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Maja Kunze · Klaus Scheddel Darß Zingst Mit Graal-Müritz

Preissymbole (Erläuterung £ Seite 34) Tipp Lieblingsorte Hotels (DZ) unserer Autoren Highlights € bis 70 Euro Grüne Tipps €€ bis 140 Euro Familientipps €€€ über 140 Euro 2 Inhalt Inhalt 3

Willkommen auf dem Darß | 4 Register | 142 Kartenregister | 143 Orte & Landschaften Kartensymbole | 143 Das Fischland | 40 Impressum | 144 Ostseebad | 42 Ostseebad | 48 Ostseebad | 56 Der Darß | 64 Land & Leute Born | 66 Die Umgebung | 98 Wieck | 72 | 99 Fischland-Darß-Zingst heute | 8 Schmugglernest Wieck | 74 Die Meiningenbrücke | 103 Steckbrief: Fischland-Darß-Zingst | 10 Reffe & Riegen | 77 Bresewitz & Pruchten | 104 Sanfter Tourismus | 10 Ostseebad | 78 Bodstedt | 105 Leuchtturm & Natureum Darßer Ribnitz-Damgarten | 106 Landschaft & Umwelt | 12 Ort | 83 Rund um Ribnitz-Damgarten | 112 Die Entstehung der Halbinsel | 12 Pflanzen & Tiere | 14 Kultur & Lebensart | 22 Der Zingst | 88 Graal-Müritz & Sanddorn: die Zitrone des Nordens | 15 Architektur | 22 Ostseeheilbad Zingst | 89 Rostocker Heide | 114 Nationalpark Vorpommersche Zeesenboote | 24 Erlebniswelt Fotografie Zingst | 93 Ostseeheilbad Graal-Müritz | 115 Boddenlandschaft | 16 Tonnenabschlagen | 24 Rostocker Heide | 120 Essen & Trinken | 25 Geschichte | 18 Feste & Veranstaltungen | 26

Entdeckertouren

Tour 1 Reisepraktisches Fischlandtour – Dörfer, Meer & Klima & Reisezeit | 30 | 124 Ankommen | 30 Tour 2 Unterwegs auf Fischland-Darß- Radrundtour von Darßdorf zu Darß- Zingst | 33 dorf | 126 Kranichbeobachtung | 137 Übernachten | 34 Tour 3 Tour 6 Medientipps | 34 Mit Kindern | 36 Rundwanderung zum Leuchtturm Radtour von Zingst nach Barth | 138 Sport & Aktivitäten | 35 Wissenswertes von A–Z | 37 Baden | 35 Darßer Ort | 128 Tour 7 Tour 4 Radtour durch die Rostocker Wanderung zum Darßer West- Heide | 140 strand | 132 Tour 5 Radtour durch die Sundische Wiese nach Pramort | 134 4 Willkommen 5

