Herausgegeben von der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung Hannover 1999. Redaktion: Peter Hoffmann, Winfried Meis, Ekkehard Stüber Redaktionsschluß: 1. März 1999 Herstellung und Gestaltung: Niedersächsische Landeszentrale für politsche Bildung Abbildungen: 1. Umschlagseite: Kunstmuseum Wolfsburg: Media Mobil, Hannover Die Nachweise der übrigen Bilder siehe Kapitel „Städte in Niedersachsen – Kurzportraits“. 2. Umschlagseite: Niedersachsenkarte, Quelle: Diercke Österreich, Westermann Schulbuchverlag. Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung dar. Für die inhaltlichen Aussagen tragen die Autoren die Verantwortung. Verlag: Joh. Heinr. Meyer, Braunschweig Druck: braunschweig-druck GmbH, Braunschweig Umweltfreundlich hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier. ISBN 3-926701-38-2 Inhalt

Lage und Größe ...... 5

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung ...... 11

Geschichte des Landes Niedersachsen ...... 31

Bevölkerung und Siedlung ...... 51

Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau ...... 51

Arbeitsmarkt: Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit und Qualifikationsstrukturen . . .62

Mundarten und Hochsprache ...... 74

Siedlungsstrukturen ...... 81

Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem ...... 90

Wirtschaft ...... 103

Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf ...... 103

Internationale Verflechtungen ...... 113

Verarbeitendes Gewerbe ...... 121

Land-, Forst- und Fischwirtschaft ...... 134

Handel und dienstleistendes Gewerbe ...... 143

Erholung und Fremdenverkehr ...... 149

Verkehrsinfrastruktur ...... 155

Umwelt, Natur und Landschaft ...... 164

Politisches System ...... 178

Verwaltung und Rechtspflege ...... 195

Bildung und Ausbildung ...... 201

Wissenschaft und Forschung ...... 209

Kulturelle Einrichtungen ...... 218 Die Denkmalwelt in Niedersachsen unter architektur- und baugeschichtlichen Aspekten ...... 227

Medien ...... 238

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts ...... 247

Aurich ...... 247

Braunschweig ...... 248

Celle ...... 249

Göttingen ...... 251

Goslar ...... 252

Hameln ...... 254

Hannover ...... 256

Hildesheim ...... 258

Lüneburg ...... 259

Oldenburg ...... 261

Osnabrück ...... 262

Salzgitter ...... 264

Stade ...... 265

Wilhelmshaven ...... 267

Wolfsburg ...... 268

Statistische und historische Daten Niedersachsens ...... 271

Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 285

Verfasser ...... 290

Stichwortregister ...... 292 Lage und Größe

Niedersachsens Lage einigung und dem Beitritt Schwe- in Europa dens und Finnlands zur EU kommt dieser Lagevorteil immer mehr zur Niedersachsen nimmt innerhalb Geltung, seine volle Wirkung wird Europas eine zentrale Lage ein, wie er dann entfalten können, wenn man aus der Abbildung leicht ent- durch die sich abzeichnende Ost- nehmen kann. Nach der Wiederver- erweiterung der Europäischen Uni-

Die Lage Niedersachsens in Europa

Quelle: Hans-Wilhelm Windhorst 6 Lage und Größe on auch die östliche und südöstliche und den Luftverkehr entscheidend Flanke in den europäischen Binnen- verbessert und sicherlich zur Attrak- markt einbezogen werden. tivität der Messen in Hannover bei- Diese Lagegunst spiegelt sich im getragen. Kreuz zweier Entwicklungsachsen Diese zentrale Lage hat lange wider. Einmal ist es die von Stock- Zeit ihre Wirkung nicht entfalten holm über Kopenhagen, Hamburg, können, weil bis zur Wiedervereini- Hannover und Kassel nach Frank- gung die Verbindungen nach Osten furt gerichtete Nord-Süd-Achse, die gekappt waren, die bis zum 2. Welt- im Oberrheingraben ihre Fortset- krieg eine große wirtschaftliche zung findet, zum anderen die von Bedeutung gehabt hatten. Nahezu der niederländischen „randstad“ 550 km lang war die gemeinsame (Amsterdam, Rotterdam) ausgehen- Grenze mit der ehemaligen DDR, de Achse, die dann in einem nördli- nur 2 Eisenbahn- und 3 Straßen- chen Zweig über Groningen, Olden- übergänge waren vorhanden. Die burg und Bremen in die vorgenann- Länge dieses Grenzsaumes hat ins- te Nord-Süd-Achse einmündet bzw. besondere die unmittelbar angren- in einem Südzweig über Osnabrück, zenden Landkreise lange Zeit in Hannover, Magdeburg, Berlin und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung Frankfurt/Oder bis nach Warschau gehemmt und besondere Förder- reichen wird. Die zentrale Lage programme im sog. „Zonenrand- Hannovers in diesem Achsenkreuz gebiet“ notwendig gemacht. Nach ist offensichtlich, sie findet ihren der Wiedervereinigung haben diese Ausdruck in der herausragenden Gebiete durch ihre nun wieder Bedeutung der Landeshauptstadt zentrale Lage eine Aufwertung er- als einem der großen Messezentren fahren. der Welt. Aus der Abbildung Die La- Die Grenze zu den Niederlanden ge Niedersachsens in Europa kann (189 km) ist zwar deutlich kürzer, man auch entnehmen, dass in ei- doch hat auch hier bis zur Grün- nem Kreis mit einem Radius von dung der Europäischen Wirtschafts- 1.000 km um Hannover die bedeu- gemeinschaft (1957) die Grenzlage tendsten Wirtschaftsregionen Euro- in Verbindung mit einer ungünsti- pas gelegen sind. Der kontinuierli- gen Naturausstattung (weite Moor- che Ausbau der Verkehrsinfrastruk- flächen) die wirtschaftliche Entwick- tur, der mit den Baumaßnahmen in lung beeinträchtigt. Es ist allerdings Vorbereitung auf die Weltausstel- unverkennbar, dass die Schaffung lung im Jahre 2000 einen vorläufi- des europäischen Binnenmarktes gen Abschluss finden wird, hat die neue Impulse entlang der Hauptver- Erreichbarkeit über Schiene, Straße kehrsachsen gebracht hat. Lage und Größe 7

Niedersachsen kommt wegen schen der Außengrenze zu den Nie- seiner zentralen Lage in Europa so- derlanden und der Grenze zur ehe- wohl die Funktion eines Durch- maligen DDR gekennzeichnet war, gangslandes als auch die Rolle eines in eine günstige Zentrallage in einer Verbindungslandes zu. Die Funktion sich ausweitenden Europäischen des Durchgangslandes findet ihren Union mit einem einheitlichen Bin- Ausdruck in den großen Verkehrs- nenmarkt gelangt ist, die nicht oh- achsen, die in jüngster Zeit vor ne Einfluss auf die zukünftige wirt- allem in West-Ost-Richtung aus- schaftliche Entwicklung bleiben gebaut werden und damit den dürfte. oben genannten Entwicklungsach- sen Rechnung tragen. Als Verbin- Niedersachsens Lage dungsland fungiert es zwischen den in Deutschland skandinavischen Staaten und Mit- tel- bzw. Südeuropa einerseits bzw. Niedersachsen nimmt nach Bay- Ost- und Westeuropa andererseits. ern den zweiten Rang bezüglich der Die wachsende Bedeutung des Flächengröße unter den deutschen Dienstleistungssektors (Handels- Bundesländern ein. Mit nahezu und Speditionsunternehmen) und 47.611 km2 ist das Bundesland die Ansiedlung neuer Industrieun- größer als Belgien, Dänemark oder ternehmen spiegeln diese Rolle wi- die Niederlande. Hinsichtlich der der. Von großer Bedeutung in die- Einwohnerzahl nimmt es mit mehr sem Zusammenhang sind auch die als 7,8 Mill. Einwohnern den vierten Lage an der Nordsee und die Nähe Rangplatz ein, wobei die Abstände zu den Welthäfen in Bremen und zu Nordrhein-Westfalen, Bayern Hamburg, die durch die niedersäch- und Baden-Württemberg allerdings sischen Häfen an der Ems, dem Ja- beträchtlich sind. debusen und der Unterweser eine Die Bevölkerung ist innerhalb wichtige Ergänzung finden. Der Niedersachsens sehr ungleichmäßig Austausch von Handelsgütern auf verteilt. Dem bevölkerungsreichen dem Wasserwege wird angesichts Südosten stehen die weniger dicht der zunehmenden Globalisierung besiedelten Landesteile im Norwe- der Wirtschaft eine noch größere sten und Nordosten gegenüber, die Bedeutung erlangen und damit die allerdings durch die beiden Bundes- Vermittlerfunktion Niedersachsens länder Bremen und Hamburg zwei weiter stärken. Oberzentren aufweisen, die eine Unverkennbar ist, dass Nieder- Ausstrahlung auf die angrenzenden sachsen aus einer Nachkriegssituati- niedersächsischen Landkreise aus- on, die durch eine Einengung zwi- üben. 8 Lage und Größe

Niedersachsens Stellung im Rahmen der deutschen Bundesländer hinsichtlich der Flächengröße und Einwohnerzahl (Stand 1996) Bundesland Fläche (km2) Bundesland Einwohner Bayern 70.550,9 Nordrhein-Westfalen 17.947.714 Niedersachsen 47.610,6 Bayern 12.043.869 Baden-Württemberg 35.752,5 Baden-Württemberg 10.374.505 Nordrhein-Westfalen 34.077,7 Niedersachsen 7.815.148 Brandenburg 29.478,7 Hessen 6.027.284 Mecklenburg- Vorpommern 23.170,4 Sachsen 4.545.702 Hessen 21.114,5 Rheinland-Pfalz 4.000.567 Sachsen-Anhalt 20.446,0 Berlin 3.458.763 Rheinland-Pfalz 19.846,5 Schleswig-Holstein 2.742.293 Sachsen 18.412,7 Sachsen-Anhalt 2.723.620 Thüringen 16.171,1 Brandenburg 2.554.441 Schleswig-Holstein 15.770,5 Thüringen 2.491.119 Saarland 2.579,2 Mecklenburg- Vorpommern 1.817.196 Berlin 890,8 Hamburg 1.707.986 Hamburg 755,2 Saarland 1.084.184 Bremen 404,2 Bremen 677.770 Deutschland 357.022,3 Deutschland 82.012.162

Quelle. Statistisches Bundesamt

Vielgestaltig ist die Landesnatur, deutschen Tiefland auf und steht in reicht Niedersachsen doch vom Küs- deutlichem Kontrast zu den weit- tensaum an der Nordsee mit den gespannten Niederungszonen, die vorgelagerten Inseln über die Mar- von den Niederlanden bis nach schen und die glazial geprägten Osteuropa reichen. Herrschen hier Grund- und Endmoränengebiete Ablagerungen des Pleistozäns und bis in das Mittelgebirge hinein. Die des Holzäns vor, also erdgeschicht- nördlichen Teile dieser breiten lich junge Sedimente, sind die Ge- Schwelle, die nahezu die gesamte steine des Mittelgebirgsraumes Mitte Deutschlands einnimmt, weitaus älter, z. T. reichen sie bis in taucht recht abrupt aus dem nord- das Erdaltertum zurück. Jüngsten Lage und Größe 9

Formungsprozessen an der natür- schafft Räume sehr unterschiedli- lichen Grenze der Nordseeküste, die cher Eignung für die wirtschaften- durch den Deichbau beeinflusst den und siedelnden Menschen. werden, stehen morphologische Prozesse im Mittelgebirgsraum ge- Die administrative genüber, die bis in das Karbon Gliederung Niedersachsens zurückreichen und in den folgen- den geologischen Zeiträumen viel- Das Bundesland Niedersachsen ist fach überprägt worden sind. Diese administrativ in 38 Landkreise und Vielfalt ist einzigartig unter den 9 kreisfreie Städte untergliedert, deutschen Bundesländern und die Mittelinstanz bilden vier Regie-

Die administrative Gliederung Niedersachsens

Quelle: Hans-Wilhelm Windhorst 10 Lage und Größe

Flächengröße und Einwohnerzahl der niedersächsischen Regierungsbezirke Regierungsbezirk Sitz Fläche (km2) Einwohnerzahl (Mill.) Braunschweig Braunschweig 8.097 1,67 Hannover Hannover 9.048 2,15 Lüneburg Lüneburg 15.498 1,64 Weser-Ems Oldenburg 14.959 2,39 Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Statistik, Seedorf 1998, S. 91. rungsbezirke. Die Landkreise unter- Die vier Regierungsbezirke unter- scheiden sich hinsichtlich ihrer scheiden sich ebenfalls deutlich hin- Größe und Einwohnerzahl beträcht- sichtlich ihrer Flächengröße und Be- lich. So ist der flächengrößte Land- völkerungszahl. kreis mit 2.880 km2 etwa Die beiden nördlichen Regie- 300 km2 größer als das Saarland. rungsbezirke Lüneburg und Weser- Und selbst der flächenkleinste Land- Ems stellen 64 % der Landesfläche kreis Peine ist mit nur 534 km2 noch und 52,2 % der Einwohnerzahl, 130 km2 größer als das Bundesland während auf die beiden südlichen Bremen. Der Landkreis Hannover Regierungsbezirke 47,8 % der Be- weist zusammen mit der kreisfreien völkerung und nur 36 % der Fläche Landeshauptstadt eine Einwohner- entfallen. zahl von nahezu 1,1 Mill. Menschen Während die Bevölkerungs- auf, was etwa der Einwohnerzahl verteilung also nahezu ausgegli- des Saarlandes entspricht. Das chen ist, herrscht ein deutliches Schlusslicht unter den Landkreisen Ungleichgewicht bezüglich der bildet Friesland mit weniger als Flächenverteilung vor. Der Norden 100.000 Bewohnern. Nur etwa halb des Bundeslandes ist bis in die so groß ist die Einwohnerzahl der Gegenwart weitaus stärker agrar- kreisfreien Stadt Emden, die damit wirtschaftlich geprägt und weist von der Einwohnerzahl die kleinste eine wesentlich geringere Bevölke- administrative Einheit bildet, be- rungsdichte auf als der Süden. züglich der Flächenausstattung ist dies Delmenhorst mit nur 62 km2. Hans-Wilhelm Windhorst Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Naturräume und Klima Kontrast zum Berg- und Hügelland sowie – vor allem – zum Mittelgebir- Niedersachsen hat, wie kein an- ge des Harzes, der immerhin auf deres Bundesland der Bundesrepu- über 1.100 m Meereshöhe ansteigt. blik Deutschland, Anteil an fünf In klimatischer Hinsicht sind die naturräumlichen Großlandschaften, Verhältnisse weniger komplex. Auf- die sich hinsichtlich ihrer Entste- grund seiner geographischen Lage hung und ihrer natürlichen Ausstat- gehört Niedersachsen dem feucht- tung recht deutlich voneinander un- gemäßigten Westwindgürtel der terscheiden (vgl. Abb. Naturräume Nordhalbkugel an. Demzufolge in Niedersachsen). Es sind dies in wird das Klima durch folgende all- charakteristischer Abfolge von Nor- gemeine Züge geprägt: den rhyth- den nach Süden mischen Wechsel von vier ausge- – das Küstenland, gegliedert prägten Jahreszeiten, vorherrschen- in Watten, Düneninseln und de Westwinde und den häufigen Marschen, Durchzug von Tiefdruckgebieten. – die Geest mit darin Von entscheidender klimatischer eingelagerten Nieder- und Bedeutung ist darüber hinaus die Hochmooren, Nähe zum Meer. Die vorherrschen- den Westwinde transportieren – die Lössbörden ozeanische Luftmassen heran, die (Bergvorlandzone), über dem Meer Feuchtigkeit auf- – das Berg- und Hügelland nehmen und durch die milden Was- (Mittelgebirgsschwelle) und der sertemperaturen des Golfstroms be- als echtes Mittelgebirge. einflusst werden. Infolgedessen be- Das Küstenland, die Geest und dingen die ozeanischen Luftmassen, das lössbedeckte Bergvorland wer- dass es zu allen Jahreszeiten zu Nie- den dem Tiefland zugerechnet, das derschlägen kommt und die Winter keineswegs überall Flachland ist, je- relativ mild, die Sommer dagegen doch an keiner Stelle über 200 m relativ kühl und regnerisch ausfal- Meereshöhe hinausreicht. Das Tief- len. land nimmt etwa vier Fünftel der Jedoch ist der Einfluss der sich Landesfläche ein, sodass Nieder- östlich anschließenden Kontinental- sachsen zu Recht als das „niedrig masse nicht ganz zu verkennen. So gelegene Sachsen“ bezeichnet wird. wirkt sich von Osten her im Winter Umso stärker wirkt dadurch der das regelmäßige Auftreten des rus- 12 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Naturräume in Niedersachsen

Quelle: Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer: Landeskunde Niedersachsen, Neumünster 1992. sischen Kältehochs aus, das wochen- schen Wechsel der Witterung, der lange Kälte und Schneearmut be- ein Charakteristikum ganz Nord- deuten kann. Im Sommer bringen westdeutschlands ist. typische Ostwetterlagen Hitze und Im Folgenden sollen die fünf Trockenheit mit sich. großen naturräumlichen Großland- Über den ganzen Jahreslauf be- schaften Niedersachsens im Einzel- trachtet, sind die Westwetterlagen nen im Hinblick auf ihre Genese und jedoch eindeutig vorherrschend. ihr heutiges landschaftliches Er- Die häufigen Tiefdrucklagen sind scheinungsbild überblickartig vor- dabei verantwortlich für den ra- gestellt werden. Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 13

Das Küstenland allen anderen Landschaftsräumen sind die Watten bis heute vom Men- Das niedersächsische Küstenland schen nur wenig veränderte natur- gliedert sich in Watten, Dünenin- nahe Landschaften geblieben. See- seln und Marschen. Es erstreckt sich wärts wird das Watt zwischen Ems- über eine Länge von etwa 200 km und Jademündung, 5 bis 20 km vom entlang der Nordseeküste und wird Festland entfernt, durch die Kette im Westen vom Dollart mit der Ems- der sieben bewohnten Ostfriesi- mündung, im Osten von der Elb- schen Inseln sowie einiger unbe- mündung begrenzt. wohnter Sandplaten begrenzt. Die Die Watten stellen den Über- Inseln sind erdgeschichtlich sehr gangsbereich vom Festland zum of- junge Erscheinungen und verdan- fenen Meer dar. Mit einer durch- ken ihre Existenz der ständigen schnittlichen Ausdehnung von 5 bis Zufuhr von Sand durch Wind und 7 km, stellenweise auch bis zu 10 Gezeitenstrom. und 15 km Breite, nehmen die Wat- Ihre Entstehung geht auf ein ten beträchtliche Flächen ein. Es System von Sandbänken und handelt sich um ebene, von Wellen- Strandwällen zurück, auf denen schlag und Strömung geprägte ausgedehnte, teilweise über 20 m Schlick- und Sandflächen, die zwei- hohe Dünenareale aufgeweht wur- mal täglich im Wechsel der Gezeiten den, die durch Pflanzenwuchs fest- bei Flut überströmt werden und bei gehalten werden. Im Verlauf der Ebbe trockenfallen. In den Wattbo- vergangenen 1.500 bis 2.000 Jahre den hat das im regelmäßigen Rhyth- haben alle Inseln starke Formverän- mus auf- und ablaufende Wasser derungen erfahren, wobei die mei- ein verzweigtes System von Wasser- sten sukzessive von Westen nach läufen eingeschnitten; dies setzt Osten gewandert sind. Die Dünen- sich aus den fein verästelten Prielen, landschaft setzt sich aus unter- den breiteren Baljen und den See- schiedlich alten Dünenkörpern zu- gats zwischen den Inseln als Durch- sammen: Den Beginn der Dünenbil- gängen zur offenen See zusammen. dung markieren kleine Primärdü- Während das Schlickwatt in den nen, denen sich nach Süden die ho- strömungsärmeren Gebieten vor hen Weißdünen und schließlich dem Festland sowie auf den Watt- Grau- und Braundünen als älteste wasserscheiden am weitesten ver- Dünenformen anschließen. Den Dü- breitet ist, dominiert das Sandwatt nen seewärts vorgelagert sind brei- aufgrund der hier stärkeren Trans- te Sandstrände, während zur Watt- portkraft des Wassers vor allem ent- seite ausgedehnte Salzwiesen lie- lang der Baljen. Im Gegensatz zu gen; Letztere kommen ebenso auf 14 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Insel Spiekeroog Foto: Ingo Mose den festländischen Vordeichs- Das Wattenmeer mit dem eigent- flächen vor (vgl. Foto Insel Spie- lichen Watt, den Düneninseln und keroog). Die Salzwiesen sind Stand- Salzwiesen vereinigt sehr unter- orte spezieller Pflanzengesellschaf- schiedliche Lebensräume, die in ge- ten, die sich der episodischen Über- genseitiger Abhängigkeit zueinan- flutung durch das Meer angepasst der stehen und insgesamt eine öko- haben. logische Einheit bilden. Weltweit ist Einen anderen Inseltyp, ver- dieses Ökosystem einzigartig. Vor gleichbar den nordfriesischen Halli- allem Flora und Fauna stellen einen gen, repräsentiert die eingedeichte besonderen „Schatz“ des Watten- Marscheninsel Neuwerk vor Cuxha- meeres dar, da hier zahlreiche Arten ven. Sie ist ein Relikt ehemals vorkommen, die infolge ihrer Spe- großflächiger Marschen in diesem zialisierung auf die besonderen Le- Gebiet, die durch die Wirkung bensbedingungen des Wattenmee- schwerer Sturmfluten seit dem Mit- res, insbesondere den ständigen telalter sukzessive zerschlagen wur- Wechsel von Ebbe und Flut und den den. Seit 1961 gehört Neuwerk, Salzgehalt des Wassers, anderswo ebenso wie die vorgelagerte Sand- nicht lebensfähig wären. plate Scharhörn, zur Freien und Um diesen besonderen Land- Hansestadt Hamburg. schaftsraum dauerhaft zu schützen, Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 15 wurden große Teile der niedersäch- biete in Niedersachsen). Das Schutz- sische Nordseeküste am 1. 1. 1986 gebiet ist in drei Zonen unterschied- zum Nationalpark erklärt, nachdem licher Schutzintensität gegliedert: schon ein Jahr zuvor in Schleswig- die Ruhezone (54%), in der die Holstein ein Wattenmeer-National- strengen Bestimmungen des Natur- park eingerichtet worden war. Der schutzes Anwendung finden; die Nationalpark Niedersächsisches Zwischenzone (45%), in der ge- Wattenmeer erstreckt sich über 143 genüber der Ruhezone weniger km in westöstlicher Richtung und strenge Auflagen gelten; und die umfasst eine Fläche von insgesamt Erholungszone (1%), die Freizeit 2.400 km2 (vgl. Abb. Großschutzge- und Tourismus vorbehalten ist. Je- Großschutzgebiete in Niedersachsen

