Z E I T G E N Ö S S I S C H E G L A S M A L E R E I I N K I R C H E N Z W I S C H E N E L B E UND FLÄMING zum Reformationsjubiläum 2017 Ein Beitrag der Evangelischen Landeskirche Anhalts G r u S S w o r t 1

Seit mehr als 1.000 Jahren sind die Kirchen in unserer Region Fixpunkte für das Leben der Menschen. Erst in jüngster Zeit wird der Gedanke aktuell, Kirchen hätten diese grundlegende Funktion verloren. Neben allen demografischen Faktoren werden dabei stets auch geistliche Aspekte zur Begründung angeführt. In einer weitgehend profanisierten Umgebung hätten Kirchen als ein Ort der Lebensdeutung ihre zentrale Aufgabe eingebüßt, heißt es.

Das Kunstprojekt „Lichtungen“ stellt sich dieser im Grundsatz ohnehin falschen Annahme erfahrbar und sichtbar entgegen. Wenn Menschen unserer Zeit sich mit Kirchengebäuden künstlerisch auseinandersetzen, dann rücken sie Kirche und die Inhalte, für die sie steht, wieder neu in den Fokus. Die Befürchtung, Kirchen würden angesichts der pracht- 1 Grußwort vollen Glaskunst der „Lichtungen“ zu Museen mutieren, ist vollständig zurückzuweisen. Kirchen sind und bleiben 2 Einführung lebendige Orte des Glaubens. Wenn zeitgenössische Künstler ihre Arbeiten in den 6 EICHHOLZ St. Trinitatis Dienst eines Kirchenraumes stellen, tragen sie zur Ver- kündigung des Evangeliums bei. Dafür werden Kirchen 7 St. Johannes Baptist als steingewordene Zeugnisse des Glaubens auch in Zu- kunft bestimmt sein. 8 flötz St. Katharina Die Evangelische Landeskirche Anhalts ist allen Beteilig- 9 St. Johannis ten an diesem Projekt dankbar und zugleich stolz, derart hochrangige Beispiele moderner Glaskunst in ihren Kir- 10 Kermen St. Petrus und Paulus chen beheimatet zu wissen. In der Auseinandersetzung damit werden auch zukünfti- 11 Kleinleitzkau St. Michaelis ge Generationen die besondere Beziehung zwischen dem historischen Ort und dem heutigen Kunstwerk erspüren. 12 Stadtkirche Große Kunst ist dabei überzeitlich und öffnet in der Frei- heit des Geistes die Begegnung mit dem Evangelium. 13 Niederlepte Dorfkirche Das Projekt „Lichtungen“ setzt ein deutliches Zeichen 14 Nutha St. Trinitatis für die Zukunft unserer Region, indem eine lange und reiche Tradition fortgesetzt wird und sich damit buch- 15 Rodleben Dorfkirche stäblich neue Einblicke eröffnen. Insofern ist es nicht vermessen, dem Projekt neben gutem Gelingen nichts 16 Wertlau Dorfkirche weniger als Gottes Segen zu wünschen.

17 St. Bartholomäi Joachim Liebig Kirchenpräsident 2 E i n f ü h r u n g 3

In zumeist mittelalterlichen Dorfkirchen rund um die Stadt Zerbst ent- Die Fenster sind seit 2012 in traditionellen und experimentellen Tech- steht gegenwärtig ein bemerkenswertes Ensemble zeitgenössischer niken der Glasmalkunst sowie in höchster kunsthandwerklicher Qua- Glasmalerei. International bekannte Künstlerinnen und Künstler ha- lität in führenden Werkstätten der Glasmalerei entstanden. ben sich zusammengefunden, um gemeinsam mit den örtlichen Kir- chengemeinden große Kunst in kleinen Kirchen an entlegenen Orten Zunächst wurden sie als Ausstellungsfenster in den realen 1:1-Maßen zu wagen. der ausgewählten Kirchenräume hergestellt – als Exponate für zwei große Ausstellungen der deutschen Glasmalerei der Gegenwart, die Das Projekt „Lichtungen“ wird von der Evangelischen Landeskirche 2013 im Centre International du Vitrail in Chartres (Frankreich) und Anhalts getragen und vom Landesamt für Denkmalpflege und Ar- 2014 im Naumburger Dom gezeigt wurden. chäologie (Halle) sowie dem Förderkreis „Entschlossene Kirchen im Kirchenkreis Zerbst“ e.V. begleitet. Die Schirmherrschaft hat der sach- Die Arbeiten fanden beim Kunst- und Fachpublikum, in der Tages- sen-anhaltische Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff übernommen. und Fachpresse große Anerkennung.

von Magdeburg von Berlin

L indau G rimme A 9 Z e r b s t / K irchenkreis G ehrden A n h a lt Z erbst F lötz K leinleitzkau N utha

niederle p te

Eichholz: Eichholzer Weg E ichh o lz Flötz: Seestraße W ertlau Gehrden: Kirchstraße K ermen

irchen Grimme: Dorfstraße R o dleben K Kermen: Lepser Straße Dessau- Kleinleitzkau: Neue Straße

der Elbe Lindau: Markt Roßlau Niederlepte: An der Nuthe von Halle (Saale) rte

o Nutha: Großer Winkel Rodleben: Schulstraße Wertlau: Querstraße tand

S Zerbst: St. Bartholomäi – Schloßfreiheit 4 Über die Ausstellungsfenster hinaus schufen die einge- 5 ladenen Künstler in den meisten Fällen Entwürfe für alle Fenster des ihnen zugewiesenen Kirchenraums. So ent- standen architektonisch komplett durchgearbeitete und ausführungsreife Konzeptionen, die stets den Raum als Ganzes im Blick haben. Die geplante Realisierung ist ver- anlasst durch unaufschiebbare Reparatur- und Restau- rierungsarbeiten in den historischen Kirchenbauten. Die bodendenkmalpflegerischen Rahmenbedingungen sind daher schon in die Entwürfe der Fenster eingeflossen.

Das Projekt „Lichtungen“ zielt auf eine Belebung der regionalen Kirchenlandschaft durch neue Kunst, so wie es alle Jahrhunderte taten. Im Vordergrund steht dabei die ungebrochene liturgische „Brauchbarkeit“ unserer alten Kirchen, die auch Orte kultureller Identifikation mit Land und Leuten sind. Sie sollen für Gegenwart und Zukunft wiederbelebt werden. Es liegt heute eine große Chance darin, den ländlichen Raum nicht als leer, son- dern als still zu begreifen. Für einige Kirchen sind auch Werke der Bildhauerei und der monumentalen Wandma- lerei vorgesehen. Die Vorhaben können über einen län- geren Zeitraum hinweg realisiert und finanziert werden.

Das Kunstprojekt „Lichtungen“ bereichert kunst- und kulturtouristische Konzeptionen in Sachsen-Anhalt und ZEITGENÖSSISCHE knüpft an die berühmte Sammlung historischer Glasma- lerei des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt- GLASMALEREI Dessau an, erweitert um einen gegenwartsbezogenen IN KIRCHEN Aspekt, der im künstlerischen wie kulturtouristischen Profil unseres Bundeslandes noch unterbelichtet scheint. ZWISCHEN ELBE

Damit sind die „Lichtungen“ eine Ergänzung zu Sta- UND FLÄMING Ein Beitrag der Evangelischen Landeskirche Anhalts zum Reformationsjubiläum 2017 tionen der „Straße der Romanik“ ebenso wie zum UNESCO-Welterbe der Lutherstätten im nahegelegenen Wittenberg. Zugleich besteht auch ein Bezug zur archi- tekturbezogenen Glasgestaltung, wie sie im Kontext der „Klassischen Moderne“ an den führenden Kunsthoch- schulen des Landes, dem Dessauer Bauhaus (Josef Albers) ebenso wie der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein (Charles Crodel), seit den 1920er Jahren wirksam wurde.

Mit dem „Förderkreis Entschlossene Kirchen“ e.V. ist ein regionaler Kooperationspartner als Träger aktiv, der auf Erfahrungen anderer Projekte zurückgreifen kann. Die Einbindung in das Netz der „Entschlossenen Kirchen“ ermöglicht wertvolle Synergien und bietet inhaltliche Anknüpfungspunkte. 6 E I C h h o l Z St. Trinitatis St. Johannes Baptist GE h r DE N 7

Fenster und Fensterbänder, Wandre- „Gehrdener Kreuzigung“ von XENIA lief und Deckengestaltung nach ei- HAUSNER (*1951), Neugestaltung nem Entwurf von THOMAS KUZIO von drei Apsisfenstern mit unge- (*1959), dazu passend neue liturgi- wöhnlicher realistischer Darstellung sche Ausstattungsgegenstände (sind des Kreuzigungsgeschehens aus der in Planung) sowie ein den ganzen Kir- Perspektive der Frauen, die an Christi chenraum umfassendes Gestaltungs- Kreuz und Grab anwesend waren, konzept im Rahmen einer liturgischen in der Technik der Glasintarsie aus Neuordnung der Kirche. Das im Fens- Echtantikglas in aufwendiger Bema- terentwurf verwendete Rankenorna- lung, in Form von Fadenkreuzen, ver- ment stammt vom romanischen Tauf- bleit. Die erzählerische Bildkonzeption stein und greift von dieser Wurzel als verbindet fotorealistische und filmische „Baum des Lebens“ in das gesamte Darstellungsmethoden mit altmeisterli- Raumbild der Kirche aus. Umsetzung chem Malstil und traditioneller Technik im Jahr 2016 vorgesehen. der Glasmalerei. 8 f l ö t z St. Katharina St. Johannis G r i m m e 9

Chorfenster nach den Entwürfen Drei Chorfenster in der romanischen von WILHELM BUSCHULTE (1923- Apsis, entworfen von HUBERT SPIER- 2013), einem Klassiker der deut- LING (*1925), der zu den bedeutends- schen Glasmalerei nach 1945. Zwei ten deutschen Glasmalern der Gegen- Grisaille-Fenster (Grisaille = Grau, wart zählt. Klassische monochrome Weiß, Schwarz) für die Chorwand aus (einfarbige) Weißverglasung in Gri- mundgeblasenem Echtantikglas, ver- saillecharakter aus farblosen Echtan- bleit, teils blank, teils bemalt und ge- tikgläsern und weißen Opalgläsern. schliffen, Achatschliffe, Kugelprismen, Entwürfe für eine Gesamtverglasung mit partieller Blattvergoldung. Letzter der Fenster im Kirchenschiff liegen vor. raumumfassender Entwurf des Künst- Die betont asketischen Fenster the- lers, die Gesamtverglasung ist geplant. matisieren in ihrem Verzicht auf pla- Thema des Symbolfensters im Altar- kative Farbigkeit das reine Licht als raum ist das Gleichnis vom Senfkorn göttliches Symbol. und vom Reich Gottes. Aus dem in der Erde versunkenen Korn bricht Leben ans Licht. 10 K e r m e n St. Petrus und Paulus St. Michaelis K l e i n l e i t zka u 11

Drei große Segmentbogenfenster im Drei Chorfenster und sechs Schiff- Kirchenschiff und zwei kleine Empo- fenster nach dem Entwurf von renfenster, entworfen von Günter Christiane Schwarze-Kalkoff Grohs (*1958). Senkverformte Float- (*1955). Thermisch verformtes Float- gläser, Schwarzlotkonturmalerei und glas ist mit transparenten Glasmal- mehrschichtige, beidseitige Patinie- farben mehrschichtig dicht bemalt rungen, Silbergelb- und Schmelzfar- und in mehreren Bränden schritt- benaufträge, partiell Opalgläser mit weise eingebrannt. Applikation far- Schwarzlotüberzügen, verbleit. Der biger Echtantikgläser, partiell auf der Entwurf der Fenster geht von einer Rückseite leicht mattiert. Mit ihren traditionellen barocken Kirchenfens- atmosphärischen Farbschichtungen tergestaltung mit Butzen oder Mond- und dem Zusammenklang warmer scheiben aus und variiert dieses serielle Herbst- und kühler Himmelsfarben Schema mit phantasievollen Störun- reagieren die Fenster auf den um- gen im Sinne von „Aufbruch“. Um- gebenden Landschaftsraum. Umset- setzung im Jahr 2016 vorgesehen. zung im Jahr 2016 vorgesehen. 12 L i n da u Stadtkirche Dorfkirche N i ede r l e p t e 13

Drei experimentelle Ornamentfenster Zwei Chorfenster und fünf Schifffens- von CHRISTINE TRIEBSCH (*1955) ter nach einem Entwurf von Jochem für die Apsis. Anwendung innovativer Poensgen (*1931). Klassische Blei- Techniken aus Walzblei, thermisch verglasung mit mundgeblasenen, farb- verformtem Glas, teils sandgestrahlt, losen und farbigen Echtantikgläsern, teils in Lüstertechnik (metallisch in den Altarfenstern mit Opak-Über- schimmernder Überzug) für Durch- fängen, in allen Fenstern differenzierte und Auflichtwirkung auf durchgehen- Silbergelb-Malerei, Bleiruten in ver- den Scheiben, visuell gleichberech- schiedenen Breiten. Die Fenster ziehen tigte Gestaltung auch der Außenseite die umgebende Natur als meditative der Fenster. Der Entwurf ist „mikro- Symbole in den Kirchenraum hinein: skopisch“ und basiert auf der orga- die Chorfenster mit „Strömen lebendi- nischen Struktur von Einzellern und gen Wassers“, die durch das Dorf flie- Kleinstlebewesen. Im Fensterkonzept ßende Nuthe, die komplett durchsich- für den ganzen Kirchenraum symbo- tigen Seitenfenster mit geometrischen lisieren die Fenster im Osten den Be- Formverzweigungen die Bäume des ginn des Lebens. Kirchhofs. Umsetzung 2016 geplant.

