MIGUEL VILLAGRAN / GETTY IMAGES MIGUEL VILLAGRAN Scheidender -Chef Wiedeking, -Nachfolger Macht, -Miteigentümer (M.)*: „Es tut mir in der Seele weh“

fünf Milliarden frisches Geld. Und 2011 soll AUTOINDUSTRIE es zur Verschmelzung der mit VW kommen. Auf einer Stufe mit Audi Die Schritte sind kompliziert. Sie wer- den ein kleines Konjunkturprogramm für Anwälte und Wirtschaftsprüfer auslösen. Bei Porsche sprechen viele von einer Fusion auf Das Ergebnis aber ist schlicht: Porsche wird die zehnte Marke im VW-Konzern. Und Augenhöhe. Doch die Fakten sind klar: Der VW-Konzern an dem vereinten VW-Porsche-Konzern übernimmt den Stuttgarter Sportwagenbauer. werden die Familien Porsche und Piëch, das Land Niedersachsen und Katar als ränen lügen nicht. Wolfgang Porsche triebsräte. In einer vierjährigen Auseinan- größte Anteilseigner beteiligt sein. konnte sie nicht mehr zurückhalten, dersetzung haben diese verhindert, dass Nicht nur Porsche-Betriebsrat Hück hat Tals er am vergangenen Donnerstag der Branchenzwerg Porsche den Autorie- Probleme, die neue Faktenlage zu akzep- der Porsche-Belegschaft versprach: „Ma- sen VW übernimmt. Jetzt kauft VW die tieren. Auch im Porsche-Management spre- chen Sie sich keine Sorgen um Ihre Arbeits- Sportwagenfirma Porsche. chen viele noch von einer Fusion der Un- plätze, der Mythos Porsche lebt und wird Nur Betriebsratschef Uwe ternehmen Porsche und VW „auf Augen- nie untergehen.“ Hück, der einstige Thaiboxer, will von höhe“. Der Aufsichtsratschef und Miteigentü- einer Niederlage nichts wissen. „Ich bin Tatsächlich sind Sieger und Verlierer die- mer von Porsche, Gegenspieler von Ferdi- stolz, dass wir das geschafft haben, keiner ses einmaligen Machtkampfs zwischen nand Piëch, schneuzte in ein weißes Ta- hat uns zugetraut, dass wir eigenständig zwei Konzernen und zwei Familienclans schentuch und wischte sich die Feuchtig- bleiben“, brüllte Hück ins Mikrofon. Dann nicht leicht auszumachen. Vieles ist ganz keit aus den Augen. reckte er die rechte Faust nach oben und anders, als es scheint. musste sich sehr schrie: „Das ist die Botschaft.“ Die Sportwagenfirma Porsche beispiels- zusammenreißen, dass es ihm nicht ähnlich Auch abends, im Interview mit den „Ta- weise zählt zu den Gewinnern. In den ver- ging. Mehr als 5000 Porsche-Mitarbeiter gesthemen“, hatte sich Hücks Puls nicht gangenen Wochen hat sich die Situation wollten gar nicht mehr aufhören mit ihrem gelegt. Sichtlich erregt sagte er: „Es wird dramatisch zugespitzt. Die Finanznot von Applaus für den scheidenden Chef. „Ihr keine Übernahme von Porsche geben.“ Porsche ist größer als bislang bekannt. Die macht es mir verdammt schwer“, sagte Es wird sie geben. Das zumindest sieht Verschuldung addiert sich nicht auf 10, Wiedeking und sprach dann mit unge- der Grundlagenvertrag vor, den Porsche sondern auf 14 Milliarden Euro. Nach An- wohnt leiser Stimme weiter: „Es tut mir in und VW am 13. August unterschreiben gaben aus Bankenkreisen müssen zu den der Seele weh.“ wollen. Demnach kauft VW als Erstes 49,9 Kreditschulden noch weitere Anleihen hin- Wolfgang Porsche und Wiedeking ha- Prozent der Porsche AG. Dann wird das zugezählt werden, die das Unternehmen ben den Machtkampf verloren. Gegen VW- Emirat Katar Miteigentümer bei VW. In ausgegeben hat. Aufsichtsratschef Piëch, Niedersachsens einem dritten Schritt verschaffen die Fami- Ministerpräsident Christian Wulff, das VW- lien Porsche und Piëch der Porsche Auto- * Auf der Betriebsversammlung am 23. Juli in - Management und die Wolfsburger Be- mobil Holding über eine Kapitalerhöhung Zuffenhausen.

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Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann wies Porsche-Miteigentümer Wolfgang Porsche in einem vertraulichen Gespräch darauf hin, wie schwierig die Lage sei. Die Familien kämen um eine Kapitalerhöhung bei Porsche nicht herum, sagte Acker- mann. Sie müssten sehr schnell eigenes Ka- pital ins Unternehmen stecken. Dies habe eine hohe Dringlichkeit. Für Porsche ist die Übernahme durch VW auch aus einem anderen Grund eher ein Gewinn. Das Unternehmen ist zwar immer noch profitabel. Aber es steht vor gewaltigen Problemen. Der schöne Mythos von Porsche ver- deckte lange, dass die Modelle aus Stuttgart- Zuffenhausen selten mit neuester Technik glänzen. Wie sollten sie auch? Porsche muss teure Technologien für maximal 100 000 Autos entwickeln, die im Jahr verkauft werden. Audi kann für seine Modelle in den Baukasten des VW-Konzerns greifen. Solange Porsche in Wolfsburg als feind- licher Investor wahrgenommen wurde, konnten VW-Manager Kooperationen mit allerlei Tricks verhindern. Erst wenn Por- sche eine Marke des Konzerns ist, haben sie ein Interesse daran, dass die Sportwa- genfirma neue Technologien als Erste ein-

