dem Aufkommen Svavsted 65 Bischof der Feuerwaffen hatte eine erhöhte Lage Møgeltønder 63 Herzog/ erhebliche Vorteile: Die Durchschlagskraft Bischof oder Reichweite der eigenen Waffen wur­ Riberhus Slotsbakke 62 König de verbessert, die der Feinde beeinträch­ Koldinghus slotsbank 57 König tigt. Von diesem Effekt können jedoch vor Haderslevhus 53 König allem jene Herren profitieren, die über ein entsprechendes bewaffnetes Gefolge ver­ Nørrevold 51 Herzog oder fügten. Ging es dagegen um die Verteidi­ privat gung eines befestigten Bauernhofes gegen Sønderborg Slot 48 König ­ungebetene Gäste, so hatte die Schutzlage Duborg angenõhert 42 König in einer feuchten Niederung, durch die nur 181 Jurisborg 41 König eine Zufahrt führte, nicht zu unterschät­ Egernborg 40 Herzog zende Vorteile. Hier konnte der Herr mit Rendsborg 38 Herzog/Graf einer Armbrust und wenigen Knechten Gottorp 30 Herzog durchaus erfolgreich Widerstand leisten, so lange die Burg nicht gegen ein professionel­ Treja 30 Bischof les Heer verteidigt werden musste. Neben Nordborg slots volds 20 König dem repräsentativen Charakter einer als ­Landmarke weit(er) sichtbaren Burg spiel­ Abb. 13. Burganlagen in Schleswig, die von ten deshalb auch handfeste ökonomische einem königlichen, bischöflichen oder her- Erwägungen eine Rolle. Außerdem wäre zoglichen Bauherrn errichtet wurden in der Materialtransport in der Ebene sicher der Reihenfolge ihrer Sichtbarkeit. Erbauer leichter zu bewerkstelligen als auf eine mehr nach Madsen 2014. oder minder unzugängliche Anhöhe. Fig. 13. Castles in Schleswig built by royal, Es bleibt eine noch nicht näher un­ episcopal, or ducal clients sorted by their tersuchte chronologische Komponente: viewsheds. Clients after Madsen 2014. Offen­bar gibt es im östlichen Mitteljüt­ land beim Übergang von der spätmittel­ alterlichen Burg zum frühneuzeitlichen Burgen aus der Betrachtung der „Privat­ Herren­haus eine Tendenz zur Bevorzugung burgen“ herausgenommen, sinkt der Anteil windgeschützter Lagen östlich von Höhen­ sogar auf gut ein Zehntel. rücken (Atzbach 2018 b, 18, 22 – 23). Hier Auch wenn diese Methode mit zahl­ könnte das Interesse an einem gesteigerten reichen Unsicherheiten behaftet ist und Wohnkomfort in Kombination mit neuen­ es natürlich auch Ausnahmen gibt, bleibt Repräsentationsformen zu einer neuen festzuhalten, dass der Trend „je wichtiger Platzwahl führen. So wäre vorstellbar, dass

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink Burg Views­ Status Burg Views­ Status hed (%) hed (%)

