3|2013

Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern

GENERALKONSUL EMANUEL COHET FREUT SICH ÜBER DIE FREUNDSCHAFT MIT BAYERN // HÉLÈNE DE BEAUVOIR GAB IHREN NACHLASS NACH // VOM LUCKNER AUS CHAM ERZÄHLT BERNHARD SETZWEIN // RENATE JUST WANDERT AUF JEAN PAULS PFADEN // DIETER HANITZSCH PORTRÄTIERT OKWUI ENWEZOR // NORA GOMRINGER WARTET MIT RUSSEN AUF SONNE

Bienvenue »allenthalben für die Gegenwart und für die Nachwelt zu sorgen« Das Beste für München | Andrea Bambi | Seite 16 Klaus Bäumler | Seite 10

EDITORIAL ...... 3 NIKOLAUS GRAF VON LUCKNER, DER »MARSCHALL VON FRANKREICH« ...... 20 WORAUF ICH MICH FREUE ...... 4 Damals starb er auf der Guillotine, heute spuckt Emanuel Cohet, französischer Generalkonsul in München. »Le Père Luckner« drauf, vom Chamer Brunnen aus. Bernhard Setzwein

AUS MEINEM SKIZZENBUCH ...... 5 L’ ÂME AUX DEUX PATRIES ...... 26 Dieter Hanitzsch porträtiert Okwui Enwezor, Über Franzosen in Schwabing, Münchener in Paris Leiter des Haus der Kunst. parliert Dirk Heißerer.

AVISIERT ...... 6 ENTRE AMIS: FRANKREICH ALS WISSENSCHAFTS- UND FORSCHUNGS- BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE ...... 8 PARTNERLAND ...... 32 DIE MALERIN HÉLÈNE DE BEAUVOIR Von Ordinateuren, Clustern und Robotern, von Monsieur UND REGENSBURG und Madame France in Bayern. Axel Honsdorf Picasso bescheinigte Castors Schwester eigenstän- AVISO EINKEHR ...... 36 dige Malerei. Über die Rekonstruktion ihres Werks IM VORHOF DES HIMMELS in der Oberpfalz berichten Ludwig Hammer und liegt die Schlosstaverne in Offenberg. Richard Loibl Bernhard Lübbers. WERKSTATT ...... 38 COLLOQUIUM LITTERAE LOQUACES BIENVENUE Volker Rieble über normsetzende Nornen in einem nervigen Nachfolgestreit. »ALLENTHALBEN FÜR DIE GEGENWART UND FÜR DIE NACHWELT ZU SORGEN« .. 10 RESULTATE ...... 44 »…ÜBER DER SCHLAFSTÄTTE DER Französischer Sinn für Grüngestaltung prägte die RUHENDEN RIESEN SPIELET EIN Stadtplanung Münchens. Würde man sich doch heute GAUKELNDER NACHTSCHMETTERLING« mehr darauf besinnen! Klaus Bäumler Den Jean Paul Weg erwanderte Renate Just.

DAS BESTE FÜR MÜNCHEN ...... 16 POSTSKRIPTUM/IMPRESSUM ...... 50 waren die französischen Impressionisten, die Hugo von Tschudi nach München brachte. Andrea Bambi PETER ENGEL: WIE ICH ES SEHE...... 51

| 2 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE INHALT Nikolaus Graf von Luckner | Bernhard Setzwein | Seite 20 Franzosen in Schwabing, Münchener in Paris | Dirk Heißerer | Seite 26

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

Was wäre der bayerische Zungenschlag ohne Portemonnaie, ohne Trottoir, ohne Bagasch und Visasch, was wäre der Frei- staat ohne den Savoyarden Montgelas, was der ohne die Theatinerkirche der Kurfürstin Adelaide, was wäre Erlangen ohne den Fleiß der Hugenotten und was wäre Cham ohne Luckner. Frankreich und Bayern sind vielfach geschicht- lich verbunden und kulturell geradezu innig »verbandelt.« Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte die französische Regierung eine besondere Vorliebe für Bayern. Zwar stand nur der Kreis Lin- dau unter französischer Besatzung, doch entstanden, begüns- tigt auch durch die Aufgeschlossenheit des Kultusministers Hundhammer, bald zahlreiche kulturelle Verfl echtungen: An Dr. Wolfgang Heubisch, den humanistischen Gymnasien wurde der Französisch-Un- Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, terricht gefördert, eine große Anzahl französischer Künstler Forschung und Kunst besuchten Bayern, bereits 1949 wurde das Französische Kul- turinstitut in München eröffnet. Legendär ist bis heute die auf Deutsch gehaltene Rede von General de Gaulles in München während seiner Reise durch Deutschland 1962. Im 50. Jahr des Élysée-Vertrags zeugen von der guten französisch-baye- rischen Freundschaft um die 400 Partnerschaften zwischen französischen und bayerischen Städten und Gemeinden. Frank- reich ist heiß begehrter Partner im Schüleraustausch; beson- ders intensiv sind die Beziehungen auf Hochschulebene, die vom Bayerisch-Französischen Hochschulzentrum koordiniert werden. Der Freistaat Bayern kooperiert im Sinne eines »Eu- ropa der Regionen« mit den französischen Regionen Langue- doc-Rousillon, Midi-Pyrénées und Provence-Alpes-Côte d’Azur und dem Limousin. Die amitié cordiale zwischen Marianne und hat viele Facetten.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE EDITORIAL | 3 | WORAUF ICH MICH FREUE EMANUEL COHET

WAS MICH BESONDERS ERFREUT: die Freundschaft und rungen an diese gemeinsame Geschichte. Spuren von Schlach- die ganz besondere kulturelle Affinität zwischen Frankreich ten und gemeinsamen Kämpfen (wie in Traunstein, wo sich und Bayern. Wie Staatspräsident Charles de Gaulle in seiner ein Obelisk befindet, zur Erinnerung an die bayerischen Sol- Rede vom 8. September 1962 auf dem Odeonsplatz in Mün- daten, die an Napoleons Russland-Feldzug im Jahre 1813, vor chen vor einer jubelnden Menge bemerkte: »Wie auch immer 200 Jahren, teilnahmen), das Schloss von Ludwig II. von Bay- in der Vergangenheit die Streitigkeiten zwischen Franzosen ern, inspiriert vom Palast des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Ein und Deutschen waren, so weiß doch jeder, dass stets und trotz Münchner Stadtteil, Haidhausen, wird mit seinen so charak- allem zwischen Bayern und meinem Land ein gegenseitiges teristischen Straßennamen mittlerweile das »französische Verhältnis und eine besondere Sympathie bestanden hat.« Viertel« genannt.

In der Tat: Frankreich und Bayern teilen eine lange gemein- ES IST DIESER VERGANGENHEIT zu verdanken, dass die same Geschichte, die auf 1000 Jahre wechselhafte Bezie- französisch-bayerischen Verhältnisse noch heute besonders hungen zurückblickt. Einige Etappen können erwähnt wer- reich und verschieden sind, genährt von den starken politi- den. Zum Beispiel die Mönche Emmeram und Corbinian, die schen und ökonomischen Beziehungen, aber auch von den an der Christianisierung von Bayern teilgenommen haben besonders dichten Beziehungen zwischen den Staatsbürgern und die aus Gallien stammten. Jeder weiß, dass sich Frank- (mehr als 400 Städtepartnerschaften) und den Hochschulen reich und Bayern mal näher, mal ferner gegenüber standen. (370 Partnerschaften und 40 integrierte Studiengänge). Seit Ihre gemeinsame politische Geschichte geht auf das 14. Jahr- September 2012 und bis in den Monat Juli feiern wir den 50. hundert zurück, als Isabeau von Bayern Karl VI. von Frank- Jahrestag des Elysée-Vertrags, ein Symbol der Freundschaft reich im Jahre 1385 heiratete und Anne de Bourbon Ludwig und der deutsch-französischen Zusammenarbeit. VII. von Bayern. Die Gewohnheit, einen französischen Ver- treter in Bayern zu haben, geht auf das 17. Jahrhundert zu- Dieses Jubiläumsjahr erlaubt uns auch den wertvollen Cha- rück, in die Zeit dieses bayerischen Herrschers. Zahlreiche rakter unserer gemeinsamen Beziehung zu unterstreichen, Hugenotten wanderten nach dem Widerruf des Edikts von die mehr denn je wichtig ist, um den Herausforderungen Nantes nach Franken aus. Europas und der Welt entgegenzutreten. In dieser Hinsicht bin ich zuversichtlich, dass unsere Bindungen weiterhin un- Die Napoleonszeit hat die Geschichte Bayerns gekennzeich- ser Erbe und unsere menschlichen Geschichten tief prägen net, durch die Bildung seines modernen Staates, die Umrisse werden. Dies ist das Schöne und Einzigartige an der Bezie- seiner Grenzen. Die bayerischen Verwaltungsstrukturen sind hung zwischen zwei Völkern, den Franzosen und den Deut- dem Grafen Montgelas zu verdanken, dem damaligen Minis- schen, den Franzosen und den Bayern, deren Wurzeln in der ter von Maximilian I., König von Bayern, und dessen Familie, Vergangenheit verankert sind und die heute der Zukunft ge- die von französischer Herkunft war. Die bayerische Sprache widmet ist. enthält heute noch manche Spuren des französischen Ein- Emanuel Cohet flusses. In der bayerischen Erbschaft gibt es viele Erinne- ist französischer Generalkonsul in Bayern.

| 4 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE WORAUF ICH MICH FREUE AUS MEINEM SKIZZENBUCH OKWUI ENWEZOR DIREKTOR DES MÜNCHENER HAUS DER KUNST

aviso 3 | 2013 BIENVENUE SKIZZENBUCH | 5 | AUSSTELLUNG AUSSTELLUNG RENDEVOUS DER DÜFTE – PARIS INTENSE AROMATISCHE HEILPFLANZEN AUS DIE NABIS – VON BONNARD BIS BAYERN UND DER PROVENCE VALLOTTON Provence-Haus Klenzepark München 27.06.2013-28.07.2013 04.07.2013-30.09.2013 Pfl anzen der Provence begegnen bayerischer Flora. Sinnlich zu erleben sind zwölf Pfl anzen wie Lavendel und Hopfen, Rosmarin und Wa- cholder, Thymian und Quendel, deren Düfte KLANGKUNST UND und heilende Wirkungen seit Jahrhunderten IMPROVISATION geschätzt werden. Über ihre Geschichte und SIGNALRAUM // BEGEGNUNGEN medizinische Anwendung hinaus wird auch die München landschaftliche Bedeutung der Pfl anzen für die 12./17./19./26.07.2013-26.07.2013 Städte Ingolstadt und Grasse vorgestellt, de- ren Partnerschaft nun seit 50 Jahren »blüht«. Begegnungen von Bild und Ton, Komposition Das Provence-Haus war der Beitrag der Stadt und Improvisation, Elektronik und Naturklän- Grasse zur Landesgartenschau 1992; seitdem gen, verbunden durch die Lust zu Erzählen. lädt sein „Jardin secret” (verschwiegener Gar- Das Improvisations-Trio Einfach Drei eröffnet »Paris Intense« lautet der Titel, den Félix Vallo- ten) zum Verweilen und Träumen ein. am 12. Juli mit ihrem Echtzeit-Kompositions- tton seiner 1893/94 entstandenen Grafi k-Se- Abend »Improjektionen«, gefolgt von Kostas rie gab. Die Bilder demaskieren die Metropo- Theodorous »Lost_Anthropology« einer musi- le der Belle Époque und zeigt eine verdichtete kalischen Reise zu den Ursprüngen am 17. Juli. Realität jenseits von manierierter Eleganz. Val- Das Duo ClubBleu beschäftigt sich am 29. Juli lotton gehörte der Künstlergruppe der Nabis – in »DARK ENERGY« mit Endzeit- und Zukunftsu- hebräisch für Propheten oder Erleuchtete, de- topien verschiedener Graphic Novels. Kathy ren ungewöhnliche Formensprache Plakaten, Hinde, Matthew Olden und Kostas Theodorou Zeitschriften, Interieurs oder Theaterdekorati- sind am 26. Juli mit »Birds, Insects and Sound onen ein modernes Gesicht verlieh: Kunst und Machines« zu Gast. Leben sollten sich gegenseitig durchdringen. Meisterwerke der Gruppe wie Vuillards »Szene im Café« oder Bonnards »Braunkohlengrube« AUSSTELLUNG sind dem Besucher der Neuen Pinakothek be- TEE-WEGE – HISTORIE, reits vertraut; die Ausstellung zeigt nun alle in KULTUR, GENUSS der Sammlung des Hauses vertretenen Künst- Knauf-Museum ler zum ersten Mal vereint und wirft ein neues Iphofen Licht auf die ungewöhnliche Gruppe und ihre 30.06.2013-03.11.2013 Intentionen. Einst eine Kostbarkeit, die nur Kaisern und Mönchen gereicht wurde, ist Tee heute ein all- AUSSTELLUNG Konzerte tägliches Getränk. Während die Kaiser Chi- Podiumsgespräch KARL AMADEUS HARTMANN UND Ausstellung nas den Tee als »Schaum von fl üssiger Jade« CARL ORFF priesen, wurde er in Europa zum Getränk der Orff-Zentrum München Schöngeister erkoren. Die Londoner Zeitung München Lieder und »Spectator« bemerkte im Jahr 1711 spöttisch, Chansons 01.08.2013-27.09.2013 Begegnungen der Tee habe »weder die Arroganz des Weines zwischen noch das Selbstbewusstsein des Kaffees noch Freundschaftlich-kollegial verbunden waren die Paris und die affektierte Unschuld des Kakaos«. Die Kul- Konzert Komponisten Karl Amadeus Hartmann und Carl Gespräch turgeschichte des Tees veranschaulichen Ex- Orff. Die Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft Karl Amadeus ponate aus zahlreichen namhaften deutschen zeigt ihren Austausch mit Briefen und Fotos; Hartmann Museen, u. a. aus dem Staatlichen Völkerkun- dazu eine Auswahl von Plakaten und Bühnen- und Carl Orff demuseum München, dem Deutschen Histo- bildentwürfen von Helmut Jürgens zu Werken Ausstellung rischen Museum Berlin und der Staatlichen der Komponisten. Der vor 50 Jahren verstor- Kunstsammlung Dresden. bene Bühnenbildner entwarf für die Abende der Musica Viva zahlreiche Plakate als künst- lerisches Pendant der von Hartmann gestal- orff zentrum teten und ab 1950 gelegentlich mit Orff erör- münchen terten Programme. APP AUSSTELLUNG WELTERBE DIGITAL 1 KÜNSTLER SEHEN BAYERN LIMES MITTELFRANKEN MOBIL BAYERN LÄSST STAUNEN Kostenloser Download Museum Georg Schäfer über iTunes und Google Play Store Schweinfurt noch bis 20.10.2013 Markant unsichtbar ist der bayerische Abschnitt des Limes. Verborgen unter Äckern und Wäl- »Wir haben die herrlichsten Gegenden«, so dern liegen die Reste dieses mächtigen Grenz- pries Lorenz von Westenrieder zur Zeit der Auf- walls oder sind überbaut von mittelalterlichen klärung. Ganze Generationen von Landschafts- Städten. Auf den Spuren der Römer zu wan- AUSSTELLUNG malern zogen ihre Impulse aus der bayerischen deln ist jetzt ganz leicht: Das Smartphone mel- HANNES KILIAN – FOTOGRAFIEN Landschaft. Eine malerische Reise durch ge- det sich automatisch, sobald sich der Besucher Museum Wörlen malte Seen- und Bergwelt Bayerns, durch Städ- einer Sehenswürdigkeit der Römerzeit nähert, Passau te und Dörfer, die mit über 120 Bildwerken aus und bietet Film-, Audiodateien oder Bild- und 29.06.2013-15.09.2013 dem Museumsbestand schöpft. An der Aka- Textdateien an. Die beiden Freundinnen Matrul- demie der Bildenden Künstler hörte die Land- la und Claudia begleiten zu einem Bad in die Hannes Kilians schonungslose Fotografien schaftsmalerei als Lehrfach übrigens seit 1826 Römischen Thermen von Weißenburg; zu hö- prägen bis heute unsere Vorstellung der Wirt- auf zu existieren. ren ist der spannende Bericht des Obermedizi- schaftswunderjahre. Seinen unverkennbaren nalrats und Limesforschers Heinrich Eidam von Stil entwickelte er im Paris von 1937. Während den Ausgrabungen in Gunzenhausen. des Zweiten Weltkriegs dokumentierte er heim- lich das zerbombte Stuttgart. Nach 1945 avan- cierte er mit seinen Aufnahmen des geteilten APP Berlin zum gefragten Fotografen der wichtigsten WELTERBE DIGITAL 2 Politmagazine. Seine Reiselust führte den Fo- LIMESEUM tografen u. a. auch hinter den damaligen Ei- Kostenloser Download sernen Vorhang und in den Nahen Osten. Mit über iTunes und Google Play Store ambitionierten Theateraufnahmen verfolgte er die Arbeit des Stuttgarter Balletts. Fast 100 Der Reitersoldat Decem- Vintage-Prints geben einen umfassenden Ein- AUSSTELLUNG ber, inschriftlich nachge- blick in die vielfältige Arbeit des Fotokünstlers. WHEN NOW IS MINIMAL wiesen in Ruffenhofen, be- DIE UNBEKANNTE SEITE DER gleitet den Besucher durch SAMMLUNG GOETZ den dortigen Römerpark: APP Neues Museum Smartphone-Nutzer können BAYERN IN HISTORISCHEN KARTEN Nürnberg so den Alltag des Soldaten Kostenloser Download 19.07.2013-20.10.2013 über Audio-, Text- und Vide- über iTunes und Google Play Store osequenzen mit Augmen- Neben Künstlern, die den minimalistischen ted-Reality-Funktionen in Eine faszinierende Entdeckungsreise durch Kunstdiskurs seit den 1960er Jahren maßgeb- der Römerparkfl äche erleben. die Topographie und Geschichte Bayerns auf lich mitbestimmt haben, präsentiert die Ausstel- Neben dem LIMESEUM wer- historischen Karten präsentiert die Bayerische lung auch jüngere Positionen, die in oft lässiger, den Freigelände und museale Inhalte verknüpft. Staatsbibliothek: fünf bedeutende Kartenwerke freier, spielerischer und nicht zuletzt weitaus December tritt als Ich-Erzähler in kleinen Filmse- mit mehr als 260 Kartenblättern vom 6. bis 19. unorthodoxerer Weise die Ideen ihrer Vorgän- quenzen auf. Vor den heutigen Strukturen lassen Jahrhundert, vollständig georeferenziert und ger aufgreift, variiert und daraus eine eigene 360°-Panoramen die einstigen Bauten auferste- hochaufgelöst. Die Karten illustrieren das Fort- künstlerische Handschrift entwickelt haben. hen und zeigen Fundstücke im ursprünglichen schreiten des Landesausbaus und die wach- Die Auswahl der Werke konzentriert sich auf Zusammenhang. sende Genauigkeit der Landesvermessung. Sie zumeist noch nie zuvor gezeigte Arbeiten aus lassen sich im Detail betrachten und interaktiv dem Bestand der Sammlung Goetz, etwa von erkunden: Der Nutzer fi ndet sei- Martin Boyce, Alan Charlton, Dominique Gon- ne Position direkt in der Karte zalez-Foerster, Wade Guyton, Peter Halley, Imi als historischer Google Map, da- Knoebel, Anthony McCall, Blinky Palermo, Ai rum herum Points-of-Interest, In- Weiwei, Gerwald Rockenschaub, der die Aus- formationen, Ortsdaten und Bild- stellungsarchitektur und ein Farbkonzept ent- material zu Gemeinden, Klöstern, wickelt hat, u. v. m. Burgen, Schlössern und Kunst- denkmälern. DIE MALERIN HÉLÈNE DE BEAUVOIR UND REGENSBURG EIN VERSCHLUNGENES KAPITEL DEUTSCH-FRANZÖSISCHER FREUNDSCHAFT Text: Ludwig Hammer und Bernhard Lübbers

HÉLÈNE DE BEAUVOIR in Regensburg? Was hat die große Zeichnerin und Malerin, Schwester von Jean-Paul Sartres Lebenspartnerin Simone de Beauvoir, mit der ehemaligen Reichsstadt zu tun? Wie kommen die Bilder, ihr künstlerischer und persönlicher Nachlass in das Welterbe an der Donau?

»POUPETTE« UND »CASTOR«

Am 9. Juni 1910 wurde in Paris Hélène de Beauvoir geboren. Sie war die jüngere Schwester der Schriftstellerin Simone de Beauvoir. Hen- riet Hélène Marie – wie der volle Name der späteren Künstlerin lautete – hatte bald den Kosenamen »Poupette« weg, den sie lebenslang nicht mehr loswerden sollte, obwohl sie ihn später ebenso verabscheute wie den Namen »Castor« für ihre Schwester Simone de Beauvoir. Die bei- den hübschen Mädchen waren hochbegabt und charakterstark. Schon beim Eintritt in die Volksschule etwa konnte Hélène lesen und schreiben, ihre Schwester Simone hatte es ihr beigebracht, die in ihren Memoiren darüber später schreiben wird: »Ich selber lernte so gern, dass ich auch das Lehren wundervoll fand. Meine Schwester war mir die Liebste ...« Diese enge Verbundenheit und Nähe der beiden Schwestern wird lebens- oben Hélène de Beauvoir inmitten ihrer Bilder im Atelier. lang anhalten, bis auf eine kleine unberechtigte Krise, die sich in Briefen manifestierte, in der Zeit als Sartre mit Hélène nächtelange Spaziergän- ge durch Paris machte, während Simone allein fern ihrer Heimatstadt unterrichtete. Bereits als junge Mädchen waren beide fest entschlos- sen, dass Simone ihren Lebensunterhalt mit Schreiben verdienen, und Hélène sich ganz der Malerei widmen wollte. »Wenn über die Böschun- gen der Seine das Dunkel herabgesunken war, sprachen wir atemlos zu- einander von unserer triumphalen Zukunft: Meinen Büchern, ihren Bil- dern, unseren Reisen, der Welt...«, ist in Simones Memoiren zu lesen.

VON 1927 BIS 1930 STUDIERTE Hélène an den renommierten Kunst- schulen Rue de Fleurs und an den Akademien »Grande Chaumière« – wo auch Gabriele Münter ab 1906 studiert hatte – sowie der Akade- mie Colarossi und Académie Scandinave. Fast jeden Tag besuchte sie in dieser Zeit den Louvre. Mitte der 1930er Jahre trat Hélène mit ihren Bildern erstmals an die Öffentlichkeit. Ihre erste Einzelausstellung er- öffnete de Beauvoir im Januar 1936 in der Galerie Bonjean. Bei der Er- öffnung waren unter anderem Sartre, der die Freundschaft zu Hélène sein Leben lang aufrecht erhielt, Simone und auch Pablo Picasso an- wesend. Von letzterem ist ein Urteil über ihr damaliges künstlerisches Werk überliefert: »Ihre Malerei gefällt mir. Sie ist sehr eigenständig.« Die Bilder dieser Ausstellung wurden ihr übrigens nach der Ausstel- lung aus ihrem Atelier gestohlen und sind seither verschollen. Es kann daher als eine kleine Sensation gelten, dass es dem Galeristen Ham- mer Mitte 2012 gelang, aus dieser Zeit ein erstaunlich großes Oeuvre oben Hélène und Simone de Beauvoir in Kindertagen. meisterhafter Illustrationen zu Büchern von Colette, Wilde, Giraudoux u. a. wiederzuentdecken. ren Freund Lionel de Roulet, einen Schüler Sartres. Die Ehe sollte kinderlos bleiben. Lionel trat spä- 1940 plante Hélène, für einen Monat nach Portugal zu fahren, doch der ter in den diplomatischen Dienst Frankreichs ein, Zweite Weltkrieg durchkreuzte ihre Pläne. Bis 1945 musste sie in Por- was für das Paar mehrere Ortswechsel nach sich tugal bleiben und das Kriegsende abwarten. 1942 heiratete sie dort ih- zog. So wohnten sie ab 1945 in Wien, ab 1947 in

| 8 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE VERBORGENE SCHÄTZE Belgrad, in Marocco und ab 1950 in Mailand; in letztgenannter Stadt wurde Lionel de Roulet schließlich Leiter des französischen Kultur- zentrums. Später war er am Europaparlament in Strassburg tätig. 1963 kauften Hélène und Lionel ein ehemaliges Winzerhaus in Goxwiller im Elsass, wo das kinderlose Paar bis zu seinem Tod lebte und das nun eine Gedenkstätte für die Malerin wird.

DIE MALERIN HÉLÈNE DE BEAUVOIR

Für Hélène war es nicht leicht, die Zweitgeborene zu sein; hinzu kam, dass, insbesondere, nachdem Simone eine berühmte Schriftstellerin ge- worden war, Hélène buchstäblich hinter der Bekanntheit ihrer Schwes- ter zu verschwinden schien. Dabei hatte Hélène seit 1945 mehrere viel- oben Hélène und ihr Ehemann, Lionel de Roulet. beachtete Ausstellungen in Galerien der ganzen Welt. Ihre Schwester aber verkaufte im Jahr Tausende von Büchern. Keine leichte Situati- on also. Hélène machte sich allerdings nicht viel aus Ruhm und Geld, sie war nur ihrem Werk verpfl ichtet. In einem Filminterview äußerte sie sich hierzu: »Manche Maler suchen, obwohl sie bereits reich sind, nur nach noch mehr Ruhm und Geld und machen daher immer das- selbe. Ich kann immer nach etwas Neuem suchen ... das ist sehr wich- tig für einen Künstler.« Täglich verbrachte sie alle verfügbare Zeit an der Staffelei im Atelier und hinterließ ein gewaltiges Werk von über 6.000 Ölbildern.

