Der fremde Deutsche Karrieren Joachim Löw ist der konstanteste, modernste und ansehnlichste Bundestrainer der Geschichte. Das deutsche Fußballvolk aber versteht ihn nicht und sehnt sich danach, dass die Welt so einfach ist wie früher.

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Kurz nachdem Deutsch - ballweltmeisterschaft stand. Es passierte land ins Viertelfinale der in Yokohama, sie spielte gegen Brasilien Weltmeisterschaft einge- und verlor 0:2. Anschließend gab es einen zogen war, wurde Joachim Empfang für den Vizeweltmeister im fens - Löw in der Pressekonfe - terlosen Bankettsaal eines japanischen renz von einem deutschen Hotels. Es war ein denkwürdiger Abend. Journalisten gefragt: „Täu - Bundeskanzler Gerhard Schröder und sche ich mich, oder wirken sein Wahlkampfgegner Edmund Stoiber Sie gar nicht unzufrieden?“ waren um die halbe Welt geflogen, weil Die Frage beschreibt die verquere deut - sie die Chance sahen, neben einem Fuß - sche Fußballsehnsucht gut. Es ist eine Pro - ballweltmeister aufs Bild zu kommen. Sie jektion. Der Fragesteller war unzufrieden, standen mit ihrer Entourage hilflos in dem seine Leser waren unzufrieden, das Land schmucklosen Raum herum. Die meisten war unzufrieden, nicht Löw. Spieler trugen kurze Hosen und Badelat - Die Journalisten waren nach dem Ar - schen. Die Hemdfarbe war damals grau, beitssieg gegen Algerien so entrüstet auf die Spieler waren es auch. Zur deutschen der Pressetribüne aufgestanden, wie die Auswahl zählten , Marco Deutschen zu Hause entrüstet aus den Bode, , Fernsehsesseln aufgestanden waren. Dass und . , der in den Löw nicht unzufrieden war, machte sie nur Siebzigerjahren im deutschen Tor gestan - noch unzufriedener. den hatte und nun Torwarttrainer war, löf - „Soll ich nach dem Erreichen des Viertel - felte sich am kalten Buffet mit versteiner - finales wirklich enttäuscht sein?“, fragte tem Gesicht Kartoffelsalat auf seinen Teller. Löw zurück. „Tief enttäuscht?“ Er sah aus wie Karl Valentin im DFB-Trai - Er analysierte das Spiel, die frühen ningsanzug. Sein Schützling Fehler seiner Mannschaft, die Fehlpässe. trug einen Handverband, um deutlich zu Er erklärte geduldig, wie er darauf reagiert machen, dass er den Ball, den er vor dem hatte. Er beschrieb, wie sie langsam, aber 0:1 vor die Füße Ronaldos hatte prallen las - sicher die Kontrolle über das Spiel zurück - sen, gar nicht hatte festhalten können. gewonnen hatten. Er listete die übergroße Außerdem war die Gruppe Pur da, die Anzahl der Torchancen auf, die sie sich aus Bietigheim-Bissingen stammt und vom erarbeitet hatten. Torchancen, die irgend - deutschen Teamchef Rudi Völler persön - wann zu einem Tor führen mussten. Sie lich zu der Feier eingeladen worden war. führten zu Toren. Er erklärte den Rhyth - Pur hatte seinerzeit den Hit „Adler sollen mus und die Gesetzmäßigkeiten eines Fuß - fliegen“. ballturniers. Er erinnerte an andere große Da gibt es die Zeilen: Fußballnationen, die bereits ausgeschieden Mit Schweiß und Tränen jeden Zweifel waren. Italien, England und natürlich Spa - mühsam weggewischt/ nien. Er erklärte, wie hauchdünn die Gren - Mit Erfolgserlebnissen Körper und Seele ze zwischen Erfolg und Misserfolg in der neu erfrischt/ K.-o.-Phase eines Fußballturniers ist. Er Der oben auf dem Treppchen steht, ist klang ruhig und logisch, und man konnte der, der sehr weit fliegt/ sich vorstellen, wie er seine Mannschaft Was wirklich bei der Leistung zählt, ist erreicht. der innere Sieg. Sein Volk erreichte er nicht. Schwer zu sagen, ob der Sinn dieser Zei - Es grummelte, und sicherlich hörte Löw len die deutschen Nationalspieler an die - das. Er stellte für das Viertelfinalspiel ge - sem Abend erreichte. In Erinnerung blieb gen Frankreich zurück in eher die Pur-Version von: „Es gibt nur ei - die Abwehr. Er stellte Klose in den Sturm. nen Rudi Völler.“ Er erfüllte dem deutschen Volk beinahe Man hatte den Eindruck, auf einen Par - alle seine Wünsche. Er hat gewonnen. Sei - tydampfer geraten zu sein, der auf einen ne Mannschaft steht im Halbfinale der Fuß - Wasserfall zusteuerte. Eine deutsche Kreuz - ballweltmeisterschaft. fahrt. Es war wohl kein Zufall, dass in die - Als er aber nach dem Sieg gegen Frank - sem Moment ein schwerer Monsunregen reich vor die Presse trat, schlug ihm Miss - auf Yokohama niederging. Eine schwarze trauen entgegen, keine Freude. Löw trug Wasserwand, die Tokio verschluckte. Es ein weißes T-Shirt und eine graue Anzug - war ein niederschmetternder Moment. hose, er wirkte sehr entspannt. Rückblickend war es das Ende einer Ära. Ein englischer Reporter fragte ihn nach Es war das letzte Mal, dass eine deutsche dem Titel, und Löw antwortete beiläufig: Weltmeisterschaftsmannschaft dem Bild „Tja, ja, so ein Titel ist natürlich immer entsprach, das die Welt von uns hat. eine schöne Sache.“ Die deutsche Mannschaft hatte sich Es ist zwölf Jahre her, dass eine deutsche durch das Turnier gewurschtelt wie so oft Männermannschaft im Endspiel einer Fuß - in ihrer erfolgreichen Geschichte. Sie hatte in der Vorrunde Saudi-Arabien und Kame - Bundestrainer Löw, Nationalspieler run besiegt und gegen Irland unentschie - Espresso, Sonne, Ruhe den gespielt; im Achtelfinale schlug sie Pa -