Quelle: Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer: Landeskunde Niedersachsen, Neumünster 1992. 16 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung doch vollzieht sich die Entwicklung gar unter NN. Ohne den Schutz der des Nationalparks nicht konfliktfrei. Deiche und ohne künstliche Entwäs- Vor allem aus dem Tourismus, der serung würden deshalb große Teile an der Nordseeküste traditionell ei- der Marsch ständig überflutet wer- ne große Rolle spielt, resultieren ei- den. ne Reihe von Nutzungskonflikten, Völlig eben sind die Marschen je- die den Schutzzielen z. T. entgegen- doch nicht. So ist nahezu überall an stehen. Inzwischen wurden ver- der Nordseeküste zwischen „Hoch- schiedene Lösungsansätze realisiert, land“ und „Sietland“ zu unterschei- um diese Probleme zu entschärfen den, wobei das deichnahe Hochland (z. B. Wegegebote, Informations- der Jungen Marsch in der Regel 2 m maßnahmen). Erhebliche Gefähr- höher liegt als das weiter binnen- dungspotentiale stellen aber auch wärts gelegene Gebiet der Alten die industriellen Nutzungen an der Marsch (Sietland). Die Entstehung Küste, die Schifffahrt und nicht zu- von Hochland und Sietland ist auf letzt die Schadstoffeinträge in das Unterschiede der Sedimentation Wattenmeer über die Flüsse, die zurückzuführen. So wurden see- Luft und das offene Meer dar. wärts größere Sedimente abgela- Den wichtigsten Landschaftstyp gert, da hier die Wirkungen von des Küstenlandes bilden aufgrund Brandung, Seegang, Küsten- und ihrer fruchtbaren Böden die See- Gezeitenströmung stärker sind; und Flussmarschen. Sie erstrecken landwärts dagegen kamen in ruhi- sich als 3 bis 17 km breite Ebene zwi- gerem Wasser die Trübstoffe zur schen dem Watt und der Geest. Ihre Ablagerung. Auch war die Menge Entstehung verdanken sie der Abla- des abgelagerten Materials see- gerung von Sedimenten aus dem wärts viel größer. So kam es zu einer Meer, die aus der Nacheiszeit stam- stärkeren Aufhöhung des Küsten- men. Dies drückt sich auch in ihrem saumes in Form des Hochlandes, Namen aus, der mit dem lateini- während das Sietland so langsam schen „mare“ = Meer zusammen- wuchs, dass es an einigen Stellen in- hängt. In Niedersachsen wird der folge Setzung und Verdichtung der Marschensaum lediglich an zwei Sedimente sogar unter den Meeres- Stellen, bei Dangast am Jadebusen spiegel absackte. Besonders an- und bei Cuxhaven-Duhnen, unter- schaulich lässt sich der Unterschied brochen; hier stößt die Geest unmit- zwischen Hoch- und Sietland in But- telbar an das Meer vor und bildet jadingen nachvollziehen. dort ein Kliff. Die Marschen erhe- Wie kaum ein anderer Land- ben sich kaum über den mittleren schaftsraum ist die Marsch durch die Meeresspiegel, z. T. bleiben sie so- Hand der Bauern gestaltet worden. Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 17

Neben Deichen und Entwässerungs- bedeutungslos geworden und spielt gräben zeugen davon auch die Spu- allenfalls im Rahmen des Küsten- ren zahlreicher Wurten (oder Warf- schutzes noch eine Rolle. ten), seit etwa der Zeitenwende künstlich aufgeworfene Wohnhü- Die Geest gel, die über mehrere Jahrhunderte überall entlang der Küste land- Die Geest bildet einen 100 bis 170 schaftsprägend waren und z.T. noch km breiten Gürtel zwischen der heute erkennbar sind. In Ortsnamen Marsch im Norden und den Lössbör- wie Langwarden oder Ruhwarden den im Süden und nimmt damit den (in Butjadingen) oder der Bezeich- größten Teil Niedersachsens ein. Der nung des Landes Wursten wird die Name Geest bedeutet zweierlei: Geschichte der Wurtensiedlungen Zum einen leitet er sich vom nieder- bis heute dokumentiert. Neben den deutschen „güst“ ab, was soviel wie Wurten zeugen auch die zahlrei- „unfruchtbares Land“ bedeutet; chen Landgewinnungsflächen von ebenso meint der Name aber auch der gestaltenden Kraft des Men- das friesische „gast“ als Bezeich- schen. Im westlichen Ostfriesland nung für hochgelegenes Land. In und im Rheiderland werden diese beiden Fällen handelt es sich um „Polder“, im östlichen Ostfriesland Teile des Altmoränengebietes, die und Oldenburg „Groden“ genannt. vor mindestens 180.000 Jahren Große Landgewinnungsflächen lie- durch das nordische Inlandeis und gen vor allem im Gebiet des Dollart, seine Schmelzwässer geschaffen der Ley-, Harle-, Maade- und Jade- wurden und seither einem andau- bucht. Verheerende Sturmfluten ernden Prozess der Umformung un- hatten hier seit dem Mittelalter im- terliegen. mer wieder zu dramatischen Land- Die niedersächsische Geest ist das verlusten geführt, die die Buchten Aufschüttungsgebiet von zwei Eis- z. T. bis an den Geestrand ausspül- zeiten, der Elstervereisung (vor et- ten. Mithilfe verbesserter Techniken wa 350.000 Jahren) und der Saale- war es jedoch möglich, große Teile vereisung (vor etwa 235.000 Jahren) des verlorenen Landes zurückzuge- (vgl. Abb. Quartäre Haupteisrand- winnen. Die jüngsten, höher gele- lagen in Nordwestdeutschland). genen Polder bilden mit ihren nähr- Während beider Vereisungen er- stoffreichen, gut durchlüfteten und reichte das Eis in etwa die Mittelge- wasserdurchlässigen Kleiböden eine birgsschwelle und verfrachtete in ausgezeichnete Grundlage für den mehreren Vorstößen (Stadien bzw. Ackerbau. Inzwischen ist die Land- Phasen) große Mengen von Fein- gewinnung an der Küste jedoch fast schutt und Blöcken aus Skandina- 18 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung vien in diesen Raum. Quartäre Haupteisrandlagen Dabei entstanden je- in Nordwestdeutschland weils in charakteristi- scher Weise sog. Gla- ziale Serien, die sich aus vier Elementen zu- sammensetzen: der Grundmoräne, die aus lehmigen Böden und großen Steinen (Find- linge) besteht; End- moränen, in denen überwiegend Sand und Kies zu kleinen Höhenzügen aufge- schüttet wurden (z. B. der Wilseder Berg mit einer Höhe von 169 m); Sander, die als weite Sandflächen von den Schmelzwäs- sern vor den End- moränen ausgebreitet wurden; und Urstrom- täler, in denen sich die Schmelzwässer sam- melten und zum Meer Quelle: Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer: abflossen (vgl. Abb. Landeskunde Niedersachsen, Neumünster 1992. Schematisches Querprofil durch auch als „Hohe Geest“ bezeichnet eine „Glaziale Serie“ im norddeut- werden, ragen als mehr oder weni- schen Tiefland). ger markante Höhenrücken aus Trotz der lange zurückliegenden ihrer Umgebung auf und sind weit- Entstehungszeit bestimmen die Gla- hin mit Kiefern-, seltener mit Bu- zialen Serien bis in die Gegenwart chenwäldern bestanden. Hümm- das abwechslungsreiche, leicht hü- ling, Dammer Berge, Fürstenauer gelige Landschaftsbild der Geest. Berge und Harburger Berge sind Auf den Grundmoränenflächen be- charakteristische Beispiele für sol- finden sich heute die meisten Acker- che Endmoränenzüge. Die Sander gebiete. Die Endmoränenzüge, die sind wegen ihrer geringwertigen Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 19

Böden meist ebenfalls von Kiefern- landflüssen – vor allem Ems, Weser, forsten bewachsen. Zumeist gehen Aller und Elbe -aufgeschwemmt diese auf Aufforstungen aus dem wurden. Ausgedehnte Talsand- 18. und 19. Jahrhundert zurück. flächen finden sich im Emsland, im Neben den charakteristischen Artland, in der Dümmer-Niederung, Elementen der Glazialen Serie be- in der Teufelsmoor-Wümme-Nie- stimmen weitere eis- und nacheis- derung und in der Aller-Niede- zeitliche Formen das Landschafts- rung. Letztere ist mit Abstand die bild der Geest. Hierzu gehören die größte unter den Schwemmebenen. weiten Talsandflächen, die während Ihre Entstehung verdankt sie dem der Weichsel-Kaltzeit von den Tief- weichselzeitlichen Flusssystem der Aller, das mit einer Schematisches Querprofil durch eine Breite von bis zu 25 km „Glaziale Serie“ im norddeutschen Tiefland das größte Flusssystem im niedersächsischen Tiefland war, wenn man vom Urstromtal der Elbe einmal ab- sieht. Im eisfreien Vorland der ehemaligen Ver- gletscherungen stellt vor allem die Ober- flächenformung durch den Wind einen wei- teren landschaftsprä- genden Faktor dar. Alle Kaltzeiten waren Perioden intensiver Windwirkung. So wur- de aus den Moränen und Schmelzwasserab- lagungen das feinste Material ausgeweht und an anderer Stelle zu Dünen oder Flug- sanddecken aufge- weht. Solche Dünen Quelle: Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer: Landeskunde Niedersachsen, Neumünster 1992. und Flugsanddecken 20 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung sind auf der niedersächsischen Ge- Rheine bis Papenburg, das Tal der est weit verbreitet. Sie können Mittelweser von Stolzenau bis Bre- Höhen von bis zu 10 m erreichen. men und das Allertal. Im Rahmen Charakteristische Beispiele finden modellhafter Projektvorhaben wer- sich vor allem auf der östlichen Tal- den derzeit Teilabschnitte des Hun- seite vieler Flüsse, z. B. von Ems, te- und des Hasetales zu natur- Hunte, Weser und Aller, aber auch nahen Flussläufen zurückgebaut. im Hümmling und in der Lünebur- Eine der letzten großen natur- ger Heide kommen entsprechende nahen Flusslandschaften nicht nur Formen vor. Deutschlands, sondern ganz Euro- In der Nacheiszeit haben die Täler pas stellt heute die Elbtalaue der Flüsse die stärksten morphologi- südöstlich von Hamburg dar. Um die schen Veränderungen erfahren. wertvolle Flusslandschaft auch für Durch die geringer werdenden zukünftige Generationen zu be- Schutt- und Sandmassen, die durch wahren, hat die niedersächsische das Wasser in die Täler eingebracht Landesregierung 1998 ein 10.900 ha wurden, setzte eine Phase der fort- großes Teilstück zwischen Radegats schreitenden Tiefenerosion ein. Da- (Landkreis Lüchow-Dannenberg) bei gruben sich die großen Flüsse in und Schnackenburg (Landkreis Lü- Form zahlreicher Flussarme immer neburg) zum Nationalpark erklärt, tiefer und tiefer in die Schotter- der im Februar 1999 gerichtlich auf- flächen ein, wobei es zur Ausbil- gehoben wurde (vgl. Kapitel Um- dung zahlreicher Flussschwingen, welt, Natur und Landschaft). Das sog. Mäander, als charakteristi- Schutzgebiet ist ein Teil des schem Element der Talaue kam. großräumigen Biosphärenreservats Ständige Verlagerungen der Fluss- Flusslandschaft Elbetal mit Flächen- arme, Laufverkürzungen, die Aus- anteilen in den Ländern Schleswig- bildung von abgeschnittenen „Alt- Holstein, Hamburg, Niedersachsen armen“ oder das Trockenfallen alter und Sachsen-Anhalt (vgl. Abb. Mäanderschlingen kennzeichneten Großschutzgebiete in Niedersach- das dynamische Geschehen in der sen). Talaue. Infolge von Kanalisierun- Anders als in den meisten übri- gen, Deichbauten und der Errich- gen Gebieten der Geest befinden tung anderer moderner Wasserbau- sich in der Lüneburger Heide heute werke lassen sich derartige Vorgän- noch ausgedehntere Heidekomple- ge heute mehr oder weniger nur xe, wie sie früher für große Teile noch an kleinen Flüssen beobach- ganz Nordwestdeutschlands land- ten. Reich an Mäandern und Alt- schaftsprägend waren. Die Heide ist wässern sind u. a. der Emslauf von eine typische Kulturlandschaft, die Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 21

Lüneburger Heide Foto: Ingo Mose sich infolge der Vernichtung des ur- schutzes, der angesichts der tief- sprünglichen Waldes durch Brand- greifenden Landschaftsveränderun- rodung und Waldweide entwickeln gen schon um die Jahrhundertwen- konnte und mit der sog. Heidebau- de versuchte, die bis dahin noch er- ernwirtschaft auf der Basis von haltenen Restflächen der Heide als Schafhaltung, Plaggenhieb, Heide- „Kulturdenkmal“ zu retten. Im Jah- brennen und Bienenhaltung um re 1910 erwarb der Verein Natur- 1750 ihre größte Ausdehnung er- schutzpark auf Initiative des Pastors reichte. Ab dem 19. Jahrhundert Wilhelm Bode mehrere Heide- verlor diese Wirtschaftsweise jedoch flächen im Gebiet des Wilseder Ber- rapide an Bedeutung und wurden ges. Sie bildeten den Ausgangs- die Heiden mithilfe neuer agrar- punkt für einen dauerhaften Schutz technischer Errungenschaften (Tief- der Heide, die 1921 in der Einrich- pflug, Mineraldünger) sukzessive tung eines Naturschutzgebietes gip- für Ackerbau und Grünlandwirt- felten. Heute umfasst das Schutzge- schaft erschlossen. biet eine Fläche von 19.740 ha, von Die Erhaltung der Heidegebiete, denen allerdings nur noch 22% Hei- die heute noch in der Lüneburger deflächen sind (vgl. Foto Lünebur- Heide vorhanden sind, verdankt sich ger Heide). Diese müssen dauerhaft den Bemühungen des Natur- durch Schafbeweidung und andere 22 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Maßnahmen gepflegt werden, um mit erheblichen ökologischen Kon- die natürliche Wiederbewaldung zu flikten verbunden. In diesem Zu- verhindern. Das Naturschutzgebiet sammenhang ist vor allem die Belas- ist seit 1956 zugleich als Naturpark tung von Böden und Gewässern ausgewiesen und gilt als eines der durch den erhöhten Auftrag von am meisten frequentierten Naher- tierischen Exkrementen, insbeson- holungs- und Ausflugsziele Nord- dere Gülle zu nennen, der in den deutschlands. In der offiziellen Be- 70er-Jahren alarmierende Ausmaße zeichnung „Naturschutzpark Lüne- angenommen hatte. Seither wur- burger Heide“ kommt die Sonder- den primär von gesetzgeberischer stellung dieses Gebietes unter den Seite verschiedene Maßnahmen er- übrigen Naturparken Niedersach- griffen, um die angespannte Situati- sens zum Ausdruck, die allenfalls in on zu entschärfen. Der „Gülleer- kleinen Teilen unter Naturschutz lass“ von 1983, die „Güllever- stehen (s. Abb. Großschutzgebiete ordnung“ von 1990 und, zuletzt, in Niedersachsen). die „Düngemittelverordnung“ von Voraussetzung für die heute auf 1996 haben dabei zu Regelungen der Geest dominierende landwirt- geführt, die mit erheblichen Ein- schaftliche Nutzung der an sich un- schränkungen hinsichtlich der Aus- fruchtbaren, überwiegend sandigen bringungsmengen und -zeiträume Böden, sei es die Umwandlung zu verbunden sind. Grünland oder zu Ackerflächen, Große Gebiete der Geest, vor war, wie erwähnt, die Entwicklung allem im Emsland, in Ostfriesland, neuer Agrartechniken und, vor al- Oldenburg und im Elbe-Weser-Drei- lem, die Einführung des Kunstdün- eck, werden durch ausgedehnte gers. Galt die Geest über Jahrhun- Nieder- und Hochmoore unterbro- derte als ausgesprochen armes chen. Die Moore sind unter dem Land, so zählt sie damit heute zu Einfluss des atlantisch beeinflussten den größten Überschussgebieten an Klimas überwiegend in den letzten agrarischen Produkten. In besonde- 8.000 Jahren der Erdgeschichte ent- rer Weise gilt dies für das Oldenbur- standen. Voraussetzung für die gische Münsterland, das sich seit Moorbildung ist ein Überschuss an den 60er-Jahren zu einem der größ- Wasser, der vor allem durch die ho- ten und leistungsstärksten Zentren he Luftfeuchtigkeit und die reichli- der Veredlungswirtschaft nicht nur chen Niederschläge, aber auch die in Deutschland, sondern in der Vernässung der Niederungen durch ganzen Europäischen Union ent- den Rückstau des seit über 10.000 wickelt hat. Allerdings war die Ent- Jahren ansteigenden Meeres gege- wicklung der Intensivlandwirtschaft ben war. Zunächst bildeten sich da- Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 23 bei Niedermoore auf den grund- sondere Funktion als Rückzugsge- wassernahen Standorten der nied- biete zahlreicher gefährdeter Pflan- rig gelegenen Geesttäler (Beispiel: zen- und Tierarten zu. Um diese Wümme-Niederung). Moorstandorte als charakteristische Seit etwa 5.500 v.Chr. sind auf Landschaftselemente Niedersach- einem Teil der Niedermoore, aber sens zu erhalten, wurde 1981 das auch direkt auf dem mineralischen Niedersächsische Moorschutzpro- Untergrund, mächtige Hochmoore gramm installiert, nach dem mehr aufgewachsen (Beispiele: Teufels- als 800 km2 Hochmoorflächen unter moor, Bourtanger Moor). Im Gegen- Naturschutz gestellt werden sollen. satz zu den Niedermooren, die aus den Resten vieler verschiedener Die Lössbörden Sumpf- und Schwimmblattpflanzen bestehen, werden Hochmoore fast Südlich des Mittellandkanals geht nur von einer einzigen Pflanzen- die niedersächsische Geest in die gattung, den Torf- oder Spagnum- Lössbörden über, die den Über- moosen, aufgebaut, die unabhän- gangsbereich vom Tiefland zum gig vom Grundwasser ihren Nähr- Berg- und Hügelland markieren. Sie stoff- und Wasserbedarf ausschließ- tragen ihren Namen vom nieder- lich aus Niederschlagswasser und deutschen „bören“= „tragen“, eingewehtem Staub decken. Unter „ertragreich“, womit die feinkörni- günstigen Wachstumsbedingungen gen, steinfreien, leicht kalkhaltigen haben einige Hochmoore eine Lehmböden gemeint sind, die sich Mächtigkeit von bis zu 10 m er- seit der letzten Eiszeit als Schwarz- reicht. erden oder Parabraunerden auf den Die Moore nehmen eine Fläche angewehten, durchschnittlich 0,5 von rund 6.200 km2 ein, was einem bis 3 m mächtigen Lössstaubschich- Anteil von 13% der Landesfläche ten entwickelt haben. Sie zählen entspricht. Niedersachsen ist damit nicht nur zu den wertvollsten Böden das moorreichste Bundesland. Je- Niedersachsens, sondern ganz doch sind heute nur noch Bruchteile Deutschlands, die sich vor allem der einstigen Moore unkultiviert. durch ihre hohe Wasserspeicher- Die meisten wurden im Verlaufe der fähigkeit und ihren Reichtum an letzten vier Jahrhunderte nach und Mineralstoffen auszeichnen (vgl. nach für eine landwirtschaftliche Foto Hildesheimer Börde). Nutzung in Grün- oder Ackerland Die Lössbörden beginnen nörd- umgewandelt. lich von Osnabrück zwischen Wie- Den wenigen noch verbliebenen hengebirge und Mittellandkanal als Moorresten kommt heute eine be- schmales Band und verbreitern sich 24 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung dann über die Schaumburger, Ca- Aufgrund ihrer hervorragenden lenberger und Hildesheimer Börde naturräumlichen Ausstattung sind nach Osten, bis sie im Gebiet um die Lössbörden von der ehemaligen Salzgitter und Helmstedt eine Breite Waldvegetation fast völlig ent- von fast 40 km erreichen. Jenseits blößt, sodass manchmal von einer der niedersächsischen Landesgrenze „Kultursteppe“ gesprochen wurde; gehen sie dann nahtlos in die noch eine Bezeichnung, die allerdings un- weitflächigere Magdeburger Börde zutreffend ist, da die Börden im Ge- über. Die Nordgrenze gegen die gensatz zu den wirklichen Steppen Geest, die sog. „Lössgrenze“, ist re- intensiv landwirtschaftlich genutzt lativ scharf ausgeprägt und verläuft werden. bis Braunschweig über weite Nahezu alle Flächen werden heu- Strecken parallel zum Mittellandka- te vom Ackerbau beansprucht. Es nal. Nach Süden hin besteht keine herrschen dabei anspruchsvolle so scharfe Grenze, da der Löss teil- Feldfrüchte vor, mit denen Spitzen- weise bis weit in das Berg- und Hü- erträge erzielt werden können gelland verweht wurde, wo er lokal (Weizen, Zuckerrüben). Grünland immer noch Mächtigkeiten von bis und Reste von Laubwald sind nur zu 1,5 m aufweist. auf wenigen feuchten Standorten