HÉLÈNE DE BEAUVOIR wird durchweg von allen Zeitgenossen als äu- ßerst liebenswürdig und bescheiden beschrieben; sie strahlte viel Wär- me und Anteilnahme aus. Jeder, der das Glück hatte, sie kennenlernen zu dürfen, war von ihrer herzlichen Art und dem distinguierten Auftre- ten nachhaltig beeindruckt. Die leidenschaftliche Künstlerin war sanft oben Ludwig Hammer und Hélène de Beauvoir. und zugleich stark, bestimmt, doch nie unhöfl ich, Realistin und Idea- listin gleichermaßen. Menschen, Tiere und Pfl anzen, die ganze Schöp- wig Hammer im Januar 2013 der Staatlichen Bi- fung liebte sie innig, stellte sich jedoch auch den dunklen Seiten des bliothek zur Aufbewahrung. Ferner entsteht der- Lebens. Ihre Trauer, ihr Zorn, aber auch ihre Freuden spiegeln sich in zeit ein von Hammer initiiertes Buch, das Leben vielen Bildern wider. Ihre Schwester Simone schreibt in »Die Geschichte und Werk der französischen Künstlerin erstmals von Hélènes Malerei«: »Gleichwohl malt sie fröhliche Bilder und selbst in deutscher Sprache umfassend dokumentieren in den Dunkelsten gibt es immer noch einen kleinen Lichtblick: einen soll. Die im Hirmer Verlag in München erschei- Flecken blauer Himmel oder eine Blume als Zeichen der Hoffnung.« nende umfangreiche Monographie soll 2014 der Öffentlichkeit vorgestellt werden und dabei hel- DIE BEGEGNUNG MIT LUDWIG HAMMER fen, Hélène de Beauvoir ihren gebührenden Platz innerhalb der Kunstgeschichte einzuräumen und Doch was hat Hélène de Beauvoir nun mit Regensburg zu tun? Wie sie einem deutschsprachigen Publikum näherzu- kommen die Bilder, ihr künstlerischer und persönlicher Nachlass in bringen. die Welterbestadt an der Donau? So verschlungen die Wege waren, die dazu führten, Auf der Rückreise von Japan nach Russland, wo er 1970 die Transsibi- dass die schriftliche und künstlerische Hinterlas- rische Eisenbahn nach Deutschland besteigen wollte, lernte der spätere senschaft Hélène de Beauvoirs nach Regensburg Regensburger Galerist Ludwig Hammer Hélène de Beauvoir kennen, kam: Die Welterbestadt an der Donau wird damit die in Tokio ausgestellt und sich wie dieser für die Zen-Künste interes- auch ein kleines Stück französischer Kunst- und siert hatte. Aus dieser scheinbar fl üchtigen Reisebekanntschaft entwi- Kulturgeschichte bewahren. ckelte sich eine lebenslange Freundschaft, die in ihrem Wunsch: »Après ma mort, j’aimerais qu’on garde le souvenir de ma peinture. C’est ce que Ludwig Hammer ist Galerist in Regensburg. j’ai fait de plus important dans ma vie.« gipfelte. Die Galerie Hammer befindet sich in der Unteren Bachgasse 6 in Regensburg. www.hammergalerie.de. Dr. Bernhard Lübbers WÄHREND ER EINEN Teil ihres malerischen Werks weiterhin in sei- leitet die Staatliche Bibliothek Regensburg. ner Galerie hütet, entschloss sich Ludwig Hammer, einen Großteil der Der Förderkreis Hélène de Beauvoir e. V. setzt schriftlichen und grafi schen Hinterlassenschaft Hélène de Beauvoirs sich für die Vermittlung des Werk der Künstlerin ein, u. a. für ein Werkverzeichnis und die wissen- nach und nach an die Staatliche Bibliothek Regensburg zu übergeben. schaftliche Aufarbeitung der Malerei Hélène de

Fotos: Galerie Hammer Regensburg, Staatliche Bibliothek Regensburg Bibliothek Staatliche Regensburg, Hammer Galerie Fotos: Ein erstes Konvolut, bestehend aus Briefen und Grafi ken, überließ Lud- Beauvoirs. http://www.beauvoir.eu/index.php

aviso 3 | 2013 BIENVENUE VERBORGENE SCHÄTZE | 9 | »allenthalben für die Gegenwart und für die Nachwelt zu sorgen«

Stadtplanung in München als bayerisch-französischer Kulturaustausch zwischen König Max II., seinem Berater Vicomte Henri de Vaublanc und Bürgermeister Jakob von Bauer

Text: Klaus Bäumler

oben Die Thalkirchner Überfälle mit dem Flauchersteg 1885. Kolorierte Bleistiftzeichnung von F. Leinecker.

1853 BEGINNT IN Paris unter Kaiser Napoleon III. die Ära Zum 200. Geburtstag von König Max II. im Jahr 2011 wur- von Baron Haussmann. Erstmals wird die Stadt in ihrer Ge- den seine bleibenden Verdienste für Kultur, Kunst und Wis- samtheit wahrgenommen. Das ist die Besonderheit des fran- senschaft in einem Symposion gewürdigt, veranstaltet von der zösischen Städtebaus dieser Epoche, der sich nicht auf die Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Baye- Architektur beschränkt, sondern auch die Einrichtungen rischen Akademie Wissenschaften und der Stiftung Maximi- der kommunalen Infrastruktur – Verkehrsplanung, Grün- lianeum. Bis heute steht Max II. zu Unrecht im Schatten sei-

planung und Stadthygiene – umfasst. nes Vaters Ludwig I., der mit seinen »Bildungs-Schlössern« Alle Fotos auf dieser Doppelseite: Schiermeier Verlag, Münchener Stadtmuseum

| 10 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM München zum -Athen umgestaltet hat. Die spektaku- lären »Traum-Schlösser« von König Ludwig II. verstellen den Blick auf die Aufgeschlossenheit seines Vaters Max II. in sozialen Fragen und auf die von ihm initiierte Förderung von Technik, Industrie und Gewerbe. Max II. holte zahl- reiche Experten auf vielen Wissensgebieten, die sog. »Nord- lichter«, nach München und förderte so den Kultur-, Kunst- und Wissenschafts-Standort München. Das Wirken seiner Berater und Gesprächspartner ist vielfach untersucht. Dies gilt auch für die Kunst- und Architekturgeschichte der Ära Max II., deren Münchner Bau-Projekte unter vielen Aspekten erforscht sind. Die »Erfindung eines neuen Baustils«, die Bau- und Planungsgeschichte des Maximilianeums und der Maximilianstraße sind im allgemeinen Kultur-Bewusst- sein fest verankert.

»MÜNCHEN FINDET SICH GANZ BESONDERS ZUM FLUSS HINGEZOGEN«

Mit dem Bau der Maximilianstraße führt Max II. zwar die Tradition der königlichen Prachtstraßen in München fort, setzt aber damit einen völlig neuen, eigenständigen Akzent. Mit dem Brückenschlag über die Isar in Verbindung mit den Grünanlagen um das Maximilianeum als »Athenäum«, dem parkartigen Grün von Prater- und Schwindinsel und der le- oben Souvenirs de trente ans. Titelseite Band 2 der Autobiografi e bendig-rauschenden Isar schuf er die bis heute Image prä- Vaublancs in der Bibliothek seiner Geburtsstadt Montpellier. gende Vedute der Stadt München als Isar-Metropole. herrlichen neuen Stadtteil mit ganz großartigen Kais an- zulegen; die herrlichen Fichtenwälder dahinter möglichst zu erhalten suchen und zu veranlassen, daß neue gepflanzt werden; allenthalben für die Gegenwart und für die Nach- welt zu sorgen.«

DIE LIEBE ZUR NATUR und zum Grün in der Stadt ist we- sentliches Element seiner Planungen zur Verschönerung der Stadt München. Die Idee der »Stadtplanung in die Natur« wird von ihm konsequent verfolgt. 1839 fährt er aus dem Oberland mit einem Isar-Floß nach München. Ebenfalls im Jahr 1839 konkretisiert er sein persönliches städtebauliches Programm für München in zwölf Punkten. Unter dem pro- grammatischen Ansatz »München findet sich ganz beson- ders zum Fluss hingezogen« entwickelt er die Idee der Öff- nung der Stadt zur Isar in der Achse des Max-Joseph-Platzes. Die Verschönerung der Residenzstadt mit Alleen, Boule- vards und Grünanlagen will Max II. durchsetzen, als er im Jahr 1848 die Nachfolge seines Vaters antritt. Dabei richtet er seinen Blick auf die ganze Stadt und versucht erstmals im 19. Jahrhundert eine Art Stadtentwicklungsplan für die Gesamtstadt aufzustellen, durch den die Grenzen der Stadt- oben Denkmal für König Maximilian II in der Maximilianstraße, erweiterung festgelegt werden sollen. um 1880, Lichtdruck. »EINEN ORT ERHABENER UNTERHALTUNG FÜR DIE Die Idee, die Stadt zur Isar und ihren Ufern sowie zum Na- BAYERN ZU MACHEN« turraum nach Osten zu öffnen, findet sich bereits 1832 im Notizbuch des 21-jährigen Kronprinzen. Dort hält er seine Wer aber hat König Max II. in Fragen der Architektur, des Vision für München fest: »Auf der Isarhöhe bei München Städtebaus und der Stadtverschönerung beraten? Wer war einen großen Nationalbau, einen Park, vielleicht auch einen der Mentor des jungen Kronprinzen auf seinen Reisen in

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 11 | im Mittelalter. Es gab keine funktionierende Kanalisation; die Wasserversorgung war katastrophal; etwa 800 Schlacht- stätten befanden sich mitten in der Stadt.

»DIE FÜR UNSERE CIVILISATIONS-EPOCHE ERFORDERLICHEN VERSCHÖNERUNGEN«

Mit seinen Vorschlägen will Henri de Vaublanc erreichen, dass die Stadt für Besucher attraktiver wird, aber auch die Münchener selbst sollen profitieren. Es geht ihm darum, »Urbanität und Geselligkeit« zu fördern. Im Gutachten Vaublancs spiegeln sich die zeitgenössischen Ideen des Stadt- umbaus, die Baron Haussmann in Paris ab 1853 realisiert hat und über die Vaublanc durch seine intensiven Beziehungen zur französischen Architektenschaft bestens informiert war. Von besonderer Bedeutung sind seine städtebaulichen Vor- stellungen unter den Stichworten »Boulevard, Isar, Quais, Anlagen und Wasenplätze, Wintergärten, Läden, Wohnhäu- ser, Baudenkmale, Pflaster und Beleuchtung«. Unter dem Stichwort »Boulevard« entwickelt Vaublanc die Idee einer großen, mit Bäumen bepflanzten Promenade rings um die Stadt. Durch diesen neuen Boulevard soll die Stadt besser abgegrenzt und ihr ein »regelmäßigeres Ansehen« verliehen werden. Intensiv beschäftigt sich Vaublanc mit der Umge- staltung der Isar und erweist sich als Vordenker wichtiger Baumaßnahmen, die allerdings erst Ende des 19. Jahrhun- oben Vicomte Henry de Vaublanc vor 1874. derts realisiert werden und bis heute das Bild der Isar-Me- tropole prägen. »Um die schädlichen Einflüsse der Fabriken« die Hauptstädte Europas und sensibilisierte ihn für Fragen auszugleichen, setzt Vaublanc auf das Grün in der Stadt. der Stadtgestalt und der Stadtplanung? Wer hat ihn bera- Städtische Verordnungen sollen das Anlegen von Rasenplät- ten und konkrete Vorschläge unterbreitet, als es um die Ver- zen und Baumpflanzungen bestimmen, sowohl in der Stadt- schönerung Münchens ging? mitte als auch in den äußeren Bereichen, selbst auf kleins- ten Plätzen, auf denen nur ein Baum gepflanzt werden kann. DER SCHLÜSSEL ZUR Antwort findet sich in Dokumenten der Kabinettsakten von König Max II. im Geheimen Haus- »URBANITÄT UND GESELLIGKEIT« FÖRDERN archiv der Wittelsbacher unter der Bezeichnung »Auf Mün- chen bezügliche Verschönerungs- und Verbesserungspro- Die Rolle Vaublancs am Münchner Hof unter König Lud- jecte«. Im Auftrag von König Max II. erarbeitete um 1851/52 wig I. und sein Einfluss auf den Kronprinzen und späteren der königliche Kämmerer Vicomte Henri de Vaublanc »Vor- König Max II. in Fragen der Kultur und der Stadtplanung schläge zur Verschönerung Münchens« mit dem Ziel, »die sind bislang wenig erforscht. Soweit sich König Max II. mit für unsere Civilisations-Epoche erforderlichen Verschöne- Stadtgestalt, Stadtverschönerung und Architektur befasst rungen in der Hauptstadt einzuführen«, um auch München hat, ist der Einfluss Vaublancs unverkennbar. Dass Leo von »zu einem Anziehungspunkt für Fremde und einen Ort er- Klenze in seinen »Memorabilien« das Wirken des »Nicht- habener Unterhaltung für die Bayern zu machen«. architekten« Vaublanc sehr kritisch sieht, überrascht nicht. Klenze blieb mit ihm zwar »auf gutem geselligen Fuß«, cha- Die Verbesserungsvorschläge im Gutachten Vaublancs um- rakterisiert Vaublanc aber als »wohlwollendes, süßliches fassen ein weites Spektrum und zeigen ein anschauliches Französchen« und »ächten Boudeoir-amateur de bas étage, Bild der Lebensverhältnisse in München in der Mitte des aber mit aller gallischen Elastizität der Sitten und des savoir 19. Jahrhunderts aus der kritischen Sicht eines weitgereisten faire begabt, deren ein König wie Maximilian II. bedarf«. Er und umfassend gebildeten Franzosen. »Verschönerungen« sieht in Vaublanc »das in Kunstangelegenheiten allmächtige im Sinne der Verbesserung der urbanen Infrastruktur wa- Französchen« und bezeichnet ihn bissig als »Kunstorakel- ren um 1850 in der königlichen Haupt- und Residenzstadt chen«. Auch Paul Heyse, der als Berater zu Fragen des neu- dringend notwendig. München hatte ein explosives Wachs- en Baustils herangezogen war, sieht Vaublanc nicht unkri- tum zu bewältigen. Mit dieser dynamischen Entwicklung, tisch. Dass Vaublanc zu den »Schöngeistern« gehörte, die verbunden mit dem Stadtumbau zum »Isar-Athen« durch Max II. beeinflussten und gegen die der Architekt Fried- Ludwig I., hatte die kommunale Infrastruktur nicht Schritt rich Bürklein beständig zu kämpfen hatte, erscheint nicht

halten können. Es herrschten hygienische Verhältnisse wie unwahrscheinlich. Fotos: links: Wikimedia Commons Aymeric 78, Münchener Stadtmuseum,ksammlung Grafi

| 12 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM EIN »BOUDEOIR-AMATEUR DE BAS ÉTAGE MIT ALLER GALLISCHEN ELASTIZITÄT DER SITTEN«

Vicomte Henri de Vaublanc, 1803 in Montpellier geboren, entstammt einer angesehenen französischen Familie. Sein Vater Jean Baptiste de Vaublanc hatte in der französischen Armee Karriere gemacht und kam 1812 beim Rückzug der Grande Armée ums Leben. Betreut von seinem Onkel Vin- cent-Marie de Vaublanc, der als Politiker erheblichen Ein- fluss hatte, begann der junge Henri de Vaublanc seine Lauf- bahn in der französischen Administration, die er aber nach der 1830-er Revolution in Paris nicht fortsetzte. Durch die Vermittlung des Barons von Cetto kam Vaublanc 1836 an den Münchner Hof, zunächst als Bibliothekar des Kronprinzen. Diese Stellung war nicht ohne politische Delikatesse. Der französische Gesandte in München berichtet kritisch nach Paris. Der Kronprinz versichert ihm aber persönlich: »J’ai voulu avoir un Français dans mon intimité pour acquérir ce qui me manque en fait de facilité pour parler Votre langue. J’aime Votre pays et je m’occupe constamment de tout qui regarde la France.« Vaublanc steigt zum königlichen Käm- merer und Oberhofmeister im Hofstaat der Königin The- rese auf. Nach der Heirat des Kronprinzen mit Marie von Preußen 1842 wechselt Vaublanc in deren Hofstaat und hat ab 1848, nach der Thronbesteigung von Max II., die Positi- on des Obersthofmeisters der »regierenden Königin Marie« inne. Unmittelbar nach dem Tod von Max II. am 10. März oben Vicomte de Vaublanc um 1852. Kolorierte Aufnahme, 1864 lässt sich Vaublanc mit dem Titel Obersthofmeister in Fotoatelier Alois Löcherer. den Ruhestand versetzen. und des Städtebaus in München zeigt sich u. a. darin, dass »DAS IN KUNSTANGELEGENHEITEN er sich mit einem eigenen Entwurf am Wettbewerb beteiligte. ALLMÄCHTIGE FRANZÖSCHEN« Vaublanc pflegte von München aus enge Beziehungen zur Vaublanc begleitete Max II. bereits als Kronprinzen auf des- Kulturszene in Frankreich. Salopp könnte Vaublanc als Lob- sen Reisen in das europäische Ausland, u. a. nach London, byist Bayerns im französischen Kulturkreis bezeichnet wer- Italien und Frankreich. Seine vorzüglichen wissenschaft- den, der das »Licht der Wittelsbacher und Münchens« in lichen Kenntnisse wurden öffentlich gerühmt. Die umfas- Frankreich verbreiten sollte – auch wenn von ihm überlie- sende kulturhistorische Bildung Vaublancs als »homme des fert ist, dass er sich »niemals erniedrigt hat, deutsch zu spre- lettres« unterstreichen seine zahlreichen Publikationen. Sei- chen.« Die Akten im Geheimen Hausarchiv belegen, dass ne enge, über Jahrzehnte andauernde Beziehung zu König Vaublanc seine französischen Kontakte nutzte, um im fran- Max II. hat Vaublanc in einem Nachruf dokumentiert, der kophonen Kulturkreis ein positives Bild von München, von 1867 in französischer Sprache publiziert wurde. Bayern und vor allem von König Max II. zeichnen zu las- sen. Im Winter 1855/56 besuchte ihn der Schriftsteller Adol- LOBBYIST BAYERNS IM phe Thiébault in München, der in seiner Reisebeschreibung FRANZÖSISCHEN KULTURKREIS »Vingt semaines de sejour à « die kulturellen Ver- dienste des Hauses Wittelsbach um München und Bayern Das besondere Interesse Vaublancs an den zeitgenössischen unterstreicht. Entwicklungen der Stadt-Bau-Kultur dokumentiert sei- ne 1861 in Paris erschienene Publikation »Un coup d’oeil DIE WICHTIGE KULTURGESCHICHTLICHE Beziehung zwi- à Paris«. Vaublanc analysiert darin das »neue Paris«, wie schen Vicomte Henri de Vaublanc und König Max II. mit es sich nach der Umgestaltung durch Baron Haussmann Blick auf die »Stadtverschönerung Münchens« Mitte des zeigt. Vaublanc wirkte unmittelbar an der Ausschreibung 19. Jahrhunderts und die internationalen Bezüge zu den des Architektur-Wettbewerbs für den »neuen Stil« in Ver- Metropolen Paris und London bedarf der weiteren Aufar- bindung mit dem Entwurf für das »Maximilianeum« mit. beitung. Vaublanc stirbt 1874 in München. Seine zweibän- Auf Grund seiner guten Kontakte wurden 38 französische dige Autobiographie »Souvenirs de trente ans« hat er der Architekten zur Teilnahme am Wettbewerb eingeladen. Das Bibliothek seiner Geburtsstadt Montpellier vermacht. Auf Interesse Vaublancs an aktuellen Fragen der Architektur über 700 handgeschriebenen Seiten beschreibt Vaublanc

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 13 | 19. Jahrhunderts, zumal Bauer damit auch einen Rückblick auf seine 16-jährige Amtszeit verbindet. Es entsteht ein an- schauliches Bild der Sachzwänge in einer Phase des städte- baulichen Umdenkens, verbunden mit dem Bemühen, die drängenden Probleme der Stadt zu lösen. In vielen Facet- ten wird ein kulturgeschichtliches Panorama der Lebens- wirklichkeit der Münchener Bürgerschaft Mitte des 19. Jahr- hunderts gezeichnet.

»MIT EINEM ÜBERALL ZWEI STUNDEN LANGEN GARTEN UMGEBEN«

Einleitend hebt Jakob Bauer die drei Handlungsmaximen seines kommunalpolitischen Wirkens hervor. Erste Priori- tät hat für ihn die Sorge um die Gesundheit der Menschen. Bauer würdigt besonders den Englischen Garten, der durch die Erweiterung bis zum Aumeister »einen europäischen Ruf bekommt« und für die Gesundheit der Bewohner Mün- chens ein wahrer Schatz ist. Kurz und bündig geht Bauer auf die städtische Grünplanung im »oberen Teil« der Isar,

oben Jakob von Bauer (1787-1854), Bürgermeister der Stadt München von 1838-1854.

seine Reisen mit Max II. und das gesellschaftliche und po- litische Leben in München. Max II. und sein Berater stan- den über 25 Jahre von 1838 bis 1864 in engem persönlichen Kontakt. Damit dürfte die vom Autor dieses Artikels ent- deckte und nur in einem Exemplar vorhandene Autobiogra- phie Vaublancs eine ergiebige Quelle zur Biographie von Kö- nig Max II. und auch zu seinen städtebaulichen Ideen sein. Auswertung und Publikation der »Souvenirs de trente ans« als Beitrag zur Kulturgeschichte Bayerns und Münchens aus französischer Sicht ist in der neuen Buchreihe »Mater- ialien zur Kultur-Geschichte Münchens« in Vorbereitung.

BÜRGERMEISTER JAKOB BAUERS »ÄSTHETISCHE RUNDSCHAU ÜBER MÜNCHEN«

Franz Seraph Pfistermeister, der Kabinettsekretär Max II., übergab das vom König in Auftrag gegebene Gutachten Vaublancs mit den Vorschlägen zur »Verschönerung Mün- chens« an den erfahrenen Kommunalpolitiker Jakob Bauer. Der Bürgermeister der Stadt, geadelt 1852, erhielt damit Gelegenheit, zu den zukunftsweisenden Ansätzen moder- ner Stadtplanung und deren Umsetzung in München Stel- lung zu nehmen. Es ist ein Glücksfall, dass sich nicht nur das Gutachten Vaublancs, sondern auch die Stellungnah- me Bauers unter dem Titel »Ästhetische Rundschau über München« im Geheimen Hausarchiv erhalten hat. In der Zusammenschau handelt es sich hierbei um Schlüsseldo- oben Denkmal für Jakob von Bauer, in den Flaucheranlagen

kumente zur Münchner Stadt-Bau-Kultur-Geschichte des aufgestellt 1861. Bildhauer: Max von Widnmann (1812-1895). Foto links: Schiermeier Verlag, Foto links oben: Bayerische Staatsbibliothek.

| 14 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM also in den südlichen Isarauen, ein: »Für den oberen Teil der stunde zu reinigen. Der Wunsch, einen Boulevard zu errich- Isar wird der Magistrat sorgen.« Er formuliert das Ziel der ten, »beseelte« Bauer schon lange; »allein es gehören Mittel weiteren Ausdehnung nach Süden bis zur Menterschwaige: dazu.« Auch hier betont Bauer, dass ein solcher Boulevard »Dadurch wird München von der Isarseite aus mit einem die Festsetzung der Grenzen der Stadt zwingend voraussetzt. überall zwei Stunden langen Garten umgeben, was auf die Detailliert und engagiert beschreibt Bauer die Arbeiten zur Gesundheit der Stadt gewiß einen vorteilhaften Einfluß ha- Regulierung der Isar seit Beginn seiner Amtszeit und die ben muß«. Diese Vision Jakob Bauers ist bis heute Reali- hierbei angefallenen Kosten. In einem für die Münchener tät und zugleich das Markenzeichen Münchens als »Isar- Stadtplanung wesentlichen Punkt waren sich Vaublanc und Metropole«. Bauer einig. Das Wachstum der Stadt sollte durch einen Ring- Boulevard begrenzt und in geordnete Bahnen gelenkt wer- An zweiter Stelle kommt für Bauer die Sorge um das behag- den. Auf Grund dieser wichtigen Übereinstimmung beauf- liche, »comfortable« Leben der Menschen in der Stadt. Um tragte König Max II. den preußischen Gartenarchitekten, die Lebensqualität nachhaltig zu verbessern, zählt Bauer u. a. Landschafts- und Stadtplaner Peter Joseph Lenné 1853 da- folgende Faktoren auf: »Reinlichkeit der Gaststätten, Ver- mit, einen »Schmuck- und Grenzzüge-Plan« für München legung der Schlachthäuser nach außerhalb der Stadt, Metz- zu erstellen, der nach heutiger Terminologie als erster Stadt- gerläden aber in der Stadt, Herstellung der Gehsteige für die entwicklungsplan für München zu bezeichnen ist. Fußgänger, Unterbinden des Galoppierens der Reiter und des unsinnigen Rollens der Kutschen durch die Straßen«. »In München fi ndet sich in Bausachen eine Intelli- An dritter Stelle ordnet Bauer die Sorge um das kultu- genz, wie kaum in einer anderen Stadt; nur muß relle Leben in Form der »anständigen Erheiterung und der man den Ingenieuren nicht unbedingt Glauben Vergnügungen« ein. Das Grundübel der schwierigen Finanz- schenken. Denn gar gerne bringen diese dem Stil, situation der Stadt sieht Bauer in der zügellosen Stadterwei- der Freude, der Schönheit einzelner Teile die terung seit Beginn des 19. Jahrhunderts und benennt die Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit des Ganzen Ursachen mit deutlichen Worten. Bauer formuliert eine bis zum Opfer, ja sie übersehen in ihrer idealen heute gültige Wahrheit: »Diejenige Verwaltung, die Schulden Schwangerschaft das Allerunentbehrlichste.« macht, … ohne die Mittel der Deckung zu überlegen, baut durch ihr Streben nach Vervollkommnung sich selbst das Bürgermeister Jakob Bauer über die Grab. In dem Nichterkennen dieser Zustände liegt nicht sel- Münchner Architektenschaft ten der Tadel der Dränger gegen die Gemeinde.« Bauer be- nennt die »Dränger« nicht, nimmt aber zwischen den Zei- Klaus Bäumler, Richter am Bayerischen Verwal- len auf den königlichen »Dränger« Ludwig I. Bezug, der die tungsgerichtshof rtd., leitete von 1978-2008 Stadt über Jahrzehnte zu Baumaßnahmen genötigt hatte, den Bezirksausschuss Maxvorstadt (BA 3). Er setzte sich besonders für historisches die sie finanziell überforderten. Grün, Erhaltung des kulturellen Erbes und im Rahmen der zeitgeschichtlichen Erinnerungs- arbeit seit 1996 für die Errichtung des »UNTERBINDEN DES UNSINNIGEN ROLLENS NS-Dokumentationszentrums ein. DER KUTSCHEN DURCH DIE STRASSEN« Im Franz Schiermeier Verlag gibt er die neu begründete Reihe »Materialien zur Kultur- geschichte der Stadt München« heraus. Anschließend geht Bauer in seiner »Ästhetischen Rund- schau« auf das Gutachten Vaublancs Punkt für Punkt ein. In knappen Worten stellt er als Mann der Praxis die admi- Literatur nistrativen Probleme bei der Durchsetzung der Vorstellungen In der Reihe »Materialien zur Kulturgeschichte Vaublancs dar und zeigt das von ihm selbst Erreichte auf. der Stadt München«, hg. von Klaus Bäumler im Franz Schiermeier Verlag München: Weiten Raum nimmt der Zustand der Straßen und Geh- Henri de Vaublanc, »Vorschläge für steige ein sowie die Notwendigkeit eines Niveauplans für König Maximilian II. 1851/52«, Jakob von Bauer: »Ästhetische Rundschau über die Gesamtstadt, der für die Entwässerung der Straßen und die Stadt München 1852«, den Bau der Kanäle unabdingbar ist. Erneut fordert Bauer, Vorwort von Klaus Bäumler, München 2012. Jakob von Bauer, »Grundzüge der Verfassung die Grenzen der Stadt genau zu fixieren und neue Straßen und Vermögensverwaltung der Stadt- nur unter Beachtung des »Hauptplans der Stadt« anzule- gemeinde München 1845.« Nachdruck mit Vorwort von Klaus Bäumler, München 2012. gen. Ohne Erhöhung der Gemeindemittel sei dies alles aber Leo von Klenze, »Schriften und Briefe nicht erreichbar. Die hygienischen Verhältnisse zur Nacht- (Memorabilien)«, Klenze-Edition des Architekturmuseums der Technischen zeit beschreibt Bauer unter dem Stichwort »Sanitätswesen«. Universität München, hg. Winfried Nerdinger, Es war üblich, die Abtritte der Häuser nachts zu »reinigen«, CD-ROM, München 2000. Vincent-Marie Vienot de Vaublanc, indem die »stinkende Lauge« auf die Gassen geleitet wur- »Essai sur l’instruction et l’éducation d’un de. Diese Form der mittelalterlichen Abwasserbeseitigung prince au XIXeme siècle«, Paris 1833. Bayer. Staatsbibliothek, Signatur: paed.th. 5896, war offenbar nicht zu verhindern. Bauer beschränkt sich als pdf-Download verfügbar und als auf die Forderung, die Abtritte erst nach Ablauf der Polizei- Digitalisat lesbar.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 15 | Das Beste für München Hugo von Tschudis Erwerbungen französischer moderner Kunst für die Pinakotheken

Text: Andrea Bambi

links Aristide Maillol: Le Coureur cycliste, 1907/08. 1912 Schenkung von Eduard Arn- hold und Robert von Mendelssohn.

| 16 | n der Geschichte der Generaldirektoren der Bayerischen Werke von Eugene Delacroix, Eduard Manet und Claude Mo- Staatsgemäldesammlungen spielte der Schweizer Hugo net präsentierte. Private Sammler wie Carl und Thea Stern- Ivon Tschudi (1851-1911) trotz seiner knappen Amtszeit heim kauften Spitzenwerke von Vincent van Gogh, die sie in von Sommer 1909 bis zu seinem frühen Tod im November Pullach am Isarhochufer in der Villa Bellemaison vereinten. 1911 eine bedeutende Rolle. Er prägte die Sammlungen der Rudolf von Simolin besaß Werke von Cézanne, van Gogh, Re- Pinakotheken, vor allem die der Neuen Pinakothek mit den noir, Derain, Degas, Maillol und anderen, die sich in Schloss Erwerbungen aus der Zeit des Impressionismus und Postim- Seeseiten am Starnberger See befanden. Am Weßlinger See pressionismus, der letztere ihren Weltrang verdankt. lebte das Ehepaar Thurneyssen, das mit Pierre Auguste Re- noir persönlich bekannt war und ihn 1910 als Sommergast DIE BERLINER »TSCHUDI-AFFÄRE« beherbergte. Zur Sammlung der Neuen Pinakothek gehörte ALS GLÜCKSFALL FÜR MÜNCHEN seit 1907 das Frühwerk von Claude Monet, die Felsen von Sainte Adresse darstellend. Als Tschudi 1909 die Berliner Nationalgalerie nach einer hef- tigen Auseinandersetzung, der so genannten »Tschudi-Affäre« BERUFUNG EINES »ULTRAMODERNEN« über die Erwerbung von Werken der französischen Moderne, AUF VORSCHLAG DES PRINZEN hatte verlassen müssen, wurde er in München wohlwollend empfangen und konnte hier seine atemberaubende Erwer- Bereits ab 1906 beschäftigte sich Münchens kulturpolitische Szene mit Tschudi und einer möglichen Berufung, initiiert durch einen Vorschlag des Prinzen Rupprecht von Bayern, der schon früh ein Augenmerk auf ihn gerichtet hatte. Es folgten diskrete Unterredungen zwischen dem Ministerium, Geheim- rat Wilhelm von Bode und Generaldirektor Franz von Reber, in die auch Heinrich von Tucher, bayerischer Gesandter in Wien und bedeutender Kunstförderer eingebunden war. Alle waren sich einig: An der »ultramodernen Richtung« Tschu- dis würde man hier keinen Anstoß nehmen und im Novem- ber 1908 fand eine erste Unterredung mit ihm im Münchener Ministerium statt. Im Anschluss daran war es der Bildhau- er Adolf von Hildebrand, sein ältester und intimster Freund in München, der Tschudi offiziell von dem Wunsch unter- richtete, ihn als Generaldirektor der Bayerischen Staatsge- mäldesammlungen zu gewinnen, und am 15. Mai 1909 sagte Tschudi schriftlich zu, unter der Bedingung, unabhängig tä- tig sein zu können. Für die ersten zwei Jahre seiner Amtszeit war ihm das möglich, dann setzten erneut kritische Stim- men ein. Diese manifestierten sich in den Lamenti der Mün- chener Künstlerschaft, die Tschudis Pläne zum Ankauf franzö- sischer Kunst durchkreuzen wollte, und in den Ablehnungen der Ankaufskommissionen und des Ministeriums. Theodor von Cramer-Klett junior wandte sich im März 1911 hilfesu- chend an Prinz Rupprecht und schilderte die Situation, die nunmehr nur durch die Findung von Donatoren zu lösen sei. oben Hugo von Tschudi, um 1910. Gleichzeitig skizzierte er für den Fall, dass München Tschu- di fallen ließe, ein Horrorszenario: Der nächste Galeriedi- bungspolitik moderner, meist französischer Kunst unbeirrt rektor könne dann nur ein Militär-Anwärter sein, um der- fortsetzen. War München der französischen Kunst gegenüber artigen Anfeindungen von Künstlerschaft und Ministerium aufgeschlossener, war München weltoffener als die Haupt- überhaupt begegnen zu können. stadt? War München bereit für das Internationale, während Berlin und der Kaiser nationaler dachten? Acht Monate darauf verstarb der lange schon an Hauttuber- kulose leidende Hugo von Tschudi in Bad Cannstatt, wohin OFFENSICHTLICH FIELEN DIE frankophilen Erwerbungs- er sich zur Behandlung zurückgezogen hatte. strategien Hugo von Tschudis auf fruchtbaren Boden. Münche- ner Kunsthändler wie Heinrich Thannhauser und Josef Brakl DIE LEGENDÄRE »TSCHUDI-SPENDE« zeigten bereits zu Beginn des neuen Jahrhunderts in der Mo- dernen Galerie Werke von Henry Toulouse-Lautrec, Vincent Donatoren wie Eduard Arnhold, Paul und Robert von Men- van Gogh, Paul Cezanne und Pablo Picasso, während Herr- delssohn-Bartholdy, Auguste Rodin, Paul Durand-Ruel, Ale-

Fotos: Bayerische Staatsgemäldesammlungen Bayerische Fotos: mann Heinemann in seiner gleichnamigen Kunsthandlung xandre Bernheim-Jeune, Ambroise Vollard und andere

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 17 | Eugène Delacroix, Ferdinand Hodler, Auguste Renoir, Clau- de Monet, Pierre Bonnard, Maximilian Luce, George Michel, Camille Pissarro und Armand Guillaumin.

DAS SELBSTPORTRÄT VAN GOGHS – ALS »ENTARTET« VERHÖKERT

Außerdem gehörte zu diesem Werkkomplex das berühmte Selbstporträt von Vincent van Gogh, das Tschudi bereits 1906 für Berlin akquriert hatte, dort nicht platzieren konn- te und das Tschudis Nachfolger Dörnhöffer daher 1919 bei der Witwe Angela von Tschudi erwerben konnte. 1938 wurde es als »entartet« bezeichnet, beschlagnahmt und erneut nach Berlin verschickt. Zur Devisenbeschaffung und im Auftrag von Hermann Göring und Joseph Goebbels versteigerte am 30. Juni 1939 die Galerie Fischer im Grand Hotel National in Luzern »Gemälde und Plastiken moderner Meister aus deutschen Museen«, darunter das Selbstbildnis von Vincent van Gogh, das mit 175.000 Schweizer Franken den höchsten Verkaufspreis erzielte. Heute ziert es das Fogg Art Museum in Cambridge/MA in den USA. Zwei weitere Hauptwerke der französischen Kunst von Renoir und Monet, die aus der Ära Tschudi bzw. Reber stammten, wurden 1940 unter dem oben Vincent van Gogh: Selbstporträt, 1888, Camebridge, damaligen Generaldirektor Ernst Buchner zusammen mit USA, Fogg Art Museum. weiteren Werken alter Kunst gegen ein Gemälde von Hans Thoma abgegeben. Hinzu kommen zwei weitere Abgaben bzw. Tauschaktionen; ansonsten ist dieser fulminante Bild- bestand bis heute geschlossen erhalten geblieben.

TSCHUDIS NEUORDNUNG DER ALTEN MEISTER

Als Tschudi sein Münchner Amt antrat, war er für 8500 Kunstwerke zuständig und die Sammlung der Alten Pi- nakothek bereits von höchster Qualität. Weitere Erwer- bungen auf dem Gebiet der Alten Meister bedeuteten ein sehr kostspieliges Unterfangen auf einem Kunstmarkt mit eher knappem Angebot. 1909 konnte Tschudi im Pariser und Londoner Kunsthandel noch drei bedeutende, moderne Er- werbungen von Werken von Francisco José de Goya y Lu- cientes, Francesco Guardi und El Greco tätigen; Künstler, die als Entdeckungen Tschudis gelten. Doch für die Jahre 1910 bis 1911 sind keine Ankäufe Alter Kunst zu verzeichnen. Tschudi konzentrierte sich auf eine Neuordnung der Alten oben Maximilien Luce: Seinequai bei Paris, 1899. Pinakothek und eine Zusammenführung wichtiger Werke 1912 Schenkung Harry Graf Kessler, USA. in München, die bis dahin auf Zweiggalerien der Staatsge- mäldesammlungen verteilt waren. realisierten die »Tschudi-Spende«, die sowohl die Schen- kung zu Lebzeiten als auch die posthume Erwerbung von »IM KAMPF UM DIE KUNST« über 50 Werken bezeichnet, die Tschudi für München ak- quiriert, aber noch nicht vollständig erworben hatte. Ihr ver- Tatsächlich sind die Erinnerung an Tschudi und seine Fama danken die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen 5 Werke vorrangig an sein Engagement um die moderne Kunst ge- von Gustave Courbet, 4 Werken von Paul Signac, je 3 Werke bunden. Tschudi kaufte bei den Münchener Kunsthandlungen von Paul Cézanne, , Maurice Denis, Auguste Julius Böhler, A. S. Drey, Franz Joseph Brakl und Heinrich Renoir, Aristide Maillol und George Minne, je 2 Werke von Thannhauser, auf Ausstellungen des Münchener Kunstver- Honoré Daumier, Eduard Manet, Theo van Rysselberghe, eins, Secessions-Ausstellungen, beim Künstler selbst und Eduard Vuillard, Henry de Toulouse-Lautrec, Henri Matisse, im Berliner Kunsthandel bei Cassirer, Schulte und Hermes.

Vincent van Gogh und Auguste Rodin sowie je ein Werk von Ebenso war ihm der französische Kunsthandel vertraut, er Staatsgemäldesammlungen Bayerische Fotos:

| 18 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM oben Claude Monet: La Pointe de La Hève, 1864, Privatbesitz, 1907 Ankauf bei Heinemann München. war Kunde bei Theodore Duret und Paul Durand Ruel. Sein Literatur Manet bis van Gogh. Hugo von Tschudi und der Wirken und sein Einsatz für die internationale zeitgenös- Kampf um die Moderne. Kat. Ausst. München und sische Kunst manifestierte sich bereits 1911, als, vom Bremer Berlin 1997/98, darin: Christian Lenz: »Das Bes- te gerade gut genug.« Hugo von Tschudis Erwer- Maler Carl Vinnen ausgehend, öffentlich die Ankaufspolitik bungen für die Alte und Neue Pinakothek. S.408- der Bremer Kunsthalle kritisiert wurde. Im Kern ging es um 412. Ders.: Heinz Braune und die Tschudi-Spende, S.432-437. Andrea Pophanken: Privatsammler der die vermeintliche Bevorzugung französischer Kunst und des französischen Moderne in München, S.424-431. französischen Kunsthandels durch das Museum. Die Preise Willibald Sauerländer: »Nur keine violetten für die französischen Impressionisten seien viel zu hoch, für Schweine.« Hugo von Tschudi und die Widersprü- derartige Summen dürfe nur deutsche Kunst gekauft wer- che der Modernisierung, In: Ders.: Die Luft auf der den. Vinnen forderte, den Erwerb von Kunstwerken für Mu- Spitze des Pinsels, München 2002, S.136-140 seen in die Hand von Kommissionen zu legen. Ihm schlossen Bernhard Maaz: »Hier handelt sich’s nicht blos um eine Persönlichkeit, sondern um ein Prinzip«. Hugo sich andere Stimmen an, die öffentlich die Bremer, Berliner von Tschudi im Briefwechsel. In: Jahrbuch der und Münchner Direktoren als Gehilfen des Kunsthandels Berliner Museen, Berlin 2004, S.157-200. bezeichneten. Berlin und Cassirer seien die Zentrale dieser Joachim Kaak: Hugo von Tschudi, die Ausstellung »bedrohlichen« Entwicklung. 1911 erschien unter dem Titel von »Meisterwerken muhammedanischer Kunst« und die Moderne. In: After 100 years. The 1910 »Ein Protest deutscher Künstler« die 80-seitige Broschü- exhibition »Meisterwerke muhammedanischer re Vinnens, die 128 Künstler unterzeichneten. Drei Monate Kunst« reconsidered. Hg. von Andrea Lermer und später erschien beim Piper Verlag in München die 182-sei- Avinoam Shalem. Leiden 2010, S.159-173. tige Antwortschrift auf Vinnens Publikation unter dem Titel Veronica Grodzinsky: Wilhelm II., Hugo von Tschudi and Jewish patronage of French modern »Im Kampf um die Kunst. Die Antwort auf den ,Protest- art. In: Jüdische Sammler und ihr Beitrag zur Kul- deutscher Künstler’ «, die 47 Künstler und 28 Galerieleiter, tur der Moderne, Heidelberg 2011, S.119-132. Schriftsteller und Kunsthändler unterzeichneten und in der sie Museumsdirektoren wie Gustav Pauli, Alfred Lichtwark Dr. Andrea Bambi hat Kunstgeschichte, Theater- und Hugo von Tschudi unterstützten. wissenschaften und Neuere Deutsche Literatur in München studiert und mit einem Sammlerporträt über den Grafen Schack promoviert. Seit 1998 ist FRANZ MARC UND WASSILY Kandinsky widmeten den sie Konservatorin für die Münchner Pinakotheken und war von 2006 bis 2008 als Forschungskoor- »Almanach des Blauen Reiters«, der Ausstellung, die Mün- dinatorin und Pressereferentin am Kunsthisto- chen mit der Avantgarde verbindet, posthum Tschudis An- rischen Institut in Florenz tätig. Seit 2008 leitet sie das neu gegründete Referat für Provenienzfor- denken: »Niemand hat es schwerer erfahren als Tschudi, über schung bei den Pinakotheken, die Kulturgüteraus- seinen Tod hinaus, wie schwer es ist, seinem Volk geistige fuhr für Bayern und ist Referentin für das Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee. Sie koordiniert Geschenke zu machen – aber noch schwerer dürfte es die- diverse drittmittelgeförderte Forschungsprojekte sem werden, die Geister wieder los zu werden, die Tschudi zur Provenienzforschung. Sie hat 1997 die Tschudi Ausstellung für München heraufbeschworen … Wir hoffen mit brennender Seele, an vorbereitet und ist u. a. Herausgeberin des Bandes der Riesenaufgabe, die ohne ihn verwaist liegt, sein Volk zu »Die Moderne und ihre Sammler«, der Porträts von vornehmlich jüdischen Privatsammlern und Rekon- den Quellen der Kunst zu führen, mit unseren schwachen struktionen ihrer Sammlungen der Jahrhundert- Kräften weiterzuarbeiten.« wende vorstellt.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 19 | Nikolaus Graf von Luckner, der »Marschall von Frankreich«

Wie man als Gastwirtssohn aus Cham nach und nach ein berühmter Feldherr, dann »Le Père Luckner« der französischen Revolutions- armee, schließlich aber das unschuldige Opfer der Guillotine wird

Text: Bernhard Setzwein

| 20 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM echt eigentlich war sein ganzes der Studirenden mit schweren Schulfratzen zu beschäfti- Leben ein Romanstoff! Einer gen, und ihnen in einer ganzen Reihe von Jahren ein großes Rwie Hans Jakob Christoffel von Nichts zu lehren. Der Kopf der Studenten wird ein Gerüm- Grimmelshausen wenn diesen Stoff in pelgemach von unnützem Wissen, von Wörterkrämerey und die Figur bekommen hätte, er hätte uns Vorurtheilen.« einen »abenteuerlichen Simplicissimus Oberpfalz« daraus gemacht, der dem »IHM WAR DAS LIEBSTE DAS SOLDATENSPIEL« Original kaum an Witz und Spannung, an Tollheiten und hanebüchenen Episo- Lang hielt es Luckner bei den Jesuiten, man kann’s verste- den nachgestanden hätte. Genau wie der hen, nicht aus. Er dachte sich wohl: Da muss ein frischer von Grimmelshausen erfundene Sim- Wind in das »Gerümpelgemach von unnützem Wissen« hin- plicius stammte auch Nikolaus Luckner einfegen, und so trat er – gerade einmal 15 Jahre alt, man von einer biederen, keinesfalls hochge- stelle sich vor – in das bayerische Infanterie-Regiment Mo- stellten Familie ab (den Grafentitel er- rawitzky ein. Dass dies keineswegs eine Fortsetzung der hielt er erst später durch das dänische Lehrzeit auf einer Art Rekrutenschule bedeutete, sondern Herrscherhaus). Gastwirtsleute im ober- dass es mit dem Soldatenleben gleich bitterernst wurde, ma- pfälzischen Cham waren seine Eltern ge- chen Luckners Aufzeichnungen deutlich, in denen es heißt, wesen, der Vater handelte nebenbei auch er habe beim Ungarnfeldzug gegen die Türken 1737 bis 1739 noch mit Hopfen. Sicher wird er auch noch eine kleine Ökonomie mit dabei gehabt haben, »Knan« Luckner, auch in dieser Hinsicht also wuchs der kleine Niklas ganz analog seinem literarischen Zwillingsbruder aus dem Spessart auf: »Anstatt der Pagen, Lakaien und Stall- knecht hatte mein Knan Schaf, Böcke und Säu, jedes fein ordentlich in seine natürliche Liberei gekleidet, welche mir auch oft auf der Weid aufgewartet, bis ich sie heim getrieben.«

DER »WILDFANG« BEI DEN JESUITEN

Doch bald schon mussten sie hinaus in die große, feindliche, abenteuerliche Welt, der Nikolaus Luckner grad so wie der Simplicius. Mit knappen zehn Jahren verließ der von seinen Lehrern und Mitschülern allgemein als »Wild- fang« bezeichnete Gastwirtssohn das bereits mitgemacht. Demnach wäre er zu dieser Zeit 15, 16 heimische Cham, erst kam er ans Strau- Jahr alt gewesen, und doch schon ein mit allen Wassern ge- binger Jesuitenkolleg, dann ans Passau- waschener Kriegshandwerker. Etwas anderes sollte er auch er. Wie es an solch »höheren Lehran- sein Leben lang nicht mehr dazulernen: Luckner war Sol- stalten«, wo der Unterricht vom sturen dat, sonst nichts, fast möchte man sagen, von Kindesbei- Pauken klassischer Sprachen und Au- nen an! Übrigens schreibt dies auch der ebenfalls in Cham toren, vom monotonen Herunterleiern aufgewachsene Geschichtsschreiber Rudolph Josef Schue- kirchlicher Dogmatiker geprägt war, graf in seinen »Biographien von berühmten Männern aus zu Mitte des 18. Jahrhunderts zuging, Baiern« über den Gastwirtssohn, »ihm war das Liebste das oben An dieser Stel- schildert der gut 20 Jahre jüngere An- Soldatenspiel, welche Neigung wahrscheinlich die dort (in le befand sich bis dreas Dominikus Zaupser, nicht nur Cham, Anm. B. S.) gelegene Kavallerie-Besatzung zuerst in zum Stadtbrand von Verfasser eines oberpfälzischen Wör- ihm rege gemacht hatte«. 1873 das Geburts- terbuches, sondern auch einer jener auf- haus von Nikolaus klärerischen Geister vom Schlage etwa DAS SCHLIMMSTE FÜR einen wie Luckner waren …. Frie- Luckner. eines Westenrieder oder Anton von denszeiten! Er sollte gegen Mitte seines Lebens eine solche Buchner. »Sie«, die Jesuiten, schreibt fast drei Jahrzehnte währende Periode mitmachen, da privati- links Der Luckner-

Fotos: Stadt Cham Tourist-Information, Stadtarchiv Cham Zaupser, »besitzen die Kunst, die Köpfe sierte er auf seinen Gütern in Holstein und sah den Kohlköp- Brunnen in Cham.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 21 | | 22 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM fen beim Wachsen zu – sterbenslangwei- lig muss ihm diese Zeit vorgekommen sein. Da waren seine Jugendjahre schon von anderem Kaliber gewesen, da jagte ein Krieg den nächsten, und wenn der Schlachtendampf sich einmal endgül- tig zu verziehen drohte, wechselte man eben die Befehlsgeber und die Fronten. Doch erst einmal war dazu keinerlei Ver- anlassung. Denn kaum aus Ungarn zu- rückgekehrt, wo man eben noch dem ös- terreichischen Kaiser Karl VI. gegen die Türken beigestanden war, entbrannte der bayerisch-österreichische Erbfol- gekrieg und man hatte plötzlich dieje- nigen, die eben noch Waffenbrüder ge- wesen waren, im eigenen Land als die größten Erbfeinde. Ein österreichisches Söldnerheer unter Führung des berüch- tigten Pandurenanführers Freiherr von der Trenck war es, das Luckners Hei- matstadt Cham 1742 niederbrannte und ausplünderte, 42 unschuldige Menschen kamen dabei zu Tode.

EIN MAJOR ZUM AUSLEIHEN

Ganz genau lässt es sich nicht feststel- len, möglich aber wäre es, dass Niko- laus Luckner, mittlerweile schon zum Fähnrich aufgestiegen, auf dem Rück- zug von Böhmen, wo sich der bayerische Kurfürst Karl Albrecht in Prag schon als neuer Herrscher über die österrei- DOCH WAS IST ein Major ohne Krieg! Seit 1748 herrsch- chischen Erblande hatte huldigen lassen, te auch in den Niederlanden Frieden. Luckner musste sich Cham noch einmal gesehen hat. Wenn nach einem neuen Betätigungsfeld umsehen. Er verließ die er tatsächlich dort gewesen sein sollte, bayerischen Kriegsdienste und trat in hannoveranische ein. fand er ein Städtchen vor, das einst sein Mit eigenem Geld stellte er ein Husarenkorps zusammen, Kindheitsort gewesen war, nun aber ver- Abenteurer, aber auch Deserteure aus den verschiedensten wüstet und niedergebrannt vor ihm lag, Ländern. Mit ihnen stand er nun dem Herzog Ferdinand in einem erbarmungswürdigen Zustand, von Braunschweig-Lüneburg zu Diensten gegen die Franzo- von dem es sich über Jahrzehnte hinweg sen im Siebenjährigen Krieg. Laut Engelbrecht Schwarzen- nur mühsam erholen sollte. Doch selbst beck, der 1993 die seither einzige Luckner-Biographie ver- wenn Luckner solche Kriegsfolgen am öffentlicht hat, war der Husarenanführer während dieser Beispiel seiner eigenen Vaterstadt mit- »Mission« in seinem eigentlichen Element: »Seine Speziali- oben Nikolaus Graf erlebt und mit angesehen haben sollte … tät war das Operieren im Rücken des Feindes und das Aus- Luckner in Husaren- großen Eindruck hat es auf ihn sicher- heben von Nachschubkolonnen. Mit seiner leichten Truppe uniform. Dargestellt lich nicht gemacht. Er ließ von seinem sollte er keine Schlachten schlagen, sondern plänkeln, täu- als: »Churfürstl. Han- Metier, dem Kriegshandwerk, nicht ab. schen und Unruhe schaffen. Er war überall und nirgendwo noverscher General- Nach dem Füssener Frieden von 1745 und machte dem Feind mit seiner Überrumpelungstaktik Lieutenant 1761«. drohte ihm gar Arbeitslosigkeit, also ließ das Leben schwer.« Lithografi e von Remy. er sich zusammen mit weiteren 5000 bayerischen Soldaten an die Niederlan- »VON DER NATUR EINE BESONDERE GABE de ausleihen, später sogar von Kurfürst FÜR DEN KLEINEN KRIEG« Maximilian III. verkaufen. Luckner war links Porträt Luck- jetzt 26 Jahre alt und mittlerweile zum Ein Augenzeuge, Berater Herzog Ferdinands, schildert den ners, Lithografi e,

Fotos: Stadtarchiv Cham Major befördert. Oberpfälzer Haudegen, der zeit seines Lebens ein gewisses signiert mit Maurin.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 23 | ben können, und sein auch von Grimmelshausen nicht tref- fender zu verspottendes Kauderwelsch aus Fremdwörtern und Simplicius-Deutsch wird verstanden worden sein: »Bit- te gantz unterthängst Emploieren Euw. Durchl. mich gleich auf unt sagrifficiert mus werden, ist mir die Einzigste unt größte Genad!«

DAS HEISST, GANZ so harmonisch endete das Verhältnis zwi- schen Herzog Ferdinand und Luckner, der für seine Durch- laucht mehrfach die Kastanien aus dem Feuer geholt hat- te, dann doch nicht. Nachdem nämlich der Siebenjährige Krieg beendet und der Hubertusburger Frieden geschlos- sen worden war, brauchte man Luckner plötzlich nicht mehr, nichts ist unnützer für einen Herrscher als ein teures Söld- nerheer in Friedenszeiten. Am besten man löst es auf. Man kann es sich ja schnell wieder zusammenkaufen, wenn Not am Mann ist. Luckner jedenfalls legte man nahe, in Pensi- on zu gehen. Mit 41 Jahren!

rechts Porträt des ZUM »COUSIN« DES KÖNIGS GEWORDEN Marschall Luckner, Kupferstich von Als dann aber 1789 in Paris die Revolution ausbrach und sich Vérité. die Verhältnisse in jenem Frankreich, das Luckner sieben Jahre lang als Husarenanführer gepiesackt hatte, gründlich änderten, witterte er plötzlich neuen Schlachtenqualm. Im simpliciushaftes Wesen nicht ablegen Juli 1790 trat er gewissermaßen zum Vorstellungsgespräch konnte, als ein selbst unter dem vier- vor die neu gegründete Nationalversammlung, der Präsident schrötigen Kriegervolk hervorstehendes empfing ihn mit den Worten: »Frankreich war es müde, sie Original: »Luckner, den man bei seinem zum Feinde zu haben und schätzt sich heute glücklich, sie komischen Auftreten für einen Markt- unter seinen Verteidigern zu wissen.« Es dauerte nicht lan- schreier gehalten hätte und der, dem un- ge und der einstige Feind wurde Oberkommandierender der verständlichen Kauderwelsch seiner Be- französischen Rheinarmeen, und zwar im Rang eines Mar- richte nach zu urteilen, nicht ganz bei schalls, was im Grunde eine Sensation war. »Er, der einfache Verstand schien, hatte von der Natur Bürgersohn aus der Oberpfalz, war nun zum ,Cousin‘ des Kö- eine besondere Gabe für den Kleinen nigs geworden; so lautete nämlich die übliche Anrede für ei- Krieg erhalten; niemand war gerissener nen Marschall von Frankreich.« (Schwarzenbeck) als er oder urteilte treffsicherer, um Nut- zen aus der gegebenen Lage zu ziehen.« UND ES WURDE ihm noch eine Ehre zuteil, wenn auch eher Was machte es da schon aus, dass Luck- zufällig und ungewollt: Graf Nikolaus von Luckner wurde ners Hirnkastl eine tatsächlich nur mit der Erstdruck der »Marseillaise« gewidmet, die später nicht Militaria vollgestopfte Rumpelkammer nur die Erkennungsmelodie der Revolution, sondern auch war und ein kleines Stückchen Brieftext Frankreichs Nationalhymne werden sollte. Geschrieben und von ihm aussah, als hätten Kavallerie komponiert hatte sie der Ingenieurhauptmann Rouget de und Infanterie zusammen Orthographie Lisle in Straßburg, und dass er sie seinem obersten Befehls- und Grammatik sturmreif geschossen. herrn widmen würde, war eigentlich ganz normal. In spä- Seine »Bersohn« – und gemeint war da- teren Drucken der »Marseillaise« fehlt diese Widmung denn mit »Person« – konnte allemal auf »Ge- auch, was Luckners Heimatstadt Cham nicht hindert, ihre nate« (Gnade) bei seinen durchlauch- Art von Kapital aus dem »großen Sohn der Stadt« zu schla- tigsten Gönnern zählen. Sie schätzten gen. Nicht nur, dass auf dem Marktplatz der Oberpfälzer Luckners Kunst des »Handgemein wer- Kreisstadt ein recht lustiger Brunnen anzuschauen ist, auf dens«, wie Goethe in seiner »Campagne dem ein die Passanten nassspritzender »Wildfang« Luckner in Frankreich« einmal das Geschehen mit dem Notenblatt der Marseillaise dargestellt ist, seit ein auf dem Schlachtfeld verharmlosend ge- paar Jahren läutet auch allmittäglich das »Allons, enfants nannt hat. So einer braucht nicht schrei- de la patrie« vom Glockenturm des Rathauses.

| 24 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM »LE PÈRE LUCKNER«

Wenige Jahre später mag die Marseil- laise Luckner einigermaßen schrill in den Ohren geklungen haben. Sie war mittlerweile zum Kampflied jener blu- tigen Revolution geworden, deren Op- fer nun auch Luckner selbst werden sollte. Eben noch gefeiert als »le père Luckner«, der’s in der maroden Revo- lutionsarmee schon richten werde, galt der Siebzigjährige nun, da Robespier- re an die Macht gekommen war, plötz- lich als Repräsentant der alten Zeiten. Ja mehr noch, als Verräter und Konter- revolutionär, unter anderem, weil er an der belgischen Grenze zwar die Öster- reicher zuerst in die Flucht geschlagen, dann aber unverständlicherweise seine er- oberten Stellungen wieder geräumt hatte. links Zum 100. Todes- tag, 1894, brachte »VON DER REVOLUTION man eine Gedenktafel VERSTAND ER NICHTS« zur Erinnerung an den Marschall Luckner Dieser in den Augen der Revolutionäre an dessen Geburts- in Paris militärische Fehler allein hät- haus an. te ihn wahrscheinlich noch nicht vors Tribunal gebracht, aber der alte, stör- rische Luckner zog nicht kleinlaut den Hauptes und bis zuletzt seine Unschuld beteuernd sieben Schwanz ein und versteckte sich auf Tage vor seinem 72. Geburtstag am Platz der Revolution auf einer seiner Besitzungen, sondern er das Podest der Guillotine. Zuletzt bewies er damit noch et- reiste mitten in die Höhle des Löwen was von jener Tapferkeit, die sein Zeitgenosse Jean Paul in nach Paris und beschwerte sich laut- seiner Schrift »Kriegserklärung gegen den Krieg« der sol- stark, warum ihm seine Pension nicht datischen, von der er nicht viel hielt, vorzog: »Wer vor einem ausgezahlt werde. Zusätzlich durch ei- blutroten Gemeinderate der Revolution steht, und nachdem nen Denunzianten angeschwärzt, sah er er das Wort gehört: du verlierst deinen Kopf, dennoch sei- sich plötzlich vor das Revolutionstribu- nen zeigt und aufsetzt: der hat eine Schlacht gewonnen schon nal gestellt. Wahrscheinlich wusste der vor Tod und Fallen.« greise Luckner gar nicht recht, wie ihm geschah. Er hatte immer nur etwas von Schlachtenplänen verstanden, hohe Poli- tik war ihm fremd. Der Generalleutnant Dumouriez jedenfalls kommt in seinen »Mémoires« zu dem Schluss: »Es fehl- te Luckner nicht an Geist, aber seine Persönlichkeit war unbedeutend. Sei- Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller Bernhard Setzwein lebt in Waldmünchen. ne Ansichten waren sehr verworren. … Literarisches Neuland betritt er 2013 mit Morgens war er ganz der Nation erge- seiner Hommage »Jean Paul. Von Adam bis Zucker. Ein Abecedarium mit Holzschnitten und ben, abends königstreu. Von der Revo- Federzeichnungen von Christian lution verstand er nichts.« Thanhäuser.« Er präsentiert darin Leben und Werk des großen deutschen Dichters, dessen Geburtstag sich 2013 zum 250. Mal UND SO STIEG Graf Nikolaus von jährt, »in der einzigen ihm gemäßen Form: als li- terarischen Zettelkasten«. Die Zeit schwärmt: Luckner, wahrscheinlich völlig verstört »Dem Enzyklopäden eine Enzyklopädie! Zauber-

Fotos: Stadtarchiv Cham und nichts verstehend, aber aufrechten hafte Anekdoten in Wort und Bild.«

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 25 | L’Âme aux deux patries Franzosen in Schwabing, Münchener in Paris

Text: Dirk Heißerer dass man in München nicht unterscheiden könne, wer noch lebe und wer schon gestorben sei Erinnerungen an München vor 1914, das damals allerdings auch schon nicht mehr richtig wirklich war

Über Glasscherben und Tristesse am Wedekindplatz mit seinen aus den alten Zeiten herüber ragenden Bäumen schweben die Geister leichten Fußes

oben Rudolf Herz: Marcel Duchamp - Le Mystère de Munich, Aufbau der Installation vor der Alten Pinakothek München vom 21.09.- 30.09.2013 anlässlich der 100. Wiederkehr von Duchamps Ankunft in München.

| 26 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM chwabing, das Münchener Künstlerviertel um 1900, ist heu- ein reizvolles Spiel, bis sie alle wieder ihrer verschie- te ein Mythos wie der verwandte Montmartre in Paris. Die denen Wege gehen, die einen ins Bierlokal und zum SZeiten Kandinskys hier, Picassos dort sind zwar längst vor- Abendessen in die Stadt, die anderen auf den Fried- bei, ihre Spuren verweht. Und doch hat das einstige Dorf vor den hof ins Vergessen oder bis zum nächsten Ausfl ug. Und Toren Münchens, kurzzeitig eigene Stadt und seit langem Stadt- die Moral von dem Gedicht wäre die, dass man in teil, trotz aller Veränderungen ein seltsames Flair, ein Fluidum des München nicht unterscheiden könne, wer noch lebe laissez-faire bewahrt, das es auf diese Weise andernorts in Mün- und wer schon gestorben sei – eine kühne These! chen nicht gibt. Über Glasscherben und Tristesse am Wedekind- platz mit seinen aus den alten Zeiten herüber ragenden Bäumen ÜBER DEN KÜNSTLERORT hinaus hat Schwa- schweben die Geister leichten Fußes und leichten Sinnes hinüber bing noch eine viel ältere Beziehung zu Paris und zum Englischen Garten, und es ist nicht immer möglich zu unter- seiner Umgebung. Das Schlösschen Suresnes an der

oben Schloss Suresnes in München Schwabing.

Werneckstraße wurde 1715/18 vom Kabinettssekre- en. linke Seite, Rudolf Herz Marcel Duchamp – Le mystère de Munich vor der Alten Pinakothek München, Aufbau 2012, © Horst Moser tär eben desjenigen bayerischen Kurfürsten Maxi- milian II. Emanuel – der blaue Kurfürst – erbaut, den die Österreicher im Spanischen Erbfolgekrieg mit seinem Hofstaat ins Exil vertrieben hatten, ge- nauer ins edle Château de Suresnes, auf halbem Weg

oben Der Wedekind-Brunnen – etwas verwittert – steht unter Bäumen im Herzen von Schwabing und ist dem Dichter Frank Wedekind gewidmet. Der Brunnen wurde 1959 von Ferdinand Filler erbaut.

scheiden, wer davon noch ganz wirklich ist und wer nicht. So je- denfalls hat es vor mehr als 100 Jahren der Ahnherr der Surrea- listen, der französische Dichter Guillaume Apollinaire empfunden, als er in München zwei Monate, von März bis Mai 1902, ausge- rechnet hinter dem Hofbräuhaus in der Neuturmstraße 3/III ge- wohnt hat. Seine damaligen Erlebnisse mit wandernden Geistern hat er in seinem Gedichtband Alcools (1913) in dem Gedicht »La maison des morts« festgehalten. Darin lässt er tote Münchener Bürger aus dem Leichenschauhaus im alten Nördlichen Fried- hof an der Arcisstraße auferstehen und zum Englischen Garten promenieren. Auf ihrem Weg treffen sie Freunde und Verwandte und sind so ausgelassen fröhlich, »daß nur ein ganz Schlauer fä- hig gewesen wäre / Tote und Lebende auseinanderzuhalten«. Sie tanzen und trinken miteinander; bei einer Kahnpartie auf dem Kleinhesseloher See verliebt sich gar ein junger Mann in eine jun- ge Frau, die aber bedauert, trop tard, sie sei schon gestorben, – oben Paul Klee, zerstörter Ort (1920). Fotos: Dirk Heißerer, Wikimedia Commons Rufus 46, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Münch

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 27 | zwischen Paris und Versailles gelegen. Zur Erinne- rung an die festfrohe Exilzeit bei Paris wurde das Schwabinger Schlösschen »Suresnes« genannt, der einfacheren Aussprache wegen ist es aber auch als Werneckschlössl bekannt. Dass Paul Klee dort ein- mal inmitten einer Künstler-Wohngemeinschaft ein Atelierzimmer finden würde (1919), ist ein be- sonderer poetischer Akzent; sein Bild »Zerstörter Ort« (1920) (heute Städtische Galerie im Lenbach- haus) ist hier entstanden. Heute dient das Schlössl der Katholischen Akademie als Gästehaus.

Der Schwabinger Geist hat also von Anfang an viel Französisches in sich aufgenommen. Albert Langen gründete seinen erfolgreichen Buchverlag in Paris; die Satirezeitschrift des Gil Blas illustré war das Vor- bild für Langens Simplicissimus und seine Dichter

oben Montmartre in Schwabing. Titelzeichnung für den Schwabing-Roman der Gräfi n Reventlow von Alphons Woelfl e (1913).

setzungen aus dem Französischen im Verlag Albert Langen. Als flei- ßigste Übersetzerin erwies sich dabei die schöne Franziska (Fanny) Gräfin zu Reventlow, eine aus Norddeutschland nach Schwabing geflohene Lebenskünstlerin, die teilweise im Akkord schuftete, um mit den Übersetzungen sich und ihren außerehelichen Sohn Rolf, genannt Bubi oder die Maus, durchzubringen, aber immer brillante Arbeit ablieferte. In dem erst in diesen Tagen abgerissenen, legen- dären Eckhaus an der Kaulbachstraße 63 lebte sie, ganz modern, zwischen 1903 und 1906 mit mehreren Männern in einer Wohnge- oben Der Simplicissimus entstand nach einer Pariser Idee. meinschaft mit verteilten Aufgaben zusammen. Ein junger Mann namens Franz Hessel war in dieser Runde eine Art Minnesänger, Frank Wedekind, Ludwig Thoma, Thomas Mann so- der freilich Liebespaaren lieber zusah als selbst ins Geschehen ein- wie die Zeichner Thomas Theodor Heine, Olaf Gul- zugreifen. Er ging der Gräfin ebenso auf die Nerven wie seiner spä- bransson und Karl Arnold. Verlag und Zeitschrift teren Frau Helen Grund, die ihn verständlicherweise mit dem fran- siedelten 1895 von der Seine an die Isar um, und Al- zösischen Autor Henri Pierre Roché betrog. Roché verwandelte bert Langen wurde der wichtigste Arbeitgeber der diese ménage à trois 1953 in seinen ersten (und einzigen) Roman Schwabinger Bohème. Französische (und skandi- Jules et Jim, der wiederum das Drehbuch bildete für den gleichna- navische) Literatur spielte damals eine große Rolle migen Film (1962) von François Truffaut. Franz Hessel war es aber in Deutschland. Marcel Prévost machte mit seinen auch, der zusammen mit seinem Freund Walter Benjamin 1927 die Demi-Vierges (Halbjungfrauen) 1895 Furore, und ersten Romane der Recherche Marcel Prousts übertrug; und seine noch vor den ‚Klassikern‘ Anatole France, Guy de Liebe zu Paris war so groß, dass man den Flaneur Hessel in Berlin Maupassant und Emile Zola (den Heinrich Mann auch an schönen Sommertagen mit einem aufgespannten Regen- übersetzte und sehr schätzte) war Prévost mit 36 schirm durch die Straßen gehen sah; als Grund dafür soll er ange- Buchtiteln der Star unter den insgesamt 116 Über- geben haben: »Es regnet in Paris!«

| 28 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM DIE ZWEITE PARISER Übernahme nach der Satirezeitschrift war Glacéhandschuh die Schlanke umschließt, verleiht das Kabarett. Marc Henry, der künstlerische Direktor der seit 1901 die Kunst ihres Vortrags abwechselnd die Schlep- in der Türkenstraße 28, im Hinterhaus des Gasthofs Zum Goldenen pe der Tragödin und die Schellen der Pierrette.« So Hirschen (also in der noblen Maxvorstadt) auf einem alten Fecht- befand die Münchener Zeitung am 1. Oktober 1902 boden mit Poesie und Musik exekutierenden Elf Scharfrichter, war und pointiert die Bühnenpräsenz der Diseuse ähn- vorher Conférencier im Pariser Chat noir gewesen. Seine Lebens- lich prägnant wie Th. Th. Heine auf seinem Plakat. gefährtin war die aus Lothringen stammende Chansonnière Ma- rya Delvard, die den Part der »Muse von Montmartre«, Yvette Guil- DEUTSCH-FRANZÖSISCHE VERSTÄNDIGUNG, das war in Schwabing schon früh gelebter Alltag. Die Zeitschrift Die Insel, von millionenschweren Stu- denten (ja, das gab es damals schon!) namens Al- fred Walter Heymel und Rudolf Alexander Schröder 1899 in einem Palais am Siegestor (Leopoldstraße 4/0) begründet und von alten Redaktionshasen wie Otto Julius Bierbaum und Franz Blei wenigstens bis 1901 über Wasser gehalten, präsentierte neben eng- lischen Newcomern und Künstlern auch die franzö- sischen Briefe des Abbé Galiani und Texte des jun- gen André Gide. Heymel war der Adoptivsohn eines reichen Bremer Konsuls gewesen und konnte sich als d Kunstbau München

oben Th. Th. Heine Marya Delvard als Frontfrau der Elf Scharfrichter. oben Wasssily Kandinskys Titelholzschnit für den Blauen Programmheft vom März 1903 Reiter (1912).

bert, übernahm. In einem engen schwarzen Kleid stand sie auf der »Prinz Kuckuck« (Bierbaum) solch ein Luxusleben Bühne, »halb Somnambule, halb Leiche« (Hans Carossa), und hat- leisten. Dass Die Insel wie nebenbei ein erstes Zei- te mit Frank Wedekinds Lied von der lebenslustigen Ilse bereits chen für einen europäischen Geist setzte, fiel kaum am ersten Abend im April 1901 einen durchschlagenden Erfolg. auf. Europäerin des Geistes war auch die wunder- Bayern und Frankreich trafen sich in diesem »Sälchen« für gera- bare Annette Kolb, Münchener Tochter einer Piani- de einmal 80 Gäste auf besondere Weise, wenn die Delvard Lieder stin aus dem Elsass und eines bayerischen Hofgärt- von Wedekind, Bierbaum oder aus Des Knaben Wunderhorn sang: ners. Sie debütierte 1899, als 29-jährige, mit Kurzen »Marya Delvard ist die geborene Interpretin dieser in Ernst und Aufsätzen, die auf Deutsch und Französisch zugleich

Fotos: Dirk Heißerer, Bayerische Staatsbibliothek, Staatliche Graphische Sammlung München, Städtische Galerie im Lenbachhaus un Scherz deutschen Chansons. Der schwarzen Sammtrobe, die wie ein erschienen. Ihr zweites Buch, die »Sieben Studien«,

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 29 | verlegte der Buchhändler Jaffe an der Briennerstraße unter dem schönen, die Völker verbindenden Titel L’Âme aux deux patries. Annette Kolb hat sich diese beiden Seelen ein Leben lang bewahrt; dem entspre- chend hat sie in Thomas Manns Exilroman Doktor Faustus (1947) auch einen Auftritt als »Jeannette Scheurl«. Ihre enge Freundschaft mit dem Elsäs- ser Kollegen René Schickele stand im Zeichen eines friedlichen Europa.

EINE ELSÄSSISCHE MUTTER hatte auch der Mün- chener Maler Franz Marc, der zusammen mit dem Russen Wassily Kandinsky im Jahr 1912 den Alma- nach Der Blaue Reiter herausgab. Der Band ist der Höhepunkt der Kunstentwicklung in München vor oben Postkarte von Marcel Duchamp an Max Bergmann aus Herne Bay, England, August 1913.

Dôme kennengelernt hatte. In dieser Zeit malte Duchamp einige Werke von größter Bedeutung für seine Kunst. In München ent- standen im Sommer 1912 zwei Gemälde: Der Übergang von der Jungfrau zur Braut und Braut, die den Höhepunkt und zugleich den Abschluss der Karriere Duchamps als Maler bilden. Mit der ersten Zeichnung für Die Braut von den Junggesellen entkleidet zum Thema »Mechanismus der Scham« bereitete er sein Schlüs- selwerk Das große Glas (1915-1923) vor, das die bisherigen Grenzen innerhalb der Malerei nach allen Richtungen sprengte. Besonders pikant ist, dass Duchamp sich damals im Atelier des Fotografen Heinrich Hoffmann an der Schellingstraße 50 (das Rückgebäude existiert noch heute) porträtieren ließ; Hoffmann avancierte später zum Leibfotografen Hitlers und beschäftigte eine Angestellte na- mens Eva Braun, die spätere Frau Hitler. Zurück in Paris, gab Du- champ die Malerei auf und verdiente sein Geld als Gehilfe in einer Bibliothek. Zwei Kunstwelten hatten sich in Paris und München kurz berührt; sie trafen sich danach nie wieder.

oben Marcel Duchamp, München 1912, Foto von Heinrich MIT DEM CAFÉ DU DÔME konnte das Café Luitpold an der Brien- Hoffmann. nerstraße sicher nicht konkurrieren, auch wenn es vielleicht präch- tiger ausgestattet war. Erst recht kam dagegen das verrauchte Wie- dem Ersten Weltkrieg; darin wird der Kunstbegriff ner Café Stefanie in der Maxvorstadt nicht an. Einer seiner Besucher erweitert; nicht nur europäische, auch außereuropä- war der spätere Diplomat und Dramatiker Jean Giraudoux, der im ische Kunst wird hier gleichwertig neben Zeugnisse Mai 1905 als Student der Germanistik mit einem Stipendium für alter Hochkulturen aus China, Indien und Ägypten einen fast zweijährigen Aufenthalt nach Deutschland gekommen gestellt. In diesem Band berichtet Roger Allard über war. Zehn Monate des ersten Jahres wohnte Giraudoux sogar über »Die Kennzeichnung der Erneuerung in der Male- dem Café Stefanie, genannt Café Größenwahn, dem Treffpunkt der rei« am Beispiel junger französischer Maler. Einer Schwabinger Bohème in der Maxvorstadt an der Ecke Amalien-/ davon sollte später der berühmteste Gegen-Künst- Theresienstraße. Er lernte dort u. a. die Dramatiker Frank Wede- ler des 20. Jahrhunderts werden: Marcel Duchamp. kind und Josef Ruederer kennen, mit denen er auch später viele Er kam damals für vier Monate, von Juli bis Okto- Briefe wechselte. Über diese Briefe, die in der Stadtbibliothek Mün- ber 1912, nach München und logierte in der Barer- chen (Monacensia) erhalten sind, geht es direkt in die wundersame straße 65/II. (Den Grundriss dieser Wohnung hat Geschichte Siegfried et le Limousin (Siegfried oder die zwei Leben im vergangenen Jahr der Münchener Künstler Ru- des Jacques Forestier, 1922). Das Thema der deutsch-französischen dolf Herz in eine Betonplastik umgesetzt, die für eine Beziehungen nach dem Vertrag von Versailles hat Giraudoux da- Weile südlich der Alten Pinakothek auf einer Wiese rin vielfach anhand des Siegfried-Motivs variiert. Der Roman um stand: ein monumentales ready made!) Duchamp er- die Doppelexistenz des Jacques Forestier – er hat im Krieg sein Ge- widerte damals den Besuch eines bayerischen Ma- dächtnis verloren und arbeitet jetzt unter dem Namen Siegfried von lerfreundes, des Zügel-Schülers Max Bergmann aus Kleist als Redakteur der angesehenen Frankfurter Zeitung – bie-

Haimhausen, den Duchamp 1910 im Pariser Café du tet im dritten Kapitel kuriose Erinnerungen an München vor 1914, Fotos: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, co: Galerie 1900-2000, Paris, Sammlung Klaus-Peter- Bergmann

| 30 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM das damals allerdings auch schon nicht mehr richtig wirklich war: »Doch verschwunden Wedekind und sein rheumatismusheilender Zitteraal; verschwunden auch (Ludwig) Thoma und seine mecha- nische Stirnklammer … ich stieg die Treppe mit dem Kupfergelän- der hinauf, an dem, des Geräuschs der Eheringe wegen, der Besit- zer des Nachts die verheirateten Männer erkannte und läutete … ich erkannte nicht nur die Klingel wieder, auch meine Art zu läuten…«.

DER DICHTER RAINER MARIA Rilke stammte zwar aus Prag, aber seine Studentenjahre hatte er um 1900 in München verbracht. Über das Künstlerdorf Worpswede bei Bremen ging er als Sekre- tär des Bildhauers Auguste Rodin nach Paris, lernte dort eine neue Modelliertechnik für seine ‚Dinggedichte‘ und zeigte 1907 in dem Band Neue Gedichte, was er damit meinte, wenn er etwa die Ge- fangenschaft des Panthers im Jardin des Plantes in seine Zeilengit- ter bannte. Eine große Rolle spielte für Rilke auch der Maler Paul Cézanne; ebenso für Paul Klee, der 1905 auf einer Reise nach Pa- ris 1905 das Werk Cézannes als Vorbild und Ansporn für die eigene Richtung erkannte. In dieser Zeit 1906/07 war zudem Wassily Kan- dinsky mit seiner Malerschülerin und Geliebten Gabriele Münter in Paris unterwegs. Später, zwischen 1909 und 1914, wohnten Klee und Kandinsky sowie Klee und Rilke als unmittelbare Nachbarn in der Schwabinger Ainmillerstraße (32-36); nur Rilke und Kan- dinsky haben sich wegen des Ersten Weltkrieges dort nicht auch so spontan kennenlernen können. Und über eine Begegnung der bei- den im Café du Dôme ist leider nichts bekannt.

Schon vor 1900 war Paris entscheidend auch für den Dichter Ste- oben Thomas Mann »Pariser Rechenschaft« (1926). fan George aus Bingen am Rhein geworden, der sich am symbolisti- schen Dichter Stéphane Mallarmé orientierte. In Schwabing wohnte dem Weg nach Paris, in Paris, wiedergesehen nach George später bei seinem Freund, dem Dichter Karl Wolfskehl aus 15 Jahren, noch dieselbe »milde, halbdurchsonnte, , in einer Dachwohnung des Hauses Römerstraße 16 silbrig neblige Pariser Luft – aromatisiert freilich und ließ dort Feste im Alt-Florentischen oder gleich Alt-Römischen jetzt durch die Dünste der Autos« – die Bouquinisten, Stil feiern. La Douce France kam hier leider nicht mehr zu Ehren. die Tuilerien, aber auch die Professoren, die zu cau- sieren (plaudern) verstünden, »causer, man denkt Engste Beziehungen unterhielt dagegen der Schriftsteller Heinrich daran, dass unser ‚kosen‘ kein anderes Wort ist als Mann schon lange vor 1914 nach Paris. Während der Kriegsjahre dieses, und auch einmal ‚reden‘, ‚verhandeln‘ bedeu- versuchte ihm sein vier Jahre jüngerer Bruder Thomas in München tet hat« – man ist mitten in der Hohen Schule der in einem dicken Band mit dem Titel Betrachtungen eines Unpoli- Diplomatie. Reden, Gegenreden, das Bekenntnis zu tischen (1918) nachzuweisen, dass das Französische für das Poli- Europa, Gemeinsamkeiten, Unterschiede, das gan- tische stehe und jemand als »Zivilisationsliterat« für die Kunst nicht ze schmale Buch (121 Seiten) ist selbst ein Muster- mehr in Frage komme. Diese Einstellung, die in ihrer Einseitigkeit beispiel für dieses Causieren, ist Literatur, die so tut, freilich schon in den Betrachtungen selbst in Frage gestellt worden als sei sie nur ein ganz persönlicher Bericht (was sie war, revidierte Thomas Mann bereits 1922 mit seinem Bekennt- unter anderem ja auch ist), und ist auch heute noch, nis nicht nur zur Republik, sondern auch zum tatkräftigen Vermit- unabhängig von aller damaligen Zeitgebundenheit, teln zwischen den vermeintlichen ‚Erbfeinden‘. Im kultivierten Pa- in der Lage, sanft und bestimmt die deutsch-fran- ris verstand man ihn schneller und gründlicher als im verstockten zösische Annäherung, das Leben im Anderen, bei- München, wo man einen ebenso unverbesserlichen Konservativen spielhaft aufzuzeigen. Ein Grundkurs in Diplomatie, ihn ihm sehen wollte, wie es diejenigen waren, die sich damals an- jederzeit und überall lesbar und lernbar. schickten, den Faschistenführer Hitler als neuen Heilsbringer zu unterstützen. Dr. Dirk Heißerer, Literaturwissenschaftler und Autor, veranstaltet seit 1988 literarische Spazier- gänge und Exkursionen zwischen München und dem THOMAS MANN DAGEGEN machte sich auf und fuhr nach Fran- Gardasee. Seit 1999 ist er erster Vorsitzender des kreich. Eines seiner schönsten Bücher, die Pariser Rechenschaft Thomas-Mann-Forums München e. V. und gibt die neue »Thomas-Mann-Schriftenreihe« (1926), ist ein Bericht darüber, wie es für ihn aus dem »Münchener heraus. Soeben erschien im Wallsteinverlag die von Arbeitszimmer und Isarufergehölz nicht unvermittelt in die Pariser Heißerer herausgegebene zweibändige Ausgabe der Briefe Hedwig Pringsheims an Katia Mann

Foto: Dirk Heißerer Dirk Foto: Aktion« gegangen ist. Der Reisebericht führt die Stationen auf, auf unter dem Titel »Mein Nachrichtendienst«.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 31 | ENTRE AMIS Frankreich als Wissenschafts- und Forschungspartnerland

Text: Axel Honsdorf

s ist gutes Allgemeinwissen, dass des 7. Forschungsrahmenprogramms fallen auf bayerische unsere bayerische Geschichte und und französische Forschertandems. (Quelle: Bayfor) Eunsere Kultur mit Frankreich auf das engste verbunden sind. Die Entsteh- Im Folgenden soll anhand einiger Beispiele die aktive ung des bayerischen Königreichs als bayerisch-französische Wissenschaftskooperation beleuch- Spätfolge der französischen Revoluti- tet werden. on, die Verwaltungsreform eines Grafen Montgelas und Schaffung eines moder- VORGESTELLT: nen Bayern nach französischem Vorbild, PROF. DR. ANNE-LAURE BOULESTEIX die liebgewonnen Spuren der franzö- sischen Sprache im Bayerischen: Vieles Mit über 25.000 im erinnert uns noch heute an die Wirk- Generalkonsulat München kraft dieser außergewöhnlichen Ver- erfassten französischen bindung. Nur zu verständlich, wenn wir Staatsbürgerinnen und auch im Wissenschaftsbereich Spuren Staatsbürgern verfügt Bay- dieser besonderen Beziehungen fi nden. ern über die größte fran- Die Vorgängerin der Technischen Uni- zösische Auslandsgemein- versität München, die »Polytechnische de in Deutschland. Neben Schule« 1868, gegründet vom technik- den Wirtschaftsstandor- begeisterten König Ludwig II., entstand ten Erlangen/Nürnberg und München sind es insbesondere z. B. nach dem Vorbild der französischen die exzellenten bayerischen Wissenschaftseinrichtungen, die Ingenieurschulen. Forscherinnen und Forscher aus dem Partnerland kurzfristig oder dauerhaft anziehen, darunter auch Professor Dr. Anne- Folgt man dem Blick in die Gegenwart, Laure Boulesteix. Die 34-jährige Preisträgerin des Therese- stellt man leicht fest, dass die franzö- von-Bayern-Preises und des renommierten deutsch-franzö- sische Hochschullandschaft für baye- sischen Gay-Lussac-Humboldt-Preises arbeitet seit 2009 als rische Studierende – trotz schwindender Professorin für »Computational Molecular Medicine« an der französischer Sprachkenntnisse – un- LMU München. Nach einem Doppeldiplomstudium der In- gebrochen attraktiv ist. Frankreich ist genieurwissenschaften an der Ecole Centrale Paris und der das erste Zielland für den Erasmus- Mathematik an der Universität Stuttgart promovierte sie 2005 Austausch. Auch im Bereich des Wis- in München über »Dimension Reduction and Classifi cation senschafts- und Forschungsaustauschs with High-Dimensional Microarray Data« und verfasste ihre gilt Frankreich als exzellenter Partner: Habilitation an der Universität Evry Val d’Essonne. Dazwi- 30% aller Projekte mit deutscher und schen lagen Lehr- und Forschungstätigkeiten an beiden Mün-

französischer Beteiligung im Rahmen chener Universitäten und an der Ecole Centrale Paris. Ihr Foto: LMU

| 32 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM Arbeitsbereich sind biostatistische Me- thoden in der Bioinformatik und der Me- dizin.

Aufgrund ihrer deutsch-französischen Biographie stellt sie immer wieder fest, wie Kommunikationsschwierigkeiten links Staatsminister im Dialog zwischen französischen und Dr. Heubisch, deutschen Wissenschaftlern auftreten, Dr. John Nassour, die oftmals aus den sehr unterschied- Professor Dr. Gordon lichen Lebensläufen sowohl während Cheng, Premierminister des Studiums als auch im akademischen Jean-Marc Ayrault, Prof. Berufsleben und den daraus entstehen- Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang den unterschiedlichen Mentalitäten und A. Herrmann wissenschaftlichen Kulturen resultieren. »Aber genau das macht auch den Reiz wissenschaftliche Forschung eingesetzt. So wird beispielswei- aus, für denjenigen, der sich traut, den se am Institut für Kognitive Systeme von Professor Dr. Cheng Sprung ins andere Land zu machen«, so untersucht, wie ein Roboter laufen lernt oder bei Frau Prof. Boulesteix. »Als Mutter von drei Kin- Dr. Dongheui Lee, Dynamische Mensch-Roboter-Interakti- dern erlebe ich hautnah den täglichen on für Automatisierungstechnik (HRI), wie menschliche Be- Spagat für junge talentierte Frauen im wegungen imitiert werden können. Der etwa 60 cm große deutschen Wissenschaftsbetrieb. Die humanoide Roboter erkennt die aktuellen Bewegungen des Vorzeichen in Deutschland ändern Menschen, kann sie nachahmen und zukünftige Bewegungs- sich aber seit einiger Zeit. Heutzutage abläufe und Bewegungsbahnen vorhersagen. Das kann er so ist es etwas einfacher und aus organi- gut, dass ein Team aus französischen und Münchener Wis- satorischer Sicht leichter als noch vor senschaftlern ihn und einige seiner kleinen Kollegen im näch- 10 Jahren, als frischgebackene Mut- sten RoboCup – der jährlichen Weltmeisterschaft im Roboter- ter wieder arbeiten zu gehen.« In die- fußball – einsetzen werden. ser Hinsicht habe sich Deutschland dem französischen Modell angenähert. Trotz- SAG MAL »ORDINATEUR« – EIN DOKTORANDEN- dem bemängelt sie, dass es für Wissen- KOLLEG IN PASSAU schaftler in Deutschland nach wie vor schwieriger sei, eine Familie zu grün- Hand auf‘s Herz: wer denkt nicht bei Computer an diverse den. »Es gibt nach wie vor vergleichs- Anglizismen. Betritt ein Besucher den Lehrstuhl für verteilte weise wenige feste Stellen«, stelle Bou- Informationssysteme von Professor Dr. Harald Kosch an der lesteix fest, »gleichzeitig wird ein hohes Universität Passau, wird er jedoch von der französischen Tri- Maß an Mobilität erwartet.«

»NAO« – DER KLEINE FRANZÖSISCHE FREUND

Ist der aber niedlich! Egal ob die Wissen- schaftler um Professor Dr. Gordon Cheng den kleinen Roboter bei der Kindermes- se Forscha in München, am Tag der of- fenen Tür der TU München oder dem französischen Premierminister Jean- links Nachwuchswissen- Marc Ayrault im Rahmen seines Besuchs schaftler des Doktoran- im April 2013 in Bayern präsentieren: denkolleg »Multimedia Dis- Der kleine Sympathieträger treibt allen tributed Pervasive Secure ein Lächeln ins Gesicht. So manch ein Systems« (MDPS) Kind würde ihn am liebsten wie ein Stofftier nach Hause mitnehmen und kolore an den Türen und französischer Konversation in so könnte so für die Technik begeistert manchen Besprechungszimmern überrascht. Schnell wird werden. Dabei wird »Nao«, der bei der deutlich, dass das Multimedia Distributed Pervasive Secure französischen Firma Aldebaran entwi- Systems (MDPS) Doktorandenkolleg eine Besonderheit in der

Foto: Ulrich Benz/TUM ckelt wurde, vornehmlich für ernsthafte englisch geprägten Zunft der Informatiker darstellt. MDPS

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 33 | augenmerk liegt dabei auf dem Bereich Multimedia mit den drei Unterdisziplinen »Verteilte Systeme«, »Pervasive/Mobile Systeme und „IT-Sicherheit«. Die Doktoranden verfassen ihre Arbeiten abwechselnd an ihren Partnerhochschulen und wer- den hierbei von zwei Professoren aus zwei Ländern gemein- schaftlich betreut. Außerdem fi nden bereits seit fünf Jahren halbjährlich Workshops mit Seminaren und Gastvorträgen von Experten aus Industrie und Forschung statt, bei denen sich die Doktoranden über ihren aktuellen Forschungsstand austauschen können. Kürzlich wurde das MDPS-Doktoran- denkolleg um einen Doppelmaster der Informatik (IFIK) er- gänzt, der die Studenten gezielt auf eine Promotion am MDPS Raoul Mille – Doktorandenkolleg vorbereitet. Frankreichs Wissenschaftsvertreter in Bayern Die beiden Triebfedern des Kollegs, Professor Dr. Kosch und sein Lyoner Kollegen Professor Dr. Lionel Brunie, sind Vir- Monsieur Mille arbeitet für das tuosen auf der Klaviatur der deutsch-französischen Wissen- Französische Außenministerium schaftsinstrumente: Zum Aufbau des Graduiertenkollegs ha- als sog. attaché de coopération ben sie alle möglichen Ausschreibungen und Fördermittel, scientifi que et universitaire en über PROCOPE, DFG/ANR bis hin zu Mitteln des BFHZ und Bavière. Nach Auslandsstationen der Deutsch-Französischen Hochschule, eingesetzt, um die in Finnland und Österreich ist Finanzierung des Kollegs und die Förderung der Doktoran- der gelernte Forstwirt seit knapp den zu sichern. Nach 5 Jahren Arbeit entstand so ein kleines zwei Jahren in Bayern. Seine Meisterwerk, das man in dieser deutsch-französischen Aus- Aufgabe ist die Intensivierung der prägung nur in Passau fi nden kann. Kooperationen in Forschung und Lehre zwischen Universitäten in DEUTSCH-FRANZÖSISCHE CLUSTERKOOPERATION Bayern und im Partnerland. AUSSERHALB EUROPAS: EINE NEUE QUALITÄT DER ZUSAMMENARBEIT

bietet Doktoranden der Informatik an Durch die Entwicklung neuer nationaler Akteure im Bereich der Universität Passau, der INSA Lyon Innovation und Technologietransfer ergeben sich auf inter- (Frankreich) und der Università degli nationaler Ebene zahlreiche neue Kommunikationswege und Studi di Milano (Italien) die Möglich- Kooperationsmöglichkeiten. Das Chemie-Cluster Bayern ver- keit, gleichzeitig zwei Doktortitel in zwei folgt eine explizite marktorientierte Internationalisierungs- der drei Mitgliedsländer zu erwerben, strategie, bei dem das Partnerland Frankreich und franzö- sog. Cotutelle de thèse. Die Dissertati- sische Clusterstrukturen, die sog. pôles de compétitivité, einen onen behandeln Teilbereiche des gemein- wichtigen Platz einnehmen. samen Forschungsprogramms. Haupt- Eine neue Qualität der Clusterkooperation wurde z. B. durch das EU-Projekt »Wiintech« geschaffen: Hier fi nanziert die Europäische Union in ihrem »Competitiveness and Innovati- on Framework Programme« den Aufbau neuer Partnerstruk- turen mit Industriestandorten in Brasilien, Indien, den USA und Japan. Unternehmen aus diesen Ländern sollen als Kun- den oder Technologiepartner europäischer Mittelständler im Bereich Clean-Tech gewonnen oder für ein Investment in Eu- ropa interessiert werden. Das Besondere an diesem Projekt: Die Koordination wird durch eine französische Regierungs- einrichtung geleistet, die Direction générale de la compétiti- vité, de l’industrie et des services (DGCIS) des Ministère du redressement productif. Das Projekt bewirbt aber gleicher- maßen Produkte des französischen Clusters Plastipolis, des Chemie-Clusters Bayern und sechs weiterer Cluster aus Italien, Spanien, Portugal, England und Österreich. In den außereu- ropäischen Zielregionen arbeiten Standortmarketing-Gesell- schaften und Konsulate der beteiligten Länder zusammen,

um den Zugang zu lokalen Industriepartnern zu eröffnen – Foto: Deutsches Theatermuseum München

| 34 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM Bayerisch-Französisches Hochschulzentrum (BFHZ) / Centre de coopération universitaire franco-bavarois (CCUFB)

»Nichts ist möglich ohne die Menschen, nichts ist dauerhaft ohne Institutionen.«Jean Monnet Dr. Hannemor Keidel – die bayerische »Madame France« Mit der Gründung von bislang sechs Hochschulzentren setzt Bayern im Rahmen der internationalen Hochschul- und Forschungszusammenarbeit auf Frau Dr. Keidels Verbindungen eine Strategie der regionalen Privilegierung. Als erstes Hochschulzentrum sind vielfältig: Sie ist wurde 1998 das BFHZ als gemeinsame Einrichtung der Technischen Vorstandsvorsitzende des BFHZ, Universität München und der Ludwig-Maximilians-Universität München gegründet. Das Zentrum dient als Internationalisierungsinstrument für alle Mitglied des Hochschulrates bayerischen Universitäten und Hochschulen sowie für alle französische der Deutsch-Französischen Hochschulen und grandes écoles. Seine Tätigkeitsbereiche umfassen u. a. Hochschule und Beauftragte des ein weitreichendes Beratungsangebot für Studierende, Wissenschaftler Präsidenten der TU München für und Hochschulen, die Förderung und Begleitung von Kooperationsprojekten die Wissenschaftsbeziehungen bayerischer und französischer Hochschulen in Lehre und Forschung sowie mit Frankreich. Für diese die Förderung von Auslandsstudien- und Forschungsaufenthalten von Tätigkeit ist sie kürzlich mit Studierenden und schließlich die Durchführung von Veranstaltungen im dem hohen französischen deutsch-französischen Kontext. Orden der Ehrenlegion sowie dem Bundesverdienstkreuz Finanziell wird das Zentrum durch das Bayerische Staatsministerium ausgezeichnet worden. für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie durch das französische Außenministerium getragen. Das Förderprogramm konzentriert sich hauptsächlich auf zwei Projekttypen: Zum einen Initialförderung für Vorhaben, die ein Entwicklungspotenzial zu umfangreicheren deutsch- unabhängig davon, ob diese Unterneh- französischen Kooperationsprojekten haben. In der Vergangenheit men letztlich mit Clustermitgliedern aus konnten so zahlreiche Projekte etabliert werden, die im Anschluss an eine Frankreich, Deutschland oder anderen Förderung des BFHZ durch die Europäische Union, hochschulinterne Mittel Ländern zusammenarbeiten. Der ge- oder durch anderweitige Fördergeber finanziert wurden. Ein besonderes meinsame Auftritt deutscher und fran- Augenmerk gilt in diesem Programm der Einbeziehung von jungen Forschern zösischer Cluster außerhalb Europas ver- und Forscherinnen. Zum anderen unterstützt das Hochschulzentrum spricht ein Erfolgsmodell für effi zienten, den Anschub neuer Kooperationsformen, die der Festigung und engeren weltweiten Technologietransfer zu wer- Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Forschergruppen dienen. den – und ist ein eindrucksvoller Beweis Hervorzuheben sind hier insbesondere Vorhaben in der Lehre, z. B. der Aufbau neuer integrierter Studiengänge, d. h. Studiengänge, die zum für gemeinsame Wettbewerbsvorteile der Erwerb zweier nationaler Abschlüsse führen. Bayerische Universitäten und Innovationsnetzwerke beider Länder. Hochschulen bieten zurzeit insgesamt 50 integrierte Studiengänge an, viele davon unter dem Dach der Deutsch-Französischen Hochschule. Nähere Informationen zum Wiintech- Projekt fi nden sich auf den Internetsei- So konnte das BFHZ seit seiner Gründung insgesamt 541 ten des Chemie-Clusters Bayern unter: Anschubfinanzierungen für bilaterale Kooperationen im Bereich der Lehre www.chemiecluster-bayern.de und Forschung vergeben. Deren Mittelwert betrug ca. 3.000 Euro. Die Fördersumme umfasst Mobilitätsbeihilfen für Nachwuchswissenschaftler und Hochschullehrer, jedoch keine Infrastrukturmittel. Zurzeit wird eine Forschungskartografie zwischen Bayern und Frankreich erarbeitet, die einen visuellen Blick auf die engen Beziehungen der beiden Hochschul- und Forschungslandschaften ermöglicht.

Neben den Kernaufgaben im Bereich des personenbezogenen Wissenschaftleraustauschs unterstützt das Zentrum jährlich ca. 40 Studierende aus Frankreich bzw. Bayern mit Mobilitätsbeihilfen. Seit 2007 ist an die Geschäftsstelle des BFHZ mit Sitz an der TU München direkt ein Hochschulattaché der französischen Botschaft angebunden: eine Ass. jur. Axel Honsdorf, lic. en droit, ist Geschäftsführer bundesweit einmalige Konstruktion. des Bayerisch-Französischen Hochschulzentrums.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM | 35 | AVISO EINKEHR IM VORHOF DES HIMMELS: DIE SCHLOSSTAVERNE IN OFFENBERG

Text: Richard Loibl

Gebäude mit steilem Satteldach. Von der Dimen- sion her steht es den großen gemauerten Lagersta- deln in den Donaustädten Regensburg, Straubing oder Passau kaum nach. Hinzu kommen jüngere Nebengebäude, die den Wirtsgarten umschließen und ihn zum Innenhof erheben. 2002 wurde er mit seinem alten Kastanienbaumbestand zum schöns- ten Biergarten des Landkreises Deggendorf gekürt. Konkurrieren kann er mit jedem Wirtsgarten in Bayern. Die Mettener Patres erhoben ihn in himm- lische Sphären. Pater Eberhard Streibl rechnete WER VON REGENSBURG Richtung Passau fährt und das ihn zu den »Vorhöfen des Himmels« – theologisch alte Bayern erfühlen will, dem sei ein Halt in Offenberg ans nicht ganz einwandfrei, weil himmlische Vorhöfe Herz gelegt: ein altes Hofmarksdorf bekrönt von der barocken bis dahin unbekannt waren. Aber selbst kritische Schlossanlage über dem Donautal. Sie steht auf den mittel- Theologen werden den Mettener Kollegen verste- alterlichen Fundamenten einer Ministerialenburg der mäch- hen, wenn sie den Wirtsgarten betreten, spätestens, tigen Grafen von Bogen. Sie prägten das Donauland um ihren wenn sie auf der Holzkegelbahn eine Runde spielen. Stammsitz Bogen, heute ersetzt durch die berühmte Wall- fahrt, und ihre Hausklöster Oberalteich und Windberg. Ganz Herausragend zum Zweiten: Die Anlage dokumen- in der Nähe von Offenberg liegt Metten, eines der Urklöster tiert die Geschichte bayerischer Gastlichkeit und des Benediktinerordens in Bayern – alle im alten Landge- Kultur über 400 Jahre. Begonnen hat es mit einem richt Mitterfels – die adel- und hofmarkreichste Region Bay- Multifunktionsbau – die Taverne war herrschaft- erns – Heimat des Rautenwappens. Hier herrschten die alten licher und kultureller Mittelpunkt der Hofmark. Rittergeschlechter der Grafen von Bogen noch Jahrhunderte Hierher wurden die Naturalabgaben an die Schloss- nach dem Aussterben ihrer Herren (1242) und trugen deren herren geliefert, eingelagert und weiterverarbeitet. Widerständigkeit weiter – die Sattelbogener und Nußberger Denn verbunden mit dem Tavernrecht waren Brau- als Feinde Kaiser Ludwigs des Bayern, die Ecker von Eck als und Brennrecht sowie Backgerechtigkeit. Wir re- treue Verbündete Kaiser Karls IV. gegen die Wittelsbacher, den hier also von einer »Wirtschaft« im kombi- die Böckler und Löwler im Aufstand gegen Herzog Albrecht nierten Amts- und Brauhaus mit Landwirtschaft, IV. von Bayern und viele andere mehr. Bäckerei, Gaststube und Festsaal. Gigantisch sind die Keller, heute noch mit eigenem Brunnen, der Sie alle waren einmal Herren von Offenberg. Lustigerweise früher das Brauwasser erbrachte. Der Eiskeller haben auch die Erforscher der Grafen von Bogen und ihrer mit seinen meterdicken Mauern zeugt noch von Ritter mit Offenberg zu tun: die beiden Mettener Patres Abt den Zeiten, in denen das im Winter geschlagene Benedikt Braunmüller (+ 1898) und Wilhelm Fink (+ 1965), Eis den Sommer über das Bier kühl hielt. Steil ist der in Offenberg 40 Jahre Pfarrer und viele Jahre Heimatpfl e- die Kellertreppe und erschließt wieder den alten ger im Landkreis war, der unvergessene Archivar des Hauses Trinkspruch »Sauf ma uns zamm!« Wegen einer Thurn und Taxis Max Piendl (+ 1989), der als Alterswerk den Maß ging die Kellnerin nicht in den Keller, der Weg Historischen Atlas zum Landgericht Mitterfels hinterließ, musste sich schon rentieren. Hier in der Taverne und auch meine Wenigkeit. Ich habe vor allem mit der Ta- hatten sich bei Strafandrohung die Hofmarksun- verne zu tun. Als Bub und dann junger Student begleitete ich tertanen mit Bier und Schnaps zu versorgen. Hier meinen Vater, Metzgermeister in Hengersberg und Heimat- war auch zu feiern: die Tauf’, die Hochzeit und der pfl eger des Landkreises Deggendorf, öfters nach Offenberg Leichenschmaus; traditionelle Speis’ bei der Leich’: – wo zuerst der Deggendorfer Arzt Sigi Molz und dann das das Lingerl (oberbayerisch Lüngerl), weil es schnell Ehepaar Hella und Heribert Engl 1978 bzw. 1986 ein echtes zu kochen, leicht warm zu halten und im Notfall zu Jahrhundertwerk in Angriff genommen hatten – die Sanie- strecken war. Deshalb befi ndet sich im ersten Ober- rung der alten Hoftaverne. Ohne sie würde dieses herausra- geschoss der Taverne der beeindruckend große und gende Denkmal nicht mehr stehen. schöne Saal. Selbstverständlich wurde hier auch zum Tanz aufgespielt, der nach den Gerichtsproto- HERAUSRAGEND IN ZWEIERLEI SINN – die Hofmark- kollen des Landgerichtes Mitterfels durchaus auch staverne aus dem 16. Jahrhundert ist ein eminent stattliches in einer wüsten Rauferei enden konnte.

| 36 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE EINKEHR FESTIVITÄTEN WAREN ABER die Ausnahme; der Regel- MEIN BESONDERER TIPP: ein Tagesausfl ug auf betrieb fand in der Gaststube im Erdgeschoss statt. Sie er- den Bogenberg mit Blick auf den Gäuboden, Besich- reichte man über die Fletz (Hausgang) mit ihren großen Gra- tigung der Klosterhofmark Windberg, der Oberalt- nitplatten und die Rauchkuchel. Heute mutet die Gaststube eicher Klosterkirche und der Mettener Kloster- gemütlich und heimelig an und wird den Wirtsleuten sicher bibliothek und als krönenden Abschluss in den oft zu klein. Damals brauchte man sie nicht größer, weil im Gastgarten der Schlosstaverne Offenberg. Wenn Winter ein kleiner über die Kuchel warmer Gastraum eben Sie im »Vorhof des Himmels« sitzen, trinken Sie gescheiter war als ein großer kalter. Nicht nur der Gastraum, auf das himmlische Wohl meiner verstorbenen Kol- die gesamte Wirtschaft ist wunderbar hergerichtet – mit Lie- legen. Sie werden dann verstehen, warum wir uns be und Sachverstand, heimischen Materialien, freundlich und in einem immer einig waren: Das Herz Bayerns unaufdringlich, fern von oberbayerischer Jodelkultur, die seit schlägt an der niederbayerischen Donau. den 1950er Jahren auch Niederbayern und selbst Offenberg Wegbeschreibung überschwemmt hat. Die Schlosstaverne ist ein echtes Stück Offenberg ist über die A3, Ausfahrt Metten Niederbayern, für das die Familie Engl völlig zu Recht den zu erreichen. Die Schlosstaverne liegt am Fuß des Schlossbergs. Denkmalpreis der Hypo-Kulturstiftung erhalten hat. Ver- dient hätte sie alle Denkmalpreise der Welt. Gäbe es eine nie- Schlosstaverne Offenberg Inhaber: Alex Attenberger derbayerische Ehrenmedaille, ich würde dafür zuerst diese Graf-Bray-Straße 14 / 94560 Offenberg beiden Münchener vorschlagen. 1994, als das Anwesen zum Telefon: 09906.94 29 00 Telefax: 09906.90 90 03 3 Verputzen anstand und die alte Sonnenuhr zum Vorschein ge- [email protected] kommen war, sagten die Engls gegenüber der Passauer Neu- www.schlosstaverne-offenberg.de Öffnungszeiten: Mo.-Mi. Ruhetage, Do., Fr., Sa. en Presse: »Das wird Niederbayerns schönstes Wirtshaus«; 18-24 Uhr, So. und Feiertag 11-24 Uhr mindestens – möchte man heute kommentieren. Biergarten Öffnungszeiten: Do.-Sa. ab 17 Uhr, Viele Baudetails gäbe es noch zu würdigen, aber es ist jetzt So. und Feiertag ab 11 Uhr Zeit – verzeihen Sie dem Historiker seine Weitschweifi gkeit – zum Essen zu kommen. Der neue Pächter und alte Küchen- chef Alex Attenberger bietet echte niederbayerische Küche, regional und saisonal, mit einem Hauch mediterraner Inspi- ration – passend zum bodenständigen Anwesen und dessen himmlischen Gastgarten. Es gibt zusätzlich zum regulären EINKEHR Angebot eine Wochenkarte und eine Tafel des Tages. Im Bier- garten werden natürlich auch Brotzeiten und kleinere Spei- DIE SCHÖNSTEN DENKMALGESCHÜTZ- sen gereicht. Wir speisten ein »echtes« Wiener Schnitzel aus TEN WIRTSHÄUSER UND GASTHÖFE IN der Pfanne; eine Anlehnung an die österreichische Küche, BAYERN SIND (NOCH) NICHT SO BE- die sich auch in den vorzüglichen Nachspeisen wie Kaiser- KANNT WIE VIELE UNSERER SCHLÖS- schmarrn und Mohr im Hemd ausdrückt. Kalt gepresstes Oli- SER, BURGEN UND KIRCHEN. DAS venöl und Balsamico passen wunderbar zu den üppigen Sala- MUSS SICH ÄNDERN! IN » ten, die wie das Gemüse von biologischen Betrieben aus der EINKEHR« STELLEN WIR IHNEN DES- Region stammen. Dazu werden Wachauer und italienische HALB DIE SCHÖNSTEN KULINARISCH- Weine serviert – immerhin war in Offenberg vor der »kleinen BAVARISCHEN MUSENTEMPEL VOR: ALLE Eiszeit« um 1500 auch Wein angebaut worden. Den Biertrin- RESPEKTABLE UND AUTHENTISCHE kern seien die Spezialitäten aus der nahen Irlbacher Brauerei ZEUGNISSE UNSERER REICHEN BAU- der Grafen von Bray-Steinburg ans Herz gelegt. KULTUR UND: IN ALLEN KANN MAN HER- VORRAGEND ESSEN, IN MANCHEN AUCH Dr. Richard Loibl ÜBERNACHTEN.

Fotos: Schlosstaverne Offenberg Schlosstaverne Fotos: ist Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE EINKEHR | 37 | LITTERAE LOQUACES

Text: Volker Rieble

WISSENSCHAFTSGESCHWÄTZIGKEIT ist ein erst zu erforschendes Phänomen: Das leichte, von tieferer Gedankenarbeit, aber auch anstren- gender Recherche unbeschwerte Dahinparlieren unter gleichzeitiger for- maler Behauptung wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit ist verstärkt zu vermerken. Früher konzentrierte sich das Phänomen auf Festschrift- beiträge. Den Großordinarius vermutete man ausnahmsweise »selbst am Werk, wenn man seinen hastig übers Wochenende hingeworfenen Festschrift-Beitrag liest, der schon durch seinen ›unwissenschaftlichen‹ Plauderton auffällt.« (Rehbinder, Festschrift Pedrazzini). Für Journa- listen ist der Trend von der Recherche zur unangestrengten Meinung zur Berufskrankheit geworden. Geplaudert wird viel. In bestimmten Nischen lässt sich durch Wissenschaftsvermischung eine Sonderform geistigen Scheinriesentums erreichen. Wer Verfassungsrecht als Kul- turwissenschaft »betreibt«, kann sich einen exquisiten Ruf dadurch er- werben, dass Juristen ihn für einen ernsthaften Paradiesvogel der Kul- turwissenschaft halten und umgekehrt. Auffällig wird der Mangel an Ernsthaftigkeit aber dann, wenn ein Vollplagiat als Dissertation gera- de auch aus Zeitungsartikeln collagiert im »wissenschaftlichen Bewer- tungsprozess« mit der Spitzennote summa cum laude versehen wird. Brutaler kann man sich selbst nicht demontieren.

Womit wir nun bei BAYREUTH gelandet sind. Deren Familie Wagner wird kein Psychotherapeut je als einfach einstufen. Im Streit der Fa- milienmitglieder um die Festspiele ist allerdings eine hübsche Volte zu vermerken: Auf einem mit wissenschaftlichem Anspruch von der »EBS Law School« am 23. Februar 2013 veranstalteten »Symposium zu Kul- turstiftungen« beschäftigten sich »wissenschaftliche Vorträge« mit der rechtlichen Konstruktion der Festspiele durch Stiftung und Festspiel GmbH. Die Vortragsmanuskripte habe ich gelesen, war aber auf der »Tagung« nicht dabei. Prof. h.c. Dr. Nike Wagner trug zum Thema »Zur Idee und Geschichte der Richard-Wagner-Stiftung« vor und kam zu dem Befund, dass die Stiftungssatzung »juristisch fragwürdig, hand- oben Die Nornen aus der Sagenwelt des Nordens. werklich schlecht gemacht, faktisch nicht praktikabel und völlig un- zeitgemäß« sei – weswegen juristische »Schwerthiebe die gordischen dass die rechtliche Konstruktion unzureichend sei, Verknotungen« aufzulösen hätten. Dass Nike Wagner für sich die Rolle 40 Jahre nach der Errichtung der Stiftung den der Skuld (sprachverwandt mit Schuld?) beansprucht, also jener Nor- heutigen Anforderungen und dem Stiftungszweck ne, die aus der Vergangenheit das Normativprogramm der Zukunft ab- nicht mehr gerecht werde. Dieser Stiftungszweck, leitet, ist ihr nachzusehen. Als Betroffene und Zukurzgekommene im der sich darauf konzentriert, das Werk Richard Nachfolgestreit des Jahres 2008 darf sie sich selbstredend äußern, für Wagners (»künstlerischer Nachlass«) zu erhal- sich das erfühlt Geschuldete einfordern und die Familienkonkurrenz ten und das Festspielhaus Bayreuth als Spielstät- als »Päpstin Katharina« in Frage stellen. Nur muss man dies nicht für te dauerhaft zu betreiben, gerate in Konfl ikt mit Wissenschaft halten. Sonst könnte man ohne rot zu werden Ulla Un- der »rechtlichen Ausgliederung von Kernaufgaben seld-Berkéwicz (Suhrkamp) auf einer gesellschaftsrechtlichen Tagung der Stiftung und ihrer Übertragung auf eine Fest- über Vertragstreue referieren lassen. spiele GmbH«. Dabei gewinnt § 8 der Stiftungsur- kunde besondere Bedeutung: Dort ist nämlich un- Erkenntnisobjekt ist vor allem das wissenschaftliche Referat. Der ter dem Titel »Vermietung des Festspielhauses an Heidelberger Emeritus Erik Jayme beschäftigte sich mit dem Thema Festspielunternehmer« vorgeschrieben, dass das »Rechtliche Verfestigungen der Erinnerungskultur – Stiftung und ande- Festspielhaus grundsätzlich an Familienmitglieder re Rechtsinstitute Richard Wagner und Bayreuth«. Der Titel ist schon zu vermieten sei – wenn nicht »andere, besser ge- grammatikalisch schwer aufzulösen. Jayme kommt zu dem Befund, eignete Bewerber auftreten«. Dann aber dürfe –

| 38 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE WERKSTATT tungszweck – Schein und Sein der Bayreuther Festspiele« konstatiert gar, der Mietvertrag sei sittenwidrig und damit nichtig, weil die Stif- tung erkennbar außerhalb ihres Zweckes agiere. Auch hier wird die aktienrechtliche Holzmüller-Doktrin um Analogie bemüht: Es dürfe nicht sein, dass eine Stiftung »ihren wesentlichen Vermögensgegen- stand in eine konzernartige Struktur einbringt, auf die sie nur mittel- baren Einfl uss behält«.

JURISTISCH ALLENFALLS ENDOGEN BRILLANT lautet das erste Urteil. Schon Jayme ist ein merkwürdiger Fehler unterlaufen. Aktien- rechtlicher Aktionärsschutz ist auf die eigner- und mitgliederlose Stif- tung nicht ansatzweise übertragbar. Der Schutz des Stifterwillens vor Zweckverfehlung ist dem Staat und seiner Stiftungsaufsicht anvertraut. Um »Mediatisierung« geht es nicht, es gibt ja in der Stiftung keine Ak- tionärsversammlung, die dann die maßgebende Entscheidung zu tref- fen hätte. Aufsichtsrechtliche Erwägungen fi nden sich im Vortragsma- nuskript nicht. Mit Jayme war der Mietvertrag der Stiftung mit der Festspiel-GmbH so lange in Ordnung, als die GmbH allein Wolfgang Wagner »gehörte«. Doch ist dann die Fortsetzung des Mietvertrages mit der veränderten GmbH – unter familienfremden Anteilseignern (Bund, Freistaat und Freundegesellschaft) , aber mit familienangehöri- gen Geschäftsführerinnen Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wag- ner – doch jedenfalls als Entscheidung der Stiftung über einen ande- ren, besser geeigneten Bewerber zu werten. Dass diese Entscheidung mit der Satzung schlechthin unvereinbar sein soll – das belegt Jayme nicht. Skurriler noch ist die von Thomale geäußerte Auffassung, der Mietvertrag sei sittenwidrig und nichtig. Hier trübt zunächst tatsäch- liche Unkenntnis das Gemüt: Die Stiftung hatte seinerzeit den Miet- vertrag nach dem Tode Wolfgangs nicht neu vergeben, sondern wei- terlaufen lassen. Mithin blieb der ursprünglich wirksame Mietvertrag so oder so wirksam – weil die Sittenwidrigkeit im Zeitpunkt des Ver- tragsschlusses zu beurteilen ist (juristische Binse). Die Vorstellung, ein wirksamer Mietvertrag könne vernichtet werden, weil sich die Gesell- so Jayme – das Festspielhaus nicht an die Fest- schafterstruktur der GmbH ändere, ist mehr als kühn. Einen etwai- spiel-GmbH vermietet werden; dadurch werde seit gen Verstoß gegen die Satzung hätte also allein die Stiftungsaufsicht dem Tode Wolfgangs, der als letztes Familienmit- beanstanden können – und der Stiftung aufsichtsrechtlich womöglich glied Alleingesellschafter und Geschäftsführer der aufgeben können, den Mietvertrag zu kündigen (Art. 12 Bayerisches GmbH gewesen ist, der gewollte Familienvorrang Stiftungsgesetz 2008). Davon abgesehen ist es rechtlich einigerma- hintertrieben. Jayme zieht erstaunliche Parallelen ßen wagemutig, aus solchen Stiftungszwecküberschreitungen die Sit- zur Aktiengesellschaft, deren Aktionäre von der tenwidrigkeit abzuleiten, weil das der vom Gesetzgeber bewusst abge- Rechtsprechung (»Holzmüller-Urteil des BGH«) lehnten ultra-vires-Doktrin entspricht. vor Mediatisierung geschützt werden – so müs- se man auch bei einer Stiftung verfahren. Letzt- EXOGEN DEFIZITÄR sind jene »Wissenschaftsäußerungen«, weil sie lich hält Jayme den derzeitigen Vermietungszu- jede Nachforschung im unmittelbar einschlägigen Stiftungsrecht un- stand für einen Verstoß gegen die Stiftungssatzung terlassen und die kulturelle Prägung derart wichtig nehmen – dass sie – weil so in der GmbH Stiftungsangelegenheiten ganz aus dem Blick verlieren, dass die Bayreuther Festspiele auch ein entschieden würden. Schärfer noch geht Dr. Chris Wirtschaftsbetrieb sind! Insofern sorgt die Trennung von Stiftung und Thomale, ein Freiburger Wissenschaftler, mit der GmbH zuerst gerade im Sinne der Satzung dafür, dass der festspielun- Situation ins Gericht: Sein die Thesen von Jayme ternehmerische Bereich mit den Risiken, Lasten und Anforderungen vertiefendes Manuskript »Der mediatisierte Stif- eines Geschäftsbetriebes von der ideellen Stiftungsorganisation ge- Foto: Wikipedia Commons, Aus: »Die Helden und Götter des Nordens, oder Das Buch der Sagen«, G. Gropius 1832 aviso 3 | 2013 BIENVENUE WERKSTATT | 39 | trennt bleibt. Noch erstaunlicher ist es, dass Jayme und Thomale keinen Familie selbst unmittelbarer Unternehmer sein, Blick auf die inzwischen doch GUT ERFORSCHTEN UNTERNEHME- sondern maßgebenden künstlerischen Einfl uss RISCHEN STIFTUNGEN werfen. So viel Mühsal wäre Ballast auf dem ausüben soll. Dann aber wäre eine GmbH unge- Weg zu meinungsstarker Wissenschaft. Mit solcher Mühewaltung wä- achtet ihrer Anteilseigner schon dann familiärer ren die Autoren (deren Vorträge schon als »Rechtsgutachten« herumge- Festspielunternehmer, wenn die Geschäftsführer reicht werden) ohne weiteres auf die Carl-Zeiss-Stiftung gestoßen, die Wagner-Abkömmlinge sind. Über all diese Fragen ein vergleichbares, aber schärferes Problem hatte: Die von Ernst Abbe hätte man in ernster Wahrheitssuche (= Wissen- errichtete Stiftungssatzung gab nämlich explizit vor, dass die Stiftung schaft) nachdenken können. Hat man aber nicht. selbst und unmittelbar Träger der unveräußerlichen Stiftungsunter- Insofern ist das »Symposium« der EBS eher der nehmen (Zeiss und Schott) sein müsse. Eben diese Festlegung wurde ursprünglichen Wortbedeutung zuzuordnen. 2000 geändert, um für die Unternehmen die Rechtsform der Aktien- Insofern gilt das scharfe Monitum: Wer für eine gesellschaft zu eröffnen. Gegen den Einwand, die Satzungsänderung eignerlose Stiftung aktienrechtlich schwadronieren laufe Stifterwillen und Stiftungszweck offenbar zuwider, meinte das möchte, sollte zuerst das einschlägige Stiftungs- Oberlandesgericht Stuttgart trocken: recht zur Kenntnis nehmen. Auch darf die Stif- tungssatzung nicht bloß punktuell, sondern muss »Seit der Gründung der Stiftung im Jahre 1889 haben sich sowohl die diese umfassend ausgewertet werden. Diese Schär- allgemeinen rechtlichen als auch die technischen und ökonomischen fe mag jene Autoren erschrecken. Sie ist indes er- Grundlagen der Satzung wesentlich geändert. Zurecht hat die Beklag- forderlich: Bayreuth soll nicht zum Synonym für te auf das Vordringen der Kapitalgesellschaft als Unternehmensform, FEUILLETON-WISSENSCHAFT werden. Das hat die Fremdorganschaft für unbekannte Kapitalgeber, die erweiterte die Stadt, das hat ihre Universität und das haben Mitbestimmung der Arbeitnehmer, die Haftungsausweitung, die Er- die Festspiele nicht verdient. Vor allem aber ver- schwerung der Eigenkapitalbildung durch Steuerlast, die Notwendig- dient das Stiftungsrecht gerade im Interesse der keit, Unternehmenswachstum durch Fremdkapital zu fi nanzieren eben- selbstlosen Stiftungen eine rechtswissenschaftliche so hingewiesen wie auf die Kooperationsbereitschaft in arbeitsteiliger Methode, die der Einordnung unter die geschwät- Wirtschaft, die Anpassung an internationale Organisationsformen in zigen Wissenschaften (litterae loquaces) entgeht. der globalen Wirtschaft, die veränderten Wertvorstellungen, die Ent- wicklung und Nachfrage nach komplexen Produkten nebst kurzen In- novationszyklen und die hohen Sozialkosten. (…) Die Neuregelung des § 37 Abs. 3. gibt die Möglichkeit, die rechtliche Struktur der Stiftungs- unternehmen so rechtzeitig in Anpassung an die Umfeldgegebenheiten und in Übereinstimmung mit den bestehenbleibenden Satzungsbestim- mungen umzugestalten, dass hierdurch im Falle einer Krise die dann erforderlichen schnellen und effektiven unternehmerischen Entschei- dungen getroffen werden können. Dies steht in Übereinstimmung mit dem Stifterwillen, die Stiftungsunternehmen so zu führen, dass eine Tolle lege: bestmögliche Gewähr für ihren wirtschaftlich gesicherten Bestand www.bayreuther-festspiele.de/ zum Wohle der Mitarbeiter und der Förderung der betrieblichen Ge- rechtsform _ und _ finanzierung/ stiftungsurkunde _ 143.html schäftsfelder gegeben ist.« www.nordbayerischer-kurier.de/nachrichten/ heftige _ kritik _ richard _ wagner _ stiftung _ bei _ tagung _ wiesbaden _ 127599 Hier braucht es keine Satzungsänderung, weil die Trennung von Stif- www.allgemeine-zeitung.de/region/kultur/ tung und Festspielbetrieb in der Satzung (§ 8) festgelegt ist. Die Satzung musik/12870957 _ 1.htm OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Juni 2003 – sagt auch hier überdeutlich: »Die Festspiele werden von der Stiftung 5 U 162/02 –, juris jedoch nicht fi nanziert oder durchgeführt.« Deswegen kann von Stif- [Netzquellen abgerufen am 29.5.2013] Michael Engel, Die unternehmensverbundene tungszweckentfremdung keine Rede sein; der unmittelbare Festspiel- Stiftung (2008) Geschäftsbetrieb sollte nie Zweck der Stiftung sein. Und ebensowenig sollte die Stiftung selbst künstlerischen Einfl uss nehmen: »Der Miet- vertrag sichert dem Unternehmer die künstlerische Freiheit.« Volker Rieble lehrt Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der Hier lässt sich § 8 mit seinem Vorrang der Familienmitglieder schon Ludwig-Maximilians-Universität durch Auslegung dahingehend präzisieren, dass nicht notwendig die München.

| 40 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE WERKSTATT Für ein lebendiges Bayern.

Wir machen uns stark für die Menschen in der Region und engagieren uns für Gesellschaft, Kultur und Ökologie.

www.bayernwerk.de

aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE | 41 | »…über der Schlafstätte der ruhenden Riesen spielet ein gaukelnder Nachtschmetterling« Unterwegs auf dem Jean Paul Weg in Oberfranken

Text: Renate Just

ein, in Schwarzenbach hat man nicht »pernoktiert«, Giannozzo sein, der da oben im »rauschenden Nachtluftmeer«, wie Rektor Fälbel und seine Primanertruppe, im Tö- im »kalten Ätherbad« über uns irdische »Allermannseelen« Npener Wirtshaus keine verknäulte »Hundeschlacht« in ihrem »morastigen Krebsloch« hinwegzischt, aus seinem ansehen müssen und in Marktleuthen selbstredend keine Hin- phantastischen Ballonfahrzeug namens »Siechkobel« hoch- richtung eines »hungarischen Deserteurs.« Aber wenn man gemut das Posthörnchen blasend über alles, »was da drun- auf Jean Pauls Spuren durch Bayerns nordöstlichsten Zipfel ten quäkt und schwillt.« reist, bepackt mit etlichen Bänden aus seinem uferlosen Werk, dann verfolgt einen ständig das Gefühl, einen ganzen Schweif UNTERWEGS IN EINER höchst extraordinärer Gestalten und Begebenheiten aus dem »GRANIT- UND SCHWARZBROT«–ECKE Jean-Paulschen Oberfranken-Kosmos mit sich zu ziehen. Es lässt sich in ganz Bayern wohl kaum eine auratischere, IN DER WALDREICHEN, oft nebeldunstigen Landschaft atmosphärehaltigere Dichterreise antreten, als ganz hinauf umschwirren sie einen dann alle wie Luftgeister, eine Paral- ins Bayerische Vogtland, das Sechsämterland, das Fichtelge- lelgesellschaft, aufgestiegen aus Dünndruckseiten: der phi- birge, in den Fußstapfen von Johann Paul Friedrich Richter. listerhaft-spinöse Schulmann Florian Fälbel auf seinem ab- Die allerlängste Lebenszeit verbrachte der heuer aus Anlass strusen Bildungsausflug, der abergläubische Quintus Fixlein seines 250. Geburtstags vielfach Gefeierte schließlich in einem aus Hukelum, das »Flegeljahre«-Brüderpaar Valt und Vult sehr überschaubaren geografischen Dreieck von etwa 40 bis aus dem Dörfchen Elterlein. Und wenn man vom Hotelbal- 60 km Seitenlänge zwischen Wunsiedel, Hof und Bayreuth. kon im Fichtelgebirge einen kleinen Leuchtkörper quer über Es ist dies keine Reisegegend, die zurzeit besonders à la mode den Nachthimmel sausen sieht, dann kann das für den schwer wäre. Immer schon eine eher bescheidene, abseitige »Granit-

Jean-Paul-Infizierten eigentlich nur der grimmige Luftschiffer und Schwarzbrot«-Ecke, mit dem Ruf, eine Feriendomäne Fotos: links, TZ Fichtelgebirge/Harbich, rechts oben, Dr. Karla Fohrbeck, rechts, mitte und unten, Renate Just

aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE | 42 | vornehmlich wackerer Rentnerwandertrupps zu sein, hat die Mittelgebirgsregion von »Bayerisch-Sibirien« heute zu äch- zen unter den bekannten Randlagen-Sorgen: Abwanderung, Überalterung, sinkenden Wirtschaftskräften und Tourismus- ziffern. Aber wie so oft: wo’s »strukturschwach« ist, da fin- det es der Reisende auch besonders schön – von einer gelas- senen Herbheit und Strenge, nicht sehr aufpoliert, ein wenig gestrig noch und verschont von allzu viel knalliger Innovati- on. Dünn tröpfelt der Verkehr auf langgedehnten Waldstra- ßen und über windverblasene Anhöhen, in den schlicht-bie- dermeierlichen Marktflecken und Ackerbürgerstädtchen mit ihren grausilbrigen Schieferdächern kriecht die Zeit in me- lancholischer Verschlafenheit dahin – schon auf der Anfahrt oben Jean Paulianer auf dem Weg mit Jean Paul persönlich. verkrümelt sich die »Hatzlage« (ein Wort von Jean Paul) der Gegenwart ganz gemächlich in der nordfränkischen Stille.

EIN WINKELIGES DORF MIT KAFFEEHAUBE

Und dann Joditz, nördlich von Hof tief in den Saalegrund genestelt, ein winkeliges Dorf, von Holzscheunen durchsetzt, mit kaffehaubenartiger Kirchturmmütze. Hier muss jede Jean-Paul-Tour anheben, das ist sozusagen erstes Gebot. »Im Dorfe war das Alte das Alte«, heißt es in Jean Pauls »Fle- geljahren« über den erfundenen Flecken Elterlein, der dem Kindheitsort Joditz nachgebildet wurde. Und bis heute ist das Saaleörtchen von allen Lebensstationen des oberfränkischen Genius wohl die am stimmigsten bewahrte, lassen sich die oben Das Jean Paul Museum in Joditz mit afi cionado Eberhard Schmitz. Jean-Paul’schen Kindheitsbilder aus der wunderbar farbigen, wenn auch idyllisierten autobiographischen »Selberlebens- beschreibung« in Joditz genau nachspazieren. Es ist alles er- halten wie im späten 18. Jahrhundert seiner Bubenjahre: die bäuerlich-naive Ausstattung der protestantischen Emporen- kirche, in welcher der Vater predigte, das stattlich-blassgel- be Barockpfarrhaus mit der hohen Mauer, die den kleinen »Fritz« und seine Geschwister strikt von der Außenwelt ab- schirmte, das hutzelige Zwergschulengebäude, die Felsen- und Auenlandschaft der Flussgründe – und vor allem der vielge- liebte Pfarrgarten jetzt zum bildschönen Fachwerkanwesen von Karin und Eberhard Schmidt gehörig.

EINE LEBENSPASSION IN JODITZ oben Bibliothek im Jean Paul Museum in Joditz.

Die phänomenalen Schmidts mit ihrer abgründigen und aus- lare« zwischen den Johannisbeeren herumgesprungen war, gefuchsten Jean-Paul-Kennerschaft, mit ihrer nicht ganz iro- eines der charmantesten Literaturmuseen des ganzen deut- niefreien liebevollen Obsession dem literarischen Hausgott schen Sprachraums. Jedes Detail zu Jean Paul wird hier ge- gegenüber, sind für Jean-Paulianer aus aller Welt der Haupt- wusst, gesammelt (darunter etliche edle Autographen und grund, das winzige Joditz anzustreben. Die beiden jugend- Erstausgaben) und mit legerem fränkischen Charme erklärt lich-lässigen Sechziger, bibliomane Ex-Buchhändler und Ex- und präsentiert – wie jener Originalbrief an seine Ehefrau, Lehrerin aus dem nahen Hof, sind dem als schwer lesbar und den Eberhard Schmidt besonders schätzt: »Deine Nähe ist überkomplex beleumundeten Dichter irgendwann verfallen, mir nöthig im einsiedlerischen Bayreuth, wo ich die Weih- wie es vielen erging: »man findet nicht ganz leicht hinein nachttage blos in meinen Alltagshosen zugebracht.« Man muss aber dann nie, nie mehr hinaus.« Und sie gerieten mit dem erleben, wie der Jean-Paul-addict Schmidt den unendlichen Kauf ihres zunächst ruinösen, jetzt hochidyllischen Joditzer Wissenshunger des genialisch-altklugen Pfarrerssohn nahe- Anwesens gleich mittenmang in ihren literarischen Lebens- bringen kann, wenn man über die Vitrinen mit seiner kar- topos. Aus ihrer privaten Passion schufen sie im originalen gen stockfleckigen Kinderlektüre gebeugt steht: Robinson Richter’schen Pfarrgarten, wo der kleine Jean Paul in der Lau- Crusoe, Comenius’ Orbis Pictus, »Gespräche im Reich der be seine Lateingrammatik gebüffelt hatte und »im Hemdta- Toten« – »jedes Buch ein frisches grünes Quellenplätzchen«

aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE | 43 | birirt« und überlege sich nunmehr selbst ein Autorendasein. Eberhard Schmidt memoriert die langen Jean-Paul-Passa- gen, die er auswendig mit Aplomb vorzutragen pflegt, gern lauthals beim ländlichen Gassigehen mit Hündin Senta, und wenn er so, angetan mit seinen üblichen feuerrroten Jeans, durchs felsige Saaletal zur wildromantischen Einkehr Fat- tigsmühle wandelt, ein würdiger Nachfahre Jean-Paul’scher Enthusiasten und Exzentriker, könnte man sich einen grö- ßeren Glücksfall von Erbehüter kaum vorstellen.

EBERHARD UND KARIN SCHMIDT waren es auch, die sich von Joditz aus die ersten Etappen des »Jean-Paul-Wegs« oben Die Waldschänke in Eckersdorf. ausdachten, über Hof bis nach Schwarzenbach, den fleißige Wandersleute heute fast 200 gewundene Kilometer bis nach Sanspareil westlich von Bayreuth nachpromenieren können. Nicht überall war der manische Fußgänger, die selbsternann- te »Wanderratte« Jean Paul allerdings selbst per pedes zuwe- ge. Seine elfstündigen Gewaltmärsche von Hof nach Bayreuth zum Beispiel schuldeten sich eher der bitteren Armut seiner jungen Jahre – die Kutsche war viel zu teuer – und verliefen nicht über reizvolle Fichtelgebirgsaussichtspunkte wie der touristisch konzipierte Pfad, sondern stracks auf der heute autobahnnahen und zersiedelten Direttissima über Münch- berg. Wer dem Weg aber folgt, trifft allenthalben auf ingeni- ös ausgewählte Texttafeln, 160 Stationen insgesamt – für die Weiterführung waren die Bayreuther Kulturmanagerin Kar- oben Der Verlauf des Jean Paul Wegs. la Fohrbeck und der Germanist Frank Piontek, ebenfalls zwei Überzeugungs-Jean-Paulianer, zuständig. Nicht nur kurze aphoristische Appetithäppchen aus Jean Pauls Werken las- sen sich hier im Freien studieren, sondern lange anspruchs- volle Passagen, vom Satirischen bis zum düster Visionären, vom Poetischen zum Lebensweisen, vom »Lob der Schlacht- schüssel« bis zu »Drei Wegen, glücklicher zu werden.« Die telefonbuchschweren Begleitbücher, in denen alle Stations- texte abgedruckt sind, eignen sich als Jean-Paul-Lesebücher für’s Hotelzimmer – für den Rucksack eher weniger.

DICHTERWUT IM VOGTLÄNDER HOCHLAND

Töpen und Zedtwitz, im windumfauchten, kargen Vogtlän- oben Der Felsengarten in Sanspareil - die letzte Station des der Hochland, schon fast in Thüringen, liegen nicht am Jean- Jean Paul Wegs. Paul-Weg, obwohl diese Nester ebenso wichtige wie proble- matische Orte für den werdenden Dichter waren. Hier wurde und weil es so wenige gab, klebte und nähte sich das buch- er mit jenen Feudalherrschaften konfrontiert, auf welche die stabensüchtige Kind, das sich als »ein leeres durchsichtiges zeitweilig große Not leidende Pfarrersfamilie für’s tägliche Geripplein ohne gelehrte Nahrung und Umleib« empfand, Brot angewiesen war. Im Zedtwitzer Landschloss (derzeit ein wenigstens aus Vaters alten Predigten eine eigene »Etui-Bib- Altenheim), wo dem Vater gnädig ausgelesene Zeitungsbün- liothek« zusammen. del überlassen wurden, empfing die Patronatsherrin Freiin von Bodenhausen auch mal den kleinen Pastorensohn, »oben HEUTE LASSEN SICH von den Schmidt’schen Trouvaillen auf der Treppe, wo Paul, der sogleich hinaufschoss, nach der und Schätzen nicht nur Jean-Paul-ergebene Gegenwartsau- Hofordnung ihr Kleid erschnappte und diesem den Zeremo- toren wie Brigitte Kronauer und Eckhard Henscheid bewe- niellkuß aufdrückte.« Und richtig niederdrückend müssen gen (ein »writer’s writer« war der Dichter stets). Öfters schon seine Jahre als Hofmeister, als herumgestoßener Hauslehrer kam Verfassungsgerichtspräsident Andreas Vosskuhle (»Was im Gutshof zu Töpen, jetzt ein rosafarbenes schlösschenar- für ein Ort! Wieviel Herz und Begeisterung!«). Aber auch ah- tiges Mietshaus, gewesen sein. Hier mag der »dürre Jüngling nungslose Neulinge und Kinder sind sehr willkommen – wie mit offener Brust und fliegendem Haar«, eine sehr schrä-

die Schülerin, die ins Gästebuch eintrug, sie sei »sehr ins- g e u n d r e b e l l i s c h e A u f m a c h u n g z u S p i t z e n j a b o t - u n d P u d e r - Fotos: Renate Just, Dr. Karla Fohrbeck

| 44 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE auch noch von Tauben, Singvögel und den Familienhund be- völkert war, »es fehlte an allem, an Feuerholz, Kartoffeln, an Licht.« Die kränkelnde Mutter Rosina versuchte ihre Lieben mit Altkleidersammeln und Spinnen durchzubringen, wäh- rend ihr Ältester, der die Pfarrerslaufbahn zu ihrem Entset- zen geschmissen hatte, in einer Ecke über seinem Tintenfass hockte und wie ein Besessener schrieb, Exzerpte, kurze Texte, Briefe, Entwürfe – ohne jede Resonanz, ohne jeden Erfolg zu- nächst, nur getrieben von der abgrundtiefen Sicherheit, dass ein großer Schriftsteller in ihm steckte. Im modern verglasten »Jean-Paul-Café«, gleich um die Ecke, liest sich der Reisen- de fest im wunderbaren neuen Brief-Auswahlband des Han- oben Hof Panorama. ser-Verlags – wenn Jean Paul sein Lebtag nichts geschrieben hätte als die grandiosen Freundesbriefe aus den armseligen »Hoefer«Jahren, allein mit diesen Wunderwerken an Ein- fallsreichtum, Eloquenz, Gelehrsamkeit und Witz hätte er den Genienachweis schon erbracht. Aber der große Roman »Siebenkäs« entstand schließlich später auch in Hof.

DER DICHTERSTAR IN SCHWARZENBACH

In Schwarzenbach, zwölf Kilometer südlich, trug der junge Richter dann doch noch zum Familieneinkommen bei. Dort nämlich taten sich mehrere aufgeklärte Kleinstadt-Hono- ratioren zusammen und finanzierten dem Hungerleider die Schulmeisterstelle in einer erstaunlich liberalen privaten oben Eremitage in Bayreuth. »Winkelschule« für ihren Nachwuchs. Die schäbige Eternit- Verplattelung und die Plastik-Gänschen an den Fensterschei- ben des ehemaligen Hölzelschen Palais’ in einer stillen Gasse täuschen: Das Haus ist literaturgeschichtlich hochbedeut- sam. Nicht nur betrieb Jean Paul hier im Obergeschoss zwi- schen 1790 und 1794 sein kinderfreundliches Pennal, hier entstanden die ersten großen Werke, die ihn bald zum Dich- terstar der Goethe-Ära machen sollten: »Das Leben des ver- gnügten Schulmeisterleins Maria Wutz«, die großen Romane »Die unsichtbare Loge« und lange Partien des »Hesperus.« Im Haus des Handwerkerviertels befand sich eine lärmende Textilmanufaktur, trotzdem flogen ihm »100 000 000 000 Ideen« durch den Kopf. »Unter mir wird jetzt gespuhlet – ne- ben mir gezwirnt – draußen gehämmert... unter mir kratzt oben Der Jean Paul Weg mit Texttafeln bei der Rollwenzelei, Jean die Maus, die mein Stubenbursch ist.« Schwarzenbach ist Pauls Schreibrefugium in den letzten Jahren. ein angenehm verwinkeltes Örtchen, und der alles andere als verpennte örtliche Kulturverein hat einen anregenden Jean- perückenzeiten, seine republikanische Gesinnung, den Hass Paul-Stationenweg treppauf treppab angelegt. Außerdem hat auf das Potentatentum der deutschen Zwergstaaterei gelernt er den schönsten Jean-Paul-Kalender dieses Jubiläumsjahrs haben, Stoff für viele der bösen Satiren aus seiner »Essigfab- herausgegeben: großformatig, sehr apart illustriert und mit rik« genannten frühen Schaffensphase, die ihm kaum einen den stilblütenartigen Erkenntnissen der damaligen Winkel- Heller einbrachte. schul-Eleven versehen: »Der Mensch gehört zum Steinobst, weil er innen Knochen hat« oder »Die Amerikaner und die LEIDEN UND SCHREIBEN IM »ABSCHEULICHEN« HOF Fossilien sind unter unseren Füßen.« Wie der buchstabensüch- tige Jean Paul auf zigtausend Seiten alles exzerpiert, gesam- Im »abscheulichen« Hof, »wo ich das Meiste gelitten, aber das melt, gehortet hat, was zu einem Baustein seiner manchmal Beste geschrieben«, war das Elend am krassesten. Man sieht fast verrückt verschachtelten und aufgetürmten Literaturge- es dem heutigen spitzweg-niedlichen Häuschen am Schloss- bäude werden konnte, so auch diese Schülersprüche des späten platz nicht an, durch welche Misere sich die Familie Rich- 18. Jahrhunderts: in seiner Erziehungslehre »Levana« (»ein ter nach dem Tod des Vaters zu kämpfen hatte. Eine einzige Schulmeister muß spaßhaft sein!«) lässt sich die »Bonmots-

Fotos: TZ Fichtelgebirge, Harbich niedrige Stube gab es für die Mutter und ihre vier Söhne, die Anthologie meiner Eleven« nachlesen.

aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE | 45 | und funkelnden Natur-Epiphanien in seinem Werk, sind nach Meinung der Literaturwissenschaftler visionäre Kopfgebilde, »phantastische Imaginationen eines rasch vorüberfliegenden Geistes.« Aber zwischen den Steinauftürmungen des Wald- steins, dieses wilden Granitbrockengipfels, mit der Burgrui- ne des Roten Schlosses, dem altmodischen Pavillon auf dem höchsten Fernblickfelsen, fühlt man sich magisch in die Ge- stimmtheit seiner Literatur versetzt. Zu Recht hat man hier die Tafel mit dem Sonnenuntergangs-Hymnus aus der »Un- sichtbaren Loge« plaziert, der eigentlich auf dem Schneeberg spielt – den aber würde Jean Paul mit seinen heutigen mons- trösen Bundeswehr-Aufbauten nicht wiedererkennen. Hoch auf Waldsteingipfel aber lässt sich in diese schon fast delirie- oben Das Felsenlabyrinth in der Luisenburg. rende Naturvision hineinträumen: »so stehen alle Berge von der zerschmolzenen Goldstufe, der Sonne, überflossen da – LESEN UND AUGENWERFEN Goldadern schwimmen auf den schwarzen Nacht-Schlacken, IN FAHRENBÜHL unter denen Städte und Täler übergossen liegen (...). Länder schlafen an Ländern und unbewegliche Wälder an Wäldern, Südlich von Schwarzenbach, im Kirchlamitzer Wald, wo Rek- und über der Schlafstätte der ruhenden Riesen spielet ein gau- tor Fälbel seine Schülertruppe endlos französische Ausspra- kelnder Nachtschmetterling und ein hüpfendes Licht...« che und lateinisches Fluchen und Schimpfen üben ließ, kann man seinen Jean-Paul-Bücherrucksack in einem kommoden »RENN- UND WANDERJAHRE«UND und stimmungsvollen Quartier mit netter historischer Pati- SEHNSUCHT NACH »WONSIEDEL« na deponieren. In einer Lichtung an einer ruhigen Neben- straße liegt das türmchengeschmückte »Jagdschlösschen Johann Paul Friedrich Richter hat erklärtermaßen »die lan- Fahrenbühl«, mit Park, mit Pfauenschreien und lesefreund- gen und fernen Fichtelgebirge« mehr geliebt als die Alpen, die lichen Biedermeiersofas in den Stuben. Ein Waldteich zum Ba- »Tyrolerberge« (die er allerdings nur ein einziges Mal aus der den findet sich nahebei, und wer im Gegensatz zu Jean Paul, Ferne erspähte). »Nur jene lassen meine Phantasie über die welcher darin sehr »unbehülflich« war, das Reiten schätzt, Berge und hinter die Berge ziehen und in der Nebelwelt auf hat in den Gutsstallungen Gelegenheit. Von Fahrenbühl las- ihren Nebelrücken eine neue Morgenwelt erbauen.« Nein, sehr sen sich einige landschaftlich besonders schöne Partien des weit und sehr lange hat er sich auch während seiner »Renn- Jean-Paul-Wegs erkunden: »Jetzt war es erforderlich, dass man und Wanderjahre« nie vom hufeisenförmigen Mittelgebirgszug die Augen vergnügt in der ganzen Gegend herumwarf«, wie es um seine Geburtsstadt Wunsiedel fort bewegt, Berlin, Heidel- wiederum im »Fälbel« heißt. berg, München waren die fernsten Ziele seiner Lebensreisen, alle höchstens von vorübergehendem Reiz. »Auf Wonsiedel« WECKFLEISCH, GÄNSESÜLZ UND hingegen, so schrieb er in einem Brief, »freut sich lechzend SÄUSACK IM GEPÄCK mein Herz« – was dem heutigen Reisenden angesichts des et- was schmucklos-nüchternen, klassizistisch geprägten Städt- Die Landschaft, die zwischen Hof und Schwarzenbach vor- chens dann doch etwas übertrieben inbrünstig erscheint. Hier städtisch verbaut und von Gewerbegebieten durchsetzt war, aber ist er als »Johann Paulus Friederich Richter« 1763 im öffnet sich nun um Dörfer namens Völkenreuth, Hallerstein, Taufbuch eingetragen, hier steht, stark verändert im Schat- Albrechtsreuth und den Förmitz-Stausee zu weiten, lichten ten der protestantischen Kirche, das Geburtshaus, in dem Mittelgebirgspanoramen. In den wohlbewahrten Örtchen sich neuerdings die auf Betreiben des Ex-Landrats und ein- Bauerngärtchen, verwitterte Bretterstadel und Staketenzäu- geschworenen Jean-Paulianers Dr. Peter Seißer die diskret re- ne, in Hallerstein gibt es sogar noch eine Dorfbäckerei, in Völ- konstruierte Geburtsstube betrachten lässt. Ein streng und kenreuth ein urfränkisches Landwirtshaus mit Weckfleisch, puristisch stilisierter Raum samt zeitgemäßen audiovisuellen Gänsesülze, und Jean Pauls hochgeschätzem »Säusack«, haus- Installationen, den Jean-Paul Freunde durch die Erinnerungs- gemachtem Pressack auf der Brotzeitkarte. Nicht viel anders räume im überaus reichhaltigen und verwinkelten Fichtel- kann das »Gasthaus zu den sieben Würsten«in Friedmanns- gebirgsmuseum ergänzen sollten, wo vor allem die harschen dorf bei Gefrees ausgesehen haben, in dem der Dichter auf sei- Lebensumstände seiner vergangenen Ära sehr sinnlich und nen Bayreuth-Märschen, »die Rocktaschen gebauscht von Pa- handgreiflich werden. Das Café im alten Klosterhof, der das pieren und Wäsche«, nachweislich Station zu machen pflegte. Museumsareal bildet, ist ein angenehmer Leseort, zum Bei- spiel, um in der wunderbar hochamüsant lebensprallen Samm- OB ER JE DEN Großen Waldstein erklommen hat? Gipfel- lung Eduard Berends von Jean-Paul-Augenzeugenberichten besteigungen im Fichtelgebirge sind biografisch nicht be- zu schmökern, bevor man sich nun gemächlich auf Bayreuth zeugt – Jean Pauls grandiose Landschafts-Apotheosen, all die- zuschlängelt, Schauplatz seiner letzten beiden Lebensdezen-

se flammenden Abendrotszenen, die überirdisch gleißenden nien von 1804 bis 1825. Fichtelgebirge TZ Fotos:

| 46 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE »HAUS- UND WINKELSINN« IN BAYREUTH

Dass er anno 1804 aber nur der oberfränkischen Braukunst wegen in die angestammten Lande zurückkehrte, dürfte eher eine Legende sein. Die Stadt Bayreuth war sein Wunschrefu- gium – nach Jahren des verblüffenden Modeautoren-Erfolgs in der Grande Monde, an diversen Fürstenhöfen, in den lite- rarischen Zentren von Weimar, Leipzig, Berlin, nach diversen schwärmerisch-exaltierten, aber wohl sehr keuschen Roman- zen mit gebildeten Adelsdamen. Nun hatte er spät geheiratet, ein junges »Mädgen« nach seinem Herzen, intelligent und er- geben, und mit Frau Karoline, mit zwei, bald drei Kindern und seinem »Schooßspitz« begehrte der 41-jährige Jean Paul, oben Blick auf das Dorf Bischofsgrün. in Bayreuth seinem »Haus- und Winkelsinn«zu frönen. Bay- reuth in seiner Mischung aus kleinstädtischer Überschaubar- LITERATURBETRIEB IN DER LUISENBURG keit und dem etwas angestaubten Rokokoprunk der vergan- genen Markgrafenära schien ihm der passende Ort, sich zu Der Jean-Paul-Weg windet sich von Wunsiedel durch die Frem- »fixieren“, die Arbeitsruhe zu finden, wo »ich einsam-selig denverkehrs-Kernzone des Fichtelgebirges um Fichtelberg, wieder mit Tinte mich ans geliebte Papier anklebe.« Ochsenkopf, Bischofsgrün, eine Gegend, die das Auge mit ih- ren ausgefransten Tourismusorten, Liftanlagen, Parkplätzen »DER WAHRE MEISTER VON BAYREUTH« weniger erfreut und mit des Dichters Vita und Werk auch we- niger zu tun hat. Am Weg liegt das berühmte Felsenlabyrinth Im Bayreuth des Jubiläumsjahres wehen überall Fahnen mit der Luisenburg, bei deren erfolgreichem Theaterfestival heuer seinem Porträt, gleich neben den Flaggen zu Richard Wag- ein Jean-Paul-Bühnenstück des experimentellen Oberpfälzer ners 200. Geburtstag. Zum Glück hat nicht nur dieser über- Autors Werner Fritsch zur Uraufführung gelangt. Vor allem dominante zweite Bayreuth-Zuzügler die ansehnliche Stadt aber verbindet sich die Luisenburg mit dem unrühmlichsten geprägt – Festspielscheune und Wahnfried, ohnehin derzeit Werk aus Jean Pauls Feder. »Schlechteres hat er nie geschrie- hässliche Baustellen, kann man auch mal beiseite lassen, dem ben«, so sein Biograf Helmut Pfotenhauer. Eine Art Weihe- Beispiel von Theodor Heuss und Alfred Kerr folgend, denen drama und Fürstenhuldigung nämlich, dem preußischen Kö- Jean Paul »der wahre Meister von Bayreuth« war. Das reiz- nigspaar zugedacht, mit dem Hintergedanken, solchermaßen voll strenge spätbarock-klassizistische Altstadtbild scheint je- eine »Präbende«, eine lebenslange Künstlerrente, einzustrei- denfalls weit mehr die Jean-Paulsche Ära zu spiegeln als die chen. Das antikisierende Versopus »Wechselgesang der Orea- ganze nachfolgende Wagnerei. Es macht großes Vergnügen, den und Najaden«, untermalt von dilettantischer Musik, kam dem mit Lesetafeln besonders reichlich dokumentierten Dich- dem befremdeten Monarchenpaar, das Jean Paul eigentlich ter-Rundweg durch den Stadtkern zu folgen, vom palaisar- verehrte, 1805 beim Luisenburg-Besuch zu Gehör: Die Ho- tigen ersten Wohnsitz an der Maxstraße in die Markgrafen- heiten spürten wohl die Absicht und waren verstimmt – eine buchhandlung mit ihren reichhaltigen Jean-Paul-Beständen, preußische Präbende wurde nie gewährt. die Schlosstreppen hinauf zur säulenverzierten ehemaligen »Harmonie«, seinem frequentierten Zeitungslektüre- und LANDSCHAFTSSELIGE WEGE UM Debattierclub, durch die Kanzleistraße mit seiner Leihbibli- SCHWEINSBACH UND ENTENMÜHLE othek, in die verschattete Stille des Rokoko-Hofgartens mit seinen Bassins und Bosketten. Und dazwischen in einer der Nordwestlich von Bischofsgrün, im hellen, offenen Hangwie- urigen Bräustuben, beim Wolffenzacher, beim Schinnerer senland um die Dörfer Wülfersreuth und Metzlersreuth, wird oder Mannsbräu, ein Braunbierglas in memoriam zu leeren. einem dann wieder ganz jean-paulisch landschaftsselig ums Gemüt. Endlos geht der Blick über grasgüne Senken, Laub- EIN SCHMERBÄUCHIGER HERR waldränder, Bachtäler (und einige Windräder neuesten Da- IN RUTSCHENDEN STRÜMPFEN tums) bis zum fernen Frankenwald, stahlblau der Himmel, »ungepudert von Nebeln«, tiefe Ruhe rundherum, die große »Wanderratte« blieb Jean Paul auch in Bayreuth, achtmal »Sieste der Natur.« Doch hätten »Scho Baull« (so hört er sich ist die Familie in der Stadt umgezogen. Bald nämlich mach- auf fränkisch an), dem Liebhaber altfränkischer Deftigkeiten, ten sich Unruhe und Unzufriedenheit breit, mit provinzi- wohl auch die versteckten Landgasthöfe dieses Winkels be- eller Enge und Borniertheit, mit stagnierender literarischer hagt: der Goldene Löwe zu Wülfersreuth, die Waldwirtschaft Resonanz auf seine überbordenden, mäandernden Romane Schweinsbach, die Entenmühle unten im Ölschnitzgrund, mit »Titan«und »Flegeljahre«, nur die zuverlässigen Bayreuther ihren Sauerbraten- oder Krenfleischgebirgen samt dem süf- Freunde Emanuel Osmund und Christian Otto boten Anre- figen Dunkelbier der Region, ohne dessen Konsum in gewal- gung und Austausch. Der Ehestand erwies sich zunehmend tigen Mengen er bekanntlich nicht sein konnte. als schwierig, das einander eigentlich zugetane Paar lag häufig

aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE | 47 | oben Jean Pauls Wohnhaus in der Friedrichstraße 5 in Bayreuth. oben Jean Pauls Grabstätte in Bayreuth.

