(Dis-)Locating Hermann Von Wissmann
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(DIS-)LOCATING HERMANN VON WISSMANN INHALTSVERZEICHNIS Vorwort der Herausgeberin 1 Einleitung 2 Yaǧmur Karakış Hermann von Wissmann und die Verflechtung nationaler, internationaler und lokaler Erinnerungsdiskurse 4 Britta Schilling Nachricht von Gott? Das Gratulationstelegramm von Selim bin Abakari an Hermann von Wißmann anlässlich seiner Hochzeit am 20.11.1894 16 Michael Rösser Fragment I – Sankurru und Moanso aus dem Kongo in Bad Lauterberg 26 Stefanie Michels Hermann von Wissmann im Spiegel seiner Objekte 27 Tobias Dörpinghaus Erinnerungen an Hermann von Wissmann in Düsseldorf, Bad Lauterberg und Liezen (Österreich) 2018 35 Matthäus Mikolaszek Erinnerungen an Hermann von Wissmann in Bad Lauterberg/Harz 2018 44 Lucas Roth Die Tagebücher Hermann von Wissmanns 53 Marina Mohr Fragment II – Kein Jagdunfall 58 Stefanie Michels Bibliografie 60 Autor/innen 64 VORWORT DER HERAUSGEBERIN Diese Broschüre geht auf eine Exkursion zurück, die Mitarbeitende und Studierende der damals an der Heinrich-Heine-Universität bestehenden Professur für „Europäische Expansion“ im März 2018 gemeinsam an Orte führte, die an zentraler Stelle bis heute mit Hermann von Wissmann verbunden sind. In Düsseldorf waren wir bereits seit 2016 mit den Debatten um eine mögliche Umbenennung einer Straße in Düsseldorf-Bilk befasst – handelt es sich bei Hermann von Wissmann doch um eine Persönlichkeit, die in der deutschen Kolonialzeit aktiv war (s. dazu genauer den Beitrag von Britta Schilling in diesem Band). Die Exkursion führte uns in zwei kleinere Städte: einmal den Kurort Bad Lauterberg im Harz und einmal nach Liezen in Österreich (s. dazu genauer die Einleitung von Yaǧmur Karakış in diesem Band). Wir haben uns entschlossen, die Ergebnisse dieser Exkursion in Form dieser Broschüre zu veröffentlichen – es handelt sich um wichtige Fragmente, Debattenbeiträge und teilweise auch Meinungen – in jedem Fall aber um Forschungsergebnisse, die wir der interessierten Öffentlichkeit ebenso wie unseren Diskussionspartnern in Bad Lauterberg und Liezen zur Verfügung stellen möchten. Für die außergewöhnlich zuvorkommende Unterstützung möchten wir uns an beiden Orten bedanken: bei Irmtraud Brille von der Archivgemeinschaft Bad Lauterberg, Helmut Lüder, dem ehemaligen Leiter des Heimatmuseums, Karl Hödl, dem Stadtarchivar in Liezen, sowie Franz Wissmann in Weißenbach bei Liezen sowie seiner Frau Eva und seiner Schwiegermutter, Friederike Wissmann-Aigner. In Liezen haben wir uns sehr über den Empfang bei der Bürgermeistern Roswitha Glashüttner gefreut. Wir haben uns entschieden, die Beiträge der Autor/innen weitgehend unverändert abzudrucken und weisen darauf hin, dass sie ausschließlich deren Meinung wiederspiegeln. Bei der Historikerin Britta Schilling (Universität Utrecht) bedanken wir uns, dass wir ihren Beitrag zu Hermann von Wissmann für unsere Broschüre verwenden durften (er erscheint auch in dem im Druck befindlichen Buch „Koloniale Verbindungen - Transkulturelle Erinnerungstopografien: Rheinland/Grasland – Deutschland/Kamerun, hg. von Albert Gouaffo und Stefanie Michels). Durch Schillings Beitrag wird Köln – als Ort der Eheschließung und Grabstätte – der Wissmann’schen Erinnerungstopografie hinzugefügt. Dank an Kevin Reidegeld und Yaǧmur Karakış für kritische Anmerkungen und redaktionelle Bearbeitungen. Besonderes Augenmerk möchte ich auf die Tatsache lenken, dass es während unserer – mit einer Woche recht kurzen – Archivrecherche bereits möglich war, schriftliche Quellen von mehreren Menschen aus Afrika zu finden. Michael Rösser hat durch weitere Recherche zu Selim bin Abakari einen globalen Lebensweg identifizieren können, der teilweise gemeinsam mit Wissmann von Ostafrika über Berlin bis Sibirien führte. Dieser Befund ist ein erneutes Beispiel dafür, wie viel historisches Material auch in europäischen Archiven liegt und wie relativ einfach es doch ist, aus diesen Mosaikstückchen ein größeres Bild zu formen – das steht für Sankurru und Moanso und deren Aufenthalt in Bad Lauterberg noch aus (s. dazu das Fragment in dieser Broschüre). Die vorliegende Broschüre ist von daher ein Aufruf dazu, Personen wie Hermann von Wissmann, die zentral in den imperialen Betätigungen Deutschlands standen, zum Ausgangspunkt für weitere Forschung zu nehmen. Die historische Verantwortung, die wir in Deutschland zurzeit im Umgang mit unserer Kolonialgeschichte diskutieren, ist – meiner Meinung nach, die ganze Breite und Tiefe der historischen Gegebenheiten, Komplexitäten und Widersprüchlichkeiten verstehen zu lernen. Ohne dieses Wissen bleibt eine Verurteilung Pose und birgt ein Entsorgen öffentlicher Spuren die Gefahr, diesen wichtigen Teil unserer gemeinsamen Geschichte zu vergessen. Stefanie Michels, Düsseldorf im September 2018 1 EINLEITUNG