Villa Bolz – Denkmal Der Demokratie
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Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7462 15. Wahlperiode 30. 09. 2015 Antrag der Abg. Dr. Reinhard Löffler u. a. CDU und Stellungnahme des Staatsministeriums Villa Bolz – Denkmal der Demokratie Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, I. zu berichten, 1. in welchem Zustand sich nach ihrer Kenntnis die „Villa Bolz“ befindet; 2. aus welchen Gründen sie bislang weder den Erhalt des sogenannten „Herren- zimmers“ noch der Bausubstanz der „Villa Bolz“ gefördert hat; 3. ob sie sich für den Erwerb der Villa einsetzt; 4. welche historischen Forschungen sie über das Leben und Wirken von Eugen Bolz bisher angestellt hat; 5. welche Bedeutung sie Eugen Bolz für den Widerstand gegen die nationalso- zialistische Diktatur beimisst; 6. in welcher Weise die Geschichte Baden-Württembergs in der Zeit der Wei- marer Republik dokumentiert und publikumszugänglich gemacht ist; 7. wie sie in der Vergangenheit die Einrichtung von Gedenkstätten für herausra- gende Persönlichkeiten gehandhabt hat; II. 1. dem Landtag eine Schätzung der für eine Sanierung der Villa Bolz einschließ- lich des sogenannten „Herrenzimmers“ anfallenden Kosten vorzulegen; 2. unverzüglich alle Schritte zu unternehmen, um einen Abriss des Gebäudes zu vermeiden, bis eine Entscheidungsfindung auf Ebene des Landes erreicht wurde; Eingegangen: 30. 09. 2015 / Ausgegeben: 16. 11. 2015 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich- abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7462 3. zu prüfen, wie zusammen mit der Stadt Stuttgart und gegebenenfalls der Diö- zese Rottenburg-Stuttgart in der Villa Bolz eine Gedenkstätte für Eugen Bolz eingerichtet werden kann. 25. 09. 2015 Dr. Löffler, Mack, Kurtz, Epple, Razavi, Jägel CDU Begründung Eugen Bolz (* 15. Dezember 1881 in Rottenburg am Neckar; † 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee) war ein herausragender baden-württembergischer Politiker der Zentrumspartei und Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. Eugen Bolz saß ab 1911 für den Wahlkreis Ellwangen im Reichstag. Er wurde nach der Revolution 1918 in die Württembergische Verfassungsgebende Versammlung und in die Nationalversammlung gewählt und arbeitete in Weimar die erste de- mokratische Verfassung Deutschlands mit aus. Dem frei gewählten Reichstag und dem Württembergischen Landtag gehörte er bis 1933 an. Der Regierung von Württemberg gehörte er durchgehend von 1919 bis 1933 an, also 14 Jahre lang. Im Jahr 1919 wurde er in Württemberg zum Justizminister, 1923 zum Innenminister ernannt. Bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten war er – als erster Katholik im überwiegend protestantischen Württemberg – als Nachfolger von Wilhelm Bazille seit 1928 Staatspräsident und zugleich weiterhin Innenminister. Als Anhänger der katholischen Soziallehre lehnte er die NSDAP offen ab und war daher einer ihrer Hauptgegner. Er musste am 11. März 1933 auf Druck der Nationalsozialisten sein Amt niederlegen. Ende 1941/Anfang 1942 kam Eugen Bolz in Verbindung mit dem Widerstands- kreis um Carl Friedrich Goerdeler. Gespräche mit Friedrich Goerdeler fanden auch im sogenannten „Herrenzimmer“ der Villa Bolz statt. Eugen Bolz hatte sich bereit erklärt, nach einem Umsturz ein Ministeramt in einer neuen Regierung zu überneh- men und wurde als Innenminister geführt. Nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler wurde er am 12. August 1944 verhaftet, am 21. De- zember 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 in Plötzensee enthauptet. Er ist der ranghöchste Repräsentant der Weimarer Republik und des Staates Würt- temberg, der von der nationalsozialistischen Diktatur umgebracht wurde. Im Gedenken an Eugen Bolz sollte die Villa Bolz samt des laut Zeitungsberichten noch existierenden Herrenzimmers als Stätte der Erinnerung und Mahnung, mit dem Ziel der politischen Bildung aller Menschen, erhalten werden. Dabei sollte das gesamte Lebenswerk von Eugen Bolz als Politiker in der Zeit der Weimarer Republik und seinem Beitrag zum Widerstand gegen die Diktatur des Nationalso- zialismus eine angemessene Würdigung erfahren. In der Vergangenheit wurden einige Gedenkstätten für Persönlichkeiten aus Ba- den-Württemberg vom Land eingerichtet, so für Matthias Erzberger, Georg Elser, Graf von Stauffenberg, Friedrich Ebert und Theodor Heuss. Nach diesem Muster sollte auch die Gedenkstätte für Eugen Bolz in dessen Villa eingerichtet werden. 