14 N u t h a St. Trinitatis Dorfkirche R o d l e b e n 15

Acht Rundbogenfenster für Chor und Apsisfenster, entworfen vom Künstler Schiff nach einem Entwurf von GER- THOMAS KUZIO (*1959). 2010 als LACH BENTE (*1964). Klassische aufwendige Malerei mit Glasschmelz- Bleiverglasung in tieffarbigen und farben auf Floatglas, sandgestrahlt weiß-opaken (lichtundurchlässigen) ausgeführt. Raumbeherrschend in der Echtantikgläsern mit partieller gesti- Mittelachse der Chorapsis. Sie ist Be- scher Grisaillemalerei und maleri- standteil der liturgischen Neuordnung scher Ätzung. Der starke Hell-Dun- des Kirchenraums mit neuen Prinzi- kel-Kontrast zwischen Kirchenschiff palstücken (nach einem Entwurf von und Chorraum schafft ein Gegen-, Dietmar Sauer Architekten/Köthen). Mit- und Ineinander von Licht und Das prächtige Apsis-Fenster ist eine Finsternis und dient als Thema der Art Altarkreuz aus Farbe und Licht, meditativen Rauminszenierung. Das wobei die Kreuzgestalt lediglich in Südfenster im Chor verweist auf den wenigen Koordinaten punktuell an- Ort der Taufe. gedeutet ist. 16 w E r t l a u Dorfkirche St. Bartholomäi Z e r b s t 17

Der „Wertlauer Engel“ ist ein skulp- Fünf große Chorfenster, entworfen turales Rundbogenfenster von HELLA von Jochem Poensgen (*1931). SANTAROSSA (*1949) und wurde Klassische Bleiverglasung mit mund- 2014 als experimentelle Glasplastik geblasenen Echtantikgläsern mit Opak- ausgeführt. Sie besteht aus einem Überfängen, in der Fenstergruppe mehrschichtiges Glasrelief, einer Ma- über dem Altar in differenzierten gold- terialcollage nach dem Sandwichprin- gelben und grauweißen Farbtönen. In zip zwischen zwei Floatglasscheiben den beiden seitlichen Fenstern in dif- (Flachglas, auf flüssigem Zinn her- ferenzierten blauen und grauweißen gestellt, mit besonders glatter Ober- Farbtönen, Bleiruten in verschiedenen fläche). Als eins von insgesamt vier Breiten. Auf den ersten Blick handelt Chorfenstern ist sie Bestandteil eines es sich um eine schlichte Ornament- raumumfassenden Konzepts aus ins- verglasung. Die dynamische Linien- gesamt zwölf Engelfenstern, einem führung entfaltet jedoch eine barocke gläsernem Altarobjekt und einer far- Bewegung, die mit den wertvollen bigen Fassung von Wand, Decke und Epitaphien der Kirche in Beziehung Apsis. tritt. Umsetzung 2016 geplant. 18

S c h i r m h e r r sc h a f t Dr. Reiner Haseloff Ministerpräsident Land Sachsen-Anhalt

K o n ze p t i o n Pfarrer Albrecht Lindemann, Dr. Holger Brülls, Landesamt für Denkmal- pflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle

K o n tak t u n d A u sk ü n f t e z u r Ö f f n u n g de r K i r c h e n Ev. Pfarramt St. Bartholomäi Pfr. Albrecht Lindemann Schloßfreiheit 3 • 39261 Zerbst/Anhalt Telefon: (03923) 785 966 Mobil: (0157) 343 641 18 [email protected]

P r o j ek t t r ä ge r Evangelische Landeskirche Anhalts Kirchenbaurätin Konstanze Förster-Wetzel Friedrichstraße 22/24 • 06844 Dessau-Roßlau Telefon: (0340) 25 26 - 221 [email protected]

K o o p e r at i o n s pa r t n e r Förderkreis „Entschlossene Kirchen“ e.V. Kontakt: Sonja Hahn Dorfstraße 6 • 39264 Zerbst OT Garitz Telefon: (0179) 20 29 321 [email protected]

Gestaltung: Sandra Heinze, formwerk.net Dieses Projekt wird unterstützt durch die Werkstätten Glasmalerei Frank Schneemelcher (Quedlinburg), Wilhelm Peters Glasmalerei (Paderborn), Hein Derix KG Werkstätten für Glasmalerei, Mosaik und Restaurierungen (Kevelaer) und Derix Glasstudios (Taunusstein).

www.lichtungen-glasmalerei.de