Germany's Bonnie and Clyde
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Germany’s Bonnie and Clyde Dimensionen des RAF-Bildes in den US-amerikanischen Printmedien Manuel Reinhardt RUPRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT HEIDELBERG ZENTRUM FÜR EUROPÄISCHE GESCHICHTS UND KULTURWISSENSCHAFTEN (ZEGK) HISTORISCHES SEMINAR INAUGURALDISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER DOKTORWÜRDE DER PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG Vorgelegt am 15. Oktober 2014/Disputation 21. Januar 2015 1. Gutachter Prof. Dr. Edgar Wolfrum Universität Heidelberg 2. Gutachter Prof. Dr. Frank Engehausen Universität Heidelberg Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2 2. Die RAF in den US-amerikanischen Printmedien: Überblick, Phasen, Merkmale 31 2.1 Die erste Phase 1970 bis 1977 32 2.2 Die zweite Phase 1978 bis 1998 37 2.3 Die dritte Phase: Der kulturelle Kontext 41 3. Die (pop)kulturelle Dimension des RAF-Bildes 47 3.1 Germany’s Bonnie and Clyde 47 3.2 Der Baader-Meinhof Komplex 69 3.3 Gerhard Richters October 18, 1977 81 3.3.1 Rezeption in der amerikanischen Literatur 103 3.4 Die RAF in Film, Kunst und Literatur 111 3.5 Zusammenfassung 128 4. Die politische Dimension des RAF-Bildes 136 4.1 Die Anschläge ’72 139 4.1.2 Der Krieg in Vietnam und seine medialen Folgen für das RAF-Bild 151 4.2 Die Anschläge in den 1980er Jahren 156 4.2.1 Gesellschaftlicher Wandel unter der Regierung Ronald Reagans 181 4.3 Die RAF nach 9/11 183 4.4 Zusammenfassung 187 5. Die gesellschaftliche Dimension: Die RAF als Abbild der deutschen Gesellschaft 191 5.1 Stammheim und der lange Schatten des Nationalsozialismus 192 5.2 1977 und der Deutsche Herbst 213 5.2.1 Die Vorboten des Herbstes 215 5.2.2 Deutsche Terroristen: jugendlich, weiblich, bourgeoise 219 5.2.3 Quo Vadis, Bundesrepublik? 228 5.3 Zusammenfassung 287 6. Fazit 289 7. Literaturverzeichnis 296 7.1 Quellen 296 7.2 Literatur 312 Danksagung 326 1. Einleitung „Wurde die RAF in den USA überhaupt wahrgenommen?“ – diese Frage begegnete mir in Gesprächen über das Thema der vorliegenden Arbeit mit Menschen in Deutschland. Die Rote Armee Fraktion (RAF), die durch ihren Terror die Bundesrepublik bis heute geprägt hat, ist mit all ihren politischen, gesellschaftlichen, historischen Dimensionen zuvorderst ein deutsches Phänomen, das impliziert diese Frage schon. Doch es waren verbale und tatsächliche Angriffe auf Einrichtungen und Personen des US- amerikanischen Militärs, die den Startschuss für den Terrorismus in den siebziger und achtziger Jahren darstellten und somit die Frage nach der Wahrnehmung der RAF in den USA rechtfertigen. Die USA spielte in der Geschichte der RAF eine kontinuierliche Rolle. Die RAF war seit ihrer Gründung durch die Befreiung Andreas Baaders am 14. Mai 1970 durch die afroamerikanische Widerstandsbewegung Black Panther Party beeinflusst, die in den frühen Schriften der RAF Erwähnung fanden. Der Krieg der USA in Vietnam und ferner der von der RAF angeprangerte US-Imperialismus waren Ziel verbaler Propaganda und physischer Taten der RAF. So etwa die Anschläge auf US- Militärstützpunkte in Heidelberg und Frankfurt 1972 und 1985, auf führende Militärs zu Beginn der 1980er Jahren bis schließlich zu Schüssen auf die amerikanische Botschaft in Bonn 1991. Diese Attentate kosteten sieben amerikanischen Bürgern das Leben, weit über 30 wurden verletzt. Daraus folgt die Frage, ob und wie die amerikanische Öffentlichkeit auf den RAF-Terror reagierte. Ebenfalls ergibt sich durch den Blick durch die amerikanische Brille eine neue, eine internationale Perspektive auf die Geschehnisse und Auswirkungen des deutschen Terrorismus. Die Rote Armee Fraktion und die USA – es bedarf zunächst eines kurzen historischen Abrisses, die nicht gerade augenscheinliche Verbindung der beiden Begriffspaare aufzuzeigen, und somit auch eine Erwiderung auf die Ausgangsfrage zu geben. Am Anfang war Vietnam. Und Hitler. Getrieben von den Schatten der Vergangenheit, von dem historischen Ballast des Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges, des Holocaust an den Juden und der damit verbundenen Schuld der Elterngeneration, entwickelte sich in den 1960er Jahren in Deutschland ein Gewissen unter der jungen, der ersten Nachkriegsgeneration, die Geschehnisse und Untaten des Nazi-Regimes nicht (mehr) zu ignorieren, die schmerzhaften Erfahrungen zu verdrängen und folgerichtig nach der Verantwortung der Eltern zu fragen. So entstand diese sogenannte 68er- 2 Generation, die – politisch im linken Spektrum angesiedelt – neue Themen und Werte1 besetzte und Sympathien zum Kommunismus als großen Gegenentwurf zum Nationalsozialismus, aber auch zum marktdominanten Kapitalismus amerikanischer Prägung hegte. Die Ablehnung jener marktgesteuerten Wirtschaftsform, von Expansion und Krieg kennzeichnete die vor allem im Studentenmilieu verankerten 