WMDE-Politik-Update Q2 2020 (April - Mai - Juni)

Im Politik-Update halten wir quartalsweise fest, was die wichtigsten Schwerpunkte unserer Team-Arbeit der letzten drei Monate waren. Dabei verweisen wir auch auf Entwicklungen anderswo, die Bezug zur politischen Rolle des Wikimedia Movements und des Vereins Wikimedia Deutschland haben.

Mit wem wir uns getroffen haben (, Bundesregierung, Verbände, NGOs etc.)

Gesprächsrunden:

An eigenen Gesprächsrunden und Teilnahme an denen anderer gab es die folgenden:

● Im Mai haben wir ein juristisches Symposium zur EU-Urheberrechtsreform von 2019 abgehalten. Es ging darum, wie der speziell auch durch Wikimedia-Aktive in die Reform eingeführte Artikel 14 der EU-Richtlinie zum Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt (kurz: DSM-Richtlinie) ins deutsche Urheberrecht umgesetzt werden ​ ​ sollte. Er soll verhindern, dass bloße digitale Abbilder ansonsten gemeinfreier Kunstwerke automatisch selbst mit exklusiven Fotorechten belegt sind, was die Gemeinfreiheit der abgebildeten Werke untergräbt. In der Vergangenheit hatte dies bereits zu einer Klage gegen einen Wikipedianer geführt, die bis zum höchsten deutschen Zivilgericht lief und verdeutlichte, dass das Urheberrecht hier angepasst werden muss. Teilnehmende des Symposiums waren Rechtsprofessorinnen und -professoren sowie weitere Expertinnen und Experten des Themenfeldes. Das Ergebnispapier stellten wir anschließend dem Bundesjustizministerium zur Verfügung, wo derzeit die Umsetzung der DSM-Richtlinie vorbereitet wird.

● Am 9. April war der Teamleiter Politik und Recht bei einem Fachgespräch der Unions-Bundestagsfraktion unter Federführung der Abgeordneten Nadine Schön und zum Thema “Datentreuhand” als Experte geladen, neben vier weiteren Vortragenden u. a. von der Bundesdruckerei. Weitere Teilnehmende waren die Abgeordneten Hansjörg Durz, , , , und (alle CDU/CSU). Ziel des Gesprächs war es, Chancen und Risiken verschiedener Treuhand-Modelle zu beleuchten und Möglichkeiten zur Einbettung in Datenökosysteme nachzuvollziehen. Im Kontext der Einbettung wurde auch diskutiert, welche Kompetenzen für eine Treuhand sinnvoll sind und welche rechtlichen und technischen Hürden überwunden werden müssen.

● An der Gesprächsrunde in der Reihe “Digitale Synergien” der MSG Group am 02.04. ​ ​ 2020 zum Thema: „Digitale Barrierefreiheit – wie wird Digitalisierung zum ​ Inklusionswerkzeug für Menschen mit Behinderungen?“ nahm Bernd Fiedler für ​ Wikimedia Deutschland teil.

Einzelgespräche:

Direkte Gespräche zu den politischen Anliegen besserer Rahmenbedingungen für Freies Wissen haben wir im Q2 mit den folgenden geführt:

(FDP) getroffen am 26.04.2020 zu unserem Projekt WirLernenOnline ​ ​ ● (SPD) getroffen am 12.06.2020 zu Open Data und Mobilität ​

Unsere Stellungnahmen und Veröffentlichungen

Stellungnahmen und ähnliches:

