Auch Der Urbane Flachländer Hat Seine Alpen» «Vrenelis Gärtli» Von Tim Krohn, Auf Die Bühne Gebracht Von Jonas Knecht
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Nº 11 Januar – Februar 10 «Auch der urbane Flachländer hat seine Alpen» «Vrenelis Gärtli» von Tim Krohn, auf die Bühne gebracht von Jonas Knecht Am Anfang war das Migroswägeli «Pomp auf Pump»: ein Singspiel von Corin Curschellas Öderland ist überall Wenn der Staatsanwalt zur Axt greift: Achim Lenz inszeniert Max Frischs visionäres Amok-Drama THEATER CHUR ■ JANUAR – FEbRUAR 10 ■ 3 Demnächst an diesem Theater: Ute Haferburg, designierte Leiterin, pendelt die nächsten Monate zwischen der Vlaamse Opera in Antwerpen und ihrem neuen Arbeitsplatz in Chur. Editorial Die beiden kommenden Wintermonate stehen er- neut im Zeichen des «Höhenfeuers», dem Pro- grammschwerpunkt mit Theater, Musik, Kunst und Literatur aus dem Alpenraum, den wir gemein- sam mit der Kultur-Bar Werkstatt veranstalten. Mit «Pomp auf Pump», einem theatralisch- musikali schen Soloabend von Corin Curschellas, und einer Theaterfassung von Tim Krohns Roman «Vrenelis Gärtli» beginnen wir gleich mit zwei Ur- aufführungen, die das Theater Chur kopro duziert hat. Mit Reto Hänny und Hans Hassler, Wolfram Berger und Marianne Schuppe, Mathias Lincke, Dide Marfurt, Walther Lietha und Andri Perl sind bei «Höhenfeuer» Künstlerinnen und Künstler zu Gast, die sich auf eigenständige Weise mit dem Lebensraum Alpen, seinen Traditionen, seiner Ge- schichte und seiner Gegenwart auseinanderset- zen. Dazu gehört auch die aus dem Kanton Uri stammende Foto grafin Vanessa Püntener, deren Bilder aus dem Buch «Alp – Porträt einer verbor- genen Welt» in unserem Haus im Rahmen von «Höhenfeuer» zu sehen sein werden. Ihre aus- drucksstarken Fotografien illustrieren auch die Theater und Gegenwart Texte zum Schwerpunkt «Höhenfeuer» in dieser Zeitung. Ende Februar folgt eine weitere Koproduktion: Wir zeigen die Inszenierung des jungen, aus Chur stammenden Regisseurs Achim Lenz, der sich Max Frischs «Graf Öderland» vorgenommen hat. Ute Haferburg, die neue künstlerische Leiterin des Theaters Chur, wird ab Januar, zunächst Die Moritat um einen Staatsanwalt, der zum Amok läufer wird, ist ein Stück Schweizer Litera- mit einem halben Pensum, die Saison 2010/11 vorbereiten, bevor sie im August die Leitung tur, das seit seiner Urauf führung 1951 an Aktua- übernimmt. Lesen Sie hier über ihre Pläne und Visionen für den Theaterplatz Chur. lität nur gewonnen hat. (MB) «Die Strumpfwürker in Apolda hungern, und ich muss zwischen Christen und Muslimen nicht nur in den likum, über Ihre Erfahrung mit unseren Vorstellungen die ‹Iphigenie› in Jamben setzen», beschreibt Goe- westlichen Demokratien. Das Nachsehen haben die und Aktivitäten ins Gespräch kommen. Darüber hi- the in einem Satz den Widerspruch zwischen Kunst in der Mehrzahl friedlichen Muslime. Was aber wis- naus aber möchten wir mit Ihnen gemeinsam Thea- und Realität, in dem sich auch jeder Theaterschaf- sen wir wirklich von unseren Nachbarn, was wissen ter machen: in Jugend theaterprojekten wie auch in fende wiederfindet. Kurz nach meiner Wahl zur neu- wir von der islamischen Religion und Kultur? Und besonderen Theater abenden mit Profis und Laien, en Leiterin