Hildesheimer Börde Foto: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 25 zu finden, die bisher nicht dräniert schräggestellten Gesteinspaketen worden sind. wurden dann durch selektive Ver- witterung und Abtragung die wei- Das Berg- und Hügelland cheren Schichten ausgeräumt und zu Tälern und Becken umgeformt, Gegenüber der nahezu waldlo- während die härteren Schichten als sen Weite der Lössbörden ist das Schichtstufen, Schichtkämme, Ein- niedersächsische Berg- und Hügel- zelberge oder steinige Hochflächen land eine durch Becken, Täler, stehen blieben. Wiehengebirge und Höhenrücken, Hochflächen, Berg- Teutoburger Wald, Ith und Hils sind kuppen und Hügel kleinräumig ge- Beispiele für das charakteristische kammerte Landschaft. Es umfasst Landschaftsbild der Schichtstufen große Teile des südlichen Nieder- und -kämme, die sich als lange, rela- sachsen, wobei die Gebirgsgruppen tiv schmale, allerdings in der Regel des Weserberglandes zwischen Por- wenig hohe Bergzüge in west-östli- ta Westfalica im Norden und dem cher bzw. nordwest-südöstlicher Zusammenfluss von Fulda und Wer- Ausrichtung darstellen. Mit einer ra im Süden daran den weitaus Strecke von rund 120 km ist der Teu- größten Anteil haben. Dass es sich toburger Wald der längste unter in der Regel mehr um Hügel als den Höhenzügen des Berg- und Hü- wirkliche Berge handelt, kommt gellandes (vgl. Foto Teutoburger auch in den Höhen der Bergkuppen Wald). Besonders markante Schicht- zum Ausdruck, die kaum über 500 m kämme finden sich im Weser- und hinausgehen (Große Blöße im Sol- Wiehengebirge, die 200-300 m über ling mit 528 m als höchste Erhe- das Wesertal aufsteigen und zum bung). Teil von mächtigen Klippen gekrönt Das Berg- und Hügelland ver- werden (Luhdener Klippen, Hohen- dankt seinen Formenreichtum ver- stein). schiedenen erdgeschichtlichen Vor- Das Berg- und Hügelland ist eine gängen. Die Bergzüge sind durch- waldreiche Landschaft. Rund 45 weg aus Sedimentgesteinen aufge- Prozent sind mit Wald bestanden, baut, die einst im Meer abgelagert der über Höhen von 300 m und wurden; von Süden (Buntsandstein, dort, wo das Relief zu steil wird, in Muschelkalk) nach Norden (Jura, den Vordergrund tritt; insgesamt Kreide) werden diese immer jünger. nimmt die Bewaldung von Norden Infolge tektonischer Bewegungen nach Süden zu. wurden die Sedimentschichten in Auf allen Höhenzügen stockt da- Schollen zerlegt und in unterschied- bei von Natur aus ein Buchenwald, licher Weise gekippt. Aus den der die nährstoff- und besonders 26 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Teutoburger Wald Foto: Ingo Mose kalkreichen Böden sowie das nie- feuchte Standorte hin, die als Vieh- derschlagsreiche, kühle Klima des weiden genutzt werden. Berg- und Hügellandes bevorzugt. Aufgrund seiner abwechslungs- Auch heute noch ist der Bu- reichen Landschaft mit ihren vielfäl- chenwald durch weitgehend natur- tigen naturräumlichen und kulturel- nahe Bestände vertreten und ver- len Elementen gelten große Teile mittelt durch seine relative Ge- des Berg- und Hügellandes als be- schlossenheit den Eindruck einer sondere Anziehungspunkte für echten Waldlandschaft. Naherholung und Fremdenverkehr. Wo kein Wald ansteht, wird auf Insgesamt fünf Naturparke wurden den fruchtbaren Böden der Täler hierfür als Vorranggebiete ausge- und Becken, die während der letz- wiesen und erfahren als solche eine ten Eiszeit mit Löss ausgekleidet spezielle Förderung (z. B. Weser- wurden, ertragreicher Ackerbau be- bergland, Schaumburg-Hameln, Sol- trieben. Wo der Löss besonders ling-Vogler) (vgl. Abb. Großschutz- mächtig ist, ist der Wald selbst an gebiete in Niedersachsen). Auf der steileren Standorten verdrängt wor- Basis zahlreicher Thermal- und Sol- den. Grünlandflächen deuten auf quellen entwickelten sich eine Rei- Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 27 he von Heilbädern (z. B. Bad Iburg, Erhebungen eines zentralen Berg- Bad Rothenfelde, Bad Oeynhausen, landes überragt, dessen bekannte- Bad Pyrmont) sowie zahlreiche Luft- ste Elemente das Brockenmassiv kurorte, die auch überregionale Be- und der Acker-Bruchberg-Kamm deutung besitzen. sind. Die höchsten Gipfel im nieder- sächsischen Teil des Harzes sind Der Harz Wurmberg (971 m) und Bruchberg Der Harz ist als einziger Gebirgs- (928 m), während der Brocken als zug Niedersachsens ein echtes Mit- höchste Erhebung mit 1.142 m be- telgebirge. Mit scharf gezeichneten reits in Sachsen-Anhalt liegt (vgl. Umrissen erhebt er sich dabei aus Foto Der Brocken). der umliegenden Schichtkamm- und Der gesamte Gebirgskörper setzt Schichtstufenlandschaft im Norden sich aus zwei Elementen zusammen: „mauerartig“, im Süden als mehr Sedimentgesteinen, die – anders als oder weniger steile Aufbiegung. im Berg-und Hügelland – bereits Die deutliche Abgrenzung gegen frühzeitig intensiv gefaltet und zer- das Berg- und Hügelland wird noch legt wurden, und Magmatiten, z. B. durch die fast geschlossene Bewal- dem Brocken-Granit, die aus dem dung unterstrichen, der das Gebirge Erdinneren aufgestiegen sind. Seine auch seinen Namen nach dem mit- heutige Kontur erhielt der Harz je- telhochdeutschen „hart“ = Berg- doch erst als Folge phasenhafter He- wald verdankt. Nur ein Drittel, also bungen, in deren Folge sich der ge- der kleinere Teil des Harzes liegt in samte Gebirgsblock um etwa 300 m Niedersachsen; der größere, östliche über das Umland erhob. Teil gehört zu Sachsen-Anhalt. Aufgrund des mit der Höhe un- An seinen Rändern weist das Ge- wirtlicher werdenden Klimas, aber birge dichte, tiefe und meist steile auch wegen der steilen Hänge und Zertalungen auf, die sich besonders steinigen Böden, kann im Harz kei- im Südharz stark verästeln. Talauf- ne ertragreiche Landwirtschaft be- wärts werden die Hänge zuneh- trieben werden. Lediglich auf den mend niedriger und flacher, bis sie Rodungsinseln der Hochflächen fin- im Gebirgsinneren schließlich in den sich wenige Gründlandbetrie- weite, flachwellige Hochflächen be. Das Landschaftsbild des Harzes übergehen. Die ausgeprägteste die- wird deshalb durch das größte ge- ser Hochflächen im niedersächsi- schlossene Waldgebiet Niedersach- schen Oberharz ist die Clausthaler sens bestimmt. Rund drei Viertel der Hochfläche auf einer Höhe von et- Wälder im Westharz sind Nadel- wa 550 bis 600 m. Die Hochflächen wälder, die fast ausschließlich aus werden im sog. Hochharz von den Fichten bestehen. 28 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Als potentielle natürliche Vegeta- Liste“ geführter Pflanzen sind. Der tion würde die Buche normalerwei- Gipfel des Brockens ist ebenfalls se bis mindestens 700 m Höhe, in baumfrei; oberhalb eines schmalen Form von Buchen-Fichten-Mischwäl- Krüppelholzsaumes sind hier subal- dern sogar bis 800 m Höhe vorherr- pine Zwergstrauch- und Rasenge- schen, jedoch sind die Buchenwäl- sellschaften standortbestimmend, der durch den Bergbau seit Beginn unter denen sich Hochgebirgspflan- des 16. Jahrhunderts und die späte- zen wie das Alpen-Windröschen re forstwirtschaftliche Förderung und die Berg-Nelkenwurz finden. der schnell wachsenden Fichte rück- Charakteristisch ist der Nieder- sichtslos abgeholzt und an den schlagsreichtum des Westharzes. Er Harzrand zurückgedrängt worden. ist eine Folge der Steigungsnieder- Die heute vielerorts dominierenden schläge, die aus den von Westen Fichtenreinbestände werden nur herangeführten atlantischen Luft- oberhalb von 700 m teilweise von massen ausfallen. Auf der Westseite baumfreien Hochmooren unterbro- des Brockens beläuft sich die jährli- chen (z. B. bei Torfhaus), die Stan- che Niederschlagsmenge auf rund dorte zahlreicher auf der „Roten 1.600 mm.

Der Brocken, vom Achtermann aus gesehen Foto: Ingo Mose Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 29

Die hohen Niederschläge boten gelten Industrie und Straßenver- die Voraussetzung für die Anlage kehr. Während die Schadstoffe aus von mehreren großen Talsperren, der Industrie z. T. über große Ent- die seit den 30er-Jahren entstan- fernungen in den Harz eingetragen den. Sie dienen der Trinkwasserver- werden, wirkt der Verkehr primär sorgung, aber auch dem Hoch- unmittelbar vor Ort als Verursacher wasserschutz und, als Nebenpro- von Schädigungen. Großen Anteil dukt, der Erzeugung elektrischer hat daran der rege Urlaubs- und Energie. Naherholungsverkehr in die Region. Die hohen Niederschläge sind Um die Waldschäden zu mildern aber auch eng mit einem ernsten und die Vitalität des Bestandes zu Problembereich verbunden: dem stärken, wurden und werden ver- „Waldsterben“. Seit Anfang der schiedene Maßnahmen ergriffen. 80er-Jahre haben die sog. neuarti- Neben der Bodenkalkung, die der gen Waldschäden im Harz ausge- Vorbeugung gegen die überhöhte sprochen dramatische Formen an- Versauerung des Bodens dient, genommen. Große Teile des Wald- zählt dazu vor allem die systemati- bestandes im Harz gelten nach wie sche Walderneuerung mit der An- vor als „krank“. Alarmierend ist vor pflanzung von Laubwald-Mischkul- allem die Situation im Oberharz, wo turen. zwischen 60 und 65 Prozent des Um die charakteristische Mittel- Waldes geschädigt sind, aber auch gebirgslandschaft des Harzes, die die Waldbestände des Unterharzes für Niedersachsen und Nord- weisen z. T. erhebliche Schädigun- deutschland insgesamt einzigartig gen auf. Hinsichtlich der Schädigun- ist, dauerhaft zu schützen, hat die gen muss allerdings nach verschie- niedersächsische Landesregierung denen Schadensstufen sowie nach große Teile des Oberharzes 1994 Baumarten unterschieden werden; zum Nationalpark erklärt (vgl. Abb. ebenso schwankt der Gesamtum- Großschutzgebiete in Niedersach- fang der geschädigten Waldbestän- sen). Der Nationalpark bezieht das de, die seit 1983 jährlich im Rahmen ehemalige Naturschutzgebiet Ober- der sog. „Waldschadensuntersu- harz ein, das in Teilen bereits seit chung“ bundesweit einheitlich er- 1926 unter Schutz steht. Noch vor mittelt werden. Hauptschadensfak- dem Land Niedersachsen hatte 1990 toren des Waldsterbens sind Luft- die letzte DDR-Regierung den öst- schadstoffe (Schwefeldioxid, Stick- lichen Teil des Hochharzes zum oxide), die vorwiegend durch die Nationalpark ausgerufen. Als aus- Verbrennung fossiler Brennstoffe gesprochenem Wald-Nationalpark entstehen. Als Hauptemittenten kommt dem Harz vorrangig die 30 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Aufgabe zu, langfristig die Entste- gesteckte Ziel in der Öffentlichkeit hung naturnaher, d. h. vom Men- möglichst breit verankern, wobei schen weitgehend unbeeinflusster der Vermittlung zwischen Natur- Wälder zu ermöglichen. Solche Ur- schutz und Tourismus eine Schlüssel- wälder „aus zweiter Hand“ sind in funktion zufällt. Schon heute zählt Deutschland heute nur noch im der Harz mit rund 10 Millionen Rahmen von Nationalparks vorstell- Jahresbesuchern zu den touristisch bar. Eine intensive Umwelt- und am stärksten frequentierten Natio- Naturschutzbildung soll dieses hoch nalparks Europas. Ingo Mose Geschichte des Landes Niedersachsen

Das Bundesland Schaumburg-Lippe und Braun- Niedersachsen schweig sowie der ab 1866 preußi- schen Provinz Hannover. Niedersachsen ist nach Fläche und Einwohnerzahl (vgl. Kapitel Im 50. Jubiläumsjahr Niedersach- Lage und Größe) im europäischen sens, 1996, wurde häufig auf die Kontext keinesfalls ein bedeutungs- Niedersachsen hingewiesen, die loses Land der Bundesrepublik. Es sturmfest und erdverwachsen seien, ist ein Ergebnis der politischen Neu- so wie sie das Niedersachsenlied be- ordnung Deutschlands nach dem nennt. In jenem Jahr 100 Jahre alt Zweiten Weltkrieg. Es entstand mit wurde der Vers von den Eichen, die, der Verordnung Nr. 55 der briti- solange sie in alter Kraft um Hof schen Militärregierung vom 8. Nov. und Haus wüchsen, offensichtlich 1946 aus den Ländern Oldenburg, verhindern sollten, dass in Nieder- Das Land Niedersachsen 1946 32 Geschichte des Landes Niedersachsen sachsen „die alte Stammesart“ aus- Weltkrieg ein, als weit mehr als sterbe. Der Versuch, von der Ab- 2 Millionen Menschen als Heimat- stammung her für die Zeit von 500 vertriebene und Flüchtlinge, als bis 1945 eine Einheitlichkeit des Übersiedler aus der DDR, als, wie menschlichen Verhaltens im Gebiet gemeinhin gesagt wird, Gastarbei- des heutigen Niedersachsens zu ter und jüngst als aus Osteuropa konstruieren, führt allerdings in die Hinzuziehende sich in Niedersach- Irre. Es waren im frühen Mittelalter sen niederließen und allmählich, oft zwei Stämme, nämlich die Sachsen unter großen Hindernissen, inte- und die Friesen. Die Sachsen gab es griert wurden oder werden. auch nicht. Zumindest seit der früh- Ein Rückblick auf die vergange- mittelalterlichen Ansiedlung im nen ca. 1500 Jahre der wirtschaft- nordwestdeutschen Raum zerfielen lichen Einordnung Niedersachsens sie in verschiedene regionale Stam- in den europäischen Rahmen verrät mesverbände, deren Trennung sich einiges über die Entwicklungs- schematisch für den niedersächsi- potentiale und Fremdbestimmun- schen Raum von West nach Ost in gen. Vier Phasen zeichnen sich ab: Westfalen, Engern und Ostfalen be- 1. Niedersachsen lag im frühen Mit- schreiben lässt. Richtig ist, dass diese telalter, ca. von 500 bis 1000, am frühmittelalterliche Dominanz säch- nordöstlichen Rand der europäi- sischer bzw. friesischer Bevölkerung schen Wirtschaftszentren West- bis in das 20. Jahrhundert hinein und Südeuropas. nicht grundsätzlich verändert wur- 2. Im Hoch- und Spätmittelalter, de, sondern nur graduell. Zu den- von ca. 1000 bis 1450, rückte Nie- ken ist hierbei an die teilweise dersachsen in die Mitte zwischen slavische Besiedlung des östlichen den ökonomisch hoch entwickel- Niedersachsens im Mittelalter, an ten Landschaften Oberitaliens, die zunehmende jüdische Bevölke- Süddeutschlands oder Flanderns rung der größeren spätmittelalter- und den vom europäischen Han- lichen Städte, an Flamen oder del erreichten Randzonen Skan- Holländer in hochmittelalterlichen dinaviens und Osteuropas. Gründungsdörfern, in der frühen 3. Diese Mittellage blieb zwar in Neuzeit dann an Hugenotten, Salz- der frühen Neuzeit, von ca. 1450 burger oder obersächsische Bergar- bis 1850, erhalten, wurde aber beiter, im 19. Jahrhundert an ost- wesentlich von der sich rasch und ostmitteleuropäische Landwirt- ausweitenden Kluft zwischen schaftsarbeiter. West- und Osteuropa überformt. Die wesentliche Bevölkerungsver- Erst Flandern, dann die Nieder- änderung trat nach dem Zweiten lande, dann England, auch Teile Geschichte des Landes Niedersachsen 33

Frankreichs, wurden zu wirt- wirtschaftliche Produktivität und, schaftlichen Weltzentren, ver- gerade im Übergang zum Berg- und größerten stetig ihren ökonomi- Hügelland, die intensivste gewerb- schen und kulturellen Vorsprung liche Produktion zu finden. Wenn gegenüber dem restlichen Euro- dem so ist, so muss der mittelalter- pa und schufen mit den Kolonien lichen Wirtschaftsgeschichte heute eigene neue Peripherien. neue Beachtung geschenkt werden. 4. Während der Hauptindustria- Die aus der Neuzeit bekannten lisierungsphase seit der Mitte des überregionalen und internationa- letzten Jahrhunderts, insbeson- len wirtschaftlichen Verflechtungen dere seit der Reichsgründung waren allerdings im hohen und spä- 1871, holte Deutschland den ten Mittelalter weit weniger ent- wirtschaftlichen Rückstand ge- wickelt. Sogar der Hansehandel be- genüber den Zentren im Westen einflusste nur wichtige Städte und auf. Innerhalb des deutschen wenige Kleinräume in Niedersach- Wirtschaftsraumes stand Nieder- sen. Prägend für die Differenzie- sachsen allerdings stets hinter rung der Landwirtschaft, die we- den ökonomisch bestimmenden sentlich abhängiger von der Natur Gebieten zurück. war als heute, wirkten die Boden- nutzungsmöglichkeiten. Für die ge- Zur wirtschaftlichen werblichen Entwicklungen waren Entwicklung Niedersachsens Rohstoff- sowie Energievorkommen und für den Handel günstige Ver- Bereits die Festellung dieser vier kehrssituationen wichtig. Phasen zeigt, dass Niedersachsen Das Naturpotential Niedersach- nie wirtschaftlich führend im jewei- sens bot für Landwirtschaft, Ge- ligen interregionalen Kontext war; werbe und Handel landschaftlich von der Spitze des Fortschrittes aus verschiedenartige Voraussetzun- gesehen also immer ein wenig hin- gen, die außerdem unterschiedlich terher, immer eher im Mittelfeld. genutzt wurden: die Marsch des Die vier Phasen zeigen zudem, dass Küstensaumes und der Mündungs- die Entwicklungsgrundmuster be- gebiete von Ems, Weser und Elbe; reits vor der Industrialisierung fest- die Geest samt ihren Mooren und standen. Die Bevölkerungsdichte in den Urstromtälern der Elbe und der – für Niedersachsen städterei- Aller-Weser; die Lössbörden; das chen – Zone von Schaumburg bis Berg- und Hügelland. Braunschweig lag stets höher als in Von dem Naturpotential, das den der Lüneburger Geest; in diesem Menschen zur Verfügung stand, Gürtel war immer die höchste land- gewährten die ohnehin eher raren 34 Geschichte des Landes Niedersachsen

Bodenschätze bis weit in die Neu- zugängliche Brennstoffe. Torf zum zeit geringere wirtschaftliche Anrei- Heizen, Ton zur Töpferei und zur ze als anzunehmen wäre, mussten Backsteinherstellung, Kalke, Sande sie doch sehr oberflächennah anste- oder Steine zum Bauen standen hen, um unter den mittelalterlichen nicht in allen Landstrichen, ver- Bedingungen genutzt werden zu gleichsweise aber an vielen Orten können. Die Erze des Rammels- zur Verfügung. Nur im „Pötjerland“ berges und das Salz Lüneburgs – zwischen Weser und östlich bildeten Ausnahmen, die für die und nördlich des Sollings – gewan- wirtschaftliche Bedeutung des mit- nen die Tonwarenherstellung und telalterlichen Niedersachsens Höhe- im selber die Glasproduktion punkte setzten. Die Steinkohlenför- am Ausgang des Mittelalters eine derung blieb noch sehr bescheiden. gewisse überregionale Bedeutung. Vereinzelt wurde Eisen gewonnen. Neben der Landwirtschaft und Holz und Holzkohle waren leichter den direkt landwirtschaftsgebunde- nen Nahrungsmittelge- Gütertransporte von Bremen nach Hannover auf der werben hing die Mehr- Leine 1790/91 zahl der übrigen Pro- Ware Warenwert Waren- duktionsbereiche weni- wert ger von hiesigen Bo- (Reichstaler) (in VH) denschätzen als von Kaffee 49138 14,3 forst- und landwirt- Wein 43050 12,6 schaftlich erzeugten Sirup 38905 11,4 Rohstoffen ab, wie Roggen 37895 11,0 Holz (als Bau-, Werk- und Brennstoff), Vieh- Reis 28690 8,4 produkte (auch Kno- Tabak 21539 6,3 chen, Felle) oder Ge- Tran 17564 5,1 werbepflanzen (insbe- Zucker 14458 4,2 sondere Lein). Insge- Baumöl 8913 2,6 samt weist das Natur- potential, gemessen an Butter 6875 2,0 den mittelalterlichen Kandis 6814 2,0 Nutzungsmöglichkei- alle übrigen 68963 20,1 ten, Niedersachsen ei- ne in erster Linie land- nach: Christian Ludwig Albrecht Patje, Kurzer Abriß des Fabriken- wirtschaftliche und im , Gewerbe- und Handlungszustandes in den Chur-Braunschweig-Lüneburgischen Landen, Göttingen 1796, zu Übrigen auf Verkehrs- S.494. durchgang und weni- Geschichte des Landes Niedersachsen 35 ger auf Gewerbe und Gütertransporte aus Hannover, Celle und Verden originären Handel be- nach Bremen auf Leine, Aller und Weser 1790/91 zogene Funktion zu als Ware Warenwert Waren- Teilen Mittel- und wert Oberdeutschlands. (Reichstaler) (in VH) Diese wirtschaftli- Blei 94863 23,7 chen Grundmuster des Weizen 81840 20,4 Mittelalters beruhten div. Hölzer 65042 16,2 aber keinesfalls auf den natürlichen Be- Gewehre 51548 12,9 dingungen allein. Viel- Wolle 30960 7,7 mehr gewann Nieder- Gerste 30475 7,0 sachsen erst spät, näm- Garn 14660 3,4 lich am Ausgang des Töpferwaren 6655 1,7 8. Jahrhunderts, enge- re Verbindungen zum alle übrigen 25477 6,4 germanisch-römischen, westeuropäischen Kul- nach: Christian Ludwig Albrecht Patje, Kurzer Abriß des Fabriken- turkreis, also zu den , Gewerbe- und Handlungszustandes in den Chur-Braunschweig-Lüneburgischen Landen, Göttingen 1796, zu ökonomisch höherent- S.494. wickelten Gebieten West- und Südeuropas. Sogar im Spätmittelalters, voran Braun- Zeitalter der Liudolfinger-Ottonen schweig, über eine Vermittlerrolle (919 – 1024) und der Salier (1024 – im West-Ost-Handel selten hinaus, 1125) gedieh nur der Harzraum weil nur wenige hochwertige kurzzeitig zu einer Zentralland- Waren (z. B. oft Bier, aber kaum schaft des Reiches. Friesland mit sei- teurer, importierter Pfeffer) gehan- nen Marschen blieb dagegen stets delt wurden. Stärker als in Teilen der Reichspolitik fern, und erst recht Mittel- und Oberdeutschlands be- bot die Geest keinen Anlass, im stimmten Adel und Klerus die Wirt- Brennpunkt des Reichsinteresses zu schaft, insbesondere die – wenn- stehen. Als seit Mitte des gleich nicht in süddeutscher Dichte 12. Jahrhunderts die Neugründung vorhandenen – Klöster. Adel und Lübecks, die Ostexpansion und Klöster waren die wichtigsten -kolonisation und die nachfolgende Grundherren der Bauern. Die Entfaltung der Hanse die wirtschaft- grundherrschaftlichen Dienste und lichen Grenzen weitersteckten, Abgaben führten aber nur selten zu kamen selbst die bedeutenderen Überbelastungen der Bauern. Zu- niedersächsischen Hanseorte des dem gingen adlige und klösterliche 36 Geschichte des Landes Niedersachsen

Einflüsse während des Ausbaus der dungen, Landschaftsgrenzen und Territorialstaaten, insbesondere der im Kreuzungsbereich naher alter Welfen, im Spätmittelalter zurück. Handelsstraßen. Allmählich gewann zur Sicherung Dabei überragte die Städtedichte der Staatseinnahmen der landes- in den Verkehrsballungsgebieten herrliche Bauernschutz überhand vor und im Berg- und Hügelland (niedersächsisches Meierrecht). deutlich diejenige des nördlichen Niedersachsen, besonders die Niedersachsen. Mit den Städteland- westniedersächsische Geest, war schaften Flanderns, Oberitaliens und ist städtearm. Mit Goslar besaß oder wenigstens des Textilbe-zirks Niedersachsen nur eine mittelalter- in Oberschwaben konnte Nieder- liche Reichsstadt und mit Braun- sachsen nicht konkurrieren. schweig, Lüneburg und Bremen drei Was veränderte sich vom Mittel- weitere Städte von anerkannt über- alter zur Neuzeit? Niedersachsen regionaler Bedeutung. Von gewis- lag im frühen und hohen Mittelalter ser Wichtigkeit waren ferner die am nordöstlichen Rand der europäi- Bischofsstädte Hildesheim und schen Wirtschaftszentren und im Osnabrück, außerdem Stade und an Spätmittelalter in der Mitte zwi- der Wende zur Neuzeit schließlich schen den ökonomisch hoch ent- Emden; allesamt Städte in bevor- wickelten Landschaften und den zugter Verkehrslage an Flussmün- vom europäischen Handel erreich- ten Randzonen Skan- Städte und wichtige Verkehrswege dinaviens und Osteu- in Niedersachsen im Mittelalter ropas. Diese Position ökonomischer Zuord- Stade nung – aber politischer Selbständigkeit – zwi- Hamburg Emden Lüneburg schen hoch entwickel- Bremen Uelzen ten Gebieten (Zen- trum) und gering ent- wickelten Gebieten Hannover Braunschweig (Peripherien) ist für die Minden Osnabrück Hildesheim dem 16. Jahrhundert folgenden Phasen als Goslar „Halbperipherie“ ge-

