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1 Der Pfälzerwald gilt als das größte geschlossene Waldgebiet Deutschlands. Blick vom Luitpoldturm bei Hermersbergerhof. Foto: G. Schüler, FAWF

175 Jahre »Pfälzerwald« Eine kurze Geschichte zum Pfälzerwald und wie er zu seinem Namen kam

Hans-Peter Ehrhart Als Leiter der »Forstverwaltung« war be- Es war im Jahr 1843, als sich 14 bairisch-pfälzische Forstleute auf Geheiß reits seit 1817 der pfälzische Oberforst- des bayerischen Königs Ludwig I. in Johanniskreuz inmitten des Pfälzer- meister von Schultze von der neuen bay- waldes zusammenfanden, um diesem großen Waldgebiet nicht nur forst­ erischen Verwaltung übernommen wor- liche Wirtschaftsregeln, sondern auch einen würdigen Namen zu geben. den. Er wurde 1818 zum Regierungsrat ernannt und leitete »das neue pfälzische Forstwesen auf die musterhafteste Wei- Der Pfälzerwald, eine Region in der Groß- Der politische Rahmen im 18. und 19. se« (Keiper 1930). landschaft »Südwestdeutsches-Lothringi- Jahrhundert sches Schichtstufenland« im Süden von In Umsetzung der Beschlüsse des Wiener Vom »vosegus silva« zum »Pfälzerwald« Rheinland-Pfalz, gilt gemeinhin als das Kongresses (1814/1815) erhielt das König- Bis ins frühe Mittelalter wurde das Ge- größte geschlossene Waldgebiet Deutsch- reich Bayern mit dem »Besitzergreifungs- biet des heutigen Pfälzerwaldes als Teil lands. Er grenzt im Osten an die Ober- patent für die Landesteile auf dem Über- eines ausgedehnten »Vogesen-Forsts« rheinische Tiefebene, im Süden an die rhein« vom 30. April 1816 linksrheinische betrachtet, der vom südlichen Rand der deutsch-französische Grenze (Forstatlas Besitztümer, die zunächst als bayerischer französischen Vogesen bis in den heuti- 1984). Nährstoffarme, vom triassischen Rheinkreis, ab 1838 dann als Pfalz be- gen Hunsrück reichte. Der Landschafts- Buntsandstein geprägte Böden boten zeichnet wurden (Institut für Pfälzische name wird zurückgeführt auf das kel- über die Jahrhunderte wenig Anreiz für Geschichte und Volkskunde 2018). So tische »vosegos«, das in römischer Zeit eine umfassende Besiedlung mit einem kehrten die Wittelsbacher als königliche zu »vosegus« latinisiert wurde. Dieser Wechsel zur Existenz sichernden land- Landesherren wieder in die Pfalz zurück, Wortstamm findet sich noch heute in wirtschaftlichen Bodennutzung. Die Ge- nachdem im Jahr 1777 der Kurfürst der den Bezeichnungen »Vogesen«, im fran- samtfläche von 1.771 km² ist daher heute Pfalz, Carl Theodor, mit dem Aussterben zösischen »« wie auch in der heute zu 83 % bewaldet (Geiger 1987). Im Sü- der bayerischen Linie der Wittelsbacher, gängigen Bezeichnung »Wasgau« für den den findet der Pfälzerwald seine unmit- Bayern geerbt und seine Residenz nach südlichen Teil des Pfälzerwaldes (Bauer telbare naturräumliche Fortsetzung in München verlegt hatte. Im Rahmen der 1977; Geiger 1987). Bis in das 19. Jahr- den französischen Vogesen. Etablierung einer einheitlichen Verwal- hundert, also bis in die »bayerische Zeit« tung ab 1817 erfolgte ab Januar 1822 auch hinein, wird der Pfälzerwald als Teil der eine Neuordnung der Forstorganisation. Vogesen betrachtet (Bauer 1977).

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2 Tagungsstätte von fischbach) sowie die k. Revierförster v. 1843, das historische Spitzel (Ministerial-Forsteinrichtungs- Forstamtsgebäude Jo- hanniskreuz, heute Pri- Bureau), Weisenauer (Johanniskreuz), vathaus Foto: H.-P. Ehr- Rebmann (), Gümbel (Bo- hart, FAWF benthal) und Stadtmüller (Eußerthal). Der Entwurf der zu beratenden Schrift stammte aus der Feder der beiden vorge- nannten Herren Martin und Stadtmüller, »geborene Pfälzer, von denen der eine die forstlich geologischen und natürlichen Grundlagen zu dem waldbaulichen Werk des anderen lieferte« (Keiper 1930).