des Theaters Chur war Abstimmung: Nun was haben Theater im Allgemeinen und das Theater wie es das Churer Ensemble bereits im Jenatsch- Inhalt ist der Bau von Minaretten in der Schweiz verboten. Chur im Besonderen damit zu tun? Projekt vorgeführt hat. Meine Vision ist, dass das Soll ich als neue, deutsche, mich in der Schweiz seit Theater Chur im Bewusstsein der Menschen in Stadt vierzehn Jahren heimisch fühlende Theaterleiterin Theater verstehe ich als einen pulsierenden Ort, wo und Kanton lebt, dass Sie sagen: «Wir sind stolz auf 04 – Höhenfeuer nicht besser schweigen und von meinen Ideen und sich Kunst und Realität auf der Bühne und im Dialog unser Theater, da ist was los, da gehen wir hin.» Ich Musik, Literatur und Kunst aus dem Alpenraum Plänen für das Theater Chur, den «kulturellen Leucht- mit dem Publikum begegnen. Also darf, ja muss sich bin überzeugt, dies ist ganz im Sinne meines Vorgän- mit Reto Hänny & Hans Hassler, Andri Perl, Giigämaa Matthias Lincke, Dide Marfurt & Walter turm» Graubündens, schreiben? Das Minarettverbot lebendiges Theater auch zu aktuellen Themen unse- gers, des so plötzlich verstorbenen Intendanten Mar- Lietha, Wolfram Berger & Marianne Schuppe und bringt mich jedoch gleich in medias res meiner Thea- rer Gesellschaft spielerisch, kreativ und kritisch ver- kus Luchsinger, der das Theater Chur durch her- Vanessa Püntener. ter visionen für Chur: Ich recherchiere im Inter net, halten. Als «kultureller Leuchtturm», als «kulturelles vorragende Theaterabende in der Stadt und über den 06 – «Auch der urbane Flachländer lese die Onlinenachrichten, google mich durch die Minarett» darf das Theater Chur der Ort für Utopien Kanton Graubünden hinaus ins Gespräch ge bracht hat seine Alpen» Stichworte Muezzin, Minarett, Moschee; Wikipedia und Leidenschaften sein, ein offener Raum der Be- hat. Ich möchte an dieser Stelle Mathias Balzer, sei- Uraufführung: «Vrenelis Gärtli» von Tim Krohn, auf sei Dank finde ich hier viel Aufklärung. Und da ist gegnungen zwischen Kunst und Realität. Bereits die nem interimistischen Vertreter, danken, dass er im die Bühne gebracht von Jonas Knecht schon der «Link» zum kult urellen Leuchtturm: sogenannten Klassiker – von den griechi schen Tra- Andenken Markus Luchsingers dessen letztes, viel- 08 – Am Anfang war das Migroswägeli «Minarett (vom Türkischen minare, ein Lehnwort aus gödiendichtern über Shakespeare, Lessing, Goethe, seitiges, spannendes Programm durch die ganze Sai- .manãrah, bedeutet ursprünglich Schiller, Ibsen, Moliere bis Brecht, Dürren matt, Frisch son 2009/10 verantwortlich leitet ةرانم Uraufführung: «Pomp auf Pump», ein dramatisches arabisch Singspiel von Corin Curschellas ‹Leucht turm›) ist ein erhöhter Standplatz oder Turm und viele andere – haben sich mit ihren Dramen in 10 – Öderland ist überall für den Gebetsrufer (Muezzin) bei oder an einer das gesellschaftspolitische Leben eingemischt und Theater ist Bühnenkunst von Menschen für Men- Wenn der Staatsanwalt zur Axt greift: Achim Lenz Moschee, seit ca. 661 n. Chr. gebräuchlich. Minarette Einspruch in den Weltlauf erhoben. Ebenso reagie- schen. Theater ist der Ort der kreativen, vision ären inszeniert Max Frischs visionäres Amok-Drama waren ursprünglich von Fackeln erhellte Wach- oder