Göttingen kennzeichnet worden. ädte und wichtige Verkehrswege Sucht man eine Unter- in Niedersachsen im Mittelalter scheidung vom Mittel- alter zur frühen Neu- Geschichte des Landes Niedersachsen 37 zeit für die Geschichte Niedersach- ins 19. Jahrhundert nicht grund- sens, so ist zunächst eine Verstär- sätzlich. Trotzdem waren – gemes- kung dieser Zwischenlage, dieser sen an Osteuropa – die wirtschaft- halbperipheren Situation, zu erken- lichen und gesellschaftlichen Ver- nen. In der hochwertigen Produkti- hältnisse des niedersächsischen on gewerblicher Güter vermochten Raumes selbst gegen Ende des die niedersächsischen Städte nicht Dreißigjährigen Krieges (1618 – mehr international zu konkurrieren. 1648) weiterhin modern und ent- Die einfache Warenproduktion ver- wickelt, gegenüber dem Westen lagerte sich mehr und mehr auf das hingegen nunmehr rückständig. billiger arbeitende und genügend Die innere Struktur des nieder- Arbeitskräfte besitzende Land. Es sächsischen Raumes wandelte sich zeigt sich seit dem 16. Jahrhundert während der frühen Neuzeit entwe- eine allmähliche Wandlung von der der durch Einflüsse von außen oder mittelalterlichen, auf Europa be- aber durch das Eingreifen der sich schränkten, zu der frühneuzeitli- auch im niedersächsischen Raum chen, auf die Welt ausgreifenden Si- festigenden Territorialstaaten, ins- tuation. Im Mittelalter blieb das besondere der hannoverschen und wirtschaftliche Beziehungsgeflecht braunschweigischen Welfen. Ihnen Niedersachsens auf Europa orien- verdankt z. B. der Oberharz als neue tiert. Sobald aber die neuen Wirt- Bergbaulandschaft seine rasche Ent- schaftszentren Westeuropas (in wicklung. Die Gliederungen inner- zeitlicher Reihenfolge: Antwerpen, halb der Regionen veränderten sich Amsterdam, London) während ihres zugunsten der Hauptorte. Das wa- Hinausgreifens in die Welt immer ren die wichtigen binnenländischen mehr Kapital häuften und in den Städte, auf die sich die Beziehungen Handelskreislauf reinvestieren von der Fläche her neu ausrichteten. konnten, wurde Niedersachsen im- Unter den neuen Weltmarkteinflüs- mer tiefer in die Halbperipherie ge- sen gedieh Hamburg seit dem 16. drängt. Hierauf verweisen Jahrhundert zu einem Vorort des u. a. die Stabilität der Landwirt- modernen Westens Europas, gleich- schaft oder die Hollandgängerei aus sam ein Stück Zentrum in der Halb- Westniedersachsen, wenn Tausende peripherie. Emden nahm eine deut- saisonal in die Niederlande zogen, lich abgeschwächte, aber vergleich- um dort Einfacharbeiten zu verrich- bare Funktion im 16. Jahrhundert ten. wahr, Bremen seit dem Ausgang des Diese halbperiphere Lage inner- 18. Jahrhunderts. Zum neuen inter- halb der interregionalen Wirt- nen Hauptort stieg vor allen ande- schaftsbeziehungen änderte sich bis ren Hannover auf, Braunschweig 38 Geschichte des Landes Niedersachsen

Schematische Darstellung der Einwohnerzahlen nen, die sich z. B. deut- ausgewählter nordwestdeutscher Städte lich im Verkehrsnetz 1550 – 1900 der Chausseen unmit-

Einwohner in 1000 telbar vor dem Eisen- 700 500 Schematische Darstellung der Einwohnerzahlen ausgewählter bahnbau ausdrücken. 300 nordwestdeutscher Städte 1550 – 1900 Nun lag Hannover wie 200 150 eine Spinne im Netz, 100 80 Hamburg nicht mehr Braun- 60 50 40 schweig. 30 25 Bremen In allem sank Nie- 20 Braunschweig 15 dersachsen während Lüneburg des 16. bis 19. Jahrhun- 10 9 Hannover 8 derts tiefer in die Mit- 7 Goslar telmäßigkeit; es stand 6 weit hinter dem mo- 1550 1600 1650 1700 1750 1800 1850 1900 dernen Westen, den Niederlanden und blieb wichtig, bei deutlich geringe- England, zurück, bewahrte aber rer Dynamik; beispielsweise Lüne- seinen Vorsprung vor Polen oder burg oder Osnabrück blieben es Russland. Verglichen mit den Nie- auch, doch bei erkennbaren Verlu- derlanden oder England blieb je- sten; Städte wie Goslar oder Einbeck doch die Gesellschaftsordnung verloren radikal. Wurde eine von stabil. Es dominierten die mittelbäu- den Weltmarktbeziehungen nicht erlichen Betriebe und das, an Zahl positiv beeinflusste Stadt nicht we- vergleichsweise geringe, Handwer- nigstens vom Territorialfürsten ge- kerbürgertum der eher kleinen fördert (z. B. Aurich, Bückeburg), Städte. Die Herrschaft des Adels und sank sie während der frühen Neu- der Landesfürsten nahm selten zeit zur Unbedeutung ab. Es be- despotische Züge an. Selbst, wenn gann, weit vor der Industrialisie- die Bauern wie in Teilen Westnie- rung, also ein Konzentrationspro- dersachsens, unfrei waren, konnten zess auf wenige Hauptorte: im Fern- sie über ihren jeweiligen Haushalt handel z. B. auf Hamburg, in Ver- und über die Gemeindeangelegen- waltung und Kultur/Bildung auf die heiten recht eigenständig entschei- Residenzstädte. Entsprechend ge- den. langten die an Zahl reduzierten Einige Vorteile der nordwest- Hauptorte samt ihrem Umland in deutschen Halbperipherie im Ver- führende, in der Industrialisierungs- gleich zum westeuropäischen Zen- phase dann neu genutzte Funktio- trum sind also ersichtlich. Die Mehr- Geschichte des Landes Niedersachsen 39 zahl der Bevölkerung lebte weiter- veränderte und seine Peripherien, hin unabhängig von Marktbezie- z. B. die neuen überseeischen Kolo- hungen. Externe Krisen wirkten sich nien, z. T. in wenigen Jahrzehnten daher nur gedämmt auf die einzel- umstrukturierte, verlief der histori- ne Kleinstadt oder das einzelne sche Wandel in der Halbperipherie Dorf aus. Im Regelfall bestand die gemächlich. Daher blieben die im weitgehende Selbstversorgung in- Mittelalter geprägten Wirtschafts- nerhalb einer Region fort. Die regionen Niedersachsens so beharr- Mehrzahl der Bevölkerung verfügte lich bestehen während der frühen über eine eigene, zumindest be- Neuzeit. scheidene landwirtschaftliche oder Hinsichtlich der wirtschaftlichen gewerbliche Ernährungsgrundlage, Grundordnung wirkten sich das die das Überleben in internen 19. und 20. Jahrhundert nur modi- Krisenzeiten erleichterte. Die so ge- fizierend aus, wenngleich auch in nannte „moralische Ökonomie“ Niedersachsen die Bevölkerungs- blieb gewahrt. Trotz anfänglicher zahl rasch wuchs. In dem stark land- landesherrlicher Gegenbemühun- wirtschaftlich geprägten Gebiet gen bestanden Zünfte fort und wur- führten die Agrarreformen des aus- den in den Flecken, also kleinen gehenden 18. und der ersten Hälfte Minderstädten, gar neu geschaffen. des 19. Jahrhunderts zu einer Mo- Hoch war die Konstanz der Gemein- dernisierung von Ackerbau und deverbände in Bruderschaften und Viehzucht. Die Bauern wurden nun- Buerschaften der städtischen Be- mehr persönlich frei, die gemein- wohner sowie in Kirchspielen, schaftlich genutzen Wälder und Markgenossenschaften usw. der Weiden (Gemeinheiten) wurden ländlichen Bewohner. Im Vergleich aufgeteilt und die fein parzellierten zum Westen Europas blieb der An- Felder zusammengelegt (Verkoppe- teil der außerhalb dieser Ordnung lungen). Da hierfür gemessen an stehenden Personen gering, ebenso Preußen geringe Zahlungen von wie der Anteil von Spitzenvermö- den Bauern aufgebracht werden gen. mussten, stabilisierte sich das mittle- Eine große Chance hatte die re Bauerntum einmal mehr. West- Halbperipherie generell: sie konnte niedersachsen begann mit Vieh und Zentrumserfahrungen übernehmen Viehprodukten Teile des Ruhrge- und die dort erkannten Fehler ver- biets mitzuversorgen, Zuckerrüben- meiden, nachholende Moderni- und Weizenanbau mit der zu- sierung gedieh daher zum nie- gehörigen Stallhaltung von Rind- dersächsischen Wirtschaftsprinzip. vieh stärkte insbesondere die Bau- Während sich Westeuropa rasant ern im Lössbördengürtel nördlich 40 Geschichte des Landes Niedersachsen Geschichte des Landes Niedersachsen 41 des Berg- und Hügellandes. Die Braunschweig oder Osnabrück nicht Moorkultivierungen in Teilen der mithalten. Insgesamt jedoch blieb Geest schuf zwar zusätzliche Hof- der vergleichsweise agrarische stellen, doch gewährten sie den Be- Charakter Niedersachsens erhalten. wohnern nur eine karge Minimal- Hieran änderten auch die vom NS- versorgung. Regime gestützten Industrieansied- Die regionale Industrialisierung, lungen bei Fallersleben (Wolfsburg) vorrangig im Berg- und Hügelland und Lebenstedt (Salzgitter) einst- und in der traditionell städtereichen weilen nichts. Das passende Motto Zone von Osnabrück bis Braun- der niedersächsischen Wirtschafts- schweig, setzte ebenso wie der Ei- geschichte könnte also lauten: im- senbahnbau erst spät ein, da mit der mer etwas zurück, doch zukunfts- landwirtschaftlichen und auf heimi- fähig. schen Rohstoffen aufbauenden ge- werblichen Produktion lange ein Zur politischen Entwicklung Grundeinkommen der Bevölkerung Niedersachsens gesichert werden konnte. Industri- eller Vorreiter war der Raum Han- Niedersachsen war und ist vielfäl- nover. Hannover war seit 1636 Resi- tig. Bis zum 14. Jahrhundert gab es denzstadt. Hiervon profitierten den Begriff Niedersachsen gar nicht. auch Handel, Verkehr und Gewer- Die lockeren Stammesverbände der be. Im Dorf Linden westlich der Ca- Friesen und Sachsen nahmen ge- lenberger Neustadt waren darüber trennte Entwicklungen. Erst den hinaus bereits seit dem 17. Jahrhun- Cirksena gelang es im 15. Jahrhun- dert zahlreiche Gewerbe angesie- dert in (Ost-)friesland eine dominie- delt worden. Die günstige Verkehrs- rende Stellung über konkurrierende lage, die leichte Versorgung aus Herren, Klöster und Großbauern zu dem agrarisch ertragreichen Um- erreichen. Für das sächsische Stam- land und die im anstehende mesgebiet erwies sich die teils ge- Steinkohle ermöglichten es Vater waltsame Christianisierung zurzeit und Sohn Egestorff in Linden schon Karls des Großen als bedeutungs- während der ersten Jahrzehnte des voll. Zum einen wurden Bistümer 19. Jahrhunderts von der Baustoff- gegründet (Bremen, Osnabrück, produktion zur Maschinenfabrika- Verden, Hildesheim), die speziell für tion überzugehen. Mit dem sich in die territoriale Ordnung der näch- Hannover anschließenden industri- sten Jahrhunderte wichtig wurden, ellen Wachstum gerade des aus- zum anderen gelangten neue gehenden 19. und frühen 20. Jahr- Herrscherfamilien in herausragende hunderts konnten die Räume Positionen, voran schließlich die 42 Geschichte des Landes Niedersachsen

Welfen. Doch selbst Heinrich dem dern den konkurrierenden Aska- Löwen (s. u.) gelang es nicht, die niern und hier speziell den Witten- verschiedenen räumlichen Herr- bergern. Als diese ausstarben, fiel schaften zu einen. die Kurwürde 1422 an die Markgra- Um Einheitliches in Niedersach- fen von Meißen, die Wettiner. sen zu verlangen, müssen Hilfskon- Erst als am Ende des 15. Jahrhun- struktionen gebaut werden. So wird derts die Idee einer grundsätzlichen gern die hochdeutsche Lautver- Reichsreform gedieh und die Hoff- schiebung im 16. Jahrhundert als nung keimte, einen Ausgleich zwi- eine solche genutzt. P, t und k wur- schen aufstrebenden Territorialfür- den im Norden eben nicht zu pf, ts sten und kaiserlicher Oberhoheit zu und ch. Aber das gilt ebenso für Ge- finden, wurde der Name Nieder- biete, die heute Schleswig-Holstein, sachsen 1512 schließlich verstetigt, Mecklenburg oder der westfälische und zwar als Bezeichnung für einen Teil Nordrhein-Westfalens heißen. der Reichskreise. Dieser „nieder- Wenn schon Trennendes hieran sächsische Reichskreis“ ließ aller- deutlich werden sollte, dann die dings Gebiete des heutigen Nieder- lange währende Differenzierung sachsens im Westen aus, z. B. die zwischen Oberdeutschland und Nie- Grafschaft Schaumburg, und reichte derdeutschland. im Osten bis in die Altmark und Der Name Niedersachsen hilft nach Mecklenburg. Anders als der auch nicht weiter, Einheitliches vor- schwäbische oder der fränkische zufinden. Denn „saxonia inferior“ Reichskreis, in dem dominierende ist nur eine anfangs wenig verwen- Territorialfürsten rar waren, gelang dete Unterscheidung gegenüber es dem bis zur Auflösung des Alten dem Teil Mitteldeutschlands, den Reiches 1806 bestehenden Nieder- wir heute als Sachsen benennen. sächsischen Reichskreis nie, eine Auch stammt dieser Name Nieder- Macht zu erreichen, die Kompe- sachsen keineswegs aus altsächsi- tenzerweiterungen der Territorial- scher Zeit des frühen Mittelalters, ist fürsten brach. Immerhin stammt nicht 1200 Jahre alt, sondern erst aber aus jener Zeit die Gewohnheit, 645 Jahre jung. Die Reichskanzlei mit dem Begriff Niedersachsen grenzte 1354 erstmalig den Nord- überterritoriale Zusammenschlüsse westen bis nach Vorpommern auf zu bezeichnen. Ein gutes Beispiel diese Weise ab. Ursache war, dass kennen wir mit dem 1835 gegrün- das Recht, den deutschen König zu deten „Historischen Verein für wählen, die Kurwürde also, nicht et- Niedersachsen“. wa den Nachfahren des Welfen Seit der frühen Neuzeit zeigte Heinrich dem Löwen zustand, son- sich die zunehmende, wenngleich Geschichte des Landes Niedersachsen 43 umstrittene, Verbindung des Nie- Grafen, ob sie nun sich nach der dersachsenbegriffes mit den Wel- Schaumburg oder nach Hoya be- fen. Ursache hierfür war die wach- nannten, ihre Herrschaft oder aber sende Bedeutung der Welfen als die Bischöfe, wie z. B. der Osna- Territorialfürsten eben im Gebiet brücker. Von Beginn des Reichsfür- des Niedersächsischen Reichskreises. stentums 1235 an bemühten sich die Heinrich der Löwe (1129 – 1195) Welfen freilich um ein erneutes Vor- hatte, im Wesentlichen mit Ausnah- dringen nach Westen. me der askanischen Terrains, die Ge- Keinesfalls verlief die welfische biete der älteren führenden sächsi- Expansion kontinuierlich. Die steti- schen Adelsfamilien in seiner Hand gen Teilungen des Herzogtums, von vereint, dazu auch Bayern. Ausge- denen schließlich die beständigste hend von seinen Kerngebieten im diejenige zwischen dem östlichen östlichen Niedersachsen war Hein- braunschweigischen und dem west- rich auf dem Wege, eine zentrale lichen ab 1636 hannoverschen Teil Machtposition in Nordwestdeutsch- wurde, verhinderte dies. Auch ver- land auszubauen. Doch der Konflikt zichteten die Welfen darauf, nach mit seinem Vetter Barbarossa führte der die Klöster dem 1180 zur Entmachtung Heinrichs. Staat einzuverleiben. Der braun- 55 Jahre später erhielt dessen Groß- schweigische Klosterfond und die neffe, Otto das Kind, das „Herzog- hannoversche Klosterkammer ver- tum Braunschweig-Lüneburg“ als weisen darauf noch heute. Ostfries- Reichslehen. Dieses neue Territori- land wurde weitgehend calvini- um beschränkte sich im Wesentli- stisch, das später oldenburgische chen auf das Eigengut (Allodium) Münsterland, das mainzische Eichs- der Welfen mit seinen Ballungen feld oder die Region um Hildesheim um Braunschweig und um Lüne- blieben katholisch. burg. Der Erzbischof von Köln, sozu- Am Ende des 18. Jahrhunderts sagen Heinrichs Erbe im Westen, waren im Gebiet des heutigen Nie- hatte es nicht vermocht, sich die Ter- dersachsens nicht-welfische Territo- rains im mittleren und westlichen rien allein diese: Ostfriesland, Graf- Niedersachsen zu sichern, über die schaft Lingen, Grafschaft Tecklen- Heinrich in verschiedenster Weise burg, Herrschaft Jever, Grafschaft sich bemüht hatte zu gebieten. So Oldenburg, Niederstift Münster, entstand im westfälischen Bereich Hochstift Osnabrück (jedoch welfi- ein neuer Herrschaftsfreiraum mit sche Alternation), Amt Ritzebüttel, wichtigen Auswirkungen auf die Grafschaft Schaumburg-Lippe, Graf- westniedersächsische Geschichte. schaft Schaumburg, Grafschaft Pyr- Hier festigten nunmehr einzelne mont, Hochstift Hildesheim, Herr- 44 Geschichte des Landes Niedersachsen schaft Plesse, . Die wenigs- diesen Gebieten absolutistische Ten- ten dieser Gebiete hatten sich aller- denzen seit dem 17. Jahrhundert dings halten können, ohne nicht für unübersehbar waren, blieb im Re- lange Zeit Landesherren zu haben, gelfall eine politische Mitbestim- die außerhalb Niedersachsens resi- mung des Adels, auch der Städte dierten. Z. B. war Ostfriesland zu je- und z. T. sogar der Bauern, erhalten ner Zeit preußisch, der südöstliche (politisches Ständetum). Teil der alten Grafschaft Schaum- Gerade weil die hannoverschen burg seit 1647 hessisch. Und be- Kurfürsten während der Personal- kanntermaßen residierten die han- union immer seltener von England noverschen Welfen seit 1714 und bis in ihre Heimat kamen, dürfte diese 1837 in England (Personalunion). relative Autonomie der Stände in ei- Niedersachsen bestand im 18. Jahr- nem wichtigen Teil Niedersachsens hundert überwiegend sozusagen gestärkt worden sein. Im Übrigen aus Nebenländern. Auch wenn in waren die politischen, ökonomi- Geschichte des Landes Niedersachsen 45

Politisches Ständetum in Spätmittelalter und früher Neuzeit

Landesherr

LandtageLandtage

Landstände

Klerus Adel Städte (Landesgemeinden)

