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Plenarprotokoll 18/185

Deutscher

Stenografischer Bericht

185. Sitzung

Berlin, Dienstag, den 6. September 2016

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- Dr .André Berghegger (CDU/CSU) ...... 18326 C neten Michael Groß, Anita Schäfer (Saal- Dr . (DIE LINKE) ...... 18328 C stadt), , Dr. Hans-Peter Uhl und ...... 18309 A Johannes Kahrs (SPD) ...... 18329 C Begrüßung des neuen Abgeordneten Jürgen (BÜNDNIS 90/ Coße...... 18309 B DIE GRÜNEN)...... 18331 C (CDU/CSU) ...... 18332 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) ...... 18333 A Tagesordnungspunkt 1: () (SPD)...... 18334 C a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Dr . h . c . (CDU/CSU). . . . 18335 D zes über die Feststellung des Bundes- (CDU/CSU)...... 18337 B haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Carsten Körber (CDU/CSU)...... 18339 B Drucksache 18/9200...... 18309 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Einzelplan 06 Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 Bundesministerium des Innern Drucksache 18/9201...... 18309 C Dr .Thomas de Maizière, Bundesminister Dr .W olfgang Schäuble, Bundesminister BMI...... 18340 D BMF ...... 18309 D (DIE LINKE)...... 18343 C Dr . Eva Högl (SPD) ...... 18344 C Allgemeine Finanzdebatte Dr . (BÜNDNIS 90/ (einschließlich Einzelpläne 08, 20, 32 und 60) DIE GRÜNEN)...... 18346 D Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 18317 C (CDU/CSU)...... 18347 D () (SPD)...... 18319 A (Altötting) (CDU/CSU). . . . . 18349 A Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ Frank Tempel (DIE LINKE)...... 18349 D DIE GRÜNEN)...... 18321 B (DIE LINKE)...... 18352 B (CDU/CSU) ...... 18323 B (SPD)...... 18353 B Dr . (DIE LINKE)...... 18325 B (BÜNDNIS 90/ Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) ...... 18325 D DIE GRÜNEN)...... 18354 A Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) (Weil am Rhein) (CDU/ (Erklärung nach § 30 GO)...... 18326 B CSU)...... 18355 B 18340 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . , Dienstag, den 6 . September 2016

Carsten Körber (A) Kosten der jungen Generation zu machen . Es freut mich, rechtigten Interessen der künftigen Generationen endlich (C) dass wir endlich damit aufgehört haben, Schulden anzu- nicht mehr aus dem Auge verlieren . häufen, die irgendwann irgendjemand abbezahlen muss . (Johannes Kahrs [SPD]: Sagen Sie mal Ihren Im Gegenteil: In den letzten Jahren haben wir endlich Mitarbeitern, die sollen Ihnen etwas Vernünf- begonnen, die Investitionen in den entscheidenden Berei- tiges aufschreiben! Reden Sie nicht so einen chen massiv zu steigern . Wissenschaft, Bildung, Verkehr, Unsinn! Das ist doch peinlich!) Infrastruktur, das sind die Bereiche, in denen sich die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft entscheidet . All Für uns Haushälter heißt das für 2017: Die schwarze diese Investitionen können wir stemmen, ohne auch nur Null bleibt stehen; keine weiteren Belastungen für die einen Cent neue Schulden aufnehmen zu müssen . Das ist zukünftigen Generationen . Stattdessen sprechen wir über es, was mich glücklich stimmt . Das ist die Leistung der weitere Investitionen in wichtigen Zukunftsbereichen unionsgeführten Bundesregierung und die Leistung des und notwendige Steuererleichterungen in den nächsten Finanzministers Wolfgang Schäuble . Jahren .

Unser Weg ist Vorbild . Letztes Jahr haben bereits 10 (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- von 16 Bundesländern ebenfalls Überschüsse erwirt- NEN]: Na, dann ist ja alles in Ordnung!) schaftet . Steuererleichterungen sind nun die richtige Lassen Sie uns gemeinsam ans Werk gehen . Fortsetzung des begonnenen Weges; aber eben nur in dem Rahmen, den uns der Haushalt und die schwarze Vielen Dank . Null erlauben . (Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Unglaublich!) Sie sehen also: Wir haben unser Versprechen gehalten . Vor Jahren wurden wir noch ausgelacht und beschimpft für unseren Ansatz, der nun Vorbild ist . Erst den Haushalt Vizepräsidentin : in Ordnung bringen und dann die erwirtschafteten Spiel- Vielen Dank, Carsten Körber .– Weitere Wortmeldun- räume verantwortungsvoll nutzen – so geht Haushaltspo- gen zur allgemeinen Finanzdebatte liegen nicht vor . litik, die die Zukunft im Blick hat und nicht den nächsten Während Sie die Plätze tauschen, wird mein Stuhl aus- Wahltermin . An der schwarzen Null werden sich auch getauscht, weil er hinüber ist . Daran bin nicht ich schuld . zukünftige Regierungen messen lassen müssen . Er ging immer runter, und das finde ich nicht so gut. Ich möchte, dass wir uns auch im letzten Jahr dieser (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Legislaturperiode auf unsere Arbeit und unsere Aufgaben Das hat mit der Landtagswahl in Mecklen- (B) konzentrieren . Von daher ist es mir unerklärlich, wie man burg-Vorpommern zu tun! Da geht es mit den (D) bereits ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl schon Grünen runter!) wieder in den Wahlkampfmodus schalten kann . – Nein, Herr von Stetten, das war schon vorher so . (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes- GRÜNEN]: Wie es die Union macht!) ministeriums des Innern, Einzelplan 06. Damit wird man seiner Verantwortung nicht gerecht . Es Ich gebe als erstem Redner in der Debatte Dr .Thomas ist wirklich bedauerlich, dass der Vizekanzler und Wirt- de Maizière für die Bundesregierung das Wort .– Herr schaftsminister Gabriel heute nicht anwesend ist; denn Minister, bitte . auch er trägt bis zur Wahl noch eine ganz entscheidende (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Verantwortung für das Wohl dieses Landes . Dr . Eva Högl [SPD]) (Johannes Kahrs [SPD]: Hallo! Guck mal, wer von deinen alles da ist! Peinliche Rede! Keine Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In- Ahnung!) nern: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass die Wählerinnen Knapp ein Jahr ist es her, dass ich den Einzelplan 06 für und Wähler solches Verhalten bei der nächsten Wahl ho- 2016, also den Einzelplan meines Geschäftsbereichs, in norieren würden . dieses Haus eingebracht habe . Wie wohl nie zuvor war unser Land damals mit der Flüchtlingspolitik gefordert . Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Die Flüchtlingszahlen stiegen immens an . Grenzen in Johannes Kahrs, auf das Erreichte können wir stolz sein . Europa wurden überrannt . Bei unseren Nachbarn in Eu- ropa und bei den Nachbarn Europas bahnte sich eine hu- (Johannes Kahrs [SPD]: Aber doch nicht mit manitäre Katastrophe an . solchen Reden hier! Benehmen Sie sich erst einmal! Wenn man die Reden abliest, dann hat Seitdem ist viel geschehen . Was wurde nicht alles pro- man den Unsinn vorher geschrieben! Das ist phezeit? Was wurde nicht alles diskutiert? Dies geschah peinlich!) oft sehr streitig, häufig emotional aufgeladen und manch- mal im falschen Ton . Aus unterschiedlichen Richtungen Diese Arbeit werden wir fortsetzen, indem wir alles tun, wurde in den vergangenen Tagen der Eindruck erweckt, was heute gut und erforderlich ist, und zugleich die be- als sei seit dem September 2015 wenig passiert . Ich fra- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18341

Bundesminister Dr. Thomas de Maizière (A) ge mich ernsthaft, wo diejenigen, die das behaupten, die das nicht wiederholt, ist enorm . Darauf können wir stolz (C) letzten zwölf Monate waren . und dafür sollten wir dankbar sein . (Dr . [CDU/CSU]: Sehr rich- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- tig!) ordneten der SPD) Besonders verwunderlich finde ich es, wenn diejenigen, All das ging und geht natürlich nicht ohne zusätzliche die das behaupten, mit am Kabinettstisch oder im Koa- Mittel, ohne die Unterstützung des Bundesfinanzminis- litionsausschuss saßen, als Woche für Woche die Dinge ters und des Haushaltsgesetzgebers, also von Ihnen allen . vorangebracht wurden, Diese Unterstützung gab es, und zwar gemeinsam in der Koalition; da muss sich heute niemand abseilen . Damals ( [DIE LINKE]: Das ist wahr! Das wie heute ist Haushaltspolitik Kompass für Aufgaben stimmt! – Katrin Göring-Eckardt [BÜND- und Ziele . Sie sagt etwas darüber aus, wie wir in Zukunft NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie meinen die leben wollen . CSU?) Schaut man sich den Aufgabenbereich des Bundesin- Schritt für Schritt in großem Tempo . nenministeriums, also meines Geschäftsbereichs, an, so sieht man, dass sehr viel dazu gehört: innere Sicherheit, Gemeinsam haben viele in diesem Land viel bewegt – Integration und Rückführung, Zivil- und Katastrophen- verantwortungsbewusst, zügig und mit großem Einsatz . schutz, digitale Sicherheit, Sport, Religion, Ehrenamt, Wir haben humanitäre Hilfe für eine enorme Zahl von Statistik, Dienstrecht, Tarifverhandlungen, Aussiedler, Menschen geleistet . Wir haben mit den Grenzkontrollen nationale Minderheiten, Geodäsie und vieles andere die Dinge geordnet . Wir haben das Bundesamt für Migra- mehr . Alle Facetten sind wichtig . Sie greifen ineinan- tion und Flüchtlinge für diese Herausforderung massiv der, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten . Denn aufgestockt, so schnell wie wohl noch nie eine Behörde das ist das gemeinsame Band des Innenministeriums: der in Deutschland . Das Bundesamt entscheidet pro Monat Zusammenhalt unseres Landes durch Freiheit, Ordnung so viele Einzelfälle wie nie zuvor . Bis Ende August hat und Sicherheit . Aus Zeitgründen kann ich heute natürlich das Bundesamt in diesem Jahr fast 393 000 Entscheidun- nur wenige Bereiche herausgreifen . gen getroffen. Ich beginne mit dem Kampf gegen den Terrorismus (Zuruf des Abg . Dr . Konstantin von Notz und mit der öffentlichen Sicherheit. Auch hier haben wir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) in dieser Legislaturperiode sehr viel verändert und die Sicherheitsbehörden gut aufgestellt . Ich erinnere nur an Wir haben das Asylsystem umfassend erneuert und ver- die Antiterrorgesetze, die vor kurzem verabschiedet wur- (B) schärft und binnen kurzer Zeit ein integriertes Identitäts- den, an die Verlängerung der entsprechenden – ich nenne (D) management mit biometriegestützter Registrierung und sie einmal so – Otto-Schily-Gesetze, an die Vorratsdaten- Ankunftsnachweis geschaffen. Zentrale Registrierung speicherung und vieles andere mehr . für alle zuständigen Behörden – einer für alle – war vor einem Jahr technisch unmöglich und rechtlich unzuläs- Am 11 .August dieses Jahres habe ich nach den An- sig . Jetzt haben wir sie . schlägen von Würzburg und Ansbach und nach der Amoktat von München eine Reihe von zusätzlichen Vor- Wir haben unsere finanzielle Unterstützung an die schlägen unterbreitet, die für uns konsensfähig sein kön- Kommunen und Länder massiv erhöht, um die große nen und sein sollten, die schnell und absehbar zu mehr Last der Kommunen abzufedern . Wir haben das erste In- Sicherheit in Deutschland führen . Ich habe dafür in der tegrationsgesetz für Deutschland geschaffen mit klaren Öffentlichkeit viel Zustimmung erfahren, auch von un- Regeln nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ . In Eu- serem Koalitionspartner . Wenn ich dies nun Schritt für ropa verhandeln wir so zügig wie selten ein neues eu- Schritt umsetze, dann freue ich mich – ich erwarte sie ropäisches Asylsystem sowie ein europäisches Ein- und auch – auf die Zustimmung zu den einzelnen konkreten Ausreiseregister . Die Sicherung der Außengrenzen geht Maßnahmen . Das werden wir dann sehen . voran . Frontex wird eine europäische Küstenwache . (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Mittlerweile ist der Migrationsdruck spürbar geringer GRÜNEN]: Was ist das hier für ein Selbstge- geworden . Natürlich hat auch die Schließung der Bal- spräch in der Koalition? Haben Sie keinen Ka- kanroute dazu beigetragen . Aber nachhaltig ist das nur binettstisch, Herr de Maizière?) gemeinsam mit dem EU-Türkei-Abkommen erreicht – Doch . Ich spreche mit allen, gerne auch mit der Oppo- worden . Waren es im August vor einem Jahr noch etwa sition, und jetzt spreche ich mit meinem Koalitionspart- 100 000 erfasste Menschen in einem Monat, zählen ner . So einfach ist das . wir für den jüngst abgelaufenen August nur noch cir- ca 18 000 . Das ist ein Rückgang um 80 Prozent in einem (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ Jahr . Das alles sind Leistungen, die mancher vor einem DIE GRÜNEN]: Wir sind konstruktiv! Das ist Jahr für nicht erreichbar gehalten hätte . nicht das Problem, Herr de Maizière!) – Sie sind manchmal konstruktiv; ob überwiegend, da Ja, vieles ist noch zu tun . Niemand kann das bestreiten . habe ich manchmal Zweifel . Mitnichten sind alle Probleme gelöst . So etwas wie im letzten Jahr darf und wird sich in Europa und in Deutsch- (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE land nicht wiederholen . Was geleistet wurde, damit sich GRÜNEN]: Öfter als die CSU! Darauf lege 18342 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Bundesminister Dr. Thomas de Maizière (A) ich großen Wert! – Jan Korte [DIE LINKE]: Ich begrüße die Verschlüsselungstechnik; dass da (C) Wir sind immer konstruktiv!) kein Missverständnis aufkommt, Herr von Notz . Wir brauchen sichere Kommunikation im Internet, die frei Meine Damen und Herren, Sicherheit setzt starke und von Angriffen Krimineller und auch frei von Angriffen handlungsfähige Sicherheitsbehörden voraus . Eine Ta- ausländischer Staaten ist . Auch das Darknet ist für sich geszeitung schrieb neulich – ich gebe das einmal wie- genommen kein ausschließlicher Hort von Kriminalität, der –: Von kaum einer Institution erwartet das Land derart aber romantisch verklärt kann man dem Darknet nun viel Einsatz wie von der Polizei . Sie soll vor Terroristen wirklich auch nicht begegnen . Ein ganz beträchtlicher schützen, blitzschnell an jedem Tatort sein, flüchtige Ver- Teil der Angebote auf den dortigen Marktplätzen sind brecher schnell ergreifen und zügig Ermittlungserfolge Drogen, Waffen, gefälschte Pässe, gestohlene Kreditkar- präsentieren . tendaten, und manche Zahlungen mit Bitcoins sind sicher Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, unseren Polizis- auch Umsatzsteuerbetrug . tinnen und Polizisten, den Mitarbeiterinnen und Mitar- Wer Verantwortung für die Sicherheitspolitik trägt, beitern unserer Sicherheitsbehörden den Rücken zu stär- muss dafür eintreten, dass die Sicherheitsbehörden unter ken, und zwar nicht abstrakt, sondern konkret . Sicherheit rechtsstaatlichen Voraussetzungen auch im Internet das braucht die notwendigen Stellen, gutes Personal und mo- technisch können, was sie außerhalb des Internets recht- derne Ausstattung . Da sind wir uns, Herr von Notz, bis lich dürfen . Das ist eine zwingende Voraussetzung . in die Opposition hinein einig – das habe jedenfalls ich immer so wahrgenommen –, sogar mit der Linken . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, und Technik darf GRÜNEN]: Wenn Sie es ordentlich machen, es nicht dazu machen . ja! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!) Deshalb setze ich mich für eine Technologieoffensi- ve von Bund und Ländern ein – vieles davon geht nur Bereits in diesem Jahr setzen wir ein großes Sicherheits­ gemeinsam –: Zur Strafverfolgung im Internet und im paket um . Wir stärken damit das Bundeskriminalamt, die Darknet brauchen wir IT-Spezialisten und mehr verdeck- Bundespolizei und den Verfassungsschutz mit 750 neuen te Ermittler, die ganz gezielt illegalen Waffenhandel oder Stellen . Mit dem vorliegenden Regierungsentwurf für die Kommunikation zwischen den Tätern und möglichen den Haushalt 2017 gehen wir diesen Schritt konsequent Unterstützern aufklären . Internetbasierte Kommunika- weiter . Insgesamt stärken wir den Einzelplan 06 im kom- tionsdienste wie Skype, WhatsApp oder Telegram dür- menden Jahr mit 2 230 zusätzlichen Stellen . Allein für die fen kein sicheres Kommunikationsmittel für Gefährder, (B) Bundespolizei schaffen wir nach bisheriger Beschlussla- Straftäter und Terroristen sein, ohne die Verschlüsselung (D) ge für die Jahre 2016 bis 2018 3 000 zusätzliche Stellen . als solche anzugehen . Die ernste Sicherheitslage verlangt aber mehr . Deswegen bin ich mir mit dem Bundesfinanzminister einig – er hat Deswegen errichten wir mit dem Haushalt 2017 eine das heute Morgen auch vorgetragen –, dass wir ein noch Stelle, die für alle Sicherheitsbehörden des Innenmi- deutlicheres Signal für mehr Sicherheit und mehr Stellen nisteriums forscht und entwickelt, wie man das besser in diesen Haushaltsberatungen setzen wollen . erreicht . Die Umsetzung erfolgt dann durch die jeweils zuständigen Behörden auf der Basis ihrer jeweiligen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) rechtlichen Grundlage . Gemeinsam schlagen wir dem Deutschen Bundestag Wir brauchen also Sicherheit mit Verschlüsselung, ge- ein weiteres Sicherheitspaket für die Jahre 2017 bis 2020 nauso brauchen wir aber auch Sicherheit und Strafverfol- vor . 4 500 neue Stellen sollen zu einem erheblichen Teil gung trotz Verschlüsselung . der Bundespolizei, aber auch dem Bundeskriminalamt, dem Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesver- Meine Damen und Herren, vor wenigen Wochen ist waltungsamt, zum Beispiel für die Umsetzung des Flug- in Deutschland das erste Integrationsgesetz in Kraft ge- gastdatenabkommens, und der neuen Stelle ZITiS, auf treten . Damit haben wir den Grundstein für eine neue er- die ich gleich noch komme, zugutekommen . folgreiche Integrationspolitik gelegt . Die Bedeutung des Spracherwerbs und die Bedeutung der Wertevermittlung (Dr . [CDU/CSU]: Sehr gut!) muss ich heute nicht noch einmal herausstellen . Darüber Für die Bundespolizei bedeutet das allein in den Jah- haben wir ausführlich diskutiert . Worüber wir aber auch ren 2016 bis 2020, also in fünf Jahren, über 7 000 neue sprechen müssen, sind die Folgen gescheiterter Integrati- Stellen . Das ist sehr viel, das ist nötig . Das dient der Si- on, die Vorbeugung eines Scheiterns der Integration und cherheit unseres Landes . die mitunter bewusste Integrationsverweigerung – auch von Menschen, die schon lange hier leben . Meine Damen und Herren, Sicherheit braucht starke Menschen, gute Polizisten, aber auch intelligente Instru- Beim Umgang mit ausländischen Straftätern, mit Ge- mente . Täter kommunizieren oft verschlüsselt und über fährdern und Personen, die andere radikalisieren, muss anonymisierende Netzwerke . Die Gewalttaten vom Juli der Rechtsstaat entschlossen auftreten . Dazu gehört, dass dieses Jahres wurden im Wesentlichen im Internet vor- zulässige und erforderliche Abschiebungen nicht durch bereitet und bis kurz vor dem Anschlagszeitpunkt dort Gesetzeslücken erschwert werden . Wir haben dort mit gesteuert . Der Amokläufer von München besorgte sich dem Asylpaket I und dem Asylpaket II viel gemacht . seine Waffe im sogenannten Darknet. Auch im Verhältnis zu Drittstaaten haben wir einige Er- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18343

Bundesminister Dr. Thomas de Maizière (A) folge erreicht . Die Zahl der freiwilligen Rückreisen und Ulla Jelpke (DIE LINKE): (C) der Abschiebungen steigt . Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich den- ke, die Wahlerfolge der AfD müssen allen demokrati- Aber auch hier schlage ich vor, noch mehr zu tun . Dazu schen Parteien zu denken geben . Unter den AfD-Wählern gehört auch, dass wir bei Duldungen genauer hinschau- gab es Rechte, Rassisten, aber auch viele mit ihrer sozia- en . Gefährden Menschen, die in unserem Land Schutz len Situation Unzufriedene . Sie fühlen sich von Linken, suchen, die Sicherheit unseres Gemeinwesens, muss ihre aber auch von allen anderen Parteien nicht mehr vertre- Abschiebung durch Anordnung einer Abschiebungshaft ten . Ich denke, daran müssen wir arbeiten . gelingen. Verweigern Ausreisepflichtige die Mitwirkung, müssen sie anders behandelt werden als Geduldete, die Gerade deswegen, Herr Minister, muss ich sagen: Ich hier ihre Berufsausbildung machen . bin wirklich sehr enttäuscht, dass Sie hier eigentlich nur ein Weiter-so verkünden . Das ist wirklich beschämend Schließlich gehört dazu – nach meiner Meinung je- vor dem Hintergrund, dass Sie selber immer wieder Sym- denfalls – der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit boldebatten mit befördert haben, beispielsweise die Bur- für Mehrfachstaatler, die sich als dschihadistische Kämp- kadebatte, und dass Sie im Grunde genommen die Stim- fer für eine Terrormiliz betätigen . Wer sich derart von mung in diesem Lande mit herbeigeführt haben . Deutschland und unseren Werten abwendet und mehrere Staatsangehörigkeiten hat, hat seinen staatsbürgerlichen (Beifall bei der LINKEN) Platz in unserer Gesellschaft verwirkt . Das ist meine Auf- In den letzten Monaten hat die Union immer versucht, fassung . sich als Hardliner-Partei für die innere Sicherheit zu pro- (Beifall bei der CDU/CSU) filieren; wir haben es heute wieder gehört. Sie zeichnet dabei das Feindbild eines islamischen Gefährders, der Das alles ist nicht hartherzig, sondern konsequent . In- sich als Flüchtling unerkannt ins Land schleicht, mög- tegration der Bleibeberechtigten und Ausweisung derje- lichst noch mit einer Burka getarnt, um sich eine doppel- nigen, die nicht bleiben dürfen, gehören zusammen . Das te Staatsbürgerschaft zu erschleichen und hier am Ende sind zwei Seiten derselben Medaille . Nur so bleiben wir ein Selbstmordattentat zu begehen . als Aufnahmegesellschaft prinzipientreu und glaubwür- dig . Das kommt vor allem auch den vielen ausländischen Sie haben in den letzten Monaten mit diesen Diskus- Menschen zugute, die hier friedliebend und gesetzestreu sionen eine Angstpolitik betrieben, die unverantwortlich leben und nicht durch Teile ihrer Landsleute in Misskre- und brandgefährlich ist . dit gebracht werden wollen und sollen . (Beifall bei der LINKEN) (B) Meine Damen und Herren, die Herausforderungen, Damit schüren Sie die Ressentiments gegen Muslime . (D) vor denen wir stehen, sind groß . Das verändert das ge- Mit dem Anschleimen an die AfD – ich sage noch ein- sellschaftliche Klima; das erleben wir gerade alle . Streit mal: die Burkadebatte war genau das – haben Sie den und Debatte sind gut . Vielleicht haben wir sie auch ein Boden für diese Partei mit bereitet . bisschen verlernt . Hass und Gewalt aber spalten unser Land . Das dürfen und werden wir nicht hinnehmen . (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Meine Damen und Herren, zu den wichtigsten Anfor- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE derungen in der Innenpolitik gehört zweifellos die Inte- GRÜNEN) gration der Flüchtlinge . Im Haushaltsentwurf ist davon nicht allzu viel zu spüren . Die Mittelerhöhung für das Einem Gefühl der Verunsicherung wollen wir Argumen- Asylpaket von 900 Millionen Euro auf knapp 1 Milliarde te, Nüchternheit, Stärke, Entschlossenheit und Stolz auf Euro steht nur auf dem Papier; denn in dem Asylpaket unser Land entgegensetzen . Leugnen von Problemen werden Ausgaben angegeben, die weder etwas mit Asyl hilft nicht, Übertreiben von Problemen auch nicht . Das noch mit Integration zu tun haben, wie etwa die Migra- Lösen von Problemen, Schritt für Schritt, das ist der rich- tionsforschung und die Modernisierung und Aufrüstung tige Weg . der Bundespolizei . Vom vorliegenden Einzelplan des Bundesministeri- Das zurzeit herrschende Chaos beim BAMF, das Sie ums des Innern geht eine klare Botschaft aus: Sicher- nicht angesprochen haben, führt zu folgender Situation: heit, Integration und Zusammenhalt jeweils nach klaren Die Asylverfahren dauern wieder länger . Die Zahl von Regeln sind essenziell für die Zukunft unseres Landes . Menschen, die mehr als ein Jahr auf ihren Bescheid war- Investieren wir in eine gute gemeinsame Zukunft! Inves- ten, steigt weiter . Anstatt den Flüchtlingen eine rasche In- tieren wir in ein sicheres Deutschland! Es ist unser Land, tegration zu ermöglichen, werden sie auf die Wartebank und das bleibt so . gesetzt . Das ist beschämend und integrationspolitisch kontraproduktiv . (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Zum Teil sind die Probleme hausgemacht . Für syri- Vielen Dank, Dr . de Maizière .– Nächste Rednerin: sche Flüchtlinge gibt es keine einfachen schriftlichen Ulla Jelpke für die Linke . Verfahren mehr . Stattdessen werden sie zu mündlichen Anhörungen bestellt, wodurch die Verfahren wieder viel (Beifall bei der LINKEN) länger dauern . Hier vertrödelt das BAMF Zeit und Res- 18344 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Ulla Jelpke (A) sourcen . Zudem erhalten die syrischen Flüchtlinge nur Gespart wird übrigens dort, wo es wirklich um Sicher- (C) noch den zweitrangigen, subsidiären Schutz – das heißt heit für die Bevölkerung geht, nämlich beim THW und „vorübergehender Schutz“ –, beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastro- phenhilfe . Statt sich ernsthaft auf Risiken wie beispiels- (Barbara Woltmann [CDU/CSU]: Nicht alle!) weise Stromausfälle, Wasserprobleme und Ähnliches womit das Recht auf den Familiennachzug bis 2018 aus- einzustellen, präsentiert der Innenminister ein Zivilver- gesetzt wird . teidigungskonzept, das absurde Kriegsszenarien an die Wand malt und den Einsatz der im Inneren Herr Veit, Sie haben im Namen der SPD erklärt, es immer weiter vorbereitet . Das ist eine Politik der Angst werde gerade diese Gruppe nicht treffen. Ich frage Sie: und nicht wirklich eine Politik der Sicherheit, meine Da- Wieso wird hier nicht etwas unternommen? 18 000 Sy- men und Herren . Solch einen Haushalt kann man nicht rer haben bislang subsidiären Schutz erhalten, 60 Prozent mittragen . aller anerkannten syrischen Flüchtlinge . Ihre Familien Danke schön . warten darauf, nach Deutschland nachziehen zu können . Ich glaube, ich muss hier nicht noch einmal sagen, was es (Beifall bei der LINKEN) bedeutet, jahrelang ohne Familie in einem Land zu leben . Das ist für die Integration dieser Menschen einfach er- schwerend . Deswegen muss hier endlich etwas passieren . Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Ulla Jelpke . – Nächste Rednerin in der Die Mittel für Integrationskurse bleiben praktisch Debatte: Dr . Eva Högl für die SPD . gleich hoch, obwohl viel mehr Menschen hierhergekom- men sind . (Beifall bei der SPD sowie des Abg . Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]) (Burkhard Lischka [SPD]: Das ist doch Un- sinn!) Dr. Eva Högl (SPD): Stattdessen wird die Kursgröße auf 25 Personen erhöht . Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Es gibt nicht einmal genügend Kursangebote für alle Be- und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! rechtigten . Die Migranten wollen sich integrieren und Deutschland ist ein sicheres Land . Ich stelle fest, dass werden durch politische Vorgaben des Bundesinnenmi- es ein großes Glück ist, dass wir das so sagen können; nisteriums daran gehindert . Das ganze Gerede über an- denn wir leben alles in allem in einem sicheren Land . gebliche Integrationsverweigerer, das wir immer gehört Dazu tragen, meine Damen und Herren, viele an ganz (B) haben, ist einfach nur fadenscheinig . vielen unterschiedlichen Stellen jeden Tag bei: die Po- (D) lizistinnen und Polizisten in Bund und Land, die Justiz, Meine Damen und Herren, im Haushaltsentwurf – wir die Nachrichtendienste, die Rettungsdienste sowie auch haben das eben hier gehört – finden auch die nächsten ge- Verbände, Vereine, Organisationen und Projekte, die ein planten Überwachungsgesetze ihren Niederschlag . Dabei sicheres Umfeld schaffen und sich um unsere Demokra- geht es insbesondere um das europäische Passagierdaten- tie kümmern. Ich finde, am Anfang unserer Arbeit hier abkommen und die lückenlose Erfassung von Ein- und wieder im Deutschen Bundestag und zu Beginn unserer Ausreisen in die EU . Diese Gesetze sind im Übrigen vom Haushaltsdebatte kann man dafür einfach einmal ganz Bundestag noch gar nicht beschlossen, aber es sind schon herzlich Danke schön sagen . einmal 116 Stellen für diesen Zweck eingefordert wor- den . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Besonders groß fällt der Geldsegen ausgerechnet für Sicherheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, bewegt – den Verfassungsschutz aus . Dessen Etat ist seit 2012 um das ist schon erwähnt worden – alle Bürgerinnen und sage und schreibe 61,7 Prozent gestiegen . Jetzt sollen Bürger . Das haben nicht nur die Wahlen in Mecklen- schon wieder 100 neue Stellen dazukommen . Obwohl burg-Vorpommern gezeigt . Dass dies das Topthema war, sich der Verfassungsschutz im NSU-Skandal als unfähig wissen wir aus allen Umfragen und Untersuchungen der und unwillig erwiesen hat, kriminelle Nazis zu bekämp- letzten Zeit . fen, werden seine Befugnisse immer weiter ausgebaut . Er kann in Zukunft gemeinsam mit ausländischen Ge- (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE heimdiensten Datenbanken aufbauen . Der Innenminister GRÜNEN]: Wegen der Burka, haben wir ge- will künftig einen europäischen Verbund von Polizeida- hört!) ten . Zudem soll die Videoüberwachung – inklusive einer Es gibt in unserer Bevölkerung ein ganz subjektives, Software zur Gesichtserkennung – ausgebaut werden . manchmal auf konkreten Gegebenheiten – manchmal Das sind wirklich Albträume für Datenschützer, meine auch nicht – beruhendes Unsicherheitsgefühl ganz un- Damen und Herren . terschiedlicher Art und mit ganz unterschiedlichen Aus- (Burkhard Lischka [SPD]: Reden Sie einmal prägungen . Aber es gibt auch objektiv Unsicherheit und über die Albträume bei Wohnungseinbrü- Ängste, weil die Diebstahlszahlen steigen, weil es zuneh- chen!) mend Wohnungseinbrüche gibt, weil auch Gewaltdelikte vorkommen und weil bestimmte Orte nicht sicher sind . Solche Maßnahmen dienen nicht der Sicherheit, sondern Auch die Amokläufe und die Terrorgefahr produzieren einzig und allein der Überwachung unserer Bevölkerung . Unsicherheit . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18345

Dr. Eva Högl (A) Wir alle hier gemeinsam – ich sage „gemeinsam“, weil Auch wenn wir alle – ich glaube, das gilt für alle in die- (C) das in solch einer Debatte auch eine wichtige Botschaft sem Raum und auch für diejenigen, die uns zuhören – ist – setzen mit unseren Gesetzen – die wir gemeinsam gegen Vollverschleierung sind, dürfen wir nicht den beraten, aber nicht immer gemeinsam beschließen – alles Eindruck erwecken, dass wir mit solchen Diskussionen daran, dass Deutschland ein sicheres Land bleibt . Wir le- und Maßnahmen mehr Sicherheit schaffen. Denn dann gen die Grundlagen im Haushalt . werden wir unglaubwürdig . Eines ist mir auch ganz wichtig, liebe Kolleginnen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und Kollegen, nämlich die Botschaften, die wir in einer der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Debatte über die öffentliche Sicherheit transportieren. GRÜNEN) Die Große Koalition hat schon viel auf den Weg ge- Wir haben in Berlin mit unserem Neutralitätsgesetz bracht – das können wir in dieser Debatte auch sehr einen ganz guten Weg gewählt, und ich glaube – so habe selbstbewusst sagen –: Gesetze zur Terrorbekämpfung, ich Sie und auch die Debatte bei unserem geschätzten zur grundlegenden Reform des Asylrechts und zur In- Koalitionspartner wahrgenommen –, dass wir einen Weg tegration, und dieser Haushalt des Bundesministeriums gehen könnten, wo wir Bereiche definieren, in denen eine des Innern ist im Vergleich zum Jahr 2015 um 30 Prozent Vollverschleierung untersagt wird . Aber mir sind, wie ge- gestiegen . sagt, die Ernsthaftigkeit und Besonnenheit in dieser De- batte sehr wichtig . (Zuruf von der SPD: Genau!) Ich will noch etwas erwähnen, das mich im Sommer Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das sei hier ein- geärgert hat – auch das gehört in eine solche Debatte –: mal erwähnt. Das heißt, wir sorgen uns um die öffentli- Es gibt keinen einzigen Zusammenhang zwischen Terror che Sicherheit . und doppelter Staatsangehörigkeit . (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich habe die Demokratieförderung eben schon er- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE wähnt . Auch dafür haben wir die Mittel verdoppelt . Auch GRÜNEN) das ist eine ganz wichtige Botschaft und eine wichtige Wir gehen gemeinsam in der Koalition einen guten Grundlage, die wir legen . Weg in der Integration und in der Frage, wie wir Men- Herr Minister, Sie haben eben schon die Sache mit schen mit einer unterschiedlichen Biografie, die aus ande- den Botschaften angesprochen . Ich will das noch einmal ren Ländern zu uns gekommen sind, aber jetzt Deutsche verstärken . Es ist nicht gut, wenn wir Ängste herbeire- sind oder Deutsche sein wollen, Möglichkeiten geben – (B) den; auf der anderen Seite dürfen wir keine Probleme auch mit einer doppelten Staatsangehörigkeit –, um sich (D) verschweigen . Sie haben das auch gesagt . Es hilft nichts, zugehörig zu fühlen . Das sollten wir nicht kaputtmachen wenn wir selbst darüber sprechen, dass es in Deutsch- und kleinreden, sondern gegebenenfalls noch ausbauen; land flächendeckend No-go-Areas gibt. Die gibt es in denn das stärkt unseren gesellschaftlichen Zusammen- Deutschland nicht flächendeckend. Trotzdem müssen halt und ist ein wichtiger Beitrag zu guter Integration . auch wir im Deutschen Bundestag über Kriminalitäts- (Beifall bei der SPD) schwerpunkte reden . Es muss darum gehen, dass alle Plätze und Orte in Deutschland sicher sind und die Men- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin immer noch schen sich sicher fühlen und sich gerne dort aufhalten bei den Botschaften und verbinde das gleich mit ein paar oder gerne dort entlanggehen . konkreten Forderungen . Mir ist auch eines ganz wichtig, nämlich dass wir deutlich machen, dass wir in der Sicher- In der Debatte über die öffentliche Sicherheit – das hat heit einen starken Staat brauchen . der Sommer gezeigt, in dem uns vieles beschäftigt hat – ist eines auf jeden Fall fehl am Platz, liebe Kolleginnen ( [SPD]: Ja!) und Kollegen, nämlich Symbolpolitik und Aktionismus . Wir dürfen die Sicherheit nicht privatisieren . Sicherheit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ist keine Privatsache, und Sicherheit darf in keinem Fall der LINKEN) vom Geldbeutel abhängen . Sie haben das auch gesagt, Herr Minister: besonnen und (Beifall bei der SPD) ruhig . Deswegen sind wir gefordert, mit dem Bundeshaushalt Im Sommer hat mich durchaus das eine oder andere die Grundlagen dafür zu legen, dass wir unseren Staat gestört . Denn wir haben die Aufgabe, Ängste zu nehmen, stärken . Es darf also keine Einsparungen und auch keine statt sie zu schüren . Privatisierungen in diesem Bereich geben . Es ist, glau- be ich, sehr wichtig, dass wir das noch einmal deutlich (Beifall der Abg . [DIE machen . LINKE]) Ich will ein paar konkrete Punkte im Haushalt her- Ich sage es ganz deutlich, liebe Kolleginnen und Kolle- ausgreifen . Herr Minister, Sie haben schon die Bundes- gen: Das Verbot der Burka schafft nicht mehr Sicherheit. polizei und die kräftige Aufstockung in diesem Bereich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten angesprochen . Wir haben in der Vergangenheit ein ganz der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE gewaltiges Defizit bei der Bundespolizei gehabt. Es gibt GRÜNEN) Berechnungen, denen zufolge uns immer noch insgesamt 18346 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Dr. Eva Högl (A) 14 000 Stellen fehlen . Sie kennen die Berechnungen; wir eingesetzt werden und wird es auch, zum Beispiel bei (C) haben sie in der Diskussion . Wir müssen uns auch gar Naturkatastrophen wie der Flut . nicht über die eine oder andere Stelle streiten . Klar ist aber: Die Aufgaben bei der Bundespolizei nehmen zu, (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: und wir müssen die Grundlagen schaffen, die Bundespo- Genau das haben wir gesagt!) lizei ausreichend auszustatten . – Nicht nervös werden! – Bei der Flüchtlingshilfe hat die Bundeswehr Grandioses geleistet . Dafür können wir (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der uns nur bedanken . Das Grundgesetz gibt den Rahmen für CDU/CSU) den Einsatz der Bundeswehr im Inneren vor . Unsere Po- Wir haben – darauf sind wir als SPD auch stolz – im sition als SPD ist: Dabei wollen wir es belassen . Das ist letzten Haushalt 3 000 zusätzliche Stellen bei der Bun- ein guter Rahmen . Wir sehen keine Notwendigkeit, den despolizei durchgesetzt . Jetzt wollen wir noch draufsat- Einsatz der Bundeswehr im Inneren auf militärische Ein- teln – Sie haben es gesagt –: weitere 4 000 2017 bis sätze auszuweiten . Wir begrüßen durchaus eine gemein- 2020 . Ich würde sagen, wir stocken so lange auf, bis wir same Übung mit der Polizei; das ist genau der richtige das Defizit bei der Bundespolizei ausgeglichen haben Weg . Aber für eine solche Übung und für den Zivilschutz und bis wir dort ausreichend Stellen haben, um die ge- insgesamt müssen wir entsprechende Voraussetzungen wachsenen Aufgaben zu bewältigen . schaffen und gegebenenfalls mehr Personal und eine bes- sere Ausstattung zur Verfügung stellen . Dann haben wir Wir dürfen nicht vergessen, liebe Kolleginnen und einen guten Rahmen geschaffen. Kollegen, dass wir die Bundespolizistinnen und Bun- Wir legen mit dem Haushalt eine gute Grundlage da- despolizisten auch fortlaufend gut bezahlen müssen – es für, dass Deutschland ein sicheres Land bleibt . Die Kom- geht nicht nur um die Stellen, sondern auch um die Be- bination aus mehr Polizei und konsequenter Prävention zahlung – und dass wir sie gut ausstatten müssen . Auch als Schwerpunkte des Haushalts ist wichtig . Ich freue das ist sehr wichtig . mich auf die weiteren Beratungen . An der einen oder (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten anderen Stelle kann man sicherlich noch ein bisschen der CDU/CSU) draufsatteln . Dafür werden wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier sorgen . Ich habe schon die gestiegenen Zahlen bei der Ein- Herzlichen Dank . bruchskriminalität angesprochen . Ich glaube, ich muss es nicht weiter betonen: Alle wissen – das besorgt die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Bürgerinnen und Bürger auch –, wie wichtig es ist, dass (B) (D) wir bei der Einbruchskriminalität mit guten Maßnahmen Vizepräsidentin Claudia Roth: versuchen, die Zahlen zu senken und schnell und gut zu Vielen Dank, Eva Högl .– Nächster Redner: ermitteln . Wir brauchen also mehr Polizei in Bund und Dr . Konstantin von Notz für Bündnis 90/Die Grünen . Ländern . Über die Bundespolizei habe ich schon gespro- chen; auch sie kann einen Beitrag leisten . Aber wir brau- chen vor allen Dingen eine Stärkung des Bundeskrimi- Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nalamtes in diesem Bereich . Dort, wo es um organisierte NEN): Kriminalität und Bandenkriminalität geht, muss das Bun- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und deskriminalamt konsequent gegen die Täter vorgehen . Herren! In dieser Sommerpause war so viel Innenpo- Zugleich fördern wir die Einbruchssicherung bzw . die litik wie vielleicht noch nie . Es gab den schrecklichen Eigensicherung der Bürgerinnen und Bürger durch öf- Anschlag von Nizza, die in unmittelbar zeitlichem Zu- fentliche Zuschüsse . Das ist eine sehr gute Kombination . sammenhang stehenden Anschläge von Würzburg und Ansbach sowie den Amoklauf von München . Die Opfer Ich habe mich gefreut, dass wir Geld für eine Kam- dieser schrecklichen Straftaten und ihre Angehörigen ha- pagne gegen Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten ben unser volles Mitgefühl und unsere volle Solidarität, eingestellt haben . Uns alle besorgt, dass Polizistinnen und wir danken den Polizeibeamtinnen und Polizeibeam- und Polizisten, aber auch Rettungskräfte, also engagierte ten, die mit hoher Professionalität mit diesen schwierigen Menschen, die anderen helfen wollen, zunehmend an- Herausforderungen umgegangen sind . gegriffen werden. Es ist ein guter Weg, hier Geld in die Hand zu nehmen und für Respekt und Achtung vor den (Beifall im ganzen Hause) Einsatzkräften zu werben . Das ist eine gute Nachricht . Nach diesen Taten überschlugen sich Innenpolitiker Noch ein paar Sätze, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Union – hiervon nehme ich den Minister ausdrück- zu einem anderen Thema, das ich auch unter Aktionis- lich aus – mit populistischen Forderungen: Einsatz der mus und Symbolpolitik abhake . Bundeswehr im Inneren, massive Verschärfung der Vor- ratsdatenspeicherung, pauschaler Ausbau der Geheim- (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE dienste und vollautomatisierte Gesichtserkennung aller GRÜNEN]: Jetzt kommt die CSU! Endlich!) Reisenden . Sie waren sich in diesem Sommer noch nicht einmal zu schade, unter Verweis auf die Sicherheit die Es geht um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren . Es Burka, die doppelte Staatsbürgerschaft und die Bevor- hilft nicht weiter, dies immer wieder zu fordern; das ist ratung von über 80 Millionen Menschen für den Kata- ein ziemlich alter Hut . Die Bundeswehr kann im Inneren strophenfall zu thematisieren . Ob verfassungskonform, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18347

Dr. Konstantin von Notz (A) umsetzbar, verhältnismäßig oder zielführend, war völlig Weiterhin fehlt es nicht nur an konkreten Maßnahmen (C) egal, Hauptsache, schön hart rechts . Je abwegiger, je ver- und tatsächlichen Konzepten für mehr innere Sicherheit, fassungskritischer, desto besser, das war Ihre Devise . Die Sie haben die Verunsicherung mit geschürt, beispielswei- Quittung hierfür haben Sie am letzten Sonntag bekom- se durch die Debatte über den Bundeswehreinsatz im In- men . Sie haben der AfD das Wasser nicht abgegraben . nern . Wir reden hier nicht über den Katastrophenschutz, der möglich ist . Dazu gibt es eine gefestigte Rechtspre- (Widerspruch bei der CDU/CSU) chung des Bundesverfassungsgerichts . Darum geht es Ihre Kampagne war Wasser auf die Mühlen der Rechts- nicht . Sie wollen mehr . extremisten . Wollen Sie Schützenpanzer in deutschen Straßen ha- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ben? Wollen Sie das Kommando Spezialkräfte in der und bei der LINKEN – Barbara Woltmann Fußgängerzone haben? [CDU/CSU]: Sie sind gar nicht mehr drin! – Dr . Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Wo sind (Zurufe von der CDU/CSU: Nein!) denn die Grünen im Landtag von Mecklen- burg-Vorpommern? Eine tolle Bestätigung – Das ist aber die Diskussion . Das sind die Bilder, die Sie grüner Politik!) mit Ihrer Diskussion erzeugt haben . Jetzt schütteln Sie den Kopf und wollen damit nichts zu tun haben . Herr Minister, es gibt in Ihrem Haushalt Ansätze, die wir ausdrücklich unterstützen . Die zusätzlichen Mittel (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Bundespolizei beispielsweise, die zu einer Auf- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) stockung des Personals und hoffentlich auch zu besse- rer Ausrüstung führen, begrüßen wir; sie sind überfällig . Aber das ist das Gefühl, das bei den Menschen ent- Das waren Versäumnisse in den letzten Jahren, in denen steht: Unsicherheit . Das atmet das Gefühl der Staatskrise . Sie auch schon Verantwortung getragen haben . Aber die Was ist das eigentlich für ein Zeichen an die Polizei und Maßnahmen sind richtig . an die Streitkräfte, deren Vertreter explizit den Vorschlag zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren ablehnen? Wir Aber es gab und gibt andere wichtige Baustellen, die weisen diesen geschichtsvergessenen Einsatz, den Sie Sie eben bis heute nicht angehen . Es fehlen weiterhin eu- fordern, ganz klar zurück. Die Forderung ist ein Affront, ropaweit gemeinsame Definitionen und rechtliche Stan- ein Misstrauensantrag gegen die Polizei, von der wir sa- dards für den zwingend erforderlichen Informationsaus- gen, dass sie den Herausforderungen gerecht wird . tausch zum Beispiel über Gefährder. Es fehlen effektive Maßnahmen zur Unterbindung des Handels mit illegalen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) Waffen außerhalb und innerhalb des Internets. Es fehlt sowie bei Abgeordneten der LINKEN – (D) weiterhin die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) als Konsequenz aus dem NSU-Skandal . Wir brauchen Zum Bereich „Flüchtlinge und Integration“: Herr Mi- endlich effektive und effiziente Strukturen der- Sicher nister – Sie haben es gesagt –, das ist derzeit zweifellos heitsbehörden . die zentrale politische Frage . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) All das gibt es bis heute nicht . Nicht nur das, sinnvolle Vizepräsidentin Claudia Roth: Vorschläge – das sage ich in Richtung der CSU – der Herr von Notz, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder EU-Ebene – Stichwort „Waffenrichtlinie“ – haben Sie -bemerkung des Kollegen Binninger? sogar proaktiv hintertrieben . Der Druck im Sommer war offensichtlich so groß, dass die Kanzlerin extra ihren Ur- laub unterbrochen hat, um einen Neun-Punkte-Plan vor- Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zustellen . In diesem Neun-Punkte-Plan gab es aber nicht NEN): eine neue Idee; alles war aus der Mottenkiste, und das ist Immer gern . einfach zu wenig für eine so wichtige Debatte .

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Binninger (CDU/CSU): Dr .Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Kontinuier- liche Politik!) Herr Kollege von Notz, ich habe Ihnen jetzt aufmerk- sam zugehört, was Sie über unsere angebliche Debatte Wo sind eigentlich Ihre Antworten auf das Problem zum Bundeswehreinsatz gesagt haben . Ich muss schon des wachsenden militanten Rechtsextremismus? Rassis- sagen: Die Art und Weise, wie Sie hier vorgetragen ha- ten greifen in Deutschland Männer, Frauen und Kinder ben – Schützenpanzer in Fußgängerzonen –, trägt zur auf offener Straße an, Flüchtlingsheime werden mit Mo- Verunsicherung der Bevölkerung bei, nichts anderes . lotowcocktails beworfen, Menschen, die Flüchtlingen helfen, werden bedroht . Das ist ein dramatisches Problem (Beifall bei der CDU/CSU) für die innere Sicherheit. Dagegen haben Sie offenbar gar Wären Sie bereit, der Öffentlichkeit zu erklären, dass keine Konzepte . In dieser Richtung ist bisher überhaupt der Einsatz der Bundeswehr zur Abwehr einer außeror- kein Wort gefallen . Das ist ein unhaltbarer Zustand . dentlichen Terrorlage – sicher kein Alltag – vom Bun- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN desverfassungsgericht für zulässig erklärt wurde? Wir und bei der LINKEN) befinden uns keinesfalls außerhalb der Verfassung, und 18348 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Clemens Binninger (A) niemand von der CDU hat gesagt, wir wollten Schützen- nicht zurechtkommt“ – haben Sie forciert . So bringt man (C) panzer . die AfD über 20 Prozent . Damit müssen Sie leben . (Gerold Reichenbach [SPD]: Ihr wollt das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Grundgesetz ändern!) sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ich habe es – Das muss man nicht . Schauen Sie in die Urteile des doch gerade erklärt!) Bundesverfassungsgerichts . Noch einen Satz zu der grundsätzlichen Problematik . (Gerold Reichenbach [SPD]: Warum wollen Ich sage Ihnen einmal Folgendes, einfach nur, weil Sie so Sie das Grundgesetz ändern?) konstruiert haben: In München Weil Sie danach fragen, was wir damit meinen, will (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Brüssel ich es Ihnen gerne sagen . Wenn wir eine Terrorlage wie und Paris!) in Paris und Brüssel hätten, – Herr Binninger, Sie haben gerade erst eine lange Frage (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gestellt; jetzt seien sie geduldig – hieß es stundenlang, NEN]: Ja, was passiert da?) es seien noch zwei zusätzliche Täter mit Langwaffen mit flüchtenden Tätern, und wir innerhalb kürzester Zeit unterwegs, obwohl es sich offensichtlich um Polizeibe- für ganz Deutschland einen Objektschutz garantieren amte handelte. Das Chaos mit bewaffneten Feldjägern, müssten, dann wäre die Polizei dazu nicht in der Lage, die zusätzlich zu mehreren Tausend Polizisten im Ein- weil sie die Täter verfolgen muss . Das sind Situationen, satz sind, sollte niemand verantworten . Deswegen sind die uns veranlassen, zu fragen: Wollen wir in diesem die Standesorganisationen von Bundeswehr und Polizei Moment die Bevölkerung schutzlos zurücklassen, oder gegen diese Forderung . Sie ist nämlich populistisch und wollen wir sagen: „In diesem eng begrenzten Fall und unsachlich . nur dann kann der Einsatz der Bundeswehr notwendig (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sein“? Dann ist er im Rahmen der Rechtsprechung des sowie bei Abgeordneten der SPD und der Verfassungsgerichtes . LINKEN) (Jan Korte [DIE LINKE]: Nichts gelernt!) Nun zum Bereich der Flüchtlinge und der Integration . Herr Minister, Sie haben es gesagt: Es ist zweifellos eine Das wollen wir; doch Sie tragen zur Verunsicherung bei . der ganz zentralen politischen Aufgaben . Aber wenn man (Beifall bei der CDU/CSU) in den Haushalt schaut, fragt man sich: Wo ist eigentlich das große, mutige Bildungs- und Integrationsprogramm? (B) (D) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Es gibt gravierende Differenzen zwischen dem Artiku- NEN): lieren des Bedürfnisses nach Integration, dem, was man alles von Flüchtlingen erwartet, und dem, was Sie dann Lieber Herr Clemens Binninger, zunächst einmal: eben in den Haushalt schreiben . Das ist zu dünn . Wenn Sie mir zugehört hätten – Sie hatten zugesagt, die Asylverfahren zu verkürzen . (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ich habe es Tatsächlich dauern sie immer länger . Deswegen sage ich versucht!) Ihnen: Ich persönlich gehöre zu denen, die glauben, dass – nein, das haben Sie nicht –, dann hätten Sie gehört, dass das, was die Kanzlerin gesagt hat, in Erfüllung gehen ich explizit gesagt habe, dass es eine gefestigte Recht- könnte, nämlich dass wir das schaffen. Aber Sie versäu- sprechung gibt und dass der Einsatz der Bundeswehr bei men es als zuständiger Minister, hier zu sagen, wie wir es bestimmten Situationen möglich ist . schaffen. Das ist im Spätsommer 2016 einfach zu wenig. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: „Terror“ (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Sie nicht gesagt!) sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie haben aber eine Debatte geführt, die darauf ab- Wir befinden uns an einem Zeitpunkt, an dem die zielt, dass das nicht reicht, und Sie wollen eine Grund- Rechtsextremen in Europa und auch in Deutschland auf- gesetzänderung . steigen . Das ist eine historisch wirklich kritische Situati- on . Die Innenpolitik trägt ganz wesentliche Verantwor- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tung für unseren Rechtsstaat und für unsere Demokratie . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn man sich das Agieren der CSU in den letzten Wo- Das mag Ihnen ja alles megapeinlich sein, Herr chen anschaut, dann muss man sich wirklich sorgen . Die Binninger – das glaube ich sogar –; deswegen streiten Reaktionen der Seehofers, Söders und Scheuers Sie das hier ab . Aber damit kommen Sie nicht aus der (Dr . Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Die haben Verantwortung heraus, die Sie zusammen mit Ihren Kol- es verstanden!) leginnen und Kollegen haben . auf die Wahlergebnisse erwecken den Eindruck: Sie (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Wer versuchen das zu betreiben, was auf den Plakaten von hat es gefordert?) und AfD steht, Frau Steinbach: Merkel muss weg . Diese Nummer – „Wir brauchen die Streitkräfte im (Dr . [CDU/CSU]: Das ist Innern, weil die Bedrohung so groß ist, weil die Polizei hier richtig niveaulos!) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18349

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind na- (C) Denken Sie bitte an die Redezeit . türlich nicht die ersten Anschläge, die wir in Deutschland und in Europa erleben, aber ich bin der festen Überzeu- gung, dass insbesondere diese Serie von Anschlägen in Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- so kurzer Zeit der Bevölkerung in Deutschland deutlich NEN): ins Bewusstsein gebracht hat, wie fragil auch innere Si- Das tue ich, Frau Präsidentin . cherheit sein kann . Ich möchte betonen: Deutschland ist ein sicheres Land . Deutschland gehört zu den sichersten Ich komme zum Schluss . Die Verantwortung für all Ländern auf der Welt . Aber wir können nicht umhin, ein- das, was in der Innenpolitik die letzten zehn Jahre pas- zugestehen, dass insbesondere diese jüngste Anschlag­ siert ist, tragen Sie zusammen . Da kann sich die CSU serie Auswirkungen auf unser tagtägliches Leben hat . Es nicht herausstehlen . Deswegen fordere ich Sie dazu auf, gibt erhöhte Sicherheitsanforderungen bei öffentlichen zu einer sachbezogenen, zu einer fundierten Diskussion Veranstaltungen . Bei Konzerten, bei Volksfesten werden in dieser kritischen Zeit zurückzukehren . Wir schulden es Zäune errichtet, werden Rucksackkontrollen durchge- der inneren Sicherheit in diesem Land, den Bürgerinnen führt, werden teilweise Rucksackverbote ausgesprochen . und Bürgern, diesem Hohen Haus und unserer Geschich- Wir erleben sehr wohl, dass es allein schon durch diese te . Anschlagserie im Juli konkrete Auswirkungen auf das subjektive Sicherheitsgefühl bei uns im Lande gibt . Ganz herzlichen Dank . Ich bin dem Bundesinnenminister sehr dankbar, dass (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN er sehr besonnen und verantwortungsbewusst auf die- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) se Anschlagserie reagiert hat . Ich möchte eines in aller Deutlichkeit sagen: Ich verwahre mich für die CDU/CSU Vizepräsidentin Claudia Roth: mit Entschiedenheit gegen den Vorwurf, dass wir hier Pa- Vielen Dank, Konstantin von Notz .– Der nächste nikmache betreiben würden, dass wir hier Angstmacherei Redner kommt aus Bayern: Stephan Mayer für die CDU/ betreiben würden und dass wir hier dem Populismus Vor- CSU-Fraktion . schub leisten würden . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Es haben einige Kollegen darüber gesprochen, was sie im Sommer beschwert hat; es ist eine gewisse Auf- (Altötting) (CDU/CSU): Stephan Mayer arbeitung von einigen Traumata . Ich könnte jetzt auch (B) Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kol- lange dazu ausführen, wie mich manche Einlassung ver- (D) leginnen! Sehr geehrte Kollegen! Der Einzelplan des stört hat, zum Beispiel die Einlassung der Vorsitzenden Bundesinnenministeriums erfährt einen deutlichen Auf- des Rechtausschusses im Deutschen Bundestag nach der wuchs von diesem Jahr auf das nächste Jahr: von der- Amoktat in Würzburg, als Sie, Frau Kollegin Künast, zeit 7,8 Milliarden Euro auf 8,34 Milliarden Euro . Das hier wohlfeil und naseweis doziert haben, warum man ist eine Steigerung um knapp 7 Prozent . Das kann sich den Attentäter denn nicht kampfunfähig gemacht hat, aus meiner Sicht wirklich sehen lassen, und das wird den warum er erschossen wurde . Mit solchen Einlassungen gestiegenen Herausforderungen im Bereich der Innenpo- verstören Sie vor allem die Bevölkerung und vor allem litik auf jeden Fall gerecht . Der Löwenanteil im Haushalt die Sicherheitsbehörden und die Polizeibeamten . des Bundesinnenministeriums entfällt auf die innere Si- cherheit, insgesamt 4,67 Milliarden Euro, davon allein (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rund 3,1 Milliarden Euro für die Bundespolizei . Auch NEN]: Das ist eine demokratische Frage!) das ist ein klares Signal, dass das Bundesinnenministeri- Das war in jeder Weise unqualifiziert. um die innere Sicherheit stärkt und weiß, was wir an der Bundespolizei haben . (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich Vizepräsidentin Claudia Roth: glaube, man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ein schwarzer Juli hinter uns liegt . Wir hatten eine An- Herr Mayer, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder schlagserie – ich darf es noch einmal kurz darstellen –: -bemerkung von Herrn Tempel? am 14 .Juli der Anschlag in Nizza mit 84 Toten, über 300 Verletzten, nur vier Tage später in Würzburg in ei- Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): nem Regionalzug ein Anschlag mit einer Axt – fünf Ver- Ja, selbstverständlich . Sehr gern . letzte, davon vier Schwerverletzte –, wiederum nur vier Tage später der schon erwähnte schreckliche Amoklauf Vizepräsidentin Claudia Roth: in München mit neun Toten, die meisten davon Jugend- Gut . Danke schön . liche oder Kinder, und wiederum nur zwei Tage später, am 24 .Juli, der Anschlag eines Islamisten in Ansbach mit 15 Verletzten . Und – nicht zu vergessen –: Nur zwei Frank Tempel (DIE LINKE): Tage später, am 26 .Juli, wurde ein katholischer Pfarrer Danke schön, Herr Kollege Mayer .– Wir arbeiten im in Rouen in der Normandie auf bestialische Weise von Innenausschuss recht kommunikativ zusammen . Deswe- Islamisten umgebracht . gen möchte ich eine Bemerkung, die Sie gerade gemacht 18350 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Frank Tempel (A) haben, gern einmal genauer hinterfragen . Sie haben ge- wortung, vor allem im Katastrophenfall der Bevölkerung (C) sagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Sie verwahr- zu Hilfe zu eilen . Aber letzten Endes hat jeder Einzelne, ten sich gegen den Vorwurf, dass CDU/CSU an einer Un- hat jeder einzelne Privathaushalt die Verpflichtung, eine sicherheitsdebatte teilgenommen hätten, diese verschärft gewisse Eigenvorsorge, auch eine Eigenbevorratung vor- hätten . zunehmen .– Also eine vollkommen normale, sachliche Debatte . Wir haben in der Sommerpause unter anderem Hamsterkäufe thematisiert, als ein Zivilverteidigungs- (Jan Korte [DIE LINKE]: Es gibt aber Raum konzept vorgestellt wurde, ein Konzept, das eigentlich und Zeit! In welchem Moment kommt das mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben hat, raus?) etwa zu den Hausaufgaben der Bundesregierung im Zusammenhang mit Lebensmittelbevorratung und Ähn- Diese wurde von Oppositionspolitikern auf perfide und lichem . Etwas, das beim Katastrophenschutz eigentlich nicht verantwortungsbewusste Weise unnötigerweise ein alter Hut ist, die Bevorratung mit Lebensmitteln in überhöht, indem über das Erfordernis von Hamsterkäu- den privaten Haushalten, wurde also angesprochen . fen philosophiert wurde . Wenn Sie die Debatte mitbekommen haben, dann wis- (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE sen Sie, in welchen Zeitraum das Ganze gesetzt wurde . GRÜNEN]: Die Bevölkerung soll das ma- Es geht einfach um die Reaktionen, darum, welche Re- chen!) aktionen in der Bevölkerung durch öffentliche Verlaut- Das ist in keiner Weise sachgerecht, und es ist doch barungen hervorgerufen wurden . Es wurde nicht über völlig richtig, dass sich die Bundesregierung in regel- Hochwassersituationen gesprochen . Es wurde nicht über mäßigen Abständen mit der Frage auseinandersetzt: Wo einen Stromausfall gesprochen . Die Bevölkerung hat in müssen wir an der einen oder anderen Stelle im Bevölke- vielen Diskussionen – das hat man bei Radio-Livesen- rungs- und Katastrophenschutz nachjustieren? dungen durchaus mitbekommen – über Angriffsszenarien gesprochen . (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bezweifelt niemand!) (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!) Ich sage ganz offen: Ich würde als jemand, der sich lei- denschaftlich für die Belange des Technischen Hilfswer- Es hat eine Unsicherheitsdebatte ausgelöst . Bekommen kes einsetzt, gern in der Öffentlichkeit, gern auch in den Sie solche normalen Reaktionen der Bevölkerung – bei Sommermonaten intensiver darüber debattieren, was wir vielen Zuschauerfragen und Ähnlichem in Onlinemedi- in Deutschland noch tun müssen, um das ehrenamtliche en, im Rundfunk hat man das immer wieder mitbekom- (B) Engagement im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz (D) men – eigentlich noch mit? Das muss ich fragen, wenn bei den Feuerwehren, beim THW und bei den Rettungs- Sie sagen, dass Sie zum Unsicherheitsgefühl der Bevöl- diensten zu verbessern . kerung im Sommer nicht beigetragen haben . (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und GRÜNEN]: Dann verbinden Sie es nicht mit des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Terrorismus, Herr Mayer!) Aber leider, meine lieben Kollegen von der Opposition, Vizepräsidentin Claudia Roth: haben Sie nicht das Thema Bevölkerungs- und Katastro- Herr Mayer . phenschutz gewählt, (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): GRÜNEN]: Doch! Seit Jahren!) Ich danke Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Tempel, für die Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, anhand des sondern Sie haben sich in Elogen über das Erfordernis Themas Zivilschutzkonzept exemplarisch einmal dar- von Hamsterkäufen eingelassen, und das war aus meiner zulegen, wie es eben auch der Kollege Binninger getan Sicht unverantwortlich und völlig überzogen . hat, wie eine vollkommen normale sachliche Debatte von (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ihnen als Oppositionspolitiker völlig unnötig überhöht ordneten der SPD – Dr . Konstantin von Notz wird . [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das verbin- (Dr .André Hahn [DIE LINKE]: Aber nicht den Sie mit Terrorismus, Herr Mayer!) durch uns!) Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir Das letzte Zivilschutzkonzept stammte aus dem haben auch deshalb besonnen und verantwortungsbe- Jahr 1995 . Es war richtig und sachgerecht, dass dieses wusst auf die durchaus zugespitzte Bedrohungssituation veraltete Zivilschutzkonzept fortgeschrieben wurde . reagiert, weil wir in der Vergangenheit nicht untätig wa- ren . Es wäre aus meiner Sicht falsch, den Eindruck zu Dieses Zivilschutzkonzept, das die Bundesregierung vermitteln, wir würden erst jetzt mit dem Kampf gegen jetzt vorgelegt hat, umfasst über 80 Seiten, und dann den islamistischen Terrorismus beginnen . steht da unter anderem – neben vielen anderen Punk- ten – drin, dass es durchaus sachgerecht sei, dass jeder Es ist in dieser Legislaturperiode außerordentlich viel Privathaushalt, jeder Einzelne auch eine gewisse Eigen- geschehen, gerade jüngst durch die Verabschiedung des vorsorge betreibt . Natürlich ist der Staat in der Verant- Antiterrorpakets, aber auch schon davor, indem die Straf- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18351

Stephan Mayer (Altötting) (A) barkeit für geplante Ausreisen von Dschihadisten schon die Kreditanstalt für Wiederaufbau abgewickelt wird, (C) wesentlich frühzeitiger unter Strafe gestellt wurde, in- vom Volumen her deutlich zu erweitern, dass hierfür von dem wir die Terrorismusfinanzierung stärker unter Strafe nun an 50 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung stehen . stellen und indem wir die Möglichkeit schaffen, dass aus- Ich bin auch der Auffassung, dass es dringend erforder- reisewilligen Dschihadisten der Pass bzw . Personalaus- lich ist, Wohnungseinbruchsdiebstahl zu einem Verbre- weis entzogen wird . Wir haben die Zusammenarbeit der chen zu erheben, um damit die Möglichkeit zu eröffnen, Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder in diesem Fall auf die Verbindungsdaten zuzugreifen verbessert . Wir haben die Geltung des Terrorismusbe- oder Telekommunikationsüberwachung anzuordnen . kämpfungsgesetzes um weitere fünf Jahre verlängert, um insbesondere auch die Kommunikationswege potenziel- Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber natür- ler Terroristen besser aufspüren zu können . lich ist das dominierende Thema in Deutschland – das hat nicht zuletzt der vergangene Sonntag gezeigt – die Wir haben – zumindest in einer kleinen Form – die Flüchtlingskrise . Auch hier möchte ich noch einmal beto- Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt . Auch dies ist nen: Wir haben bereits sehr vieles getan . Wir haben sehr sachgerecht, und ich sage an dieser Stelle: Wir müssen vieles erfolgreich ins Werk gesetzt, um den massenhaften uns gerade auch im Lichte der aktuellen Bedrohungssitu- Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland deutlich zu- ation intensiv Gedanken machen, ob wir nicht auch den rückzufahren . Es kommen täglich nur noch zwischen 100 Verfassungsschutzbehörden in bestimmten Fällen den und 200 Flüchtlinge in unser Land . Diese werden um- Zugriff auf die Verbindungsdaten ermöglichen sollten gehend und umfassend registriert . Sie bekommen einen und müssen . Flüchtlingsausweis ausgereicht . Wir haben ein Integrati- (Jan Korte [DIE LINKE]: Um Gottes willen!) onsgesetz verabschiedet, das den Duktus des Förderns, aber auch des Forderns beinhaltet . Ich bin dem Bundesinnenminister vor allem auch dafür sehr dankbar, dass er mit einem großen Aufschlag deut- Ich darf an dieser Stelle auch noch einmal sagen, weil lich gemacht hat, dass es der CDU-Bundesinnenminister Sie, Frau Kollegin Jelpke, so kritisch angemerkt haben, ist, der für eine deutliche personell bessere Ausstattung es gebe zu wenig Geld für Integrationskurse: Wir haben der Sicherheitsbehörden steht . Ich bin Ihnen, sehr geehr- allein vom letzten Jahr zu diesem Jahr die Mittel im Bun- ter Herr Bundesinnenminister, dankbar, dass Sie am ver- deshaushalt für Integrations- und Sprachkurse mehr als gangenen Donnerstag angekündigt haben, dass es zu den verdoppelt . Auf den ohnehin jetzt schon sehr ansehnli- ohnehin schon sehr ansehnlichen personellen Aufsto- chen Titel in Höhe von 560 Millionen Euro kommen im ckungen bei den Sicherheitsbehörden weitere 3 250 Stel- Haushaltsentwurf 2017 noch einmal 10 Prozent oben- len bei der Bundespolizei gibt – das ist ein Signal, ich drauf . Ich glaube, das kann sich wirklich sehen lassen . (B) darf das an dieser Stelle sagen; auch diese Rückmeldung (Beifall bei der CDU/CSU) (D) habe ich bekommen –, die von der Bundespolizei außer- ordentlich dankbar und erfreut angenommen werden . Ich bin auch dem Bundesinnenminister sehr dankbar, dass er in seinem Vorschlagskatalog von August dieses Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann sich Jahres deutlich gemacht hat, dass wir in Zukunft bei den schon sehen lassen, dass wir allein zwischen 2016 und ausreisepflichtigen Ausländern noch stärker differenzie- 2020 über 7 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespoli- ren müssen zwischen denen, deren Ausreise aus selbst- zei schaffen. Es sind immerhin 20 Prozent der gesamten verschuldeten Gründen nicht möglich ist, und denen, die Belegschaft der Bundespolizei, die noch einmal oben- aus unverschuldeten Gründen unser Land nicht verlassen drauf kommt, und ich sage das ohne Aktionismus und können . Es ist deshalb richtig, dass wir den Duldungs- ohne mit dem Finger auf andere zu deuten: Davon könn- tatbestand nur auf die Personen erstrecken, die aus nicht ten sich manche Bundesländer eine Scheibe abschneiden . eigenverschuldeten Gründen nicht abgeschoben werden Wir brauchen – das darf ich an dieser Stelle auch sagen – können . Auch hier bedarf es aus meiner Sicht einer ent- keinen Nachhilfeunterricht von Oppositionsfraktionen sprechenden Änderung des Aufenthaltsgesetzes . (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, zum GRÜNEN]: Na, na!) Abschluss nur noch eine kurze Bemerkung zu einem und auch nicht von unserem Koalitionspartner . Taktgeber Thema, das gerade auch im Kontext mit der CSU hier im Bereich der inneren Sicherheit ist die CDU/CSU . immer wieder vorgetragen wurde: das Thema Vollver- schleierung . Niemand in der Union hat behauptet, dass (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- das Verbot einer Vollverschleierung im Kontext mit einer ordneten der SPD – Dr . Konstantin von Notz Erhöhung der Sicherheit in Deutschland stehe . [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird durch Wiederholung nicht richtiger!) (Burkhard Lischka [SPD]: Na ja!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Aber – eben das muss man an der Stelle dazusagen –: Wohnungseinbruchskriminalität – das wurde ja schon er- Es geht schon auch um den Umgang mit uns selbst, wähnt – ist natürlich gerade, was das subjektive Sicher- und es geht auch darum, welche Ansprüche wir an nach heitsgefühl anbelangt, ein Thema, das die Menschen in Deutschland kommende Ausländer richten . Wenn sich außerordentlicher Weise beschwert . Alle drei Minuten jemand im öffentlichen Raum vollverschleiert, vor Ge- wird im Durchschnitt in Deutschland in eine Wohnung richt, in der Schule, im Straßenverkehr, dann entspricht oder in ein Haus eingebrochen . Ich bin sehr dankbar, dass dies aus meiner Sicht nicht den Anforderungen einer frei- es ermöglicht wurde, das Präventionsprogramm, das über heitlich-demokratischen Grundordnung . Da heißt es, Ge- 18352 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Stephan Mayer (Altötting) (A) sicht zu zeigen . Ich bin der festen Überzeugung, dass die hier die ganze bisherige – man kann auch sagen: eta­ (C) Vollverschleierung der Frau ein Integrationshemmnis ist, blierte – Parteiendemokratie gefährdet und nicht nur ein Teil davon . (Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau!) dass sie der Bildung von Parallelgesellschaften Vorschub Der Haushalt sieht an vielen Stellen mehr Geld für leistet und dass sie deshalb aus meiner Sicht auch abzu- Polizei und Behörden vor . Das war schon beim Haus- lehnen ist, zumindest im öffentlichen Raum. halt 2016 der Fall, häufig mit Zustimmung einer sicher- heitspolitisch verantwortungsvollen Opposition . Für (Dr . Eva Högl [SPD]: Bestreitet ja niemand, 2017 haben Sie erneut eine halbe Milliarde Euro mehr dass das so ist!) vorgesehen . Allerdings muss man Ihnen auch sagen, dass Wir werden nachdrücklich dafür eintreten und dies jetzt Sie in Ihrem eigenen Entwurf Haushaltsreste für 2016 in auch entsprechend ins Werk setzen . Aus meiner Sicht ist einer Höhe von einer halben Milliarde Euro ausweisen . dies ein ganz entscheidender Punkt, – Sie weisen einen Zuwachs beim sogenannten Asylpaket aus, aber beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kommen Sie beim Stellenaufbau nicht voran, Vizepräsidentin Claudia Roth: wie dessen Chef Weise vor kurzem kundgetan hat . Des- Herr Mayer . halb sagen wir Ihnen: Mehr Geld im Haushalt ist noch kein Beleg für bessere Politik . (Altötting) (CDU/CSU): Stephan Mayer (Beifall bei der LINKEN) – nicht in sicherheitspolitischer Hinsicht, sondern in gesellschaftspolitischer Hinsicht . Gemessen, Herr Bundesminister, wurden die Bienen Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . nicht an ihren Flugkilometern, sondern an dem Honig, den sie nach Hause brachten . (Beifall bei der CDU/CSU) Nun fordert die Bundesregierung bekanntlich überall auf, Geflüchteten Zugang zu Ausbildung und Arbeit zu Vizepräsidentin Claudia Roth: ermöglichen . Ich habe mir gedacht, dass ich einmal der Vielen Dank, Stephan Mayer .– Nächster Redner: Bundesregierung eine Anfrage stelle, wie sie selbst mit Roland Claus für die Linke . gutem Beispiel vorangeht . Meine Anfrage an das Bun- (Beifall bei der LINKEN) desministerium lautete: Wie viele geflüchtete Menschen sind seit 2015 in allen Bundesbehörden zusammenge- nommen in Ausbildung oder Arbeit gebracht worden? (B) Roland Claus (DIE LINKE): Die Antwort des BMI lautet: Fünf. In Ziffern: 5. Ich finde (D) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr das beschämend . Natürlich weiß ich, dass die Aufgabe Bundesminister! Weil es eben auch mein Land ist, will der Bundesregierung nicht darin besteht, Geflüchtete ein- ich zunächst bekennen, dass es mir ziemlich schwerfällt, zustellen; aber ein Stückchen mehr mit gutem Beispiel hier zur Tagesordnung, also zur Befassung mit dem Bun- voranzugehen, habe ich schon erwartet . Wirklich etwas deshaushaltsplan, überzugehen . Hier redet ein Bundes- leisten geht anders, meine Damen und Herren . minister über seinen Haushalt, und zeitgleich sagt Minis- terpräsident Seehofer den für mich unglaublichen Satz: (Beifall bei der LINKEN) „Die Menschen wollen diese Berliner Politik nicht “. Er meint auch Ihre Politik, Herr de Maizière . Ich glaube, er Deshalb sagen wir Ihnen: Ihren sicherheitspolitischen hat den Koalitionsvertrag auch mit unterschrieben . Ankündigungen folgen keine Taten . Wenn man in der Sackgasse ist, ist ein Weiter-so eine gefährliche Fahrt­ (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE richtung . Wir werden in Ihrem Etat an vielen einzelnen GRÜNEN]: Time to say goodbye!) Stellen Änderungen vorschlagen . Das ist voll Pegida-anschlussfähig . Die IT-Netze des Bundes sollen konsolidiert werden . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Nach dem, was ich jetzt wahrnehme, läuft es ein biss- NIS 90/DIE GRÜNEN) chen Gefahr, Installation von veralteter Technik getarnt als Modernisierung auszugeben . Das Bundesamt für Ver- Ich muss hier nicht die SPD verteidigen . Aber wer über fassungsschutz soll 20 Prozent mehr bekommen . Noch Gabriel und dessen mangelnde Kabinettsdisziplin redet, mehr Geld für diese Versagertruppe . Oder sollte man fra- der darf über nicht schweigen . Das müs- gen: War das Versagen der Plan? Bei der Sportförderung sen Sie sich sagen lassen . haben sich Bundesinnenministerium und Olympischer (Beifall bei der LINKEN) Sportbund auf eine Art Geheimverhandlung beschränkt . Bei der Behindertensportförderung kommen wir nicht Dieser Etatentwurf, Herr Minister, ist in der Tat das wirklich voran . Dann noch das sogenannte Zivilschutz- Abbild eines innenpolitischen Weiter-so . Genau das ist konzept . Zu den Lebensmittelvorräten ist schon etwas das Problem dieses Etats . Ihre innenpolitische Zustands- gesagt worden . beschreibung kennt immer nur drei Aggregatzustände: Deutschland geht es gut . Wir sind auf einem guten Weg . Ich will noch etwas anfügen, was noch nicht gesagt Und wenn es einmal nicht so klappt: Es ist alternativlos . wurde . Ich fühlte mich an Mao Tse-tung erinnert, der vor Etwas mehr Demut hätte ich mir erwartet . Immerhin ist mehreren Jahrzehnten einen Aufruf in die Worte geklei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18353

Roland Claus (A) det hat: Grabt die Gräben tief und legt Reisvorräte an .– im Bereich der präventiven Maßnahmen gegen Radika- (C) Wem Sie so alles nacheifern, Herr Bundesminister! lisierung . (Beifall bei der LINKEN) Es ist und bleibt eine Binsenweisheit: Mehr und besser ausgerüstete Polizisten bedeuten mehr Sicherheit und da- Das Ergebnis in der Öffentlichkeit, diese Verunsiche- mit mehr Schutz unserer Freiheit . Herr Claus, das gilt für rung, Herr Mayer, hat ihnen doch nicht die Opposition alle unsere Sicherheitsbehörden . Wenn Sie davon reden, eingeredet . Da überschätzen Sie uns aber ein Stückchen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz, das derzeit muss ich Ihnen sagen . einen sehr wichtigen Job in diesem Bereich macht, eine (Beifall bei der LINKEN) „Versagertruppe“ ist, dann halte ich das für unpassend, und ich weise das zurück . Deshalb ist es leider so, Herr Bundesminister: Ihre Stichwortgeber sind die Jungs von der Fraktion „Angst (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der für Deutschland“ oder auch AfD . Sie bedienen de- CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: ren Ressentiments, Sie verschärfen das Asylrecht und Damit beschäftigen wir uns schon in zwei Un- schränken Freiheitsrechte ein . Dafür werden Sie von der tersuchungsausschüssen!) Angst-Fraktion gelobt, aber Sie werden nicht gewählt . Genügend Polizei auf den Straßen und in den dunk- In der zwischen Angst und Mut ist auf Dauer kein len Weiten des Internets, wo Kriminelle und Terroristen Staat zu machen . Sie müssen sich entscheiden: Angst ihre Geschäfte machen – dass wir dafür sorgen, dürfen oder soziale und humanistische Erneuerung der Gesell- die Bürger zu Recht von uns erwarten . Lieber Stephan schaft . Mayer, du hast, was den Personalaufwuchs angeht, ge- (Beifall bei der LINKEN) sagt: In diesem Bereich sind wir als Union der Taktge- ber .– Wenn man sich mal an die Vorgängerregierung Der politische Hauptfehler seit dem 11 .September 2001 zurückerinnert, als die Union noch mit der FDP regieren war, Krieg als Mittel der Außenpolitik und Freiheits- musste, fällt einem ein: Da ist genau das Gegenteil pas- beschränkung als Mittel der Innenpolitik zu etablieren . siert, da ist nämlich Personalabbau bei den Sicherheits- Da, Herr Minister, hilft kein Weiter-so . Da geht es um behörden betrieben worden . Umdenken jetzt, Umsteuern jetzt . Und wir sagen Ihnen: Dafür ist es wirklich allerhöchste Zeit . (Dr . Eva Högl [SPD]: Und zwar massiv!) (Beifall bei der LINKEN) Ich sage jetzt mal als SPD-Innenpolitiker: Allein, dass wir hier die Weichen jetzt anders gestellt haben, war die- se Koalition schon wert . (B) Vizepräsidentin Claudia Roth: (D) Vielen Dank, Roland Claus .– Nächster Redner in der (Beifall bei der SPD) Debatte: Burkhard Lischka für die SPD . Meine Damen und Herren, die Bürger dürfen noch (Beifall bei der SPD) etwas anderes von uns erwarten, nämlich Besonnenheit statt hektischem Aktionismus. Sicherheit schafft man nicht mit Scheindebatten . Wer sich, wie in den letzten Burkhard Lischka (SPD): Wochen erlebt, mit Ideen und Vorschlägen im Stun- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kein dentakt förmlich überschlägt, der muss aufpassen, dass Zweifel, wir stehen im Augenblick, wenn wir heute den er nicht genau das Gegenteil von dem erreicht, was er Haushalt des Bundesinnenministeriums debattieren, vor eigentlich will, nämlich, statt für mehr Sicherheit zu großen Herausforderungen . Die Terrorgefahr in Deutsch- sorgen, nur Unsicherheiten zu verstärken . Da wurden land beispielsweise ist real . Wer das bisher ignoriert hat, scheinbare Lösungen für Probleme präsentiert, die mit wurde vor wenigen Wochen durch die Attentate in Würz- unserer Sicherheit wenig oder – sagen wir besser – über- burg und in Ansbach eines Besseren belehrt . Man weiß haupt nichts zu tun hatten; es ist ein paarmal angespro- aber auch: Terroristen haben in der Vergangenheit immer chen worden . Man kann über den Sinn und Unsinn von wieder versucht – auch hier in Deutschland –, unsere Burkas debattieren; das ist okay. Ich finde, jeder Freund freien Gesellschaften herauszufordern . Sie haben gegen einer offenen und gleichberechtigten Gesellschaft muss unsere Gesellschaften gebombt und geschossen . Aber es begrüßen, wenn Frauen hier in Deutschland keine rückblickend können wir auch sagen: Freie Gesellschaf- Burka tragen; auch das ist selbstverständlich . Aber das ten haben gelernt, mit diesen Risiken umzugehen, solche Problem entsteht, wenn man das Thema in eine Erklä- Krisen zu lösen und sich dabei ihre Freiheit zu bewahren . rung aufnimmt, in der es als Teil eines Antiterrorpakets So wird es auch diesmal sein . betrachtet wird . Da habe ich mir schon die Frage gestellt: Hat denn irgendeiner der Attentäter in Paris, in Brüssel, Nein, dieser Staat ist alles andere als machtlos . Er in Ansbach oder in Würzburg eine Burka getragen? Nein . wird auch den derzeitigen Bedrohungen mit der nötigen Was also hat diese Diskussion mit der Verhinderung von Konsequenz, aber auch dem richtigen Augenmaß entge- Terroranschlägen zu tun? gentreten . Mehr Sicherheit, aber mit Maß und Ziel – das ist das Gebot der Stunde . Das bedeutet zunächst einmal: (Dr .Eva Högl [SPD]: Nichts!) mehr Investitionen in die Ermittlungsarbeit, mehr Poli- Rein gar nichts . zisten, eine optimale technische Ausstattung unserer Si- cherheitsbehörden, eine engere Kooperation der Polizei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten behörden in Europa und mehr Professionalität und Geld des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 18354 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Burkhard Lischka (A) Aber einfache Antworten – diesen Eindruck habe ich aber der Raubbau der letzten zehn Jahre wird nachwir- (C) manchmal in diesem Sommer – haben wirklich Hoch- ken . Wer Sicherheitsbehörden jahrelang als Steinbruch konjunktur in diesen Tagen . der Sparpolitik behandelt hat, Lassen Sie uns das tun, wofür wir als Haushaltsgesetz- (Dr .Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Sie hatten geber gewählt wurden, nämlich unsere Polizeibehörden ja immer große Sympathien für Sicherheitsbe- personell und technisch optimal auszustatten, sodass sie hörden! Das wissen wir!) ihre Arbeit gut machen können . Aber Nebelkerzen soll- ten wir in dieser ernsten Situation nicht zünden; denn die kann nicht erwarten, dass die volle Leistungsfähigkeit brauchen wir nicht für unsere innere Sicherheit . von heute auf morgen wiederhergestellt sein wird . Herzlichen Dank . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Sie versuchen – wie so oft – den Missstand mit schril- ler Symbolpolitik zu übertünchen . Die neueste Sau, die Sie durchs Dorf jagen – das ist schon mehrfach ange-

Vizepräsidentin : sprochen worden –, ist der Bundeswehreinsatz im Inne- Das Wort hat die Kollegin Irene Mihalic für die Frak- ren . Trotz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken tion Bündnis 90/Die Grünen . wollen Sie nun gemeinsame Übungen von Bundeswehr und Polizei zelebrieren – ein Riesentheater mit viel Tam­ Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): tam für ein unrealistisches Szenario, aber dafür mit bun- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! ten Bildern . Ich kenne keinen einzigen Polizeiexperten, Liebe Kollegen! Nazis, die Flüchtlingseinrichtungen und der solche Übungen tatsächlich für nötig hält . Ganz im hier lebende Menschen angreifen, Islamisten, die mit Gegenteil: Sie belasten damit die Polizei zusätzlich, die ihren Anschlägen Angst und Schrecken verbreiten – die sowieso schon am Limit ist, und veranstalten eine Rie- Menschen erwarten selbstverständlich völlig zu Recht, senshow einzig mit dem Ziel, die Innenpolitik zu mili- dass die Politik sich dieser realen Gefahren annimmt und tarisieren . Aber das werden wir Ihnen nicht durchgehen die Risiken auch auf rechtsstaatlichem Wege so gut es lassen . geht minimiert . Aber statt dieser Erwartung zu entspre- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN chen und das Sicherheitsgefühl der Menschen zu stärken, sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Stephan betreiben die Bundesregierung und Sie, Herr Innenminis- Harbarth [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) ter de Maizière, eine Politik der Verunsicherung . Das ist schlicht verantwortungslos und pure Regierungsverwei- – Sie sagen jetzt: „So ein Quatsch!“ Aber warum üben Sie (B) gerung, liebe Kolleginnen und Kollegen . stattdessen nicht einmal etwas, was wirklich nötig ist? (D) Wie wäre es denn zum Beispiel mit Bund-Länder-über- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) greifenden Polizeieinsätzen bei einem Terroranschlag an Unmittelbar nach den Anschlägen von Würzburg, mehreren Orten zusammen mit Spezialeinheiten, Feuer- München und Ansbach in diesem Sommer, während die wehren und Rettungskräften? Davon ist weder etwas zu Familien und Freunde der Opfer noch getrauert und die sehen noch etwas zu hören . Sicherheitsbehörden die Ereignisse noch aufgearbeitet (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE haben, waren sich die Innenminister der Union nicht zu GRÜNEN]: So ist es!) schade, sich in Berliner Erklärungen zu ergehen, um den Berliner Wahlkampf mit abstrusen Debatten zum Burka- Deshalb sage ich Ihnen: Es geht Ihnen eben nicht um die verbot und zur doppelten Staatsbürgerschaft zu befeuern; Sicherheit, sondern nur um die Bilder . Rucksackverbote, Gesichtserkennung – ich kann das gar nicht alles aufzählen . Aber nach elf Jahren CDU-Regie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rungsverantwortung im Bund fragen die Menschen völ- Kommen wir auch in diesem Zusammenhang vom lig zu Recht: Wo sind denn, abgesehen von der Symbol- militärischen zum zivilen Engagement . Auch das ist ein politik, die Berliner Taten? Punkt, bei dem ich bei Ihnen keinen Gestaltungswillen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erkennen kann. Ich finde es ja richtig und wichtig, dass nach 20 Jahren ein neues Zivilschutzkonzept vorgelegt Sie sind verantwortlich für die Stellenstreichungen bei wird . Auch dazu ist schon viel gesagt worden . Es war den Sicherheitsbehörden in den letzten zehn Jahren . dringend nötig, das Konzept zu überarbeiten . Nun pumpen Sie hektisch und ohne Konzept Geld in den Innenhaushalt in der Hoffnung, dass überall etwas (Barbara Woltmann [CDU/CSU]: Immerhin!) hängen bleibt. Offen gestanden: Ich weiß gar nicht, wie viele Tausend Polizisten Sie aktuell fordern; da scheint Doch darin erklären Sie fast beiläufig das Wegbrechen sich zwischen den Koalitionspartnern ein regelrechter des Ehrenamtes, also der tragenden Säule des Zivilschut- Wettbewerb entwickelt zu haben . Neue Stellen bei der zes, Herr Mayer; beim THW ist das ganz besonders gra- Bundespolizei und beim BKA unterstützen wir selbstver- vierend . Anstatt Konzepte zur Stärkung des Ehrenamtes ständlich – wobei eine Entlastung bei den Aufgaben auch und damit des Zivilschutzes vorzulegen, fordern Sie ganz gut wäre –, die Menschen lieber auf, sich für den Fall eines Terror­ anschlags zehn Dosen Ravioli in den Keller zu stellen . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch hier bleibt wieder nur pure Verunsicherung, und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18355

Irene Mihalic (A) das ist schlicht verantwortungslos, liebe Kolleginnen und Blick auf dieses Land . Das ist jedem klar, der diese Rede (C) Kollegen . gehört hat . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Oh!) Genau wie in der Flüchtlingspolitik haben Sie, anstatt Wissen Sie, das ist ungefähr so unfachmännisch wie die sich an die mühsame Detailarbeit der Integration heran- irrwitzige Annahme, man dürfe in Deutschland keine zuwagen, Stimmungen geschürt, die pures Gift für die Deutschlandfahne schwenken, wenn Fußballweltmeis- Integration sind . Getrieben von der AfD verschärfen terschaft ist . Sie in diesem Jahr gleich dreimal das Aufenthaltsrecht, ohne jeglichen sachlichen Bezug, aber immer mit der (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Botschaft – das möchte ich noch einmal betonen –, dass GRÜNEN]: Was haben Sie denn den Sommer mehr Zuwanderung auch mehr Kriminalität bedeuten über gemacht? Das ist ja ganz dünne Suppe! würde und man deswegen in diesem Zusammenhang Aber wenigstens spricht mal einer den Sport dringend etwas tun müsse . Dabei hatten Sie mit dem an in der Innendebatte!) BKA-Lagebild „Kriminalität im Kontext von Zuwande- Das ist das Zerrbild, das in Ihnen drinsteckt . Deswegen rung“ einen wirklich richtig guten Ansatz, um ebendie- haben Sie eine komplett falsche Einschätzung dessen, ser Stimmung effektiv entgegenzuwirken; denn dieses was in diesem Land läuft . Lagebild zeigt deutlich, dass Einwanderung eben nicht zu einem Anstieg von Kriminalität führt . Herr Innenmi- Sie haben gesagt, wir hätten keine Idee für dieses nister, Sie nannten eben als Stichwort: Argumente und Land . Wir haben gut ein halbes Dutzend Antiterrormaß- Nüchternheit gegen Hass und Gewalt . Doch anstatt sol- nahmen beschlossen . che Lagebilder zur Versachlichung der Debatte zu nutzen und zu veröffentlichen, machen Sie lieber einen Stempel (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ drauf NEN]: Symbolpolitik!) und sperren sie weg. Veröffentlichen Sie solche Lagebil- Sie haben gegen alle gestimmt . Sie haben dagegenge- der endlich, zum Beispiel in regelmäßigen, periodischen stimmt, als beschlossen wurde, dass das Reisen in ter- Sicherheitsberichten . Das wäre einmal ein sinnvoller roristischer Absicht jetzt strafbar ist . Sie haben dage- Haushaltstitel . Das würde zu mehr Aufklärung, weniger gengestimmt, als beschlossen wurde, Dschihadisten den Populismus und damit zu einem stärkeren Sicherheitsge- Reisepass und den Personalausweis zu entziehen . Sie ha- fühl führen . ben auch gegen die Strafbarkeit der Terrorismusfinanzie- (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rung gestimmt . Ich könnte so weitermachen . Wir wissen (D) nicht, was Sie wollen . Wir sind froh, dass wir regieren . Oder glauben Sie, die Menschen fühlen sich sicherer, Das tut dem Land unglaublich gut; glauben Sie es mir . wenn Sie ihnen sagen, dass Soldaten in unseren Städten zu ihrem Schutz nötig sind oder dass sie im Falle eines (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Konstantin Terroranschlags auf Lebensmittelvorräte angewiesen von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: sein werden, weil es leider zu wenig ehrenamtliche Hel- Dass Sie froh sind, dass Sie regieren, das glau- fer beim Zivilschutz gibt? Oder glauben Sie, dass das be ich sofort!) Sicherheitsgefühl dadurch gestärkt wird, dass Sie ver- schleierte Frauen oder Menschen mit zwei Pässen als Meine Damen und Herren, nicht ganz unbescheiden Sicherheitsrisiko darstellen? sage ich – Sie kennen mich ja –: (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist (Frank Tempel [DIE LINKE]: Jetzt haben Sie eine eigenartige Argumentationskette!) endlich mal was Wahres gesagt!) All das hat mit seriöser Innenpolitik nichts zu tun . Das Ich habe seit Beginn dieser Legislaturperiode in meiner ist entweder wahltaktisches Kalkül oder eine völlig ver- ersten Periode als Obmann des Innenausschusses ver- nebelte Wahrnehmung Ihrer Rolle . Für die innere Sicher- sucht, meine Möglichkeiten zu nutzen heit in diesem Land ist beides gleichermaßen schlecht . (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN]: Aber Sie selbst regieren ja nicht, Herr Schuster!) Vizepräsidentin Petra Pau: und alles dafür zu tun, dass der Haushalt des Innenres- Das Wort hat der Kollege Armin Schuster für die sorts einen mächtigen Schub erfährt . CDU/CSU-Fraktion . (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . GRÜNEN]: Ach, jetzt liegt das an Ihnen, oder Burkhard Lischka [SPD]) was?) Frau Mihalic, Sie kennen jetzt auch einen Polizeiex- Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): perten – als solchen bezeichne ich mich; da bin ich schon Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und wieder unbescheiden –, der es gut findet, dass Bundes- Herren! Liebe Frau Mihalic, „vernebelt“ ist allenfalls Ihr wehr und Polizei zusammen üben, um dann zu evaluie- 18356 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) ren, was notwendig ist . Ich weiß nicht, was daran falsch Es ist etwas merkwürdig, dass sich der SPD-Chef im (C) ist . vierten Jahr hinstellt und sagt, wir hätten die Bundespoli- zei kaputtgespart . Seien Sie doch auch ein bisschen stolz (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auf das, was wir in dieser Legislaturperiode geschafft ha- NEN]: Eine ganze Menge!) ben . Es ist die Legislaturperiode der Bundessicherheits- Frau Dr .Högl, da sind wir, glaube ich, einer Meinung . Es behörden . ist eine gute Idee, dass wir das forcieren und Erfahrungen (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE sammeln . GRÜNEN]: Seid doch mal stolz!) (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie erfahren einen einzigartigen Aufwuchs . Ich kann NEN]: Alle beteiligten Polizisten freuen sich mich nicht daran erinnern, dass solch ein Aufwuchs in riesig! Die haben ja sonst nichts zu tun!) der Vergangenheit jemals stattgefunden hat . Der Plan der CDU- und CSU-Innenpolitiker unter (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Stephan Mayer war 2014 GRÜNEN]: Er war nicht da, Herr Schuster! (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Daran liegt das!) GRÜNEN]: „Unter Stephan Mayer“?) Da sitzt der dafür zuständige Minister . – ja, unter Führung von Stephan Mayer; bei uns gibt es (Beifall bei der CDU/CSU) noch Hierarchie –, Warum tun wir das? (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil lange nichts passiert ist!) den Haushalt des Innenressorts mit einem echten Auf- wuchs zu versehen . Das war gemeinsam mit dem Bun- Wir planen 7 000 Stellen mehr bei der Bundespolizei . desinnenminister unsere Überzeugung . Das war ein Das Bundeskriminalamt macht hervorragende Arbeit . Mehrjahresplan . Ich bedanke mich an dieser Stelle ein- Das BfV ist zurzeit unheimlich wichtig . Das BSI wird mal, da er anwesend ist, beim Ex-Haushaltsstaatsse- mir zu wenig genannt . Das Thema IT‑Kriminalität ist kretär und dem neuen Staatssekretär, hochwichtig . Eine Behörde, über die wir hier eigentlich , bei Bundesfinanzminister Schäuble, bei nie sprechen, die aber im Bereich Sicherheit einen im- Dr .André Berghegger und bei Dr .Reinhard Brandl . Ich mensen Beitrag leistet, ist das Bundesverwaltungsamt . bedanke mich auch beim Koalitionspartner, Auch da werden wir – die haben das verdient – maßgeb- (B) lich Stellen aufbauen . Vielleicht bauen wir sogar noch (D) (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: mehr auf; darüber sollten wir noch einmal reden . Das Oh!) THW erfährt einen Aufwuchs . dass wir das vier Jahre lang nicht aktionistisch, nicht po- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir inves- pulistisch, sondern konzentriert und tieren vorausschauend seit vier Jahren – ohne dafür einen (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Anschlag zu brauchen . Unsere Idee geht auf eine Zeit GRÜNEN]: Still und leise!) zurück, in der es solche Anschläge, wie wir sie in letzter Zeit erlebt haben, noch gar nicht gab . Die Idee für die geduldig durchgezogen haben . BFE+ bei der Bundespolizei gab es bereits vor dem An- Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freun- schlag in Nizza und anderen . Das alles ist präventive und de der SPD, bei meiner beruflichen Historie können Sie konzeptionelle Haushaltspolitik über mehrere Jahre . Das sich sicher vorstellen, wie genau ich aufgepasst habe, als ist die Handschrift der Union . So macht man kreativ und darüber gesprochen wurde, wer die Verantwortung für verantwortlich Politik für ein Land . Nicht umsonst den- Personalaufwuchs und Haushaltsverbesserungen bei der ken die Deutschen: Wenn einer innere Sicherheit kann, Bundespolizei hat . dann die Union . Die Menschen haben recht damit . (Frank Tempel [DIE LINKE]: Und wer hat (Beifall bei der CDU/CSU – Frank Tempel die Stellen vorher abgebaut?) [DIE LINKE]: Eigenlob stinkt! – Gegenruf der Abg . Dr .Eva Högl [SPD]: Bis hierhin! – Es passt überhaupt nicht zu Ihnen und Ihrem ansonsten Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE feinen Charakter, dass Sie jetzt hin und wieder subtil ver- GRÜNEN]: Herr Schuster, Selbsthypnose und suchen, zu unterstellen, das sei alles die SPD gewesen . Koalitionstherapiesitzung sind das!) (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Ich bin davon überzeugt, dass wir in dieser Legislatur- GRÜNEN]: Könnten wir diese Therapiege- periode vieles getan haben und mit dem Haushalt 2017 spräche einstellen?) letztlich vollenden . Wir stärken das Thema objektive Das ist einfach nicht in Ordnung . Ich bleibe dabei: Es ist Sicherheit . Die Ermittler beim BKA werden uns dank- eine Vierjahresleistung . bar sein . Die Fahnder bei der Bundespolizei werden uns dankbar sein . Das sind Themen für Experten . Wir haben (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- aber auch viel vor für die subjektive Sicherheit der Be- NEN]: Wer hat jetzt noch mal den feinen Cha- völkerung . Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevöl- rakter? Sie oder die SPD?) kerung hängt an dem Thema Polizeidichte, Polizeiprä- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18357

Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) senz an Brennpunkten und Hotspots . Deshalb soll es [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Redezeit (C) 7 000 Stellen mehr bei der Bundespolizei geben . Ich hof- ist übrigens zu Ende, Herr Schuster!) fe, dass viele Länder uns nachahmen . Wir brauchen das . In den Ländern braucht es auch einmal Mut, dies zu tun . Einbruchdiebstahl, reisende Terroristen, international (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- agierende Banden, illegale Grenzübertritte und Schleuser NEN]: Aber wenn es rechtlich nicht geht?) (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Wir begnügen uns jedenfalls nicht mit dem einfachen GRÜNEN]: Was heißt denn „illegale Grenz­ Ruf nach mehr Geld und besserer Ausstattung . Wir haben übertritte“? Was reden Sie denn da?) die nötigen Ideen und eine Vielzahl von Gesetzen auf den bekämpfst du am besten mit einer polizeilichen Maßnah- Weg gebracht . me, die sich Fahndung nennt . Dies geschieht an Brenn- ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- punkten, Hotspots und in Schwerpunktregionen . Der NEN]: Da klatscht niemand, noch nicht mal Bundesinnenminister ist verantwortlich für die deutsche aus Ihrer eigenen Fraktion!) Fahndungspolizei . Das ist die Bundespolizei . Deswegen ist jeder dort investierte Euro Gold wert . Einbruchdieb- Dies ist die Innendebatte . Wo, wenn nicht hier, sollen stahlsbanden fängst du weniger mit der Frage, wie wir wir über das Thema Burkaverbot eigentlich besser reden das Haus schützen – das muss natürlich auch getan wer- können? Dies ist in erster Linie eine Wertedebatte den –, sondern am besten fängst du sie auf dem Weg zur (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Tat . Da sie grenzüberschreitend agieren, müssen wir dort GRÜNEN]: Eine Wertedebatte?) hinschauen . und nicht, wie hier gerne behauptet wird, eine Sicher- (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE heitsdebatte . Wenn ein politisches Ressort dieses Thema GRÜNEN]: Na dann mal los!) behandeln muss, dann, glaube ich, ist es das Innenressort . Wir dürfen an der bayerisch-österreichischen Gren- (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ze nicht nachlassen, Grenzkontrollen durchzuführen . NEN]: Ja, ja! Wenn einem die AfD im Nacken Genauso wird die Lage an der deutsch-schweizerischen sitzt, dann führt man so eine Debatte!) Grenze – ich gehe stark davon aus, Herr Bundesinnenmi- nister; denn hier gibt es immer mehr illegale Grenzüber- Ich sage Ihnen jetzt meine ganz persönliche Meinung . tritte – Ohne Wenn und Aber: Die Burka ist für mich kein religi- öses Symbol . Sie ist etwas, was nicht – – (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allen Dingen Geldwäsche!) (B) Vizepräsidentin Petra Pau: (D) über kurz oder lang dazu führen – das kündige ich schon Kollege Schuster, ich sehe da etwas, was Sie noch einmal an; deswegen braucht die Bundespolizei diese nicht sehen . Power –, dass wir auch dort zu Grenzkontrollen zurück- müssen . Das kann ich mir nicht anders vorstellen . Denn Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): schon heute finden über die deutsch-schweizerische Einen Moment, ich bringe den Satz eben noch zu Grenze mehr illegale Grenzübertritte statt als über die Ende . deutsch-österreichische Grenze . Wenn die Bundespolizei in Bayern und in Baden-Württemberg derart präsent sein soll – das meine ich mit Grenzkontrollen –, dann braucht Vizepräsidentin Petra Pau: es Personal . Dafür sorgen wir . Sie hätten die Chance, Ihre Redezeit nicht zu überzie- hen, wenn Sie diese Frage zulassen . Die Balance dieses Haushalts besteht darin, dass wir objektiv und subjektiv für Sicherheit sorgen und gleich- zeitig beim Thema Integration gewährleisten, dass die Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Asylverfahren schneller und besser abgewickelt werden, Ja, gut . dass die Integration der Asylbewerber, die bleiben sollen, (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE deutlich intensiviert und auch mit Geld unterfüttert wird GRÜNEN]: Dass die Burka für Sie kein religi- und dass auch das Rückkehrmanagement für diejenigen, öses Symbol ist, beruhigt ungemein!) die nicht bleiben sollen, deutlich intensiviert wird . Die- se Balance sollten wir übrigens auch in unserer Rhetorik mehr beachten . Deswegen habe ich davon gesprochen, Vizepräsidentin Petra Pau: dass dieses Land eine Kultur des Willkommens braucht, Die Kollegin Künast möchte eine Frage stellen oder die wir sehr überbetont haben, und dass es jetzt auch eine Meinung äußern . eine Kultur des Verabschiedens braucht . Die vielen Men- (Frank Tempel [DIE LINKE]: Dann müssen schen, die wir rückführen müssen, müssen wir genauso wir den ja noch länger ertragen!) konzentriert zurückführen, wie wir es uns gesetzlich vor- genommen haben . Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ( [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE Herr Kollege Schuster, Sie haben gesagt, bei der Bur- GRÜNEN]: Wer hat Ihnen denn diese AfD-Re- ka gehe es um eine Wertedebatte . Ich möchte gerne wis- de untergeschoben? – Dr . Konstantin von Notz sen, ob Sie diese Wertedebatte nur mit uns oder auch mit 18358 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Renate Künast (A) den großen Krankenhäusern und Gesundheitszentren in es um Frauenunterdrückung in schlimmster Form geht, (C) Bayern führen, in denen sich viele Araber und Araberin- aufschwingen nen operieren lassen . Nach meinem Kenntnisstand hat das nämlich zur Folge, dass auch einmal Frauen mit einer (Frank Tempel [DIE LINKE]: Es geht um die Burka durch München laufen und angeblich sogar in sehr Frage eines Verbots, nicht darum, was man gut teuren Geschäften einkaufen . findet!) (Christian Flisek [SPD]: In der Maximilian- und sich auch noch dafür einsetzen, dass das so bleibt . straße!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – – In der Maximilianstraße; danke, Herr Kollege Flisek . Dr. Eva Högl [SPD]: Niemand findet die Bur- Ich bin da so selten zum Einkaufen . ka gut! – Dr .Konstantin von Notz [BÜND- (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht darum, NISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr .Konstantin das gut zu finden, Herr Schuster! Wie unter- von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da komplex kann man sein? – Renate Künast muss man wohl aus Passau kommen, um ei- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist nem das zu erklären!) mit der Verfassung? – Frank Tempel [DIE LINKE]: Sie verstehen noch nicht mal eine Für mich stellt sich die Frage: Diskutieren Sie über die einfache Frage!) Burka nur mit uns, oder diskutieren Sie darüber auch mit dem Einzelhandel in der Maximilianstraße und mit all Ich spreche mit unendlich vielen Menschen in diesem den Krankenhäusern und Kliniken, Land, die mir sagen – das sage ich Ihnen, gerade weil Sie von den Grünen sind; denn auch Sie diskutieren ja (Burkhard Lischka [SPD]: Nein, das kann ja darüber –: Ich möchte, dass der Weihnachtsmarkt weiter der Stephan Mayer machen!) Weihnachtsmarkt, der Nikolaus Nikolaus und der Tan- die im Hinblick auf ihre Einnahmen genau darauf ab- nenbaum Tannenbaum heißt, und die Burka möchte ich zielen, ihr Fachwissen für diese finanziell sehr potente in diesem Land nicht . Klientel anzubieten? Wenn Sie darüber auch mit denen (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Konstantin diskutieren, zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen? von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach Ihrem Vortrag muss man ja davon ausgehen, dass Also wirklich! Jetzt geht es aber los!) beide Gruppen für ein Burkaverbot sind . Das würde mich wundern; denn das wäre für sie ein negatives Wirtschafts- Das ist eine ganz einfache Wertedebatte, und da wähne programm . Also: Mit wem führen Sie diese Wertedebat- (B) ich mich an der Seite von Millionen Deutschen, die das (D) te, und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen? auch denken . (Zuruf von der CDU/CSU: Eine blöde Fra- (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE ge!) GRÜNEN]: Wer will denn, dass der Tannen- baum nicht mehr Tannenbaum heißt? Was ist Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): das für ein Quatsch, Herr Schuster?) Frau Künast, ich unterstelle jetzt einfach, dass Sie mich entweder nicht richtig kennen oder mich nicht ernst Dabei geht es nicht um Sicherheit, sondern darum, was in nehmen . Aber Ihre Frage ist wirklich unterirdisch . Un- diesem Land Kultur ist . terirdisch! Ich möchte nicht, dass in meinem Schwimmbad zu (Zuruf von der CDU/CSU: Unterirdisch, ja! – Hause jemand vollverschleiert im Becken ist, wie ich es Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist die jetzt geschrieben bekommen habe . Über diese Dinge re- Antwort? – Dr . Konstantin von Notz [BÜND- gen sich die Menschen auf, und darüber rege auch ich NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist noch keine mich auf . Antwort!) (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE – Ja, aber manchmal reicht das schon . GRÜNEN]: Vollverschleiert im Becken! Jetzt (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hört es aber auf!) NEN]: Wenn das Ihre Antwort war, setze ich Das muss nicht sein . mich gerne wieder hin!) (Burkhard Lischka [SPD]: Das war der Ba- – Nein, das war sie noch nicht . Ich mache weiter .– Frau demeister, der hineingefallen ist! – Abg . Künast, ich diskutiere über das Burkaverbot mit vielen Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Menschen in diesem Land . Ich habe noch keinen gefun- GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfra- den – noch nicht einen! –, der es gut findet, wenn Frauen ge) hier vollverschleiert herumlaufen . (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE – Frau Präsidentin, lassen Sie sie ruhig zu . GRÜNEN]: Das ist richtig!) Was ich am allerwenigsten verstehe, ist, dass sich grüne Vizepräsidentin Petra Pau: Politikerinnen ausgerechnet bei diesem Thema, bei dem Kollege von Notz, Sie haben das Wort . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18359

(A) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) NEN): Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Frank Herr Kollege Schuster, wer fordert, dass in Deutsch- Tempel das Wort . land der Tannenbaum nicht mehr Tannenbaum heißt? (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ Das würde mich wirklich interessieren . DIE GRÜNEN]: Jetzt gehst du dem Nikolaus noch mal auf die Spur! – Gegenruf des Abg . (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ Burkhard Lischka [SPD]: Jahresendfigur!) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Herr Schuster, wir sind es ja gewohnt, dass Sie ein Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Drittel Ihrer Redezeit darauf verwenden, Ihre Kompetenz Ich gebe zu, dass ich nicht genau weiß, ob bei den zu unterstreichen . Trotzdem wäre es ganz gut, wenn Sie, Grünen nun über Nikolaus, Tannenbaum oder Weih- da Sie hier schon Debatten einfordern – dazu ist das Haus nachtsmarkt diskutiert wurde . tatsächlich da –, auch auf Fragestellungen reagieren wür- den . (Dr . Eva Högl [SPD]: Es war Weihnachts- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) markt! – Dr .André Hahn [DIE LINKE]: In Bayern heißt es Christmarkt!) Deswegen muss ich noch einmal grundsätzlich fragen . In dieser Debatte wurde nicht von einem einzigen Teilneh- Jedenfalls war es eine quälend lange Liste von Punkten, mer gesagt, dass er die Burka will oder nicht will . Darum zu denen die Grünen meinten, dass man das heute so ging es nicht, nicht mehr nennen könne – der Sankt-Martins-Zug war (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- dabei –, weil sich unter Umständen Islamisch-Gläubige NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- daran stören könnten . ten der SPD) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sondern es geht um den Sinn und Zweck von Verbots- NEN]: Da sind Sie auch der AfD aufgesessen!) forderungen . Wenn Sie so viel mit den Bürgern darüber diskutieren, dann haben Sie sich vielleicht auch einmal Wissen Sie: An Ihrer Auffassung stören sich Millionen angeguckt, welche Wirkung mit einem solchen Verbot in Deutsche . anderen Ländern erreicht wurde . Islamistische Organisa- (B) tionen nehmen das zum Beispiel zum Anlass, die Strafe (D) (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Konstantin für diese Ordnungswidrigkeit zu übernehmen, wodurch von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: sie praktisch erst recht Zugriff auf Menschen bekommen, Das dient nur der AfD!) die eigentlich weit weg von Radikalisierung sind . Das wirkt also eher kontraproduktiv . Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind in einer Innendebatte . Lassen Sie mich diesen einen Satz Wenn gerade Innenpolitiker ein solches Thema dis- sagen: Vielleicht braucht das Land auch an dieser Stelle kutieren, dann sollten sie auch ein Stück weit die Kom- mehr gesunden Menschenverstand und weniger Political petenz nutzen, die Sie hier immer versuchen darzustel- Correctness . len, und mit Fachleuten sprechen. Sie sind definitiv kein Fachmann . Deswegen frage ich: Haben Sie den Unter- (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE schied zwischen der Frage, ob man die Burka gut oder GRÜNEN]: Jawohl!) nicht gut findet, und der Frage, wie ein Verbot wirkt, so- wie den Sinn, der hinter dieser Fragestellung steht, über- Dann hätten wir hier auch die klare Kante, die viele drau- haupt begriffen? ßen von uns erwarten . Ich stehe dafür . (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Ich bin dankbar, dass wir im ersten Wurf einen so tol- NIS 90/DIE GRÜNEN) len Haushalt hinbekommen haben, und ich traue mich, zu behaupten, dass wir mit unseren Haushaltspolitikern Vizepräsidentin Petra Pau: noch Verbesserungspotenziale verwirklichen werden . Der Kollege Schuster hat das Wort . Eines kann ich aber jetzt schon sagen: Das, was wir im November hier zum Abschluss einer vierjährigen Legis- laturperiode verabschieden werden, ist einzigartig gut, Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): eine hervorragende Jahresstrategie, auf die wir stolz Herr Kollege Tempel, ich habe den Eindruck, dass wir sind – wenigstens wir in der Union, aber ich glaube, auch Politiker objektiv darüber diskutieren müssen – das ist die SPD. Ich finde, wir haben es zusammen gut gemacht, unsere Aufgabe –, welche Wirkung ein Burkaverbot hat und das sollte auch so stehen bleiben . oder nicht hat, ob in kultureller Hinsicht oder mit Blick auf die innere Sicherheit . Und ich habe den Eindruck, Ich danke Ihnen . dass die deutsche Bevölkerung das Recht hat – und sie nimmt es sich auch –, dieses Thema subjektiv zu beur- (Beifall bei der CDU/CSU) teilen . 18360 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) Es geht um die subjektive Frage: Will die deutsche von 2,5 Prozent an den geplanten Gesamtausgaben für (C) Bevölkerung eine Vollverschleierung als Normalzustand, 2017 . Der Bereich innere Sicherheit erhält hiervon rund als Freiheitsrecht, als Recht von Männern, gegenüber 4,3 Milliarden Euro . In diesen Bereich fällt auch der Zi- Frauen so etwas einzufordern, akzeptieren? Ich habe vil- und Katastrophenschutz . die klare Ansicht, dass die deutsche Bevölkerung sagt: Das wollen wir nicht . Meine ganz persönliche Meinung Ende vergangenen Monats hat der Bundesinnenminis- ist – auf meine persönliche Meinung kommt es hier zwar ter die vom Bundeskabinett verabschiedete Konzeption nicht an, aber ich bin Mitglied eines repräsentativen Par- Zivile Verteidigung vorgestellt . Diese Neukonzeption laments und vertrete die Meinung des Volkes, was ich des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe ist wahrnehme –: Da gibt es kein Wenn und Aber . Dass längst überfällig; denn das alte Konzept ist von 1995 . wir hier objektiv darüber diskutieren könnten, ob das in (Dr . Eva Högl [SPD]: Genau!) Frankreich oder in der Schweiz, wo dieses Verbot bereits gilt – ich lebe ja in der Nachbarschaft –, eine Wirkung Die Fortentwicklung und die Anpassung an neue Ge- zeigt oder nicht, ist doch klar . Aber das ist eine typisch gebenheiten waren dringend geboten . Nach dem Kon- politische Diskussion . zept soll die Notvorsorge verbessert, das Risiko mögli- cher Gefahren minimiert, der Bevölkerungsschutz im Während wir darüber diskutieren: „Könnte das eine Bedarfsfall optimiert werden . Wir müssen angemessen Wirkung haben? Hat das eine Auswirkung auf die Sicher- auf Naturkatastrophen, wie sie auch in diesem Sommer heit oder nicht?“ – das könnte auch eine Vorlesung an den Süden Deutschlands heimgesucht haben, aber auch irgendeiner Universität sein –, hat sich das deutsche Volk auf Terrorangriffe reagieren können. Mit dem Konzept längst entschieden . Das deutsche Volk hat sich nicht nur Zivile Verteidigung wird auf den Klimawandel, auf die entschieden, dass ein Verbot der Vollverschleierung be- veränderte weltweite Sicherheitslage, auf die Verände- grüßenswert wäre, wenn es denn eines gäbe, sondern es rungen in der Gesellschaft reagiert . Zudem hat es die zu- hat sich entschieden, zu sagen: Macht es! nehmende Abhängigkeit der Gesellschaft von kritischen (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Infrastrukturen wie zum Beispiel der Stromversorgung GRÜNEN]: Sie kennen den Unterschied zwi- erforderlich gemacht, das Konzept fortzuentwickeln . schen Stammtisch und Parlament nicht, Herr Ich halte dieses Konzept für ausgewogen, für um- Schuster!) fassend . Es befasst sich unter anderem mit der Auf- – Den kenne ich sehr gut . rechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen im Spannungs- und Verteidigungsfall und geht über die (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Trinkwassernotversorgung und den Massenanfall von (B) GRÜNEN]: Nein! Offensichtlich nicht!) Verletzten bis hin zu Brandschutz und Evakuierung . Die (D) Deswegen wiederhole ich zum Schluss noch einmal: darin enthaltenen Maßnahmen werden nun durch weitere Rahmenkonzepte konkretisiert werden müssen und wer- (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE den sich dann erst in zukünftigen Haushalten niederschla- GRÜNEN]: Rechtliche Bedenken als „Koko- gen . Unverzichtbar – das ist heute schon klar – ist eine lores“ abzutun! Wo sind wir eigentlich?) gute Vernetzung der Bundesbehörden, der Feuerwehren, der großen Hilfsorganisationen aus Bund und Ländern . vielleicht mehr Sensibilität für gesunden Menschenver- stand und weniger für Political Correctness . Dieses Konzept ist richtig, und es ist wichtig . Die Kommunikation darüber ist allerdings völlig misslungen . (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sie hat zu Schlagzeilen wie „Aktion Eichhörnchen“ oder Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- „Bund trifft Vorsorge für Krieg im Land“ geführt. Eine NEN]: Fangen Sie mal an, Herr Schuster! – sachliche Diskussion ist das nicht . Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich!) Allerdings – das muss man sagen, bevor es Forde- rungen nach Selbstschutz der Bevölkerung gibt – wäre Vizepräsidentin Petra Pau: es glaubhafter, wenn der Bundesinnenminister und der Wir fahren in der Debatte fort .– Das Wort hat die Kol- Finanzminister den für den Zivilschutz zuständigen legin für die SPD-Fraktion . Behörden die notwendige personelle und materielle Ausstattung zukommen ließen . Das Bundesamt für Be- (Beifall bei der SPD) völkerungsschutz und Katastrophenhilfe ist seit Jahren unterfinanziert. Es bekommt zwar zusätzliche Aufgaben, Gabriele Fograscher (SPD): soll aber laut Regierungsentwurf 4,5 Millionen Euro weniger als im Vorjahr bekommen . Gleiches gilt für die Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bundesanstalt Technisches Hilfswerk . Auch bei ihr sol- Ich spreche jetzt wieder zum Haushalt, Einzelplan 06 . len die Mittel gekürzt werden . An diesem Punkt werden (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der wir in den Haushaltsberatungen wie in den vergangenen CDU/CSU) Jahren über Verbesserungen verhandeln . Der Haushalt des Bundesinnenministeriums und sei- Den Sommer über haben sich in den Ländern die In- ner Behörden ist im Verhältnis zum Gesamthaushalt ein nenminister und ‑senatoren von CDU und CSU mit For- kleiner Etat . Trotz einer Steigerung um knapp 7 Pro- derungen nach Gesetzesverschärfungen und Verboten zent auf jetzt 8,34 Milliarden Euro hat er einen Anteil überboten . Darüber haben wir hier schon gesprochen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18361

Gabriele Fograscher (A) Herr Schuster, die Wirkung eines Verbotes, das nicht 5,89 Milliarden Euro begonnen . Meine Damen und Her- (C) umgesetzt werden kann, ist doch das Problem, vor dem ren, das ist eine Steigerung um 41 Prozent . wir hier stehen . Deswegen hat der Bundesinnenminister dazu den Kompromissvorschlag gemacht, in bestimmten (Beifall bei der CDU/CSU – Bernhard Kaster Bereichen die Burka zu verbieten . Wenn man solch eine [CDU/CSU]: Ein klares Signal!) Diskussion anzettelt, muss man auch eine Lösung bieten . Dazu kommen – bereits beschlossen – in dieser Legisla- Wenn man diese Lösung nicht bietet, dann schürt man turperiode 4 600 neue Stellen bei den Sicherheitsbehör- eben weiterhin Ängste und Verunsicherungen in der Be- den . Und wir werden in den kommenden Wochen mit der völkerung . Die Quittung für diese Diskussion haben Sie SPD darüber reden, diese Zahl substanziell zu erhöhen . in Mecklenburg-Vorpommern bekommen . Bundesminister Schäuble hat heute in der Debatte eine (Beifall bei der SPD) weitere Zahl ins Spiel gebracht: Es soll in den nächsten Jahren 4 500 zusätzliche Stellen für die Sicherheitsbe- Die Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im hörden geben . Das ist eine gute Grundlage, auf der wir Inneren ist auch wieder gestellt worden . Ich will das jetzt beraten werden . für mich und meine Fraktion noch einmal klarstellen: Wir wollen keine Ausweitung des Einsatzes der Bun- (Beifall bei der CDU/CSU) deswehr im Inneren oder gar die Wiedereinführung der Meine Damen und Herren, innere und äußere Sicher- Wehrpflicht. Für die innere Sicherheit sind die Polizeien heit sind ein Herzensanliegen der CDU/CSU – genau- zuständig, die Bundeswehr ist für die äußere Sicherheit so wie solide Haushalte . Wir haben beides zusammen- zuständig . Dieses System hat sich bewährt . Die Bundes- gebracht und zum vierten Mal einen Haushalt ohne wehr kann in besonders schweren Unglücksfällen – dazu neue Schulden und ohne Steuererhöhungen aufgestellt . gehören auch terroristische Großlagen – im Rahmen Gleichzeitig haben wir massiv bei den Behörden, die für der Amtshilfe eingesetzt werden . Dazu bedarf es keiner die innere Sicherheit zuständig sind, investiert . Das ist Grundgesetzänderung . Die geltende Rechtslage ist völlig die Handschrift der Union, insbesondere auch die von ausreichend . Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière . Herzlichen Dank für deren Arbeit . Die Bevölkerung ist zweifellos für Fragen der öffentli- chen Sicherheit sensibilisiert . Täglich neue Forderungen (Beifall bei der CDU/CSU) und Aktionismus aber fördern weder das Zusammenle- Wer die Debatte heute verfolgt hat, hat gemerkt, dass ben noch die Integration . Sie wirken Ängsten auch nicht plötzlich alle für mehr Polizisten sind . Es freut mich, entgegen . Im Gegenteil: Solche Vorschläge schüren dass wir hier keine Überzeugungsarbeit mehr leisten (B) Vorurteile und Ängste . Und sie spielen rechtsextremen, müssen . Meine Damen und Herren, wenn Sie aber mehr (D) rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Parteien in für innere Sicherheit tun wollen, dann reicht es nicht, nur die Hände . mehr Polizisten zu fordern . Dazu gehört dann zum Bei- Informieren, aufklären und Politik erklären – das ist spiel auch, unseren Sicherheitskräften Rückendeckung das Gebot der Stunde . Dabei hilft es ganz bestimmt nicht, bei ihrer Arbeit zu geben . Zu den Sicherheitskräften ge- die Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung hören Polizisten und Soldaten . Dazu gehören aber auch zu kürzen . Das Gegenteil ist notwendig . die Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz . (Beifall bei der SPD) Ich habe die Debatten hier und auch die Diskussionen Der Haushaltsentwurf zum Einzelplan 06 stellt sich im NSA-Untersuchungsausschuss verfolgt . Insofern ma- den Herausforderungen . Dort, wo er Schwachstellen che ich mir an der Stelle echte Sorgen . Glauben Sie denn, hat – im Bereich der Vorsorge und der Prävention – wol- dass ein junger Mitarbeiter des BND, der in Bad Aibling len und werden wir in den anstehenden Beratungen Ver- arbeitet und zum ersten Mal bei seinen Schwiegereltern besserungen erreichen . zum Kaffee eingeladen ist, gerne und stolz davon erzählt, wo er arbeitet? Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit . (Zuruf von der SPD: Das weiß noch nicht mal (Beifall bei der SPD) seine Frau!) Ich glaube, selbst dann, wenn er es dürfte, würde er das zurzeit nicht tun . Dabei ist seine Arbeit angesichts der Vizepräsidentin Petra Pau: Welt- und Sicherheitslage für unser Land so wichtig wie Das Wort hat der Kollege Dr . Reinhard Brandl für die nie zuvor . CDU/CSU-Fraktion . Meine Damen und Herren, er braucht klare Regeln für (Beifall bei der CDU/CSU) seine Arbeit . (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): GRÜNEN]: Allerdings!) Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dafür sorgen wir . Aber er braucht auch die Rückende- Der Entwurf des Haushalts für den Bundesinnenminis- ckung der Politik . Wir als CDU/CSU stehen hinter unse- ter umfasst 8,34 Milliarden Euro . 2014 haben wir mit ren Sicherheitskräften . Wir stehen hinter unseren Polizis- 18362 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Dr. Reinhard Brandl (A) ten . Wir stehen hinter unseren Soldaten, und wir stehen Es muss immer zuerst etwas passieren, bevor gehandelt (C) auch hinter den Mitarbeitern unserer Nachrichtendienste wird, meine Damen und Herren . Das ist unser Problem . und danken ihnen für ihre Arbeit . (Dr .Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU) GRÜNEN]: Sie regieren seit zehn Jahren!) Wer mehr für die Sicherheit in unserem Land tun – So bitter es ist, Kollege von Notz: Es muss erst noch möchte, muss auch den Sicherheitsbehörden die Befug- einmal so etwas wie in Köln passieren, bevor die Grünen nisse geben, um ihre Aufgaben tatsächlich zu bewältigen . im Bundesrat bereit sein werden, leichtere Abschiebun- Nehmen wir das Beispiel Wohnungseinbrüche . Ich habe gen nach Nordafrika zu ermöglichen . erst gestern mit einer jungen Frau gesprochen, die mir berichtet hat, dass sie vor 20 Jahren als Kind in ihrem (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Haus einen Einbrecher ertappt hat . Es ist nichts passiert . Ich nenne ein anderes Beispiel, das in dieser Debat- Er war sofort weg, und es ist auch nichts gestohlen wor- te auch schon eine Rolle gespielt hat: den Einsatz der den . Dennoch fühlt sie sich bis heute unwohl, wenn sie Bundeswehr im Inneren . Ich sage Ihnen voraus: Wenn dort alleine übernachten muss . heute ein großangelegter Terrorangriff oder eine -Kata Alle von uns kennen diese Geschichten . Aber dem strophe passiert und die Bundeswehr helfen kann – sei steht eine Aufklärungsquote von 15 Prozent gegenüber . es beim Objektschutz oder bei der sanitätsdienstlichen Versorgung von Verletzten –, dann wird es plötzlich in (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE diesem Haus einen ganz großen Konsens über einen Ein- GRÜNEN]: Noch nicht mal!) satz der Bundeswehr geben . Wenn dieser Einsatz dann Das ist doch nicht hinnehmbar . Wenn die Polizei sagt, nicht funktioniert, wird das Geschrei – das sage ich Ihnen sie brauche zum Beispiel mehr Möglichkeiten, auf die voraus – groß sein, und es wird gefragt werden, warum er Kommunikationsdaten der Einbrecher zuzugreifen, um nicht funktioniert und wer die Verantwortung dafür trägt . internationale Banden, die dahinterstehen, aufzudecken, Wenn man weiß, dass so etwas passieren kann, dann dann müssen wir das doch ermöglichen, meine Damen muss man sich darauf vorbereiten . Deswegen sind ge- und Herren . meinsame Übungen von Bundeswehr und Polizei unter klarer Führung der Polizei natürlich sinnvoll . Die Innenminister der Union haben gemeinsam mit dem Bundesinnenminister im Sommer eine Reihe von (Beifall bei der CDU/CSU – Dr .Konstantin Vorschlägen dazu gemacht . Ich kann nur jeden bitten, der von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: es mit der inneren Sicherheit ernst meint, diese Vorschlä- Das sagen Sie nur wegen Frau von der Leyen!) ge in den kommenden Wochen zu berücksichtigen . Denn (B) es wäre ein Armutszeugnis für diese Koalition, wenn wir Wenn Sie einen Unterschied zwischen der Union und (D) uns nur darauf verständigen könnten, dass wir plötzlich den anderen Parteien feststellen wollen, dann brauchen verstärkt einbruchssichere Fenster fördern . Auch das ist Sie in diesen Tagen nur Zeitung zu lesen . In Baden-Würt- wichtig, aber das ist nicht mein Verständnis von innerer temberg lehnen SPD und Grüne – mit Ausnahme des Mi- Sicherheit, und ich glaube, es ist auch nicht das Verständ- nisterpräsidenten – gemeinsame Übungen von Polizei nis der Mehrzahl der Bevölkerung davon . und Bundeswehr ab . Die Statistiken über die Wohnungseinbrüche haben auch noch eine andere Aussage, nämlich dass es einen Vizepräsidentin Petra Pau: Unterschied macht, wo man wohnt . In Nordrhein-West- Kollege Brandl, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- falen ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Einbruchs- kung des Kollegen Reichenbach? diebstahls zu werden, sechsmal höher als in Bayern . Das liegt aber nicht daran, dass es in Bayern weniger zu holen Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): gibt . Die Antwort kann auch nicht sein, dass wir jedem, der Angst vor Einbrechern hat, plötzlich empfehlen, nach Gerne . Bayern zu ziehen . Auch in Bayern ist die Zahl der Ein- brüche noch zu hoch . Deswegen braucht die Polizei in Gerold Reichenbach (SPD): ganz Deutschland die Möglichkeit, effektiv gegen Woh- Vielen Dank, Herr Kollege .– Damit die Debatte nicht nungseinbrüche vorzugehen . jeglicher sachlicher Grundlage entbehrt, habe ich folgen- (Beifall bei der CDU/CSU) de Frage: Können Sie mir angesichts der Situation, die Sie eben geschildert haben – Hilfe der Bundeswehr bei Bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen im In- sanitätsdienstlichen Versorgungen und Katastrophen –, nenbereich haben wir in dieser Legislaturperiode be- erklären, an welcher Stelle wir eine Grundgesetzände- reits einiges erreicht . Ich denke an die Verschärfung des rung brauchen, um solche Hilfen zu ermöglichen? Asylrechts, die Erleichterung von Abschiebungen und die klare Unterscheidung zwischen Flüchtlingen aus si- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten cheren Herkunftsländern und Flüchtlingen aus Bürger- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) kriegsgebieten . Ich könnte jetzt die ganzen Asylpakete Die Bundeswehr war übrigens regelmäßig – auch bei den und alle Maßnahmen aufzählen . Übungen – bei den Vorbereitungen zur Weltmeisterschaft Für viele Probleme haben wir eine Antwort gefunden . in Deutschland eingeplant . Damals hat niemand über Aber das Kernproblem in Deutschland ist und bleibt: eine Grundgesetzänderung diskutiert . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18363

