In Alpinen Wald-Ökosystemen Südtirols Auf Den Dauerbeobachtungsflächen IT01 Ritten Und IT02 Montiggl Im Jahre 2006
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forest observer vol.4 2008 249 - 292 Biomonitoring der Zikadenfauna (Auchenorrhyncha) in alpinen Wald-Ökosystemen Südtirols auf den Dauerbeobachtungsflächen IT01 Ritten und IT02 Montiggl im Jahre 2006 Michael Carl Abstract Ecological assessment in alpine forest ecosystems: Biomonitoring of and bioindication by the leafhopper-fauna (Auchenorrhyncha) at monitoring sites in northern Italy Concerning leafhopper communities the Ritten (IT01) and Montiggl (IT02) have become one of the most intensively explored mountain massifs of South Tyrol. From 1996 to 2006 more than 4900 individuals out of 81 species were collected. The use of leafhoppers as a management tool for monitoring status and change in forest ecosystems is critically evaluated. The fauna of both sites is dominated by a characteristic set of partially strongly specialized species. Species turnover as well as evaluation of precipitation and temperature of the monitoring sites show a strong reaction of the leafhopper communities on effects probably caused by climate change. Keywords: Leafhoppers, Auchenorrhyncha, species communities, mountaineous forests, climate change, Alps, Italy 1 Einleitung 1.1 Veranlassung und Fragestellung Seit einigen Jahren haben durch verschiedenste Individuenzahl in Grünland‑ und Waldhabitaten Forschungsprojekte die Zikaden (Insecta, Auchenor‑ vor und besiedeln deren gesamte dreidimensionale rhyncha) eine wachsende Bedeutung für die Bioin‑ Struktur von der Wurzel bis zur Baumspitze. Zikaden dikation erlangt. Diese Insektenordnung von Pflan‑ sind daher als potentielle Bioindikatoren hervorra‑ zensaugern hat sich wie alle anderen Organismen im gend für die faunistisch / ökologische Analyse der Verlauf ihrer Stammesgeschichte an einen Komplex Bergwaldstandorte Ritten und Montiggl bei Bozen von Umweltfaktoren angepasst. In der Krautschicht geeignet. der Wiesen haben sie sich eine oder mehrere öko‑ Mit dem Biomonitoring der Zikadenfauna auf den logische Nischen erobert, in denen sie die ihnen Dauerbeobachtungsflächen IT01 Ritten und IT02 zusagenden Lebensbedingungen finden, sich ernäh‑ Montiggl in Südtirol wurde 1996 begonnen. In den ren und fortpflanzen können. Durch enge Bindung Jahren 2000 und 2006 fand das Untersuchungspro‑ der Zikaden an eine oder mehrere Futterpflanze(n), gramm seine Fortsetzung. Das Ergebnis des Unter‑ sowie ihre vielfältigen und zum Teil hochspeziali‑ suchungsjahres 2006 wird in der vorliegenden Arbeit sierten Anpassungen an unterschiedlichste biotische vorgestellt. Die Ergebnisse aller Untersuchungsjahre und abiotische Umweltfaktoren, reagieren Zikaden (1996 + 2000 + 2006) sollen außerdem vergleichend deutlich auf Veränderung dieser Umweltfaktoren diskutiert werden. Ziel ist die Analyse der Zikaden‑ (z.B. BIEDERMANN 2002; BORNHOLDT 2002; MASTERS zönosen der Bergwaldstandorte Ritten und Montiggl et al. 1998; SCHÄLLER et al. 1985; WHITTAKER 1998). im Hinblick auf Veränderungen biotischer und / oder Außerdem kommen Zikaden in hoher Arten‑ und abiotischer Umweltparameter. 