Politische Geschichte Bayerns

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Politische Geschichte Bayerns Politische Geschichte Bayerns Herausgegeben vom Haus der Bayerischen Geschichte als Heft 9 der Hefte zur Bayerischen Geschichte und Kultur Redaktion: Manfred Treml Redaktionelle Bearbeitung: Otto Helwig Copyright 1989 Haus der Bayerischen Geschichte Bayerische Staatskanzlei, München Gestaltung fürs Internet: Rudolf Misera Politische Geschichte Bayerns Seite 2 Inhalt 3 Manfred Treml: Einführung 4 Friedrich Helmer: Bayern im Frankenreich (5.-10. Jahrhundert) 7 Josef Kirmeier: Bayern und das Deutsche Reich (10.-12. Jahrhundert) 10 Otto Helwig: Bayern und seine Territorialstaaten (12.-16. Jahrhundert) 13 Michael Henker: Bayern im Zeitalter von Reformation und Gegenreformation (16./17. Jahrhundert) 16 Karlheinz Scherr: Bayern im Zeitalter des Fürstlichen Absolutismus (17./18. Jahrhundert) 19 Manfred Treml: Das Königreich Bayern (1806-1918) 22 Wolf Weigand: Bayern zur Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus (1918-1945) 25 Konrad von Zwehl: Bayern nach dem II. Weltkrieg 28 Daten und Ereignisse 32 Literatur 36 Glossar Politische Geschichte Bayerns Seite 3 Einführung Das Gebiet des heutigen Freistaates Bayern, das die Gleichzeitig aber soll verdeutlicht werden, daß deut- geographische Grundlage für dieses Heft bildet, ist aus sche und europäische Geschichte ohne den Blick auf zahlreichen Territorien unterschiedlichster Tradition die Länder und ihre Historie nicht möglich ist. Die zusammengewachsen. Jedes von ihnen hat seine oft Länder der Bundesrepublik Deutschland besitzen ihre über Jahrhunderte hinweg gewachsene besondere Prä- eigene Staatsqualität, die im Falle Bayerns weit in die gung. Diese Vielfalt historischer Landschaften kann in Vergangenheit zurückreicht: Beim modernen Staats- einem Leitfaden nur skizzenhaft dargeboten werden. bayern sind es inzwischen fast 200 Jahre, beim alt- Beispiele von besonderer Aussagekraft müssen jeweils bayerischen Teil eine im Kern tausendjährige territo- Typisches aufzeigen; eine durchgängige Geschichte al- riale Kontinuität, der sich auch die Verfassung von ler bayerischen Stämme oder Territorien ist in diesem 1946 verpflichtet fühlt. Rahmen nicht zu leisten und war auch nicht beabsich- Das historische Bewußtsein von Kontinuität und tigt. Zeitlich spannt sich der Bogen von der Frühzeit Wandel, von Veränderung und Tradition in der politi- der Stammesbildung bis zur Nachkriegsgeschichte: ein schen Geschichte Bayerns zu erhalten und weiterzutra- gewaltiger Zeitraum, der ebenfalls nur in ausgewählten gen, ist auch eine wichtige bildungspolitische Aufgabe, Aspekten und mit gezielter Schwerpunktbildung darzu- der sich die Historiker keineswegs entziehen dürfen, stellen war. Die Darstellung konzentriert sich auf die denn gerade in einem künftigen europäischen Haus politische Geschichte, die in wechselnden Territorien wird es vom historischen Sinn seiner Bewohner ent- ihren Raum und in unterschiedlichen Herrschaftsfor- scheidend abhängen, ob die "Region Bayern" ihren ei- men ihre Gestalt fand. Daß vieles differenzierter, auf genen, frei gestalteten Raum bewohnen darf oder sich die einzelnen Regionen abgestimmt betracht werden als abhängiger "Untermieter" anzupassen hat. kann und muß, ist den Verfassern bewußt. Manfred Treml Politische Geschichte Bayerns Seite 4 Bayern im Frankenreich (5. - 10. Jahrhundert) Das Gebiet des heutigen Freistaats teilen sich drei Volksstämme: die namengeben- den Bayern oder Baiern, die Franken und die Schwaben. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die drei benachbarten Stämme weitgehend eigenstän- dig, wenn sich auch stammesübergreifende Einheiten - z.B. in der Kirchenorganisati- on - herausbildeten. Schon die Stammesbildung nahm bei Bayern, Franken und Schwaben einen unterschiedlichen Verlauf. Herkunft der Stämme Die Herkunft der Bayern bzw. Bajuwaren ist in der Forschung noch immer umstrit- Bayerns ten. Nach heutigem Verständnis geht man nicht von der Einwanderung eines ge- schlossenen Stammesverbandes aus, sondern nimmt eine Stammesneubildung im Raum südlich der Donau an, die sich nach dem Zusammenbruch der Römerherrschaft in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts vollzog. Der Stammesname "Bajuwaren", der meist mit "Männer aus Baia" übersetzt wird, läßt als namengebenden Kern des Stammes Germanen aus Böhmen (Boiohaemum) vermuten, die sich seit dem späten 4. und während des 5. Jahrhunderts an der römischen Donau- grenze niederließen und von dort in das Alpenvorland eindrangen. Neben weiteren germanischen Volksgruppen unterschiedlicher Herkunft ging auch die im Land ver- Abb. 1 bliebene romanische Bevölkerung im neugebildeten bayerischen Stamm auf. Das Gebiet der heutigen drei fränkischen Regierungsbezirke verdankt seinen Namen dem germanischen Stammesverband der Franken, der sich im 3. Jahrhundert