Bürger Landbevölkerung Regelungsbereiche: Finanzen, Verwaltung, Militär

schen und kulturellen Unterschiede deck die Grafschaft Pyrmont und zwischen England und Hannover so die Hansestadt Hamburg das Amt groß, dass von dort nur wenige Ritzebüttel (später Cuxhaven) samt Initiativen zur Modernisierung des Neuwerk; die vier Gründungsländer welfischen Mutterlandes ausgin- von 1946 aber waren geschaffen. gen. Doch wuchs in den letzten Das Königreich Hannover war das Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts größte Land im Gebiet des späteren die Bereitschaft der führenden Niedersachsen. Die behutsame Mo- Gruppen in Hannover, von England dernisierung und Liberalisierung zu lernen. dieses Staates schloss mit dem Ende Der Wiener Kongress 1815 legte der Personalunion ab. Deutlichstes die Grundstruktur für die Grenzen Zeichen hierfür war die Aufhebung der Länder des heutigen Nieder- der Verfassung durch König Ernst sachsen. Er schuf das Königreich August 1837. Sieben Göttinger Pro- Hannover, nun u. a. mit Ostfriesland fessoren, u. a. die Brüder Grimm, und Hildesheim, sowie das Herzog- büßten ihren Protest hiergegen mit tum Oldenburg, das Herzogtum der Entlassung. Seither werden die Braunschweig und das Fürstentum „Göttinger Sieben“ als Symbol für Schaumburg-Lippe. Das Kurfürsten- demokratische Rechte genutzt. tum Hessen besaß weiterhin den In Nord- und Westdeutschland Südostteil der alten Grafschaft wurde die politische und wirtschaft- Schaumburg, das Fürstentum Wal- liche Übermacht Preußens unter- 46 Geschichte des Landes Niedersachsen dessen gar zu deutlich. Daher einen gewichtigen und eigenständi- bemühte sich Hannover, die ande- gen Kern in und um Bremen. Hier, ren kleineren nordwestdeutschen wie auch in Hannover, bediente Staaten um sich zu scharen, so im man sich des alten Sammelbegriffs gegen Preußen gerichteten Steuer- Niedersachsen, um primär auf das verein von 1834/37 mit den späte- hiesige bäuerliche Element hinzu- ren Gründungsländern Niedersach- weisen, dass es gegen Verstädte- sens. Fallweise paktierte Hannover rung und Proletarisierung zu schüt- mit Österreich. Gerade dies aber zen und als gesellschaftliches Vor- brachte 1866 den Verlust der Auto- bild zu pflegen gälte. Bemerkens- nomie, während Oldenburg, Braun- werterweise waren es in Wirtschaft schweig und Schaumburg-Lippe und Staat gut etablierte Bürger, die durch politisch größere Flexibilität dieses dachten. Rasch durchmisch- dem Zugriff Preußens entgingen. ten sich produktive Heimatpflege, Dies alles macht aus dem Prozess die vor zu schneller Veränderung der Territorialentwicklung deutlich, und unwiederbringlicher Zer- dass immer mehr der Name Nieder- störung bewahren wollte, mit anti- sachsen mit dem welfischen Ho- zivilisatorischer politischer Haltung, heitsgebiet verbunden werden die gerade nach dem Ersten Welt- konnte. Den wesentlichen letzten krieg nationalistisch bis völkisch Anstoß gab merkwürdigerweise die wurde. Von der Heimatbewegung Annektion des Königreichs Hanno- wurden die angeblich so einigen- ver durch Preußen 1866. Um ein den Bänder, die Niedersachsen zu- häufiges Missverständnis zu vermei- sammenhielten, gewebt, seien sie den: die antipreußische Bewegung die gemeinsame Abstammung von welfisch orientierter Gruppen ist den Altsachsen oder aber das Hal- nicht gleichzusetzen mit der nieder- lenhaus, womöglich mit den als sächsischen Heimatbewegung. Al- altsächsisch postulierten Pferdeköp- lerdings gibt es viele Verwandt- fen, oder der Beginn der nieder- schaften, auch personeller Art, und sächsischen Geschichte vor etwa immer dann, wenn es nicht oppor- 1200 Jahren im Kampf Widukinds tun erschien, einen Begriff, der an gegen den „Sachsenschlächter“ die Welfen erinnern könnte, zu ver- Karl. Da verwies politisch manches wenden, bediente sich die welfische auf den Nationalsozialismus, im politische Bewegung des Begriffs ökologischen Gedanken der Hei- Niedersachsen. matpflege aber auch auf die heuti- Die am Ende des letzten Jahrhun- gen Umweltbewegungen. derts zunehmend an Bedeutung ge- Unterdessen erweiterte sich die winnende Heimatbewegung hatte soziale Kluft zwischen dem Proleta- Geschichte des Landes Niedersachsen 47 riat in den wenigen industriellen gehren zur Wiederherstellung des Zentren, den Kleinstellenbesitzern Landes Hannover, um das es zur In- und Landarbeitern auf der einen tegration anderer politischer Kräfte Seite und auf der anderen Seite den auch Pläne für ein Land Niedersach- traditionellen Führungsgruppen, sen gegeben hatte. den Bauern und der wachsenden Die Wahlergebnisse zu Beginn Zahl von Personen, die in Verwal- der dreißiger Jahre zeigen, wie tung und Wirtschaft reüssierten. In rasch die konservativen Wähler zur den größeren Städten und den Ge- NSDAP übergingen und ihr breite werbeorten gewann die Sozialde- Mehrheiten schufen. In den katholi- mokratie zunehmend an Bedeu- schen Gebieten Niedersachsens und tung. Auf dem Lande herrschten die dort, wo die SPD stark war, blieb die konservativen Parteien vor, in der Distanz zum NS-Regime größer und Provinz Hannover die Welfenan- vereinzelt regte sich Widerstand. hänger, die auf Reichsebene in ihrer Niedersachsen spielte mit seinen antipreußischen Haltung mit dem Agrarpotentialen eine wichtige politischen Katholizismus koope- Rolle in der kriegsvorbereitenden rierten. Autarkiepolititk, und Hannover, Die gerade seit den zwanziger Braunschweig, nun auch Salzgitter Jahren um den Geographen Kurt (Hermann-Göring-Werke) und die Brüning gedeihenden Forschungen „Stadt des KdF-Wagens bei Fallers- zur wirtschaftlichen Entwicklung leben“ (Wolfsburg) wurden gerade zeigten parallel dazu manche Ver- während des Zweiten Weltkrieges flechtungen auf dem Gebiet des Rüstungszentren. Bei Munster wur- heutigen Niedersachsen. Brüning de zur Kriegsvorbereitung der Trup- selber legte Denkschriften vor, die penübungsplatz angelegt. Um die ein Niedersachsen unter Einschluss Städte und in abgelegenen Gebie- u. a. beider Teile Schaumburgs und ten der Geest entstanden Arbeits- Lippe-Detmolds für sinnvoll hielten. und Konzentrationslager für An- Die von Hugo Preuß nach dem dersdenkende, Juden, Ostarbeiter Ersten Weltkrieg ausgearbeitete, al- oder Kriegsgefangene: Bergen-Bel- lerdings gescheiterte, Neuordnung sen liegt in Niedersachsen. Nach der im deutschen Reich sah als Gegen- Befreiung durch die alliierten Trup- gewicht zu einem übermächtigen pen fiel der Neuanfang schwer, da Land Preußen ein Reichsgebiet Nie- die großen Städte zerstört waren dersachsen unter Einschluss von und Heimatvertriebene und Flücht- Schleswig-Holstein vor. Der welfi- linge zu integrieren waren. schen politischen Partei DHP miss- Niedersachsen entstand 1946 kei- lang schließlich 1924 ein Volksbe- neswegs aus dem Nichts. Zumindest 48 Geschichte des Landes Niedersachsen seit dem Ausgang des 19. Jahrhun- langen Verhandlungen und man- derts war manches vorbereitet chen zähen Widerständen die Ver- worden, sodass der Sozialdemokrat ordnung Nr. 55 der britischen Mil- Hinrich Wilhelm Kopf in enger An- tärregierung vom 8. Nov. 1946 wur- lehnung an die deutsch-hannover- de: aus den Ländern Oldenburg, sche politische Bewegung sich im Schaumburg-Lippe, Braunschweig Laufe des Jahres 1945 bereits so und Hannover wurde das Land Nie- weit durchzusetzen vermochte, dass dersachsen. ein „Gebietsrat Niedersachsen“ für Sobald, insbesondere nach der die noch eigenständigen Länder Währungsreform 1948, die Wirt- und die hiesigen Provinzen des auf- schaft allmählich wieder zu florie- gelösten Landes Preußen eingerich- ren begann, wanderten die Ausge- tet wurde, dessen Ergebnisse nach bombten zurück in die wiederauf- Geschichte des Landes Niedersachsen 49 zubauenden Städte. Problemati- stimmung gelangenden Volksbe- scher war die Lage der Heimatver- gehren über die Neugliederung des triebenen und Flüchtlinge, deren Bundesgebietes waren 1956 die bei- Anteil an der niedersächsischen Be- den aus Niedersachsen erfolgreich, völkerung zu Beginn der sechziger eben diejenigen aus Oldenburg Jahre ca. 30 % ausmachte. Viele und Schaumburg-Lippe. In den ab- hofften auf baldige Rückkehr und schließenden Volksentscheiden von blieben daher im östlichen Nieder- 1975 stimmten in Oldenburg 31,0 % sachsen. Oft ließ es die aufnehmen- und in Schaumburg-Lippe 39,5 % de Bevölkerung an Gastfreund- der Abstimmungsbeteiligten für die schaft mangeln. Heimatvertriebene Wiederherstellung eigener Länder. und Flüchtlinge organisierten sich Dies reichte nicht aus, um eine ent- daher nicht nur vor Ort, sondern sprechende Entscheidung des Bun- schufen sich mit dem BHE (Block der destages herbeizuführen, jedoch Heimatvertriebenen und Entrechte- half es, über die Traditionsbestim- ten) eine eigene politische Partei, mungen der vorläufigen Nieder- die bei den ersten Landtagswahlen sächsischen Verfassung hinaus, Ein- 1951 ca. 15 % der Stimmen gewann. richtungen kultureller Eigenstän- 1963 schied der BHE freilich aus dem digkeit in beiden Landesteilen zu Landtag aus. Die mittlerweile vor- fördern. So ist Niedersachsen heute anschreitende Integration der Hei- allemal kein Zentralstaat. Vielmehr matvertriebenen und Flüchtlinge können die regionalen kulturellen ist ganz offensichtlich dem Wirt- Spezifika von Ostfriesland bis zum schaftswachstum zu verdanken. Vor Eichsfeld weiterhin gepflegt wer- allen anderen Städten und Fabri- den. ken profitierten hiervon die Stadt Viele Aspekte der jüngeren Ge- Wolfsburg und VW. schichte Niedersachsens werden in Die regionale Vielfalt Niedersach- anderen Abschnitten dieses Bandes sens blieb nichtsdestoweniger be- behandelt, ein Sachverhalt sollte stehen. Gerade in den Gebieten, die freilich gesondert beachtet werden. sich einst vom hannoversch-welfi- Mit der fast 550 km langen Gren- schen und vom preußischen Einfluss ze zur sowjetischen Besatzungszo- hatten frei halten können, voran in ne, dann DDR, hatte Ostniedersach- Oldenburg und in Schaumburg-Lip- sen bis 1989 einen Teil seines Hinter- pe, hielt die Sorge vor einer zentra- landes verloren. Zusammengehöri- lisierenden Vereinnahmung an. Ol- ge Orte oder Regionen waren ge- denburg stellte immerhin einen ei- teilt. Hiervon war insbesondere genständigen Verwaltungsbezirk der Landkreis Lüchow-Dannenberg dar. Von den sechs zur späteren Ab- nachteilig betroffen. Immerhin 50 Geschichte des Landes Niedersachsen konnte die Zonenrandförderung und Öffnung geschaffen, eine be- manchen wirtschaftlichen Ausgleich sondere historisch-kuturelle Viel- leisten. Die Öffnung der DDR-West- falt. Darauf beruht regionale Iden- grenze und die anschließende Wie- tität, und in dieser liegt die Kraft zu dervereinigung halfen, an Traditio- kreativem Wachstum. nen anzuknüpfen, stellten aber die Niedersachsen war stets sehr dif- Gebiete, für die eine Zonenrandför- ferenziert, zugleich in Gänze immer derung nun entfiel, vor neue Her- eher Durchschnitt und ein wenig ausforderungen. dem Fortschritt hinterher. Das hat vergleichsweise auskömmliche Le- Folgerungen bensbedingungen geschaffen und Dieses Niedersachsen, dessen die Chance geboten, ohne allzu vie- räumliche Vielfalt aus dem Mittel- le Fehler aus den Vorbildern zu ler- alter herrührt und dessen wirt- nen. Konkurrierende Imitation und schaftliche Mittelmäßigkeit schon nachholende Modernisierung sind vor der Industrialisierung feststand, daher niedersächsische Prinzipien. kann historisch gar nichts anderes Im Hinblick auf das Jahr 2000 mag sein – als sehr unterschiedlich. Nicht statt „sturmfest und erdverwach- die Randlage ist prägend, sondern sen“ ein anderes Motto für Nieder- die Mittellage zwischen Ost und sachsen geeigneter sein: bodenstän- West, Nord und Süd. Dieses hat über dig, aber zukunftsfähig. die Jahrhunderte hinweg eine stete Durchmischung von Abkapselung Carl-Hans Hauptmeyer Bevölkerung und Siedlung

Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau

Der norddeutsche Raum ist im dersachsen ist mit Ausnahme des Durchschnitt wesentlich dünner be- Umlandes von Hamburg und Bre- siedelt als das übrige Bundesgebiet. men sowie der übrigen größeren Die Bevölkerungsdichte erreicht in Hafenstädte dünn besiedelt. Beson- Niedersachsen nur etwa 70 % des ders gering ist die Bevölkerungs- Bundesdurchschnitts in Deutsch- dichte in einem Streifen, der sich land. Innerhalb des Landes ist die vom Wendland über die Lünebur- Bevölkerung zudem räumlich aus- ger Heide und das Elbe-Weser-Drei- gesprochen ungleich verteilt. Das eck bis in den nordfriesischen Raum gesamte mittlere und nördliche Nie- erstreckt, sowie im mittleren und

Größere Städte und Gemeinden sowie Bevölkerungsdichte 1998

Gemeinden bzw. Samtgemein- den (Verwaltungseinheiten) in Niedersachsen sowie Hamburg und Bremen

Städte und Gemeinden (Samtgemeinden) 20000 und mehr Einwohner

Einwohner je km2 (Landkreise bzw. kreisfreie Städte)

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- 52 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau westlichen Niedersachsen in den Bevölkerungsentwicklung Geest- und Moorgebieten nördlich der Mittelgebirgsrandzone. Der Die Bevölkerungszahlen sowie stärker industrialisierte Mittelge- deren Zusammensetzung nach Al- birgsraum (Osnabrück, Leine- und tersgruppen bilden wichtige Rah- Weserbergland, Harz) ist demge- mendaten für die regionale Ent- genüber deutlich dichter besiedelt. wicklung. Sie sind nicht nur eine grundlegende Bestimmungsgröße Herausragendes großstädtisches für das Angebot an Arbeitskräften Zentrum ist die Landeshauptstadt auf dem regionalen Arbeitsmarkt, Hannover (521.000 Einwohner am sondern sie prägen auch in wesent- 1.1.1998). lichen Zügen die Nachfrage nach Mit deutlichem Abstand folgen haushaltsorientierten Dienstleistun- innerhalb von Niedersachsen die gen, nach Wohnungen sowie nach Großstädte Braunschweig (249.000), Infrastrukturleistungen. Die Bevöl- Osnabrück (167.000), Oldenburg kerungsentwicklung insgesamt er- (154.000), Göttingen (127.000), gibt sich aus dem Zusammenspiel Wolfsburg (123.000), Salzgitter von vier Komponenten: den Gebo- (115.000) und Hildesheim (105.000). renen und den Sterbefällen (natürli- Insgesamt leben in großen Städten che Entwicklung) sowie den Zu- und mit mehr als 100.000 Einwohnern Fortzügen (Wanderungssaldo). knapp 1,6 Mio. Menschen oder Die natürliche Bevölkerungsent- etwa 20 % der Gesamtbevölkerung wicklung war in den 80er-Jahren in des Landes Niedersachsen. Von Niedersachsen aufgrund des ungün- großer Bedeutung für das nördliche stigeren demographischen Aufbaus bzw. nordöstliche Niedersachsen deutlich schwächer als im Bundes- sind aufgrund der intensiven gebiet. Seit Ende der 80er-Jahre ver- Wirtschafts- und Arbeitsmarktver- ringerte sich der Abstand aber zu- flechtungen die beiden größten nehmend, und in den letzten Jahren norddeutschen Städte Hamburg war die natürliche Entwicklung in (1,7 Mio. Einwohner) und Bremen Niedersachsen – ebenso wie in den (547.000), die unmittelbar an Nie- alten Bundesländern – fast ausgegli- dersachsen angrenzen bzw. von die- chen. sem umschlossen werden. In der Rezession in der ersten Auch die zum Land Bremen Hälfte der letzten Jahrzehnte kam gehörende Großstadt Bremerhaven es in Niedersachsen vorübergehend (127.000) wird von den niedersäch- zu Wanderungsverlusten, die aber sischen Landkreisen Cuxhaven und bald wieder in Wanderungsüber- Wesermarsch umschlossen. schüsse umschlugen. Gegen Ende Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 53

Natürliche Bevölkerungsentwicklung je 1.000 Einwohner

der 80er-Jahre stiegen dann aber wohner. Seit 1989 hat Niedersach- die Wanderungsgewinne in Nieder- sen damit per Saldo knapp 680.000 sachsen ebenso wie im übrigen Bun- Einwohner durch Zuwanderungen desgebiet durch die starken Zuwan- hinzugewonnen. derungen über die Außengrenzen Die Wanderungsgewinne des (Asylbewerber, Aussiedler aus den Landes Niedersachsen beziehen sich Nachfolgestaaten des Sowjet-Union dabei weitgehend auf Zuwanderun- und später Bürgerkriegsflüchtlinge) gen aus dem Ausland, weil das Land sowie die Öffnung der innerdeut- gegenüber den anderen Bundeslän- schen Grenze sprunghaft an. Die dern insgesamt mehr Fort- als Zuzü- Wanderungsintensität war zunächst ge aufweist. Von 1993 bis 1997 hat- nicht ganz so hoch wie im Bundes- te Niedersachsen einen Außenwan- durchschnitt, nach Überschreiten derungsüberschuss von 281.000 Per- des bundesweiten Höhepunkts im sonen (Die Zahlen dürften um min- Jahr 1990 gingen die Zuwanderun- destens 30.000 bis 40.000 zu niedrig gen nach Niedersachsen aber nicht sein, da die melderechtliche Erfas- so schnell zurück wie in den übrigen sung der Aussiedler 1993 vorüber- Bundesländern. Die relativen Wan- gehend ausgesetzt wurde.), dem derungsgewinne der Jahre 1993 bis ein Binnenwanderungsverlust von 1998 waren in Niedersachsen etwa etwa 37.000 Personen gegenüber- doppelt so hoch wie im Bundes- stand. Hinsichtlich der Außenwan- durchschnitt. Von 1989 bis 1993 hat- derungsgewinne lag Niedersachsen te Niedersachsen damit einen Wan- damit an der Spitze aller Bundes- derungsüberschuss von etwas mehr länder. In den Jahren 1993 bis 1997 als 100.000 Personen pro Jahr, ge- nahm Niedersachsen insgesamt genüber 11.000 im Durchschnitt der 19 % der Zuwandernden nach Jahre 1980 bis 1989. Von 1993 bis Deutschland auf, 1996 sogar mehr 1998 betrug der Wanderungsge- als 25 %. Die größte Gruppe der Zu- winn durchschnittlich 55.000 Ein- wanderer waren dabei Aussiedler 54 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau aus den Nachfolgestaaten der So- sachsen nach wie vor besonders aus- wjetunion. geprägt, wenn es auch seit den Insgesamt war damit die Bevölke- 80er-Jahren tendenziell geringer rungsentwicklung in Niedersachsen geworden ist. An der Spitze des Ge- von Mitte der 80er-Jahre bis Anfang borenendefizits bzw. Gestorbe- der 90er-Jahre schwächer als im nenüberschusses stehen die nord- Bundesdurchschnitt. Die durch- deutschen Großstädte. Sie werden schnittliche Wachstumsrate der Be- nur noch übertroffen von einigen völkerung von 1980 bis 1989 lag in Kur- und Altersruhesitzorten. Her- Niedersachsen um mehr als ein Drit- ausragend ist demgegenüber die tel unter dem Bundesdurchschnitt. überdurchschnittliche natürliche Nach der Wiedervereinigung holte Entwicklung in den ländlichen Re- Niedersachsen auf, und nach 1992 gionen des westlichen Niedersach- übertraf das Bevölkerungswachs- sen, in denen die bundesweit höch- tum aufgrund der stärkeren Zuwan- sten Geborenenzahlen zu finden derungen den Bundeswert teilweise sind. Auch die Umlandbereiche der sogar deutlich. Großstädte, die seit langem von der Das bundesweit zu beobachten- Zuwanderung überwiegend „jun- de Land-Stadt-Gefälle in der natürli- ger Haushalte“ profitieren, weisen chen Entwicklung ist auch in Nieder- (aus demographischen Gründen) ei-

Bevölkerungsentwicklung je 1.000 Einwohner Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 55

Natürliche Bevölkerungsentwicklung 1993 bis 1998

(Geborene abzgl. Gestorbene, Gemeinden bzw. Samtgemein- jeweils 1. 1.) den (Verwaltungseinheiten) in Niedersachsen sowie Hamburg und Bremen

absolute Entwick-

relative Entwicklung in v.T. (Jahresdurchschnit- te)

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- ne vergleichsweise günstige natür- veren Wohnstandortbedingungen liche Entwicklung auf (z. B. die Um- gekennzeichnet. Von Abwanderun- landkreise von Hamburg und Bre- gen geprägt waren in der Vergan- men). Trotzdem bleibt insgesamt genheit darüber hinaus die von die natürliche Entwicklung in den strukturellen Anpassungsprozessen Agglomerationsräumen deutlich gekennzeichneten Regionen, so z. schwächer als in den übrigen Re- B. die Küstenregionen sowie die Re- gionen. gion Braunschweig/Salzgitter, der Das räumliche Muster der Wan- Harz und das Weserbergland. Nach derungen ist seit langem durch die der Wiedervereinigung haben Suburbanisierung der Bevölkerung, zunächst alle Landesteile mehr oder d. h. den Wegzug (vor allem ein- weniger stark von dem Nettozu- kommensstärkerer) Haushalte aus strom an Bevölkerung profitiert. So- den größeren Städten in das nähere wohl die Großstädte als auch die und weitere Umland mit attrakti- ländlichen Regionen, die in den 56 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau

80er-Jahren durch Abwanderungen Wanderungsüberschüsse weisen die geprägt waren, konnten z. T. recht Küstenregionen auf. starke Zuwanderungsströme auf Das räumliche Muster der Bevöl- sich lenken. kerungsentwicklung insgesamt war In den letzten Jahren haben sich in der ersten Hälfte der 80er-Jahre die regionalen Unterschiede hin- in Niedersachsen relativ eindeutig. sichtlich der räumlichen Bevölke- Insgesamt standen den starken Be- rungsmobilität wieder vergrößert. völkerungsverlusten der Großstädte Fast unvermindert sind Zuwande- entsprechende Gewinne in den Um- rungen von Aussiedlern zu verzeich- landkreisen gegenüber. Darüber nen. Zielregionen waren in erster Li- hinaus verzeichneten die ländlich nie ländliche Regionen im westli- geprägten Räume, insbesondere im chen Niedersachsen (Cloppenburg, westlichen Niedersachsen, beträcht- Vechta, Emsland und Teile des Land- liche Bevölkerungszuwächse. Ver- kreises Osnabrück) aber auch im gleichsweise schwach war insge- mittleren und östlichen Niedersach- samt die Entwicklung der Verdich- sen (Gifhorn oder Nienburg). Eher tungsräume Hannover und Braun- verstärkt haben sich wieder die Sub- schweig/Salzgitter. Noch stärker wa- urbanisierungstendenzen, d. h. die ren die Bevölkerungsverluste in den Abwanderungen von überwiegend südniedersächsischen Mittelgebirgs- jüngeren Haushalten aus den räumen (Leine-Weser-Bergland und großen Städten ins nähere und wei- Harz). tere Umland. Nach der Öffnung der innerdeut- In einigen Landesteilen lösen die schen Grenze und der sprunghaften wirtschaftlichen Struktur- und An- Zunahme der Zuwanderung über passungsprobleme zunehmend Ab- die deutschen Außengrenzen ebne- wanderungstendenzen aus, die die ten sich bei insgesamt erheblich Zuwanderungen teilweise bereits höherem Wachstum die regionalen übertreffen. Durch insgesamt nur Unterschiede in der Bevölkerungs- noch geringe Wanderungsüber- entwicklung tendenziell ein, wenn- schüsse sind in den letzten Jahren gleich die großräumlichen Grund- die südniedersächsischen Regionen strukturen weitgehend blieben. Vor Osterode, Goslar, Helmstedt sowie allem das ehemalige Zonenrandge- die Wirtschaftsräume Wolfsburg biet konnte seinen Rückstand zum und Braunschweig/Salzgitter ge- Bundestrend deutlich verringern. kennzeichnet, deutliche Wande- Nach dem Auslaufen des Wieder- rungsverluste haben hier bereits die vereinigungsbooms und der Ab- Kernstädte Wolfsburg und Braun- schwächung der Außenwande- schweig. Ebenfalls nur noch geringe rungsgewinne vergrößerten sich in Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 57 den letzten Jahren die Unterschiede und südniedersächsischen Regionen in der Bevölkerungsentwicklung mit Ausnahme des Verdichtungs- wieder. Im Küstenraum verringerte raumes Hannover, während vor al- sich die Bevölkerungsdynamik so lem die Umlandbereiche der Ver- stark, dass in den Zentren bereits dichtungsräume Hamburg und Bre- wieder zunehmend Bevölkerungs- men hinzugewinnen konnten. Wei- verluste auftreten. In dem ehemali- terhin weit überdurchschnittlich ist gen Zonenrandgebiet gingen die die Bevölkerungsentwicklung im Einwohnerzahlen mit dem Abflau- westlichen Niedersachsen, relativ en der Zuwanderungsströme und stärker als in den 80er-Jahren ist die dem Anwachsen der wirtschaftli- Dynamik in Ostfriesland und im chen Strukturprobleme nicht nur in Raum Oldenburg. den Zentren (Wolfsburg, Braun- schweig, Salzgitter), sondern auch Altersaufbau im Raum Helmstedt/Goslar/Ostero- de wieder zurück. Auf der anderen Die regionsspezifische Bevölke- Seite blieb die Bevölkerungsdyna- rungsentwicklung und der Alters- mik im westlichen Niedersachsen aufbau der Bevölkerung hängen weiterhin stark überdurchschnitt- eng zusammen. Der Anteil der jun- lich. Ausgesprochen weit blieb wei- gen Familien bestimmt (neben dem terhin die Bevölkerungsdynamik in generativen Verhaltens) wesentlich den ländlichen Regionen des mittle- die Geborenenzahlen in einer Regi- ren Niedersachsen zwischen den on, und diese bilden wiederum je- großstädtischen Zentren Hamburg, weils die neue Basis eines Altersjahr- Bremen und Hannover. Offensicht- gangs der Alterspyramide. Darüber lich haben sich die Suburbanisie- hinaus überformen auch die Zu- rungstendenzen seit dem Ab- und Abwanderungen aufgrund ih- schwächen der gesamtwirtschaftli- rer meist selektiven Wirkungen die chen Bevölkerungsdynamik wieder Altersstruktur einer Region. Da zu- deutlich verstärkt. Auch für die mei- meist die jüngeren und mittleren sten der mittleren und kleineren Altersjahrgänge überdurchschnitt- Großstädte außerhalb der Verdich- lich mobil sind, führt dies in Abwan- tungsräume ließen sich gewisse derungsregionen zu einer Ausdün- Suburbanisierungstrends feststel- nung und in den Zielregionen zu ei- len. Insgesamt haben sich die ner Verstärkung dieser Altersgrup- Wachstumsrelationen zwischen den pen. Regionen mit langfristigen Ab- Regionen gegenüber den 80er-Jah- wanderungstendenzen sind von da- ren deutlich verschoben. Noch wei- her in der Regel durch eine Überal- ter zurückgefallen sind die südost- terung der Bevölkerung gekenn- 58 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau zeichnet. Zuwanderungsregionen marktbereich vor gravierende An- haben demgegenüber eine ver- passungsprobleme. Der „Geburten- gleichsweise breite Basis nachwach- berg“ aus den sechziger Jahren sender Altersjahrgänge. Dies gilt in machte zunächst in den Primar- und ähnlicher Weise auch für die größe- dann in den Sekundarstufen der ren Städte und ihr Umfeld aufgrund Schulen erhebliche Kapazitätsaus- der kleinräumlichen Stadt-Umland- weitungen notwendig und führte Wanderungen. Die „Bildungswan- dann zu weiter stark ansteigenden derungen“ führen hingegen zu ei- Studierendenzahlen in den Hoch- ner Konzentration der Altersgrup- schulen. Zusammen mit allgemei- pen zwischen 18 und etwa 25 Jah- nen Tendenzen zu verlängerter ren in den Standorten der Berufs- schulischer Bildung und steigenden bildungseinrichtungen und Hoch- Übergängen zu weiterführenden schulen. Die Wanderungsströme Bildungsformen führte die demo- der „Ruhesitzwanderer“ vergrös- graphische Entwicklung dann zu ei- sern tendenziell die Überalterung in nem starken Rückgang der Nachfra- den Zielregionen. ge nach Ausbildungsplätzen. Mitt- Der Altersaufbau der Bevölke- lerweile sind die geburtenstarken rung in der Bundesrepublik weist Jahrgänge längst in das Alter der mit seinen Anomalien in allen Re- Familiengründung hineingewach- gionen ähnliche Grundstrukturen sen und deren Kinder („Sekundär- auf, in denen sich die Bevölkerungs- welle“ des Geburtenberges) sor- vorgänge der Vergangenheit spie- gen für (vorübergehend) steigende geln: Die Geborenenausfälle wäh- Schüler- und Studierendenzahlen. rend des Ersten Weltkrieges und der Die Geborenenzahlen sind wieder Weltwirtschaftskrise sowie zu Ende zurückgegangen, und in wenigen des Zweiten Weltkrieges lassen sich Jahren werden sich die Schülerjahr- als scharfe Einschnitte heute ebenso gänge nahezu halbieren. Der für die noch erkennen wie etwa die gebur- Zeit nach der Jahrtausendwende zu tenstarken Jahrgänge aus der er- erwartende Bevölkerungsrückgang sten Hälfte der 60er-Jahre. Der da- bei gleichzeitigem Ansteigen der nach einsetzende rapide Gebore- Zahlen von älteren Menschen wird nenrückgang hat innerhalb weniger die Gesellschaft vor neue Herausfor- Jahre die Besetzungsstärke der derungen stellen. Nicht nur die nachwachsenden Jahrgänge nahe- heute bereits diskutierten Engpässe zu halbiert. Die Anomalien im Alter- in der Alterssicherung aufgrund saufbau der Bevölkerung stellen die der sich gravierend verschiebenden Gesellschaft im Bildungs- und Aus- Relationen zwischen aktiven und bildungsbereich sowie im Arbeits- nichtaktiven Bevölkerungsteilen Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 59

Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Bevölkerung

(unter 18 Jahren, Stand 1. 1. 1998) Gemeinden bzw. Samtgemein- den (Verwaltungseinheiten) in Niedersachsen sowie Hamburg und Bremen

Anteil an der Bevölkerung insgesamt in %

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- stehen bevor, sondern auch Proble- jahr) geringfügig größer, während me im Zusammenhang mit der die mittleren Jahrgänge etwas Nachfrage nach altersspezifisch un- schwächer besetzt sind. terschiedlich in Anspruch genom- Innerhalb von Niedersachsen be- menen Infrastrukturkapazitäten. stehen aber beträchtliche Unter- Der Altersaufbau der Bevölke- schiede im Altersaufbau zwischen rung in Niedersachsen insgesamt Stadt und Land sowie zwischen den weicht nur noch geringfügig von westlichen und den südöstlichen dem oben skizzierten Grundmuster Landesteilen. Vor allem die ländli- (für Westdeutschland) ab, so ist ei- chen Regionen im Westen des Lan- nerseits der Anteil der Kinder und des mit den traditionell hohen Ge- Jugendlichen (in den Altersgruppen borenenraten weisen nach wie vor zwischen 6 und 25 Jahren), anderer- weit überdurchschnittlich hohe An- seits aber auch der Anteil der al- teile von Kindern und Jugendlichen ten Menschen (ab dem 65. Lebens- auf, besonders z. B. die Kreise Clop- 60 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau penburg, Emsland, Vechta. In diesen zurückzuführen ist. Einen über- Regionen ist dementsprechend durchschnittlichen Anteil von Bevöl- auch weiterhin ein besonders aus- kerung im Rentenalter weisen die geprägter demographisch beding- Landkreise des Harzraumes (Goslar ter Anstieg des Arbeitskräfteange- und Osterode), des Weserberglan- bots zu erwarten. In den großstädti- des (Kreise Hameln-Pyrmont und schen Räumen hingegen sind auf- Holzminden) sowie die ländlich ge- grund der niedrigeren Geborenen- prägten Kreise des nordöstlichen raten vor allem in den Kernstädten Niedersachsen auf. die nachwachsenden Jahrgänge Die Altersstruktur der Städte schwächer besetzt. Kompensiert hängt in starkem Maße von der wird diese Entwicklung etwas durch Stadtgröße, der wirtschaftlichen eine günstigere Altersstruktur im Entwicklung und ihren besonderen Umfeld, die vor allem auf Zuwande- Funktionen (Hochschulstandorte, rungen von Familien mit Kindern Kurorte, Tourismusstandorte) ab.

Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung

(65 Jahre und älter, Stand 1. 1. Gemeinden bzw. Samtgemein- 1998) den (Verwaltungseinheiten) in Niedersachsen sowie Hamburg und Bremen

Anteil an der Bevölkerung insgesamt in %

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 61

In den größeren Städten verursa- Insgesamt werden sich allein auf- chen die Suburbanisierungsprozesse grund dieser Unterschiede im durch Wegzug von jungen Familien Altersaufbau deutlich abweichende in das Umland eine Bevölkerungs- Perspektiven der Bevölkerungsent- entmischung, die tendenziell zur wicklung ergeben. So ist insbeson- Überalterung führt. Eine besonders dere in den ländlichen Regionen des starke Überalterung haben Hanno- westlichen Niedersachsen weiterhin ver, Braunschweig und Hildesheim. ein demographisch bedingter An- Städte mit wirtschaftlichen Struk- stieg des Arbeitskräftepotentials zu turproblemen, die über längere Zeit erwarten. Die Regionen des südli- wegen der ungünstigen Arbeits- chen und südöstlichen Niedersach- platzentwicklung an Bevölkerung sen dürften hingegen allein auf- verloren haben, neigen ebenfalls grund der schwächer besetzten zur Überalterung (z. B. Wilhelmsha- nachwachsenden Jahrgänge und ven oder Peine). Eine Reihe von stärkerer Altersjahrgänge, die aus Städten der mittleren Größenord- dem Ewerbsleben ausscheiden, auf nung haben offensichtlich eine be- dem Arbeitsmarkt eine relative sondere Funktion als bevorzugte Al- „Entlastung“ erfahren. Demge- tersruhesitzstandorte. Nicht nur in genüber besteht die Gefahr, dass den klassischen Bädern (wie Bad Py- die schwächere „Erneuerung“ des rmont oder Bad Harzburg), sondern Arbeitskräftepotentials auch den auch in vielen der kleineren (ehe- qualifizierten Nachwuchs beein- maligen) Kreisstädte (z. B. Münden, trächtigt. Goslar, Hameln, Celle oder Lüne- Insgesamt werden die oben skiz- burg) ist der Anteil der alten Men- zierten wirtschaftlichen und gesell- schen überproportional hoch. Die schaftlichen Konsequenzen aus den großstädtischen Zentren (Hannover, Anomalien des Altersaufbaus die Braunschweig) und vor allem die (in Regionen in unterschiedlichem Aus- Niedersachsen teilweise auch klei- maß treffen. Vor allem die demo- neren) Hochschul- und Fachhoch- graphischen Probleme der Groß- schulstandorte (Göttingen, Osn- städte dürften sich noch weiter ver- abrück, Lüneburg und Oldenburg) schärfen und auf längere Sicht neue haben als Zielregionen der „Ausbil- Formen des Lasten- und Interessen- dungswanderer“ eine teilweise weit ausgleichs mit den umliegenden Re- überdurchschnittliche Besetzung an gionen notwendig machen. jungen Menschen zwischen dem 18. und etwa dem 30. Lebensjahr. Hans-Ulrich Jung Arbeitsmarkt: Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit und Qualifikationsstrukturen

Arbeitslosigkeit ergibt sich aus Erwerbstätigkeit dem Auseinanderklaffen von Ar- Von den 7,8 Mio. Einwohnern in beitskräfteangebot und Arbeits- Niedersachsen im Jahr 1997 waren kräftenachfrage auf den (regiona- 5,3 Mio. im Alter von 15 bis unter 65 len) Arbeitsmärkten. Wichtigste De- Jahren und galten damit als Er- terminanten der Veränderung des werbsfähige (Ergebnisse des Mikro- Arbeitskräfteangebots sind neben zensus vom April 1997). Von diesen der demographischen Komponente, waren wiederum 3,4 Mio. tatsäch- d.h. dem Altersaufbau und der Ver- lich erwerbstätig. Weitere 344.000 änderung der Altersstruktur durch Personen strebten als Erwerbslose Zu- bzw. Abwanderungen, die Er- eine Erwerbstätigkeit an, sodass mit werbsbeteiligung. Darüber hinaus insgesamt 3,7 Mio. Erwerbsperso- wird das Arbeitskräfteangebot auf nen die potentielle Erwerbsbeteili- den regionalen Arbeitsmärkten gung (Erwerbspersonen bezogen auch durch Pendlerverflechtungen auf die erwerbsfähige Bevölkerung beeinflusst: Einpendler erhöhen im Alter von 15 bis unter 65 Jahre) und Auspendler verringern das re- bei 69,6 % lag. Bei den Männern lag gionale Arbeitskräfteangebot. Die die Erwerbsquote bei 79,5 % und Arbeitskräftenachfrage steht in en- bei den Frauen bei 59,2 %. gem Zusammenhang mit dem wirt- Die Erwerbsbeteiligung weist ty- schaftlichen Wachstum und dieses pische geschlechts- und altersspezi- wiederum mit der Wettbewerbs- fische Unterschiede auf. Bei den fähigkeit der in der Region produ- Frauen ist die Erwerbsbeteiligung zierten Güter und Dienstleistungen. nicht nur tendenziell niedriger, son- Wichtige Determinanten der Wett- dern hat auch in den mittleren Al- bewerbsfähigkeit sind die Produkti- tersjahrgängen einen deutlich an- onskosten (u. a. Löhne und Prozess- deren Verlauf als bei den Männern. innovationen) sowie der Innovati- Die Erwerbsbeteiligung sinkt zwi- onsgehalt der angebotenen Güter- schen dem 25. und 30. Lebensjahr und Dienstleistungspalette (Pro- wieder, weil Frauen in der Phase der duktinnovationen). In diesem Zu- Familiengründung bzw. nach der sammenhang spielen Forschungs- Geburt von Kindern vorübergehend und Entwicklungsanstrengungen aus dem Erwerbsleben ausscheiden. der Unternehmen sowie die Quali- Zwischen dem 35. und dem 50. Le- fikationsstruktur der Arbeitskräfte bensjahr steigt die Erwerbsbeteili- eine besondere Rolle. gung dann wieder an. Die Erwerbs- Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 63 beteiligung der Männer in Nieder- Innerhalb des Landes besteht ein sachsen unterscheidet sich kaum beträchtliches Stadt-Land-Gefälle in von dem Bundesdurchschnitt. Bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen, den Frauen aber ist in fast allen Al- das überlagert wird von einem Ost- tersklassen die Beteiligung am Er- West-Gefälle. Die höchste Erwerbs- werbsleben geringer, und beson- beteiligung wird in den großstädti- ders der Ausstieg in der Familien- schen Zentren Hannover und Ham- gründungsphase ist nach wie vor burg sowie in ihrem näheren Um- deutlich ausgeprägt. Insgesamt sig- land aufgrund vielfältigen Ange- nalisieren diese Befunde größere bots an Beschäftigungsmöglichkei- Arbeitsmarktprobleme vor allem für ten vor allem im Dienstleistungssek- Frauen in den mittleren und älteren tor erreicht. Deutlich niedriger ist Jahrgängen in Niedersachsen. sie in den stärker vom Produzieren- 64 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt

den Gewerbe geprägten großen Unterelbegebiet und im Raum Standorten wie Bremen, Braun- Lüchow-Dannenberg. schweig, Osnabrück oder auch Wolfsburg. Außerhalb der Verdich- Arbeitslosigkeit tungsräume bieten offensichtlich die Tourismusregionen sowie die Die Arbeitslosigkeit ist in den al- sonstigen von Dienstleistungen ge- ten Bundesländern nach einem vor- prägten Regionen vergleichsweise läufigen Tiefstand zu Beginn der günstige Beschäftigungsmöglich- 80er-Jahre in der dann einsetzen- keiten für Frauen. Ausgesprochen den Rezession steil angestiegen und niedrig ist demgegenüber die Er- erreichte im Jahresdurchschnitt werbsbeteiligung der Frauen im 1985 mit mehr als 2,3 Mio. Arbeits- gesamten westniedersächsischen losen den vorläufig höchsten Stand Raum sowie auch im Weserraum, im der Nachkriegszeit. Die Arbeitslo- Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 65

Erwerbsbeteiligung der Frauen 1997

Gemeinden bzw. Samtgemein- den (Verwaltungseinheiten) in Niedersachsen sowie Hamburg und Bremen

Beschäftigte am Wohnort bezogen auf die Erwerbsfähigen (18 bis unter 65 Jahre) in %

N I W Niedersächsisches Institut für Wirtschafsforschung

senzahlen verharrten in der Folge- durchschnitt 1990 wurde erstmals zeit auf diesem sehr hohen Niveau die Grenze von 2 Mio. Arbeitslosen, von mehr als 2 Mio. und schmolzen im Jahr 1991 sogar eine Zahl von nur sehr allmählich ab. Erst mit der 1,7 Mio. unterschritten. Allerdings Öffnung der innerdeutschen Gren- schwächte sich der Abbau der Ar- ze und dem damit verbunden- beitslosigkeit im Laufe des Jahres en (vorübergehenden) Wachstums- 1991 ab, und seit Anfang 1992 stie- schub in den westdeutschen Län- gen mit der einsetzenden Rezession dern gingen die Arbeitslosenbe- die Arbeitslosenzahlen wieder mit stände trotz nicht unbeträchtlicher zunehmendem Tempo an. Im Ver- Zuwanderungen und Einpendler- lauf des Jahres 1994 schwächte sich zahlen (in den ehemaligen Grenz- der Zuwachs der Arbeitslosenzahlen gebieten) mit zunehmender Ge- aber wieder stark ab und in der er- schwindigkeit zurück. Im Jahres- sten Hälfte des Jahres 1995 sanken 66 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt die Arbeitslosenzahlen vorüberge- beitsmarktposition nicht mehr ver- hend sogar leicht. Im Jahresdurch- bessert hat. Die Gründe für diese schnitt 1995 lag die Arbeitslosen- ungünstigere Entwicklung dürften zahl in Westdeutschland bei 2,6 vor allem in den hohen Zuwande- Mio. Die Abschwächung des ge- rungen gelegen haben, denn der samtwirtschaftlichen Wachstums Beschäftigtenrückgang der letzten und vor allem auch die Auswirkun- Jahre war durchweg weniger stark gen der Anpassungsprozesse in den als im Bundestrend. Unternehmen führten seit Mitte Innerhalb des Landes Niedersach- 1995 zu einem kräftigen Wiederan- sen beobachten wir seit langem stieg der Arbeitslosenzahlen. Mitte große Gegensätze in der Arbeits- 1997 erreichten die Arbeitslosen- marktsituation. Ende der 80er-Jahre zahlen in Westdeutschland knapp waren die räumlichen Unterschiede 3,0 Mio. und lagen damit um fast besonders ausgeprägt. Die größte zwei Drittel höher als 1992. Im Ver- Arbeitslosigkeit hatten die Regio- lauf des Jahres 1997 hat sich der An- nen des Küstenraumes. Ausgespro- stieg der Arbeitslosenzahlen in chen hoch waren die Arbeitsmarkt- Westdeutschland dann aber wieder probleme auch in den nordwest- verringert, und seit Anfang 1998 deutschen Großstadtregionen, wo- sinken sie erstmals seit langem wie- bei sich die Arbeitslosigkeit in be- der. sonderer Weise in den Zentren kon- In Niedersachsen lag das Niveau zentrierte. Durch überdurchschnitt- der Arbeitsmarktungleichgewichte liche Arbeitsmarktprobleme waren im Jahresdurchschnitt 1997 mit et- auch die südniedersächsischen Re- wa 414.000 Arbeitslosen (Mitte gionen sowie der nordostnieder- 1997) und einer Arbeitslosenquote sächsische Grenzraum zur damali- von 12,9 % um ein Sechstel über gen DDR gekennzeichnet. Ver- dem Durchschnitt der alten Bundes- gleichsweise günstig war demge- länder und etwa im Durchschnitt genüber die Lage in den ländlichen von Deutschland. Damit sind die Regionen des westlichen und mitt- Probleme immer noch größer als im leren Niedersachsens. übrigen Westdeutschland, die rela- In der ersten Phase nach der Wie- tive Position gegenüber dem Bun- dervereinigung konnten fast alle desdurchschnitt hatte sich von 1990 niedersächsischen Regionen ihre Ar- bis 1994 schrittweise verbessert, seit beitsmarktposition verbessern. Die 1994 hat sich der Arbeitsmarkt in größten Gewinner waren zunächst Niedersachsen allerdings nicht mehr die großstädtischen Verdichtungs- günstiger entwickelt als im Bundes- räume. Auch einige Regionen des trend, sodass sich die relative Ar- westlichen Niedersachsen sowie des Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 67

Küstenraumes verbesserten ihre Ar- Arbeitskräften durch Zuwanderung beitsmarktposition deutlich. In den und insbesondere auch durch Ein- von Strukturproblemen gekenn- pendler über die nunmehr offene zeichneten Regionen Wilhelmsha- Grenze führte zu einem Anstieg des ven und Wesermarsch konnten Arbeitskräfteangebots. Die Folge kaum Fortschritte erzielt werden. war ein Verdrängungswettbewerb Vor allem in den Arbeitsmärkten auf den regionalen Arbeitsmärkten. der grenznahen Regionen ver- Darüber hinaus verstärkten sich in schlechterte sich die (relative) Ar- der vom Straßenfahrzeugbau ge- beitsmarktposition hingegen teil- prägten Region Wolfsburg die weise gravierend. Zwar entstanden strukturellen Probleme Anfang der in erheblicher Zahl neue Arbeits- 90er-Jahre bereits so stark, dass in plätze, der verstärkte Zustrom von hohem Maße vor allem ältere Ar-

Arbeitslosenquote 1998

Kreise bzw. kreisfreie Städte in Niedersachsen sowie Hamburg und Bremen

Arbeitslosenquote in % Arbeitslosenquoten am 30.6.98, berechnet auf der Grundlage der sozialvers.pfl. Beschäftigten am Wohnort

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- schung 68 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt beitnehmer freigesetzt wurden und nen die Großstädte Bremerhaven, die Arbeitslosenquote extrem an- Wilhelmshaven, Emden, Wolfsburg stieg. und Salzgitter. Deutlich höher als im Die jahresdurchschnittlichen Ar- Umland sind die Arbeitsmarktpro- beitslosenquoten für 1998 belegen bleme auch in Hannover, Bremen, aber nach wie vor erhebliche regio- Braunschweig sowie in Hamburg. nale Unterschiede in der Betroffen- Das Risiko der Erwerbslosigkeit ist heit von Arbeitslosigkeit. Die höch- je nach persönlichen und berufli- ste Arbeitslosigkeit unter den Re- chen Merkmalen und Qualifikatio- gionen haben die Küstenregionen nen sowie nach der jeweiligen Ar- Wilhelmshaven, Leer, Emden und beitsmarktsituation äußerst unter- Bremerhaven/Cuxhaven sowie die schiedlich. Der rasche berufsstruktu- Grenzregionen zu der ehemaligen relle und qualifikatorische Wandel DDR wie Lüchow-Dannenberg im sowie die langanhaltende hohe Ar- nordostwärtigen Niedersachsen, beitslosigkeit seit Ende der 80er- Wolfsburg/Gifhorn, Helmstedt, und Jahre haben immer mehr Arbeit- die übrigen südniedersächsischen nehmer mit geringen oder nicht Regionen Göttingen, Osterode und mehr nachgefragten bzw. veralte- Goslar. ten beruflichen Qualifikationen für längere Perioden bzw. auch dauer- Überdurchschnittlich sind nach haft aus dem Beschäftigungssystem wie vor die Arbeitsmarktprobleme hinausgedrängt. Da mit zunehmen- auch im Leine- und Weser-Bergland der Dauer der Arbeitslosigkeit die sowie im Raum Braunschweig/Salz- Arbeitslosen aber objektiv oder gitter. Die geringsten Arbeitsmarkt- doch zumindest subjektiv immer ungleichgewichte gibt es nach wie stärker allgemeine und berufliche vor im westlichen Niedersachsen so- Qualifikationen verlieren, wird ein wie in den ländlichen Regionen zwi- Wiedereinstieg in das Beschäfti- schen den Großstädten Hamburg, gungssystem dann zunehmend Bremen und Hannover. schwieriger. Die „kritische Schwel- Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit le“ wird bei einer Dauer der Arbeits- in den Verdichtungsräumen deut- losigkeitsperiode von etwa einem lich niedriger als Mitte der 90er-Jah- Jahr gesehen. Diese „Langzeitar- re. Allerdings konzentrieren sich beitslosigkeit“ hat mittlerweile be- nach wie vor die Arbeitslosen inner- trächtliche Ausmaße angenommen. halb der Verdichtungsräume und Von den Arbeitslosen waren Mit- Stadtregionen in besonderer Weise te 1998 in Westdeutschland 38,0 % in den Kernstädten, ausgesprochen und in Deutschland insgesamt hohe Arbeitslosenzahlen verzeich- 36,8 % länger als ein Jahr arbeitslos. Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 69

