Drei Jahrzehnte Wohnen

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Drei Jahrzehnte Wohnen Junge Denkmäler in Deutschland November 2020 Kostenlos zum Mitnehmen Drei Jahrzehnte Wohnen Junge Denkmäler repräsentieren eindrucksvoll die Wohnarchitektur der 1960er, 1970er und 1980er Jahre und sind anschauliche Zeugnisse einer vielschichtigen Wohnkultur in Deutschland – die Landesdenkmalämter präsentieren ihre jüngsten Forschungsergebnisse. „Das Haus ist eine Maschine zum Wohnen“ schaftlichen Bedürfnisse prägen diesen - so fortschrittlich Le Corbusier es 1922 Zeitraum durchgehend. meinte – eine Maschine kann schließlich ein gut angepasstes Hilfs mittel sein –, Monster- und Ökobauten so wenig setzte sich diese Haltung durch. Wohnen gehört schließlich zu Dagegen ändern sich die Formen der den Grundbedürfnissen des Menschen, Bauten deutlich: Zwischen der Über­­ und das Gehäuse für dieses Bedürfnis bauung eines Autobahnabschnitts mit prägt seine Lebensumwelt fundamental. Wohnungen in Berlin (1973-81) und der So ist es denn auch von vielen Tradi- Öko-Siedlung in Tübingen (1983/84) gibt tionen und von politischen, rechtlichen, es in dieser Hinsicht wenig Verbinden- wirt schaftlichen und gesellschaftlichen des. Gerade diese gestalterische Viel- Rahmenbedingungen ge­­­prägt. In der Aus falt macht die Bauten dieser Jahre so stellung zur Denkmalmesse Leipzig spannend. Beim Wohnen kommt noch 2020 sowie dieser kostenlos auslie- die typologische Mannigfaltigkeit hinzu: ­­ genden Messezeitung mit dem Titel Das Feld reicht hier von industrieller „Wohnen 60 70 80“ geht es jedoch Fertigung im landesweiten Maßstab für weniger um diesen Hinter grund. Vielmehr Großsiedlungen bis hin zu hoch indivi- sollen beide einen durch aus sinnlichen duellen Einzelbauten, die auf die Vor ste- Zugang bieten, indem sie die gestalteri- llungen der Auftraggeber zugeschnitten schen Qualitäten im Wohnungsbau der sind. 1960er, 1970er und 1980er Jahre zeigen. Neuer Blick auf Unentdecktes Neue Freunde für junge Denkmale Ausstellung und Messezeitung gliedern Die Bauten der unmittelbaren Nachkriegs- diese Fülle an Phänomenen nicht nur zeit und der 1950er Jahre werden längst chronologisch, sondern auch anhand von Brutalistische 1970er: Foto: Burkhard Körner mit nostalgischem Blick betrachtet: Eine Themen, die für den Wohnungsbau der Die Wohnanlage Orpheus und Eurydike in München bringt Bewegung in die Architektur. gewisse Bescheidenheit, heitere Farben, 1960er bis 1980er Jahr wichtig waren. Nierentisch und Tütenlampe wirken heute Dabei geht nicht darum, die aus allen zum Verwaltungsbau (2012) nun mit dem gut 40 Millionen Wohnungen in Deutsch- Sie die Zeitung in unseren drei zeitge- weit entfernt und liebenswert. Doch auch Darstellungen zur Architekturgeschichte Wohnungsbau der jüngeren Nachkriegs- land nach 1949 gebaut wurden, wird der nössischen Leseinseln oder nehmen Sie die Architektur und Stadtplanung der bekannten Bauten erneut zu zeigen. Viel- jahrzehnte beschäftigt. denkmalwerte Bestand zusehends kleiner. sie mit nach Hause. Entdecken Sie in folgenden Jahrzehnte findet immer mehr mehr resultiert die Auswahl unmittelbar sieben Kapiteln eindrucksvolle Beispiele, Fans. Sie schätzen die wilde Rohheit des aus der Forschungsarbeit der