Musikalische Nordlichter
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_______________________________________________________________________ Musikstunde 23. März 2013 Música Brasileira Eine musikalische Reise durch Brasilien Mit Susanne Herzog 1a. Musik Carlinhos Brown Fanfarra (Cabua-Le-Le) <1> aufblenden bei 1‟00 bis 1‟15 frei dann unter dem Text ausblenden [0‟15 frei] Titel CD: Brasileiro Elektra, 7559-61315-2, LC 0192 WDR 5523 296 Um beim Karneval dabei zu sein, hat die brasilianische Musiklegende Milton Nascimento schon mal eine Grammy Verleihung sausen lassen: den Brasilianern ist ihr Karneval eben heilig. Egal ob in Rio de Janeiro oder in Salvador da Bahia: getrommelt, gesungen, getanzt, gefeiert wird überall bis zum Umfallen. Im Sambódromo in Rio, dieser 700 Meter langen Bahn, auf die zehntausende Zuschauer von ihren Plätzen herab schauen, marschieren alljährlich die besten Sambaschulen auf und präsentieren ihre Shows: in bunten Kostümen, mit phantasievollen Wagen, der trommelnden „bateria“ und natürlich hervorragenden Tänzerinnen. Bis zu 5000 Leute können bei so einer Choreographie mitwirken! Fast ein Jahr lang arbeiten die Sambaschulen an ihrem jeweils rund 90 minütigen Auftritt. Wer sich die Karten fürs Sambódromo nicht leisten kann, feiert einfach beim Straßenkarneval zum Beispiel auf Rios Avenída Rio Branco mit. Reich oder arm: in Sachen Samba ist man sich in Brasilien einig: „Wer den Samba nicht mag, ist kein guter Kerl, beim ihm tickt‟s nicht ganz richtig, oder er ist fußkrank.“ So heißt es in dem Lied „Samba da minha terra“ – „Samba meine Heimat“. Also: auf ins Gewühl der Sambatanzenden beim Karneval von Rio de Janeiro. 1„17 2 1b. Musik Carlinhos Brown Fanfarra (Cabua-Le-Le) <1> aufblenden 1‟28 ausblenden bei 3‟32 [frei 2„04] Titel CD: Brasileiro Elektra, 7559-61315-2, LC 0192 WDR 5523 296 Typische Trommeln vom Karneval in Rio kombiniert mit einem bahianischen Samba von Carlinhos Brown. Und damit herzlich willkommen zur SWR 2 Musikstunde aus Brasilien, diesem südamerkanischen Riesen mit seiner unglaublich vielfältigen Musiktradition. Nur einen Bruchteil davon werden wir auf unserer musikalischen Reise heute überhaupt kennen lernen können. Aber vielleicht bekommen Sie ja dadurch Lust auf mehr und reisen selbst weiter! Auf geht es jetzt vom legendären Karneval von Rio de Janeiro nach Salvador da Bahia im Nordosten des Landes. Hier dröhnt die Musik beim Karneval aus den Lautsprechern der riesigen Wagen, auf denen die Musiker - genannt „Trio Elétrico“ - singen und tanzen. Typisch für Salvador sind außerdem die „Blocos afros“, die afrobrasilianischen Karnevalsgruppen. Kaum verwunderlich, denn Salvador gilt als die afrikanischste Stadt Brasiliens. Hier spielt die Afoxé Liedform eine große Rolle, die aus der Musik der Candomblé-Rituale hervor gegangen ist. Eine der bekanntesten Blocos afros ist Olodum, eine riesige Perkussionsgruppe, die seit ihrer Gründung 1979 nicht nur für gute Laune beim Karneval sorgt, sondern sich darüber hinaus auch für die Rechte der afrobrasilianischen Bevölkerung eingesetzt hat. „Bedeutend für uns ist nicht Geld, Ruhm und Erfolg, sondern Bildung und Bewusstseinsarbeit”, sagt João Jorge, Präsident der Grupo Cultural Olodum. Denn Olodum ist inzwischen auch ein Kulturzentrum, wo sozial benachteiligte Kinder trommeln, tanzen, singen, Theater spielen können und etwas über die Geschichte der Afrobrasilianer erfahren. Aber Olodum ist gleichzeitig eine 3 international erfolgreiche Popgruppe: sogar mit Paul Simon und Michael Jackson haben sie zusammen gearbeitet. Ihre Musik: der Samba-Reggae, afro-karibische Rhythmen vermischt mit dem brasilianischen Samba. 