2 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7462 Stellungnahme Mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 Nr. IV–1043. nimmt das Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, dem Ministe- rium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen, I. zu berichten, 1. in welchem Zustand sich nach ihrer Kenntnis die „Villa Bolz“ befindet; 2. aus welchen Gründen sie bislang weder den Erhalt des sogenannten „Herren- zimmers“ noch der Bausubstanz der „Villa Bolz“ gefördert hat; Zu I. 1. und I. 2.: Das Gebäude befindet sich nicht in einem originalen Zustand. Bereits am Außen- bau sind viele bauliche Veränderungen feststellbar wie etwa zahlreiche Verän- derungen und Reduzierungen an den Fenstern und Fensterformaten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Haus im Inneren fundamental umgebaut. Aus der ehemaligen repräsentativen zentralen Treppenhalle wurde die Treppe entfernt, eine Zwischendecke eingezogen und Zimmer abgeteilt. Der Haupteingang ist ebenfalls durch ein Zimmer ersetzt. Mehrere Räume im Erd-, Ober- und Dachgeschoss sind in Binnenflure und zusätzliche Sanitärräume unterteilt. Die zweiflügelige Garten- treppe ist ersetzt durch einen Anbau mit Schwimmbad im UG und Terrasse. Am Gebäude sind die wenigen historisch überlieferten Verbindungen mit dem Wir- ken von Eugen Bolz in keiner Weise mehr ablesbar. Das Gebäude erinnert heute nur noch entfernt an einen großbürgerlichen Wohnsitz aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und ist auch als architekturgeschichtliches Zeugnis nicht exem- plarisch. Es ist kein Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes. Als die Ausstattung des „Herrenzimmers“ dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg angeboten wurde, hat das Museum einen Ankauf abgelehnt, da die Polstergarnitur neu bezogen und seit dem Auszug von Eugen Bolz einiges verändert worden war. Das „Herrenzimmer“ befindet sich somit ebenfalls nicht mehr im Originalzustand. 3. ob sie sich für den Erwerb der Villa einsetzt; Zu I. 3.: Die Landesregierung sieht im Erhalt des ehemaligen Wohngebäudes keinen tragfä- higen Anknüpfungspunkt für ein Gedenken an Eugen Bolz und verfolgt daher den Ankauf des Gebäudes nicht. 4. welche historische Forschung sie über das Leben und Wirken von Eugen Bolz bisher angestellt hat; Zu I. 4.: Die Landesregierung betreibt selbst keine historische Forschung zu Eugen Bolz. Leben und Wirken von Eugen Bolz sind Gegenstand zahlreicher Publikationen, die in deutschen Bibliotheken vorhanden und für die Öffentlichkeit zugänglich sind. In den Bibliotheken der deutschen Bibliotheksverbünde und der Deutschen Nationalbibliothek sind insgesamt rund 250 Titel1 zu Eugen Bolz mit Besitznach- weisen nachgewiesen. Die Landesbibliografie Baden-Württemberg enthält 48 Titel zu Eugen Bolz mit Besitznachweisen. Im Rahmen der aktuell von der Kommission für geschichtliche Landeskunde betriebenen Edition „Kabinettsprotokolle von Baden und Württemberg 1918 bis 1 Mehrfachnennungen möglich 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7462 1933, Teil 2: Die Protokolle der Regierung des Volksstaates Württemberg“ spielt Eugen Bolz eine zentrale Rolle. Gleiches gilt für die weiteren Bände dieses Editi- onsvorhabens, von welchen der zweite Band „Das Kabinett Hieber von Juni 1920 bis April 1924“ (2 Teilbände mit ca. 1.260 S.) aktuell in der Redaktion ist und im Jahr 2016 erscheinen soll. Zudem ist für den ebenfalls aktuell in Bearbeitung befindlichen dritten Band der im Auftrag der Kommission für geschichtliche Lan- deskunde herausgegebenen Reihe „Württembergische Biographien“ (bisher zwei Bände, Stuttgart: Kohlhammer 2006/2011) ein Beitrag zu Eugen Bolz vorgese- hen. An der Universität Heidelberg wird im Rahmen des Forschungsprojektes „Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus“ der Umgang der Ministerien mit den Vorgängerregierungen und damit auch mit Eugen Bolz untersucht. In Tübingen wurde an der Katholisch- Theologischen Fakultät bereits in den 1980er-Jahren intensiv über Eugen Bolz ge- forscht und publiziert. Derzeit entsteht unter der Herausgeberschaft des dortigen Lehrstuhls für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte eine neue Geschichte der Diözese Rottenburg-Stuttgart. In den Kapiteln über die Weimarer Republik und über die Zeit des Nationalsozialismus wird das politischen Wirken und Schicksal von Eugen Bolz vor dem Hintergrund seiner christlichen Überzeugungen behan- delt. Das zweibändige Werk wird voraussichtlich 2016 erscheinen. 5. welche Bedeutung sie Eugen Bolz für den Widerstand gegen die nationalsozia- listische Diktatur beimisst; Zu I. 5.: Eugen Bolz war nach übereinstimmender Ansicht der Geschichtswissenschaft ein herausragender Politiker der Weimarer Zeit und eine der wichtigsten politischen Persönlichkeiten des deutschen Südwestens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun- derts. Er wurde aufgrund seiner offen ablehnenden Haltung gegenüber