staatli- Youngtimer in Gefahr Wohnen 60 70 80 wie man in den 1960er, 1970er oder Sichtbetons, die kraftvollen Gesten der chen Denkmalpflege, die sich seit einigen 1980er Jahren in Deutschland gebaut und großen Baumassen und die skulpturale Jahren verstärkt den Denkmalen der Der Veränderungsdruck in diesem Be­­­ Die Ausstellung und diese Messezei- gewohnt hat. Form der Bauten ebenso wie die regio- jüngsten Zeit zuwendet. So hat sich die reich ist enorm, durch neue Bedürfnisse tung sind eine Einladung, die gestalte- nalen und historischen Bezüge der Post- AG Inventarisation der Vereinigung der im Wohnen wie durch den ökologischen rischen Qualitäten, die Vielfalt und den moderne in ihrer Verspieltheit und ihrem Landesdenkmalpfleger in der Bundes- Umbau, durch Verdichtung im städtischen anschaulichen Zeugnischarakter dieser Humor. Wagemut, Experimentierfreude republik Deutschland nach Veröffent- Raum wie durch Abbruch in ländlichen Bauten für die gesellschaftlich so zent- und ein stärkerer Bezug auf die gesell- lichungen zum Kirchenbau (2008) und Gebieten. Obwohl mehr als die Hälfte der rale Wohnungsfrage zu entdecken. Lesen Fließende Räume der 1960er: Foto: Dieter Krienke Stadtreparatur in den 1980er: Foto: Mario Titze Die Siedlung am See in Worms von 1964/68 importiert den Bungalow nach Deutschland. Neubauten passen sich an die alte Stadt an, wie hier in Halle an der Saale. Junge Denkmäler in Deutschland 2 Ich wohne, wie ich sein will Privathäuser dokumentieren individuellen Wohnstil – die 60er, 70er und 80er Jahre sind ein bunter Blumenstrauß der Wohnarchitektur n den 1960er Jahren erlebte der Bau von folgte ein fundamentaler, durchaus von der Schwerpunkt in diesen Jahren aus Iprivaten Wohnhäusern in Deutschland Widersprüchen begleiteter Mentalitäts- baupolitischer Sicht auf der Entwicklung einen ästhetischen Wendepunkt. Nach wandel, der in äußerst vielseitiger, oft und Erstellung serieller Mietswohnhäuser Ende des Zweiten Weltkriegs hatte, von experimenteller Architektur Ausdruck und schlichter Eigenheime. Doch auch Ausnahmen abgesehen, gefälliger Bie de- fand. Das Bauwesen der BRD er lebte hier entwickelte sich vor dem Hinter- rsinn geherrscht. Mit dem sich ein stelle- seit den frühen 1960er Jahren einen grund des spürbaren wirtschaftlichen nden Wohlstand wuchs nun eine aufmüp- Boom, in dem sich junge Architekten Aufschwungs schon bald eine eigen- Würfelträume eines Stadtplaners Foto: Wendelin Seebacher figere Generation heran, die nach neuen und Bauherren zu ästhetisch ambitio- ständige Qualität im privaten Bauen. Haus Seebacher Lebensmustern suchte und von der ent st- nierten und bautechnisch experi mentel len Bremen ehenden Popkultur begleitet wurde. Es Projekten aufschwangen. In der DDR lag Wendelin Seebacher 1974 er „Ölpreisschock“ der 1970er Jahre Dbedeutete einen erneuten baulichen Wendepunkt. Die steigenden Heizkosten wirkten unmittelbar auf die Architektur der Privathäuser. Vom Glas ging es zu- rück zur festen Wand, vom Funktiona- lismus zurück zur tradierten Form. Weg von Eindruck heischenden Solitären, hin zu einer spielerisch-ironischen Formen- kombinatorik, die in den 1980er Jahren als „Postmoderne“ bekannt wurde. Die Utopien der 1960er Jahre wurden zuneh- mend als gescheitert