68er. Und mit diesem ideologischen Rüstzeug ausgestattet, war das militärische Engagement der USA in Vietnam ein zentraler Kritikpunkt der Bewegung: die Politik Amerikas in Südostasien beschwor Vergleiche mit Hitlerdeutschland herauf. Nach dem Vorbild der Bürgerrechtsbewegung in den USA entwickelte sich so der aktive Widerstand gegen die US-Außenpolitik. Vor allem in den großen Städten – nicht nur Deutschlands, die Studentenproteste waren ein Phänomen gesamtwesteuropäischer Prägung – kam es zu Massendemonstrationen, „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“ wurde zur lautstark skandierten Parole der Demonstranten. Blieb der Protest jener Generation zu den größten Teilen friedlicher Natur und generierte sich etwa in Märschen, propagierten einzelne, radikale Kreise aber auch den bewaffneten Widerstand2. Dazu gehörten etwa auch Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Hans Söhnlein. Am 2. April 1968 setzten sie ihre Philosophie vom „Bewaffneten Kampf“ erstmals in die Tat um und legten Brände in zwei Frankfurter Kaufhäusern – ein Zeichen als Protest gegen den Vietnamkrieg. Nach kurzer Haft tauchten die Agitatoren unter und gründeten gemeinsam mit der Journalistin Ulrike Meinhof und ihrem Anwalt Horst Mahler die Rote Armee Fraktion. Vorbilder der Organisation waren hierbei die Stadtguerillas lateinamerikanischer Länder3, etwa den Tupamaros in Uruguay, was ausführlich in ihren ideologischen Schriften „Das Konzept Stadtguerilla“ von 1971, „Stadtguerilla und Klassenkampf“ vom April 1972 sowie „Die Aktion des schwarzen Septembers in München“ aus dem November 1972 dargelegt wurde. Auch die USA und deren Politik wurden in jenen von Meinhof und Mahler verfassten Pamphleten thematisiert und zum Feind erklärt. 1 Die 68er-Bewegung setzte einen beispiellosen gesellschaftlichen Diskurs in Gang, der sich über und in vielen Aspekten des sozialen Lebens niederschlug. Siehe hierzu stellvertretend Klimke, Martin/Scharloth, Joachim, Maos Rote Garden? „1968“ zwischen kulturrevolutionärem Anspruch und subversiver Praxis – Eine Einleitung, in: Dies. (Hrsg.), 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung, Bonn 2008, S. 1-7; Luckscheiter, Roman, Der postmoderne Impuls. „1968“ als literaturgeschichtlicher Katalysator, in: ebd., S. 151-159; Schulz, Kristina, Frauen in Bewegung. Mit der Neuen Linken über die Linke(n) hinaus, in: ebd., S. 247-258; ebenso Wolfrum, Edgar, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Bonn 2007, S. 253ff. 2 Vgl. Koenen, Gerd, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1977, Frankfurt am Main4 2007, S. 259ff. 3 „Das Konzept Stadtguerilla stammt aus Lateinamerika. Es ist dort, was es auch hier nur sein kann: die revolutionäre Interventionsmethode von insgesamt schwachen revolutionären Kräften“ (aus: Das Konzept Stadtguerilla, in: Rote Armee Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF, Berlin 1997, S. 41.) 3 USA: Ideelles Feind- und Vorbild Aber nicht nur als Feindbild diente Amerika der RAF – die linken Bewegungen, speziell die Black Panther Party4, hatten Vorbildcharakter für die Gruppe um Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Der Ursprung der neuen sozialen Bewegungen findet sich in Amerika und die damit einhergehende Geschichte des linken Extremismus5 in den USA ist eng verbunden mit der schwarzen Freiheitsbewegung und dem Jahr 19556. Auch rund 100 Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei herrschten vor allen Dingen im Süden der Vereinigten Staaten Rassismus und Rassentrennung, waren durch Gesetze7 manifestiert. Erst mit dem sogenannten Montgomery Busstreik 1955/56 fand die Abschaffung der „Segregation“ ihren Anfang. Nachdem sich die Rosa Parks geweigert hatte, ihren Sitzplatz für einen Weißen zu räumen, wurde die schwarze Näherin verhaftet. In einer Welle der Solidarität gründeten sich überall im Land Bürgerrechtsbewegungen. Ein Gericht erklärte schließlich die Rassentrennung für illegal, die Protestbewegung, nun hauptsächlich im Studentenmilieu angesiedelt, blieb. In kurzer Zeit gründeten sich mit dem SDS (Students for a Democratic Society) und der vor allem aus schwarzen Studenten bestehende SNCC (Student Nonviolent Coordinating Committee) die maßgeblichen organisatorischen Plattformen für die Neue Linke in den USA8, Anfang der 1960er Jahre fanden erste Sit-In-Streiks statt, auf gewaltfreie Proteste, wie sie etwa Martin Luther King propagierte, wurde aber mit harter Polizeigewalt und Gefängnisstrafen reagiert. In Deutschland war der Schweigemarsch in Frankfurt 1963 ein erstes Signal der Solidarität mit der amerikanischen Protestbewegung. Der „March of Washington for Peace in Vietnam“ brachte im April 1965 den Krieg in Südostasien auf die Agenda der Bewegung9. In den Folgejahren radikalisierte sich der Protest: die Ermordung Martin Luther Kings 1968, zunehmende Ghettounruhen, die Tet-Offensive in Vietnam