Brink 75 bfl. Nørrevold 51 priv./hzl. Trøjborg 72 priv. Solvig_Borg 50 priv. Tønder slot 70 hzl. Kogsbøl 49 priv. Brundlund 70 hzl. Kegnæsgård 49 priv. Trælbanken 66 priv. Sønderborg Slot 48 kgl Voldsted ved Brede Å 66 priv. Frørup 47 priv. Tyrstrup 65 priv. Fovslet Skov 46 priv. Lustrupholm voldsted 65 bfl. Bjerningrød 46 priv. Gammelgårds have 65 priv. Stenderup Nørreskov 45 priv. Svavsted 65 bfl. Vonsmose 45 priv. Møgeltønder 63 kgl/bfl. Husvold 45 priv. Skinkelborg 62 priv. Det gamle Fovslet 44 priv. Riberhus Slotsbakke 62 kgl Stensgård 43 priv. 182 Søndervold 62 priv. Ullerup 43 priv. Lykkesholm voldsted 62 priv. Vold voldsted 43 priv. Præstegårdshaven 62 priv. Jels Voldsted 42 priv. Riber Kjærgård Volds 62 priv. Herredshøj 42 priv. Krejsel voldsted 61 priv. Gammelgård 42 priv. Vamdrupgård Voldsted 61 priv. Stisholt 42 priv. Borrebjerg 60 priv. Duborg angenõhert 42 kgl Adsbøl voldsted 59 priv. Grøngrøft 41 priv. Ultang 59 priv. Blansgård 41 priv. Sønderskovgård 59 priv. Jurisborg 41 kgl Svenskeskansen 58 priv. Mosbjerghøj 40 priv. Møjbøl 58 priv. Egelund Voldsted 40 priv. Sdr Stenderup Skanse 57 priv. Egernborg 40 hzl. Solvig_Herregård 57 priv. Søgård 39 priv. Koldinghus 57 kgl Brådeborg voldsted 39 priv. Skovbølgård voldsted 56 priv. Paalsgaard 39 priv. Harreby 55 priv. Munkholm 38 priv. Møgelhøj 55 priv. Rendsborg 38 hzl./grev Skrydstrup Voldsted 53 priv. Skelde 37 priv. Haderslevhus 53 hzl. Voldskoven 36 priv. Gammelgaard 52 priv. Stangborg voldsted 36 priv. Gamle Drenderup 51 priv. Gram voldsted 35 priv.

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink Burg Views­ Status die attraktive Gestaltung der Zufahrt, die hed (%) bewusste Ansichten des Herrenhauses in­ szeniert, wichtiger wurde als der Bau eines Tovskov Voldsted 35 priv. weithin sichtbaren Herrschaftszeichens. Æ Slå 35 priv. Sandbjergårds voldst 35 priv. Ergebnis Bolet Skov 34 priv. Slotsbjærg Voldsted 33 priv. Die archäologischen Untersuchungen Lundsgård voldsted 31 priv. an der Burgstelle Brink haben den Kennt­ Blomsgård 30 priv. nisstand zur mittelalterlichen Anlage er­ Gottorp 30 hzl. heblich erweitert. Das Alltagsleben auf Treja 30 bfl. „Hovedgård Brink“ ist zwar durch seine Rechnungsbücher von 1388 / 89 bereits Naskærgaard Voldsted 28 priv. gut bekannt, doch nun zeigt sich, dass die Hjortspring 26 priv. Burg des Bischofs von Ribe eine schwer Limbæk Slot 25 priv. befestigte Burganlage mit einem mächti­ Elsholm 25 priv. gen Graben und einer solide ausgeführten Vargaarde Voldsted 24 priv. ­Grundmauer war. Ihre Ausdehnung von 183 Hussted 23 priv. 60 × 45 m bewehrter Innenfläche steht Gammel Ïsterholm 21 priv. nicht weit hinter den Kernburgen von Vor­ dingborg, Hammershus, Kalundborg oder Oksesøerne 21 priv. Nyborg zurück und gehört damit zu den Nordborg slots volds 20 kgl größten dänischen Burganlagen überhaupt. Rørholm Voldsted 20 priv. Diese Ausdehnung und die außerordent­ Tørning Voldsted 17 priv. lich exponierte Lage lassen daran denken, Østerholm voldsted 17 priv. dass es sich um eine ursprünglich königli­ Ejsbøl voldsted 16 priv. che Anlage handeln könnte, die in die Aus­ stattung des Riber Bischofsstuhls einging. Abb. 14: Burgen in Schleswig und ihr pro- Das reichhaltige Fundmaterial, das die aus zentuales Sichtfeld (Viewshed) auf den Um- Schriftquellen bekannte Nutzungszeit der kreis von 2 km. Burganlage bis in das 13. Jahrhundert er­ Fig. 14: Castles in Schleswig and their views- weitert, lädt zu weiteren Forschungen vor heds of a 2 km area around the castles. Ort und an anderen Quellen ein.