zaubernden Charme erhalten. Was es Mit traumhaften, familienfreund- Willkommen auf lange nicht gab auf Fischland, Darß lichen Stränden punkten die Seebä- und Zingst: mondäne Seebäder mit der Prerow und Dierhagen. Von Pre- dem Darß schicken Promenaden und ausgie- row lassen sich auch die Naturattrak- bigem Nachtleben – aber die Ostsee- tionen Darßer Ort und Weststrand gut bäder Zingst und Ahrenshoop haben zu Fuß oder per Rad erreichen. Wer viel ursprüngliche Natur, pitto- Einmal angekommen, kann man hier mittlerweile aufgeholt. Das alte Fischer- und Seefahrerdorf reske Dörfer, lange Strände auf der übrigens sein Auto stehen lassen und Das Künstlerdorf Ahrenshoop Wustrow hat mit seinen Kapitänshäu- einen, abgeschiedene Bodden­idylle sollte Fischland, Darß und Zingst mit zählt inzwischen zu den exklusivsten sern und dem Ortsteil Barnstorf am auf der anderen Seite sucht, der ist dem Rad oder zu Fuß erkunden. Gut Zielen an der deutschen Ostseeküs­ Bodden seinen ganz eigenen Charme. auf ­Fischland-Darß-Zingst richtig. ausgebaute Routen laden dazu ein. te. Entsprechend nobel sind manche Die Boddendörfer Born und Wieck ha- Weil der Dreifachname etwas um- Auf diese Weise lässt sich zum Bei- Unterkünfte im Ortszentrum. Doch ben sich bis heute ihre Abgeschieden- ständlich ist, spricht man oft vom spiel die vielfältige Waldvegetation gleich nebenan, am Althäger Bod- heit bewahrt, obwohl auch dort neue „Darß“, auch wenn die ganze Halbin- des Darßwaldes entdecken: Sumpf- denhafen, isst man den Fisch wie eh Ferien­häuser entstanden sind. sel gemeint ist. gebiete, Fichten, Lärchen, Roterlen und je im rus­tikalen Räucherhaus. Etwas verträumt wirken die ­beiden und bizarr geformte Weidbuchen. Städtchen Ribnitz-Damgarten und Natur pur Oder man wandert zum naturbelas- Endlos lange Strände Barth auf dem Festland. Beide haben Dabei bezeichnet „Darß“ eigentlich senen Weststrand, an dem man sich Zingst, der größte Ort der Halbin- renovierte Altstadtkerne und sind so- nur den mittleren, größten Teil. Wie (fast) wie Robinson fühlen kann. sel, hat sich zum lebhaften und schi- wohl auf dem Wasser- wie auf dem immer man es damit halten mag – cken Seebad gemausert. Etliche, Landweg vom Darß gut zu erreichen. die Reise lohnt sich auf jeden Fall, Pittoreske Dörfer auch höherpreisige, Hotels und Fe- Viel Natur gibt es auch rund um das denn die Halbinsel ist ein Naturidyll Besonders idyllisch sind auch die rienwohnungen sind entstanden. Seebad Graal-Müritz. Der Ort grenzt ganz besonderer Art. Durch die La- Dörfer auf der Halbinsel. Zwar sind Doch gleich westlich des Ortes be- direkt an die Rostocker Heide, in der ge zwischen Meer und (Salzwasser-) alle Orte in den letzten Jahren ge- ginnt der eigentliche Zingst – ein ge- neben der artenreichen Flora und Bodden fühlt man sich schnell wie wachsen. Doch haben sich die Dör- schütztes Naturparadies zwischen Fauna verschiedene Weiler auf ihre auf einer richtigen kleinen Insel. fer ihren ganz eigentümlichen, be- Ostsee und Bodden. Entdeckung warten.

Pittoreske Reetdachhäuser prägen die Dörfer auf Fischland-Darß-Zingst Der Darßer Weststrand ist unverbaut und naturbelassen 6 7

Treibholz, umgestürzte und vom Wind gepeitschte Kiefern sind typisch für den spektakulären Darßer Weststrand £ Seite 82 Land & Leute 8 Fischland-Darß-Zingst heute 9

