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Ende des Krieges in im Mai 1945

In seinem Buch „Aufstieg und Untergang des Nationalsozialismus in Mecklenburg von 1924 bis 1945“ gibt Christan Madaus folgenden Bericht:

„Man glaubte 1945, durch Barrikaden in der Stadt die russischen oder amerikanischen Panzer aufzuhalten. Es bestand ein Befehl des Gauleiters und Reichsstatthalters Hildebrandt, die EIde als Kampflinie auszubauen und mit allen Kräften zu verteidigen. Die EIde wurde angestaut, um den Panzervormarsch zu stopppen!

Alle Elbbrücken in und um Grabow wurden zur Sprengung vorbereitet. Der Grabower Stadtkommandant Rittmeister von Gemmingen war ein beherzter Offizier, der die schöne Stadt Grabow nicht dem Untergang opfern wollte. Die Stadt sollte kamptlos übergeben werden. Aber dann erschien Mitte April eine gut ausgerüstete Kampfgruppe unter Leitung eines Majors, der die Verteidigung organisierte. Zwischenzeitlich hatten vier beherzte Grabower, die an den Brücken angebrachten Sprengladungen entschärft und den Major überredet, von einer Verteidigung abzusehen. Die Kampfgruppe verließ sodann Grabow.

Der damalige Bürgermeister Jahnke, ein NSDAP-Mann, der aus stammte, wollte einfach an das Ende des Nazi-Reiches nicht glauben. Noch am 20. April 1945 wurde im Cafe Gabke der Geburtstag des Führers gefeiert und zur Verteidigung der Stadt aufgerufen!

Unmittelbar nach dem Abrücken der Kampfgruppe begannen am 3. Mai die Plünderungen in der Stadt. Hier beteiligten sich in erster Linie Zwangsarbeiter polnischer und russischer Herkunft, aber auch Grabower Bürger hielten sich nicht fern.

Am 2. Mai 1945 entschlossen sich zwei Grabower (Dr. Walter Heinsius und Hermann Krüger), den amerikanischen Truppen in die Kapitulation Grabows anzubieten. Diese beiden Grabower fuhren mit dem Fahrrad nach Ludwigslust und verhandelten dort mit dem dortigen Kommandanten der amerikanischen Streitkräfte. Der amerikanische Kommandant sagte zu, Grabow am 3. Mai 1945 zu besetzen.

Am 3. Mai 1945 haben sich Soldaten der 9. US-Armee, von Ludwigslust kommend, und Soldaten der 2. Belorussischen, von Marnitz kommend, in Grabow am Bahnübergang Prislicher Straße getroffen. Die Amerikaner zogen wieder nach Ludwigslust zurück. Damit war die Zukunft Grabows besiegelt.

Vor dem Einmarsch sowjetischer Truppen und auch nachher nahmen sich im Zeitraum vom 1. bis 10. Mai viele Grabower Bürger das Leben. Die russischen Truppen setzten die Plünderungen fort und beschlagnahmten die Restbestände an Alkohol. Recherchen wiesen ca. 80 Vergewaltigungen nach. Unmittelbar nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen erfolgte die Verhaftung führender NSDAP- Mitglieder und anderer Personen. Sie wurden vernommen, und mit wenigen Ausnahmen wurde dieser Personenkreis in das Konzentrationslager Neubrandenburg Fünfeichen überführt. Der größte Teil ist an Tbc oder Entkräftung gestorben. Eine verhetzte jugendliche Kampfgruppe, bestehend aus fünf ehemaligen Grabower Jungvolk - Führern, versuchte provozierend tätig zu werden. Nachts wurden Parolen an die Hauswände einzelner Grabower Häuser geschrieben, so u.a. die Parole: "Nieder mit Stalin, es lebe Deutschland!" Die Jungen wurden später von der GPU verhaftet und ebenfalls nach Fünfeichen gebracht. Es überlebte nur einer. Erster russischer Stadtkommandant war Hauptmann Boldin, heute Ehrenbürger der Stadt Grabow. Hauptmann Boldin setzte als Bürgermeister den aus Litauen stammenden Edgar Sarfels ein. Wie sich später herausstellte, war Sarfels ein entsprungener Zuchthäusler, der wegen krimineller Delikte verurteilt war. Als diese Tatsache bekannt wurde, verhaftete der damalige Polizeichef Karl Brandt den Bürgermeister und setzte ihn fest. Nach drei Tagen gelang Sarfels die Flucht. Danach setzte der Stadtkommandant den Grabower Altkommunisten Friedrich Jacobs als Bürgermeister ein. Jacobs war ein gemäßigter Kommunist.“ [/1/, Seite 197/198]

Das Zusammentreffen mit den Russen wurde von den Amerikanern ausführlich dokumentiert. Durch einen Zufall sind wir an entsprechende Dokumente gelangt.

Seit 1999 kommt es regelmäßig zum Austausch von Schülern der Gymnasien im Landkreis Ludwigslust mit Schülern aus Michigan. Im Jahre 1999 war der amerikanische Geschichtslehrer Jim Goodspeed mit seinen Schülern am Gymnasium in Neustadt-Glewe. Er wurde betreut von Ulrike, der Tochter von Frau Stolzenburg. Bei einem Besuch in Grabow zeigte sich Jimm Goodspeed sehr interessiert. Frau Stolzenburg erzählte ihm, daß die Amerikaner am 2. Mai 1945 Grabow eingenommen und am 3. Mai den Russen übergeben haben.