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink Literaturverzeichnis

Andresen u. a. 2017: H. Andresen / R. Atzbach / Jansen 1995: L. Jansen, Aachenpilger in Ober­ T. R. Kristensen / S. Magnussen / U. Müller, franken. Zu einem bemerkenswerten Ke­ Castrum Brink bei Ballum. Einblicke in die ramikfund des Späten Mittelalters aus Ausgrabung einer verschwundenen Bischofs­ Bamberg. Archäologisches Korrespondenz­ burg an der Nordsee. Mitteilungen der Gesell­ blatt 25, 1995, 421 – 434. schaft für Schleswig-Holsteinische Geschich­ Kristensen 2003: T. R. Kristensen, Udgravningen te 93, 2017, 38 – 40. af Bispens Borg Brink I Ballum. Journalnr. 2435 Atzbach 2018 a: R. Atzbach, Zur Topographie (unpubl. Grabungsbericht Haderslev Museum der Macht: Dänische Burgen des 13. – 16. Jahr­ 2003). hunderts. In: N. Engberg / V. Etting (Hrsg.), Linaa 2006: J. Linaa, Keramik, kultur og kon­ Building a Castle. Preparing for War or Keep­ takter – Køkken- og bordtøjets brug og be­ ing the Peace. Castella Maris Baltici 13 = Cas­ tydning I Jylland 1350 – 1650. Jysk Arkæolo­ tles of the North 2 (Bonn 2018) 5 – 15. gisk Selskabs Skrifter 56 (Aarhus 2006). Atzbach 2018 b: R. Atzbach, Die Lage dänischer Madsen 2014: L. S. Madsen, Borge I Sønderjyl­ Burgen und Gutshöfe – Zwischen weithin land I hertug Abel og hans sønners tid. In: sichtbarer Landmarke und wettergeschütztem A. Blond / K. Furdal / C.P. Rasmussen (Hrsg.), 184 Adelssitz. Chateau Gaillard 28, 2018, 15 – 25. Forundringsparat. Festskrift til Inge Adri­ Atzbach u. a. 2018: R. Atzbach / J. Fenger / K. T. T. ansen (Sønderborg 2014) 269 – 292. Høgs­berg, Castle and Landscape in . Mührenberg / Falk 2001: D. Mührenberg / A. Falk, A Topography of Power. Zeitschrift für Ar­ Mit Gugel, Pritschholz und Trippe. Alltag im chäologie des Mittelalters 45, 2018, 193 – 214. mittelalterlichen Lübeck. Jahresschrift Ar­ Etting 2010: V. Etting, The Royal Castles of Den­ chäologische Gesellschaft der Hansestadt Lü­ mark During the 14th Century. Publications of beck 2 / 3, 1997 / 98 (Lübeck 2001). the National Museum [of Denmark] – Studies Olsen 2014: R. A. Olsen, Danish Medieval Cas­ in Archaeology and History 19 (Copenhagen tles (Aarhus 2014). 2010). Poulsen 1990: B. Poulsen, Bondens Penge. Studi­ Fund og Fortidsminder 2018: http: / / www.kul­ er I sønderjyske regnskaber 1400 – 1650 (Oden­ turarv.dk / fundogfortidsminder (abgerufen se 1990). 17.6.2018). Rinne / Magnussen 2017: C. Rinne / S. Magnus­ Haasis-Berner 1994: A. Haasis-Berner, Hörner sen, Castrum Brink Geomagnetic prospec­ aus Keramik – Wallfahrtsdevotionalien oder tion 01.2017-Report (unpubl. Untersuchungs­ Signalhörner. Zeitschrift für Archäologie des bericht Institut für Ur- und Frühgeschichte Mittelalters und der Neuzeit 22, 1994, 15 – 38. CAU Kiel 2017). Hurst u. a. 1986: J. G. Hurst / D. S. Neal / H. J. E. van Venge 2017: M. Venge, Bispeborgen Spøttrup Beuningen (Hrsg.), Pottery produced and trad­ (København 2017). ed in north-west Europe 1350 – 1650. Rotterdam Wiese 2010: J. Wiese, Fleischverzehr auf Burg Papers VI (Rotterdam 1986). Zug. In: R. Atzbach / S. Lüken / H. Ottomeyer ImageJ 2018: Relase Fjj 1.52 https: // imagej.net (Hrsg.), Burg und Herrschaft (Dresden 2010) (abgerufen 17.6.2018). 206 Kat. II.5.

R. Atzbach/P. H. W. B. Hansen | Burg Brink