DER SPIEGEL BD / B@AC 97 bewundert. Sie haben jetzt viel mehr Chancen als Tore. Man versteht, wie viel in den vergangenen zehn Jahren passiert ist, wenn man anschaut, der die deutsche Mannschaft in Brasilien für ein chinesisches Fernsehteam begleitet. No - wotny war jahrelang deutscher National - spieler, aber wenn man ihn heute in der Nähe des deutschen Teams sieht, wirkt er wie ein Mann, der die Brasilienreise in ei - ner Landlotterie gewonnen hat. Die Chi - nesen haben einen Mann engagiert, der sie an Kuckucksuhren und Oktoberfest er - innert. Einen deutschen Verteidiger. Man müsste Joachim Löw für die Ver - dienste um sein Land auf Knien danken, aber seltsamerweise wird der Mann in seiner Heimat nicht geliebt und nicht ver - Strandspaziergänger Löw: „Mit Schweiß und Tränen Zweifel mühsam weggewischt“ standen. In den Tagen nach dem Einzug ins Viertelfinale diskutierte das Land darüber, ob Löw gehen muss, wenn er gegen Frank - reich verliert, wenn er im Halbfinale ver - liert, wenn er im Finale verliert. Oder ob er selbst als Weltmeister gehen muss. Auf einer Terrasse des Journalistendor - fes Toko Village, das in der Nähe des deut - schen WM-Quartiers in Bahia liegt, sitzen jeden Morgen drei Kollegen eines deut - schen Sportsenders vor einer Palme und erklären einer Moderatorin in Deutsch - land, dass Philipp Lahm erstens in der Ab - wehr besser aufgehoben sei als im Mittel - feld und dass sie das zweitens von Anfang an gesagt hätten. Es ist wirklich jeden Mor - gen das Gleiche. Man wird davon geweckt wie von einem seltsamen exotischen Vogel. Philipp Lahm, Philipp Lahm. Wenn man eine Sache oft genug zu einem Fehler er - klärt, wird sie wahrscheinlich ein Fehler. ) . U (