In Niedersachsen ist dieser Anteil Volkswirtschaften und ihrer Regio- seit langem überdurchschnittlich. nen eine immer stärkere Bedeutung Mitte 1998 waren sogar 40,4 % zu. Qualifizierte Arbeitnehmer sind oder etwa 152.000 Personen länger eine Voraussetzung für die Entwick- als ein Jahr ohne Beschäftigung. Die lung, Produktion und Vermarktung regionale Betroffenheit von Lang- hochwertiger Güter und Dienstlei- zeitarbeitslosigkeit ist je nach struk- stungen, bei denen ein Land wie die turellen Ungleichgewichten zwi- Bundesrepublik mit hohen Einkom- schen Angebot und Nachfrage auf mensansprüchen komparative Vor- den regionalen Arbeitsmärkten teile besitzt. Qualifizierte Arbeits- äußerst unterschiedlich. Ausgespro- kräfte sind deshalb bereits heute chen hoch ist der Anteil der Lang- ein wichtiger Standortfaktor, und zeitarbeitslosen in den Industriege- viele Anzeichen sprechen dafür, bieten, die sich in einem intensiven dass die Entwicklungsperspektiven Umstrukturierungsprozeß befinden von Regionen in Zukunft noch ent- (z. B. Wolfsburg, Helmstedt, Braun- scheidender von der Mobilisierbar- schweig/Salzgitter sowie in den Küs- keit qualifizierter Kräfte bestimmt tenregionen Wilhelmshaven, Bre- werden. merhaven und Bremen) sowie in Der Anteil der Auszubildenden den insgesamt wachstumsschwä- an den Beschäftigten spiegelt cheren Räumen des südlichen die Ausbildungsanstrengungen der Niedersachsen (Göttingen, Holzmin- Wirtschaft wider. Dieser Anteil aller- den, Osterode, Hildesheim). Die au- dings ist seit Mitte der 80er-Jahre genfällige positive Korrelation mit fast durchgehend gesunken. Die Ur- der Arbeitslosigkeit älterer Arbeit- sachen hierfür liegen zum einen in nehmer macht deutlich, dass es sich der (demographisch bedingten) ge- bei der Langzeitarbeitslosigkeit ringeren Nachfrage nach Ausbil- weitgehend um Folgen des raschen dungsplätzen, zum anderen in den Strukturwandels handelt. Ver- letzten Jahren auch im Abbau von gleichsweise niedrig ist der Anteil Ausbildungskapazitäten vor allem der Langzeitarbeitslosen im westli- in der Industrie. Neben einer rein chen Niedersachsen und im südli- quantitativen Betrachtung spielt chen Umland von Hamburg. unter regionalwirtschaftlichen Ge- sichtspunkten vor allem eine Rolle, Qualifikationsstrukturen in welchen Berufen ausgebildet wird. Die Zusammensetzung der Der Qualifikation der Beschäftig- Ausbildungsberufe hängt dabei eng ten kommt im internationalen mit der Wirtschaftsstruktur einer Wettbewerb der hochentwickelten Region zusammen. In den ländli- 70 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt chen Räumen wird zwar in der Re- hinsichtlich der Intensität der beruf- gel intensiv ausgebildet, die Ausbil- lichen Erstausbildung. dung konzentriert sich aber häufig Der sektorale Wandel der Be- auf wenige Ausbildungsberufe, das schäftigung in der Bundesrepublik Spektrum ist gegenüber großstäd- wird begleitet von einem beträcht- tischen Räumen stark eingeengt. lichen qualifikatorischen Struktur- Ein vielfältiger Ausbildungsstellen- wandel. So ist die Zahl der Beschäf- markt ist aber gerade unter dem tigten ohne abgeschlossene Berufs- Aspekt der Anpassung der Qualifi- ausbildung von 1980 bis 1996 bun- kationen im Zuge des wirtschaftli- desweit um 35 % zurückgegangen, chen Strukturwandels von großer die Beschäftigung der mittleren Bedeutung. Qualifikationen (mit abgeschlosse- In der niedersächsischen Wirt- ner Berufsausbildung, ohne Fach- schaft wurde über viele Jahre hin- hochschul- und Hochschulausbil- weg überdurchschnittlich ausgebil- dung) ist demgegenüber um 22 %, det. Die Zahl der Auszubildenden ist diejenige der Hochqualifizierten allerdings seit Ende der 80er-Jahre (mit Fachhochschul- und Hochschul- in Niedersachsen überproportional abschluß) sogar um etwa 94 % an- zurückgegangen. Im Jahr 1989 lag gestiegen. die Auszubildendenquote (Anteil der Auszubildenden an den sozial- In der niedersächsischen Wirt- versicherungspflichtig Beschäftig- schaft wurden bereits Anfang der ten) noch erheblich über dem Bun- 80er-Jahre weniger unqualifizierte desdurchschnitt und im Jahr 1997 Kräfte und mehr Arbeitnehmer mit übertraf sie den Bundeswert nur mittleren Qualifikationen beschäf- noch geringfügig. In allen Teilräu- tigt, und seitdem war der qualifi- men des Landes sind die Auszubil- katorische Strukturwandel darüber dendenquoten seit Ende der 80er- hinaus intensiver als im Bundes- Jahre zurückgegangen, besonders durchschnitt. stark in den Regionen, die ehemals Der Anteil der Unqualifizierten weit überdurchschnittlich ausgebil- ist überdurchschnittlich zurückge- det haben, sodass die regionalen gangen und lag 1997 deutlich unter Unterschiede deutlich geringer ge- dem Bundeswert, und der Anteil worden sind. Vor allem in den länd- der mittleren Qualifikationen ist lichen Regionen des westlichen Nie- überdurchschnittlich gestiegen. Ein dersachsen wird nicht mehr so stark beträchtliches Defizit ergibt sich ausgebildet. Nach wie vor sind aber aber in Niedersachsen seit langem die großen Industriestandorte und bei der Beschäftigung von hoch die Großstädte die Schlusslichter qualifizierten Kräften. Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 71

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Fachhochschul- und Hochschulausbildung 1997

Kreise und kreisfreie Städte in Niedersachsen

Anteil an den Beschäftigten insgesamt, BG=100

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor-

Der Anteil der Beschäftigten mit nem weit überdurchschnittlichen Fachhochschul- und Hochschulab- Anteil von Hochqualifizierten in schluß lag 1997 um mehr als ein den großstädtischen Zentren und Fünftel unter dem Bundesdurch- den Hochschulstandorten sowie schnitt. Gegenüber Anfang der ausgesprochen niedrigen Anteilen 90er-Jahre konnte damit zwar der in den ländlichen und peripheren Anteil der Hochqualifizierten ge- Räumen. steigert, der relative Rückstand zum Alle Regionen des Landes haben Bundesgebiet aber nicht verringert seit Ende der 80er-Jahre den Anteil werden. der Hochqualifizierten steigern Die Qualifikationsstrukturen der können, besonders deutliche Zu- Beschäftigten weisen ein beträchtli- nahmen wurden in den großstädti- ches regionales Gefälle auf mit ei- schen Zentren des Landes erreicht. 72 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt

Bei der Beschäftigung von wenig penburg, Lüchow-Dannenberg) so- qualifizierten Kräften ist das regio- wie die Standorte der Großindustrie nale Verteilungsmuster demgegen- (Wolfsburg, Salzgitter, Emden) ste- über nicht ganz so eindeutig. Es ist hen aber nach wie vor an der Spitze. offensichtlich abhängig von den Insgesamt stellen sich trotz des Wirtschafts- bzw. Industriestruktu- vergleichsweise günstigen wirt- ren sowie der Sozialstruktur (z. B. schaftlichen Wachstums in den letz- ausländische Arbeitskräfte). In allen ten Jahren erhebliche Herausforde- Regionen des Landes wurde seit Be- rungen für die Arbeitsmarkt- und ginn der 90er-Jahre der Anteil der Strukturpolitik in Niedersachsen. unqualifizierten Kräfte weiter redu- Der Anteil von hochqualifizierten ziert. Einige stark ländlich geprägte Kräften muss durch die Schaffung Räume (Nienburg, Gifhorn, Clop- entsprechender Arbeitsplätze nach-

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung 1997

Kreise und kreisfreie Städte in Niedersachsen

Anteil an den Beschäftigten insgesamt, BG=100

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 73 haltig erhöht werden. Der nach ten und zu schaffen. Zur Abfede- wie vor hohe Anteil von wenig rung der Folgen des innovations- Qualifizierten mit weit überdurch- und qualifikationsorientierten wirt- schnittlichem und im Strukturwan- schaftlichen Strukturwandels sind del noch steigenden Arbeitsmarkt- beträchtliche Anpassungsqualifika- risiken muss durch Nachholen schu- tionen auch bei den qualifizierten lischer Abschlüsse und Nachqua- Arbeitnehmern notwendig. Last but lifizierungen reduziert werden. not least sind erhebliche Anstren- Darüber hinaus gilt es aber auch, gungen zur Wiedereingliederung für nicht (mehr) Qualifizierbare von Frauen ins Erwerbsleben von- entsprechende einfache Beschäf- nöten. tigungsmöglichkeiten zu erhal- Hans-Ulrich Jung Mundarten und Hochsprache

Ursprachen Sprachproben zeigen die Vielfalt und Mundarten der niedersächsischen Mundarten: (1) Hochdeutsche Standardsprache: Die Ursprachen des heutigen Lan- Ich habe mit ihm gesprochen, des Niedersachsen sind Nieder- aber er sagte mir, dass er mir den deutsch und – im Küstenraum zwi- Schlüssel nicht geben könne. schen Weser und Ems – Friesisch. (2) Westfälisch: Ik häwe mit em/en Obwohl die hochdeutsche Stan- küert, man hee/häi hätt mie dardsprache seit dem Untergang säggt, dat häi/hee mie den der mittelniederdeutschen Hanse- Slüettel nich giewwen konn. sprache im 16. Jahrhundert zum (3) Ostfälisch: Ik häbbe mit öh- Idiom der Schule, der Verwaltung, n(e)/ne eköört/esnackt/esproken, der Wissenschaft und des öffent- man/aver hee/hei hat mik/mek lichen Lebens geworden ist, be- eseggt, dat hei mik/mek den haupteten immer noch 39% der er- Slöttel nich geben könn(e). wachsenen Bevölkerung Nieder- (4) Nordniedersächsisch: sachsens in einer Umfrage aus dem a. Ostfriesland: Ik heb mit hum Jahre 1987, über „gute bis sehr proot, man häi het (an) mie gute“ niederdeutsche Sprachkenn- segd, dat häi/hee mie de tisse zu verfügen. Das Altostfriesi- Slötel/Slöätel/Schlöädel näit/ sche, bis ca. 1400 die Sprache Ost- nee(t)/nich geven/gäven kun; frieslands und der Groninger Om- b. Oldenburger Land: Ik heb mit melanden, wurde im Laufe des üm/em s(ch)nackt, man hee/ 15. Jahrhunderts von der Hanse- häi hef/het mie seggt, dat sprache abgelöst. Heute sprechen hee/häi mie den S(ch)löädel die Ostfriesen neben der Standard- nich gäben kunn. sprache eine auf friesischem Sub- (5) Saterfriesisch: Iek häbe mäd him strat entstandene niederdeutsche boald, man hie häd mie (tou)k- Mundart, während das Urostfriesi- weden, dät hie mie dän Koai nit sche nur noch von ca. 2.000 Einwoh- reke kude. nern der Gemeinde Saterland (Ge- samteinwohnerzahl 11.000) in der Lediglich im äußersten Süden Nordwestecke des Landkreises Clop- Niedersachsens in dem Kreis Han- penburg gesprochen wird. Inner- noversch-Münden und im Südosten halb des Landes Niedersachsen sind, im Kreis Osterode findet man meh- neben dem Friesischen, alle drei rere Ortschaften, wo mitteldeutsche Hauptmundarten des Westnieder- Mundarten gesprochen werden. deutschen vertreten. Die folgenden Dies gilt auch für den Kreis Blanken- Bevölkerung und Siedlung – Mundarten 75

Einteilung der deutschen Dialekte: Das Westfälische, das Ostfälische und das Nordniederdeutsche

Quelle: Peter Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte, In: Klaus Mattheier/ Peter Wiesinger (Hg.): Dialektologie des Deutschen, 2. Halbband, Tübingen 1994, S. 807 – 899. burg in Sachsen-Anhalt. Sonst sich die stimmlosen Verschlusslaute finden wir im ganzen Bundesland p, t, und k je nach ihrer Stellung im keine Spur der hochdeutschen Laut- Wort zu ch; pf, f, ff; z, s, ss und ß verschiebung, unter deren Einfluss entwickelten: niederdeutsch Pen- 76 Bevölkerung und Siedlung – Mundarten ning, hochdeutsch Pfennig, nieder- mens, mendes „du meinst, mein- deutsch kopen, hochdeutsch kau- test’’. fen, niederdeutsch Päper, hoch- (4) Wenn eine Silbengrenze zwi- deutsch Pfeffer; niederdeutsch schen zwei Vokalen liegt, wird Kropp, hochdeutsch Kropf, nieder- ein Gleitkonsonant eingescho- deutsch Tied, hochdeutsch Zeit, nie- ben, um die Entstehung eines derdeutsch bäter, hochdeutsch bes- Knacklautes zu vermeiden: ost- ser; niederdeutsch Lott, hoch- friesisch näie „neue“, westfälisch deutsch Los, niederdeutsch heet, nigge; ostfriesisch Eier „Eier“, hochdeutsch heiß, niederdeutsch westfälisch Egger; ostfriesisch koaken, hochdeutsch kochen. Mauen „Ärmel“ (Pl.), westfälisch Movven. Westfälisch (5) Aus den altniederdeutschen Die Hauptorte des Westfälischen Kurzvokalen in offener Silbe a, sind Osnabrück in Niedersachsen ∈ , e, i, o, ö, u, ü entwickel- und Bielefeld, Dortmund, Münster ten sich neben altniederdeutsch und Paderborn in Nordrhein-West- a > westfälisch aa eine Reihe falen. Die herausragenden Kennzei- von Kurzdiphthongen: altnie- chen des Westfälischen sind: derdeutsch hamar, westfälisch (1) Mittelniederdeutsch a in offener Hamer „Hammer“, altnieder- Silbe > westfälisch aa [a:], mittel- deutsch etan, westfälisch iätten niederdeutsch â > westfälisch oa „essen“, altniederdeutsch beki, [⊃;] oder au [au]: mittelnie- westfälisch Biekke „Bach“; alt- derdeutsch maken „machen“, niederdeutsch gedrivan, westfä- westfälisch maken, mittelnieder- lisch driewwen „getrieben“, alt- deutsch schâp, skâp „Schaf“, niederdeutsch ginoman, westfä- westfälisch Schoap, Schaup. lisch nuomen „genommen“, mit- (2) Die germanische Lautverbin- tellateinisch cocina > altnieder- dung sk ist im In- und Auslaut deutsch *kokina > westfälisch weitgehend erhalten, während Küöken/Küeke „Küche“; altnie- sie in den meisten anderen Dia- derdeutsch kuman, westfälisch lekten (außerhalb des niederlän- kuemen/kuomen „kommen“, alt- dischen Grenzraums) als sch er- niederdeutsch slutil, westfälisch scheint: Holsken „Holzschuh“, Slüettel „Schlüssel“. luunsk „launisch“, Disk „Tisch“. Ostfälisch (3) Die Endung der 2. Pers. Sg. Ind. Die Hauptorte des Ostfälischen Präs. und Prät. ist -s statt -st: du sind Hannover, Hildesheim, Braun- giffs, gäfffs „du gibst, gabst“, du schweig, Goslar und Göttingen. Die Bevölkerung und Siedlung – Mundarten 77 herausragenden Kennzeichen des fälisch moaken; altniederdeutsch Ostfälischen sind: geban „geben“, ostfälisch gä- (1) Im Gegensatz zum Westfälischen ben; altniederdeutsch beki und Nordniedersächsischen ist „Bach“, ostfälisch Beke; altnie- der ostfälische Dativ der Perso- derdeutsch gidrivan „getrie- nalpronomina mit dem Akkusa- ben“, ostfälisch edreben; altnie- tiv zusammengefallen. Die Ein- derdeutsch ginoman „genom- heitsformen sind dik/dek „dir, men“, ostfälisch enomen; altnie- dich“, mik/mek „mir,mich“, öne derdeutsch kuman „kommen“, „ihm, ihn“, se „ihr, sie“. In den ostfälisch komen; mittellatei- übrigen Mundarten stehen die nisch cocina > altniederdeutsch Dativformen für den Akkusativ. *kokina, „Küche“, ostfälisch Köke; altniederdeutsch slutil (2) Die Apokope des auslautenden „Schlüssel“, ostfälisch Slöttel. -e unterbleibt: Büsse „Büchse“, Eere „Erde“, Wulle „Wolle“ ge- (6) Im ostfälischen Sprachgebiet be- genüber ostfriesisch Büas, Eer findet sich eine mitteldeutsche und Wual. Sprachinsel, die zwischen 1520 und 1620 durch die Zuwande- (3) Die mittelniederdeutsche Präfix rung von Bergarbeitern aus dem ge- bleibt als e- erhalten: efraget Erzgebirge entstanden ist. Diese „gefragt“, ekomen „gekom- Siedler gründeten die sieben men“, eseihen „gesehen“. Oberharzer Bergstädte Altenau, (4) Die Dehnung kurzer Vokale in Sankt Andreasberg, Clausthal, offener Tonsilbe unterbleibt vor Hahnenklee, Lautenthal, Wilde- unbetonter Endsilbe, vor allem mann und Zellerfeld und brach- vor -el, -en, -er der Folgesilbe: ten ihre mitteldeutsche Sprache ostfälisch Voggel „Vogel“ statt mit sich. nordniedersächsisch Vagel/Vo- gel; betten „bisschen“ statt Nordniedersächsisch nordniedersächsisch bäten; Fed- Innerhalb Niedersachsens wird der „Feder“ statt nordnieder- das Nordniedersächsische durch den sächsisch Feer/Fäär; ostfälisch alten Regierungsbezirk Aurich, den Leppel „Löffel“ statt nordnieder- Verwaltungsbezirk Oldenburg und sächsisch Läpel. den Regierungsbezirk Stade vertre- (5) Die altniederdeutschen Kurzvo- ten. Die Hauptmerkmale des Nord- kale in offener Silbe a, ∈ , e, i, o, niedersächsischen sind: ö, u, ü entwickeln sich im Ost- (1) In Ostfriesland findet man im fälischen wie folgt: altnieder- Präs. Pl. Ind. die Endung -en aus deutsch macian, „machen“, ost- der von diesem ursprünglich frie- 78 Bevölkerung und Siedlung – Mundarten

sischen Sprachgebiet übernom- (4) Im Nordniedersächsischen wurde menen Hansesprache: wie singen das altniederdeutsche Vokal- ( giert wurden. altniederdeutsch *kokina „Kü- che“, nordniedersächsisch. Kö- (3) Ostfriesland zeigt wie das be- äken; altniederdeutsch slutil nachbarte Groningerland und „Schlüssel“, nordniedersächsisch die niederländische Standard- Slöätel. sprache die Pluralendung -en (5) Einen besonders starken Einfluss oder, nach Substantiven, die auf - auf die nordniedersächsischen el, -er enden, -s, während die Mundarten innerhalb Nieder- übrigen Mundarten des Nordnie- sachsens hat die niederländische dersächsischen mehrere Plura- Sprache ausgeübt. lendungen verwenden: ostfrie- sisch Pot,-ten „Topf“, oldenbur- Schon im 12. Jahrhundert haben gisch Pot, Pötte, ostfriesisch. niederländische Kolonisten die Wief, Wieven „Frau, Ehefrau“, Elbmarschen urbar gemacht, und oldenburgisch Wief, Wiever; ost- wir finden dort zahlreiche nie- friesisch Vögel,-s, oldenburgisch derländische Lehnwörter wie Voagel, Vöägel. Slüse „Schleuse“ (niederländisch Bevölkerung und Siedlung – Mundarten 79

sluis), Wäteringe „Abzugsgra- in Wörterbüchern und Grammati- ben“ (niederländisch wetering), ken kodifiziert, und sie unterliegt Waterlose „Schleusengraben, mehr oder weniger festen Regeln. Sielgraben“ (niederländisch wa- Die Umgangssprache im Lande terlossing). Niedersachsen steht der Standard- Auch die im niederländischen sprache nahe, aber sie ist von dem Grenzraum liegenden Gebiete niederdeutschen Substrat stark be- Ostfriesland, die Grafschaft einflusst. Obwohl eine Mehrheit der Bentheim und das Emsland ha- Niedersachsen keine aktiven Nie- ben viele niederländische Wörter derdeutschkenntnisse besitzt, gibt in ihre Mundarten aufgenom- es gewisse niederdeutsche Sprach- men: Potlood „Zimmermanns- gewohnheiten, welche die meisten bleistift“ (niederländisch pot- Niedersachsen trotz der standard- lood), Patrise „Rebhuhn“ (nie- sprachlichen Norm in ihre Sprache derländisch patrijs), Kikkert übernommen haben: „Frosch“ (niederländisch kikker). (1) Die Lautverbindungen sp, st im Im Hannoverschen Wendland Anlaut werden als [sp] und [st] findet man viele niederländische statt als [ p], [ t] ausgesprochen. Lehnwörter, die über die von nie- derländischen Kolonisten besie- (2) In Wörtern wie Glas, Rad, grob, delte Altmark in die Sprache der Tag spricht man den Vokal in ge- Nachbarn aufgenommen wur- schlossener Silbe kurz. Nur wenn den: Bese „Beere“ (niederlän- durch das Anhängen einer En- disch bes), Parre „Kröte“ (nie- dung der Vokal in eine offene derländisch pad); Pier „Regen- Silbe tritt, wird er lang (Gläser, wurm“ (niederländisch pier). Räder, grobe, Tage) gesprochen. Hier ahmt die Umgangssprache Standardsprache, das Niederdeutsche nach; denn Umgangssprache, man findet z. B. ostfriesisch Glas, Niederdeutsch Rad, grof, Dag mit kurzem Stammvokal, aber die Pluralfor- Die deutsche Standardsprache ist men lauten Gloasen, Roaden, die Sprache der schriftlichen Kom- groave, Doage(n). munikation in der Bundesrepu- blik Deutschland, Österreich, der (3) Norddeutsch-niedersächsisch g Schweiz und anderen Ländern, in wird, genau wie im Niederdeut- denen Deutsch Amtssprache ist. Die schen, im Auslaut und vor s, t Standardsprache ist, im Gegensatz spirantisiert und entstimmmt: zur Umgangssprache und Mundart, Man findet [ç] nach vorderen Vo- 80 Bevölkerung und Siedlung – Mundarten

kalen und [x] vor hinteren Voka- über den einheimischen Kindern ge- len. Die Formen liegst, liegt und nossen, weil sie schon vor der Ein- lag werden als [li:çst], [li:çt] und schulung Hochdeutsch sprachen. [lax]/[la:x] realisiert. (Das kurze a Die niederdeutschen Eltern, die eine in lag beruht auf derselben Er- Benachteiligung der eigenen Kinder scheinung, die uns in (1) begeg- befürchteten, begannen ausschließ- net ist.) lich Hochdeutsch mit ihnen zu spre- (4) Niederdeutsch ist auch die Bil- chen. Im Laufe der fünfziger Jahre dung des Perfekts von anfangen vollzog sich der Sprachwechsel, und mit sein: Ich bin schon damit Hochdeutsch löste Niederdeutsch angefangen (= niederdeutsch als Sprache des Schulhofes ab. Heut- ik bün der al mit anfangen/ zutage ist es eine Seltenheit, dass anfungen). Menschen, die nach 1960 geboren wurden, das Niederdeutsche be- (5) Typisch für die niederdeutsche herrschen. Abgesehen von dem Umgangssprache ist die Tren- westlichen Ostfriesland (Reiderland, nung zusammengesetzter Pro- Krummhörn) gibt es kaum noch Ge- nominaladverbien nach nieder- biete in Niedersachsen, wo mehr als deutschem Vorbild: Da habe ich eine Handvoll Kinder Niederdeutsch mich groß über wundert (= nie- sprechen. Ein zweiter Faktor, der derdeutsch dar heb ik mie groot das Niederdeutsche bedroht, ist die over wunnert.). Wo willst du den weit verbreitete Überzeugung, dass Hund mit füttern (= nieder- man mit dem Niederdeutschen auf- deutsch: Wo wult du de(n) Hund gewachsen sein muss, um die Spra- mit fauern/foddern?). che richtig zu sprechen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass eine große nie- Die Zukunft des derdeutsche Gesprächsrunde zur Niederdeutschen Standardsprache überwechselt, in Niedersachsen wenn sich nur ein einziger Hoch- deutscher der Runde anschließt. Bis 1945 kamen die meisten Kin- Wenn die Niederdeutschen nicht der, die aus den ländlichen Gebie- bereit sind, ihre Sprache aktiv zu ten Niedersachsens stammten, ohne pflegen und sie an Kinder, Enkel- hochdeutsche Sprachkenntnisse in kinder und „Zugereiste“ weiterzu- die Schule. In den Jahren nach dem geben, wird das Niederdeutsche vor 2. Weltkrieg haben die nieder- dem Ende des 21. Jahrhunderts aus- deutschsprachigen Eltern festge- sterben. stellt, dass die Kinder der Ostvertrie- benen erhebliche Vorteile gegen- Marron Fort Siedlungsstrukturen

