Feistner, Glaswerk Hosena Der Gebrüder Von Streit Von 1907 Bis
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Pressglas-Korrespondenz 2008-3 Glaswerk Hosena der Gebrüder von Streit von 1907 bis 1993 Artikelfolge von OberIng. Karlheinz Feistner in der Lausitzer Rundschau vom 15. Dez 2007, 22. Dez. 2007, 29. Dez. 2007 und 5. Jan. 2008 In der Nacht vom 17. zum 18. Dezember 1907 wurde im Abb. 2008-3/233 Glaswerk Hosena der Gebrüder von Streit das erste Glaswerk Hosena der Gebrüder von Streit um 1907 Glas geschmolzen. Zum 100. Jahrestag hat der ehema- Foto Sammlung Feistner lige Werkleiter Karlheinz Feistner eine Chronik ver- fasst. In einer vier-teiligen Serie erscheint diese nun in der RUNDSCHAU: Die Geschichte des Glaswerkes Hosena Berliner Brüderpaar gründete 1897 in der Lausitz ein Glaswerk Erfolg kam erst mit zweitem Versuch Nach 100 Jahren möchte ich an die guten und schlech- ten Zeiten des Glaswerkes erinnern, die 1993 mit der zweiten Demontage endeten. Dazu konnte ich auf handschriftliche Aufzeichnungen aus dem Tagebuch des Hugo von Streit, die mir sein Enkel Franz von Streit Am 4. September 1906 wurde dann die Gebrüder von aus Tuttlingen freundlicherweise zur Verfügung stellte, Streit Glaswerke GmbH Berlin gegründet. Nach dem sowie auf Aufzeichnungen von Heinz Windelband, ei- Aufbau aller notwendigen Gebäude und Produktionsan- nem ehemaligen Glasmacher, und auf eigene Daten- lagen sowie eines Bahnanschlusses in Hosena wurde sammlungen zurückgreifen. der Schmelzbetrieb am 17. Dezember 1907 aufgenom- men. Am 18. Dezember begann die Produktion an ei- Franz von Streit hatte sich im Rahmen seiner Familien- nem 6-Hafen-Ofen mit 120 Mitarbeitern. Produziert forschung bis 1989 vergeblich bemüht, von der Ge- wurden Haushalts- und Wirtegläser, Lampengläser, meindeverwaltung Hosena etwas über das Glaswerk zu Tischschmuck, Baugläser und Toilettenartikel nach erfahren. Zufällig kam er dann an die neue Adresse des den schon vorhandenen Musterbüchern - also die glei- Glaswerkes und seitdem stehe ich mit ihm in ständigem chen Artikel, welche vorher von anderen Glaswerken Kontakt. Ich habe von ihm vieles über die Familie und bezogen wurden. Das Service „Berlin“ mit 90 Einzeltei- über die Gründung der Firma und den späteren Verkauf len war nachweislich schon bei Reich & Co. produziert erfahren. worden - wahrscheinlich exklusiv für die Gebrüder von Die Gebrüder Hugo und Wilhelm von Streit gründe- Streit, da es in den Musterbüchern von Reich &Co. ten am 27. Oktober 1871 in der Oranienstraße 97 in nicht aufgefunden wurde. Weitere Serien aus den ersten Berlin die Gebrüder von Streit GmbH, einen Glaswa- Jahren waren „Emma“ mit 51 Teilen sowie „Luise“ ren-Großhandel für Kristall-, Tafel- und Spiegelglas. und „Helene“. Der Vertrieb war überwiegend auf Ex- port ausgerichtet. Vertretungen und Musterlager hatte Anfangs vertrieb die Firma nach eigenen Mustern und von Streit in Hamburg, Düsseldorf, Leipzig, Görlitz, Katalogen Glas von fremden Glaswerken. Das Glas- Mailand, Zürich, Kopenhagen und Amsterdam. werk Samuel Reich & Co. mit Sitz in Krásno in Mähren (ab 1945 Osvětlovací Sklo / Tschechoslowa- Glaswerk Hosena wandert nach Osten kei, von 1964 bis 1991 ein Partner für wissenschaftlich- Reparationszahlungen