● Unter dem Titel “Aus der Krise lernen: Digitale Zivilgesellschaft stärken!” haben wir ​ am 1. April gemeinsam mit über 80 weiteren Stiftungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen, die sich für eine unabhängige digitale Infrastruktur und freien Zugang zu Wissen einsetzen, einen offenen Brief an die Politik gerichtet. Darin fordern wir, das der Aufbau eines gemeinwohlorientierten digitalen Ökosystems endlich politische Priorität bekommen muss. ● Gemeinsam mit einer breiten Koalition internationaler NGOs haben wir am ... einen offenen Brief an den Generaldirektor der Weltorganisation für geistiges Eigentum adressiert, in dem wir vor dem Hintergrund der Corona-Einschränkungen zu besseren internationalen Regen für Zugang zu Wissens aufrufen.(JD) ● Unser Politikbrief 3, Sommer 2020 wurde im Juni an die Bundestagsabgeordeten der ​ Ausschüsse Digitale Agenda, Kultur und Medien, Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Europäische Angelegenheiten, Inneres, Recht und Verbraucherschutz und an den Ausschuss Verkehr und digitale Infrastruktur des Bundestages verschickt. Er widmet sich der Rolle von Wikipedia als vertrauenswürdige Informationsquelle in Zeiten von Corona und erläutert, warum Wikipedia besser als andere Strukturen gegen Desinformation aufgestellt ist. Damit die Ehrenamtlichen der Wikipedia diese wichtige Arbeit weiterhin leisten können, fordern wir von der Politik u.a. mehr Unterstützung und Anerkennung für digitales Ehrenamt. ● Die Europäische Kommission überlegt Grundregeln für die Entwicklung für vorzuschlagen und haben eine öffentliche Konsultation durchgeführt. Die Wikimedia Communities, vereint in der Arbeitsgruppe FKAGEU, haben eine Stellungnahme zu ​ KI und Intellectual Property eingereicht, die argumentiert, dass neue Schutzrechte nicht notwendig sind und bereits bestehende (wie das sui generis Datenbankrecht) die Entwicklung stören. Die Konsultation hatte auch noch einen Fragebogen, in dem ​ ​ wir die uns für “Public money, public code" und Transparenz stark gemacht haben. Außerdem haben wir die Position bezogen, dass universelle Regeln, die für alle gelten zu bevorzugen sind, anstatt spezifische für “high-risk” Applikationen, wie sich das die Kommission überlegt. Als letztes wurden wir auch nach der Haftung für KI Anwendungen gefragt. Wir haben empfohlen zu analysieren inwiefern die Produkthaftungsrichtlinie hier greift. Teile des Gesetzes stützen sich nämlich auf “Benutzererwartung”, die bei neuen KI Anwendungen nicht immer gegeben sind. ● Stellungnahme Datenstrategie Europäische Kommission Die Europäische Kommission überlegt einen Data Act vorzuschlagen bei dem es darum geht soviele Daten wie möglich für Wirtschaft und Entwicklung offen zu legen. Zwar ist hier ein starker Fokus of Business2Business Transaktionen, doch fragt die Kommission auch nach der möglichen Rolle der Zivilgesellschaft. Wir haben sowohl die Konsultationsfragen beantwortet, als auch zwei ​ Positionspapiere beigefügt. Im ersteren ging es darum die merkmale von “high-value datasets” zu präzisieren. Im weiteren haben wir der Kommission unsere Überlegungen und Beobachtungen zum Thema Datentreuhänder mitgeteilt.

Blogbeiträge:

● Gastbeitrag von Silke Helfrich - “Allmende statt Open Everything” ​ ​ ​ ● Blogbeitrag zum Salon ABC des freien Wissens U=Ungeregelt – Ungerecht? Wer ​ ​ sichert das Gemeinwohl in der Datenpolitik? - Datenpolitik und Corona App ​ ​ ● Blogbeitrag zum offenen Brief: Keine Informationsgesellschaft ohne digitale ​ ​ ​ Zivilgesellschaft

Pressemitteilungen: ● 03.06.2020 ZDF gibt Bildungsinhalte frei ​ ● 01.04.2020 Keine Informationsgesellschaft ohne digitale Zivilgesellschaft ​ ● 29.04.2020 Offener Brief zu EU-Maßnahmen gegen terroristische Inhalte im Netz ​ ● 12.05.2020 Lehrerverbände und Wikimedia wollen Corona-Soforthilfe des öffentlich ​ rechtlichen Rundfunks dauerhaft nutzbar machen

Veranstaltungen & Kampagnen (eigene oder durch andere organisiert, aber mit Teilnahme durch uns)

● Digitale Gesellschaft, Netzpolitischer Abend zum Thema “When Stars Collide” ​ ​ ​ am 07.04.2020

Teilnahme und Vortrag in der Diskussionsreihe “Netzpolitischer Abend” der Digitalen Gesellschaft. Diesmal sprach Bernd Fiedler über die Wikimedia-Kampagne ​ “Öffentliches Geld? Öffentliches Gut!” (#ÖGÖG), die darauf abzielt, möglichst viele ​ Rundfunkanbieter dafür zu gewinnen, ihre Inhalte zumindest teilweise frei und dauerhaft auch für freie Wissensprojekte wie Wikipedia verfügbar zu machen.