»Forstlich charakteristische Skizze«: eine Waldinventur Der Titel weist schon auf die Hauptinhal- te der Schrift von 1845 hin. In einer Ein- leitung wird nach einer Abgrenzung zu Königlich-bayerische Forstverwaltung Seit 1843 gibt es den »Pfälzerwald« benachbarten Naturräumen die flächige nimmt sich des Pfälzerwaldes an Ergebnis der Beratung und Diskussion Ausdehnung mitsamt der Verteilung auf Von Anfang an war es das Bestreben der des 1843 tagenden Gremiums ist eine die Eigentumskategorien Staat, Gemein- neuen bayerischen Forstverwaltung, den Schrift, welche unter dem Titel »Forst- den und Stiftungen sowie Privateigentü- Zustand der Wälder zu verbessern, »der lich-charakteristische Skizze der Waldun- mer dargestellt. Die 398.851 bayerischen von früher her noch gar manches zu wün- gen auf dem bunten Sandsteingebirge Tagwerke entsprechen rund 135.900 Hek- schen übrig gelassen hatte« (Keiper 1930). der Pfalz, welche hier unter dem Namen tar (Bay. StMELF 2018) und verteilen Im Einzelnen bedeutete dies a) den jähr- ›Pfälzerwald‹ bezeichnet werden, und sich zu 51 % auf den Staatswald, zu 36 % lichen Betriebsvollzug »für jeden Staats- Hauptwirthschafts-Regeln für dieselben« auf den Wald der Gemeinden und Stiftun- wald und belangvollen Gemeindewald« 1845 veröffentlicht wurde (Abbildung 3). gen sowie zu 13 % auf den Privatwald. im Rahmen von Betriebsplänen auf der In der Einleitung wird der Waldkomplex Im ersten Block, der als »Forstlich cha- Basis der in neu gefertigten Forsteinrich- noch als »nördliche Verlängerung der Vo- rakteristische Skizze des Pfälzerwaldes« tungswerken festgesetzten »nachhaltigen gesen«, als »pfälzischer Anteil der Voge- bezeichnet wird, beschreiben die Verfas- Nutzungsgrößen«, b) die Verwertung des sen« und als »Hardtgebirg« bezeichnet. ser zunächst die für das Waldwachstum Holzes sowie der Forstnebennutzungen Am Ende dieses einleitenden Kapitels wichtigen standörtlichen Faktoren Geo- durch die Forstämter, aber auch c) die Er- heißt es dann »Diese imposante, verhält- logie, Boden, Witterung und Klima. So- schließung des Waldes durch Waldwege nismäßig nur wenig unterbrochene, in der dann werden in einem Kapitel »Holzbe- und Triftanlagen (Keiper 1930). Hauptsache vielmehr zusammenhängen- stand und Wachsthum« für die Haupt- In diesem Kontext ist auch der Auftrag de Waldmasse von beinahe 400.000 Tag- baumarten Eiche, Buche und Kiefer sehr an die vom 3. bis zum 7. August 1843 im werk wird hier unter dem Namen Pfälzer- differenziert die Verteilung auf Reinbe- Forstamt von Johanniskreuz (Abbildung wald bezeichnet«. Damit war der uns heu- stände und Mischbestandstypen, deren 2) tagenden Forstleute zu sehen, für die- te so vertraute und nun seit 175 Jahren Flächenausdehnung, ihre Entstehung so- sen Wald »Hauptwirthschafts-Regeln« gebräuchliche Eigenname geboren. wie ihre bisherige Behandlung beschrie- aufzustellen. Sie sollten Erkenntnisse Der Vorsitz des beratenden »Comités« lag ben. Demnach waren rund 40 % Misch- und Erfahrungen niederschreiben, »wel- in den Händen des königlichen Ministe- wald aus Eiche, Buche und zu geringeren che für das größere Ganze, so wie für des- rialrates und Oberinspektors der Forste Anteilen Kiefer, weitere 25 % Laubwäl- sen Theile gemeingiltig und nützlich seyn von Schultze aus München. Seine Mit- der aus Buche oder Eiche und rund 29 % können«. Unter Bezugnahme auf die all- streiter, 13 pfälzische Forstleute, waren reine Kiefernwälder. Interessanterweise gemein gültigen Grundsätze, kann die in »auf höhere Anordnung« in dieses Comi- wird die Weißtanne, die ansonsten in der einem Turnus von zehn Jahren durchzu- té berufen worden. Im Einzelnen waren Gruppe der »minder wichtigen Holzar- führende mittelfristige Planung, die so- dies der k. Kreisforstreferent und Regie- ten« subsummiert wird, in dieser Grund­ genannte Forsteinrichtung, sich darauf rungsrath Gambs und die k. Kreisforst- inventur mit ihren Flächenanteilen sepa- beschränken, nur noch auf etwaige Mo- Inspektoren Schmidt und Martin von der rat angeführt. Darüber hinaus wurden difikationen einzugehen, »welche durch Kammer der Forsten in . Die wei- zu den »minder wichtigen Holzarten« ge- spezielle örtliche Verhältnisse und Be- teren Comité-Mitglieder waren forstliche zählt: Birke, Aspe, Hainbuche (damals standesbeschaffenheiten geboten seyn Praktiker, nämlich die k. Forstmeister Hagenbuche), Fichte, Lärche sowie die mögen« (Anonymus 1845). Binger (Forstamt Frankenstein), Lavale (Edel-)Kastanie. Es bleibt festzuhalten, (Forstamt Kaiserslautern), Feiße (Forst- dass der Pfälzerwald zu dieser Zeit ein amt Langenberg), v. Traitteur (Forstamt von Laubholz und Mischbeständen ge- ) und Zehelein (Forstamt Wald- prägter Wald war.