erkannt und mit dem Rückzug ins grüne Privateigentum der Vorstadt quittiert. Ein Haus mit Hang zur Moderne Foto: Heiner Leiska Haus Köhnemann Konsequent modern wohnen Foto: Nieland Hamburg Wohnhaus Steinmann Meinhard von Gerkan, Volkwin Marg 1968-69 Ahlen / Nordrhein-Westfalen Harald Deilmann 1965 ür die Denkmalpflege stellt der Ein­­­ Fsatz von ausgedehnten Glasflächen und Flachdächern, skulptural geformten Betonfassaden, von einst brandneuen und unerprobten Baustoffen eine große Herausforderung dar. Die ästhetisch atem beraubenden Wohnhäuser dieser Jahrzehnte erweisen sich heute vielfach als nicht mehr ökonomisch beheizbar. Energetische Verbesserungen bzw. Isolie- rungsmaßnahmen bergen die Gefahr des ästhetischen Totalverlusts dieser Denkmäler. Ein Bungalow im Sozialismus Foto: Wolfgang Junius Vom Heimatstil zum Brutalismus Foto: Michael Forstner Haus Göpfert Villa Michel Dresden / Sachsen Pähl am Ammersee / Bayern Rolf Göpfert 1963-65 Hubert Michel 1964-68 Betonsolitär im Steinbruch Foto: Kristine Marschall Zwischen Tradition und Moderne Foto: Rainer Müller Wohnhaus Hellenthal Haus Schmidt Mandelbachtal / Saarland Weimar / Thüringen Johann Peter Lüth 1966-67 Emil Schmidt 1969-71 3 Junge Denkmäler in Deutschland Innen ist außen und außen ist innen Foto: Kristine Marschall Postmoderne in Arkadien Foto: Leonie Köhren Wohnanlage Dr. Pabst-Haasper Villa Glashütte Dillingen-Pachten / Saarland Utscheid / Rheinland-Pfalz Karl Hanus 1975-76 Oswald Mathias Ungers 1986-88 Modern in Lübeck Foto: Christoph Wojtkiewicz Extravaganz mit Maß und Ziel Foto: Sabine Ganczarsky Atriumhäuser Solmitzstraße Atelierhaus Sumfleth Lübeck / Schleswig-Holstein Hamburg Kuno Dannien, Uli Fendrich 1969-70 Thomas Darboven 1972-75 Wie die Macht wohnen sollte Das Wohnen der staatlichen Eliten – die Wohnhäuser der ersten Personen im Lande könnten unterschiedlicher kaum sein in Ost und West as geteilte Deutschland ist Geschichte. Übrig geblieben sind zwei bedeutende, Dfür die Teilung exemplarische Monumente. In Bonn führte der gläserne Kanzler- bungalow der Welt seit 1963 vor, wie die Bundesrepublik Deutschland von der Welt gesehen werden wollte: demokratisch und transparent, verlässlich gegenüber seinen Partnern, bescheiden, moderat im Auftreten und fern von patriotischem Getöse. Während die Kanzler der BRD in ihrer Dienstwohnung Staatsgäste empfingen und bewirteten, blieben die Mitglieder des Politbüros der DDR im Privaten unter sich. Die für sie eigens errichtete Waldsiedlung Wandlitz war seit 1960, ganz wie der Kanzler- bungalow, als Siedlung eine strengstens bewachte Liegenschaft. Transparentes Wohnen am Rhein Foto: Jann Höfer Kanzlerbungalow Bonn / Nordrhein-Westfalen Sep Ruf 1963-64 eim Besuch dieser beiden symbolhaften Stätten der deutschen Zeitgeschichte ist auffallend: Die internationale Präsenta- Btion politischen Understatements des Kanzlerbungalows war der gewünschte Ausdruck auch dieser modernen Staatsarchi- Wohnen im Kollektiv Foto: Anke Jeserigk tektur. Dem gegenüber stand eine aus heutiger Sicht baulich vorgeführte Bodenständigkeit und Rechtschaffenheit des privaten Waldsiedlung Wandlitz Wohnens der ostdeutschen Führungselite, deren Versorgung und Komfort den
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