● #ÖGÖG-ÖRR-Kampagne, 19.06.2020 Workshop zur Vorbereitung des Runden ​ Tisches - Online-Format

Unsere Kampagne mit dem Slogan ÖGÖG-ÖRR, kurz für: “Öffentliches Geld, öffentliches Gut” im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk lief von März bis Juli 2020. In der Unterschriftenkampagne forderten der Deutsche Bibliotheksverband, ​ ​ ​ ​ ​ Wikimedia Deutschland und das Bündnis Freie Bildung die Sender ARD und ZDF ​ ​ dazu auf, Inhalte mit Bildungsbezug dauerhaft und möglichst unter freier Lizenz ​ online zur Verfügung zu stellen. Die Kampagne wurde von WMDE initiiert und koordiniert. Mehr als 10.000 Unterschriften wurden gesammelt, die den Intendanten ​ ​ des ARD und ZDF vorgelegt wurden.

Zur Vorbereitung der Diskussionsvorlage fand am 19.6.2020 ein Workshop im Online-Format statt, der den Teilnehmenden des Runden Tisches eine vorab Diskussion und Klärung der Positionen erlaubte. Moderiert wurde das Treffen von Bernd Fiedler und John Weitzmann.

● Digital Tag: Moderation Podium “Digitalisierung in Kultureinrichtungen”, ​ ​ veranstaltet von der Stadt Leipzig, Diskussion, am 19.6.2020

Die Veranstaltung konnte am 19. Juni 2020 im Rahmen des ersten nationalen "Digitaltag" live auf dem Youtube-Kanal der Universität Leipzig verfolgt werden. ​ ​ ​ Thema war die Digitalisierung von Kulturgut in Museen, Bibliotheken und Archiven. Vertreter*innen verschiedener Leipziger Kultureinrichtungen diskutierten Fragen aus dem breiten Themenspektrum von Social Media über die Präsentation von Sammlungen im Internet bis hin zur Veröffentlichung von Open Data. Die Diskussion wurde von Lilli Iliev moderiert.

● Session beim Community Forum zu ÖGÖG/ÖRR, 05.06.20 ​ ​ Beim Community Forum kommen Mitarbeitende von Wikimedia Deutschland und ​ ​ Freiwillige der Wikipedia alljährlich in verschiedenen Workshops zusammen, um die gemeinsame Arbeit zu besprechen und zu gestalten. Im Workshop ÖGÖG/ÖRR, kurz für Öffentliches Geld, Öffentliches Gut!/ Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, ging es ​ ​ darum, welche Inhalte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für ​ ​ Wikipedianerinnen und Wikipedianer besonders interessant sein können. Der Workshop bot ebenfalls die Möglichkeit das weitere Vorgehen im Kontakt mit den Rundfunkanstalten zu planen. Dieses Jahr fand das Community Forum aufgrund von Covid-19 als Online-Format statt.

● Salon ABC des freien Wissens, Folge “U wie Ungeregelt – Ungerecht? Wer sichert ​ ​ das Gemeinwohl in der Datenpolitik?”, 14.4.2020 ​ ​ Im Livestream diskutierten die Gäste rundum das Thema Datenregulierung und Zugang zu Daten. Neben Überlegungen zur aktuellen Debatte über Sicherheit und Nutzen von “Corona-Apps” ging es vor allem um die Möglichkeit einer Gemeinwohlorientierung in der Datenpolitik. Aufgrund der aktuellen Situation waren die Gäste online zugeschaltet, gehostet wurde die Veranstaltung durch das Studio von Alex Berlin. Das Video steht zur Verfügung, siehe außerdem Blogbeitrag. “Was ​ ​ ​ ​ ​ macht die Krise mit der Datenpolitik?” sowie Statements zum Salon von Ulrich ​ ​ Kelber, Ingrid Brodnig und tante (Jürgen Geuter). ​ ​ ​ ​ ​ ● Sitzung der Lehrveranstaltung “Digital Governance” an der Hertie School, ​ ​ “Maintaining the Digital Commons: The Challenges of Content Moderation and Platform Regulation for Open Projects”, 26.05.2020 ​ Die Veranstaltung wurde im Rahmen eines berufsbegleitenden Masterprogramms der Hertie School angeboten, an dem Mitarbeitende aus NGOs, Unternehmen und Verwaltung teilnehmen. In der Sitzung ging es um die Herausforderungen, Inhalte auf gemeinwohlorientierten Plattformen zu moderieren, und wie ein auch für gemeinwohlorientierte Plattformen geeigneter ordnungspolitischer Rahmen aussehen müsste.

