Studien Und Exkursionen Zur Glaziären Und Periglaziären Landschaftsformung in Troms Und Finnmark, Nord-Norwegen
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Heft 23 ISSN: 18-170X 23 Hamburger Beiträge zur Physischen Geographie und Landschaftsökologie Karl-Dieter Meier & Dietbert Thannheiser (Hrsg.) Studien und Exkursionen zur glaziären und periglaziären Landschaftsformung in Troms und Finnmark, Nord-Norwegen Universität Hamburg Institut für Geographie 2017 Hamburger Beiträge zur Physischen Geographie und Landschaftsökologie Heft 23 Karl-Dieter Meier & Dietbert Thannheiser (Hrsg.) Studien und Exkursionen zur glaziären und periglaziären Landschaftsformung in Troms und Finnmark, Nord-Norwegen Universität Hamburg Institut für Geographie 2017 Studien und Exkursionen zur glaziären und periglaziären Landschaftsformung in Troms und Finnmark, Nord- Norwegen Herausgeber: Dr. Karl-Dieter Meier Max-Planck Straße 11, 30823 Garbsen, Germany bzw: Otsontie 1, 95980 Ylläsjärvi, Finland Prof. Dr. Dietbert Thannheiser Universität Hamburg, CEN Center for Earth System Research and Sustainability, Institut für Geographie, Bundesstraße 55, 20146 Hamburg, Germany E-Mail: [email protected] Herausgeber der Reihe: Prof. Dr. Udo Schickhoff Universität Hamburg, CEN Center for Earth System Research and Sustainability, Institut für Geographie, Bundesstraße 55, 20146 Hamburg, Germany Tel.: +49 (0)40 42838-4911 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Jürgen Böhner Universität Hamburg, CEN Center for Earth System Research and Sustainability, Institut für Geographie, Bundesstraße 55, 20146 Hamburg, Germany Tel.: +49 (0)40 42838-4960 E-Mail: [email protected] Foto innere Titelseite: Blick von der äußeren Moräne des Sörvestbre (Goverdalsbre) auf die hochalpine, vergletscherte Bergwelt der Lakselvtindene in den Lyngen-Alpen ISSN: 1866-170X Vervielfältigungen, Übersetzungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen nur nach Genehmigung durch die Herausgebeber © 2017 Institut für Geographie der Universität Hamburg Bundesstraße 55 20146 Hamburg Printed in Germany Vorwort i Vorwort Die in diesem Heft vorgestellten Studien und Exkursionen vermitteln Eindrücke und Kenntnisse von zwei morphologischen Landschaftstypen in der norwegischen Subarktis nördlich des Polarkreises. Sie ba- sieren auf langjährigen Feldstudien der beiden Autoren zur kaltklimatischen Landschaftsformung (K.-D. Meier) und Vegetationsentwicklung (D. Thannheiser) in den Lyngen-Alpen und im Bergland von Kåfjord und Storfjord sowie auf der Finnmarksvidda-Hochfläche. Außer diesen hier beschriebenen Landschaften wurden die Bergsfjord- / Öksfjord-Halbinsel, die Varanger-Halbinsel sowie die Abisko-Berge als Beispiele weiterer Landschaftstypen detailliert untersucht und kartiert. Die empfohlenen Fahr- und Wanderexkursi- onen wurden mit Studentengruppen der Univ. Hamburg (Finnmarksvidda) sowie Studenten der Univ. Hannover und Alpinisten des Dt. Alpenvereins (Lyngen Halbinsel) erfolgreich getestet, wobei die quartäre Landschaftsformung im Vordergrund stand. Obwohl nur rund 100 km von einander entfernt, unterscheiden sich die beiden Studien- und Exkur- sionsgebiete ganz erheblich von einander. Die Landschaft am Lyngenfjord zeichnet sich durch ein Hoch- gebirgsrelief aus, das in den Lyngen-Alpen im Bereich des morphologisch harten Gabbro-Gesteins hoch- alpine Merkmale aufweist, während die Landschaft östlich des Lyngenfjordes weniger stark gekammert ist und durch weitflächige, hoch gelegene Plateaureste gekennzeichnet ist. Die Finnmarksvidda bildet südlich des Küstenraumes eine flachwellige Fastebene (Peneplain), die nur lokal von höheren (Rest-)Bergen über- ragt wird. Sie überspannt einen Teil des konsolidierten Fennoskandischen Schildes. Der Raum Lyngen ist dagegen im Kaledonischen Deckenbau gelegen, dessen Gesteinsserien im Tertiär rund 1000 m hoch her- ausgehoben und stellenweise gekippt wurden, wobei nur kleine Reste der ehemaligen Landoberfläche als hohe Plateaus erhalten blieben. Während des Pleistozäns waren sowohl die Finnmarksvidda als auch das Lyngen-Gebiet mehrmals von Inlandeisschilden bedeckt. In den Hochlagen der Lyngen Halbinsel existier- ten vermutlich Nunatakker, die das Inlandeis überragten und lokale Eigenvergletscherungen aufwiesen. Der Rand des Inlandeises lag damals weit vor der heutigen Küstenlinie (Egga). Nach dem Abschmelzen des weichselzeitlichen Inlandeises vor rund 9 200-10 000 Jahren B.P. blieb die Finnmarksvidda bis in die Gegenwart gletschereisfrei, während die Lyngen Halbinsel mit mehr als 100 kleineren Plateau-, Kar- und Talgletschern noch immer relativ stark vergletschert ist. Diese Gletscher sind jedoch keine Relikte der pleistozänen Vereisungen. Ein kontinuierlicher Fortbestand der Gletscher wäh- rend des gesamten Holozäns ist nach gängiger Lehrmeinung eher unwahrscheinlich. Während des post- glazialen