in heftigem Streit. Karoline fühlte sich vernachlässigt, miss- Paul liebte, ist verschlossen, existiert aber noch fast wie da- achtet als »wärmender Hausüberrock«, den konzentrations- mals, mit dem Kornelkirschbaum, in dessen Schatten er ar- bedürftigen Schriftsteller, der aber auch ein rührend unkon- beitete, mit dem steinernen Brunnentrog, den er als Hunde- ventioneller und liebevoll-verspielter Vater war, machte auf bad für Spitz »Alert« oder Pudel »Ponto« benützte. Es ist ein Dauer der Familienalltag nervös. »Mein Leben ist jetzt ein Jammer, denkt sich der heutige Besucher, dass nicht in die- miserables und horribiles... an mir wird zu sehr gearbeitet, ser so authentisch erhaltene Dichter-Wohnstätte das Jean- folglich nicht von mir.« Paul-Museum der Stadt Bayreuth eingerichtet wurde, wozu es Gelegenheit gegeben hätte. In dieser Straße, die mit ih- Die Friedrichstraße, in der die Familie Richter viele Jahre lo- rer Architektur, mit dem imposanten Denkmal, auch mit ih- gierte, ist vielleicht einer der schönsten städtischen Straßen- ren Biergärten und Wirtschaften, so jean-paulisch ist – so- züge Bayerns. In Potsdam könnte sie auch liegen, mit ihrem gar die Bäckerei Lang um die Ecke stammt noch aus seinen wunderbar einheitlichen, preußisch-klaren Markgrafenba- Tagen und verkauft seine Lieblingsbackwaren Pfeffernüßla rock, der schnurgeraden, repräsentativen Paradestraßen-An- und Spritzkuchen bis heute! Dass man die sehr besuchens- mutung. Man steht vor der dunklen Sandsteinfassade des werte Jean-Paul-Sammlung, die gerade einfallsreich neu kon- Bürgerhauses Nummer 5 und versucht sich die Richter’sche zipiert wurde, stattdessen ohne Not in der neoklassizistischen Menage im zweiten Stock vorzustellen, die seinerzeit viele Villa von Richard Wagners Schwiegersohn Houston Stewart Besucher, die dem berühmten Dichter ehrerbietig ihre Auf- Chamberlain belassen hat, einem rassistischen und chauvi- wartung machen wollten, in Verwirrung stürzte. Einen ver- nistischen Vordenker Hitlers, darüber schütteln so manche geistigten Heros hatten sie erwartet, und da »watschelte« Bayreuther Jeanpaulianer fassungslos den Kopf: »Im Grabe ihnen ein jovialer schmerbäuchiger Herr entgegen, »bausba- hätte er sich umgedreht...!« ckig« und in rutschenden Strümpfen, »weiten Nanking-Bein- kleidern« und ziemlich speckigem »Flausrock« – manchmal SUCHTPROBLEM UND ARBEITSWUT mit einem Eichhörnchen auf der Schulter, von dem er versi- cherte, es beiße und pisse nicht. Physiognomisch glich der geniale Wortarbeiter immer mehr einem »Bierbrauer« so verwunderten sich seinerzeit pikierte EICHHÖRCHEN AUF DER SCHULTER, Besucher. Er werde allmählich so dick, merkte Jean Paul ein- FLIEGEN IM VOGELBAUER mal selbstironisch an, dass er jedes Jahr ein Pferd mehr an der Kutsche brauche. Noch immer konnte er, Korpulenz und Am schlimmsten aber waren die Brummfliegen! Jean Paul Haarausfall und gelegentlichen alkoholisierten Ausfällen zum war vernarrt in alles Getier – neben Eichhörnchen tummelten Trotz, mit seiner Güte und Liebenswürdigkeit, seiner strö- sich Pudel, Spitze, Schildkröten, Dohlen und Wetterfrösche in menden Unterhaltungsgabe, offenbar ein Damenschwarm der wohl ohnehin recht chaotischen, mit Papier, Nussschalen, sein. Aber sein hemmungsloser Umgang mit Rauschmitteln, Vogelsamen überhäuften Schreibstube des »Möbeln-Veräch- mit Unmengen von Bier, Bordeauxwein, Arrak und dem opi- ters.« Die fetten Fliegen der Gattung musca vomitoria, die er umhaltigen Laudanum, den er in großer Selbsttäuschung un- eigentlich als Nahrung für seine Wetterfrösche brauchte (me- ter Kontrolle zu haben vermeinte (»Treibmittel des Gehirns« teorologische Voraussagen, bei denen er häufig falsch lag, wa- nannte er seine Drogen), irritierte auch die Bewunderer. »Rich- ren seine späte Leidenschaft), hielt er massenhaft in einem ter ist herzdrückend herab«, schrieb die hochgescheite Stutt- mit Gaze verkleideten Vogelbauer, gönnte ihnen aber, da er garter Autorin und Journalistin Therese Huber in einem Brief, auch Mitleid mit der Insektenwelt hatte, gelegentlich freies »...von Früh bis Abend vom Trunke gespannt... Da seine Fla- Krabbeln an den sonnenwarmen Fensterscheiben. Ein Don- sche leer ist, wird seine Stirn röter und um zwei Uhr ist sie vi- nerwetter kam über die Hilfskraft, welche die Brummer für olett.« Solche Kritteleien haben immer wieder wütende Ver- Ungeziefer hielt und sie in guter Absicht zermatschte. Der teidiger Jean Pauls, meist Schriftstellerkollegen, auf den Plan

Garten neben dem »Schwabacher’schen Haus«, den Jean gerufen: Wäre er ein verkommener Trinker gewesen, hätte Fotos: links, Harbich, rechts, TZ Fichtelgebirge

| 48 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE »dieses geysirhaft sprudelnde Großhirn« so eine gewaltige bis heute ist dieser vollkommen schlichte Raum der wohl ech- Lebensleistung, diesen »Mangrovensumpf« phantastischen teste und intimste Erinnerungsort an den Dichter. Sogar der Einfallsreichtums hervorbringen können? Unfasslich war sei- Ausblick in die mild gewellte Hügellandschaft zum Fichtel- ne Arbeitswut, hochbedeutende Werke entstanden noch in gebirge hin, an dem sein Herz hing, ist noch ganz unverbaut. den Bayreuther Jahren, trotz physischen Verfalls und rapider Auf dem Tisch steht ein Glas mit einem eingetrockneten Rest vorzeitiger Alterung – Jean Paul wurde ja nur 62 Jahre alt: seiner selbstfabrizierten »Dinte.« Dieses Möbel muss ganz Philosophisch-theoretisches wie die »Levana« und die »Vor- nach seinem Gusto gewesen sein, stets wünschte er sich »ei- schule der Ästhetik«, der letzte Band des Hauptwerks »Fle- nen elenden, alten Schreib- und Schmiertisch, keinen verfluch- geljahre«, satirische Preziosen wie »Doktor Katzenbergers ten zarten Sekretär von Mahagoni.« Wie groß ist diese ver- Badereise« oder »Das Leben Fibels«, die unvollendete »Sel- nutzte Tischplatte, nicht einmal einen Quadratmeter? Nein, berlebensbeschreibung« und der ebenfalls Fragment geblie- viel, viel größer, weltallgroß: »Mein Schreibtisch ist neun- bene besonders grandios-bizarre späte Roman »Der Komet.« einhalb Millionen Quadratmeilen breit«, schrieb Jean Paul einmal in einem Brief. Und nirgendwo wie vor dem anrüh- VIELLEICHT HAT IHN über etliche Jahre doch noch bei Kräf- renden Schreibplatz in der Rollwenzelei lässt sich das Glück ten gehalten, dass er weiterhin unermüdlich zu Fuß ging, Spitz des Schriftsteller so nachvollziehen, wie er es in einem Ju- oder Pudel allzeit beiseite. Er liebte die mildere offenere Hü- gendbrief an den Freund Christian Otto pries: Das Schick- gellandschaft um Bayreuth und besonders die herrlichen sal müsse gesagt oder gedacht haben »wir wollen ein ausser- Parklandschaften der markgräflichen Landschlösser Ere- ordentlich närrisches Wesen backen, das schon dadurch ein mitage und Fantaisie, die mit ihrer Mischung aus formell Trommetenfest (...) Honigmonate und Flitterwochen und alles inszenierten Rokokostaffagen und empfindsamen naturna- hat, wenn es nur neben einem Dintenfas, neben einem Bund hen Grotten, Schluchten, Teichen, Waldpartien immer noch Federn aus Hamburg und neben Wunderlich’s Papier sizt.« zu den schönsten Parks Mitteleuropas zählen. Im Romanwerk »Siebenkäs«hat Jean Paul diese kunstvollen arkadischen Sze- Renate Just arbeitet als freie Journalistin, gegenwärtig vor allem nerien vor allem verewigt, als »grünende Lustlager«, als »Him- für »Die Zeit«. Die Ernst-Hoferichter-Preisträgerin mel vor Bayreuth«, als »artistisches Rosen- und Blütental.« hat einige Bücher veröffentlicht, vor allem die mehr- bändige Reihe der regionalen »Reise(ver)führer« (SZ) »Krumme Touren - Reisen in die Nähe«. SCHREIBZUFLUCHT MIT BELLEVUE UND BIER

Jean Pauls Hauptzuflucht aber erreicht man über die heute mäßig attraktive, vorstädtisch verbaute Königsallee, die er Pünktlich zum Jubiläumsjahr 2013 wurde der 200 km nahezu täglich zur Rollwenzelin hinauswanderte, eine abge- lange Jean-Paul-Weg vollendet – eine biografische Linie griffenene Jagdtasche mit Papieren quer über den Bauch ge- von »Jean Pauls Orten«in Oberfranken verbindet nun hängt, eine oder zwei Bouteillen Rotspon in den Rocktaschen. die Landkreise Hof, Wunsiedel, Bayreuth und Kulmbach Die mit ihm berühmt gewordene, stets in eine Spitzenhaube samt Städten und Gemeinden am Weg. Ermöglicht wur- gekleidete Wirtin des bescheidenen »Traiteurhauses« Roll- de der Weg durch eine enorme Kooperation von 4 Land- wenzelei, nahe der Eremitage gelegen, bot ihm über Jahre tag- kreisen, 22 Gemeinden, 2 Naturparks, vielen Wegwarten täglich das immer gleiche Ritual: ein stilles Arbeitsstübchen und Wegpaten, Bauhöfen und Rathäusern, Sparkassen, im Obergeschoss zum Arbeiten, Berge seiner hochgeschätz- Archiven, Museen und unzähligen engagierten Mitglie- ten Pellkartoffeln und humpenweise braunes, bitteres Bier, dern der wachsenden Jean-Paul-Familie in der Region. ohne Mäkelei. Wunderbar erhalten ist die kleine Rollwenze- Die Koordination lag bei den Regionalmanagements, dem lei, ein unauffälliges Krüppeldach-Häuschen mit Vorgiebel Naturpark Fichtelgebirge und der Agentur KulturPartner unter denselben hohen Kastanien, die schon zu Jean Pauls in Bayreuth, wobei Dr. Karla Fohrbeck, frühere Kulturre- Tagen standen. Dass sie so wohlbewahrt auf unsere Tage zu ferentin von Nürnberg, als »Muse im Netz« die Gesamtko- gekommen, ist wiederum einer ganzen Familie glühender ordination inne hatte. Unter www.jeanpaul-oberfranken. Jean-Paulianer zu verdanken. Unten im Häuschen wohnt gut- de finden sich auch die Bücher zum Jean-Paul-Weg »Jean bürgerlich Familie Sommer, der Rest ist seit Generationen un- Paul in Oberfranken«und »Jean Paul in & um Bayreuth ermüdlich privat betreuter, jedem Besucher mit Temperament - Ein literarischer Spaziergehführer«zum Durchblättern. und Liebe präsentierter Gedenkort – 50 000 Einträge stehen Unter www.literaturportal-bayern.de wird der Weg bald in den gehüteten Gästebüchern. 1876 hat der Urgroßvater der virtuell begehbar sein, der von der NÜRNBERGER Ver- jetzigen Besitzerin Gertrud Sommer, Friedrich Justinus, die sicherungsgruppe, der Oberfrankenstiftung, dem Bezirk Rollwenzelei mit allem Inventar gekauft. Das Oberstübchen, Oberfranken und dem Bayerischen Staatsministerium Jean Pauls tägliches Refugium, diente als Bierlager, und im für Wissenschaft, Forschung und Kunst aus dem Kul- Speicher fanden sich gestapelt die originalen Möbel, die er turfonds Bayern gefördert wurde. Die Bayerische Staats- jahrelang benutzt hatte: das grüngrau bezogene Kanapee, bibliothek bereitet, gefördert von der Bayerischen Spar- die hochlehnigen Stühle, der derbe Holztisch, die Schubla- kassenstiftung, derzeit eine APP zum Weg vor. de voller Aufzeichnungen von seiner Hand. Nach einem far- Dr. Karla Fohrbeck bigen Stich richtete Justinus das Zimmer wieder ein – und

aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE | 49 | IMPRESSUM

© Copyright: Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Salvatorstraße 2 | 80333 München ISSN 1432-6299 UNSER DORF SOLL SCHÖNER WERDEN Titelbild: privat DAS MÜNCHNER KREISVERWALTUNGS- Redaktion: REFERAT KÄMPFT UM DIE ÄSTHETI- Toni Schmid (verantw.) SCHE OPTIMIERUNG DER LANDES- Dr. Elisabeth Donoughue Silvia Bachmair (Adressenverwaltung) HAUPTSTADT. [email protected] Telefon: 089 . 21 86 22 42 Fax: 089 . 21 86 28 13

aviso erscheint viermal jährlich.

Gestaltung: Engel und Wachs GbR Mediengestaltung Provinostrasse 22 | 86153 Augsburg www:engel-wachs.de

Gesamtherstellung: Bonifatius GmbH | Druck-Buch-Verlag Karl-Schurz-Str. 26 | 33100 Paderborn www.bonifatius.de

Arnold Stadler Beachte: Die Toilette befi ndet sich vor dem Residenzeingang. DEPESCHE AUS DER VILLA CONCORDIA RUSSISCHE GÄSTE UNTERM REGENSCHIRM

Liebe Leserin, lieber Leser,

Deutschland war Papst und Fußball, in zeichnete. Auf unseren Glückwunsch sind wir Basketball und Russland – wenn man’s hat sie mit einer überglücklichen, im- so allgemein halten will. Die Villa Concordia hat mer noch für-bass-erstaunten E-Mail Mitte Mai eine Willkommensrunde veranstaltet geantwortet. Sie und Arnold Stadler und vor viel Publikum die neuen Jahresgäste be- (Stipendiat 2004/05) wurden mit dem grüßt. Damit ist es offi ziell, unser „russisches Preis in die Tradition der Wegberei- Würstlbude? Jahr“! Bis auf einen Stipendiaten der Bildenden ter deutscher Literatur gestellt, ganz Kunst, der erst in einem Monat anreisen kann, dem Genie des Namensvetters Ge- sind wir vollzählig und recht fröhlich miteinander. org Büchner verschrieben. Beide la- Beständig müssen wir unseren russischen Gä- sen just im Juni bei uns, also Stadler sten versichern, dass die Witterung nicht nor- und Lewitscharoff... mal ist für diese Jahreszeit. Irgendwie schmerzt das. All das Wasser wäscht einem den Mitt- Wen unser Programm interessiert, der Jahresmut beinahe aus den Mundwinkeln. Und kann gerne unseren Newsletter anfor- sieht man die haarsträubenden Berichte über dern, der ihn und sie informiert, wann, die Überschwemmungskatastrophen wird alles was mit Stipendiaten der Gegenwart Weh und Ach über Dächer, in die es hineinreg- und Vergangenheit in unserem Hause net (!), mikroskopisch klein. Von Bamberg aus geschieht. Da kann man staunen, was Der Hamburger Fischmarkt auf dem Wittels- denken wir fest an alle im Süden, Osten und ein so steiniges Gemäuer an Leben- bacherplatz. Das Kunstobjekt befi ndet sich links. Norden, die von den Wassermassen bedroht digkeiten für jedermann/-frau zu bie- waren, jetzt einen Neuanfang wagen müssen ten hat! Einfach eine Email an: und die noch so viel länger von allem betroffen [email protected] sind, als die Medien es beleuchten. – Wasser und Gewinner... sind die Motti von Mai über Machen Sie’s gut und bleiben Sie tro- Juni bis in den Juli. Das Künstlerhaus ist stolz, cken, Ihre trotz seiner Jugend (bei 15 Jahren kann man schwerlich von Alter sprechen ;-) bereits auf eine Nobelpreisträgerin, einen Turner-Preis-No- minierten und seit dem 3. Juni auf zwei Georg- Büchner-Preisträger unter den Stipendiatinnen und Stipendiaten verweisen zu können: Sibylle Nora-Eugenie Gomringer lebt Beitrag des Kulturreferats, umzingelt vom Lewitscharoff, Stipendiatin der Literatur im Jahr- als Direktorin des Inter- nationalen Künstlerhauses Villa Kreisverwaltungsreferat. Toni Schmid gang 2011/12, ist die frischgebackene Ausge- Concordia in Bamberg. Fotos: Tobias Bohm, Toni Schmid

| 50 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE POSTSKRIPTUM PETER ENGEL WIE ICH ES SEHE

aviso 3 | 2013 BIENVENUE PETER ENGEL | 51 | 2|2011 3|2011 4|2011

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PETER STROHSCHNEIDER PLÄDIERT FÜR DIE VIELFALT DER WISSENSCHAFTSSPRACHEN // FÜR RALPH MOCIKAT IST DIE JOSEF H. REICHHOLF ZEIGT: LEBEN MÜNDET IN KRISE // GERHARD SCHULZE RÄT, IN KRISENZEITEN BESSER MAX DORNER HAT SICH IN BAYERISCHE HEILIGE VERLIEBT // HERBERT PÖHNL FOTOGRAFIERT HINTERBAYERN // MUTTERSPRACHE IN DEN NATURWISSENSCHAFTEN UNERSETZLICH // HANS-JOACHIM BUNGARTZ BETRACHTET E-MAILS // NACHZUDENKEN // ARMIN NASSEHI APPELLIERT AN UNS, DIE KRISE ZU LIEBEN // NORA GOMRINGER PACKT HANS KRATZER SCHAUT DA GENAU HIN // ANTONIO PELLEGRINO SUCHT HEIMATSPUREN // NORA GOMRINGER ULRICH HOLBEIN ÜBER DIE FÜLLE DER DEUTSCHEN SPRACHE // ROSWIN FINKENZELLER BIETET LEBENSRAT // NORA DIE ALLTAGSKRISE BEI DEN HÖRNERN // ULRICH HOLBEIN SIEHT DIE EISZEIT KOMMEN // EVA WAGNER-PASQUIER SCHWÖRT AUF RHABARBERSCHORLE IM PELIKAN // REINHARD WITTMANN STEMMT SICH GEGEN SPRACHVERNORDUNG // GOMRINGER WINKT PORTUGIESEN NACH // UND DIETER HANITZSCH PORTRÄTIERT FRANZ XAVER BOGNER IM AVISO-GESPRÄCH MANFRED PRENZEL BERICHTET VON DER SCHOOL OF EDUCATION // DIETER HANITZSCH PORTRÄTIERT MARTIN KUSˇ EJ

Vom Zustand unserer Sprache Krise – welche Krise? Heimat

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THOMAS STEINFELDS LAUDATIO AUF BRIGITTE KRONAUER ZUM JEAN-PAUL-PREIS // DIETER HANITZSCH PORTRÄTIERT HANNS HATT GIBT EINE KOSTPROBE SEINER GERUCHSFORSCHUNG // GABI CZÖPPAN SETZT SICH STINKENDER JOSEF E. KÖPPLINGER FREUT SICH AUF MÜNCHEN // VOLKER RIEBLE FINDET NEUERDINGS ZU VIELE INFANTILE MICHAEL KRÜGER // JOSEF H. REICHHOLF FREUT SICH AUF DEN FRÜHLING // NORA GOMRINGER ÜBERWINTERT MIT KUNST AUS // JOSEF H. REICHHOLF HAT EINEN RIECHER FÜR FEINE NASEN IM TIERREICH // HOLGER SCHULZE SPÜRT STUDIERENDE VOR // HANS-JOACHIM BUNGARTZ ZEIGT: DIE INTUITION LÄSST UNS GERN MAL IM STICH // GEORG ISLÄNDERN IN BAMBERG // FÜR HERBERT KAPPAUF SIND WUNDER MÖGLICH // FÜR WERNER RITTER ÜBERWINDEN SIE EINEM UNTERSCHÄTZTEN SINN NACH // SYBILLE KRAFFT KEHRT IN DER KLOSTERMÜHLE IN ALTENMARKT EIN // DIETER EGGERS DICHTET ÜBER HAARVERLUST // ULRICH HOLBEIN RESÜMIERT DAS ALLGEMEINE SCHEITERN DER KUNST // LEBENSBEGRENZUNGEN // RAINER ROSENZWEIG SIEHT SIE ALS WAHRNEHMUNGSPROBLEM. HANITZSCH PORTRÄTIERT GERHARD POLT JULIA LEHNER LÄDT ZUM BRATWURST-ESSEN EIN

Wunder Vom Riechen Von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens

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Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern EGON JOHANNES GREIPL BLICKT ZURÜCK AUF BAYERISCH-RUSSISCHE KRIEGSGESCHICHTE(N) // RAIMUND WÜNSCHE FOLGT DEN LEUCHTENBERGS NACH WEST UND OST UND WIEDER ZURÜCK // HANS PLESCHINSKI FREUT SICH AUF MOSKAU // JOSEF H. REICHHOLF WEIST WEGE DURCH DAS LABYRINTH DER EVOLUTION // RAIMUND WÜNSCHE WANDELT AUF HANJO KESTING FÜHRT UNS RICHARD WAGNER ALS PASSIONIERTEN SCHULDENMACHER VOR // MEHR PFLICHTSCHUL- DASS RUSSEN IMMER WIEDER GERNE IN BAYERN HEIMAT FINDEN, ZEIGEN DIE GESCHICHTEN DIESES HEFTS UND AUCH DEN SPUREN MYTHOLOGISCHER IRRWEGE // VOLKER RIEBLE MONIERT ABWEGIGEN UMGANG MIT LEHRENDEN // DIGKEIT IM UNIVERSITÄTSBETRIEB FORDERT VOLKER RIEBLE // DEN ZUSAMMENHANG VON SCHULD UND SCHULDEN RICHARD LOIBL EVA GESINE BAUR FRIEDRICH WILHELM GRAF ARMIN NASSEHI GÖTZ W. DIE KARIKATUR VON DIETER HANITZSCH // UND RENATE JUST IST DIESMAL GERADEWEGS UNTERWEGS // SINNIERT ÜBER AUSWEGE AUS NIEDERBAYERN // SPÜRT SCHIKANEDERS LEBENSWEG ERLÄUTERT // F ÜR HABEN SCHULDEN MIT ZEITGEWINN ZU TUN // NACH// NORA GOMRINGER BEWEGT SCHWEIZER KUNST IN BAMBERG WERNER MÖCHTE JEDEM EINEN VORSCHUSS GEBEN // UND DIETER HANITZSCH PORTRÄTIERT MARISS JANSONS

Auswege - Umwege - Irrwege Schulden Bayerisch-russische Geschichten

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