249 1.2 Lage der Untersuchungsgebiete (UG) 1.2.1 Ritten (IT01) 1.2.2 Montiggl (IT02) Die Untersuchungsfläche liegt ungefähr 7 km nörd‑ Die Untersuchungsfläche liegt ungefähr 9km südlich lich von Bozen am Fuß des Rittner Horns in ca. von Bozen auf dem Rücken des Mitterberges in ca. 1770 m ü.NN (Abb. 1). Das Gelände ist südwest- 550 m ü.NN (Abb. 2). Das Relief ist unregelmäßig exponiert mit ca. 35 % Hangneigung. Es handelt nach verschiedenen Richtungen geneigt. Stellen‑ sich um einen subalpinen Fichtenwald mit Zirbe und weise anstehender Fels. Es handelt sich um einen Lärche. Die Krautschicht besteht im wesentlichen Flaumeichenbuschwald mit Edelkastanie, Manna‑ aus Gräsern, Arnika, Heidelbeere und Preiselbeere. esche, Hopfenbuche und Föhre. Die Krautschicht Die Waldstruktur ist halboffen mit zahlreichen besteht im wesentlichen aus Gräsern, Schneeheide, besonnten Stellen. Besonders unmittelbar nach Salomonssiegel und Mäusedorn. Die Waldstruktur der Schneeschmelze wird das UG von zahlreichen ist sehr heterogen von beschattet bis halboffen mit kleinsten temporären Rinnsalen durchzogen. zahlreichen besonnten (felsigen) Stellen. 2 Material und Methode 2.1 Charakterisierung der Probenahmestellen Zahlreiche Probenahmestellen werden am Ritten denes Weidegrünland (Almwiese). Die floristische und Montiggl mit Kescher (Streifnetz + spezielles Strukturierung steht damit in deutlichem Gegensatz Gehölznetz), Saugfalle (VAC), sowie mittels spezi‑ zur Monitoringfläche. eller Baumfallen beprobt. Die beiden Monitoring‑ Gehölze innerhalb der Monitoringfläche. Umfas‑ flächen IT01 und IT02 dürfen jedoch nicht isoliert sende Beprobung mit Gehölznetz und Baumfallen betrachtet werden. Vielmehr ist darauf zu achten, (4 ‑Seiten‑Lufteklektor). ob es sich eventuell um Sonderstandorte handeln Gehölze außerhalb der Monitoringfläche (Gehölze könnte, die außerdem durch die Nutzung als Standort um Almwiese). Umfassende Beprobung mit Gehölz‑ für zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungsein‑ netz und Baumfallen (4 ‑Seiten‑Lufteklektor). richtungen beeinflußt sein könnten. Vergleichend Alle oben genannten Probenahmestellen „außerhalb wurden daher an beiden Standorten auch außerhalb der Monitoringfläche“ grenzen unmittelbar an die der Untersuchungsflächen Proben genommen. Einzäunung von IT01. 2.1.1 Ritten (IT01) 2.1.2 Ritten weiter außerhalb der Monitoring- In der Krautschicht innerhalb der Monitoringfläche. fläche (Almwiese) Umfassende Beprobung möglichst aller Teille‑ Die Untersuchungsfläche mit geringer Hangneigung bensräume mit Kescher und motorgetriebenem und leicht gewelltem Oberflächenrelief liegt in der Saugapparat (VAC). Nachbarschaft von IT01. Sie ist charakterisiert durch In der Krautschicht außerhalb der Monitoring‑ offene Grasfluren mit extensiver Weidewirtschaft, fläche. Umfassende Beprobung möglichst aller eingestreute Gehölzgruppen, trockenere Bereiche Teillebensräume mit Kescher und motorgetriebenem und einen Bachlauf, der partiell sumpfige Gras‑ Saugapparat (VAC). Es handelt sich hier um offenes flächen verursacht. Daraus resultiert eine relativ und nur vereinzelt von solitären Gehölzen bestan‑ heterogene Strukturierung der Krautschicht. 