1‟50 2. Musik Samba reggae 1. <6> 3„12 ausblenden Olodum Titel CD: Cool Rhythms `97, Samba do Brasil Polystar, 553 900-2, LC 4324 WDR 5603 873 Samba reggae: getrommelt und gesungen von der Gruppe Olodum aus Salvador da Bahia. Eine der vielen Samba Varianten, die auseinanderzuhalten schon eine kleine Wissenschaft für sich ist. Grund genug für die Sängerin Maria Rita dieser brasilianischen Nationalmusik ein ganzes Album zu widmen, das dritte ihrer inzwischen fünf CDs: „Samba meu“ – „Mein Samba“ hat sie es genannt. Maria Rita ist einer der Stars der brasilianischen MPB Szene, der Música popular brasileira. Doch der Weg dorthin war für die inzwischen 35-jährige Sängerin nicht gerade leicht, denn ihre Mutter war Elis Regina, eine der ganz großen Sängerinnen Brasiliens, die allerdings früh gestorben war. „Wegen ihres Schattens war ich sehr unsicher“ erklärt Maria Rita in einem Interview. Und so studierte sie zunächst einmal in den USA – allerdings nicht Musik. „Ich wollte erst mal alle Möglichkeiten ausprobieren“ sagt die Sängerin „Als ich verstanden hatte, dass ich nicht in ihre Fußstapfen treten muss, konnte ich dann doch ihrem Weg folgen.“ Vierundzwanzig Jahre war Maria Rita alt, als sie schließlich anfing zu singen. Der Erfolg gibt ihr Recht: einige Latin Grammys hat sie inzwischen abgeräumt und mehrfach Platin geholt. Stets klar und frisch, farbenreich und mit einer riesigen Ausdruckspalette: so klingt Maria Ritas Stimme. Hier ein beschwingter Samba von ihrem Album „Samba meu“. 1‟23 4 3. Musik Franco Arlindo Cruz Maltratar, não é direito <3> aufblenden bei 0‟09 bis 3‟42 [frei 3„33] Maria Rita, Gesang und Band Titel CD: samba meu Warner Music Brasil, 2564 6981 09, LC 04281 WDR 5821 007 Die brasilianische Sängerin Maria Rita war das mit einem Samba. Und ihrer berühmten Mutter Elis Regina hat sie sich im letzten Jahr sogar mit einem Album genähert: bestückt mit einigen highlights, die ihre Mutter damals sang. Unter anderem „Águas de Março“ von Antônio Carlos Jobim, einem der „Erfinder“ der coolen Musikrichtung des Bossa Nova, der „neuen Welle“, die Ende der 50er Jahren aufkam. Zu Jobim und dem Textdichter Vinícius de Moraes stieß dann noch der Sänger und Gitarrist João Gilberto, der zum Inbegriff des Bossa Nova werden sollte. „Papst“ des Bossa Nova wird er gar bis heute genannt! Angeblich soll Gilberto sich seinerzeit im Landesinneren von Brasilien im Haus seiner Schwester wegen der Akustik auf der Toilette eingeschlossen haben, um Gitarre zu üben. Der neue Stil, den er dabei kreierte: leise singend, manchmal fast gesprochen, dazu ungewöhnliche Harmonien und synkopierte Rhythmen, die er seiner Gitarre entlockte. Perfektionistisch und kompromisslos war der Mann mit der sanften Stimme: Aufnahmen dauerten ewig, nichts war ihm gut genug. Und bis heute