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»Hauptwirthschafts- und Kultur- Jahren hat die Bedeutung der Eiche für tert sind, diese Grundsätze sind auch im Regeln«: die Richtlinie den Fassholzbau einen richtiggehenden Landeswaldgesetz von Rheinland-Pfalz Der zweite Block wird eingeleitet mit Höhepunkt erreicht, bedingt durch die gesetzlich verankert. Den erfolgreichen der Formulierung einer Zielsetzung für zunehmende Verwendung von Barrique- Weg der Arbeit mehrerer Generationen die Forstwirtschaft im Pfälzerwald, die Fässern, für die heutzutage auch ein von Forstleuten belegt auch die Aner- wie folgt lautet: »… Sowohl möglichst Großteil der wertvollsten Eichenstämme kennung des Pfälzerwaldes durch die viel Brenn-, wie auch möglichst viel Bau-, aus dem Pfälzerwald verwendet werden. UNESCO als Biosphärenreservat im Jahr Nutz- und Wertholz in den gesuchtesten Demgegenüber ist der Einsatz von Eichen- 1992 sowie die Erweiterung zum grenz- und werthvollsten Sortimenten zu erzie- holz zur Herstellung von Weinbergspfäh- überschreitenden deutsch-französischen hen, insbesondere aber wegen des großen len und Rankgerüsten völlig bedeutungs- Biosphärenreservat »Pfälzerwald-Nord- Bedarfs an Wingerts- und Faßholz, der los geworden. Die große Veränderung ist vogesen« ab dem Jahr 1998, mithin ein Erziehung von Eichen-Nutzhölzern eine hier allerdings schon vor Jahrzehnten mit zweites Jubiläum im Jahr 2018. Mit dem besondere Sorgfalt zuzuwenden« (Anony- der Ablösung des holzintensiven Kam- grenzüberschreitenden Biosphärenreser- mus 1845). Es wird deutlich, dass für die mertbaus eingetreten (Scharff 1995). vat »Pfälzerwald-Nordvogesen« ist die na- Forstwirtschaft in dieser Phase die Pro- Sehr modern in der Richtlinie von 1843 turräumliche Einheit über Staatsgrenzen duktion von Holz für die verschiedenen ist die Betonung der Bedeutung gemisch- hinweg wieder deutlich gemacht worden. Verwendungsbereiche die zentrale Ziel- ter Wälder. So heißt es u.a.: »Die künftige Die alltägliche grenzüberschreitende Zu- setzung darstellt. Naturschutzziele und Form der Waldbestände wird demnach in sammenarbeit kann ein Beitrag für eine Aspekte von Erholung im Wald werden der Hauptsache, wie bisher bezüglich auf positive europäische Zukunft sein. in dieser betrieblichen Richtlinie nicht Eichen, Buchen und Kiefern den Charak- thematisiert. Generell ist Erholung im ter der Mischung zu erhalten haben« (An- Literatur Wald zu dieser Zeit dennoch auch schon onymus 1845). Anonymus (1845): Forstlich-charakteristische Skizze der Wal- dungen auf dem bunten Sandsteingebirge der Pfalz, welche hier ein Thema. Denn im Jahr 1842 wurde unter dem Namen »Pfälzerwald« bezeichnet werden, und Haupt- wirthschafts-Regeln für dieselben. 84 S., Buchdruckerei von Daniel von Carl Freiherr von Gienanth, dem Situation heute Kranzbühler, Speyer 1845 damaligen Eigentümer des Trippstadter Der Pfälzerwald hat im Laufe der vergan- Bay. StMELF – Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (2018): Hilfstafen für die Forstein- Schlosses, in der »Amseldell«, im Wald genen 175 Jahre sehr unterschiedliche ge- richtung. 