n. Chr. im mittel- und niederrheinischen Raum an der Grenze zum Römischen Reich bildete und seit der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts unter den Merowingerkönigen zur beherr- schenden Großmacht West- und Mitteleuropas aufstieg. Die Region um die Main- achse, die seit ca. 500 zum großen Teil im Machtbereich des Thüringerreiches lag, geriet nach der Niederlage der Thüringer gegen die Franken 531 zunehmend unter den Einfluß des expandierenden Frankenreiches. So wurden die Mainlande zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert allmählich zu einem Kernraum des Frankenreichs, und der Name "Franken" bezog sich seit dem 9. Jahrhundert nicht mehr nur auf das Gesamt- reich bzw. den ostfränkischen Reichsteil, sondern immer mehr auch auf das Gebiet nördlich und südlich des Mains, an dem der Name schließlich haften blieb. Abb. 2 Bayerisch-Schwaben oder Ostschwaben gehört zum sehr viel größeren alamanni- schen Siedlungsgebiet und bildete erst seit der Eingliederung in das Königreich Bay- ern eine Verwaltungseinheit. Die Alamannen oder Alemannen (vielleicht aus "alle Mannen") entwickelten sich aus verschiedenen Völkerschaften, vor allem elbgermani- schen Sueben (Schwaben), Ende des 2. Jahrhunderts n.Chr. im Südwesten Deutsch- lands an der Grenze des Römischen Reiches zum großen Stammesverband. In den Alamannenstürmen des 3. Jahrhunderts durchbrachen sie die römische Grenzbefesti- gung (Limes) und drangen bis zu den Alpen vor. Die neue römische Grenzlinie Rhein-Bodensee-Iller-Donau hielt noch über ein Jahrhundert, ehe auch der ostschwä- bische Raum zwischen Iller und Lech von den Alamannen besiedelt wurde. Politische Geschichte Bayerns Seite 5 Königsherrschaft und Während das heutige Nordbayern seit dem 6. Jahrhundert unter direkte fränkische Stammesherzogtum Herrschaft gelangte, so daß sich im 7. Jahrhundert nur für relativ kurze Zeit ein Her- zogtum ausbilden konnte, entwickelten sich südlich davon die durch den Lech ge- trennten Stammesherzogtümer der Alamannen und Bayern. Zwar entstanden die bei- den Herzogtümer ebenfalls durch den machtpolitischen Eingriff der Franken, doch gelang es beiden Stämmen, eine gewisse Selbständigkeit gegenüber der fränkischen Oberhoheit zu gewinnen. Die ersten Ansätze zur Herrschaftsbildung bei den sich zum Stamm entwickelnden Baiern dürften sich bereits unter dem Einfluß der Ostgoten Ende des 5./ Anfang des 6. Jahrhunderts herausgebildet haben. Auf sicherem Boden bewegen wir uns aber erst mit der frühesten Nennung eines bayerischen Herzogs namens Garibald I. (vor 555- ca. 591). Er stammte, wie alle bayerischen Herzöge bis zur Beseitigung des Stammes- herzogtums 788, gemäß einer Bestimmung der ältesten bayerischen Rechtsaufzeich- nung, der Lex Baiuvariorum, aus dem Geschlecht der Agilolfinger. Ihre Herrschaft übten die agilolfingischen Herzöge in einem mehr oder weniger engen Abhängig- keitsverhältnis zu den fränkischen Königen aus, die mehrfach durch Ab- oder Einset- zung eines Herzogs direkt in die politischen Geschicke des Herzogtums eingriffen. Durch Heiratsverbindungen mit den langobardischen, alamannischen und vielleicht auch thüringisch-fränkischen Königs- bzw. Herzogsgeschlechtern versuchten die bayerischen Agilolfinger, eine eigenständige Politik zu betreiben. Sie erlangten so zeitweise eine fast königsgleiche Stellung. Herzog, Adel Die "staatlichen" Leitungsfunktionen des Herzogs beschränkten sich weitgehend auf und Volk die Führung des bayerischen Heerbannes im Krieg und auf die oberste Rechtspre- chung im Frieden. Nach der gestaffelten Höhe des "Wergeldes", des Sühnegeldes für Abb. 3 Straftaten in der Lex Baiuvariorum, folgten dem Herzog in der sozialen Rangordnung fünf namentlich genannte Adelsgeschlechter, dann die Freien, die Freigelassenen und schließlich die praktisch rechtlosen Unfreien. Daneben bezeugen die Urkunden des 8. Jahrhunderts eine breitere Adelsschicht, oft im Amt eines Grafen und Richters, die sich im Rechtsstatus aber noch nicht von den Freien unterschied. Die Machtstellung von Herzog, Adel und der durch reiche Schenkungen mächtig gewordenen Kirche be- ruhte auf einem ausgedehnten Grundbesitz und auf der Verfügungsgewalt über die abhängigen Bauern, die diese Landgüter bewirtschafteten und ihren Grundherren Ab- gaben und Dienste leisten mußten. Dieses System der Grundherrschaft, ein wesentli- ches Element der mittelalterlichen Gesellschaftsstruktur, ermöglichte erst den Landes- ausbau und schuf auch die Voraussetzungen für die kulturellen Leistungen der Kirche. Grenzen und Während die Lechgrenze im Westen gegen die Alamannen stabil blieb, dehnte sich Nacharn das bayerische Siedlungsgebiet nach Osten bis etwa zur oberösterreichischen Enns aus. Im Süden residierten im 7. Jahrhundert ein bayerischer Grenzgraf in Bozen, und in das Gebiet nördlich der Donau, den Nordgau, drangen die Bayern
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