machen dem Glaswerk technische Zusammenarbeit vom Glaswerk Hosena) war Hosena zu schaffen dabei der Hauptlieferant. Aus Veröffentlichungen von Pressglas-Sammlern aus 1876 übernahmen die von Streits von dieser Firma ein ganz Europa, den USA und Kanada kann man immer Grundstück in der Alexandrinenstraße 22, wo sie nun wieder entnehmen, dass insbesondere Gläser der Serie auch eine eigene Malerei zur Glasveredlung hatten. Ein „Berlin“ mit der eingepressten „Rittermarke“ im An- Glaswerk in Schliersee wird auch ein Lieferant gewe- tik-Handel auftauchen. Die Rittermarke wurde dem sen sein, da es dorthin verwandtschaftliche Bindungen Wappen derer von Streit entlehnt und war bis 1995, als gab. Vermutlich auch die Glashütte Brockwitz und ich von Nachkommen der von Streits ein Musterbuch Glashütten in der Lausitz. bekam und veröffentlichte, ein Rätsel der Sammler. Bis 1897 wurden schließlich die Glashüttenwerke Ruh- dahin hatte sie keinem Glaswerk zugeordnet werden land von Streit & Co. GmbH gegründet. 1901 ereignete können. sich hier eine Explosion, wonach das gesamte Hütten- Später kamen die Serien „New York“ mit 96 Teilen, gebäude niederbrannte. Danach wurde das Werk an die „Mascagni“, „Karl“, „Mathilde“, „Figaro“, „Diamant“, Glashüttenfirma Czulius & Co., Neupetershain, ver- „Hektor“, „Hanny“, „Elly“, „Käte“, „Stella“, „Leonore“ pachtet und später verkauft. und in den 1930er- und 1940er-Jahren die Serien „Sil- via“, „von Streit Stolz“ mit 68 Teilen, „Liselotte“, „Ra- Seite 234 von 404 Seiten PK 2008-3-05 Stand 07.09.2008 Pressglas-Korrespondenz 2008-3 conta“, „Carola“, „Marianne“ und „Ernst“, welche dann und Angestellten. Zeitgleich wurden zur Ansiedlung bis 1945 gefertigt wurden. von Glasmachern, unter anderem aus Böhmen, Mehr- familienhäuser direkt am Werk errichtet. Nach 1920 wurden auch zunehmend technische Gläser wie Akkumulatorenkästen, Verstreckgaletten für die Der erste Ofen musste 1940 stillgelegt werden, da im- Kunstseidenindustrie, Zahlteller und Gürtellinsen für mer mehr Männer zum Wehrdienst eingezogen wurden. Schiffssignallaternen sowie Baugläser für einen Berliner 1943 wurde erwogen, den Betrieb zu schließen. Dies Glas-Stahl-Beton-Betrieb, welcher zu dem Werk der wurde aber wegen der kriegswichtigen Produktion Gebrüder von Streit gehörte und unter dem geschützten von Streuscheiben, Gürtellinsen, Panzerprismen und Namen „Vitral“ Oberlichte für Kellerschächte und Kel- Laborgläsern abgewendet. Der Anteil an Streuscheiben lergewölbe herstellte. betrug in diesen Jahren 30 Prozent. 35 Prozent der Pro- duktion wurde nach Italien, Schweden und Dänemark Abb. 2008-3/234 exportiert. Ein großer Teil der Produktionsanlagen des Glaswerks Hosena wurde nach dem Krieg beschlagnahmt. Bereits 1947 konnte der Erst am 28. Juni 1935 wurde der Firmensitz nach Hose- Betrieb aber weitergehen. Foto Sammlung Feistner na verlegt. Das Verkaufskontor in Berlin mit den Mus- terräumen und dem Lager wurde 1941 nach dem Tod des Geschäftsführers Hermann Kühn geschlossen. Als letzter Geschäftsführer - bis zur Enteignung - wurde Willy Mosterz bestellt. Zum Kriegsende wurde die Produktion am 19. April 1945 eingestellt. Der Betrieb wurde von der Roten Ar- mee besetzt und zum 30. Oktober 1945 