Rast. Damit dieses Naturschauspiel Ende des 19. Jahrhunderts ent- Fischland-Darß-Zingst heute in seiner Ursprünglichkeit erhalten deckten Künstler den malerischen bleibt, wurde 1990 der Nationalpark Küstenabschnitt. Kurz darauf kamen Kilometerlange Sandstrände, Von der Eiszeit geprägt und unab- Vorpommersche Boddenlandschaft auch die ersten Badegäste. Der Bade- schroffe Steilküsten, schilfum- lässig Wind und Meer ausgesetzt, fin- eingerichtet (£ Seite 16). Im Natio- tourismus entwickelte sich seitdem kränzte Boddenbuchten, weite det sich auf Fischland-Darß-Zingst nalpark dürfen bestimmte Flächen zur wirtschaftlich wichtigsten Ein- Wiesen und dichter Wald: Die eine der vielseitigsten Küstenland- nicht betreten werden. (Naturbeo- nahmequelle für die Region. Das ist Halbinsel Fischland-Darß-Zingst schaften Deutschlands. Die schmale bachtungs-)Orte wie der Zingster bis heute so geblieben. Trotzdem ist ist ein Naturidyll. Eingebettet in Landzunge bietet eine einmalige Pramort sind nur zu Fuß oder mit Fischland-Darß-Zingst ein Ziel für na- die Landschaft zwischen Meer und Mischung aus Flach- und Steilufern, dem Fahrrad zu erreichen. turnahe Ferien. Neben Badegäs­ten Bodden liegen schöne Seebäder Stränden und Dünen, Buchten, Neh- Neben dieser ursprünglichen Na- und Wassersportlern kommen be- und schmucke Fischer­dörfer. rungen, Wäldern und Wiesen. Die fla- tur bieten 60 Kilometer lange, wei- sonders Wanderer und Radfahrer auf chen Boddengewässer säumen dich- ße Sandstrände viel Platz für Son- dem gut ausgebauten Wegenetz auf Fischland-Darß-Zingst erstreckt sich te Schilfgürtel, in denen seltene Vo- nen- und Badehungrige sowie Was- ihre Kosten. über eine Länge von 60 Kilometern gelarten zahlreich Schutz finden. sersportler. Eine Besonderheit der Region sind vor der Küste zwischen Ribnitz-Dam- Auf den vorgelagerten Inseln und Viele Jahrhunderte waren Fisch- die Zeesenboote: Ursprünglich für garten im Westen und dem Salzgraswiesen findet alljährlich im land, Darß und Zingst Heimat von Fi- den Fischfang in den flachen Bod- genannten Bodden im Osten. Ur- Frühjahr und Herbst ein Naturschau- schern und Seefahrern. Bis heute prä- dengewässern gebaut, schippern die sprünglich waren Fischland, Darß spiel der besonderen Art statt: Rund gen reetgedeckte Fischer­katen, die majestätischen Holzboote mit ihren und Zingst eiszeitliche Inselkerne, 45 000 Kraniche und viele andere meist in satten, bunten Farben ge- rostbraunen Segeln heute vor allem die durch Verlandung zusammen- Zugvögel machen dann auf ihrem strichen sind, sowie Kapitänshäuser Besucher durch die idyllische Bod- wuchsen (£ Seite 12). Flug nach Süden oder Norden hier mit bunt bemalten Türen die Orte. denlandschaft (£ Seite 24).

Boote schaukeln im Hafen von am Bodden 10 Fischland-Darß-Zingst heute Sanfter Tourismus 11

Steckbrief: Fischland-Darß-Zingst immer teurer. Bis auf den Bau des Ho- Konflikte gibt es auch zwischen tels The Grand Ahrenshoop, das auf Tourismuswirtschaft und Naturschüt- Geografische Lage: Sichelförmige Nächste Kleinstädte: Ribnitz- dem Grundstück des abgerissenen zern auf der einen und Landwirten Halbinsel, die nördlich der Klein- Damgarten und Barth Kurhauses errichtet wurde, gab es auf der anderen Seite: Letztere möch- städte Ribnitz-Damgarten und Nächste größere Städte: aber seit Jahren keine größeren Neu- ten ihre Höfe modern und effizient Barth die Darß-Zingster Bodden- (ca. 50 km entfernt) und Stral- bauprojekte mehr. Gerade hier in Ah- bewirtschaften, wozu Monokulturen kette von der Ostsee trennt sund (ca. 45 km) renshoop, an der Engstelle zwischen und auch der Einsatz von Pflanzen- Länge: ca. 60 km Zugänge vom Festland: aus Ostsee, geschützter Natur und Bod- schutzmitteln gehört. Das verträgt Länge der Strände: ca. 60 km Richtung Westen über die Bä- den, fehlt der Platz dafür. sich nicht gut mit dem Image der Boddengewässer: knapp 200 km2 derstraße von Ribnitz-Damgar- Das wiederum kann auch zum Pro- Halbinsel als geschützte Naturland- Höchste Erhebung: Bakelberg ten, aus Richtung Osten über die blem für die Ahrenshooper selbst schaft. (ca. 18 m) bei Ahrenshoop Meiningen­brücke von Barth werden. So beklagte sich ein altein- Doch davon bekommen die Gäs­ Einwohner: 8 860 (mit dem Vor- Erschließung: Die gut ausge- gesessener Ahrenshooper in der lo- te der Halbinsel kaum etwas mit. Sie land des Fischlandes 10 460) baute Bäderstraße führt zu allen kalen Ausgabe der Ostsee-Zeitung, können sich einfach nur an der fan- Gemeinden: Wustrow, Ahrens- Dörfern auf der Halbinsel. dass seine erwachsenen Kinder die tastischen Landschaft, den hübschen hoop, Born am Darß, Wieck am Wirtschaft: Der Tourismus ist der Halbinsel verlassen müssten – sie fän- Dörfern, den weiten Stränden an der Darß, Prerow, Zingst. Ebenfalls bedeutendste wirtschaftliche den keine Wohnung, und Neubauge- Ostsee und den stillen Winkeln am dazu gezählt wird Dierhagen, das Faktor. Außerdem: Land- und nehmigungen würden kaum erteilt. Bodden erfreuen. im Vorland des Fischlandes liegt. Fischereiwirtschaft. Im Frühjahr blüht auf dem Darß vielerorts der Raps