In die USA zurückgekehrt fing Jim Goodspeed sofort an zu recherchieren, ob es Zeitzeugen oder Zeitdokumente über das Zusammen- treffen der Russen und Amerikaner gibt. Und er wurde fündig im Museum der Luftlande-Division 82 in Fort Bragg in North Carolina. Er entdeckte Fotos von historischem Wert, die am 3. Mai 1945 in Grabow gemacht wurden, als die Amerikaner und Russen zusammentrafen über die Besetzung von Grabow verhandelten.

In einem Vortrag mit dem Thema „Meine Erinnerungen an den 2. Weltkrieg in Grabow“ hat Frau Elisabeth Stolzenburg am 25.04.2013 eigene Erinnerungen und Aufzeichnungen aus dem Tagebuch ihrer Großmutter mit den Ereignissen in den letzten Kriegstagen verbunden und die historischen Fotos gezeigt.

Vormarsch der sowjetischen Truppen auf der Landstraße zwischen und Grabow 2. Belorussische Front, 49. Armee, 8. mechanisiertes Korps

Russische und amerikanische Soldaten in der Prislichen Straße

Die Rohrschule im Hintergrund wurde damals als Lazarett genutzt.

Kreuzung Mühlenstraße, Binnung, Berliner Straße

Freude über das Ende des Krieges

Gespräche zwischen russischen und amerikanischen Soldaten

Amerikanische und russische Sanitäter vor dem alten Friedhof

General Gavin, Kommandeur der 82. amerikanischen Luftlande- division

Kommandeur des 8. mechanisierten Korps der49. Armee der 2. Belorussischen Front

Empfang der russischen Kommandeure

Amerikanische und russische Soldaten vor einem Haus in der Prislichen Straße, in dem Verhandlungen zwischen den Kommandeuren der Russen und Amerikaner stattfanden

Absprachen zwischen dem General Gavin, dem Kommandeur der 82. Luftlandedivision

und dem Generalmajor Firsowitsch, Kommandeur des 8. mechanisierten Korps der 49. Armee der 2. Belorussischen Front

in der Prislichen Straße in Grabow

Am 2. Mai 1945 erfolgte die Kapitulation des Generals der Infanterie von Tippelskirch vor dem General Gavin im Ludwigsluster Schloß. Das Dokument hatte folgenden Wortlaut:

„Ich, General der Infanterie v. Tippelskirch, Kommandierender General der 21. deutschen Armee, übergebe hiermit bedingungslos die 21. deutsche Armee und alle ihr unterstellten Einheiten, alles Gerät und Zubehör an den kommandierenden General der 82. Fallschirmjägerdivision, US-Armee.“

Damit gingen mehr als 150 000 Mann in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

In einem Bericht des Oberleutnants Wiliam Knowlton der amerikanischen 7. Panzer Division wird über das Zusammentreffen mit den Truppen der Roten Armee folgendes geschildert:

"Die russische Armee ist in ihrer Art einmalig: Ich erwartete eine militärische Maschinerie, die bemannt war von hart aussehenden Männern mit einer Menge von mechanischer Ausrüstung. Aber was wir fanden, war ein Konglomerat von Pferden, deutschen Lastwagen, Fahrrädern, zivilen Fahrzeugen, alten Waffen, Kosaken, englischen Geschützen und Motorfahrzeugen. Es schien überhaupt kein System zu bestehen, und die Leute gingen bei der Kolonne ein und aus, als ob sie überhaupt keine Befehle erhielten und ihren besonderen Jobs nachgehen konnten. Jederman bezeichnete sich als Offizier. Jedermann grinste, salutierte vor uns und gab einige unverständliche Rufe von sich. Auch wir grinsten, grüßten und schrien, grüßten wieder und wieder und winkten und winkten.

Schließlich kamen wir zu einem Oberst. Ich erwartete einen dicken Russen mit vielen Medaillen, die an seiner Brust hängen sollten, und einer Waffe in der Hand. Aber was ich fand, war ein Individuum, das etwa wie ein amerikanischer Farmer aussah, der in einem Kutschwagen, der von zwei Pferden gezogen wurde, würdig dahinfuhr, als ob es Sonntag im Zentralpark in New York sei. Neben ihm saß ein Mädchen in Uniform. Ich erfuhr später, daß es eine russische Krankenschwester namens Maria war. Als der Oberst erfuhr, wer ich war und von woher ich kam, stieg er aus und strahlte über das ganze Gesicht. Wir schüttelten uns die Hände und schlugen einander auf den Rücken. Ich fand sehr bald heraus, daß dies der Weg ist, um auf einen Russen Eindruck zu machen. Also auf ihn zulaufen und ihn in die Seite stoßen und auf seinen Rücken schlagen, das gefällt dem einfachen Mann. Und dann seine Hände ergreifen, als ob man sie in einem Schraubstock hätte, und ihn wieder umarmen und grinsen wie eine Hyäne und ganz laut schreien ‚Towaarisch!’ oder ‚Ja amerikaneetz!’.“ (siehe /2/, S. 128)

Literatur:

/1/ Christian Madaus: Aufstieg und Untergang des Nationalsozialismus in Mecklenburg von 1924 bis 1945, Schwerin 2003

/2/ Joachim Schultz-Naumann: Mecklenburg 1945, Berlin 1991

/3/ Elisabeth Stolzenburg: Meine Erinnerungen an den 2. Weltkrieg in Grabow, Vortrag gehalten am 25.04.2013 im Reuterhaus

/4/ Fotos vom 3. Mai 1945 aus dem Museum der Luftlande-Division 82 in Fort Bragg in North Carolina

/5/ Wikidedia ….. Lebenslauf von General Gavin

http://de.wikipedia.org/wiki/James_M._Gavin#Der_Weg_nach_Deutschland_.E2.80.9 3_On_to_Berlin