Wärmeoptimums war die Landschaft am Lyngenfjord offenbar völlig gletschereisfrei. Es kam an- schließend zu einer Neubildung von Gletschern, die während der „Kleinen Eiszeit“ (1750-1930) weithin ihre Maximalausdehnung erreichten. Obwohl die Finnmarksvidda das kälteste Gebiet des norwegischen Festlandes abseits der Gipfellagen des Skandinavischen Gebirges einschließlich der Lyngen-Alpen darstellt, blieb das 300-500 m ü. M. gele- gene Plateau im Holozän gletschereisfrei, bedingt durch das gemäßigt kontinentale, niederschlagsarme Klima, während die hohen winterlichen Niederschlagsmengen und das Steilrelief am Lyngenfjord die Gletscherbildung und -erhaltung begünstigten. Auf der Finnmarksvidda ist perennierendes Eis ebenfalls weit verbreitet, allerdings als Bodeneis, das in Oberflächennähe als Teil der tauaktiven Schicht im Sommer schmilzt und somit unsichtbar bleibt. Die tiefen winterlichen Temperaturen gestatten ein tiefes Eindringen der Kältewellen in den Untergrund, die thermisch isolierende Wirkung des im Sommer trockenen Torfes in den weiträumigen Moorgebieten verhindert das Auftauen des Frostbodens. Dauerfrostboden (Perma- frostboden) findet sich daher vornehmlich in Moorgebieten und ist infolge des dort reichlich zur Verfü- gung stehenden Wassers besonders eisreich. Der Permafrostboden tritt in den Moorgebieten morpholo- gisch hauptsächlich in Gestalt von Palsahügeln in Erscheinung. Die Palsamoore auf der binnenländischen südlichen Finnmarksvidda repräsentieren möglicherweise das flächenmäßig größte zusammenhängende Permafrostgebiet des norwegischen Festlandes. Das Makrorelief der Finnmarksvidda aus weit gespannten, flachwelligen Verebnungsflächen und höher aufragenden Bergkuppen stellt eine alte Abtragungsfläche (subkambrische Peneplain) dar. Der Formen- schatz dieser „paläischen Fläche“ wurde durch die erosive und akkumulative Tätigkeit der pleistozänen ii Hamburger Beiträge zur Physischen Geographie und Landschaftsökologie Heft 23 / 2017 Gletscher überprägt, was sich vor allem im Meso- und Kleinformenschatz widerspiegelt. Die heute das Landschaftsbild der Vidda prägenden glaziären und glazifluvialen Formen und Ablagerungen wurden vor- nehmlich während der Deglaziation des Gebietes vom weichselzeitlichen Inlandeis geschaffen. Sie sind auf Grund der geringen Reliefunterschiede, der geringen Niederschlagsmengen sowie der daraus resultie- renden reduzierten fluvialen Morphodynamik bis heute relativ gut erhalten. Im Unterschied zur Finnmarksvidda reicht die glaziäre Überprägung des tertiärzeitlichen Makroreliefs in den Lyngen-Alpen und im Bergland von Kåfjord und Storfjord bis in die Gegenwart hinein. Dort finden sich außer glaziären Akkumulationen aus der Rückschmelzphase des weichselzeitlichen Inlandeises an den Fjordufern in den Tälern auch jüngere Ablagerungen der lokalen Tal- und Kargletscher. Ihre Altersstellung ist nur in groben Zügen bekannt. Die Bildung von glaziären und glazifluvialen Formen und Ablagerungen lässt sich am Rande der Gletscher am Lyngenfjord bis in die Gegenwart unmittelbar vor Ort studieren. Dies fördert das Verständnis für die bei der Deglaziation der Finnmarksvidda abgelaufenen formbildenden geomorpholo- gischen Prozesse und erleichtert somit nach dem Prinzip eines vorsichtigen, gemäßigten Aktualismus de- ren Rekonstruktion. Die seit Ende der 1980er Jahre in Norwegisch Lappland nachweisbare Klimaerwärmung als Bestandteil des „Climate Change“ hat sich bereits morphologisch sowohl im Alpinrelief am Lyngenfjord als auch in der Plateaulandschaft der Finnmarksvidda ausgewirkt. Die Gletscher in den Lyngen-Alpen und im Berg- land von Kåfjord und Storfjord sind klein und reagieren daher besonders sensitiv und rasch auf Klimaver- änderungen. Mit Ausnahme der höchst gelegenen, in einem Permafrostmilieu befindlichen, am Untergrund angefro- renen „kalten“ Plateaugletscher sind alle Gletscher infolge der höheren Sommertemperaturen im Laufe der letzten drei Jahrzehnte deutlich zurückgeschmolzen. Die höheren winterlichen Niederschlagsmengen konnten diesen Trend nicht kompensieren. Morphologisch weniger auffällig ist das Austauen von Perma- frost in grobkörnigen Schuttkörpern, wie z. B. Blockgletschern, das sich weniger rasch vollzieht. Am Lyngenfjord werden aktuell durch Permafrost zementierte Schuttkörper und Festgesteinspartien im Steil- relief durch Auflösung des Dauerfrostbodens destabilisiert, ein sehr langsam ablaufender, nur durch lang- fristige Messungen nachweisbarer Vorgang, der ein erhebliches Gefahrenpotenzial für die nahe gelegenen Siedlungen und Verkehrswege birgt. Auf der Finnmarksvidda treten die Folgen des Klimawandels in den Palsamooren am deutlichsten in Erscheinung. Es ist eine beschleunigte Degradation der Palsahügel zu be- obachten, die den Zerfall der Hügel als Bestandteil des „normalen“ zyklischen Entwicklungsganges über- lagert. Durch