ren die gegenwärtigen Autoren, Kom po nisten und Begegnung und des spielerischen und kritischen 12 – Vorschauen Signaltürme für vor beiziehende Karawanen – daher Bühnenkünstler in ihren Werken und Interpretatio- Austauschs zwischen dem Werk, den Künstlern und -Licht›», nen auf unsere Realität. Mit ihrer Kunst provozieren Ihnen, dem Publikum. Ohne Sie, die Theaterbesu› / رون / Churer Discurs»: Erinnerungen II mit Stefan Engler die Wortherkunft aus dem Arabischen» und Jürg Ragettli; Erinnerungen III mit Monica erklärt mir Wikipedia. sie unsere Vorstellungskraft, beflügeln unsere Fan- cher, bleibt alle Bühnenkunst einsam, ohne Reso- Capelli und Robert Capeder / Literarische Visiten: tasie, bringen Probleme und Abgründe zur nanz. Henry Miller, der grosse amerikanische Autor, Ueli Jäggi liest Friedrich Glauser / Azeotrop: «Bock» von Felix Profos. Ich lese weiter, dass «die öffentliche Ablehnung von «Schau». for mulierte dies in einem eindringlichen Satz: «Ein Minaretten in der Schweiz ein relativ neues Phäno- Theaterstück, selbst ein zorniges, ist unter anderem 14 – Maulhelden & Kindertheater men sei. Als Anfang der 1960er-Jahre die Zürcher In zeitgenössischen und mitunter auch «klassischen» immer auch ein Liebesbrief an die Welt, von der sehn- Maulhelden: Giacobbo.Müller.Frey «Erfolg als Moschee gebaut wurde, gab es kaum Kritik». Seit Werken möchte ich u.a. aktuelle Themen und De- süchtig eine liebevolle Antwort erhofft wird.» Ich Chan ce» / Kindertheater: Triad «Das Ding» 9/11 aber hat sich vieles verändert, wie wir alle täg- batten, die uns alle angehen, sei es regional, natio- freue mich auf Ihr Theater Chur, auf Ihre Antworten 15 – billette & Abos / Impressum lich erfahren. Radikalisierte islamische Minder heiten nal oder global, in den Spielplan aufnehmen. Und wir, und wünsche Ihnen ein friedvolles Weihnachtsfest verunsichern und polarisieren das Zusammen leben die «Theatermacher», möchten mit Ihnen, dem Pub- und ein gutes neues Jahr. ■ 4 ■ THEATER CHUR ■ JANUAR – FEbRUAR 10 Vanessa Püntener: Isenthal Oberalp, Sommer 2005 Der andere blick Es sind Bilder von ungeheurer Eindringlichkeit: Im Rahmen von «Höhenfeuer» zeigt das Theater Chur einen Fotoessay der Fotografin Vanessa Püntener Höhenfeuer über das Leben auf der Alp. Püntener hat Urner Wurzeln, aber ist in Basel aufgewachsen. Vielleicht ist es gerade dieser Blick von aussen, der den Alp-Bildern der 36-jährigen Künstlerin Alljährlich im Januar und Februar, wenn der Winter mit Schnee und Eiseskälte definitiv diese Aufrichtigkeit verleiht. «Porträt einer ver- borgenen Welt» hat sie den Zyklus genannt, doch Einzug gehalten hat, lädt das Theater Chur zum «Höhenfeuer». Auch in dieser letzten Püntener entlarvt nicht, sondern zeigt mit liebe- Ausgabe strahlt der Programmschwerpunkt mit Highlights alpiner Kultur weit über die vollem Respekt, was ist: die Menschen, ihre Tiere, Region hinaus. Neben Musik, Kunst und Literatur aus und über den Alpenraum (Seite 5) ihre Landschaft, ihr Leben. (esc) ■ präsentieren wir Ihnen mit Freude und auch ein bisschen Stolz zwei hoffentlich weit Vanessa Püntener Alp – Porträt einer verborgenen Welt lodernde Uraufführungen: «Vrenelis Gärtli», eine Bühnenadaption des gleichnamigen Vernissage: FR 15. Januar, 18 Uhrr Dauer: