Romanist: Im Dienste Der Deutschen Nation Eduard Wechssler
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
UNIVERSITÉ PAUL VERLAINE METZ UNIVERSITÄT KASSEL Fachbereich Gesellschaftswissenschaften Eduard Wechssler (1869-1949), Romanist: Im Dienste der deutschen Nation Eduard Wechssler (1869-1949), Romaniste : Au service de la nation allemande Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr.phil.) THÈSE DE DOCTORAT préparée en cotutelle par Susanne Dalstein-Paff Sous la direction de: Monsieur le Professeur Michel Grunewald Professor Dr. Hans Manfred Bock Kassel/Metz , Oktober 2006 Datum der Disputation: 15.März 2007 2 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 6 2. Eduard Wechssler: Zur Person 18 2.1. Schulische Sozialisation 23 2.2. Studium 29 2.3. Universitäre Karriere und Lebensstationen 32 Halle und Marburg 32 Ruf nach Berlin 40 Exkurs: Charakterisierungen 46 Berlin 50 Nachfolge 51 Handelshochschule 55 Nachkriegszeit – Sontheim/Brenz 57 3. Weimarer Republik und „Wesenskunde“ 59 3.1. Der politische Zusammenhang 59 3.2. Der intellektuellengeschichtliche Zusammenhang 66 Die Verantwortung der Intellektuellen 66 Die Intellektuellen und der Weltkrieg 68 Der Intellektuelle und die Politik 72 Der „Erzieher des Volkes“ 75 Ein „Helfer der Nation“ 81 Die Krise der Wissenschaften 83 Positivismus 84 Hochschulen und Bildungsidee 87 Historismus 90 3 Synthese 91 Weltanschauung 92 Wilhelm Dilthey 95 Phänomenologie 99 3. 3. Der bildungspolitische Rahmen: Deutschunterricht, Fremdsprachenunterricht, Realien- und Kulturkunde. 100 Die Konsequenzen der Kultur- und Wesenskunde für den Französischunterricht 124 Die Konsequenzen der Kultur- und Wesenskunde für die Schulbücher 127 Kritik an der Kulturkunde 137 3. 4. Der disziplingeschichtliche Rahmen: Romanistik zwischen Positivismus und Idealismus. 141 3.4.1. Phänomenologie und Philologie 145 4. „Esprit und Geist“ 151 Grundidee und Rahmen 152 4.1. Herleitung 156 Wechsslers frühe Kulturkunde: Entstehung und Entwicklung: „Sicher alteinheimisch sind in Deutschland sonst die hässlichen, boshaften Zwerge.“ 156 Molière 164 Molière und Victor Hugo 166 Das Komische 171 Das Volkslied 173 Der Witz 175 Verlaine 176 Franzosen und Deutsche 178 Dante 196 4.2. „Esprit und Geist, Versuch einer Wesenskunde des Deutschen und des Franzosen“ 201 Zur Gliederung 204 4 Der Einleitungsteil 205 Erstes Buch 207 Zweites Buch 223 Das Schlusswort 247 4.3. Zusammenfassung 250 4.4. Positionen zu „Esprit und Geist“ 256 4.5. Herbert Scurla – Die Dritte Front (1940) 265 5. Les Conférences Françaises 267 5.1. Voraussetzungen 267 5.2. Die Vorträge 270 6. Eduard Wechssler, Portugal und Brasilien 306 7. Zusammenfassung und Ausblick 332 8. Biographie Eduard Wechsslers 351 9. Liste der Publikationen Wechsslers 353 Von Eduard Wechssler herausgegebene Schriftenreihen 361 Rezensionen von Wechsslers Schriften 362 10. Dokumente aus Archiven 364 11. Literatur 369 12. Résumé 391 5 1. Einführung Der Romanist Eduard Wechssler (1869-1949) ist einer der wichtigsten Vertreter der romanistischen „Kultur- und Wesenskunde“ Frankreichs in der Zeit von 1914 bis 19331. Ihm ist die vorliegende Untersuchung gewidmet, die mit einer Zusammenfassung des derzeitigen Forschungsstandes zu Wechssler beginnt, aus der gleichzeitig die Gründe für eine eingehende Beschäftigung mit Wechssler deutlich werden sollen. Wechssler ist in der romanistischen Fachwissenschaft der vergangenen Jahrzehnte eine unbeliebte Person. Kritik erfolgte zunächst u. a. in dem von Michael Nerlich herausgegebenen Band „Kritik der Frankreichforschung: 1871 – 1975“2. Hier wurde Wechssler innerhalb der Frage nach dem Einfluss der Kulturkunde auf den neusprachlichen Unterricht zum Beispiel „Chauvinismus“ und „giftige Hetze“ vorgeworfen, und er wurde nicht zuletzt in die Nähe von Adolf Hitler gerückt, der sich „nur deutlicher und brutaler“ ausgedrückt habe als Wechssler3. In ähnlicher Weise und mit Bezug auf das gleiche Werk, nämlich „Esprit und Geist“ (1927), das „einflussreichste Frankreichbuch der Zeit“, warf Jürgen Trabant Wechssler „rassistische“ Fundierung der „Wesenskunde des Deutschen und des Franzosen“ vor4. Gerhard Bott betrachtete Wechssler im Zusammenhang mit der Rolle der Romanistik im „Kriege der Gedanken und Worte“ und stellte u. a. fest, dass Wechssler mit seiner Studie „Die Franzosen und wir“ von 1915 die Absicht hatte, „den deutschen Kriegswillen zu stärken“5. Aus einem anderen Interesse, nämlich im Rahmen der Frage, ob „der französische Begriff `Esprit´ und der deutsche `Geist´ unterschiedlichen Deutungen und Verwendungsweisen in beiden Sprachen“ entsprechen, schreibt Gérard Raulet 1989: „Die Antwort hat bereits Eduard Wechssler, auf sechshundert Seiten, in seinem Buch Esprit und Geist. Versuch einer Wesenskunde des Deutschen und des Franzosen (1927) gegeben, 1 Vgl. Bock, Hans Manfred: „Tradition und Topik des populären Frankreich-Klischees in Deutschland 1925 bis 1955“, in: Francia 14, 1986, S.483. 2 Nerlich, Michael (Hg.): Kritik der Frankreichforschung: 1871-1975, Karlsruhe 1977. 3 Kroymann, Maren/Ostermann, Dorothea: „Beitrag zur Untersuchung des Französischunterrichts von 1914- 1945“, in: Nerlich, Michael (Hg.): Kritik der Frankreichforschung: 1871-1975, Karlsruhe 1977, S. 148. 4 Trabant, Jürgen: „Xenophobie als Unterrichtsfach“, in: Dithmar, Reinhard /Willer, Jörg (Hg.): Schule zwischen Kaiserreich und Faschismus. Zur Entwicklung des Schulwesens in der Weimarer Republik. Darmstadt 1981, S. 39. 5 Bott, Gerhard: Deutsche Frankreichkunde 1900-1933. Das Selbstverständnis der Romanistik und ihr bildungspolitischer Auftrag. 2 Bde. Rheinfelden 1982, S.32. 6 allerdings in einer Weise, vor der wir uns hüten sollten, da sie zu einer Verfestigung von Klischees führt.“6 Dennoch würdigt Raulet, dass Wechssler die Absicht gehabt habe, eine „Kritik des Stereotypen“ zu liefern. Wechsslers Werk sei „eine Art von Sprachkritik – ein Vorgang der Bewusstmachung und ein Versuch der Anwendung eines linguistischen Paradigma auf das damals beliebte Thema der deutsch-französischen Beziehungen – die in den zwanziger Jahren fast einzigartig dasteht […]“7. 