Bevor das Frankreichspiel angepfiffen A P D

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wurde, hatten viele deutsche Journalisten G N

ihre Rücktrittsforderungen bereits im Com - U R E I

Deutsche WM-Mannschaft, Bundeskanzlerin Merkel*: „Es gibt nur einen Rudi Völler“ puter. Löw, so schien es, war nicht mehr G E R S

zu halten. Man kriegt interessante Antwor - E D N raguay, im Viertelfinale die USA, im Halb - Sie haben im Maracanã-Stadion Frank - ten, wenn man sich unter Kollegen umhört, U B

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finale Südkorea. Jeweils mit 1:0. Im Finale reich geschlagen und sind wie in jedem warum das so ist. Hier sind einige: N N A traf sie auf den ersten wirklichen Gegner Turnier, das Joachim Löw mit seiner Mann - Er trägt die Uhr auf der falschen Seite. M G R E B und verlor. schaft bislang bestritten hat, unter den bes - Er hat die Haare gefärbt. Die Pullover mit O D I

Inzwischen ist eine Menge passiert. Stoi - ten vier. Es ist das vierte Halbfinale in dem V-Ausschnitt. Es liegt an der Nivea - U G

; ) ber und Schröder sind nacheinander von Folge, das Löw erreicht. Werbung. Die Stimme. Die Stimme passt . O (

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Angela Merkel aus der Politik verdrängt Es ist eine große Freude, endlich aus die - nicht zu der Erscheinung. Diese Espresso - P D

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worden, die jetzt auch schon seit Ewig - sem unansehnlichen fensterlosen Bankett - trinkerei. Er ist stur, er ist arrogant, er ist T D N A

keiten Bundeskanzlerin zu sein scheint. saal in Japan heraus zu sein. Die Fußball - hinterwäldlerisch. Er kann sich nicht ent - R B

S

Die Gruppe Pur ist in Vergessenheit gera - mannschaft, die Joachim Löw geformt hat, scheiden. Hansi Flick. . Vier U C R ten, Jens Jeremies, Didi Hamann und Mar - scheint ein anderes Land zu repräsentieren Innenverteidiger. Er hat Angsthasenfußball A M

: 8

co Bode auch, Oliver Kahn ist Co-Mode - als die, die sich vor zwölf Jahren am kalten gegen Spanien gespielt. Er hat Angstha - 9

. S rator beim ZDF, und der deutsche Fußball Buffet von Yokohama versammelte. Die senfußball gegen Italien gespielt. Die Mer - ; S E G

gilt in der Welt nicht nur als erfolgreich Spieler sind flink und voller Ideen, sie rol - cedes-Werbung. Das 4:4 gegen Schweden. A M I

und effizient, sondern auch als ansehnlich. len nicht mehr wie Panzer auf die gegne - Er hängt zu sehr an Klose. Er bringt Klose Y T T E G

Der Trainer der neuen deutschen Mann - rische Abwehr, sie machen lieber einen zu selten. Götze, Özil, Kroos. Er ist zu /

E schaft heißt Joachim Löw, er sieht gut aus Trick zu viel als ein schmuckloses Tor. Sie emotionslos. Er coacht nicht. Er spielt zu S O R

N und hat so viele seiner Spiele gewonnen werden in der Welt nicht mehr gefürchtet sehr wie Spanien. Er sieht von Weitem aus I T R wie vor ihm nur Helmut Schön. Gerade und belächelt, sie werden gefürchtet und wie ein Lego-Männchen. Er spielt zu wenig A M

: 6

ist er mit seiner Mannschaft ins Halbfinale wie Spanien. Er mag nicht. Er 9 . S

der Fußballweltmeisterschaft von Brasilien ist Philipp Lahm hörig. Er zerstört Philipp S * Nach dem 4:0-Sieg gegen Portugal in Salvador am O T O eingezogen. 16. Juni in der Mannschaftskabine der DFB-Auswahl. Lahms Reputation. F