Sanfter Tourismus Wegen durchkreuzt und bewundert werden. In den Jahren seit dem Zusammen- Durch den Nationalpark konn- bruch der DDR hat sich der Touris- te auch der fantastisch schöne Dar- mus an der gesamten Ostseeküste ßer Weststrand so erhalten werden, -Vorpommerns präch- wie er seit Jahrhunderten ist: wild, tig entwickelt. Die Seebäder wur- windumtost und von urwüchsiger den hübsch renoviert, viele neue, oft Schönheit. Nicht auszudenken, was hochwertige Quartiere sind entstan- passiert wäre, wenn hier Hotel-Re- den, eine vorbildhafte touristische sorts gebaut worden wären. Infrastruktur wurde geschaffen. Das Der Nachteil an diesem, vom Na- gilt auch für den Darß – aber mit ein turschutz bestimmten Tourismus- paar Besonderheiten: So bildet der konzept: Es gibt nur relativ wenig 1990 noch von der Übergangsre- Platz für die Erweiterung der Dörfer. gierung der DDR geschaffene Nati- So sind, mit Ausnahme des Seebades onalpark Vorpommersche Bodden- Zingst, wo viel gebaut wurde, die Ka- landschaft eine Schutzzone für die pazitäten der Dörfer begrenzt. Natur, die nicht nur die Ostseeküste Das ist aber durchaus im Sinne und die Boddengewässer zwischen vieler Einwohner auf der Halbin- Darß und Rügen umfasst, sondern sel. Mehr Tourismus muss nicht sein, auch den großen Darßwald im Zen- meinen sogar die Touristiker in den trum der Halbinsel. Hier wird die Na- Kurverwaltungen. Im Künstlerdorf tur im Wesentlichen sich selbst über- Ahrenshoop wird das Dilemma am lassen – und darf doch überwiegend sichtbarsten: Ahrenshoop ist in den von Touristen zu Fuß, mit dem Fahr- letzten 25 Jahren immer schöner und rad oder Pferd auf den vorhandenen beliebter geworden, die Quartiere 12 Landschaft & Umwelt 13