1996 schließlich beschreibt Nerlich unter der Überschrift „Wechssler, oder Romanistik mit Pickelhaube“ den Romanisten als „eindrucksvollstes Beispiel“ für die „schizophrene Situation […], in der sich die Romanisten schon immer als Untertanen eines frankreich- und republikfeindlichen Imperiums und Vertreter eines Faches befanden, das systematisch das moderne Frankreich negierte, gleichzeitig aber junge Menschen zu Französischlehrern ausbilden sollte“8. Der Fachgeschichte wirft Nerlich vor, sie würde sich um Wechssler „herummogeln“, indem sie ihn als unbedeutend darstelle, was er aber, glaube man Curtius und Klemperer, nicht gewesen sei9. In seiner Darstellung der „deutschen Romanistik unter dem Nationalsozialismus“ fasst Frank-Rutger Hausmann 1998 schließlich zusammen, Wechssler wolle „den deutschen Kriegswillen stärken und nachweisen, daß Deutschland einen legitimen Verteidigungskrieg gegen den Aggressor Frankreich führt. Gleichzeitig soll mit Hilfe der phänomenologischen Methode dargelegt werden, daß es zwischen Deutschen und Franzosen grundsätzliche und unüberbrückbare Gegensätze gibt“10. In diesem Zusammenhang zitiert er auch Nerlich11, der aufgezeigt habe, dass Wechssler dabei explizit „auf die antifranzösischen Argumente der Jahre nach 1806/1807 zurück[greift] und […] Klassizismus, Aufklärung und Französische Revolution als die drei großen Reibeflächen [identifiziert], an denen sich nach anfänglicher 6 Raulet, Gérard: „Esprit/Geist“, in: Leenhardt, Jacques/Picht, Robert (Hg.): Esprit – Geist. 100 Schlüsselbegriffe für Deutsche und Franzosen. München 1989, S. 149f. 7 Ebenda, S. 150. 8 Nerlich, Michael: „Romanistik: Von der wissenschaftlichen Kriegsmaschine gegen Frankreich zur komparatistischen Konsolidierung der Frankreichforschung“, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte, 20.Jg.1996, Heft 1/2, S.418. 9 Ebenda. 10 Hausmann, Frank-Rutger: „Auch eine nationale Wissenschaft? Die deutsche Romanistik unter dem Nationalsozialismus. 1.Teil“, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte. 22.Jg. 1998, Heft 1/2, S. 25. 11 Nerlich, Michael: „Romanistik: Von der wissenschaftlichen Kriegsmaschine gegen Frankreich zur komparatistischen Konsolidierung der Frankreichforschung“, in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte, 20.Jg.1996, Heft 1/2, S.419. 7 Faszination der geistige deutsche Widerstand entzündet habe“12. Dabei beziehen sich beide auf folgende Textstelle, wo Wechssler die Ursachen dafür wie folgt beschreibt: „Das lag nicht etwa nur am Abscheu vor Guillotine und neuem Despotismus. Es lag an inneren Gegensätzen, die deutsches und französisches Wesen immer trennen werden. Zu tief verschieden war die geistige Wesensmitte hier und dort. Jenseits des Wasgauwaldes und der Ardennen war der Scharfsinn, die urteilende Vernunft (intelligence-raison), war logisch- mathematisches Denken Urquell und Seinsgrund, aus welchem die Beziehungen zur sichtbaren Welt, zur Schöpfung und zum Inbegriff menschlicher Einrichtungen bestimmt und geregelt wurden. Diesseits des Wasgauwaldes und der Ardennen war der Tiefsinn, die wirkende Vernunft, war der schöpferische Geist des Einzelnen der geheimnisvolle Brunn, aus dem die schaffenden Kräfte sprangen […].“13 In „Esprit und Geist“ fänden sich abgesehen davon, so Hausmann, „alle Klischees […], die schon immer zur Kennzeichnung der Deutschen (Einfühlung, Naturgefühl, Drang ins Unendliche, Treue zum Alten, deutsches Werden, Arbeitsamkeit und Sachlichkeit, Heiligung der Weiblichkeit, Freiheitsliebe, Schicksalsglaube) und der Franzosen (`besoin d´émotions et de sensations,