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Er ist nicht authentisch, sagt ein Kollege. Männer hätten getan, was ein Mann tun ständigen Vergleiche. Das Wembley-Tor, Als wäre er falsch zusammengeschraubt. muss. Für ihr Volk gekämpft. die Halbfinale gegen Italien, Rahn müsste Es wirkt so, als könne es Löw keinem Niemand hätte gewagt, Tabárez’ Rück - schießen. Beim Spiel gegen die USA im mehr recht machen. Als er Philipp Lahm tritt zu fordern. Auch die spanischen Jour - verregneten Recife ging es um die Wasser - im Mittelfeld ließ, hieß es, er sei stur, stellte nalisten, die der Pressekonferenz beiwohn - schlacht von 1974, beim Spiel ge - er ihn zurück in die Abwehr wie gegen ten, in der der todtraurige Trainer Vicente gen Algerien ging es um die Schande von Frankreich, hieß es, er habe kein Kreuz. del Bosque das Turnier quittierte, nachdem Gijón 1982. Und vor dem Frankreich-Spiel Gewinnt er, lag es an der Mannschaft, ver - seine Mannschaft gegen Chile verloren hat - wurde viel über Sevilla 1982 geredet, den liert er, liegt es an ihm. te, forderten nichts. Del Bosque listete die Schurken , den Fallrück - Alle Fragen, die Löw nach dem Spiel Gründe für die Niederlage auf, die Jour - zieher Klaus Fischers, Pipapo. von deutschen Journalisten gestellt bekam, nalisten erinnerten ihn an die guten Jahre, Vor ein paar Tagen saß Oliver Bierhoff bezogen sich auf den Wechsel von Lahm. die er mit der spanischen Mannschaft hatte. unter der Pergola des deutschen Presse - Er erklärte die Umbesetzung mit der kom - An die Erfolge. Sie trösteten ihn. zentrums in Bahia und versuchte, die Fra - pakten französischen Mitte. Aber niemand Nur die aufgebrachten afrikanischen ge zu beantworten, wofür die deutsche schien ihm zu glauben. Journalisten der Mannschaft Kameruns for - Fußballnationalmannschaft 60 Jahre nach Der Einzige, der Löw zum Sieg gratu - derten den Kopf ihres weißen Trainers. dem Titelgewinn in der Schweiz eigentlich lierte, war der Fifa-Mann, der die Presse - Und wir Deutschen. Vielleicht kein Zufall. stehe. konferenz moderierte. Seine erstaunliche Sowohl Volker Finke, der im Regenspiel Bierhoff redete von der Nachkriegszeit, Erfolgsbilanz als Trainer fasste ein Kollege der Kameruner an der Seitenlinie entlang - davon, wie der erste Titelgewinn dem deut - aus dem Sudan zusammen. taperte wie Klaus Kinski in „Cobra Verde“, schen Volk sein Selbstbewusstsein zurück - Man muss daran denken, wie ein paar als auch Joachim Löw, der gelegentlich in gab. Dann sprang er schnell ins Jahr 2006, Tage zuvor der uruguayische Nationaltrai - seiner Box steht, als triebe er auf einem als Deutschland eine Weltmeisterschaft ner Óscar Tabárez nach dem Ausscheiden Floß ins Nirgendwo, sind Fremde. Als Löw ausrichtete und die Leute im Stadion plötz - seiner Mannschaft im Achtelfinale der sich nach der Sinflut, die beim USA-Spiel lich begannen, die deutsche Hymne zu Weltmeisterschaft von den Journalisten über dem Stadion von Recife niedergegan - singen. seines Landes empfangen wurde. Uruguay gen war, die Haare mit einem schwarz-rot- „Die Nationalmannschaft spiegelt die wirkte gegen die modern spielenden, kühl goldenen Frotteetuch trocknete, sah er aus, Gesellschaft wider“, sagte Bierhoff. „Sie agierenden Kolumbianer wie eine Mann - als wäre er in einen Werbespot für einen ist ein Aushängeschild für unser Land.“ schaft aus einer anderen Zeit. Der Spieler, neuen deutschen Herrenduft geraten. Jogi! 2010 sei es das Thema Integration gewe - der sie überhaupt bis ins Achtelfinale ge - Bei Rudi Völler waren die Haare weg, sen. Diesmal gehe es eher um moderne Ar - bracht hatte, Luis Suárez, hatte einem Ge - wenn es anfing zu regnen. Das ist für den beitswelt. Ihr Quartier, Campo Bahia, stehe genspieler in die Schulter gebissen und ist durchschnittlichen deutschen Fußballfan dafür. Alles sei fließend, alles offen, so monatelang gesperrt. Tabárez hatte die leichter zu ertragen. gehe man auch miteinander um. Deutsche Beißattacke verteidigt. Der Auftritt ihres In den vergangenen Tagen ist viel über Hymne, deutsche Integrationspolitik, deut - Landes war eine Katastrophe, aber die uru - die Vergangenheit der deutschen Mann - sche Wohnwelt. 2010 hat er darüber nach - guayischen Kollegen fielen vor dem Trai - schaft geredet worden. Das ist ja ein Teil gedacht, im Quartier der deutschen Mann - ner in den Staub. Sie begannen ihre Fragen des Spaßes jeder Weltmeisterschaft. Die schaft eine Kabine in den Ausmaßen der damit, dass er sie und das uru - guayische Volk glücklich und stolz gemacht habe. Sie nann - ten ihn Professore. Tabárez winkte ab. Er redete in blumigen, wirren Sätzen, in denen er beschrieb, wie fins tere Mächte dem uru - guayischen Team das Herz