Gerold Reichenbach (A) Gestehen Sie mir zu, dass die Bundeswehr in vielen In diesem Sinne wünsche ich uns allen weiterhin viel (C) Bereichen gar nicht mehr in der Lage ist, in großem Um- Erfolg für die kommenden Wochen und bedanke mich fang im Inneren tätig zu werden, weil sie zum Beispiel für Ihre Aufmerksamkeit . gar nicht mehr über die notwendigen Lazarettreserven (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- verfügt? Sollten Sie nicht viel eher das Bundesverteidi- ordneten der SPD) gungsministerium auffordern, solche Reserven zu schaf- fen, bevor Sie über die Bundeswehr sozusagen als innen- politisches Polizeiersatzinstrument diskutieren? Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Matthias Schmidt für die SPD-Fraktion . Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): (Beifall bei der SPD) Das ist die Taktik der SPD . Ich habe an keiner Stelle meiner Rede eine Grundgesetzänderung gefordert . Das Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): war überhaupt nicht Gegenstand der Debatte . Keiner Vielen Dank, Frau Präsidentin .– Meine sehr geehrten meiner Vorredner hat eine Grundgesetzänderung gefor- Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe dert . Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt gerne zum Sporthaushalt sprechen . Ich denke, wir sind uns im Haus (Burkhard Lischka [SPD]: Das war schon einig: Der Sport ist gut für den gesellschaftlichen Zusam- mal anders!) menhalt, die Sportvereine sind gut für die Demokratie, Es geht allein um gemeinsame Übungen . Das Ergebnis und Sporttreiben ist gut für die Integration . einer gemeinsamen Übung kann natürlich sein – darin Wer dieser Tage eine Bestandsaufnahme des deutschen stimme ich Ihnen gerne zu, Herr Reichenbach –, dass die Sports macht, der kommt um eine Nachlese zu Rio 2016 Polizei oder die Bundeswehr an bestimmten Stellen bes- nicht herum . Rio 2016 ist noch gar nicht Geschichte . Es ser ausgestattet werden muss. Aber um Defizite festzu- sind nur die Olympischen Spiele Geschichte . Die Para- stellen, muss es zuerst einmal eine gemeinsame Übung lympics stehen noch an . Sie beginnen morgen, und sie geben . werden hoffentlich auch in der deutschen Öffentlichkeit die gebührende Aufmerksamkeit finden. Der Unterschied ist: Die SPD und die Grünen in Ba- Schauen wir trotzdem auf die Olympischen Spiele . In den-Württemberg lehnen gemeinsame Übungen ab . In Rio hat der deutsche Sport sehr gut abgeschnitten . Nur Bayern nimmt momentan Landesinnenminister Joachim Optimisten hatten erwartet, dass die deutsche Mannschaft (B) Herrmann an einer Wehrübung teil . Noch bis Donnerstag den fünften Platz im Medaillenspiegel belegen wird . Sie (D) ist er als Oberstleutnant der Reserve im Landeskomman- hat 42 Medaillen geholt . Insgesamt sind deutsche Sport- do Bayern aktiv, um gemeinsam mit der Bundeswehr die lerinnen und Sportler in 105 Finals angetreten – eine Bi- Zusammenarbeit im Katastrophen- bzw . Krisenfall zu lanz, die sich tatsächlich sehen lassen kann . üben . Das ist der Unterschied . Dass Bayern seit Jahren das sicherste Bundesland ist, liegt nicht in erster Linie Schaut man allerdings etwas genauer hin, so stellt man daran, dass die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr so fest: Der Erfolg ruht auf breiten, starken Balken . Da fal- gut klappt, sondern daran, dass sich die Sicherheitskräfte len uns die Kanuten ein, die Schützen, die Fußballer – in Bayern darauf verlassen können, dass die Politik hin- endlich einmal wieder die Männer mit einer Silberme- ter ihnen steht, und zwar bevor etwas passiert . daille und die Frauen mit der Goldmedaille . Aber es gibt zwischen diesen starken Balken auch zahlreiche Lücken . Wenn ich all das resümiere, dann kann ich nur dafür 7 von 27 olympischen Verbänden haben keine Medaille plädieren, dass wir im Bereich der inneren Sicherheit erreicht, 2 Verbände hatten sich erst gar nicht qualifiziert. wieder vor die Lage kommen und handeln, bevor etwas Darum ist es gut, dass das Bundesinnenministerium passiert . Hier haben wir großen Nachholbedarf . Eine rechtzeitig, schon lange vor den Olympischen Spielen, Antwort darauf ist der vorliegende Haushalt . Thomas de begonnen hat, die Spitzensportförderung neu zu orientie- Maizière hat exzellente Vorarbeit geleistet . Nichtsdesto- ren . Es gab allerdings leider bisher nur Gespräche zwi- trotz stehen uns in den nächsten Wochen intensive Bera- schen dem DOSB und dem BMI, was wir als Sportaus- tungen ins Haus . schuss, als Parlamentarier immer wieder kritisiert haben . Trotz aller politischen Unterschiede darf ich mich als Es geht um wichtige gesellschaftliche Fragen . Welche Hauptberichterstatter für den Einzelplan 06 für die gute Sportarten fördern wir – nur noch erfolgreiche Sportar- und kollegiale Zusammenarbeit – auch über die Frakti- ten oder medaillenträchtige? Wie definieren wir den Er- onsgrenzen hinweg – bedanken . Wir sind uns zwar in der folg – nach Medaillen oder nach Ergebnissen des Nach- Sache nicht immer einig, finden aber meistens persön- wuchses? Welche Wirkung hat der Spitzensport auf den lich zueinander und dann auch eine Lösung . Herzlichen Breitensport und damit auf unsere Gesellschaft? All die- Dank, Roland Claus, Anja Hajduk und , se Fragen gehören tatsächlich hierher ins Parlament . Ich der heute aufgrund der anstehenden Geburt eines Kin- habe die Bitte an das BMI, dass wir diese Diskussion nun schleunigst nachholen . des verhindert ist . Wir werden das bei den anstehenden Verhandlungen berücksichtigen und dafür sorgen, dass er Lassen Sie mich auch etwas zum vorgelegten Haus- weiterhin gut eingebunden ist . haltsentwurf für den Bereich des Sports sagen . Der vor- 18364 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Matthias Schmidt (Berlin) (A) gelegte Entwurf ist eine sehr gute Diskussionsgrundlage . , Bundesminister der Justiz und für Ver- (C) Er ist ein kleines bisschen abgesenkt im Vergleich zum braucherschutz: letzten Jahr . Die Absenkung lässt sich aber sehr leicht er- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten klären, da die Olympiabewerbung Hamburgs mit 10 Mil- Damen und Herren! Als der Deutsche Bundestag Anfang lionen Euro weniger zu Buche schlägt, und Entsendekos- Juli in die Sommerpause ging, da haben wir uns wohl ten sind eben auch nur in den olympischen Jahren sehr alle auf eine geruhsame, erholsame und vor allen Dingen hoch . In den Jahren dazwischen sind sie deutlich gerin- friedliche Ferienzeit gefreut . Nicht nur die terroristischen ger . Anschläge in Würzburg und Ansbach haben diese Hoff- nung von uns allen schon nach wenigen Tagen enttäuscht . Für mich ist aber eine Sache schon jetzt wichtig, die ich gerne benennen möchte, bevor wir sie im Ausschuss Keine Frage, wir werden in Zukunft wachsamer sein besprechen . Ich möchte, dass wir den Deutschen Behin- müssen, um solche Taten zu verhindern . Aber in dem dertensportverband stärker fördern . Seine Fördersumme Zusammenhang ist mir wichtig, auch einmal die Erfol- ist ganz leicht um 6 000 Euro abgesenkt worden . Die- ge unserer Justiz zu betonen . Gestern hat in der se 6 000 Euro sind sicherlich nicht der Diskussion wert, Prozess gegen einen mutmaßlichen Kämpfer des „Isla- aber ich finde, wir sollten uns Gedanken machen, den mischen Staates“ begonnen . Zur Stunde beginnt in Düs- Sport für Menschen mit Behinderung stärker zu fördern . seldorf der Prozess gegen den Salafistenprediger, der mit seiner selbsternannten Scharia-Polizei für Aufsehen ge- Denn für Menschen ohne Behinderung kann es sein, sorgt hat . Am Freitag steht in München ein Mann vor Ge- dass sie nicht zu den Olympischen Spielen kommen, weil richt, der beim IS eine militärische Ausbildung erhalten sie sich sportlich nicht qualifiziert haben, aber für Men- hat . All das zeigt: Unsere Justiz ist durchaus in der Lage, schen mit Behinderung kann es sein, dass sie nicht zu den mit den rechtsstaatlichen Mitteln, die wir haben, effizient Paralympics fahren können, weil es in Deutschland für und engagiert gegen die Feinde der Freiheit vorzugehen . gewisse Sportarten überhaupt keine Förderung gibt . Ich finde, das sollte so nicht bleiben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich nenne ein Beispiel . Eine sehr populäre Sportart ist Football Five-a-Side . Es ist ein Fußballspiel mit fünf Das ist auch deshalb möglich, weil der Deutsche Bun- Mitspielern und leicht veränderten Regeln . Dafür gibt es destag die gesetzlichen Grundlagen geschaffen hat. Wir in Deutschland überhaupt keine Förderung, ausgerechnet haben im vergangenen Jahr das Gesetz gegen Reisen in in Deutschland, dem Land mit der größten Fußballtradi- Terrorcamps reformiert, und wir haben die UN-Resolu- tion . tion gegen Foreign Fighters umgesetzt und damit auch die Finanzierung von Terrorismus unter Strafe gestellt . (B) Ich finde, wir sollten eine kleine Schippe beim DBS Das waren angesichts einer veränderten Bedrohungslage (D) drauflegen und könnten dann in jeder Sportart Sportle- auch ganz wichtige Schritte für ein effektives Strafrecht. rinnen und Sportler zu den Paralympics entsenden . Wir Wir haben vor der Sommerpause innerhalb der Bundes- haben jetzt vier Jahre Zeit, bis die nächsten Sommerpara- regierung uns auf ein Antiterrorpaket verständigt . Das lympics anstehen . Diese Zeit sollte genutzt werden . Denn zeigt auch eins: Die Bundesregierung handelt nicht im- die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Paralympics mer erst, wenn etwas passiert ist . Deshalb müssen wir sind nicht nur sportliche, sondern allesamt auch mensch- auch nicht immer reflexartig reagieren, wenn dann etwas liche Vorbilder . Sie haben von daher eine überragende passiert ist . Bedeutung für unsere Gesellschaft . (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Meine Damen und Herren, mein Dank gilt auch dem der CDU/CSU) Generalbundesanwalt und seiner ganzen Behörde für Zum Ende mein Appell: Lassen Sie uns gemeinsam die erfolgreiche Ermittlungsarbeit in vielen Fällen auf den Sport von Menschen mit Behinderung stärker för- der Grundlage dieser Gesetze . Mit dem Bundeshaus- dern . Ich freue mich auf die Beratungen in den Ausschüs- halt 2017 werden wir das Personal beim Generalbundes- sen . anwalt weiter maßvoll aufstocken . Ich sage aber auch: Die besten Gesetze nützen nichts, Vielen herzlichen Dank . wenn die Sicherheitsbehörden personell oder organisato- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten risch nicht in der Lage sind, sie auch umzusetzen . Des- der CDU/CSU und der LINKEN) halb ist es richtig, dass der Bund – das ist eben schon diskutiert worden – bei der Polizei deutlich mehr Stellen schafft. Es ist wichtig und richtig, dass viele Länder dies Vizepräsidentin Petra Pau: auch tun . Danke .– Wir sind damit am Ende dieses Geschäfts- Ich sage aber auch ganz deutlich: Wenn wir über Si- bereichs . cherheit und Sicherheitsbehörden und über deren perso- Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundes- nelle Ausstattung reden, dann muss das auch für die Jus- ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, tiz gelten . Denn wenn wir Straftäter, die von der Polizei Einzelplan 07. ermittelt worden sind, auch einer Verurteilung zuführen wollen, brauchen wir ausreichend Staatsanwältinnen und Das Wort hat der Bundesminister Heiko Maas . Staatsanwälte und Richterinnen und Richter . Auch da bin Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18365

Bundesminister Heiko Maas (A) ich froh, dass viele Bundesländer in den letzten Monaten santen Anstieg der Mieten besser in den Griff zu bekom- (C) dafür die Voraussetzungen geschaffen haben. men . Meine Damen und Herren, der rechtspolitische Aus- Mit diesem Haushalt werden wir die Bundesmittel für gleich von Freiheit und Sicherheit beschränkt sich nicht den sozialen Wohnungsbau auf 1,5 Milliarden Euro aus- nur auf die innere Sicherheit in unserem Land; es geht weiten . Das ist ein wichtiger Schritt, um mehr Wohnun- auch um soziale Sicherheit in unserem Land . Wir müssen gen zu schaffen. Aber ich meine, wir sollten das soziale auch dafür sorgen, dass die Freiheit des Marktes dort, wo Mietrecht nutzen, um für einen fairen Ausgleich zu sor- sie ausfranst, nicht zu einer Gefahr für die soziale Ge- gen zwischen den Kapital- und Finanzinteressen – wer rechtigkeit wird . Auch das haben wir getan, etwa beim investiert, hat Anspruch darauf, eine Rendite zu erhal- Thema „Wohnen und Miete“ . Wir haben beim sozialen ten – und dem berechtigten Verlangen nach bezahlbarem Mietrecht schon einiges erreicht . Mit der Einführung des Wohnraum . Bestellerprinzips haben wir die meisten Mieter von den Maklerkosten entlastet und damit die Mieterinnen und Meine Damen und Herren, Rechtspolitik ist darüber Mieter, wenn sie eine neue Wohnung suchen, nicht un- hinaus aber auch Gesellschaftspolitik . Wir werden des- wesentlich entlastet; auch das ist bitter nötig gewesen . halb noch im Oktober einen Gesetzentwurf vorlegen, um Männer, die wegen einvernehmlicher homosexueller (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Handlungen verurteilt worden sind, endlich zu rehabili- CDU/CSU) tieren . Wir haben einen weiteren wichtigen Schritt getan: Mit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Mietpreisbremse haben wir uns auch der Höhe der der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ Mieten und deren Weiterentwicklung bei Neuvermietung DIE GRÜNEN) angenommen und sie gesetzlich beschränkt . Nun sagen einige: Das reicht nicht aus .– Es gibt mittlerweile auch Die Strafurteile sollen aufgehoben werden, und wir wol- Erhebungen, aus denen das deutlich wird, auch wenn die len auch eine finanzielle Entschädigung verankern. Ergebnisse zur Wirkung der Mietpreisbremse ganz un- terschiedlich sind, wenn man sich Städte wie Diese Männer wurden einzig und allein wegen ihrer anschaut – dort sind die Mieten nicht mehr gestiegen – sexuellen Identität von der Justiz verfolgt und bestraft . oder etwa Berlin . Diese Verurteilungen sind aus heutiger Sicht ein Ver- stoß gegen die Menschenwürde und damit auch verfas- Deshalb bin ich sehr offen dafür, dass wir uns weiter sungswidrig. Trotzdem müssen die Betroffenen bis heute mit der Preisbremse beschäftigen, etwa mit der Frage, mit diesem Strafmakel leben. Ich finde, es steht einem ob dem Vermieter nicht auferlegt wird, die Vormiete von (B) Rechtsstaat gut zu Gesicht, diese Urteile endlich aufzu- (D) sich aus offenzulegen, ohne dass dies erst eingefordert heben . werden muss; denn bisher ist es so, dass viele Mieterin- nen und Mieter von diesem Recht überhaupt keinen Ge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten brauch gemacht haben . Auch dafür gibt es Unterstützung . der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ Der Berliner Senat hat dazu eine Bundesratsinitiative auf DIE GRÜNEN) den Weg gebracht . Ich bin gern bereit, über dieses Thema auch in diesem Hause zu diskutieren . Meine Damen und Herren, es steht in der Rechtspo- litik aber noch Weiteres auf dem Programm . Unser Vor- (Beifall bei der SPD) schlag für eine bessere Vermögensabschöpfung bei Straf- Meine Damen und Herren, wir haben, wie verabredet, taten – das ist etwas, was ganz wesentlich dazu beitragen zum Mietrecht auch ein zweites Reformgesetz in Arbeit . wird, organisierte Kriminalität effektiver zu bekämpfen – Bislang berücksichtigt der Mietspiegel nur die Vertrags- liegt dem Bundestag bereits vor . Den Entwurf für mehr abschlüsse der letzten vier Jahre . Wir wollen diesen Zeit- Medienöffentlichkeit in den Gerichtssälen – zeitgemäß raum ausdehnen, um auch die Jahre vor den großen Miet- und sehr zurückhaltend – hat die Bundesregierung in der erhöhungen mit einzubeziehen . Außerdem wollen wir letzten Woche beschlossen . die Mieterhöhung nach einer Modernisierung begrenzen, Wir werden noch weitere Themen in Angriff nehmen weil wir nicht zulassen wollen, dass Modernisierung und müssen . Wir werden eine Reform der Strafprozessord- Mieterhöhung genutzt werden, um langjährige Mieter nung vorlegen, um die Verfahren noch effizienter zu ma- aus ihren Wohnungen zu verdrängen . Wenn ich daran chen. Wir wollen mehr Möglichkeiten schaffen, ein Fahr- denke, dass die Umlage von 11 Prozent zu einem Zeit- verbot als Sanktion zu verhängen . Wir werden ein Gesetz punkt ins Gesetz geschrieben wurde, als die Zinsen für zur Unternehmensverantwortlichkeit im Ordnungswid- die Finanzierung solcher Investitionen dreimal so hoch rigkeitenrecht vorlegen, weil wir meinen: Wenn aus gewesen sind, wie das heute auf dem Finanzmarkt der einem Unternehmen heraus Rechtsverstöße begangen Fall ist, ist es, finde ich, nur eine Frage der Gerechtigkeit, werden, dann muss unser Recht auch angemessene Sank- dies auch an die Mieterinnen und Mieter weiterzugeben . tionen vorsehen, um so etwas zu ahnden . (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, auch in der Verbraucherpo- Alles dies waren und sind wichtige Maßnahmen, um litik werden wir nicht nur mit neuen Gesetzen arbeiten . Mieterinnen und Mieter besser zu schützen und um dort, Eine Verbraucherpolitik, die nur auf staatliche Vorschrif- wo es notwendig ist, etwa in den Großstädten – das ist ten und Verbote setzt, würde der Selbstbestimmung der beileibe nicht überall in Deutschland der Fall –, den ra- Menschen gerade dort nicht gerecht werden . Oft sind 18366 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Bundesminister Heiko Maas (A) eine bessere Information und Aufklärung viel wichtiger Vizepräsidentin Petra Pau: (C) als der staatliche Zwang . Das Wort hat der Kollege für die Frak- tion Die Linke . Zu diesem Zweck haben wir die Marktwächter gestar- tet . Wenn es um die digitale Welt oder um die Finanzen (Beifall bei der LINKEN) geht, dann beobachten mittlerweile die Verbraucherzent- ralen das Marktgeschehen und können bei Fehlentwick- lungen rechtzeitig Alarm schlagen . Das ist eine wichtige Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Hilfe für Verbraucherinnen und Verbraucher, schlechte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen Geschäfte zu vermeiden und davor bewahrt zu werden . und Kollegen! Die Debatte um den Einzelplan des Bun- desministers für Recht und Verbraucherschutz ist nie (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nur eine Debatte um Einnahmen und Ausgaben . Sie ist eigentlich immer auch eine Diskussion über grundsätz- Gerade die Verbraucherzentralen sind eine sehr wich- liche Entwicklungslinien in der Rechts- und Verbrau- tige Institution, und sie werden auch in Zukunft noch cherschutzpolitik, und ich finde, das ist auch notwendig, wichtiger werden, um die Kunden auf Augenhöhe zu da zum einen von den Gesetzen, die in diesem Bereich den Unternehmen, mit denen sie Verträge abschließen, verabschiedet werden, die Menschen in besonderer Wei- zu bringen . Deshalb wollen wir auch die Verbraucher- se betroffen sind, und zum anderen – das ist zumindest zentralen künftig weiter stärken . Wir wollen das auch mit meine Überzeugung – dieser Politikbereich zu jenen diesem Haushalt tun und schlagen vor, dass die Verbrau- gehört, in denen der Widerspruch zwischen Schein und cherzentralen neue Projektdauerstellen für neue Aufga- Sein, zwischen Anspruch und Wirklichkeit am deutlichs- ben bekommen . ten auch nach außen sichtbar ist . Denn es vergeht meiner Meinung nach kaum eine Woche, in der der Bundesjus- Meine Damen und Herren, unsere Gesellschaft wird tizminister Heiko Maas nicht wenigstens eine Ankündi- immer älter . Das ist eine Herausforderung für alle Poli- gung in die Welt setzt, mit der er den Eindruck erweckt, tikbereiche sowie für den Verbraucherschutz im Pflege- den Menschen doch Gutes tun zu wollen . bereich. Dieses Thema betrifft auch das Zivil- und das Dies nützt möglicherweise seinem Image, und die Strafrecht . Wir wollen sicherstellen, dass Menschen, die Leute denken: Mensch, was für ein dynamischer Ma- einen Pflegevertrag abschließen, die beste Entscheidung cher! Aber wenn man genauer hinschaut, sieht man: Es für sich oder ihre Angehörigen treffen können. Wie wol- bringt den Menschen in diesem Land tatsächlich nur sel- len wir einen Beitrag dazu leisten? Wie sorgen wir dafür, ten Verbesserungen; denn in den meisten Fällen passiert (B) dass verschiedene Angebote miteinander vergleichbar dann bestenfalls gar nichts – wenn ich an das Verspre- (D) sind und die schwierige Situation, in der solche Verträge chen der zeitnahen Abschaffung des sogenannten Majes- abgeschlossen werden, nicht zum Nachteil der Verbrau- tätsbeleidigungsparagrafen denke, und dabei kann man cher und der Pflegebedürftigen ausgenutzt wird? Das noch sagen: „Bestenfalls“ ist da gar nichts passiert; wer sind Fragen, die uns im Zivilrecht beschäftigen und bei weiß, was bei einem Gesetz herausgekommen wäre . denen wir ein Projekt der Verbraucherzentralen unterstüt- zen . Aber ganz oft kommen Gesetze dabei heraus, die entwe- der das Gegenteil der Ankündigung zur Konsequenz ha- Im Strafrecht geht es unter anderem um die Frage, wie ben – Stichwort „Vorratsdatenspeicherung“ –, oder aber wir verhindern – leider gibt es dafür immer mehr Bei- es sind derart halbgewalkte Kompromisse, dass es mir spiele –, dass alte Menschen Opfer von Gewalt werden – mit den Gesetzen dann geht wie Clara Peller in der Wer- in Pflegeeinrichtungen, aber auch im häuslichen Umfeld. bung einer amerikanischen Fast-Food-Kette, die, über ei- Auch hierzu sind wir mit den Kolleginnen und Kollegen nen übergroßen Hamburger gebeugt, ständig fragt: „But in den Ressorts in guten Gesprächen . Beide Themen wer- where’s the beef?“ den uns weiterhin stark beschäftigen. Alter und Pflege- (Beifall bei der LINKEN) bedürftigkeit machen Menschen verletzlich, aber gerade deshalb müssen wir Sicherheit und Selbstbestimmung in Erst in der vergangenen Woche kündigte der Minister diesem Bereich ganz besonders schützen . vollmundig an, dass es mehr Rechtssicherheit beim so- genannten Scheinvaterregress geben soll . Das ist wahr- Das sind nur einige Themen; es gibt noch viele weite- lich eine gesetzliche Regelung, auf die unsere Nation re, die auf unserer Agenda stehen. Wir schaffen das alles aufgrund ihrer Dringlichkeit seit Jahren förmlich mit an- mit dem kleinsten Etat aller Bundesressorts – nicht nur gehaltenem Atem wartet . Der Minister beruft sich dabei mit dem kleinsten Etat, sondern auch mit einem Haus- auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . halt, bei dem wir weniger ausgeben, aber mehr einneh- Dieses hatte vor allem festgestellt, dass für einen soge- men, als es im Vorjahr der Fall war . Wir tragen damit nannten Scheinvater, also einen sozialen Vater, der in der unseren Teil zur Haushaltskonsolidierung bei . Überzeugung lebt, auch der biologische Vater eines Kin- des zu sein, es aber möglicherweise nicht wirklich ist, Herzlichen Dank . dagegen oft aber der rechtliche Vater des Kindes, kein rechtlich ausdrücklich geregelter Auskunftsanspruch (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der gegen die Mutter vorhanden wäre, zu erfahren, wer der CDU/CSU) mutmaßliche Vater ist . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18367