250 2.1.3 Montiggl (IT02) in Schraubdeckelgläser mit 75 % Ethanol über‑ • In der Krautschicht innerhalb der Monitoring‑ führt. Für das Absammeln der Bäume und fläche. Umfassende Beprobung möglichst aller Büsche wird ein spezieller Kescher (Gehölz‑ Teillebensräume mit Kescher und motorgetrie‑ netz) verwendet, der stark genug ist, um auch benem Saugapparat (VAC). kräftige Zweige bekeschern zu können. Die • In der Krautschicht außerhalb der Monito‑ Probenahmen finden höhenbezogen in der ringfläche. Umfassende Beprobung möglichst Reichweite von 0 ‑3 m statt. aller Teillebensräume mit Kescher und motor‑ • Saugfalle (VAC): Der motorgetriebene Saug‑ getriebenem Saugapparat (VAC). Es handelt apparat saugt die Tiere über ein Rohr in einen wie innerhalb der Monitoringfläche sich um Netzbeutel, aus dem die Tiere nach Abschalten einen Flaumeichenbuschwald. Die floristische des Gerätes lebend entnommen werden können Strukturierung ist daher als sehr ähnlich ein‑ (Abb. 3). Nach dem Fang werden die Zikaden zustufen. mit dem Exhaustor ausgelesen und die gefan‑ • Gehölze innerhalb der Monitoringfläche. genen Tiere in Schraubdeckelgläser mit 75 % Umfassende Beprobung mit Gehölznetz und Ethanol überführt. Baumfallen (4 ‑Seiten‑Lufteklektor). • Baumfalle (4 ‑Seiten-Lufteklektor): Durch häu‑ • Gehölze außerhalb der Monitoringfläche. figes Umhängen an verschiedene Bäume in Umfassende Beprobung mit Gehölznetz und verschiedenen Höhen soll dieser Fallentyp flie‑ Baumfallen (4 ‑Seiten‑Lufteklektor). gende Zikaden erfassen. Die Eklektor‑Kopfdose Alle oben genannten Probenahmestellen „außerhalb erfasst Insekten, welche fliegend oder laufend der Monitoringfläche“ grenzen unmittelbar an die nach oben ausweichen. Die untere Fangflasche Einzäunung von IT02. erfasst Insekten, welche sich fallen lassen bzw. nach unten laufen (Abb. 4). 2.1.4 Montiggl weiter außerhalb der Monito- ringfläche (ebenfalls im Wald) Bei dieser Untersuchungsfläche handelt sich eben‑ 2.3 Indikationseigenschaften von Zikaden- falls um einen Flaumeichenbuschwald mit Edel‑ zönosen kastanie, Mannaesche, Hopfenbuche und Föhre. Die Bioindikatoren sind Organismen oder Organismen‑ Krautschicht besteht im wesentlichen aus Gräsern, gemeinschaften, deren Lebensfunktionen sich mit Schneeheide, Salomonssiegel und Mäusedorn. Das bestimmten Umweltfaktoren so eng korrelieren Kronendach ist nahezu geschlossen mit wenigen lassen, dass sie als Zeiger dafür verwendet werden sonnigen Stellen. Die felsigen Stellen von IT02 können (SCHU B ERT 1991). Biologische Systeme rea‑ fehlen weitgehend. Diese IT02 dennoch sehr ähn‑ gieren sowohl auf natürlich auftretende als auch auf liche Untersuchungsfläche liegt in deren Nachbar‑ anthropogen verursachte extreme Veränderungen schaft. von Umweltfaktoren (Stressoren) bzw. Faktoren‑ gefügen. Wesentlich für die Auswirkung auf die Biozönosen sind dabei Stärke, Intensität, Zeitpunkt 2.2 Untersuchungszeitraum und Methodik und Dauer des Stressors. Als Beispiel sei hierfür das Ausbleiben der Überschwemmung der Fluss‑ Die Probenahmen wurden vom 27. April bis zum auen durch geringe Niederschläge in einem Jahr 29. September 2006 durchgeführt. dem Ausbleiben der Überschwemmungen über Für die Probenahmen kamen folgende Methoden viele Jahre durch Regulierung des Fließgewäs‑ zum Einsatz: sers gegenübergestellt. Hier wirken Zeitpunkt und • Kescherfang: Für die Kescherfänge in der Kraut‑ Dauer des