führt. Auch die Arbeitsplätze der Porsche- / KEYSTONE JABLINSKI CHRISTIAN Belegschaft dürften mit dem Verkauf der Porsche-Produktion in Stuttgart-Zuffenhausen: Die Arbeitsplätze werden eher sicherer Porsche AG eher sicherer werden. Das Porsche-Management aber wird den blem werden. Aus einer Präsentation für durchsetzen. Aber auch bei ihm ist die Bi- Rollenwechsel üben müssen: Wiedekings den Grundlagenvertrag geht hervor, dass in lanz nicht so eindeutig, wie es scheint. 170 Nachfolger Michael Macht ist nicht mehr der ersten Jahreshälfte 2011 die Familien bis 175 Millionen Abfindung wären nach der große Meister, der die Kollegen bei Porsche und Piëch über 30 Prozent halten Einschätzung der Porsche-Juristen mögli- VW mit kritischen Fragen in Verlegenheit sollen, Niedersachsen über 20 und Katar cherweise fällig gewesen, wenn Wiedeking bringen kann. Macht wird verantwortlich knapp unter 20 Prozent. Der Anteil der auf Zahlung geklagt hätte. Wiedeking ak- sein für die Marke Porsche. Er steht damit Familien wird damit niedriger sein als bis- zeptierte das Angebot von 50 Millionen. auf einer Stufe mit den Chefs von Bentley, lang stets unterstellt. Doch sie werden der Einerseits sollte ein Manager, der das Audi oder µkoda. größte Aktionär. Unternehmen an den Rand des Abgrunds Auf der anderen Seite kann sich der Hans Michel Piëch und Oliver Porsche gefahren hat, überhaupt keine Abfindung VW-Konzern keineswegs als Sieger sehen. sollen jetzt in den VW-Aufsichtsrat einzie- erhalten. Andererseits hat vor Wiedeking Zunächst einmal muss er viel Geld zahlen. hen. Sie nehmen die Plätze von Wiedeking noch keiner auf so viel Geld verzichtet, Rund vier Milliarden Euro dürften für ei- und dem ebenfalls entlassenen Porsche- das ihm laut Vertrag zugestanden hätte. nen 49,9-Prozent-Anteil an der Finanzchef Holger Härter ein. Die Hälfte der 50 Millionen spendet der Porsche AG fällig werden. Noch Wolfgang Porsche rückt sogar ins scheidende Porsche-Chef zudem. einmal drei Milliarden für den Präsidium des VW-Kontrollgre- Dies hat viele überrascht, weil Wiede- möglichen Kauf des Autohan- miums auf, in dem er dann ge- king seit dem Einstieg Porsches bei VW delsunternehmens der Familien meinsam mit seinem Cousin und nur noch in seiner Rolle als großer Kon- Porsche und Piëch in Salzburg, Gegner Ferdinand Piëch sitzt. zernboss auftrat. damit die Geld für die Porsche- Die Arbeitnehmervertreter Verborgen blieb eine andere Seite dieses Kapitalerhöhung haben. fürchten, dass die beiden Clans Managers. Im Gegensatz zum einstigen Die Finanzierung der Porsche- ihre Streitereien künftig im VW- Post-Chef Klaus Zumwinkel, der Steuern Übernahme wird nicht einfach. Konzern ausfechten. Sie machen hinterzog, sich seine Pensionsansprüche

Der VW-Konzern verfügt über PRESS JÖRG EBERL/ ACTION sich deshalb dafür stark, dass die von 20 Millionen Euro auszahlen ließ und eine Nettoliquidität von gut zehn VW-Aufseher Piëch VW-Belegschaft ebenfalls zum sich auf seine Burg in Italien zurückzog, Milliarden Euro. Aber der Vor- Keine Siegerpose Aktionär wird und einen Anteil will Wiedeking weiterhin in Bietigheim-Bis- stand hat entschieden, dass eine von drei bis fünf Prozent erhält. singen leben, im Restaurant Schiller Kutteln Grenze von fünf Milliarden nicht unter- Möglicherweise ist Ferdinand Piëch bereit, essen und nicht schief angesehen werden. schritten werden soll. Sonst müsste VW mit einen Teil seiner Aktien an eine Stiftung zu An seinen großen Fehlschlag wird Wie- einem schlechteren Rating rechnen. Dies übergeben. deking aber auch in Bietigheim ständig er- wiederum würde die Finanzierung verteu- Piëch ist der große Gewinner des innert. Am Ortseingang steht ein Verwal- ern, weil VW höhere Zinsen zahlen müsste. Kampfs, was man auch daran ablesen tungsgebäude von Porsche. Dort sollte die Langfristig ist es für den VW-Konzern kann, dass er seine Mitarbeiter auffordert: Porsche Holding mit ihm an der Spitze ein- sinnvoll, Porsche zu übernehmen. Kurzfris- „Stellts mich nicht als Sieger dar.“ Das ziehen, die das große Autoreich mit VW tig aber ist der Deal eine Belastung. würde nur erneut für böses Blut sorgen. und Porsche gesteuert hätte. Nun steht die Auf lange Sicht könnte auch die künfti- Wendelin Wiedeking gilt zwar gemein- oberste Etage leer, und das wird sich wohl ge Eigentümerstruktur für VW zum Pro- hin als Verlierer. Er konnte sich nicht kaum noch ändern. Dietmar Hawranek

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