der Jahrtausende abgetragen, wan- ter. So verliert das Fischland jedes Landschaft & Umwelt derten mit der Strömung entlang Jahr durch Abtragungsvorgänge ei- des Ufers und lagerten sich schließ- nen halben Meter seiner Küste. Ohne Fischland-Darß-Zingst, das ab- Gesteinsblöcke ab und bildeten lich an den nordöstlichen Rändern Küs­tenschutz in Form von Buhnen, wechslungsreiche Land zwischen Abflussrinnen wie das Recknitztal als Sandbänke und Sandhaken wie- Steinwällen und Deichen oder der Meer und Bodden, zählt zu den südlich von Ribnitz-Damgarten. Zu- der an. Innerhalb vieler Jahrhunderte Bepflanzung der Stranddünen mit wenigen urwüchsigen Natur- rück blieb eine abwechslungsreiche verlandeten die Durchlässe zwischen Strandhafer wären die schmalen Stel- landschaften Mitteleuropas: Auf Landschaft, durchzogen von Grund- den Inseln und aus Fischland und len der Nehrungen zwischen Dierha- engstem Raum findet sich hier und Endmoränen. Später stieg der Darß wurde im 15. Jahrhundert eine gen und Wustrow sowie zwischen die gesamte Vielfalt der Flora Meeresspiegel, überflutete die Küs­ ­Halbinsel. Die Insel Zingst, durch die Ahrenshoop und dem Altdarß längst und Fauna des südlichen Ostsee- tengebiete und ließ Erhebungen zu Mündung des Prerowstroms noch durchbrochen. raumes. Inselkernen werden: Zu diesen zähl- abgetrennt, kam erst 1872 durch Im Gegenzug zum Landverlust ten im Westen die Moräneninsel Sandlawinen infolge eines Sturm- wächst die Dünenlandschaft zwi- Die Entstehung ­Hohes Fischland, im Osten der Alt- hochwassers hinzu. Der Bereich zwi- schen Darßer Ort und Prerow durch darß sowie die flachen InselnWest- schen den Inselkernen und der ei- Sandanlandung jährlich um etwa der Halbinsel und Ostzingst. gentlichen Festlandküste wurde so zehn Meter (£ Seite 65). Das östliche Die Insellandschaft Fischland-Darß- Fischland lag zu dieser Zeit noch fast völlig vom offe­nen Meer abge- Ende von Zingst bestimmen Sandha- Zingst begann sich vor etwa 10 000 doppelt so hoch über dem Meeres- schnitten – die Bodden entstanden. ken: ins Wasser ragende und durch Jahren zu formen, als die gewal- spiegel wie heute. Doch an seiner Au- Heute sind die Außenküsten von Sandanlandung wachsende Land- tigen Gletscher der letzten gro­ßen ßenküste wirkte die Kraft von Wind Fischland, Darß und Zingst vollstän- zungen. Ein einmaliges Schauspiel Eiszeit abschmolzen. Beim Abtauen­ und Wasser. Sand, Ton und Kies von dig zusammengewachsen. Doch die von Werden, Wachsen und Vergehen. lagerten die Eismassen Geröll und Strand und Steil­ufer wurden im Lauf Küstenlandschaft verändert sich wei-

Der konstante Wind am Weststrand lässt die Kiefern zur Seite wachsen 14 Landschaft & Umwelt Sanddorn: Die Zitrone des Nordens 15