aus dem Leibe gerissen N O I T C A

hätten. Die verbliebenen N / O E M G I A S

M I N T E R V O S P / S N / Mal Volksheld, N H A S M L R A E W mal Sündenbock O H N

E K R N R A Trainer und Teamchefs A R D F

; ; A S der DFB-Auswahl seit 1984 P E D G / A

4. 2. 6. 5. 3. 1. G M

* durchschnittliche Punktzahl pro Spiel R I

E Y B

(Sieg: 3 Punkte / Remis: 1 Punkt / Spiele, T T R E die im Elfmeterschießen entschieden E V G I / wurden, sind als Remis gewertet.) Franz Berti Erich Rudi Jürgen Joachim L S O T

; R S Stand: 4. Juli 2014 Beckenbauer Vogts Ribbeck Völler Klinsmann Löw A R G E N T T O

12. September 1984 29. August 1990 10. Oktober 1998 16. August 2000 18. August 2004 16. August 2006 I B W erstes / letztes Länderspiel / /

8. Juli 1990 5. September 1998 20. Juni 2000 23. Juni 2004 8. Juli 2006 N I K E C T E S P N S

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SPIELE      S W S A U

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SIEGE     E O D P N S A R X

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ERFOLGSQUOTE , ,  , , , ,L O A

C ; / S E O G FINALTEILNAHMEN Vize-Weltmeister 1986, Vize-Europameister 1992, Vize-Weltmeister Vize-Europa- G A A M M I Weltmeister 1990 Europameister 1996 2002 meister 2008 I

DER SPIEGEL BD / B@AC 99 Gefängniszelle aufzubauen, in die Nelson Mandela auf Robben Island gesperrt war. Damit die deutschen Spieler sich mal einen Eindruck machen konnten. Auch für die Bierhoff-Aktionen hassen viele Deutsche den Bundestrainer. Eine Nationalmann - schaft, die für Schöner Wohnen steht. Das Grundgesetz, ein Manufactum-Katalog. Genau, das ist ja die Scheiße, würden die Fans sagen. Man könnte sich vorstellen, dass es die Deutschen, die Fußballfans und die Jour - nalisten, am meisten nervt, dass Löw gar nicht wegwill. Er mag den Job. Er will nicht aufhören. Eine Klubmannschaft zu trainieren scheint, verglichen mit den Ar - beitsbedingungen, die er zurzeit hat, un - attraktiv. Mehr noch als das Campo Bahia Torschütze Mats Hummels beim Viertelfinalspiel gegen Frankreich: Moderne Arbeitswelt steht Löw für die neue Arbeitswelt. Er macht das, was ihm Spaß macht. Gutes Es - den, der wie das Gegenteil von Helmut 1954 ist für Bierhoff eine Marketing - sen, Espresso, Sonne, Ruhe. Er geht nicht Schön aussieht. kategorie. Genau wie 1974 und 2006. Er sieht ins brasilianische Chaos, er zieht in ein Für Bierhoff ist die Platzierung bei so mit den Augen eines Betriebswirtschaftlers Quartier, das die Ruhe mit in die Fremde einem Turnier wichtig, das Wichtigste aber auf das Turnier. Am Ende sind für ihn auch transportiert. Er muss nicht ins schlecht ist der Imagefaktor, den die deutsche die Emotionen berechenbar. Es ist ja immer gelaunte Hamburg fahren, um den HSV Mannschaft erreicht. Davon hängen die dasselbe. Nach dem ersten Spiel gegen Por - zu beobachten. Der HSV kommt ja auch Einbindung von Werbepartnern ab, die tugal sind wir schon Weltmeister, wir müs - irgendwann in den Süden. Es heißt, der Fernsehverträge und am Ende das Geld sen die Emotionen herunterdrosseln, dann Breisgau sei gar nicht mehr Deutschland, für die Basis. Er sagt das ganz offen, weil kommt Ghana, es läuft nicht so gut, schließ - insofern ist es der perfekte Platz für Löw. er es für eine gute Sache hält. Bierhoffs lich rechnen alle, ob wir aus scheiden kön - Man kann sich den Bundestrainer nicht Vater war im Vorstand des Energiekon - nen, Panik, Untergangsstimmung. in einem Trainingsanzug vorstellen wie zerns RWE, der Junge ist nicht auf dem „Die Deutschen sind immer so ein biss - den Brasilianer Luiz Felipe Scolari oder Ascheplatz groß geworden und tut auch chen drückend pessimistisch“, sagt Bier - A P D