EU-Politik / Internationale Regelsetzung

Ein Best-Of der Monatsberichte der Free Knowledge Advocacy Group EU ​ ​ ​ (F.K.A.G.E.U.)

Digital Services Act: Der deutsche Europaabgeordnete Tiemo Wölken (SPD / ​ ​ S&D-Fraktion des Europaparlaments) veröffentlichte seinen Entwurf eines Stellungnahme Berichts für den Rechtsausschuss: Der kurze Text legt einen starken Fokus auf Grundrechte, fordert ein verbindliches “notice-and-action System” und eine Europäische Instanz zur Überwachung der Plattformen. Die öffentliche Konsultation wird Mitte oder Ende Mai beginnen. Ein Gesetzesvorschlag soll nach wie vor Ende des Jahres erscheinen. Zwei Inception Impact Assessments wurden im Juni veröffentlicht. Sowohl die Wikimedia Foundation als auch die Free Knowledge Advocacy Group haben ihr Feedback hierzu eingereicht.

Datenstrategie der Europäischen Union: Die Konsultation zur Datenstrategie war bis ​ Ende Mai offen und es wurde eine Wikimedia-Antwort eingereicht, bei der besonders wichtig war, welche Daten öffentlicher und privater Stellen für das Freie Wissen besonders wichtig sind und zukünftig als “high-value datasets” definiert und dadurch verfügbar und frei nutzbar sein sollten.

Terrorist Content Regulation (TERREG): Das Stocken der Trilogverhandlungen ​ ​ eröffnet ein Zeitfenster für bisher zu geringe öffentliche Debatte zu dem Thema.

Wettbewerbsregeln für Online-Dienste: Die Vizepräsidentin der Europäischen ​ Kommission, Margrethe Vestager, will Plattformregulierung auch durch ​ ​ Wettbewerbsmechanismen lösen. Der Prozess hat mit der Sammlung von Feedback begonnen. Es wird an einem neuen Wettbewerbsinstrument (competition tool) gearbeitet, welches entweder auf marktbeherrschende Unternehmen abzielt, also mit Fokus auf Marktdominanz, oder Marktstruktur basierend operieren wird.

Umsetzung der CDSM-Richtlinien in den europäischen Mitgliedsstaaten: Es gibt derzeit ​ Gesetzesentwürfe in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Ungarn, Kroatien und Deutschland.

Weitere Entwicklungen mit Bezug zur internationalen Regelsetzung

● Seit Juni beteiligen wir uns an einer Koalition von NGOs, die versucht, ein Handelsabkommen zwischen Kenia und den USA in gemeinwohlorientierter Perspektive mitzugestalten.

● Mit Burcu Kilic von Public Citizen haben wir im Juni über eine Beteiligung an einer ​ ​ ​ ​ internationalen Koalition zu Fragen des digitalen Handels gesprochen.

● Gemeinsam mit Communia, EIFL und IFLA haben wir Briefe an den Europäischen ​ ​ ​ ​ ​ Auswärtigen Dienst und die Europäische Kommission geschickt, um die Einmischung ​ der Kommission in der südafrikanischen Urheberrechtsreform (EEAS Brief) zu ​ ​ kritisieren. Dies hat zu einer Aufnahme von Gesprächen mit der Europäischen Kommission über eine bessere Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure im Kontext von Handelsfragen geführt.

● Eine Arbeitsgruppe bestehend aus WMDE, der Free Knowledge Advocacy Group und der Wikimedia Foundation hat in mehreren Sitzungen Prinzipien und Kernpunkte einer Idealvorstellung des Plattformökosystems erarbeitet. Diese sollen in den kommenden Jahren die Grundlage für unsere Forderungen rund um die Plattformregulierung.

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