Der Fremde Deutsche Karrieren Joachim Löw Ist Der Konstanteste, Modernste Und Ansehnlichste Bundestrainer Der Geschichte
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Der fremde Deutsche Karrieren Joachim Löw ist der konstanteste, modernste und ansehnlichste Bundestrainer der Geschichte. Das deutsche Fußballvolk aber versteht ihn nicht und sehnt sich danach, dass die Welt so einfach ist wie früher. 96 DER SPIEGEL BD / B@AC Titel Kurz nachdem Deutsch - ballweltmeisterschaft stand. Es passierte land ins Viertelfinale der in Yokohama, sie spielte gegen Brasilien Weltmeisterschaft einge - und verlor 0:2. Anschließend gab es einen zogen war, wurde Joachim Empfang für den Vizeweltmeister im fens - Löw in der Pressekonfe - terlosen Bankettsaal eines japanischen renz von einem deutschen Hotels. Es war ein denkwürdiger Abend. Journalisten gefragt: „Täu - Bundeskanzler Gerhard Schröder und sche ich mich, oder wirken sein Wahlkampfgegner Edmund Stoiber Sie gar nicht unzufrieden?“ waren um die halbe Welt geflogen, weil Die Frage beschreibt die verquere deut - sie die Chance sahen, neben einem Fuß - sche Fußballsehnsucht gut. Es ist eine Pro - ballweltmeister aufs Bild zu kommen. Sie jektion. Der Fragesteller war unzufrieden, standen mit ihrer Entourage hilflos in dem seine Leser waren unzufrieden, das Land schmucklosen Raum herum. Die meisten war unzufrieden, nicht Löw. Spieler trugen kurze Hosen und Badelat - Die Journalisten waren nach dem Ar - schen. Die Hemdfarbe war damals grau, beitssieg gegen Algerien so entrüstet auf die Spieler waren es auch. Zur deutschen der Pressetribüne aufgestanden, wie die Auswahl zählten Carsten Jancker, Marco Deutschen zu Hause entrüstet aus den Bode, Carsten Ramelow, Dietmar Hamann Fernsehsesseln aufgestanden waren. Dass und Jens Jeremies. Sepp Maier, der in den Löw nicht unzufrieden war, machte sie nur Siebzigerjahren im deutschen Tor gestan - noch unzufriedener. den hatte und nun Torwarttrainer war, löf - „Soll ich nach dem Erreichen des Viertel - felte sich am kalten Buffet mit versteiner - finales wirklich enttäuscht sein?“, fragte tem Gesicht Kartoffelsalat auf seinen Teller. Löw zurück. „Tief enttäuscht?“ Er sah aus wie Karl Valentin im DFB-Trai - Er analysierte das Spiel, die frühen ningsanzug. Sein Schützling Oliver Kahn Fehler seiner Mannschaft, die Fehlpässe. trug einen Handverband, um deutlich zu Er erklärte geduldig, wie er darauf reagiert machen, dass er den Ball, den er vor dem hatte. Er beschrieb, wie sie langsam, aber 0:1 vor die Füße Ronaldos hatte prallen las - sicher die Kontrolle über das Spiel zurück - sen, gar nicht hatte festhalten können. gewonnen hatten. Er listete die übergroße Außerdem war die Gruppe Pur da, die Anzahl der Torchancen auf, die sie sich aus Bietigheim-Bissingen stammt und vom erarbeitet hatten. Torchancen, die irgend - deutschen Teamchef Rudi Völler persön - wann zu einem Tor führen mussten. Sie lich zu der Feier eingeladen worden war. führten zu Toren. Er erklärte den Rhyth - Pur hatte seinerzeit den Hit „Adler sollen mus und die Gesetzmäßigkeiten eines Fuß - fliegen“. ballturniers. Er erinnerte an andere große Da gibt es die Zeilen: Fußballnationen, die bereits ausgeschieden Mit Schweiß und Tränen jeden Zweifel waren. Italien, England und natürlich Spa - mühsam weggewischt/ nien. Er erklärte, wie hauchdünn die Gren - Mit Erfolgserlebnissen Körper und Seele ze zwischen Erfolg und Misserfolg in der neu erfrischt/ K.