den chilenischen Trainer oder Jupp Der - nicht so. hoff. „In Italien, wo ich ja lange gespielt /

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wall. Jürgen Klinsmann ist noch ein Trai - „Sich nur im Falle des Titelgewinns den habe, wirste scharf kritisiert, aber sie hal - /

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ningsanzugtyp, Löw nicht mehr. Er würde Fans zu präsentieren, davon halte ich ten dich oben. In Deutschland hat man das D A R aussehen wie ein Mann in der Raucherecke nichts. Auch beim zweiten oder dritten Gefühl, man drückt dich runter. Man möch - H C S

S

eines Krankenhauses. Platz fährt man noch mal irgendwo hin te den Deutschen zurufen: Kritisiert doch, A I H T

Löw könnte von Oliver Bierhoff für den und lässt sich feiern“, sagt er. aber lasst doch bitte die Grundfreude da.“ T A M

Job in der neuen deutschen Fußballwelt Wichtiger als der Titel ist die Vermark - Mit ähnlicher Kühle schaut Joachim : O T O gecastet worden sein. Ich brauche jeman - tung des Titels. Löw auf ein Fußballspiel. Es gibt da kein F Bibelverse für die Nerven Brasilien Je näher das Team der Gastgeber dem ersehnten Titel kommt, desto emotionaler reagieren die Spieler. Auf dem Weg steht ihnen eine Psychologin bei. enige Tage vor seiner schwe - weil er um die Stabilität der Seleção dass ich nicht drankomme. Ich hatte ren Verletzung erschien Ney - fürchtete. kein Selbstvertrauen.“ Wmar noch unbekümmert wie Verrückt sind sie nicht, aber einige Hält die Seleção dem Druck nicht ein Kind. Er radelte über das Trainings - Spieler standen während des Elfmeter- stand? Sind die Spieler, die den „Hexa“, gelände der brasilianischen National - Krimis im Achtelfinale gegen Chile of - den sechsten Titel, holen sollen, über - mannschaft in den Bergen bei Rio. Bei fenbar am Rande eines Nervenzusam - fordert? Beenden nun die Deutschen im der Pressekonferenz feixte er die Jour - menbruchs. Kapitän Thiago Silva und Halbfinale ihren Traum? nalisten an, er hatte gerade die erste Sit - Keeper Júlio César brachen schon vor - Auf keiner anderen Mannschaft las - zung mit der Mannschaftspsychologin her in Tränen aus. Vor allem Thiago ten so viele Erwartungen. Fast scheint Regina Brandao hinter sich. „Das müsst Silva schien überfordert. Er hatte den es, als hinge die Zukunft der Nation ihr auch mal machen“, rief er. „Es tut Trainer gebeten, ihn als letzten Elf - vom WM-Titel ab. Es ist ein schier un - richtig gut!“ meterschützen auf die Liste zu setzen, menschlicher Druck, den diese jungen Das sehen einige seiner Kollegen an - noch hinter Júlio César. Er hockte sich Männer aushalten müssen. Carlos ders. „Wir sind doch nicht verrückt“, auf einen Ball und starrte ins Nichts. Dunga, Spielführer des brasilianischen sollen mehrere Spieler gegrummelt ha - „Elfmeterschießen ist gerade zu Hause Weltmeisterteams von 1994, sieht das ben, als Trainer Luiz Felipe Scolari sie eine riesige Verantwortung“, sagte er Problem etwas anders: Die Mannschaft vorige Woche zur Psychologin beorderte, später. „Ich habe Gott darum gebeten, leide nicht unter Druck, sondern unter