beschlagnahmt. Die noch vorhandenen Mitarbeiter des Betriebes wurden verpflichtet, die Demontage der Anlagen unter russi- scher Aufsicht vorzunehmen. Über die Betriebsküche erhielten sie ein Mittagessen, wozu die Soldaten die notwendigen Nahrungsmittel heranschafften. Die De- montage dauerte von Mitte 1945 bis März 1946. Es wurden sämtliche Maschinen und Anlagen einschließ- lich der Dampfkesselanlage, der Beleuchtungseinrich- tungen, der Lastenaufzüge, der Lüftungsanlagen, ja so- gar der drei Schmelzöfen und tausende Pressformen in Im Briefkopf heißt es: „Gepresstes, geblasenes, gegos- 56 Waggons verladen und nach Russland gebracht. Der senes Glas aller Art, Glasschleiferei, Glasmalerei, Mon- Wert des weggeschafften Anlagevermögens wurde auf tierungswerkstatt, Kellerlichtschachtplatten Vitral be- 1,2 Millionen Reichsmark geschätzt - das gesamte geh- und befahrbar“. Buchwerk war auf dem Fabrikhof verbrannt wor- 1924 war für das Glaswerk ein für die weitere Entwick- den. lung entscheidendes Jahr. Nach vielen Versuchen im Der Geschäftsführer Willy Mosterz war in der Zwi- Auftrage der Robert Bosch AG wurden die ersten schenzeit mit der Unterstützung der Sowjetischen Streuscheiben für Kraftfahrzeug-Scheinwerfer herge- Dienstellen beauftragt. Unabhängig von der laufenden stellt. Zuerst nur für Bosch, danach auch für Riemann Demontage hat er am 15. Oktober 1945 mit einem und Hella. Das war die Zeit, zu der die „Kutschen ohne Schreiben an die Landesverwaltung Sachsen eine Ver- Pferde“ nicht mehr nur gesehen werden, sondern selbst fügungsberechtigung über Werksanlagen und Vermögen sehen wollten. Von den in der Zeit von 1907 bis 1945 beantragt, um die Demontage zu stoppen und die Pro- gefertigten 3.051 Artikeln gab es aber nur 11 Streu- duktion wieder in Gang zu bringen. Dieses wurde nicht scheiben-Typen. beantwortet. Statt dessen musste auch ein großer Teil In den Kriegsjahren ab 1943 wurde zunehmend medizi- des Lagerbestands an fertigen Gläsern (Laborartikel und nisches Laborglas, unter anderem Petrischalen und Hausgeschirr) als Reparationsware verpackt und ver- Kästen sowie in großen Mengen Bauglas für die zer- schickt werden. Es waren 582.880 Einzelstücke im Wert bombten Hauptbahnhöfe Köln und Dortmund in das von 264.787 Reichsmark in 1604 Kisten. Programm aufgenommen. Mühsamer Neuanfang in Hosena Bereits 1921 war die gesamte Firma an Kommerzienrat In den Nachkriegsjahren läuft die Produktion Josef Kaiser in Waldniel (Kaiser's Kaffeegeschäfte) für im Glaswerk wieder an. 1.076.000 Mark verkauft worden. Der Firmenname blieb aber bestehen, ebenso das Verkaufskontor und das Nach dem Volksentscheid des Landes Sachsen vom Musterlager in Berlin. Die Produktionsanlagen wurden 30. Juni 1946 über die Enteignung der Betriebe kamen nach dem Verkauf wesentlich erweitert: Zwei weitere die Gebrüder von Streit zum 1. Juli in die Verwaltung Hafenöfen mit je 12 Häfen und den dazugehörigen Gas- des Landes Sachsen zur „Industrieverwaltung 29 anlagen sowie Vergrößerung des Formenbaus, der Glas“ in Bernsdorf. Willy Mosterz wurde zum 30. Juni Schleiferei und der Malerei. Die Mitarbeiterzahl er- 1946 als Geschäftsführer abbestellt. Dr. Hernschier von reichte 1929/1930 den Höchststand von 370 Arbeitern der Landesregierung