lieben die Brasilianer ihn zwar, halten ihn aber auch für mehr oder weniger verrückt. Mit seinen inzwischen 81 Jahren lebt er seit Jahrzehnten einsam in einem Appartement in Rio: Tagsüber schlafend und nachts Gitarre übend. Angeblich spreche er mit Katzen, rufe wildfremde Leute an, um mit ihnen über Boxkämpfe zu diskutieren und verstecke sich systematisch vor der Öffentlichkeit. Gitarre spielen kann er aber immer noch: das hören die Nachbarn, wenn mal die Fenster offen stehen. Denn João Gilberto spielt und singt leise. Die Leichtigkeit des Bossa Nova ist ihm nicht abhandengekommen. 5 „Chega de Saudade“ – übersetzt „Schluss mit der Sehnsucht“ war der erste seiner ganz großen Bossa Nova Hits: komponiert von Antônio Carlos Jobim auf einen Text von Vinícius de Moraes. 1„52 4. Musik Antônio Carlos Jobim Chega de saudade <10> aufblenden bei 0‟06 bis 3‟20 [frei 3„14] João Gilberto, Gitarre und Gesang Titel CD: João Gilberto Universal Music de Brasil, Verve, 546 713-2, LC 00383 WDR 5644 468 Das war „Chega de Saudade“ gesungen und gespielt vom „Papst“ des Bossa Nova, von João Gilberto. Genau dieser Song war es, den Gilberto Gil im Radio hörte und daraufhin sofort sein Akkordeon in die Ecke stellte und verzaubert von den gehörten Klängen zur Gitarre griff. Aber João Gilberto blieb nur eines seiner musikalischen Vorbilder: Gil war mit der Musik von Luiz Gonzaga aufgewachsen, liebte den Sound der Beatles und war überhaupt offen für alles. Als der Boom des Bossa Nova langsam abflaute, entwarf Gil Ende der 60er Jahre gemeinsam mit Caetano Veloso eine neue Stilrichtung: Tropicália. Markenzeichen: alles was ihnen gefiel, verschlangen sie quasi und verarbeiteten es für ihre Musik. Vielen Brasilianern schienen die Mischungen mit rockiger Musik nicht brasilianisch genug. Da die Texte zuweilen kritisch gegenüber der inzwischen herrschenden Militärregierung ausfielen, wurden Gil und Veloso 1968 für mehrere Monate verhaftet. London war dann für einige Jahre ihr Exil. Als Gilberto Gil wieder nach Brasilien zurückkehrte, erforschte er eingehend seine eigenen afrikanischen Wurzeln und engagierte sich in der afrobrasilianischen Bewegung. Und nach der Demokratisierung Brasiliens wurde der Musiker auch politisch aktiv: für die Grünen saß er im Stadtparlament von Salvador da Bahia. 2003 wurde Gilberto Gil dann sogar Kulturminister. Inzwischen ist er wieder als Musiker unterwegs. „Expresso 2222“ heißt einer seiner sehr bekannten Songs aus den 70ern. Er handelt von einem Zug, der schnell in die Zukunft fährt. „Expresso 2222“ 6 hat Gil übrigens auch sein Trio Elétrico beim Karneval von Salvador da Bahia getauft. 1„45 5. Musik Gilberto Gil Expresso 2222 <12> aufblenden bei 0‟13 bis 2‟38 [frei 2„25] Gilberto Gil, Gesang und Band Titel CD: Brazilian Playground Putumayo kids, Exil Musik 90436-2, LC 08972 WDR 5804 168 Ein Zug, der in die Zukunft rast: „Expresso 2222“ von Gilberto Gil. So schnelllebig wie in Rio de Janeiro oder Salvador da Bahia sind die Menschen des Bundesstaates Minas Gerais, nördlich von Rio im Landesinneren gelegen, nicht: sie gelten als introvertiert und geheimnisvoll, ihre Musik als spirituell. In Minas Gerais, mit seinen Gold- und Diamantminen, ist Milton Nascimento in den 40er und