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Gestern oder Vorgestern, es gibt nur das und Horst Hrubesch im Angriff. Es gab del Bosque aus Spanien und Cesare Pran - Spiel. Wenn Bierhoff der Verkäufer ist, ist noch die Bananenflanke von Manfred delli aus Italien so zärtlich und mitfühlend Löw eher der Fußballwissenschaftler. Kaltz und einen Trainer mit dem Namen wie über verunglückte Geschwister. Er Er erklärt die Funktion schneller ver- . Joachim Löw kann aus die - weiß ja, dass Spanien noch im Turnier tikaler Pässe, die Körpereigenschaften klei - sen Spielen nichts für heute lernen. wäre, wenn David Silva im ersten Spiel ner, wendiger Angriffsspieler, die Unter - Das ist natürlich nicht einfach zu akzep - gegen die Niederlande nicht versucht hätte, schiede zwischen einem Mann wie Schürrle tieren für die Generation der Männer, die den Ball zum 2:0 ins Tor zu lupfen. Jetzt und einem Mann wie Götze, die Dichte in damals Fußball spielte. Die Rumpelfüßler schreiben sie, die Ära des spanischen Fuß - der französischen Mitte mit der Ruhe und schreiben Kolumnen, sitzen als Experten balls sei vorbei. So kann er nicht denken. Gelassenheit eines Naturwissenschaftlers. in Fernsehstudios herum und erzählen von Löw versteht auch nicht, warum es ange - Er redet zu den Journalisten wie zu Klipp - früher. Sie waren erfolgreichere Fußballer messener sein soll, nach einer Niederlage schülern, wenn sie zum hundertsten Male als Joachim Löw, sie sind aus seiner Gene - gegen Frankreich zurückzutreten als nach nach der Umstellung des Systems fragen. ration, aber aus den meisten ist nichts ge - einer Niederlage gegen Brasilien. Diese „Nein“, sagt er. „Lahm im Mittelfeld ist worden. Forderungen widersprechen seiner Sicht keine Veränderung im System. Grundsätz - Löw wurde 1960 in Schönau im Schwarz - auf den Fußball. Genau wie die Rechnerei, lich haben einige Spieler veränderte Auf - wald geboren. Sein Vater war Ofensetzer, dass man nach einer gewissen Zeit wieder gaben. Das hat nichts mit dem System und Löw war Ministrant und spielte in seiner mal das Recht habe, Weltmeister zu wer - der Spielphilosophie zu tun. Das müssen Freizeit Fußball. Er war nicht untalentiert den. Was soll das bedeuten? Wir sind wie - Sie richtig verstehen. Philipp Lahm hat ein - und schoss für den SC Freiburg jede Menge der dran? Mit demselben Argument könn - fach eine gute Symmetrie zwischen Mittel - Tore, schaffte es aber nie ganz nach oben. ten wir langsam mal wieder einen Welt - feld und Abwehr. Und er ist sehr ballsicher.“ Vielleicht war das sein Glück. krieg starten. Joachim Löw kann über die Qualität des Es ist im Interesse der Alten, dass die Joachim Löw hat Frankreich besiegt, algerischen und des französischen Fußballs Vergangenheit nicht vergessen wird. Wenn nicht seine Gegner. Doch er spürt ihren sprechen, weil er die studiert hat und weil man sich die Länderspiele von damals an - Atem im Nacken. Über weite Strecken er - das relevant ist. Mit den aufgeladenen sieht, wirken sie seltsam. Langsam, unan - innerte das Spiel gegen die Franzosen an Emotionen der deutschen Fußballvergan - sehnlich. Alles, was sie noch haben, sind ein Spiel der Mannschaft von Rudi Völler genheit in Bezug auf Algerien und Frank - die Titel. aus dem Jahr 2002. Gestochere, Gerenne, reich kann er dagegen nichts anfangen. Während seine Vorgänger die Mann - ein guter Kopfball und ein guter Torwart. Als die deutsche Mannschaft 1982 beim schaften meist in Fieberkurven durch ihre Am Ende steht es 1:0. Turnier in Spanien erst gegen Algerien ver - Karrieren führten, ist Löw konstant erfolg - So war das damals, so war es jetzt. lor und dann Frankreich schlug, waren die reich. Er wurde Zweiter, Dritter und noch Löw hat vorerst, um es mit der Gruppe meisten seiner Spieler doch noch gar nicht mal Dritter. Er hat bei der letzten Welt - Pur zu sagen: mit Schweiß und Tränen geboren, sagt er. Nur Klose und Weiden - meisterschaft in berauschenden Spielen Zweifel mühsam weggewischt. P F