-o.-Phase eines Fußballturniers ist. Er Der oben auf dem Treppchen steht, ist klang ruhig und logisch, und man konnte der, der sehr weit fliegt/ sich vorstellen, wie er seine Mannschaft Was wirklich bei der Leistung zählt, ist erreicht. der innere Sieg. Sein Volk erreichte er nicht. Schwer zu sagen, ob der Sinn dieser Zei - Es grummelte, und sicherlich hörte Löw len die deutschen Nationalspieler an die - das. Er stellte für das Viertelfinalspiel ge - sem Abend erreichte. In Erinnerung blieb gen Frankreich Philipp Lahm zurück in eher die Pur-Version von: „Es gibt nur ei - die Abwehr. Er stellte Klose in den Sturm. nen Rudi Völler.“ Er erfüllte dem deutschen Volk beinahe Man hatte den Eindruck, auf einen Par - alle seine Wünsche. Er hat gewonnen. Sei - tydampfer geraten zu sein, der auf einen ne Mannschaft steht im Halbfinale der Fuß - Wasserfall zusteuerte. Eine deutsche Kreuz - ballweltmeisterschaft. fahrt. Es war wohl kein Zufall, dass in die - Als er aber nach dem Sieg gegen Frank - sem Moment ein schwerer Monsunregen reich vor die Presse trat, schlug ihm Miss - auf Yokohama niederging. Eine schwarze trauen entgegen, keine Freude. Löw trug Wasserwand, die Tokio verschluckte. Es ein weißes T-Shirt und eine graue Anzug - war ein niederschmetternder Moment. hose, er wirkte sehr entspannt. Rückblickend war es das Ende einer Ära. Ein englischer Reporter fragte ihn nach Es war das letzte Mal, dass eine deutsche dem Titel, und Löw antwortete beiläufig: Weltmeisterschaftsmannschaft dem Bild „Tja, ja, so ein Titel ist natürlich immer entsprach, das die Welt von uns hat. eine schöne Sache.“ Die deutsche Mannschaft hatte sich Es ist zwölf Jahre her, dass eine deutsche durch das Turnier gewurschtelt wie so oft Männermannschaft im Endspiel einer Fuß - in ihrer erfolgreichen Geschichte. Sie hatte in der Vorrunde Saudi-Arabien und Kame - Bundestrainer Löw, Nationalspieler run besiegt und gegen Irland unentschie - Espresso, Sonne, Ruhe den gespielt; im Achtelfinale schlug sie Pa - DER SPIEGEL BD / B@AC 97 bewundert. Sie haben jetzt viel mehr Chancen als Tore. Man versteht, wie viel in den vergangenen zehn Jahren passiert ist, wenn man Jens Nowotny anschaut, der die deutsche Mannschaft in Brasilien für ein chinesisches Fernsehteam begleitet. No - wotny war jahrelang deutscher National - spieler, aber wenn man ihn heute in der Nähe des deutschen Teams sieht, wirkt er wie ein Mann, der die Brasilienreise in ei - ner Landlotterie gewonnen hat. Die Chi - nesen haben einen Mann engagiert, der sie an Kuckucksuhren und Oktoberfest er - innert. Einen deutschen Verteidiger. Man müsste Joachim Löw für die Ver - dienste um sein Land auf Knien danken, aber seltsamerweise wird der Mann in seiner Heimat nicht geliebt und nicht ver - Strandspaziergänger Löw: „Mit Schweiß und Tränen Zweifel mühsam weggewischt“ standen. In den Tagen nach dem Einzug ins Viertelfinale diskutierte das Land darüber, ob Löw gehen muss, wenn er gegen Frank - reich verliert, wenn er im Halbfinale ver - liert, wenn er im Finale verliert. Oder ob er selbst als Weltmeister gehen muss. Auf einer Terrasse des Journalistendor - fes Toko Village, das in der Nähe des deut - schen WM-Quartiers in Bahia liegt, sitzen jeden Morgen drei Kollegen eines deut - schen Sportsenders vor einer Palme und erklären einer Moderatorin in Deutsch - land, dass Philipp Lahm erstens