Harald Petzold (Havelland) (A) Aber anstatt nun das Unterhaltsrecht neu zu regeln, Ich habe den Majestätsbeleidigungsparagrafen bereits (C) wofür es gute Gründe gäbe, legt Herr Minister Maas genannt, die Vorratsdatenspeicherung könnte hinzuge- einen Gesetzentwurf vor, der allen Ernstes vorschreibt, fügt werden . „Ich lehne sie entschieden ab“, „sie verstößt dass die Mutter eines Kindes künftig dazu verpflichtet gegen das Recht auf Privatheit und Datenschutz“, und sein soll – Frau Präsidentin, ich bitte Sie, mir das Zitieren was Sie sonst noch getwittert haben: Das Ergebnis ist zu gestatten –, bekannt . Nach wie vor ist das Strafrecht sprachlich nicht von NS-Normen befreit, wie Sie es versprochen haben . dem Dritten, der dem Kind als Vater Unterhalt Zur groß angekündigten sogenannten Mietpreisbremse gewährt hat, auf Verlangen Auskunft darüber zu wird meine Kollegin nachher noch das Not- erteilen, wer ihr während der Empfängniszeit bei- wendige sagen . gewohnt hat, soweit dies zur Feststellung des über- gegangenen Unterhaltsanspruchs erforderlich ist . Und so sehr ich mich über die Ankündigung freue, dass Sie die Opfer nach § 175 jetzt endlich entschädi- (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Völlig durchge- gen und rehabilitieren wollen, so wenig kann ich es Ih- knallt!) nen ersparen, Ihnen immer wieder deutlich zu machen, Ich frage mich ganz ernsthaft, Herr Minister – ich dass das Versprechen, die Diskriminierung von gleich- kann noch nicht wirklich glauben, was Sie da vorschla- geschlechtlichen Lebenspartnerschaften und Menschen gen –: Was hat Sie geritten, allen Ernstes zu verlangen, aufgrund ihrer sexuellen Identität vollständig abschaffen dass die Mutter eines Kindes künftig preisgeben soll, mit zu wollen, nicht eingehalten wird, dass die Arbeit der wem sie zwischen dem 300 . und dem 181 .T ag vor der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld nach wie vor auf un- Geburt eines Kindes Sex gehabt hat, und das, obwohl sicheren Füßen steht und aufgrund der Lage auf den Fi- das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung des nanzmärkten fast völlig unmöglich wird, dass beim Per- Beschlusses im Leitsatz 1 eindeutig festgestellt hat – ich sonenstandsrecht für intersexuelle Menschen, bei dem zitiere erneut –: Sie evaluieren wollten, welche Verbesserungen durch die Änderung erzielt wurden, wo Sie schauen wollten, wie Das aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Arti- Sie es gegebenenfalls ausbauen und dabei die besonde- kel 1 Absatz 1 GG folgende allgemeine Persönlich- re Situation von trans- und intersexuellen Menschen in keitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre den Fokus nehmen könnten, bis heute nichts umgesetzt auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in wurde . welcher Form und wem Einblick in die Intimsphä- re und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird . Wir haben keinen Opferentschädigungsfonds für die Dies umschließt das Recht, geschlechtliche Bezie- Wiedergutmachung von Menschen, die offensichtlich (B) hungen zu einem bestimmten Partner nicht offenba- Justizopfer geworden sind . Wir haben keine Gesetze, die (D) ren zu müssen . die Menschen tatsächlich verstehen . TTIP und CETA, für die Sie sich besonders einsetzen, werden unsere Rechts- (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Hört! Hört!) staatlichkeit weiter untergraben . Gegen all das tun Sie Wie gesagt, das steht in Leitsatz 1 der Entscheidung des nichts . Wenn Sie nicht als Ankündigungsminister in die Bundesverfassungsgerichtes . Geschichte eingehen wollen, dann ändern Sie endlich Ihre Politik . Ein Umsteuern im Einzelplan 07 des Haus- In Ihrer Pressemitteilung schreiben Sie dann, dass Sie haltsgesetzes wäre dazu ein guter Anfang . eine Regelung schaffen würden, die einen Auskunfts- anspruch des Scheinvaters gegenüber der Mutter auf Danke schön . Preisgabe des Namens des mutmaßlichen leiblichen Va- ters des Kindes zur Folge hat . Das haben Sie aber nicht (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . in das Gesetz geschrieben . Herausgekommen ist etwas [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) völlig anderes . Und das nenne ich „Irreführung der Öf- fentlichkeit“ oder „Vortäuschung falscher Tatsachen“ . Vizepräsidentin Petra Pau: Das ist leider in Ihrem Verantwortungsbereich die Re- Das Wort hat der Kollege Dr .Stephan Harbarth für die gel . Mal davon abgesehen, dass in vergleichbaren um- CDU/CSU-Fraktion . gekehrten Fällen niemand auf die Idee kommen würde, einen Mann zu derartigen Offenlegungen zu zwingen, ist (Beifall bei der CDU/CSU) dieser Gesetzentwurf ein typisches Beispiel für „Thema verfehlt“ vom Bundesministerium für Recht und Ver- Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): braucherschutz . Es geht nämlich gar nicht mehr um die Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle- Verbesserung der Rechtssituation von Betroffenen, hier gen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die von Scheinvätern, sondern es geht um Aktionismus, der Qualität eines Haushalts entscheiden Zahlen . Die Zahlen rechtsstaatliches Engagement vortäuscht und dabei ver- dieses Haushalts, vorgelegt unter einer unionsgeführten schleiern soll, dass mit unwürdigen Methoden in der Pri- Bundesregierung, vorgelegt unter unserem Bundesfi- vatsphäre von Menschen herumgeschnüffelt wird. nanzminister Wolfgang Schäuble, sind wahrlich be- (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . eindruckend . Wir haben im vierten Jahr in Folge einen Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) ausgeglichenen Haushalt . Das setzt Maßstäbe, auch im Hinblick auf die Folgejahre . Die Liste ließe sich fortsetzen: große Ankündigungen, wenig Substanz, wenig Rückgrat, wenig bis kein Beef . (Beifall bei der CDU/CSU) 18368 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Dr. Stephan Harbarth (A) Über die Qualität von Rechtspolitik entscheiden nicht Wir haben allein im Kernbereich der inneren Sicher- (C) Zahlen, sondern Inhalte . Deshalb stehen heute auch In- heit mehr als ein halbes Dutzend Gesetze verabschiedet . halte im Mittelpunkt meiner rechtspolitischen Bestands- Die Opposition hat in jedem dieser Gesetze nur einen aufnahme . Was ist die zentrale Herausforderung der Anschlag auf die Freiheitsrechte der Bürger erkennen Rechtspolitik im Jahre 2016? Es ist ohne jede Frage der wollen und gegen jede einzelne Maßnahme gestimmt . Umgang unseres Staates, unseres Rechtsstaates mit der Wir haben das Reisen in terroristischer Absicht unter Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus, der Strafe gestellt – die Opposition war dagegen . Wir haben nicht nur Deutschland, sondern Europa insgesamt mit das Terrorismusbekämpfungsgesetz verlängert – die Op- seinen Vorstellungen von gesellschaftlicher Freiheit fun- position war dagegen . Wir haben für einen besseren In- damental herausfordert . Unsere Demokratie ist seit jeher formationsaustausch unter den europäischen Sicherheits- eine wehrhafte Demokratie . Deshalb gilt heute mehr behörden gesorgt – die Opposition war dagegen . denn je: Wer gegen unsere freiheitlich-demokratische (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Grundordnung arbeitet, wer die Grundrechte als Deck- GRÜNEN]: Das stimmt nicht! Sie haben was mantel für den Kampf gegen Freiheit und Rechtsstaat falsch gemacht!) missbraucht, der wird mit allen Mitteln dieses Rechts- staats konfrontiert und bekämpft . Dies war seit jeher die Wer so handelt wie die Opposition, wird seiner Verant- Linie von CDU und CSU, und dies setzen wir auch in der wortung für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger heutigen Zeit mit aller Konsequenz durch . in Deutschland gewiss nicht gerecht . (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Für uns ist klar: Ohne Sicherheit ist Freiheit undenk- Die Terroristen werden leider immer besser, perfek- bar . Sicherheit ist dabei nicht lediglich die Abwesenheit tionieren ihre Strukturen, werden enthemmter und radi- von existenzieller Gefahr . Vielmehr dreht sich die Sicher- kaler . Darauf muss der Rechtsstaat immer wieder Ant- heit, die wir schützen, die wir stärken wollen, auch um worten finden, und er muss mit Vernunft, Augenmaß und das Gefühl der Unbeschwertheit, um die Gewissheit, in Verantwortung dort nachjustieren, wo dies nötig und Deutschland in einem sicheren und guten Land zu leben . möglich ist . Da hilft keine Vogel-Strauß-Taktik – einfach Wir meinen deshalb, wenn wir über innere Sicherheit, nur den Kopf in den Sand zu stecken und sonst nichts wenn wir über Freiheit und Sicherheit sprechen, auch den zu tun, bringt unser Land nicht weiter . Insofern brauchen nervösen Blick über die Schulter, wenn jemand nachts wir weitere gesetzliche Verbesserungen . Ich will Ihnen durch einen Park läuft, das ungute Gefühl, das eine Fami- dies an wenigen Beispielen deutlich machen . lie bei einem Aufenthalt in einem Kaufhaus beschleichen Für uns als Union ist klar: Terrorwerbung ist kein (B) mag, oder die Sorge, ob die Wohnung ausreichend ver- Grundrecht, sondern strafwürdig . Wer für Terrorvereini- (D) schlossen ist, wenn wir in den Urlaub fahren . gungen oder andere extremistische Organisationen Sym- Wir haben in der Frage, wie wir Sicherheit in diesem pathie äußert und für sie wirbt, muss bestraft werden . Um Land gewährleisten, ganz unterschiedliche Auffassun- potenzielle Anhänger gerade auch in unserem Land an- gen. Die Linkspartei ist der Auffassung: Wir gewähr- zusprechen, sind Terrororganisationen zunehmend auch leisten Sicherheit, indem wir die Nachrichtendienste auf Twitter, auf , auf Instagram und andernorts abschaffen. Die Grünen sind der Auffassung: Wirge- aktiv . Die Werbung für solche Organisationen ist mit währleisten Sicherheit, indem wir alle Maßnahmen, die unserer Werteordnung so absolut unvereinbar, dass sie auf mehr Sicherheit abzielen, ablehnen und bekämpfen . aus sich heraus strafbar sein muss, auch ohne kompli- zierte vereinsrechtliche Verbote . Dies gilt nicht nur für (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE islamistischen Terror, sondern auch für rechtsextremis- GRÜNEN]: Wo haben Sie das denn her?) tische Gruppen, die über das Internet Werbung für ihre Für uns als Union ist das Verständnis klar: Uns geht es unseligen Positionen machen . Insofern möchten wir Sie, darum, dass wir einen starken Staat, einen handlungsfä- Herr Bundesminister Maas, bitten, in diesem Punkt Ihre higen Staat haben zum Schutz der Schwachen unserer ablehnende Haltung noch einmal zu überdenken, damit Gesellschaft, völlig egal, ob das die Opfer von islamisti- wir zu einer besseren Regelung kommen . schem Terror sind oder Flüchtlinge, gegen die der braune (Beifall bei der CDU/CSU) Mob wütet . Ich nenne andere Bereiche, etwa die Ermittlungsmög- (Beifall bei der CDU/CSU) lichkeiten unserer Sicherheitsbehörden im digitalen Be- reich, ich nenne auch den Verlust der Staatsbürgerschaft Wir haben in dieser Legislaturperiode viel erreicht, bei Doppelstaatern, wenn diese im Ausland für eine Ter- damit wir in Deutschland frei und sicher leben können . rororganisation kämpfen und sich von unserer Werteord- Ja, Deutschland ist eines der sichersten Länder über- nung fundamental und abschließend verabschieden . Herr haupt . Dennoch nehmen die Bedrohungen zu, und des- Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat im August halb brauchen wir weitere Maßnahmen . Was sind die eine ganze Reihe von fachlich gebotenen Vorschlägen Schlüssel für mehr Sicherheit in Deutschland? Es ist gemacht, die für unseren Koalitionspartner politisch zu- ein Dreiklang: mehr Polizisten, bessere Ausrüstung und mutbar sein sollten – sie überfordern niemanden . bessere gesetzliche Möglichkeiten . Die besseren gesetz- lichen Möglichkeiten zu schaffen, ist eine Kernaufgabe Wir müssen – neben diesen gesetzlichen Maßnah- der Rechtspolitik . Hier haben wir in dieser Legislaturpe- men – in der Rechtspolitik auch die richtigen Signale riode viel erreicht . aussenden, was den Stellenwert der Polizistinnen und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18369

Dr. Stephan Harbarth (A) Polizisten anbelangt, die mit ihrer hervorragenden Arbeit Sexualstrafrechts, die wir vor wenigen Wochen beschlos- (C) und ihrem großen Einsatz entscheidend zur inneren Si- sen haben, können wir stolz sein . Der Referentenentwurf cherheit in Deutschland beitragen . Dies beginnt mit dem des Bundesjustizministeriums war noch relativ weit von Respekt, den wir ihnen entgegenbringen . einem modernen Sexualstrafrecht entfernt . Dass wir ein solches gemeinsam umsetzen konnten, ist in besonde- (Beifall bei der CDU/CSU) rer Weise das Verdienst der Kolleginnen aus den beiden Dies gilt auch – ich muss es leider ansprechen – für die Fraktionen von CDU/CSU und SPD . Ihnen gilt dafür Frage, wie die Vorsitzende des Rechtsausschusses sich mein herzlicher Dank . über Polizisten äußert . Im Anschluss an die schlimme Tat (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- in Würzburg galt ihre Sorge dem Täter, der mit einer Axt ordneten der SPD) durch den Regionalzug lief, um möglichst viele Men- schen zu töten oder zu verletzen . Noch nicht gelöst haben wir die Frage, wie wir in Deutschland mit Kinderehen umgehen . Wir müssen da- (Zuruf des Abg . Volker Beck [Köln] [BÜND- von ausgehen, dass es in Deutschland über 1 000 verhei- NIS 90/DIE GRÜNEN]) ratete minderjährige Mädchen gibt, denen das Recht auf Ihre erste vorwurfsvolle Frage war, ob die Polizei den Selbstbestimmung und das Recht, über ihren Ehepartner Täter nicht lediglich angriffsunfähig hätte machen kön- selbst zu entscheiden, vorenthalten wird, und dies kann nen, statt ihn in einer Nothilfesituation zu erschießen . Ich unsere Rechtsordnung nicht hinnehmen . Wir als Union glaube, wir tun als Politiker gut daran, wenn wir nicht nur haben deshalb schon Anfang August erste Vorschläge aus unseren gewärmten Sesseln heraus solche Materien unterbreitet . Wir haben in der vergangenen Woche ein beurteilen, Eckpunktepapier beschlossen . Sie haben im Bundesjus- tizministerium eine Expertenkommission etabliert, die in (Zuruf des Abg . Volker Beck [Köln] [BÜND- dieser Woche zusammengekommen ist . Wir haben gegen NIS 90/DIE GRÜNEN]) eine solche Arbeitsgruppe keine Einwendungen, aber sondern uns einmal einen Moment in die Situation ei- wir haben die Sorge, dass die Arbeit nicht schnell genug ner Polizistin oder eines Polizisten hineinversetzen, der geht . Für uns ist es wichtig, dass wir zügig zu Lösungen im Bruchteil einer Sekunde eine solche Entscheidung zu kommen im Sinne dessen, was wir vorgeschlagen haben . treffen hat. Denn wir sind der festen Überzeugung: Ein zwölfjähri- ges Mädchen gehört nicht in die Ehe, es gehört in die (Beifall bei der CDU/CSU) Schule . Für ein zwölfjähriges Mädchen, das in einer ihm Die Polizei hat Anspruch auf die Solidarität der Politik aufgezwungenen Ehe gefangen ist, ist jeder Tag in dieser Ehe ein Tag zu viel . Deshalb sollten wir als Fraktionen (B) auch dann, wenn es ernst wird . Unsere Polizistinnen und (D) Polizisten, die uns und unsere Gesellschaft jeden Tag mit von CDU/CSU und SPD zusehen, dass wir gemeinsam Mut und Courage und unter Inkaufnahme persönlicher rasch zu einer Lösung kommen . Risiken für ihr Leben, für ihre Gesundheit schützen, ver- (Beifall bei der CDU/CSU) dienen Rückhalt statt unterschwelliger Unterstellungen . Wir sollten dies auch deshalb tun, weil wir anhand dieses Ich möchte Ihnen, Herr Bundesjustizminister, sagen, Beispiels die Frage, nach welchen Spielregeln wir un- dass es unsere Fraktion in der Sommerpause irritiert hat, sere Gesellschaft organisieren, konkret zu beantworten wie Sie oder Ihr Team Lob für eine Musikband ausge- haben . Organisieren wir unsere Gesellschaft nach den sprochen haben, die sich ansonsten durch Hass auf und Spielregeln, die wir hier haben, oder nach den Spielre- Ablehnung von Polizisten auszeichnet . Sie haben das geln, die jedermann in unser Land mitbringen kann? Un- sehr schnell korrigiert . Das war aus unserer Sicht richtig sere Antwort als Union ist klar: Wir wollen, dass Integra- und auch deshalb wichtig, weil wir in der Großen Koa- tion stattfindet auf Basis unserer Werteordnung, auf Basis lition gemeinsam seit vielen Jahren viel für den Stellen- des Grundgesetzes . Das wird in diesem Fall sehr konkret . wert der Polizistinnen und Polizisten in unserem Land tun . Wir müssen aber auch in diesem Bereich noch ein- Wir sind der Auffassung – Sie haben es angesprochen, mal zu gesetzlichen Verbesserungen kommen . Herr Bundesjustizminister, und ich teile Ihre Einschät- zung –: In der Rechtspolitik geht es auch immer um Ge- Wir beobachten seit Jahren mit großer Sorge, wie sich sellschaftspolitik . Deshalb ist es wichtig, dass wir über unsere Einsatzkräfte – das gilt nicht nur für die Polizei, die Frage diskutieren und entscheiden, wie wir mit Män- das gilt auch für das Rote Kreuz, das gilt für die Feuer- nern umgehen, die aufgrund ihrer Homosexualität ver- wehr – einer wachsenden Welle der Gewalt ausgesetzt folgt und verurteilt wurden. Ich bin aber auch der Auffas- sehen . Die Union hat hier klare Vorstellungen, wie man sung, dass wir Gesellschaftspolitik nicht auf diese Frage die Einsatzkräfte auch durch Änderungen im Strafrecht reduzieren können . Es geht in der Gesellschaftspolitik besser schützt . Wir möchten Sie und auch die Kollegin- und deshalb auch in der Rechtspolitik um die Frage, wie nen und Kollegen der SPD sehr herzlich bitten, in den wir mit den großen Herausforderungen der Integration verbleibenden Monaten der Legislaturperiode mit uns umgehen . gemeinsam an einem Strang zu ziehen . Die Polizei hätte es wahrlich verdient . Es ist heute vielfach zu Recht gesagt worden: Die Bur- ka ist keine Frage der inneren Sicherheit, die Burka ist Lassen Sie mich kurz zwei andere Themen anspre- eine Frage der Integration, der Werteordnung . Ich wür- chen, die für die Rechtspolitik des Jahres 2016 von de mir wünschen, dass wir uns auch in der Rechtspolitik großer Bedeutung waren oder sind . Auf die Reform des und im Bundesjustizministerium der Verantwortung, die 18370 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Dr. Stephan Harbarth (A) Frage der Integration auch im Rahmen der Gesellschafts- Schauen wir uns die Mietpreisbremse an, die der Kol- (C) politik zu beantworten, verstärkt stellen . Ich glaube, dann lege Petzold hier schon angesprochen hat . Das war eine haben wir die Chance, gemeinsam einiges erfolgreich Idee der Grünen und des Mieterbundes . Sie haben da- hinzubekommen . Wir als Union stehen dafür gerne be- raus im gemeinsamen Vorgehen mit der CDU, speziell reit . mit Herrn Luczak – ich denke, die ganze CDU steht da- hinter –, ein untaugliches Gesetz gemacht . Ich sage es Vielen Dank . Ihnen ganz ehrlich: Den Änderungsantrag, in dem wir (Beifall bei der CDU/CSU) alle Fehler, die wir schon identifiziert hatten, aufgeführt haben, haben Sie damals mit Verve abgewiesen . Sie ha- ben gesagt: „Nein, das ist ein gutes Gesetz; ab sofort gibt

Vizepräsidentin Petra Pau: es bezahlbare Mieten“, und uns ein bisschen gedisst . Sie Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die Frak- haben sogar in einem Interview mit der Neuen Juristi- tion Bündnis 90/Die Grünen . schen Wochenzeitung, Ausgabe vom 2 .September 2016, noch gesagt: Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warten wir doch erst einmal ab, wie sich die Miet- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Mi- preisbremse entwickelt . nister Maas, Sie haben Ihre Rede beendet mit dem Satz: „Wir schaffen das alles mit dem kleinsten Etat“. Ich glau- Es folgt aber, weil Wahlkampf ist, sogleich eine an- be, es ist klar, dass wir in der Haushaltsdebatte immer dere Initiative nach dem Motto: Ich, Herr Maas, bin der über zwei Ebenen sprechen, zum einen über den Etat im Einzige, der bereit ist, hier Änderungen vorzunehmen .– engsten Sinne und zum anderen darüber, was in diesem Ich hoffe, das ist nicht wieder nur eine Eintagsfliege, nur Feld materiell getan worden ist und was für die nächste eine Ankündigung. Ich hatte gehofft, dass Sie die CDU Zeit vorbereitet wird . Herr Minister Maas, ich will Ih- an dieser Stelle zum sozialen Handeln bewegen . Es wäre nen eines sagen: Ich glaube, dass Sie in den vergangenen gut gewesen, wenn Sie die Geschichte schon vor einem drei Jahren viel öffentlichen Erfolg hatten. Respekt, das Jahr zu Ende ausgefochten hätten . haben Sie gut gemacht! Wahrscheinlich war kaum einer, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN außer der Kanzlerin, so oft in der Presse; aber das ist für sowie bei Abgeordneten der LINKEN) meine Begriffe noch lange nicht identisch mit seriöser, guter und liberaler Justiz- und Verbraucherpolitik . Ein Werkzeug, das keiner benutzen kann – ich habe als Mieter kein Auskunftsrecht, kann die Rüge also nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN formulieren –, macht keinen Sinn . und bei der LINKEN) (B) Mir fehlt der rote Faden in Ihrer Rechtspolitik . Die (D) Sie haben in die Gesetzgebungsverfahren einen Mei- Vorratsdatenspeicherung bezeichneten Sie zunächst als lenstein eingeführt, den viele von uns noch gar nicht grundrechtswidrig, aber dann haben Sie doch mitge- kannten: Vor dem Referentenentwurf wird ein Eckpunk- macht . Bei TTIP und CETA frage ich mich: Wo sind Sie tepapier vorgelegt, mit dem suggeriert wird, der Inhalt eigentlich? Hier wird Ordnungspolitik, die Aufgabe der würde schon nächste Woche im Bundesgesetzblatt ste- Parlamente und der Exekutive ist, durch Handelsverein- hen . Wir führen im Ausschuss sogar schon Anhörungen barungen ersetzt . zu Eckpunktepapieren durch, und zwar in der Hoffnung, dass später nicht noch eine Anhörung kommt . Sie entfal- (Dr . [CDU/CSU]: Das ist ja ten damit eine gewisse mediale Wucht . Das ist eine Art ganz neu!) Öffentlichkeitsarbeit; daraus ist aber noch keine liberale So ist es doch in Wahrheit . Lesen Sie einmal, was Herr Rechtspolitik hervorgegangen, daraus ist noch nicht Re- Grillo dazu noch letzte Woche gesagt hat . Er hat gesagt: alität geworden . Es geht nicht um das Ankündigen von Wir können die ganze Welt mit unseren Werten beglü- Gesetzen, sondern darum, dass sich real etwas ändert, cken .– Das macht man doch nicht mittels bilateraler dass neue Regeln gelten . Ich will ein paar Beispiele nen- Handelsabkommen zwischen den USA bzw . Kanada und nen, bei denen mir das einfach zu wenig ist: Europa . Das ist nicht demokratisch . Das ist auch materi- ell bezüglich der Verbraucherrechte nicht demokratisch . Es geht um Schutz und Respekt vor Menschen . Sie Was ist diesbezüglich eigentlich Ihre Position? haben mit einer gewissen Wucht eine Facebook-Initia- tive gestartet: Den Hass stoppen .– Das wollen wir hier (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eigentlich alle, denke ich . Aber was ist diesbezüglich sowie bei Abgeordneten der LINKEN – passiert? Es muss ja dringend etwas passieren . Vielleicht Dr .Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sie sind halten wir diese Shitstorms von AfD-, Pegida- und an- antieuropäisch!) deren Leuten aus . Aber wie sollen andere Menschen, die – Nein, das hat gar nichts mit „antieuropäisch“ zu tun . Ich sich irgendwo ehrenamtlich engagieren, zum Beispiel für glaube, ich bin im Zweifelsfall europäischer als Sie . Das Flüchtlinge, das aushalten? Da war viel PR, aber es ist Vorsorgeprinzip – Transparenz demokratischer Entschei- gar nichts passiert . Zumindest erhalte ich auf mein mo- dungsprozesse und Transparenz für die Kunden – muss natelanges Nachfragen bei Facebook, ob ich in das Büro, hochgehalten werden . Das tun TTIP und CETA nicht . Da in dem diese Kontrollen durchgeführt werden, gehen lassen wir uns nicht hinter die Fichte führen . könne, bis heute ein Nein . Auch wenn ich bei Facebook reinschaue, habe ich das Gefühl, dass nicht viel passiert (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist . Das sind alles nur Ankündigungen . sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18371

Renate Künast (A) Es geht um einen Straftatbestand nach dem anderen, (SPD): (C) zum Beispiel um das Doping . Bei all den Millionen bis Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Milliarden, die da fließen, sollen wir jetzt für die Integri- und Kollegen! In den letzten Haushaltsverhandlungen tät des Sportes noch die knappen Ressourcen von Polizei, mussten wir viel und intensiv über das Deutsche Patent- Staatsanwaltschaften usw . nutzen . Es gibt immer mehr und Markenamt sprechen . Dazu ist heute noch nichts ge- Ideen, zum Beispiel beim Einbruchdiebstahl, Strafen für sagt worden, und ich finde es gut, dass wir nicht mehr Verbrechen zu erhöhen, um Zugang zu Ermittlungsme- darüber reden müssen . Wir haben viel getan . Wir haben thoden zu haben . Wir bitten Sie, Herr Minister: Erheben eine hohe Zahl zusätzlicher Patentprüfer eingestellt . Sie das Wort an dieser Stelle! Stehen Sie für eine gewisse Wenn wir uns den Haushalt heute genauer ansehen, dann rechtliche Liberalität, und schützen Sie die Grundrechte! sehen wir, dass die Anzahl der Anträge weiterhin steigt . (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deutschland bleibt das Land der Innovationen . Auch die sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Einnahmen steigen . Dies stelle ich an den Beginn meiner Haushaltsrede, weil die Einnahmen, die wir im DPMA Wir müssen an dieser Stelle auch darauf hinweisen, erzielen, dafür sorgen, dass die Deckungsquote im Justiz- dass Sie im Verbraucherbereich über viel gesprochen, haushalt mittlerweile bei 74 Prozent liegt, und uns Spiel- aber wenig umgesetzt haben . Wissen Sie, es ist gut, dass räume für andere Dinge schaffen. wir die Marktwächter und die Sachverständigenräte ha- ben . Aber wir müssen zum Beispiel auch die Dispozin- Ich bin froh, dass sich – der Justizminister hat es ge- sen regeln . Die Stiftung Warentest spricht von fehlenden rade gesagt – das Finanzministerium und das Justizmi- nennenswerten Auswirkungen für die Kunden . Das Ver- nisterium bereits im Vorfeld auf eine Stärkung der Gene- bandsklagerecht hat viel zu viele und viel zu hohe Hür- ralbundesanwaltschaft verständigen konnten . Wir reden den . Zur Umsetzung der CSR-Richtlinie sage ich: Im Re- viel über innere Sicherheit, aber oft unter der Maßgabe ferentenentwurf ist bisher alles Wischiwaschi, und es gilt der Polizei . Wie Heiko Maas gerade gesagt hat: Am Ende nur für wenige Unternehmen . Wie soll sich der Kunde geht es auch um die Justiz . Es reicht nicht aus, nur über denn da informieren? Musterfeststellungsklagen werden die Polizei zu sprechen . Wir müssen auch die Justiz stär- angeboten . Wir haben immer gesagt, dass es an der Stel- ken, damit die Sprache des Rechtsstaates deutlich wird: le eine Sammelklage geben muss . Was, wenn nicht der Wer sich nicht an Recht und Gesetz hält, der muss zwei- VW-Skandal, hat uns dies deutlich gemacht? fellos wissen, dass er verfolgt und am Ende für seine Manchmal denke ich, Ihre Ankündigungen, Herr Straftat haftbar gemacht wird . Dafür setzen wir uns auch Maas, verschwinden in schwarzen Löchern in Ihrem in diesen Haushaltsverhandlungen ein . Ministerium . Da wird ja gemeinhin Materie aufgesogen . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (B) Sie haben sich auch zu vielen anderen Dingen nicht ge- (D) der CDU/CSU) äußert, bei denen wir die Stimme eines Verbrauchermi- nisters, der Sie nun einmal auch sind, erwarten würden . Dass Strafverfolgung auch fehllaufen kann, haben Zum Beispiel sollten Sie etwas zum Bereich Bekleidung wir hier heute schon thematisiert . Ich bin froh, dass der sagen . Verbraucher und Kunden sind Wirtschaftsteilneh- Minister noch einmal angekündigt hat, dass wir eine mer, die mit Rechten ausgestattet sind . Herr Maas, wo Regelung für diejenigen finden müssen, die nach § 175 kämpfen Sie dafür? StGB verurteilt wurden. Ich finde, das ist ein Beispiel für einen strafrechtlichen Unrechtstatbestand, den wir im Vizepräsidentin Petra Pau: Gesetz hatten . Eine Strafe für einvernehmliche gleichge- Frau Kollegin . schlechtliche sexuelle Handlungen – die Urteile gelten bis heute – ist für einen Rechtsstaat völlig inakzeptabel . Ich bin froh, dass wir das Thema angehen und dass wir Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): diese Menschen endlich rehabilitieren . Dies geschieht ei- Ich sage Ihnen – Schlusssatz –: In Zeiten von gentlich viel zu spät . Wir sind gerne bereit, das auch in Leutheusser-Schnarrenberger, Herta Däubler-Gmelin den Haushaltsverhandlungen zu flankieren. oder Hans-Jochen Vogel war mehr Liberalität . Ich bitte Sie: Erheben Sie die Stimme für das Recht! Ich bin si- Wenn wir schon bei dem Thema sind, vielleicht noch cher, man darf – das erlaubt auch die Polizei – 24 Stun- einen Satz, der auch dazu gehört: Wir als SPD würden den am Tag die Stimme erheben . Ein Minister der Justiz uns wünschen, dass die große Mehrheit, die es, glaube wird nicht an der Anzahl seiner Gesetzentwürfe gemes- ich, über alle Fraktionen hier im Hause dazu gibt, endlich sen, sondern an ihrer Qualität . Ihr Motto sollte heißen: genutzt wird, um Schluss zu machen mit der Diskrimi- Klasse statt Masse . nierung von sich liebenden Menschen und sich für die Ehe zu öffnen. Das müssen wir endlich angehen. Ich fin- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN de, es ist nicht mehr ertragbar, dass wir hier immer noch sowie bei Abgeordneten der LINKEN) keine Regelung gefunden haben .

Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Renate Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dennis Rohde Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ma- das Wort . chen Sie doch mal eine Anhörung! Wir haben unseren Gesetzentwurf doch schon seit hun- (Beifall bei der SPD) dert Jahren!) 18372 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Dennis Rohde (A) Wir haben beim Verbraucherschutz einen Paradig- Caren Lay (DIE LINKE): (C) menwechsel eingeleitet: von einer reagierenden hin zu Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und einer agierenden Verbraucherpolitik, die die Probleme Herren! Verbraucherschutz war noch nie eine Herzens- im Vorfeld erkennt, bevor sie skandalisiert werden . Um angelegenheit dieser Koalition . Deswegen ist Ihnen der dieses Thema anzugehen, haben wir die Marktwächter Verbraucherschutz leider auch nicht viel wert . Schauen auf den Weg gebracht; sie sind heute schon angesprochen wir in den Haushalt: In diesem Jahr setzen Sie noch eins worden. Ich finde, die Zwischenbilanz der Marktwäch- drauf . Im letzten Jahr gab es immerhin noch 46 Millio- ter kann sich sehen lassen . Seit März 2015 gab es 6 800 nen Euro . Dieses Jahr sind es gerade einmal 37 Millionen auffällige Verbraucherbeschwerden. Es wurden in zwölf Euro, die diese Bundesregierung für den Verbraucher- Fällen rechtliche Schritte eingeleitet, es wurden sechs schutz ausgeben will . Das ist gerade einmal ein Siebtel Verbraucherwarnungen ausgesprochen, und es wurden der Summe, die der Wirtschaftsminister auf Kosten der siebenmal umfassende Untersuchungen, zum Beispiel Verbraucherinnen und Verbraucher einstreicht; denn das bei Graumarktprodukten im Lebensversicherungsbereich Geld für die Kartellstrafen, das Unternehmen zahlen oder bei Vergleichsportalen, auf den Weg gebracht . Die müssen, wenn sie auf Kosten der Verbraucherinnen und Marktwächter führen dazu, dass Verbraucher früher und Verbraucher illegale Preisabsprachen getroffen haben, umfassender informiert werden . Die Marktwächter sind bekommen die Verbraucherinnen und Verbraucher kei- heute schon eine Erfolgsgeschichte . Ich würde mir wün- neswegs zurück . Nein, es versackt im Haushalt des Wirt- schen, dass wir sie auf weitere Bereiche ausdehnen . schaftsministers . Wir sagen: Wenn dieses Geld in den Verbraucherhaushalt fließen würde und es somit wenigs- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tens indirekt den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu- Ein Thema, das die Verbraucherpolitik, aber gleich- gutekäme, dann wäre das ein erster Schritt . zeitig auch die Sozialpolitik betrifft, ist schon mehrfach (Beifall bei der LINKEN) angesprochen worden, und zwar das Mietrecht . Ich bin immer noch der festen Überzeugung: Gute mietrechtli- Noch schlimmer ist, dass sich die finanzielle Gering- che Regelungen sind auch Sozialpolitik . Im Kern geht schätzung des Verbraucherschutzes auch in Ihrer Politik es doch um die Frage: Können Menschen in ihrer Hei- niederschlägt, auch da, wo es nichts kosten würde . Zu mat wohnen bleiben, oder werden Städte, die heute für Abzocke durch Telefonwerbung kommt es weiterhin . alle offen sind, nur noch zu einem Ort für Wohlsituierte, Unseriöse Inkassodienste dürfen weiter überzogene Ge- während die arbeitende Mitte der Gesellschaft außen vor bühren einstreichen . Auch von einer Verbesserung der bleibt? Wenn wir heute feststellen müssen – wir haben ja Klagerechte, die Ihr Ministerium nach dem Betrug von schon direkt vor der Sommerpause darüber gesprochen –, Tausenden Autofahrern durch VW angekündigt hat, fehlt (B) dass die Gesetze, die wir auf den Weg gebracht haben, jede Spur . Die geprellten Verbraucher in den USA erhal- (D) um Mieterinnen und Mieter zu schützen, nicht so greifen, ten Schadensersatz; in Deutschland stehen sie weiterhin wie wir es uns wünschen würden, dann – das möchte ich im Regen . Sie fühlen sich als Kunden zweiter Klasse . hier noch einmal für die SPD-Fraktion deutlich machen – Das ist wirklich nicht hinnehmbar . müssen wir die Gesetze nachschärfen; denn es geht um (Beifall bei der LINKEN) mehr als nur um das Mietrecht . Es geht um eine soziale Kernfrage . Wir müssen uns diesen Fragen stellen, liebe Diese Koalition macht nicht nur keine gute Verbraucher- Kolleginnen und Kollegen . politik; sie macht gar keine Verbraucherpolitik . Das kön- nen wir nicht akzeptieren . (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der LINKEN) Der Einzelplan 07 hat eine enorme Tragweite . Wir re- den über das Patentwesen, über die Sicherheitslage, über Dinge vollmundig ankündigen, die nachher nicht die Herausforderungen für die Justiz, über die Freiheit kommen, das kennen wir auch von Ihrer Politik für Mie- der sexuellen Selbstbestimmung, über Marktwächter, terinnen und Mieter . Das ist besonders dramatisch; denn über das Mietrecht und damit letztlich auch über Sozi- die Mietenexplosion treibt nicht nur die armen Menschen alpolitik . Das ist eine Riesenspannbreite . Vor uns liegen aus den Innenstädten, sondern führt inzwischen auch zur spannende Verhandlungen . Ich möchte für die SPD an- Verarmung der städtischen Mittelschichten . Die Miet- kündigen: Wir werden versuchen, in den gerade von mir preisbremse wirkt leider nicht so, wie sie soll . Das zeigen skizzierten Themenbereichen die bestmöglichen Ergeb- alle Studien; Sie selbst haben eine davon zitiert . Selbst nisse für die Menschen in unserem Land zu erzielen . hier in Berlin, dort, wo die Mietpreisbremse eingeführt wurde, gibt es Mietsteigerungen von 17 Prozent in nur Vielen Dank . einem einzigen Jahr . (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich weiß, dass viele der Fehler in diesem vermurksten der CDU/CSU) Gesetz von der CDU durchgesetzt wurden . Wirklich dra- matisch finde ich aber, dass nicht nur ich, sondern auch alle anderen Rednerinnen und Redner der Opposition hier Vizepräsidentin Petra Pau: vor eineinhalb Jahren im Vorfeld der Beschlussfassung Das Wort hat die Kollegin Caren Lay für die Fraktion gesagt haben, dass dieses Gesetz so nicht funktionieren Die Linke . wird, und Sie all unseren Argumenten mit einer unglaub- lichen Arroganz begegnet sind . Sie haben mir persönlich (Beifall bei der LINKEN) und Frau Künast vorgeworfen, wir wären frustriert und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18373