Yaǧmur Karakış Straßennamen sind wie Denkmäler, Gedenkfeiern, Mythen und Rituale sinnstiftende Elemente von Gemeinschaften. Sie geben Auskunft über das Selbstverständnis einer Gemeinschaft. Als Instrumente bzw. Medien der Erinnerung wirken sie an der Herausbildung des Individuums sowie des Gruppenbewusstseins. Ob es Familien, Vereine, politische Gruppierungen, Nationen, Gruppen mit regionalem, lokalem oder gar Stadteilbezug sind, für alle ist der Bezug zu Persönlichkeiten, Gegenständen, und Ereignissen der eigenen Geschichte konstitutiv. Ihr gegenwärtiges Selbstverständnis entscheidet über ihre historischen Deutungen und Wahrnehmungsmuster und umgekehrt, d.h. auch darüber, ob sie sich mit Persönlichkeiten, Gegenständen, Ereignissen identifizieren oder von ihnen distanzieren, wie sie gedenken bzw. erinnern. Selbst wenn individuell erinnert wird, ist diese Erinnerung immer gespeist von subjektiven und kollektiven Erinnerungen. Dass wir einer Persönlichkeit gedenken oder diese von unserer Bildfläche entfernen wollen, hat nicht den Grund, dass neue Eigenschaften dieser Persönlichkeit zutage treten. Es hat vielmehr den Grund, wie wir diese Persönlichkeit heute sehen wollen, wie wir die Dinge, für die sie steht heute beurteilen. So ist es nicht verwunderlich, dass einige Denkmäler und auch Straßennamen immer wieder zur Debatte stehen. Nach dem Nationalsozialismus hat es bis heute einige Veränderungen bei den Straßennamen gegeben. Die Erinnerung an „Auschwitz“ oder an den Zweiten Weltkrieg wird längst auf nationaler Ebene ausgetragen, weshalb die Entscheidung über den Umgang mit diesen Ereignissen hier zunächst klarer erscheint. Debatten über die richtige Form des Erinnerns nehmen jedoch auf internationaler Ebene an Komplexität zu. Wie verhält es sich aber mit dem Kolonialismus oder kolonialen Persönlichkeiten in der deutschen Erinnerungslandschaft? Im offiziellen nationalen Gedächtnis finden sich diese bislang nicht wieder. Das heißt aber nicht, dass sie auf persönlicher, familiärer oder lokaler Ebene, und zwar global, ebenso fehlen. Umso mehr divergieren dann diese Erinnerungen, je nach dem in welchem Bezugsrahmen sie sich bewegen. So kann beispielsweise die Figur Herrmann von Wissmann in Dar es Salaam anders, sogar gegensätzlich, erinnert werden als in Berlin. Auch in Berlin kann ein unterschiedlicher Umgang mit Wissmann stattfinden, je nach dem auf welche Erfahrungen die Erinnernden zurückgreifen und welche Ideale sie verfolgen. Deshalb überrascht es nicht, dass Berliner Initiativen auf der einen Seite für die Umbenennung der Wissmannstraße kämpfen und die Berliner Studentenverbindung „Wissmannia“ auf der anderen Seite die koloniale Figur nicht nur durch die eigene Namensgebung ehrt, sondern auch Tagungen verbunden mit Erinnerungsakten in Bad Lauterberg organisiert. Warum sich die Verbindung, die ihren Namensgeber als Kämpfer gegen die Sklaverei erinnert, dazu Bad Lauterberg aussucht und nicht etwa Berlin, ist, dass die Stadt Bad Lauterberg durch ihre bisherige Erinnerungspolitik einen Bezugsrahmen für die Verbindung Wissmannia bietet (zur Erinnerung an Wissmann in Bad Lauterberg gehen Mikolaszek und Roth in diesem Band genauer ein). In verschiedenen deutschen Städten, wie z.B. Düsseldorf, dominiert ein anderes Bild von Wissmann: Er gilt als Kolonialverbrecher und deshalb postulieren verschiedene Initiativen die Umbenennung der Straßen, die zur Ehrung seiner Taten in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika einst nach ihm benannt worden waren. Diese Differenz zeugt von Erinnerungen, die sich in unterschiedlichen Erfahrungshorizonten herausbilden und in den öffentlichen Raum getragen werden. Dass die Haltung zur eigenen Geschichte ein dynamischer Prozess ist, und die private, familiäre Erinnerung in die Erinnerung im öffentlichen Raum einwirken kann und die öffentliche Erinnerung in die persönliche, sieht man am Beispiel von Herrmann von Wissmann sehr anschaulich (vgl. dazu die Beiträge von Schilling und Mikolaszek). Die Forderung nach der Umbenennung von nicht mehr zeitgemäß empfundenen Straßennamen bietet allemal einen Grund für öffentliche Debatten und die Chance zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und Gegenwart. Auch uns, als eine Gruppe von Studierenden, hat erst die 2016 durch die Schüler*innen der Hulda-Pankok-Gesamtschule entfachte Umbenennungsdebatte der Wissmannstraße 2 in Düsseldorf-Unterbilk dazu bewogen, uns mit der Person Wissmann und der kolonialen Situation, mit der Wissmann in Verbindung gebracht wird, zu beschäftigen. Was ist in Düsseldorf seit 2016 passiert? Der Rat der Stadt Düsseldorf hat eine Kommission damit beauftragt, alle Straßennamen Düsseldorfs zu überprüfen. An dem Prozess ist neben der Mahn- und Gedenkstätte und dem Stadtarchiv auch die Politik beteiligt. Die Ergebnisse der Kommission sollen im Sommer 2019