Pflanzen & Tiere urwüchsige Weststrand (£ Seite 82). Der weiße Sandstreifen ist durch Ein- Sanddorn: die Zitrone des Nordens Im Westen säumen die Halbin- flüsse von Stürmen und Brandung sel Steil­ufer und flache Strände, die geprägt. Eindrucksvoll sind die auf im Norden in mächtige Sanddü- den Dünen thronenden windschie- Der dornige Strauch mit den zeln dringen tief in den Boden nen übergehen. Den Süden prägen fen Rotbuchen, auch Windflüchter orangeroten Früchten wächst ein. Dadurch sind sie auch hilf- schilf­umkränzte Boddenbuchten mit genannt, denen raue Westwinde zu auf dem sandigen Boden am reich, um der Bodenerosion ent- vorgelagerten Salzgrasinseln, dazwi- ihrer Form verholfen haben. Rand der Ostseedünen. gegenzuwirken. Die Pflanze be- schen liegen Wälder, Moore, Heiden nötigt viel Licht und Sonne und und Wiesen. Wattflächen & Salzwiesen Dank des hohen Vitamin-C-An- fühlt sich deshalb auch an der Eine weitere Besonderheit stellen teils wird Sanddorn auch als „Zi- Ostsee mit ihren weiten Strand- Der Darßwald die Sundische Wiese, die Werder­ trone des Nordens“ bezeichnet. dünen wohl. Im Herzen der Halbinsel erhebt sich inseln und das Windwatt im Ostteil Allerdings enthalten Sanddorn- Der Strauch blüht von März bis der 50 Quadrat­kilometer große des Zingst dar. Die charakteristischen beeren bis zu viermal soviel Vi- Mai. Die Ernte, das so genannte Darßwald, der einschließlich gro- Wattflächen und Salz­wiesen sind ein tamin C wie Zitronen. Den Sand- „Melken“, bei dem der Saft durch ßer Teile der Boddengewässer seit idealer Lebensraum für Salzpflanzen dornfrüchten wird eine gesund- ein mühseliges Verfahren direkt 1990 zum Nationalpark Vorpommer- sowie Wasser- und Watvogelarten. heitsfördernde und schützende am Strauch gepresst wird, erfolgt sche Boddenlandschaft (£ Seite 16) Im Frühjahr und Herbst bietet sich Wirkung zugeschrieben: So sol- im Herbst. gehört. In ihm haben viele Tiere ih- ein faszinierendes Schauspiel, wenn len sie unter anderem entzün- Aus der Vitaminbombe werden re Heimat, die in anderen Regio­nen zehntausende Kraniche auf ihrer dungshemmend wirken und den Säfte, Nektar, Tee, Marmeladen, ausgestorben sind oder äußerst sel- Zug­route hier einen Schlafplatz fin- Cholesterinspiegel­ senken. Mus und sogar Hochprozentiges ten vorkommen: Seeadler, Schwarz- den (£ Seite 137). Sanddornsträucher wachsen wie Liköre zubereitet. Der herbe, storch, Fischotter und ­Hermelin, Die Vogelschutz­inseln Kirr und Oie auch auf kargen Böden, gern am leicht säuerliche Geschmack ist al- Schlingnatter und Kreuz­otter, um im Barther Bodden bilden den Le- Rand von Sanddünen. Ihre Wur- lerdings gewöhnungsbedürftig. nur einige von ihnen zu nennen. bensraum für Brutvögel der Salzwie- Auch Rehe, Hirsche, Wildschweine sen wie Zwergmöwe, Uferschnepfe, und Füchse kann man im Darßwald Kampfläufer, Löffelente oder Säbel- Im Herbst leuchten an der Küste die orangefarbigen Beeren des Sanddorns antreffen. Recht versteckt leben dort schnäbler. In den breiten Röhrichten Dachs, Iltis, Stein- und Baummarder. am Ufer (ein Röhricht ist ein Biotop, Auch Marderhunde, die ursprüng- das bestimmte Arten von Flachwas- lich aus Osteuropa stammen, gibt es ser- und Uferpflanzen beherbergt) im Darßwald. brüten viele versteckt lebende Vögel In den Mischwäldern sind circa 20 wie Rohrsänger und Rohrweihe. Baumarten heimisch. Eine­ Beson- In den angrenzenden flachen, von derheit ist die an feuchteren Stel- der Ostsee abgetrennten Boddenge- len vorkommende Stechpalme (Ilex). wässern leben über 40 verschiedene Hier wachsen auch viele Orchideen- Fischarten. Zu ihrem Schutz ist der arten wie Frauenschuh und Purpur- Fang heute nur noch in festgelegten knabenkraut, die genauso geschützt Zonen mit traditionellen Stellnetzen sind wie der seltene Sonnentau in und Reusen gestattet. sumpfigen Gegenden. Dort, wo In der Ostsee selbst leben unter Wald und Dünen ineinander über- anderem Dorsch, Flunder, Kliesche gehen, wachsen Strandhafer und und Scholle ebenso wie Hornhecht Strandnelke, zudem die vom Aus- und Sandgrundel. sterben bedrohten Pflanzen Meer- Die Meeressäuger der Ostsee wie kohl und Strand­distel. ­Robben und Seehunde können mit Das landschaftliche Highlight aber Glück und Schweinswale mit äußerst ist der an den Darßwald angrenzende viel Glück gesichtet werden. 16 Landschaft & Umwelt Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft 17

Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft

Der 1990 noch von der DDR-­ moore und Salzwiesen, stellen- bar zu machen – gehören zum wiesenen Wege nicht verlassen Regierung eingerichtete weise säumen breite Brackwas- Anliegen der Schutzmaßnahme. werden. Hunde müssen übrigens Nationalpark­ Vorpommersche­ serröhrichte die Bodden­ufer. Dazu wurde der Natio­nalpark in im gesamten Nationalpark an die Boddenlandschaft ist mit ei- Sandhaken, Dünen und Strand­ zwei Schutzklassen unterglie- Leine, damit seltene Tiere nicht ner Fläche von 805 Quadrat­ wälle sowie der sichtbar auf ei- dert. Gebiete, die schon heute aufgeschreckt werden. kilometern der größte Ostsee-­ ner Strandwalllandschaft entstan- einen naturnahen Zustand auf- Die Nationalparkverwaltung Nationalpark. Er umfasst dene Darßwald gehören zu den weisen, wurden als Schutzzone I, befindet sich in Born. DieInfor - ausgedehnte Flachwasser- verschiedenen Ökosystemen, die so genannte Kernzonen, ausge- mationszentren in Born, in Wieck und Küstenbereiche zwischen ­ideale Lebens­räume für unzählige wiesen – alle anderen vorerst als (Darßer Arche), der Sundischen Darß, Zingst, und Tiere und Pflanzen sind. So hat der Schutzzone II. Wiese sowie das Natureum am der Westküste­ von Rü­ gen.­ Nationalpark neben seiner einzig- Während die Kernzonen voll- Leuchtturm Darßer Ort veran- artigen Vegetation auch als Vogel- ständig den Launen der Natur schaulichen die naturkundlichen Der größte Teil besteht aus einer schutzgebiet große Bedeutung. überlassen werden, soll in den Besonderheiten und bieten öf- Wasserfläche von 651 Quadratki- Bemerkenswert ist die zuneh- anderen Gebieten durch natur- fentliche Führungen an. Zudem lometern. Landflächen nehmen mende Zahl an Seehunden, Rob- verträgliche Wirtschaftsweisen hat die Nationalparkverwaltung im Vergleich nur einen geringen ben und Schweinswalen. langfristig die natürliche Ent- viele Kilometer ausgeschilder- Anteil von 118 Quadratkilome- Die Erhaltung, Pflege und Wie- wicklung der Landschaften ge- te Rad- und Wanderwege ein- tern ein. Dazu kommen viele land- derherstellung der Leistungs- fördert oder in ihrem jetzigen gerichtet sowie Besucherplatt- schaftliche Besonderheiten wie fähigkeit des Naturhaushaltes – Zustand erhalten bleiben. In der formen, die dazu einladen, die Windwatte, Küstenüberflutungs- und diese dem Menschen erleb- Schutzzone I dürfen die ausge- Naturbesonderheiten zu erleben.

Der urwüchsige Darßwald wird an manchen Stellen zum Moor Teile des Darßer Strandes werden besonders geschützt 18 Geschichte 19