352 S. oberhalb des Karlstales, ein Freizeit- und sellschaftliche, wirtschaftliche und poli- Bauer, E. (1977): Ein Beitrag zur Geschichte des Pfälzerwaldes und der Forstschule Rheinland-Pfalz. Allgemeine Forst- und Jagdzei- Erholungsgelände gestaltet. Auf dem Weg tische Rahmenbedingungen überstehen tung 148. Jg., 1977, S. 165–174 Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen (2018): www.pfa- zur Amseldell sollten die Bürger der um- müssen, darunter große Notzeiten der Be- elzerwald.de/biospherenreservat/, abgerufen am 10.10.2018 liegenden Gemeinden die Natur kennen völkerung und mehrere Kriege mit nach- Forstatlas (1994): Mitteilungen der Landesforstverwaltung Rhein- land-Pfalz Nr. 12/1994, Hrsg. Ministerium für Umwelt und Forsten, und schätzen lernen (Reinartz, o.J.). folgenden Reparationslasten. Waldeigen- Mainz, 1994 Die Bedeutung der Eiche für den heimi- tümer haben immer wieder in den Wald- Geiger, M. (1987): Der Pfälzerwald im geographischen Überblick in »Der Pfälzerwald, Porträt einer Landschaft«. Hrsg. Michael Geiger, schen Weinbau ergibt sich in der Mitte aufbau und in die Waldpflege investiert. Verlag Pfälzische Landeskunde, 1987 Institut für Pfälzische Geschichte und Volkskunde (2018): www. des 19. Jahrhunderts noch aus den zwei Forstleute haben diese Ziele nach dem pfalzgeschichte.de/die-uebergabe-der-pfalz-an-bayern-vor- Teilaspekten Fassholz und Pfahlholz Stand des aktuellen Wissens mit viel En- 200-jahren/, abgerufen am 10.10.2018 Keiper, J. (1930): Pfälzische Forst- und Jagdgeschichte. Verlag: (»Wingertsholz«). In den vergangenen gagement verfolgt. Die Ergebnisse der so- Pfälzische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Dr. E. genannten Bundeswaldinventur (BWI) 3 Jaeger´sche Buchhandlung Speier am Rhein Landeswaldgesetz Rheinland-Pfalz (2000): http://landesrecht.rlp. aus dem Jahr 2012 belegen dies wie folgt: de/jportal/?quelle=jlink&query=WaldG+RP&psml=bsrlpprod.psml, abgerufen am 16.09.2018 Die Laubbaumarten haben einen Anteil Matthes, U. (2018): Waldnaturschutz und Waldentwicklung zwi- von gut 53 % (davon Buche 34,1 % und schen Natur- und Kulturlandschaft. Vortrag bei der Fachtagung »Der Pfälzerwald in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - Kul- Eiche 10,2 %). Mischwald findet sich im turlandschaft im Wandel«, Haus der Nachhaltigkeit, Johanniskreuz, Jahr 2012 auf rund 69 % der Fläche des 8. Juni 2018 Reinartz, P. (o.J.): Die Amseldelle. Blätter zur Heimatgeschichte Pfälzerwaldes (Matthes 2018). von und vom Wilensteiner Land, Nr. 35, S. 9–19, Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Heimatkunde des Fremdenverkehrsvereins Dabei verfolgt die moderne Forstwirt- Trippstadt schaft im Rahmen ihrer multifunktiona- Scharff, M. (1995): Der Kammertbau. Zur Rekonstruktion einer historischen Reberziehungsweise in der Pfalz. Veröffentlichungen len Ausrichtung neben den Zielen der der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Holzproduktion gleichberechtigt Ziele Band 87, Speyer des Naturschutzes, des Boden- und Was- Autor serschutzes, aber auch der Ermöglichung Hans-Peter Ehrhart leitet die Forschungs­anstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Trippstadt, Rheinland-Pfalz. vielfältiger Erholungs- und Freizeitnut- Kontakt: [email protected] zung im Wald. Nicht nur dass unsere heutigen Richtlinien zur Waldbewirt- schaftung diesbezüglich inhaltlich erwei-

3 Buchtitel (erschienen 1845) der Richtlinien aus dem Jahr 1843 Foto: Archiv LWF

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