Caren Lay (A) hätten selber kein besseres Gesetz gemacht . Falsch, Herr haben Sie das schon wieder getan . Seitdem rennt die (C) Maas! Das, was wir als Linke damals kritisiert haben, CDU/CSU aber Sturm dagegen . Zur Strafe blockiert die ist leider eingetreten . Hätten Sie damals nicht alle unse- SPD ein Gesetz aus dem Hause Schäuble, ein zugege- re Warnungen in den Wind geschlagen, dann würden die benermaßen sinnloses Gesetz, mit dem der Neubau von Mieterinnen und Mieter Ihnen das heute danken . Mietwohnungen steuerlich beschenkt werden sollte . Kein Mensch weiß, ob auch nur eines dieser Gesetze je- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- mals das Licht der Welt erblicken wird . Ich fürchte: lei- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der nein . Sie haben damals gesagt – Zitat –, das wirklich Meine Damen und Herren, die Leidtragenden dieses schrägste Argument sei, dass die Mietpreisbremse um- Koalitionsknatsches sind die Mieterinnen und Mieter . gangen werden wird . Man muss nur einmal die Süddeut- Die Spekulanten können weiter ungestört die Lücken sche Zeitung vom letzten Wochenende aufschlagen . Eine im Mietrecht nutzen . Sie modernisieren am Ende näm- Überschrift lautete: „Vermieter umgehen Preisbremse lich nicht die Wohnungen, sondern sanieren ihre eigenen mit möblierten Wohnungen“ . Das ist übrigens nur eine Konten. Ich finde das völlig unakzeptabel. von vielen Ideen, die die Vermieter entwickelt haben, um die Mietpreisbremse zu umgehen . In diesem Fall stellen (Beifall bei der LINKEN) sie einfach ein paar Möbel in die Wohnung . Die SPD-Fraktion hat jetzt gefordert, die Mietpreis- Vizepräsidentin Petra Pau: bremse nachzubessern . Sie haben sich vorhin und auch Kollegin Lay, Sie müssen zum Schluss kommen . in der Presse offen dafür gezeigt, Ihr eigenes vermurkstes Gesetz nachzubessern . Das alles geschah zufällig zwei Caren Lay (DIE LINKE): Wochen vor den Wahlen in Berlin . Glauben Sie eigent- Ich komme zum Schluss .– Herr Minister Maas hat lich ernsthaft, dass das den Bürgerinnen und Bürgern eine gute Presseabteilung, aber leider nur wenig Durch- nicht auffällt? setzungskraft . Das kommt mir bekannt vor . Ihre Vorgän- (Dennis Rohde [SPD]: Wir haben schon vor gerin, Verbraucherministerin Aigner, hatte sich den Titel der Sommerpause darüber diskutiert! Sie ha- „Ankündigungsministerin“ redlich verdient . Ich erlaube ben selber gesprochen!) mir, auch Ihnen diesen Titel heute feierlich zu überrei- chen . Das gilt genauso für die Bundesratsinitiative aus Berlin . Das ist ja schön und gut, aber im Bundesrat wurde sie in Vielen Dank . die Ausschüsse verwiesen; böse Geister sagen: Sie wurde (Beifall bei der LINKEN) (B) versenkt . Hauptsache, es hat in allen Zeitungen gestan- (D) den! Vizepräsidentin Petra Pau: Ich sehe, ehrlich gesagt, auch keinerlei Anzeichen da- Das Wort hat die Kollegin für die für, dass Ihr Koalitionspartner, die CDU/CSU, bereit ist, CDU/CSU-Fraktion . Ihnen hier irgendwo entgegenzukommen . Ich habe heute hier noch nichts von „Mietern“ gehört; es wurde nur über (Beifall bei der CDU/CSU) so weltbewegende Sachen wie das Burkaverbot disku- tiert . Das ist doch gerade das Kernproblem: Die CDU/ Mechthild Heil (CDU/CSU): CSU macht keine Politik für Mieterinnen und Mieter, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und sondern Politik für Kapitalanleger . Das muss sich end- Kollegen! Mit 735 Millionen Euro ist der Etat des Minis- lich ändern . teriums der Justiz und für Verbraucherschutz mit Abstand (Beifall bei der LINKEN – Dr . Jan-Marco der kleinste, und, Frau Lay, da haben Sie vollkommen Luczak [CDU/CSU]: Wir machen nachhaltige recht: Der Etat ist gegenüber dem Jahr 2016 sogar um Politik für Mieter und nicht um des kurzfristi- 10 Millionen Euro gesunken . Sie sagen, das sei ein Dra- gen Erfolges willen!) ma . Bei Ihnen gilt ja: immer mehr, immer größer, immer weiter – Hauptsache, viel Geld ausgeben . Für uns ist das Es soll nun auch mehr Auskunftsrechte für Mieter ge- überhaupt kein Drama; denn wir wissen: Geld ist nicht ben . Das alles ist schön und gut, einmal abgesehen da- das Wichtigste . Verbesserungen für Verbraucher und von, dass Sie bei Ihrer ersten Rede darüber vor andert- Verbraucherinnen erreicht man auf unterschiedlichen halb Jahren gesagt haben, die Auskunftsrechte würden Wegen . Wir haben in den letzten drei Jahren in vielen Be- ausreichen . Ich habe das extra noch einmal nachgelesen . reichen gezeigt, wie das geht, sei es im Finanzmarkt oder Auch damit wälzt man die Verantwortung am Ende auf im Bereich der Rechtsdurchsetzung, sei es bei der außer- die Mieterinnen und Mieter ab . Ich sage ganz klar: Wenn gerichtlichen Streitbeilegung oder beispielsweise beim diese sogenannte Mietpreisbremse wirken soll, dann Onlinekauf . Verbraucherschutz – das zeigt sich auch in müssen Sie die Löcher stopfen, dann müssen Sie endlich diesem Haushaltsplan – findet eben nicht nur im BMJV all die Ausnahmen abschaffen. Nur dann kann die Miet- statt . Auch andere Ministerien setzen verbraucherpoliti- preisbremse wirken . sche Schwerpunkte . Ich möchte einige Beispiele nennen: (Beifall bei der LINKEN) Im Verkehrsministerium werden jetzt 1,3 Milliarden Auch die Verbesserung der Mieterrechte künden Sie, Euro für den Breitbandausbau bereitgestellt . Ich selber ehrlich gesagt, seit November letzten Jahres an . Vorhin bin aus einem ländlichen Raum, meine Heimat ist weit- 18374 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Mechthild Heil (A) gehend ländlich geprägt . Ich weiß, dass schnelles Internet Fett- oder Zuckersteuer auf Lebensmittel . Es gibt die (C) ein Standortfaktor ist, für die Menschen, die dort woh- Versuche, in immer mehr Bereiche einzugreifen, in de- nen, aber auch für die Industrie und die Gewerbebetriebe . nen bisher jeder Bürger für sich entscheiden konnte . Da spreche ich nicht nur die Opposition an, sondern genauso Ein weiteres Beispiel: Auch im Landwirtschaftsminis- unseren Koalitionspartner . Wir sollten uns als Gesetzge- terium wird viel für Verbraucherinnen und Verbraucher ber nicht anmaßen, Verbrauchern vorzuschreiben, was getan . Viele Menschen sind bereit, für tierfreundlich er- sie zu wollen haben . Die Grünen haben das einmal mit zeugte Produkte mehr Geld auszugeben . Für bessere In- dem Veggieday versucht und sind damit untergegangen . formationen und eine schnelle und einfache Orientierung Aber auch die SPD denkt laut über Zwangsabgaben auf arbeitet das BMEL an einem staatlichen Tierwohllabel . vermeintlich ungesunde Lebensmittel nach . Im Finanzministerium wurde das Zahlungskonten- gesetz erarbeitet, das am 1 .September dieses Jahres in Ideen, die schnell ihren Weg in die Medien finden, Kraft getreten ist . Damit hat jeder einen Anspruch auf ein meist aber leider wenig durchdacht sind, gibt es nicht Basiskonto . Dafür haben wir ganz lange gekämpft . Auch nur bei unseren politischen Mitbewerbern. Wir finden sie der Kontowechsel wird deutlich erleichtert . So können heute – keine Frage – auch bei vielen NGOs . Die nicht- jetzt Daueraufträge und auch Lastschriftverfahren in ei- staatlichen Organisationen erfüllen eine wichtige Aufga- nem Schritt innerhalb von 14 Tagen von einer Bank auf be für unsere Gesellschaft; aber leider werden manche eine andere Bank transferiert werden . dieser Verantwortung nicht gerecht . Die Frage nach den Gründen mag jeder für sich selbst beantworten . Gute Verbraucherpolitik muss nicht immer viel Geld kosten . Das zeigt sich zum Beispiel – Frau Künast hat Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Foodwatch . Foodwatch es angesprochen – an der Internetseite Siegelklarheit de. . hat – wohl mit Spendengeldern finanziert; auch das ist, Dort können Sie sehen, was hinter den Siegeln in Ihrer man kann das nicht wissen, intransparent – eine Studie Kleidung steckt, ob Ihre Kleidung also nachhaltig produ- erstellt . Bei der Studie wurden über 400 zuckerhaltige ziert wurde oder eben nicht . Erfrischungsgetränke getestet . Foodwatch ist sehr gut in den Medien vernetzt . Über alle Kanäle werden solche ( [SPD]: Ja!) Studien verbreitet . Man könnte aus der Politik heraus sa- Diese Liste ließe sich unendlich fortführen . Das zeigt gen, dass das beneidenswert ist . Wenn man sich dann aber eindrucksvoll: Verbraucherpolitik ist eine Querschnitts- die Aussage der Studie ansieht, reibt man sich die Augen aufgabe, die wir sehr ernst nehmen . Das spiegelt sich in und kann sich nur wundern . Die Aussage ist: Limonade den verschiedenen Haushaltsplänen wider . beinhaltet zu viel Zucker . Liebe Freunde von Foodwatch, dafür braucht man keine Studie . Es ist gerade das Wesen (Beifall bei der CDU/CSU) (B) von Limonade, dass sie ein zuckerhaltiges Getränk ist . (D) Die Menschen erkennen das an . Das EU-Verbrau- Es steht sogar auf jeder Flasche, wie viel Zucker drin ist . cherbarometer zeigt eine positive Entwicklung . Die Zu- Also, was soll das? Studien mit dem Ergebnis „Wasser ist friedenheit der Verbraucher ist seit der Einführung des zu nass“ oder „Butter ist zu fett“ brauchen wir nicht . Im Barometers im Jahre 2008 deutlich gestiegen, und das Gegensatz dazu brauchen wir NGOs, die Verantwortung ist gut so . Das ist der Lohn unserer Anstrengungen, der für die Gesellschaft übernehmen, Themen und Vorgänge Anstrengungen der Unternehmer, der Verbände und auch kritisch bewerten, dabei aber nicht das eigene Profil und von uns aus der Politik . In dem Barometer wird aber auch die Verunsicherung der Menschen in den Mittelpunkt aufgezeigt, dass es hier und da noch Handlungsbedarf stellen, sondern ganz einfach einen Erkenntnisgewinn . gibt, zum Beispiel auf dem Gebrauchtwagen- und dem Ob der Verbraucher eine große Menge an Schokolade Elektronikmarkt . Uns auf dem Erreichten auszuruhen, ist isst, vegan lebt, Limonade oder Milch trinkt, das macht für uns keine Option . Das wollen wir nicht . er aus freien Stücken . Unsere Aufgabe ist es, den Men- Wir sehen überall neue Erfindungen und neue Ideen. schen zu sagen: Hey, pass auf, übertreibe es nicht . Wenn Gerade im Bereich der Digitalisierung entstehen neue du mehr wissen willst: Hier sind die richtigen und wich- Möglichkeiten für den Verbraucher, aber daneben na- tigen Informationen in möglichst kurzer und einfacher türlich auch immer viele Risiken . Deswegen haben wir Form . uns gefragt: Reicht der bisherige Rechtsrahmen? Gibt (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: So einfach ist es Nebenwirkungen, die nicht erwünscht sind? Können das Leben nicht, Mechthild!) Verbraucher ihre Interessen wirklich durchsetzen, oder müssen wir nachsteuern? – Vorab möchte ich ganz klar Schaue es dir an, denke nach und treffe dann deine Ent- sagen: Dort, wo Verbraucher nicht auf Augenhöhe ent- scheidung .– Wir wollen eben nicht den besserwisseri- scheiden können, muss und soll die Politik eingreifen . schen Staat, sondern den Verbraucher auf Augenhöhe . Aber es gibt eben auch Tendenzen, die mir Sorgen be- (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Mit wem?) reiten: weg von dem „Wir trauen den Bürgern etwas zu“, hin zu dem „Der Staat weiß es besser“ . Es gibt jene, die Wir haben uns intensiv mit der Frage auseinanderge- auf der einen Seite mehr Mitentscheidung für alle Bür- setzt, wie sich unsere Gesellschaft verändert, wie sich ger fordern, aber auf der anderen Seite den Bürgern noch Wirtschaft und Verbraucher verändern und was das für nicht einmal zutrauen, zu entscheiden, was auf ihrem ei- unser Leitbild in der Verbraucherpolitik bedeutet . Unsere genen Teller ist oder wie sie ihr eigenes Geld anlegen . Ideen haben wir in einem Grundsatzpapier zusammen- Ideen gibt es genug: Verbot bestimmter Finanzproduk- gefasst . Ich kann Ihnen sagen: Die Grundsätze unserer te für den privaten Konsum oder die Einführung einer Politik werden sich nicht ändern . Sie haben Bestand, weil Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18375

Mechthild Heil (A) sie gut und richtig sind und sich auch bei den neuen He- folgen, dann könnte es ein gutes Jahr für den Verbrau- (C) rausforderungen bewährt haben . cherschutz und die Justiz werden . Es ist eine einfache Tatsache: Verbraucher sind ver- Vielen Dank . schieden . Es gibt nicht den einen Verbraucher, der alles weiß und versteht . So kann jemand in Gesundheitsfragen (Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast fit sein, aber vielleicht nicht im Internet. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ging mehr um Koalitionsstress als um die Verbraucher!) (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Deshalb gibt es den mündigen Verbraucher!) Vizepräsidentin : Er muss sich dennoch im Netz sicher bewegen können, Vielen Dank .– Das Wort hat jetzt der Kollege Hans- egal wie viel er davon versteht . Und wenn er sich nicht Christian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen . gut in Medizin auskennt, muss er natürlich vom Arzt gut behandelt werden . Das ist unser Anspruch, und darauf ist Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- unsere Verbraucherpolitik ausgerichtet . NEN): Schauen wir uns die fortschreitende Digitalisierung Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! an . Verbraucher müssen auch in diesem Bereich frei Liebe Zuschauer! Ich wollte eigentlich mit dem Minister entscheiden können, ob sie ihre Daten für eine Dienst- anfangen, aber es ist so viel über die Abwehr des interna- leistung preisgeben wollen oder nicht . Es gibt viele neue tionalen Terrorismus gesprochen worden, dass ich dafür Entwicklungen . Sehen Sie sich die Fitness-Apps an, die eine oder zwei Minuten opfern will . vielleicht zu günstigen Tarifen bei Krankenkassen oder Versicherungen führen . Es gibt den kostenlosen Face- Herr Harbarth hat sich dazu verstiegen, zu sagen: Un- book-Account . Viele Daten werden im vernetzten Auto sere Aufgabe als Rechtspolitiker ist es, im Kampf gegen oder bei Gewinnspielen gesammelt . Die EU-Daten- den internationalen Terrorismus Gesetze zu schaffen. schutz-Grundverordnung bietet sicherlich eine gute Ba- (Dr . Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Sehr gut! sis dafür, damit weiter umzugehen . Sie haben es verstanden!) Bei der Themenvielfalt, die ich hier angesprochen Muss nicht der erste Schritt sein, dass wir angesichts der habe, wird deutlich, wie sehr die Verbraucherpolitik eine schrecklichen Anschläge in der Sommerpause oder davor Querschnittsaufgabe ist . Die Themen des Verbraucher- in Brüssel und Paris wenigstens im Nachhinein erst ein- schutzes sind in vielen Ministerien und auch Behörden mal versuchen, zu analysieren, woran es lag, dass diese verankert . So haben wir das Aufsichtsziel des kollektiven schrecklichen Verbrechen nicht verhindert werden konn- (B) Verbraucherschutzes auch bei der BaFin verankert . Das ten? Fehlte damals ein Gesetz, und werden neue Geset- (D) zeigt: Der Verbraucherschutz rückt immer weiter in den ze – Sie haben vorhin auf Ihre ruhmreiche Gesetzgebung Fokus der staatlichen Aufsicht .Insofern ist es für die Ver- hingewiesen – solche Anschläge wie in Paris verhindern? braucherpolitik nicht so wichtig, wie viel Geld es gibt: Gute Verbraucherpolitik macht man mit einfachen und (Dr .Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Warum klaren Informationen, mit sauber erarbeiteten Erkennt- darf ein Gesetz erst durch einen Anschlag nissen aus der Forschung, mit guten Gesetzen und einer kommen?) funktionierenden Rechtsdurchsetzung . Wenn Sie das gemacht haben, dann werden Sie zu Herr Maas, Ihr Etat für Öffentlichkeitsarbeit ist im dem Ergebnis kommen – denn das sind inzwischen die letzten Jahr sehr angewachsen und wird auch in diesem Erkenntnisse aller Sicherheitsbehörden –, dass die An- Jahr nicht gekürzt. Sie wollen in die Öffentlichkeit, und schläge in Paris und Brüssel vor allen Dingen deshalb das sieht man . Aber das darf nicht dazu führen, dass Sie passieren konnten, weil es – in Deutschland ist es ein sich in laufende Verfahren einmischen . Politiker – gera- bisschen anders – am Vollzug von bestehenden Geset- de auch Minister – sollten während eines Strafverfahrens zen – Terrorismusabwehrgesetzen – und Zusammenar- keine vorschnellen Vorverurteilungen abgeben, sondern beitsverpflichtungen der Sicherheitsbehörden, und zwar dies immer den Gerichten überlassen . nicht der Geheimdienste, sondern vor allen Dingen der Polizeien der Länder, gemangelt hat . (Beifall bei der CDU/CSU) Insofern müssen wir fragen: Was können wir ma- Ihre Kollegin Frau Schwesig hatte mit ihren Äuße- chen? Warum ist es heute noch so, dass die Daten über rungen zum Fall Gina-Lisa Lohfink eindeutig Partei Verdächtige oder wegen terroristischer Taten Verurteil- ergriffen und genauso eindeutig Grenzen überschritten. te zum Beispiel bei Europol nicht eingespeist werden In Deutschland gibt es gute Gründe für die Gewaltentei- und dass sich noch mehr als die Hälfte der europäischen lung . Es ist Sache der unabhängigen Justiz, Personen zu Staaten weigern, die Daten in die bei Europol extra da- verurteilen oder freizusprechen . Politiker sind nicht die für geschaffenen Dateien einzugeben? Wäre es nicht viel besseren Richter . besser, dass man sich um den Vollzug kümmert und eine (Beifall bei der CDU/CSU) Konferenz aller Minister oder Fachleute einberuft, um zu besprechen, wie wir diese ganz konkreten Mängel, die Noch ein Wunsch zum Ende: Wenn Sie, Herr Minister erkannt wurden, beseitigen können? Maas, jetzt noch bei der anstehenden Umstrukturierung in Ihrem Haus den Bereich Verbraucherpolitik wirklich (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- stärken und nicht nur eine parteipolitische Strategie ver- NEN]: Das wäre sachgerecht!) 18376 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Hans-Christian Ströbele (A) Dann wären wir bei der Bekämpfung des internationalen in Zukunft Journalisten vor dem Vorwurf des Landesver- (C) Terrorismus einen Schritt weiter . rats besser schützen können . Wir müssen möglicherwei- se § 93 – Begriff des Staatsgeheimnis- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ses – anders formulieren .– Was ist seitdem geschehen? und bei der LINKEN – Dr .Patrick Sensburg Nichts! Ich könnte diese Liste beliebig fortsetzen . Aber [CDU/CSU]: Den Datenaustausch wollen wir leider läuft mir davon . schon lange!) Ich möchte Ihnen meinen letzten Gedanken, den ich Noch eine kleine Anmerkung zur doppelten Staats- für sehr wichtig halte, mit auf den Weg geben . Warum bürgerschaft und der Aberkennung oder Verwirkung der sagen Sie als Minister, der für die Einhaltung der Verfas- Staatsbürgerschaft: Wie kommen Sie eigentlich dazu, sung, des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutsch- den 4,2 Millionen Mehrfachstaatlern in Deutschland – land, zuständig ist, und als mediengewandter Mann in sie sind in allen Fällen, die ich kenne, in Deutschland den Medien nichts zu dem, was die Datenschutzbeauf- geboren oder zumindest zur Schule gegangen und aus- tragte in einem Gutachten über den BND niedergelegt gebildet worden und damit hier sozialisiert worden – zu hat, das in der Zeitung und auf netzpolitik org. zu lesen sagen, wenn sie unter Terrorismusverdacht stehen: „Ihr war? habt eure deutsche Staatsbürgerschaft verwirkt, und ihr müsst jetzt in ein anderes Land abgeschoben werden“? (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist geheim!) Wenn jemand zu vertreten hat, dass die Betreffen- Dort werden schwerste Gesetzesverletzungen, die über den so geworden sind, dann ist es die Gesellschaft in Jahre begangen wurden, und Grundrechtsverletzungen, Deutschland und sind es nicht die Länder, aus denen die die Tausende Menschen betreffen, angeprangert. Das Vorfahren der Betreffenden stammen oder in denen die Schlimmste ist, dass das weitergeht, obwohl die Daten- Betreffenden geboren wurden, bevor sie während der schutzbeauftragte das festgestellt und den zuständigen Schulzeit nach Deutschland gekommen sind . Für diese Behörden mitgeteilt hat . Menschen sind wir verantwortlich . Wir müssen sehen, wie wir uns und andere Länder vor solchen Menschen Vizepräsidentin Ulla Schmidt: schützen können . Herr Kollege Ströbele . Ich komme nun zu Ihnen, Herr Maas . Auch ich konze- diere Ihnen: Sie sind auf hervorragende Weise medienaf- Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- fin und medienpräsent. NEN): (Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist bei Ihnen ja Ein Satz . (B) ganz anders, Herr Ströbele!) (D) Aber genügt das? Manchmal ist das sogar schädlich . Es Vizepräsidentin Ulla Schmidt: ist schädlich, wenn Sie etwa in den Medien die Notwen- Das ist aber der letzte Satz . digkeit einer Reform im Bereich der Tötungsdelikte im- mer wieder hervorheben, einzelne Vorschläge machen, Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sachverständigenanhörungen durchführen und Kommis- NEN): sionen einberufen und wenn dann nichts geschieht . Sagen Sie der Öffentlichkeit, was Sie davon halten (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- und welche Konsequenzen dringend erforderlich sind . SES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich sage Ihnen voraus: § 211 Strafgesetzbuch, in dem es und bei der LINKEN) unter anderem um Mord aus Heimtücke geht und der si- cherlich geändert werden müsste, wird so bleiben, auch Vizepräsidentin Ulla Schmidt: wenn Sie nicht mehr Minister sind . So scheint es jeden- Als Nächster hat jetzt der Kollege Dr . Johannes falls zu sein . Fechner, SPD-Fraktion, das Wort . Sie und die Kanzlerin haben gesagt: Die Vorschrift (Beifall bei der SPD) über Majestätsbeleidigung ist überflüssig; diese werden wir abschaffen. Wir werden den Zeitpunkt festlegen, an Dr. (SPD): dem die Abschaffung in Kraft tritt. – Tatsächlich kommt Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nichts . Aus Ihrem Haus gibt es einen Referentenentwurf Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Wenn dazu, sonst nichts . Still ruht der See! Niemand erinnert wir heute in die Beratungen über den Justizhaushalt ein- sich mehr an § 103 Strafgesetzbuch, über den lange Zeit steigen, dann sprechen wir in der Tat im Vergleich zu an- diskutiert wurde . deren Ministerien über viel geringere Summen . Dass wir Ein anderes Beispiel ist das Whistleblower-Schutz- als Rechtspolitiker dennoch viel bewegen können, haben gesetz . Sogar die Koalitionsvereinbarung enthält dazu wir und insbesondere unser Justizminister in den letzten eine Passage . Auch Sie selber haben ein solches Gesetz drei Jahren dieser Legislaturperiode gezeigt . gefordert . Warum kommt von Ihnen nichts? Ein weite- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) res Beispiel ist die Landesverratsaffäre. Hier haben Sie einige Probleme, die nun wieder aufgetaucht sind . Sie Mit der Mietpreisbremse haben wir im Mietrecht haben gesagt: Wir müssen darüber nachdenken, wie wir eine Lücke geschlossen, damit Mieterhöhungen nicht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18377

Dr. Johannes Fechner (A) nur während eines laufenden Mietverhältnisses, sondern Bundestagskollegen der Union dem zustimmen . Gerade (C) auch bei Mieterwechsel gedeckelt sind; das war richtig in Berlin sind die Verbesserungen im Mietrecht für die und überfällig . Wir haben zudem die Mieter in den meis- Mieterinnen und Mieter ganz besonders wichtig . ten Fällen von Maklergebühren befreit . Da die Wirkung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Mietpreisbremse immer wieder in Zweifel gezogen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wird: Lesen Sie doch einmal, was über die Mietpreis- bremse geschrieben wird . Rechtspolitik ist in der Tat immer auch Gesellschafts- politik . Wenn die Gerichte in der Vergangenheit Men- Die FAZ schreibt schon im Dezember 2014: Miet- schen wegen abstruser Gesetze wie dem § 175 StGB in preisbremse wirkt flächendeckend. Die Berliner Zeitung seiner alten Fassung verurteilt haben, dann ist es Aufgabe schreibt: „Wohnen in Berlin: Die Mietpreisbremse wirkt des heutigen Gesetzgebers, also von uns, hier Abhilfe zu …“ Die Münchener Abendzeitung schreibt: „Mietpreis- schaffen, diese extremen Unrechtsurteile aufzuheben und bremse wirkt: Münchens Mieten bleiben stabil .“ Auch im damit die Menschen zu rehabilitieren, die oft ein Leben Hamburger Abendblatt ist davon zu lesen, dass in Ham- lang unter den Verurteilungen nach diesem unsäglichen burg die Mietpreisbremse wirkt . Ohne zu behaupten, dass Paragrafen gelitten haben . Ich freue mich, dass Minister wir hier nichts verbessern könnten, kann man, glaube ich, Maas im Oktober einen entsprechenden Gesetzentwurf sagen: Das war eine richtige und wichtige Maßnahme . vorlegen wird . Unser Job als Parlament wird es sein, im (Beifall bei der SPD) Haushalt Gelder vorzusehen, damit wir diese Menschen entschädigen können, wie wir es uns vorgenommen ha- Wir haben mit dem Gesetz gegen Doping ein wich- ben . tiges Instrument zur Bekämpfung von Doping im Sport geschaffen. Wir haben Verbraucherinnen und Verbrau- Die Rechtspolitik findet sich dabei immer im Span- chern mehr Rechte bei Bankgeschäften und Kreditver- nungsfeld zwischen den bürgerlichen Freiheitsrechten trägen gegeben . Wir haben die strafrechtlichen Lücken auf der einen Seite und der öffentlichen Sicherheit auf bei der Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswe- der anderen Seite . Wir in der SPD-Fraktion wollen, dass sen geschlossen . Wir haben die Frauenquote in den Auf- die Menschen in Freiheit und in Sicherheit leben können . sichtsräten geschaffen. Es stimmt, dass die Sorgen und Befürchtungen der Bür- ger vor Kriminalität zugenommen haben . Wir nehmen (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- diese Sorgen sehr ernst . Aber die Antwort auf diese Ver- NEN]: Das war ja nicht eure Erfindung!) unsicherung können nicht Scheinlösungen oder Schnell- Wir haben den strafrechtlichen Schutz von Kindern schüsse oder der immer wieder geäußerte Ruf nach här- vor sexuellem Missbrauch verbessert, wir haben ein teren Strafen sein . Nein, wir müssen die Kriminalität (B) modernes Sexualstrafrecht geschaffen und Strafrechtslü- effektiv bekämpfen. (D) cken auch hier geschlossen . Sexueller Missbrauch wird Wir brauchen deshalb nicht den Straftatbestand der zukünftig lückenlos strafrechtlich verfolgt werden . Kurz- Sympathiewerbung . Schon heute ist es strafbar, für Ter- um: All das sind große Erfolge der SPD-Fraktion und rororganisationen zu werben . Natürlich ist es schlimm, von Minister Maas . wenn in Wohnungen eingebrochen wird, aber der ef- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- fektivste Schutz ist, dass wir Investitionen in die Si- NEN]: Da steckst du dir aber viele fremde cherungstechnik stärker fördern, wie wir es im letzten Federn an!) Haushalt durchgesetzt haben . Wir meinen, dass wir im Haushalt 2017 diese Beträge deutlich erhöhen sollten . Wir haben die Verbesserungen für die Bürger durch- gesetzt, gelegentlich gegen den Widerstand unserer po- Wir alle waren sicherlich von den Anschlägen in Mün- litischen Lebensabschnittsgefährten . Aber wir haben das chen geschockt . Aber um unsere Bevölkerung vor Terror gemacht, weil das alles richtige Maßnahmen waren . Des- zu schützen, brauchen wir nicht mehr Befugnisse für die halb waren wir rechtspolitisch auf einem sehr guten Weg Bundeswehr im Innern, sondern wir brauchen unter ande- in dieser Legislaturperiode . rem mehr Polizei, und zwar noch einmal 3 000 Polizisten zusätzlich zu den von uns im letzten Jahr durchgesetzten (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 3 000 Polizisten für die Bundespolizei . Wenn es nach uns Wir, jedenfalls in der SPD, haben rechtspolitisch auch ginge, würden wir noch einmal 6 000 Stellen für Polizis- noch eine ganze Menge vor . Wir wollen, dass der Mie- ten bei den Länderpolizeien schaffen. Das wäre effektive ter Auskunft darüber bekommt, was sein Vorgänger oder Sicherheitspolitik . seine Vorgängerin an Miete gezahlt hat . Wir wollen eine (Beifall bei der SPD) breitere Basis für den Mietspiegel schaffen, und wir wol- len gegen die schwarzen Schafe unter den Vermietern, Wir dürfen natürlich auch nicht den Aspekt der Prä- die die Mieter abzocken, so wie allzu oft auch in Berlin, vention vernachlässigen . Auch das ist ein wichtiger As- vorgehen, indem wir das Wirtschaftsstrafgesetzbuch zu pekt, wenn wir für mehr öffentliche Sicherheit sorgen einem effektiven Instrument gegen Mietwucher - umge wollen . Wir sollten deshalb Projekte wie etwa hier in stalten . Berlin das vorbildliche Projekt „Kein Täter werden“ mit weiteren Bundesmitteln unterstützen, damit dort die Ar- Ich hoffe, dass wir die Kolleginnen und Kollegen beit fortgeführt werden kann . von der Union bald überzeugen, dass wir nicht nur im Wahlkampf von Herrn Heilmann Konzepte vorgelegt (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- bekommen, sondern dass insbesondere die Berliner wie bei Abgeordneten der LINKEN) 18378 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Dr. Johannes Fechner (A) Sie sehen, meine Damen und Herren, wir kümmern keinem Auge blind . Das sind Voraussetzungen für den (C) uns effektiv um die öffentliche Sicherheit, statt mit Rechtsstaat . schlagzeilenträchtigen Forderungen die Bevölkerung zu verunsichern . Dass sich das auszahlt, hat die SPD durch (Beifall bei der CDU/CSU) den Wahlsieg in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt, und Eine Voraussetzung ist auch Vertrauen in die Wirkung das werden wir auch in Berlin zeigen . des Rechts und seiner Institutionen . In diesem Zusam- (Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: menhang war es richtig, dass sich der Herr Bundesjustiz- Minus 5 Prozentpunkte!) minister von seinem Lob für eine extremistische Band, die Gewalt und Hass gegen Polizeibeamte gefördert hat, Genau dort haben wir mit dieser besonnenen, aber effek- distanziert hat . Ich hätte mir die gleiche Einsicht auch tiven Politik die Wahl gewonnen . bei unserer Familienministerin ge- wünscht, die sich in Unkenntnis der Gewaltenteilung Ich halte fest: Die Bundestagsfraktion der SPD hat und der Unabhängigkeit der Justiz sehr unzutreffend zu sehr viel im rechtspolitischen Bereich durchgesetzt . Wir einem Gerichtsverfahren geäußert hat . haben einen aktiven Justizminister Maas . Er ist schnell, wirkungsvoll und erfolgreich . Er hat zusammen mit uns (Beifall bei der CDU/CSU) 80 Gesetze durchgesetzt . Er ist ein anständiger Minister . Deswegen gibt es für die Rücktrittsforderung von Herrn Wir haben in den letzten Jahren sehr viele gute und Schäuble, die absolut absurd war, überhaupt keinen richtige Gesetze im Bereich der Innen- und Justizpolitik Grund . auf den Weg gebracht . Es ist eben nicht richtig, dass al- lein der richtige Gesetzesvollzug notwendig ist, um un- (Beifall bei der SPD) sere Ziele zu erreichen . Dort, wo Lücken bestehen, dort, wo unsere Freiheit gefährdet ist, muss der wehrhafte Rechtsstaat auch mit klugen und besonnenen Gesetzen Vizepräsidentin Ulla Schmidt: gegensteuern, und das haben wir gemacht . Ich bin froh, Kommen Sie bitte zum Schluss . dass wir das Gesetz zur Speicherung von Verbindungsda- ten auf den Weg gebracht haben . Dr. Johannes Fechner (SPD): (Beifall bei der CDU/CSU) Ich komme zum Schluss . – Sie sehen, dass wir schon einiges geleistet haben, dass wir noch viel vorhaben . Ich Das ist ein richtiges Gesetz, das es ermöglicht, dass der hoffe, dass wir die Themen, die in der Rechtspolitik noch Rechtsstaat auf Augenhöhe mit Kriminellen und Terro- risten agiert . Wir müssen uns ehrlicherweise auch fragen, (B) anstehen – ich habe sie beschrieben –, in dieser Legisla- (D) turperiode noch behandeln . Wir werden uns jedenfalls im ob wir in manchen Bereichen nicht noch nachjustieren Sinne der Bürgerinnen und Bürger dafür einsetzen . müssen, etwa bei den Fristen oder auch bei der Frage der entsprechenden Straftaten . Vielen Dank . Ein Thema, das uns sehr stark beschäftigt, ist die Frage (Beifall bei der SPD – Renate Künast [BÜND- der Wohnungseinbruchskriminalität . Das ist ein Thema, NIS 90/DIE GRÜNEN]: Du hast gar nichts das wir nicht kleinreden dürfen, bei dem wir auch nicht zum Schäuble-Spendenskandal gesagt!) von vornherein sagen dürfen, Herr Kollege Fechner, dort gebe es keinen gesetzgeberischen Handlungsbe- darf . Wenn in eine Wohnung, in ein Haus eingebrochen