Geschichte

Um 5 000 v. Chr. Tempelburg bei Arkona auf der Insel Der Meeresspiegel steigt durch das Rügen und überlässt die Herrschaft Abschmelzen des skandinavischen über Darß, Zingst und das Barther Festlandgletschers. Die Grundmorä- Land den Slawen unter seiner Ober- nenlandschaft wird überflutet, aus Er- hoheit. hebungen entstehen die Inselkerne Fischland, Darß und Zingst. 13. Jahrhundert Mit der Festigung der deutschen Um 4 000 v. Chr. Herrschaft setzt die Einwanderung Jäger und Sammler der mittleren deutscher Siedler ein. Neben den Steinzeit ziehen in der Gegend um slawischen Orten werden deutsche Dierhagen, Fischland und Altdarß Siedlungen gebaut. Barth, Damgar- umher. Das belegen viele Beile, Pfeil- ten, Ribnitz und Marlow entstehen spitzen und andere Feuersteinwerk- als Burgsiedlungen mit Märkten und zeuge, die dort gefunden wurden. großen, trutzigen Kirchen als Aus- druck neuer Macht und neuen Glau- Zingst um 1890 Um 3 500 v. Chr. bens in der Zeit um 1250. Zahlreiche Funde aus der Jungstein- perbriefe auf skandinavische Schiffe sinkt um ein Drittel. Zugleich wüten zeit zeigen, dass der eiszeitliche Kern 1292 erlassen. Damit wird Piraterie legali- Pest und Hungersnot. des Fischlandes um den heutigen Ort Zisterziensermönche kaufen von siert. Seeräuber nutzen die Bodden Wustrow schon früh durch germa- Wizlaw II. von Rügen die Insel Zingst. der Inseln als Unterschlupf, verkau- 1648–1815 nische Stämme besiedelt war. Sie entwässern und roden die Insel, fen in Ribnitz die erbeuteten Schät- Als Ergebnis des Westfälischen Frie- um anschließend Ackerhöfe zu er- ze und versorgen sich dort mit Pro- dens wird Vorpommern schwedisch. 375–800 n. Chr. richten. Die Erschließung zieht Sied- viant. Doch die Hanse rächt sich bit- Die Halbinsel steht somit bis zur Die germanischen Stämme verlassen ler nach, in Prerow wird nach 1296 die terlich: 1392 schlägt eine Stralsunder meck­lenburgischen Grenze südlich in der Zeit der Völkerwanderung das erste Kirche gebaut. Flotte in der Ribnitzer See die adligen von Ahrenshoop unter schwedischer Land und ziehen in Richtung Süden. Piraten und richtet sie mitsamt ihren Herrschaft. Mit der schwedischen Slawische Stämme (Obotriten, Ranen 1325 Mannschaften hin. Die Stadt Ribnitz Verwaltung setzt sich die Leibeigen- und Wilzen) besiedeln die dünn be- Nach dem Tod von Wizlaw II. gehen wird bestraft, indem die Wasserläufe schaft durch. Ribnitz und das Fisch- siedelte Region. Aus dieser Zeit da- die Ländereien von Barth, Darß und (1394) und (1400) ver- land kommen 1669 in den Besitz der tieren zahlreiche Wall- und Burgan- Zingst in den Besitz des Wolgaster schlossen werden und so die Stadt ih- mecklenburgischen Herzöge. lagen, die teils noch rudimentär vor- Pommernherzogs. Dessen Erbstrei- re Seezugänge verliert. handen sind wie die Hertesburg bei tigkeiten mit dem Mecklenburger 18./19. Jahrhundert Prerow. Auch die Ortsnamen wie Fürstenhaus führen zu den Rügen- Ab 1520 Die Segelschifffahrt entwickelt sich Wustrow, Prerow, Zingst und Ribnitz schen Erbfolgekriegen. Als deren Er- In Mecklenburg und Pommern ver- zum Haupterwerbszweig der Bewoh- sind slawischen Ursprungs. gebnis erhalten die Mecklenburger breitet sich die lutherische Lehre. ner. Werften entstehen und bringen den Darß und Zingst. 1534 wird für Pommern und 1549 für der Region einiges an Geld ein. So 9.–12. Jahrhundert ganz Mecklenburg der protestan- werden zum Beispiel in Prerow 1783 Heinrich der Löwe unterwirft im 14. Jahrhundert tische Glaube als Landesreligion ein- neben 2027 Leibeigenen auch 836 12. Jahrhundert die Obotritenfürsten Ab dem 14. Jahrhundert entwickeln geführt. Freie gezählt – ein Ausdruck von re- und erobert damit Mecklenburg. So sich Handel, Seefahrt und auch Pira- lativem Wohlstand. Aus den vorher beginnen die deutsche Besiedlung terie. So setzt das mecklenburgische 17. Jahrhundert auf Landwirtschaft und Fischerei be- und Christianisierung des Fischlands Herzoghaus bei den Stadträten von Während des Dreißigjährigen Krieges schränkten Orten werden wohlha- und des Recknitztals. Waldemar von Ros­tock und Wismar trotz ihrer Zuge- (1618–1648) werden Städte und Dör- bende Schiffersiedlungen, was an Dänemark zerstört 1168 die slawische hörigkeit zur Hanse durch, dass sie Ka- fer verwüstet, die Zahl der Bewohner den Kirchen und den Kapitänshäu-