in der Ab - wehr besser aufgehoben sei als im Mittel - feld und dass sie das zweitens von Anfang an gesagt hätten. Es ist wirklich jeden Mor - gen das Gleiche. Man wird davon geweckt wie von einem seltsamen exotischen Vogel. Philipp Lahm, Philipp Lahm. Wenn man eine Sache oft genug zu einem Fehler er - klärt, wird sie wahrscheinlich ein Fehler. ) . U ( Bevor das Frankreichspiel angepfiffen A P D / wurde, hatten viele deutsche Journalisten G N ihre Rücktrittsforderungen bereits im Com - U R E I Deutsche WM-Mannschaft, Bundeskanzlerin Merkel*: „Es gibt nur einen Rudi Völler“ puter. Löw, so schien es, war nicht mehr G E R S zu halten. Man kriegt interessante Antwor - E D N raguay, im Viertelfinale die USA, im Halb - Sie haben im Maracanã-Stadion Frank - ten, wenn man sich unter Kollegen umhört, U B / finale Südkorea. Jeweils mit 1:0. Im Finale reich geschlagen und sind wie in jedem warum das so ist. Hier sind einige: N N A traf sie auf den ersten wirklichen Gegner Turnier, das Joachim Löw mit seiner Mann - Er trägt die Uhr auf der falschen Seite. M G R E B und verlor. schaft bislang bestritten hat, unter den bes - Er hat die Haare gefärbt. Die Pullover mit O D I Inzwischen ist eine Menge passiert. Stoi - ten vier. Es ist das vierte Halbfinale in dem V-Ausschnitt. Es liegt an der Nivea - U G ; ) ber und Schröder sind nacheinander von Folge, das Löw erreicht. Werbung. Die Stimme. Die Stimme passt . O ( A Angela Merkel aus der Politik verdrängt Es ist eine große Freude, endlich aus die - nicht zu der Erscheinung. Diese Espresso - P D / worden, die jetzt auch schon seit Ewig - sem unansehnlichen fensterlosen Bankett - trinkerei. Er ist stur, er ist arrogant, er ist T D N A keiten Bundeskanzlerin zu sein scheint. saal in Japan heraus zu sein. Die Fußball - hinterwäldlerisch. Er kann sich nicht ent - R B S Die Gruppe Pur ist in Vergessenheit gera - mannschaft, die Joachim Löw geformt hat, scheiden. Hansi Flick. Oliver Bierhoff. Vier U C R ten, Jens Jeremies, Didi Hamann und Mar - scheint ein anderes Land zu repräsentieren Innenverteidiger. Er hat Angsthasenfußball A M : 8 co Bode auch, Oliver Kahn ist Co-Mode - als die, die sich vor zwölf Jahren am kalten gegen Spanien gespielt. Er hat Angstha - 9 . S rator beim ZDF, und der deutsche Fußball Buffet von Yokohama versammelte. Die senfußball gegen Italien gespielt. Die Mer - ; S E G gilt in der Welt nicht nur als erfolgreich Spieler sind flink und voller Ideen, sie rol - cedes-Werbung. Das 4:4 gegen Schweden. A M I und effizient, sondern auch als ansehnlich. len nicht mehr wie Panzer auf die gegne - Er hängt zu sehr an Klose. Er bringt Klose Y T T E G Der Trainer der neuen deutschen Mann - rische Abwehr, sie machen lieber einen zu selten. Götze, Özil, Kroos. Er ist zu / E schaft heißt Joachim Löw, er sieht gut aus Trick zu viel als ein schmuckloses Tor. Sie emotionslos. Er coacht nicht. Er spielt zu S O R N und hat so viele seiner Spiele gewonnen werden in der Welt nicht mehr gefürchtet sehr wie Spanien. Er sieht von Weitem aus I T R wie vor ihm nur Helmut Schön. Gerade und belächelt, sie werden gefürchtet und wie ein Lego-Männchen. Er spielt zu wenig A M : 6 ist er mit seiner Mannschaft ins Halbfinale wie Spanien. Er mag Dortmund nicht. Er 9 . S der Fußballweltmeisterschaft von Brasilien ist Philipp Lahm hörig. Er zerstört Philipp S * Nach dem 4:0-Sieg gegen Portugal in Salvador am O T O eingezogen.