Vizepräsidentin Ulla Schmidt: wird, verletzt das die Menschen in ihrer unmittelbaren Vielen Dank . – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt Intimsphäre . Sie sind verunsichert . Sie haben in den ei- der Kollege Dr .V olker Ullrich das Wort . genen vier Wänden, die ihnen Schutz geben sollten, be- sonders Angst und fühlen sich unsicher . Deswegen steht (Beifall bei der CDU/CSU) ein Wohnungseinbruchsdiebstahl in seiner kriminellen Energie einem Raub oder einem Meineid in nichts nach . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Deswegen bitten wir darum, dass wir gemeinsam den Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Wohnungseinbruchsdiebstahl zum Verbrechen erklären . Herren! In Zeiten der Unsicherheit muss ein starker und Es darf in diesem Bereich keinen minderschweren Fall wehrhafter Rechtsstaat den Menschen Halt geben . Die geben; vielmehr muss der Rechtsstaat deutlich sagen: Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass Wer in eine Wohnung einbricht, begeht eine schwere Polizei und Justiz sie effektiv schützen und dass Polizei Straftat . und Justiz ordentlich ausgestattet sind . Für uns ist wich- (Beifall bei der CDU/CSU) tig, dass sich die Menschen sicher fühlen und dass sie sicher sind . Voraussetzung dafür ist ein wertegebundener, Das ist auch wichtig, damit wir den Ermittlungsbehör- grundrechtsgebundener Rechtsstaat, der die Menschen den die richtigen Instrumente an die Hand geben können: schützt und der den Kampf gegen Extremismus jeglicher einen Zugriff auf Verbindungsdaten auch bei Wohnungs- Couleur aufnimmt . Wir dulden weder rechtsextreme Pa- einbruchsdiebstahl . Wir müssen uns ebenfalls überlegen, rolen und rechtsextremes Vorgehen gegen Flüchtlings- ob wir Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen heime noch linksextreme Gewalt auf den Straßen, und im Falle der Wohnungseinbruchskriminalität einführen, wir bekämpfen auch islamistischen Terror . Wir sind auf um die Menschen effektiv zu schützen, die Aufklärungs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18379

Dr. Volker Ullrich (A) quoten zu erhöhen und damit diesem Phänomen endgül- Meine Damen und Herren, wir leben in einer freiheit- (C) tig den Kampf anzusagen . lichen, offenen Gesellschaft. Wir leben in einem Rechts- staat, der die Voraussetzungen für eine wehrhafte De- Wenn wir über Wohnen sprechen, dann fällt auch ein mokratie liefert . Deswegen müssen wir diese Werte klar Blick auf die Frage: Wie gehen wir mit Mieten und mit und deutlich verteidigen . Das bedeutet auch, dass wir die der angesprochenen Mietpreisbremse um? Für uns ist Toleranz nicht so weit ausdehnen dürfen, dass letzten eines entscheidend – das hat heute niemand angespro- Endes die Intoleranten gewinnen . Toleranz bedeutet für chen –: Der Kampf gegen Wohnungsnot in den Großstäd- uns auch immer Toleranz für unsere Werte, für Freiheit, ten wird nicht allein über die Regulierung der Mietpreis- für Rechtsstaatlichkeit und für Demokratie . Das ist die höhe zu gewinnen sein, sondern das geht nur über den Richtschnur unserer Rechtspolitik . Daran werden wir uns Neubau von Wohnungen . messen lassen . (Beifall bei der CDU/CSU – [Spandau] [SPD]: Bezahlbarer Wohnraum! – Vielen Dank . Caren Lay [DIE LINKE]: Sozialwohnungen!) (Beifall bei der CDU/CSU) Der Neubau von Wohnungen hat auch stets eine steuer- liche Komponente . Sie, liebe Kollegen der SPD, können Vizepräsidentin Ulla Schmidt: nicht hier eine Verschärfung der Mietpreisbremse einfor- Vielen Dank .– Als Nächstes hat die Kollegin Elvira dern, aber dann, wenn es darum geht, steuerliche Verbes- Drobinski-Weiß für die SPD-Fraktion das Wort . serungen für den Wohnungsbau herbeizuführen, blockie- ren . Das passt nicht zusammen . (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Doch!) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Für uns ist klar, dass Wohneigentum eine sehr trag- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! fähige Komponente der Altersvorsorge ist . Deswegen Heute diskutieren wir über das letzte Haushaltsjahr der werden wir auch genau hinsehen, ob die jetzt stärker 18 .Legislaturperiode . Das ist für uns besonders wichtig; auftretenden Berichte über eine mögliche Altersdiskrimi- denn am Ende der Legislatur steht die Frage: Was haben nierung im Bereich der Kreditvergabe nach der Wohn- wir mit der Einbindung der Verbraucherpolitik in den immobilienkreditrichtlinie zutreffen oder nicht. Wir wer- Aufgabenbereich des früheren Bundesjustizministeriums den uns gegen eine Altersdiskriminierung einsetzen, und erreicht? Waren die ergriffenen Maßnahmen richtig? Vor deswegen müssen wir, wenn diese Berichte zutreffen und allem: Sind die geschaffenen Strukturen schlagkräftig? (B) durch Fakten untermauert sind, gesetzgeberisch oder auf Das Ziel – ich zitiere: „ein verbraucherfreundlicher, (D) dem Verordnungswege gegensteuern . transparenter Markt, auf dem sichere und gute Produkte Sie haben auch angesprochen, Herr Minister Maas, unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt dass wir im Bereich der Strafprozessordnung Videoüber- und angeboten werden“ – war klar so im Koalitionsver- tragungen aus dem Gericht in sehr begrenztem Umfang trag vorgegeben . zulassen . Wir müssen bei dieser Frage sehr genau hin- Zugegeben, für den Einzelnen ist es oft schwierig, den sehen, dass wir durch diese Maßnahme Richter, Staats- Überblick über verabschiedete Gesetze und auch über anwälte, aber vor allen Dingen auch Zeugen nicht unter neu geschaffene bzw. veränderte Strukturen zu behal- einen Druck setzen, der einem sachgerechten Strafver- ten . Daher begrüße ich, dass die Bundesregierung auch fahren nicht dienlich ist . Wir müssen aufpassen, dass das in diesem Jahr einen Verbraucherpolitischen Bericht Gerichtsverfahren nicht zu einer Show wird . Deswegen veröffentlicht hat – ein gutes Zeugnis für unsere Arbeit, werden wir in diesem Bereich sehr zurückhaltend agie- wie ich im Gegensatz zur Kollegin Lay finde. Für alle ren . Interessierten ist dies nun übersichtlich nachzulesen, bei- Wir brauchen, wenn es um die Frage geht: „Wie geht spielsweise die Einsetzung des Sachverständigenrates für es bei Gericht zu?“, ein klares, deutliches Signal für die Verbraucherfragen . Die Einbeziehung der Kompetenz weltanschauliche Neutralität der Justiz . Deswegen stellt von Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis ist sich die Frage, ob wir nicht im Gerichtsverfassungsge- ein wichtiger Baustein, um Verbraucherpolitik stärker an setz ganz klar regeln, dass Zeugen vor Gericht ihr Ge- den Bedürfnissen der Verbraucher und ihren Lebenswel- sicht zeigen müssen und sich nicht verhüllen dürfen und ten ausrichten zu können . dass auch Richterinnen und Staatsanwältinnen als Zei- Der erfolgreiche Aufbau des Finanzmarktwächters chen der weltanschaulichen Neutralität vor Gericht kein und des Marktwächters Digitale Welt ist bereits einem Kopftuch tragen dürfen . Auch das wird im Gerichtsver- größeren Teil der Bevölkerung bekannt . Die Marktwäch- fassungsgesetz zu regeln sein . ter – so wissen Sie – sollen ja der Politik aussagekräftige (Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Johannes Erkenntnisse zur tatsächlichen Lage der Konsumenten Fechner [SPD]: Das ist heute schon so! – am Finanzmarkt und im Bereich digitale Welt weiter- Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ geben und strukturelle Fehlentwicklungen sowie Miss- DIE GRÜNEN]: Das macht der Vorsitzende stände an die zuständigen Behörden melden . Der Kol- heute schon! Waren Sie schon mal in einem lege Rohde hat diese Erfolgsgeschichte bereits zitiert, Gerichtssaal? – Halina Wawzyniak [DIE LIN- sodass ich das nicht mehr ausführlich darlegen muss . Wir KE]: Was ist mit dem Kreuz?) wollen natürlich angesichts dieses Erfolgsmodells auch 18380 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Elvira Drobinski-Weiß (A) weitere Marktwächter für andere Bereiche aufbauen und Ich möchte später noch auf das Stichwort „Vertrau- (C) verstetigen . en“ zurückkommen, mich jedoch erst einmal mit einigen Zahlen im Haushalt des Justizministers beschäftigen . Ich Nachzulesen ist im Bericht auch, dass die außerge- könnte sagen: stabil auf hohem Niveau . Das gilt für den richtliche Streitbeilegung in Verbraucherangelegen- Etat für 2017 im Vergleich zu dem von 2016 . Ich möchte heiten im April 2016 in Kraft getreten ist . Verbraucher aber auch einiges Positive anmerken . Es gibt Themen, können jetzt im Falle eines Streites ein niederschwelli- die uns Parlamentariern am Herzen gelegen haben und ges Angebot zur außergerichtlichen Konfliktschlichtung sich nach den letzten Beratungen im Haushaltsentwurf nutzen, ohne dass der Rechtsweg beschränkt ist . Soweit wiederfinden. So stehen dort zum Beispiel wieder fast das Angebot privater Verbraucherschlichtungsstellen 600 000 Euro für das Präventionsprojekt Dunkelfeld, um Lücken aufweist, fördert der Bund auch im Rahmen ei- schon im Vorfeld die Begehung von Straftaten durch pä- nes Pilotprojektes unter Einbindung der Länder in den dophile Männer zu bekämpfen . Jahren 2016 bis 2019 eine privat organisierte allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle . Richtig ist auch, dass der Verein Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit mit 5,65 Mil- Die fortschreitende Digitalisierung, die wirtschaftlich lionen Euro eine höhere Förderung erhält . Er unterstützt unbestritten viele Vorteile bringt, stellt den Verbraucher- und gestaltet rechtsstaatliche Reformen in anderen Län- schutz bei den Themen Datenschutz und Transparenz dern . Damit besteht die Möglichkeit, dass er einen ganz vor große Herausforderungen . Unternehmen erheben, kleinen Beitrag zur Beseitigung von Fluchtursachen leis- verarbeiten und nutzen in immer größerem Umfang Da- tet und die Lebensqualität von Menschen in anderen Län- ten von Verbrauchern. Viele Betroffene erkennen kaum dern verbessert . die Rechtsverletzungen, noch sind sie in der Lage, ihre Rechte durchzusetzen . Die Erweiterung des Unterlas- Ebenso richtig ist es, dass im Personalhaushalt nun- sungsklagengesetzes, das heißt, dass Verbände künftig mehr acht neue Planstellen für die Ermittlungsarbeit des gegen Datenschutzverstöße klagen können, ist doch ein Generalbundesanwalts gegen Terrorismus und Cyber- Meilenstein . spionage eingerichtet wurden – in Anbetracht der Be- drohungsszenarien durch Islamisten auf der einen Sei- (Beifall bei der SPD) te, durch ausländische Spionage und Sabotage mittels Die Verbraucherpolitik ist, so finde ich, im BMJV an- IT‑Technik auf der anderen Seite wirklich ein zwingender gekommen, und wir haben bereits viel für die Konsumen- und dringender Schritt . Die Erfolge einer verbesserten ten erreicht . Weitere Punkte, die der Minister angespro- Personalausstattung beim Generalbundesanwalt lassen chen hat, gibt es beispielsweise beim Thema nachhaltiger sich auch ablesen: Aktuell werden in Karlsruhe 130 Ver- (B) Konsum . Hierfür ist das entsprechende Programm be- fahren gegen 190 Beschuldigte im Zusammenhang mit (D) schlossen worden, und ich begrüße das Engagement des Straftaten im Bereich Syrien/Irak geführt . Ministers Maas, auch den Gedanken „Gebrauchen, aber Ich will an der Stelle auch sagen, dass allein der Ein- nicht verbrauchen“ voranzubringen, und wünsche uns satz des Bundes hier nicht ausreicht . Es hat mich heute dazu ein gutes gemeinsames Gelingen . verunsichert, als ich in der Welt lesen musste, dass ange- sichts der steigenden Zahl Staatsschutzverfahren in meh- Vielen Dank . reren Bundesländern nicht ausreichend geführt werden (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten können, weil es an sachkundigen Richtern und Staatsan- der CDU/CSU) wälten fehlt oder gar an Büroräumen und Verhandlungs- sälen . Das kann und darf nicht sein, meine Damen und Herren! Die Länder sind hier in der Verantwortung, und Vizepräsidentin Ulla Schmidt: die Bürgerinnen und Bürger haben, glaube ich, gerade in Vielen Dank .– Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun diesem sensiblen Bereich eine hohe Erwartungshaltung der Kollege Klaus-Dieter Gröhler das Wort . an Strafverfolgung . Da müssen auch die Bundesländer ihrer Verantwortung nachkommen und eine entsprechen- (Beifall bei der CDU/CSU) de Ausstattung der Justiz vornehmen . Da wir alle immer von sprudelnden Steuereinnahmequellen beim Bund re- Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): den: Die gibt es genauso bei den Ländern . Ich glaube, Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- die Länder dürfen sich an dieser Stelle nicht wegducken . legen! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachhaltigkeit (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ist nicht nur wichtig für den Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten, sondern auch für den Umgang mit den Lassen Sie mich aber noch einmal auf den Etatentwurf Steuermitteln der Bürgerinnen und Bürger . 2014, 2015 von Minister Maas zurückkommen . Der Ansatz für Öf- und 2016 leben wir nicht über unsere Verhältnisse, und fentlichkeitsarbeit des Ministers – damit hatte ich mich diesen guten Ansatz haben wir uns auch für 2017 vor- ja im letzten Jahr schon beschäftigt – wird 2017 nicht genommen . Keine Schulden, keine neuen Steuern, keine weiter erhöht, sondern verbleibt auf dem hohen Niveau Steuererhöhungen – das war ein ganz klares Wahlver- des Vorjahres . Das heißt, ich muss meinen Vergleich hier sprechen der Union, und wir lösen es ein . Dies ist, denke nicht wiederholen . Sie können sich vielleicht erinnern: ich, wichtig, um die Glaubwürdigkeit der Politik und der Ich hatte damals gesagt, dass der Ansatz für 2016 im Ver- Institutionen zu stärken und das Vertrauen der Menschen gleich zu dem von 2013 um 519 Prozent gestiegen ist . in diese herzustellen . Eine weitere Steigerung gibt es jetzt also nicht mehr . Ich Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016 18381

Klaus-Dieter Gröhler (A) sage auch ganz offen, Herr Minister: Wenn in den weite- lament Haushaltsberatungen im Ausschuss und hier im (C) ren Berichterstattergesprächen die Notwendigkeit deut- Plenum lich wird, dass eine personelle Verstärkung im Bereich (Dr . Johannes Fechner [SPD]: Wir sind spar- der Öffentlichkeitsarbeit, etwa zur Aufsicht über twit- sam!) ternde Mitarbeiter, benötigt wird, soll es an der Union an dieser Stelle nicht scheitern . – nein, das hat mit Sparsamkeit nichts zu tun, Herr Kol- lege –, wenn anschließend das Ministerium im Rahmen (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) der Haushaltswirtschaft über 60 Millionen Euro einfach Eine kritische Anmerkung kann ich mir aber für den in das nächste Jahr überträgt und wenn insbesondere im Bereich Verbraucherschutz nicht ganz ersparen . Der Bereich der IT-Technik das Geld nicht ausgegeben wird? Kollege Dennis Rohde, den ich ja sonst sehr schätze, hat Die Gerichte und Behörden sagen uns doch immer wie- vorhin gesagt, es handle sich um eine Erfolgsgeschichte . der: Hier haben wir Nachholbedarf, hier sind wir nicht modern genug . Ich sage das deshalb so kritisch, weil es (Dr . Johannes Fechner [SPD]: Hat er doch immer dann, wenn man im Berichterstattergespräch im recht!) Ministerium nachfragt, ob man nicht an dem einen Haus- haltsansatz vielleicht mal 100 000 Euro oder an dem an- Das mag man politisch so sehen, ich bin mir aber noch deren mal 200 000 Euro kürzen könne, weil es an einer nicht ganz so sicher, ob man das einfach so sagen kann, anderen Stelle noch etwas zu finanzieren gibt, aus dem oder ob man diese Frage nicht doch ein ganz klein wenig Ministerium unisono heißt: Das ist alles überhaupt nicht verstärkt untersuchen müsste . Wir haben uns im Koaliti- verzichtbar . Wir sind schon so knapp ausgestattet . – Also onsvertrag darauf verständigt, den Schutz der Verbrau- hier scheinen mir Realität und Aussage nicht ganz im cherinnen und Verbraucher zu verstärken . Das ist richtig; Einklang zu stehen. Ich will ganz offen sagen: Ich werde daran will ich auch gar nicht rütteln . Konsequenterweise in Zukunft vierteljährlich das Ministerium nach der Aus- gibt es jetzt auch ein neues Kapitel im Haushalt mit dem schöpfung aller Titelansätze abfragen müssen . Das mag Titel „Verbraucherpolitik“, das mit 38 Millionen Euro zwar eine hohe bürokratische Belastung sein, aber es ausgestattet ist . muss einfach einmal sein, um an dieser Stelle Haushalts- Eines will ich an der Stelle aber auch sehr deutlich klarheit und Haushaltswahrheit tatsächlich umzusetzen . machen: Dazu, dass wir Verpflichtungsermächtigungen (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE in Höhe von weiteren 41 Millionen Euro für die kom- GRÜNEN]: Da machen Sie sich beliebt!) menden Jahre einfach so herausreichen, ohne dass wir uns den Bereich Verbraucherschutz einmal genauer an- Ich möchte aber noch eine andere Frage aufwerfen, meine Damen und Herren, nämlich: Wie gelingt es uns, (B) schauen, bin ich noch nicht so ganz bereit . Wir sollten (D) schauen, was bisher mit dem Geld geschehen ist, wie wir die Bürgerinnen und Bürger von der Qualität unseres es eingesetzt haben und was wir wirklich erreicht haben . Rechtsstaates zu überzeugen? Was müssen wir machen, Das Ausgeben von Millionen für den Verbraucherschutz um eine erkennbare Distanz der Menschen zum Rechts- ist per se ja noch kein politischer Erfolg, meine Damen staat und seinen Einrichtungen zu überwinden? Es gibt und Herren . Vielmehr müssen wir uns wirklich anschau- das schöne Zitat: „Wir wollten Gerechtigkeit und beka- en, was im Einzelnen tatsächlich erreicht worden ist . Wir men den Rechtsstaat .“ Dieses stammt von Bärbel Bohley brauchen belastbare Aussagen darüber, ob wir das Geld und ist schon einige Jahre alt, aber es drückt Kritik und sinnvoll eingesetzt haben . Ohne diesen Nachweis – das Distanz aus . Aktuell wachsen diese Kritik und Distanz, sage ich ganz offen – bin ich nicht dafür, dass wir immer weil immer mehr Menschen Zweifel an der Qualität un- weitere Versprechen finanzieller Art in die Zukunft vor- seres Rechtssystems haben . Viele glauben inzwischen, nehmen . dass der Satz „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“ so nicht mehr besteht . Ralph Brinkhaus hat (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) heute Morgen hier gesagt: Heute in Deutschland zu leben Eine andere Kritik, Herr Maas, kann ich Ihrem Haus ist so etwas wie ein Sechser im Lotto .– Das ist so . Ich auch nicht ganz ersparen – Stichwort „Haushaltsreste“ –: unterschreibe den Satz, aber er kommt bei vielen Men- Das Bundesjustizministerium hat im Haushaltsjahr 2014 schen draußen offensichtlich nicht mehr an. 44 Millionen Euro nicht ausgegeben und nach 2015 über- Auf die Frage „Wie sehr vertrauen Sie der Justiz bzw . tragen . Nun kann man sagen: Ja, das Haushaltsjahr 2014 dem deutschen Rechtssystem?“ antworteten in einer Er- war ein ganz besonderes. Wir hatten dort eine vorläufi- hebung von Infratest im Mai 2016 58 Prozent mit „Ja, ich ge Haushaltswirtschaft, weil der Bundestag ja erst den vertraue“ . 38 Prozent haben gesagt: „Ich vertraue nicht .“ Haushalt beschließen musste . – Okay, das verstehe ich . Diese Zahlen müssen uns alarmieren . Für einen Staat wie Dass aber im Haushaltsjahr 2015 63 Millionen Euro Deutschland ist eine Zustimmungsquote von nur 60 Pro- nicht ausgegeben wurden und nach 2016 übertragen wur- zent zu wenig . Laut EU-Justizbarometer vom April 2016 den, und von diesen 63 Millionen Euro mehr als 50 Pro- halten nur zwei Drittel der deutschen Öffentlichkeit Ge- zent im Bereich der IT‑Technik nicht ausgegeben worden richte und Richter für unabhängig, und ein Drittel meint, sind, dazu habe ich schon kritische Fragen . sie seien abhängig . Damit liegt unser Land im Vergleich zu den anderen EU-Ländern nur im Mittelfeld . 63 Millionen Euro aus dem Haushalt 2015, die in das Haushaltsjahr 2016 übertragen werden, machen fast Kein anderes Land in der Europäischen Union gibt so 10 Prozent des Haushaltsansatzes aus . Ich frage mich, viel Geld für die Justiz aus wie Deutschland in Bund und meine Damen und Herren: Warum machen wir als Par- Ländern . Dennoch dauert es in Deutschland durchschnitt- 18382 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 185 . Sitzung . Berlin, Dienstag, den 6 . September 2016

Klaus-Dieter Gröhler (A) lich 192 Tage, bis in der ersten Instanz ein zivilrechtlicher Das Wort hat die Bundesministerin Professor (C) Streit abgeschlossen ist, in Österreich nur 135 Tage . Ich Dr . ­ . glaube, sowohl das Ministerium als auch das Parlament müssen sich mit diesem Thema befassen . Vielleicht ist es (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- wichtiger, dass wir uns darum kümmern, als den einen ordneten der SPD) oder anderen Strafrechtsparagrafen, mit dem wir jetzt 60 Jahre in der bundesrepublikanischen Rechtsprechung Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung gut ausgekommen sind, zu überarbeiten . Ich glaube, wir und Forschung: müssen aufpassen, dass das Vertrauen in Effizienz und Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Qualität unseres Rechtssystems nicht verloren geht . Wir Herren! Wir alle kehren aus einer Sommerpause zurück, diskutieren häufig darüber, dass es Bevölkerungsgrup- die uns nicht wirklich ruhen ließ – ökonomisch, sicher- pen gibt, die sich in einer Paralleljustiz wohler fühlen . heitspolitisch und gesellschaftlich gibt es große Heraus- Dagegen müssen wir vorgehen . Wir müssen aber auch forderungen . Ich denke, es ist ganz entscheidend und aufpassen, dass unsere bisherige deutsche Bevölkerung außerordentlich wichtig – wichtiger als je zuvor –, dass nicht immer mehr Zweifel am Rechtssystem ausdrückt wir die Grundlagen für unsere gesellschaftliche Stabi- und möglicherweise mit Bürgerwehr oder Verweigerung, lität und für unseren Wohlstand sichern . Meine Damen sich rechtsstaatlichen Institutionen zu stellen, reagiert . und Herren, nichts ist für Demokratie und für Wohlstand schädlicher als ein schlechtes Bildungssystem und eine Es gibt im Berliner Wahlkampf eine Partei, auf deren zu schwach ausgeprägte Forschung . Plakaten die Parole steht: „Was helfen die besten Polizis- ten, wenn die Richter nicht funktionieren?“ Ich glaube, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Sie können sich vorstellen, welche ich meine . Es ist eine ordneten der SPD) Partei, die ich nicht gut finde. Es ist die gleiche Partei, Sie kennen das Zitat: Nichts ist für eine Gesellschaft deren Protagonist in nach 70 Parkverstößen teurer als geringe Bildungs- und Forschungsausgaben .– öffentlich erklärte, dass er sich nicht an die Straßenver- Deshalb haben Bildung und Forschung Priorität, auch in kehrsordnung halten muss, das seien Nickeligkeiten . So diesem Haushalt, über den wir heute hier diskutieren . viel zum Thema „Law and Order“ und eigenes Rechts- verständnis . Ich will auch gar keine funktionierenden Der Bundesfinanzminister hat es heute schon mit Zah- Richter, meine Damen und Herren . Funktionierende len belegt . In Haushaltsreden nennt man natürlich die Richter hatten wir schon zweimal in Deutschland . Das Zahlen – das mache ich auch –, weil sie so schön sind . war nicht die beste Zeit für Recht und Gerechtigkeit . Der Mittelansatz im Haushalt für Bildung und Forschung ist im nächsten Jahr um 1,2 Milliarden Euro höher als (B) (Beifall des Abg . [CDU/CSU]) 2016 . Das entspricht einer Steigerung von über 7 Pro- (D) zent . Wir müssen aufpassen, dass solche Forderungen da drau- ßen nicht verfangen, weil wir vielleicht nicht früh genug (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- hinschauen . ordneten der SPD) ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Was aber viel bemerkenswerter ist: Seit 2005 kam es je- NEN]: Eine ziemlich wirre Haushaltsrede!) des Jahr zu einer Steigerung des Etats des Bundesminis- teriums für Bildung und Forschung . Wir geben im Ver- Wenn mangelnde Effizienz der Justiz dazu führt, dass -je gleich zu den doch recht bescheidenen Mitteln für 2005 mand, der Opfer einer Straftat geworden ist, erst nach jetzt 10 Milliarden Euro mehr für diesen Bereich, für über einem Jahr zum ersten Mal eine Ladung zu einer dieses Ressort aus . Gerichtsverhandlung erhält, dann zweifelt er an der Kompetenz des Staates, das Recht durchzusetzen, und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- der Straftäter wird in dem Falle wahrscheinlich glauben: ordneten der SPD) So schlimm war meine Tat gar nicht; denn wenn der Staat Nun hat man ja, wenn es seit 2005 jedes Jahr mehr ein Jahr braucht, um mich überhaupt zur Rechenschaft gibt, die Sorge, dass die Steigerungen irgendwann gerin- zu ziehen, dann scheint das ja nicht das Allerschlimmste ger werden . Das war auch etwas, was mich bewegt hat . gewesen zu sein . – Ich glaube, da müssen wir in Zukunft Insofern bin ich sehr froh, dass wir gemeinsam – das sage besser werden, da ist noch Luft nach oben . Dementspre- ich jetzt auch in Richtung der Koalitionäre und des Bun- chend sollten wir diese Aufgabe annehmen . desfinanzministers – in dieser Legislaturperiode, mit dem Haushalt, so wie er jetzt vorliegt – es könnte noch mehr Herzlichen Dank . werden –, eine Steigerung des Etats um 26,7 Prozent al- (Beifall bei der CDU/CSU) lein in dieser Legislaturperiode erreichen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank . – Weitere Wortmeldungen zu diesem Das ist eine Menge Geld . Nun kann man natürlich Einzelplan liegen hier nicht vor . fragen: Was macht man damit? Man kann zum Beispiel allen Bereichen etwas mehr geben . Das freut alle und ist Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- politisch sicherlich sehr angenehm . Man kann neue För- nisteriums für Bildung und Forschung, Einzelplan 30. derprogramme schaffen. Das haben wir natürlich auch