A feller sind so alt wie die Erinnerungen an England und Argentinien geschlagen, er Aber es gibt, glücklicherweise, nur einen

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D die Schande von Gijón. Er habe mit ihnen hat bei dieser Portugal und Frankreich be - Rudi Völler. Alexander Osang I E M

L geredet, sagt Löw, sie wissen nichts mehr. siegt. Aber das reicht nicht. Es muss ein A

I Video: Joachim Löws E

L Was aber viel schwerer wiegt, ist, dass Fuß - Titel her. Das deutsche Volk will endlich R

E Karriere in Bildern D

N ball heute ein anderes Spiel ist. Damals wieder einmal einen Titel. A V

: spielten die Förster-Brüder in der deut - Löw kann nichts damit anfangen. Er re -

O spiegel.de/app282014loew T O

F schen Abwehr, im Mittelfeld det über seine ausgeschiedenen Kollegen oder in der App DER SPIEGEL

„ängstlicher Anspannung“. Sie sei zeigt, sie umarmt ihren Papa. „begierig, in Brasilien zu spielen, je - „Er bittet die Fans um mehr der Einzelne ist versessen darauf, Liebe“, kommentierte Eduardo seine Qualität unter Beweis zu stel - Moreira das Bild, ein erfolg- len. Nach dem Erfolg beim Confede - reicher Autor von Selbsthilfe- rations Cup vor einem Jahr ist die büchern. Anspannung groß. Da hat Brasilien Nur Neymar schien der Rum - gleich am Anfang Tore geschossen mel nichts anzuhaben, bis das und den Gegner in Schach gehalten. Drama seinen Lauf nahm. Nach Das wollen die Spieler wiederholen, einem üblen Foul eines Kolum - aber sie schaffen es nicht. Deshalb bianers im Viertelfinale verletzte sind sie nervös, sie beschleunigen der Superstar sich schwer am das Spiel und verursachen Fehl - Rücken und musste ausgewech - pässe“. selt werden. Die medizinische Trainer Scolari plagen Zweifel, ob Brasilien-Star Neymar, Teamkollege Luiz Abteilung der Brasilianer gab er seine junge Mannschaft überfor - „GottimmeramKommando“ bekannt: Wirbelbruch, WM-Aus. dert. Nur vier Spieler haben schon „Das Einzige, was wir wollen, ist, mal eine WM erlebt, alle anderen sind Neymar; „Gott ist wunderbar“, schrieb den Pokal in der Hand zu halten. Ich erstmals dabei. Viele sind fromm, auf David Luiz; „Gott steht über allem“, möchte, dass die Leute sich freuen und den Stress reagieren sie mit Glaubens - dankte Hulk. Fred, der wegen beson - ich am Ende vor Freude weine“, hatte bekenntnissen: Sie zitieren Bibelverse ders schwacher Leistungen angefeindet Neymar vor dem Kolumbien-Spiel gesagt. auf ihren Facebook-Seiten und beten. wird, stellte ein Foto ins Internet, das Nun weinte er vor Schmerzen. „GottimmeramKommando“, twitterte ihn im Bett mit seiner kleinen Tochter Jens Glüsing

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