Überblick und ländliche Lössbörde im Südosten liegt dage- Siedlungsformen gen eine Häufung von Siedlungen (Dörfern sowie Städten) vor. Viele Im relativ dünn besiedelten der in diesem Altsiedelland gelege- Flächenland Niedersachsen liegt in nen Ansiedlungen können auf eine räumlicher Hinsicht eine Ungleich- mehr als tausendjährige Geschichte verteilung der Anzahl und Größe zurückblicken. Andere Räume wie der Siedlungen vor. Der Norden und die junge Marsch oder große Moor- Westen sind verhältnismäßig städ- gebiete wurden erst sehr viel später tearm und weisen zumeist auch nur besiedelt, das Emsland im äußersten kleinere Dörfer auf. Im Gebiet der Westen wurde in weiten Teilen so-

Traditionelle ländliche Siedlungsformen in Niedersachsen

Quelle: nach Seedorf und Meyer 1996, S. 109. 82 Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen gar erst nach dem Zweiten Welt- die Flurstücke lagen in Gemengela- krieg planmäßig erschlossen. ge. Durch Verkoppelungen und Flur- Es sind mehrere verschieden- bereinigungen sind diese Merkmale artige Siedlungsformen zu unter- der Flurgestaltung zumeist verloren scheiden, die jeweils charakteristi- gegangen. sche Verbreitungsgebiete haben. Einzelhof- und Streusiedlungen Auch wenn durch den Ausbau und sind ebenfalls auf der Geest ver- die Ausweitung der Siedlungs- breitet, vor allem im Bereich der fläche, vor allem seit Ende des Zwei- Oldenburgisch-Ostfriesischen Geest, ten Weltkrieges, eine Überformung im Emsland und im Osnabrücker der Siedlungen stattgefunden hat, Raum. Einige dieser Siedlungen sind so sind die Grundstrukturen der älteren Datums und lassen sich auf Siedlungsformen zumeist noch mittelalterliche Einzelhöfe, auf deutlich erkennbar. Siedlungsausbau im hohen Mittelal- Die Abbildung Traditionelle länd- ter, auf alte Mühlenstandorte oder liche Siedlungsformen zeigt die auf Reste ehemaliger Dörfer, die im räumliche Verbreitung der ländli- Spätmittelalter wüstgefallen sind, chen Siedlungsformen in Nieder- zurückführen, andere sind erst im sachsen. Im Südosten sind geschlos- Zuge der Neulandgewinnung (jun- sene Haufendörfer prägend, die, be- ge Marsch) oder der Ödlandkultivie- dingt durch die hohe landwirtschaft- rung (Emsland) entstanden. liche Tragfähigkeit, im Bördegebiet Wurtendörfer oder Wurtenrund- zu einer verhältnismäßig hohen Be- dörfer sind auf den Bereich der Alt- völkerungsdichte geführt haben. marsch an der Nordseeküste be- Ebenfalls zu den älteren Siedlungs- schränkt. Ihre Entstehungszeit liegt formen zählt die niedersächsische in etwa im Zeitraum 100 n.Chr. – Geestsiedlung (der Drubbel), die zu 1000 n.Chr. Sie wurden vor der Ein- den lockeren Haufensiedlungen deichung zum Schutz vor Sturmflu- gehört. Ein solcher Drubbel bestand ten auf künstlichen Hügeln errich- zumeist aus 4–10 Höfen und lag am tet. Sie sind planmäßig angelegt, Rande des Dauerackerlandes, dem dicht bebaut und die alten Bauern- Esch, der sich zumeist aus der feuch- höfe liegen zumeist radial um die teren Umgebung heraushebt und Kirche bzw. den Dorfplatz grup- durch anthropogene Einflüsse durch piert. Ihr runder oder ovaler Orts- Aufbringen von Dungmaterial im grundriss stellt die beste Anpassung Verlauf mehrerer Jahrhunderte mit an die damaligen Bedingungen einer mächtigen Humusauflage ver- (Schutz vor Sturmflut) dar. Charak- sehen wurde. Ursprünglich war der teristisch sind Namensendungen auf Esch in Längsstreifen untergliedert, -wurt, -wart, -warden oder -warp. Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen 83

Eine ganz andere Form von Rund- fen) hinter den Höfen. Zu unter- lingen ist im äußersten Osten Nie- scheiden sind Wald-, Marsch- und dersachsens, vor allem im sog. Han- Moorhufendörfer. noverschen Wendland, anzutreffen. Waldhufendörfer, einschließlich Um den Mittelpunkt der abseits der der Sonderform der Hagenhufen- Hauptstraßen gelegenen Rundlin- dörfer, bei denen die einzelnen Hu- ge, den Dorfplatz, gruppieren sich fen durch Zäune o. Ä. voneinander 6–15 Höfe mit keilförmigen Grund- getrennt waren und die auch einen stücken. Ursprünglich führte nur ein besonderen Rechtsstatus hatten, einziger Weg zum Dorfplatz, über wurden vor allem bei der Er- den auch alle Hofzufahrten erfolg- schließung der Mittelgebirge ange- ten. Die Häuser stehen mit dem Gie- legt. Ein ausgeprägtes Verbrei- bel zum Dorfplatz und umrahmen tungsgebiet liegt in Form der Ha- diesen, was der gesamten Dorfanla- genhufendörfer, leicht erkennbar ge eine geschlossene Form verleiht. an der Namensendung „-hagen“, Es handelt sich unverkennbar um im Raum südlich des Steinhuder planmäßig angelegte Siedlungen, Meeres bis nördlich von Hannover. doch ist die geschlossene Rundlings- Marschhufendörfer sind unter form erst später aus halbbogen- anderem durch die hochmittelalter- und hufeisenförmigen Anlagen liche Marschhufenkolonisation in durch Hofteilungen und Nachsied- der Wesermarsch entstanden, die lungen kleiner Hofstellen entstan- ab Anfang des 12. Jahrhunderts auf den. Betreiben des Erzbischofs von Bre- Zumeist – mit Ausnahme der men erfolgte. Da die Ausführenden Straßendörfer – ein Ergebnis ge- dieser Urbarmachung holländische lenkter Siedlungstätigkeit sind die Siedlungstechniker und Kolonisten verschiedenen Formen von Reihen- waren, werden diese Siedlungen siedlungen. Ältere Formen sind die auch als „Hollerkolonien“ bezeich- Hufensiedlungen, die im Mittelalter net. oder später angelegt wurden. Sie Moorhufendörfer sind in den stellen ein typisch koloniales Sied- großen Moorgebieten im Nordwe- lungszeugnis dar. In der sehr lang sten Niedersachsens verbreitet. Sie gestreckten, oft kilometerlangen stellen eine relativ junge Form dar Ortschaft, liegen die Gehöfte in und verdanken ihre Entstehung den mehr oder weniger großen Abstän- Phasen herrschaftlich organisierter den entlang einer Straße aufge- Binnenkolonisation der frühen Neu- reiht. Der zu den Höfen gehörende zeit (17. – 19. Jahrhundert), wenn- Grundbesitz liegt in Form von lan- gleich Vorformen auch schon älte- gen, durchlaufenden Streifen (Hu- ren Datums sein können. Eine sol- 84 Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen che Vorform sind die Aufstrecksied- Eine verhältnismäßig junge Ent- lungen in Ostfriesland, die der mit- wicklung sind die Fehnsiedlungen, telalterlichen Binnenkolonisation die auf das 18. – 19. Jahrhundert zu (11. – 14. Jahrhundert) zugehören. datieren sind. Es handelt sich dabei Dabei wurde nach dem Aufstreck- um eine Reihensiedlung entlang ei- recht die Parzelle nur nach der Brei- nes Kanals in großen Moorgebieten te vermessen, die Bewohner dran- im Nordwesten Niedersachsens gen auf ihrem Besitzstreifen in das (Fehn= altfries.: Sumpf, Morast, Moor so weit kultivierend vor, bis wässeriges und niedriges Land). Der sie auf ein natürliches (z. B. Fluss) Kanal wurde zur planmäßigen Ent- oder künstliches Hindernis (z. B. an- wässerung und zum Abtransport dere Parzellengrenze) stießen. des gewonnenen Torfes angelegt.

Vorherrschende bäuerliche Hausformen in Niedersachsen

Quelle: nach Seedorf und Meyer 1996, S. 128. Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen 85

Die Bebauung erfolgte regelmäßig Das niedersächsische Hallenhaus und reihenförmig entlang des Ka- Außenansicht – Grundriss – nalsystems, sodass von „Kanalrei- Getreidelagerung hendörfern“ gesprochen werden kann. Aufgrund der lang gestreck- ten Anlage fehlt ein Siedlungskern. Ursprünglich war eine enge Verbin- dung von Landwirtschaft und Schifffahrt gegeben, die sich aber später – u. a. bedingt durch die größere Bedeutung der Landver- kehrswege (z. B. Eisenbahn) und die Verlegung von Werften nach Leer und Emden – auflöste. Auch der Siedlungstyp als solcher hat durch Verschlammung, Funktionswandel und teilweise Zuschüttung der Kanäle gelitten. Ein bekanntes Bei- spiel für eine Fehnsiedlung ist die Stadt Papenburg.

Bäuerliche Hausformen

Trotz Überprägung und Zurück- drängung durch jüngere Zweckbau- ten lassen sich für die Regionen Nie- dersachsens drei bäuerliche Haus- formen als prägend kennzeichnen. Sehr weit verbreitet ist das „Nie- derdeutsche Hallenhaus“ oder auch „Niedersachsenhaus“. In diesem Fachwerkbau, das früher mit Stroh oder Schilf gedeckt war, lebten Mensch und Vieh unter einem Dach. Den größten Teil des Hauses nahm die große Halle ein, die als Dresch- diele, Flur und/oder Futtergang diente. An den Seiten der Diele Quelle: Kaiser und Ottenjann 1997, S. 99, stand das Vieh, als Speicherraum 113, 147. 86 Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen diente die Dachfläche oberhalb die- Das friesische Gulfhaus ses Wirtschaftsteiles. Zum Wohnteil Außenansicht – Grundriss – gehörte der Herdraum (das Flett). Getreidelagerung Das Niedersachsenhaus war ein Rauchhaus ohne Schornstein, der Rauch der Herdstelle zog frei durch den Dachraum ab. Dabei räucherte er die unter den Balken hängenden Würste und Schinken und trocknete die Erntevorräte auf dem Dach- boden. Das Gulfhaus oder „Ostfriesen- haus“ verdrängte im Bereich der ostfriesischen Marschen ab dem 16. und 17. Jahrhundert die Niedersach- senhäuser, als die Marschen eine große Bedeutung für den Ackerbau erlangten und nun großer Stapel- raum für das Getreide benötigt wurde. Das Mittelschiff dieses Hau- ses diente als Lagerraum, wobei zwei Reihen von hohen Ständern die Gulfe umgaben, in denen das Getreide erdlastig gestapelt wurde. Somit bildete der Gulf den Haupt- teil des Wirtschaftsbereiches, flan- kiert vom Viehstall und der Wagen- durchfahrt (gleichzeitig Dresch- raum). Kennzeichnend sind die an den Rand des Giebels gerückten Türen. Diese Backsteinhäuser wie- Quelle: Seedorf und Meyer 1996, S. 133; sen eine klare Trennung zwischen Kaiser und Ottenjann 1997, S. 147. Wohn- und Wirtschaftsteil auf, der Wohnteil war entsprechend dem im Bereich der Lössbörde anzutref- Reichtum der Marschbauern meist fende mitteldeutsche Gehöft quer anspruchsvoll gestaltet. aufgeschlossen. Das mitteldeutsche Im Gegensatz zu diesen längs Haus ist ein reines Wohnhaus, die aufgeschlossenen Häusern ist das Wirtschaftsräume waren in beson- besonders in Südniedersachsen und deren Bauten untergebracht. Die Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen 87 höhere Bodenfruchtbarkeit und die Das mitteldeutsche Gehöft größere Produktion verursachte in Außenansicht – Grundriss diesem Verbreitungsgebiet eine höhere Bevölkerungsdichte. Die Siedlungen sind geschlossener, der Hofraum ist dadurch kleiner und en- ger, was sich in jüngerer Zeit als nachteilig erwiesen hat, da der Zu- gang zum Hofraum mit modernen und großen landwirtschaftlichen Maschinen erschwert wird. Einen eigenständigen Typ stellt auch das Harzer Haus dar, das als ei- ne Kleinform des mitteldeutschen Wohnhauses zu deuten ist und auf die Bedürfnisse der Bergleute, Holz- hauer und Köhler zugeschnitten und auch an die besonderen Klima- bedingungen angepasst war.

Überprägungen ländlicher Siedlungen

Die traditionellen Strukturen Quelle: Seedorf und Meyer 1996, S. 134. ländlicher Siedlungen in Nieder- sachsen haben in der Zeit nach dem ländliche Siedlungen wurden zu Zweiten Weltkrieg eine umfassende Pendlerwohnorten, insbesondere Überprägung erfahren. Durch den im Umland großer Städte erfolgte Rückgang der Anzahl der landwirt- durch Fortzug aus der Stadt und schaftlichen Betriebe und der in der Zuzug in ländlichen Siedlungen eine Landwirtschaft tätigen Bevölkerung Suburbanisierung bislang unge- veränderte sich die Sozialstruktur kannten Ausmaßes. im Dorf. Die früher bestimmende Die Anzahl der Gemeinden in bäuerliche Bevölkerung verlor ihre Niedersachsen hat sich von 4.237 im Vorrangstellung und wurde zur Jahr 1946 auf 1.029 im Jahr1996 ver- Minderheit. Durch Ausweisung neu- ringert. Von wenigen freiwilligen er Wohngebiete für die anwachsen- Zusammenschlüssen abgesehen, ist de Bevölkerung erfolgte eine Aus- diese Verringerung das Ergebnis ei- weitung der Siedlungskörper. Viele ner Gemeindereform, die 1971 be- 88 Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen schlossen und in den Folgejahren det wurde und 1859 Stadt wurde. umgesetzt wurde. Ziel war es, eine Am bekanntesten sind die Neugrün- Gemeinde- bzw. Samtgemeindegrö- dungen Wolfsburg und Salzgitter, ße von mindestens 7.000, im ländli- mit deren Aufbau unter nationalso- chen Raum ausnahmsweise auch zialistischer Regie ab 1937/1938 be- von mindestens 5.000 Einwohnern, gonnen wurde. Wolfsburg wurde zu erreichen, um so zu Verwaltungs- zum Sitz des Volkswagenwerkes er- einheiten zu kommen, die ihren koren, während in Salzgitter auf der Aufgaben besser nachkommen kön- Basis dort vorhandener Eisenerzvor- nen als kleinere Gemeinden dies kommen ein großes Hüttenwerk er- vermögen. So hat sich insbesondere richtet wurde. die Zahl der kleinen Gemeinden Auch die niedersächsischen Städ- (unter 2.000 Einwohner) sehr stark te haben eine mehrfache Überprä- verringert. Lebten 1946 noch 40,5 % gung erfahren. In früherer Zeit war der niedersächsischen Bevölkerung es die Errichtung von Stadtwällen in derartigen Gemeinden, sind es und Befestigungsanlagen bzw. de- derzeit nur noch rund 7 %. ren spätere Beseitigung, die das Stadtbild veränderten. Auch der Städtische Siedlungen und Aufbau von Residenzen und Garni- Zentralörtliches System sonen hat zu Strukturveränderun- gen geführt. Vor allem aber war es Die Ursprünge alter niedersächsi- die industrielle Überformung durch scher Städte liegen in früheren Han- den Aufbau von Industrievierteln delsplätzen, Bischofssitzen und Klo- und Arbeitersiedlungen, die nach- sterorten sowie Burg- und Damm- haltig zu Wandlungen und zum städten begründet. Die ältesten Größenwachstum der Städte ge- Städte, die vor 1180 Stadtrecht er- führt haben. In jüngster Zeit sind es hielten, sind Osnabrück, Braun- die Ansprüche des Induvidualver- schweig, Hildesheim, Goslar und kehrs, die zu Umbildungen führen. Helmstedt. Zahlreiche weitere Gleichzeitig werden jedoch in den Stadtrechtsverleihungen erfolgten Innenstädten verkehrsberuhigte Be- im Hoch- und Spätmittelalter, aber reiche und Fußgängerzonen einge- auch bis in die unmittelbare Gegen- richtet, um die Attraktivität der In- wart werden Stadtrechte verliehen. nenstädte zu erhöhen. Wirkliche Neugründungen von In der Raumordnung spielt das Städten in jüngerer Zeit sind dage- Netz der zentralen Orte eine beson- gen sehr selten. Als ein Beispiel ist dere Rolle, das von den Grundzen- Wilhelmshaven zu nennen, das 1853 tren über die Mittelzentren bis zu als preußischer Kriegshafen gegrün- den Oberzentren reicht. Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen 89

Höherrangige Zentrale Orte in Niedersachsen

Quelle: nach Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen 1994.

Die Mittelzentren dienen der Be- Hildesheim und Osnabrück waren reitstellung der zentralen Einrich- bereits früher als Residenz- bzw. tungen und Angebote zur Deckung Landeshauptstädte bedeutend, an- des gehobenen Bedarfs. Für ein dere erfuhren erst in jüngerer Zeit jeweils größeres Umland sind vor al- eine Aufwertung. lem die Oberzentren von Bedeu- Die Städte Salzgitter und Wolfs- tung, deren Aufgabe die Bereitstel- burg sind Mittelzentren mit ober- lung der zentralen Einrichtungen zentralen Teilfunktionen, d. h. sie und Angebote zur Deckung des erfüllen die Aufgaben von Mittel- spezialisierten höheren Bedarfs ist. zentren und darüber hinaus Teilauf- Einige dieser Oberzentren wie Han- gaben von Oberzentren. nover, Braunschweig, Oldenburg, Werner Klohn Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

Das deutsche Sozialsystem und nen Bildung und Ausbildungsförde- speziell das Gesundheitswesen sol- rung, Leistungen der Sozialversiche- len im Folgenden in ihren Struktu- rung, soziale Entschädigung bei Ge- ren aufgezeigt und dabei in ihren sundheitsschäden, Minderung des niedersächsischen Ausprägungen Familienaufwandes, Zuschuss für ei- dargestellt werden. ne angemessene Wohnung, Kinder- Nicht eingegangen wird auf die und Jugendhilfe, Sozialhilfe sowie Sondersysteme z. B. der Beamten im die Eingliederung Behinderter. Bereich Versorgung und Beihilfe Für die Ausgestaltung dieser oder der freien Berufe durch die Rechte und für die Sicherstellung Versorgungswerke. des sozialen Auftrags sind die Insti- Niedersachsen verfügt über ein tutionen verantwortlich, die die So- ausdifferenziertes System der ge- zialleistungen zur Verfügung stel- sundheitlichen Versorgung und der len. Hierbei kann es sich sowohl um sozialen Sicherung. Beide Bereiche den Bund, das Land oder die Kom- sind eng miteinander verzahnt: Eine munen handeln, aber auch um an- der wichtigsten Säulen des sozialen dere öffentlich-rechtliche Institutio- Sicherungssystems ist die gesetzli- nen, wie z. B. die Sozialversiche- che Krankenversicherung; sie versi- rungsträger, oder auch private Or- chert ca. 90 % der Bevölkerung ge- ganisationen wie die freie Wohl- gen gesundheitliche Risiken und fahrtspflege oder Selbsthilfegrup- strukturiert damit zugleich wesent- pen. lich die gesundheitliche Versor- Das so geknüpfte soziale Netz be- gung. ruht auf der Erfahrung, dass be- Das Sozialsystem stimmte Lebensrisiken und -situatio- nen nur solidarisch getragen und Die soziale Sicherheit ist in bewältigt werden können. Es ent- Deutschland eine gesamtgesell- läßt den Einzelnen natürlich nicht schaftliche Aufgabe. Grundlage für aus seiner Pflicht, selbst Verantwor- staatliche Sozialpolitik ist das im tung für seine soziale Situation zu Grundgesetz verankerte Sozial- übernehmen. staatsprinzip. Dieses Prinzip ist in zahlreichen Bundes-, aber auch Lan- Die Säulen der desgesetzen ausgestaltet, die dem sozialen Sicherheit Einzelnen oder bestimmten Grup- pierungen gewährleistet, soziale Diesen Grundgedanken entspre- Rechte wahrnehmen zu können. Zu chend besteht das System der sozia- diesen Rechten gehören im einzel- len Sicherung aus ganz unterschied- Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 91

Prinzipien der sozialen Versicherung

Leistungen Versicherungs- Versorgungs- Fürsorge- nach dem prinzip prinzip prinzip …

durch die … Sozial- Kriegsopfer- versicherung versorgung Sozialhilfe erhalten … Mitglieder der bestimmte bestimmte Sozialversicherung, Bevölkerungsgrup- Bevölkerungsgrup- pen, pen, wenn sie Versicherungsbeiträ- wenn sie besondere wenn sie bedürftig ge Opfer oder Leistun- sind und Staatszuschüsse gen für die Gemein-

finanziert Versicherungsbeiträ- Steuermittel Steuermittel durch … ge

ZAHLENBILDER

lich konstruierten Säulen, auf die nicht nach dem zu versichernden Ri- im Folgenden näher eingegangen siko bemessen, sondern nach der in- wird. dividuellen Leistungsfähigkeit des Versicherten. Dies ist Ausdruck des 1. Säule: Sozialversicherung Solidarprinzips in der Sozialversi- Die Sozialversicherung ist das cherung; zugleich unterscheidet die Kernstück der sozialen Sicherung. der Leistung vorangegangene Bei- Sie gliedert sich in die Zweige Kran- tragszahlung die Sozialversicherung ken-, Renten-, Unfall- und Pflege- von staatlichen Fürsorgesystemen versicherung sowie Arbeitsförde- wie z. B. der Sozialhilfe. rung. Bis auf die Unfallversicherung, Die Leistungen der Versicherten- die allein durch Beiträge der Arbeit- gemeinschaft erhält der Versicherte geber getragen wird, erfolgt grund- nicht ohne Gegenleistung: Er hat sätzlich eine paritätische Finanzie- dafür Geld in Form von Beiträgen zu rung durch Arbeitgeber und Arbeit- zahlen. Im Gegensatz zur Privatver- nehmer. Die Parität ist auch sonst sicherung werden die Beiträge aber wesentliches Element der Sozialver- 92 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem sicherung: Sie wird gemeinsam nerzahl und anderer Erfahrungs- durch Vertreter der Sozialpartner werte ist aber davon auszugehen, selbstverwaltet und unterscheidet dass ca. 10 % dieser Ausgaben auf sich so von rein staatlichen Syste- die Bürgerinnen und Bürger des men, wie sie z. B. in anderen eu- Landes Niedersachsen entfallen. ropäischen Ländern existieren. Teil- Der bezogen auf die Ausgaben weise werden Renten-, Unfall- und bedeutendste Zweig im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch ent- Sozialversicherung ist die gesetzli- sprechende Zuschüsse insbesondere che Rentenversicherung, in der ge- aus dem Bundeshaushalt auch steu- nerell alle abhängig Beschäftigten erfinanziert. versichert sind. Die Rentenversiche- Bundesweit beliefen sich die Aus- rungsträger gewähren Alters- und gaben 1997 in den fünf Sozialversi- Hinterbliebenenrenten, Renten bei cherungszweigen nach dem Sozial- Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit so- bericht der damaligen Bundesregie- wie Leistungen der Rehabilitation. rung auf 794,2 Mrd. DM. Dies ent- Der Rentenversicherungsträger der spricht ca. 22 % des gesamten Brut- Angestellten ist die Bundesversiche- toinlandsproduktes. rungsanstalt für Angestellte mit Sitz Da verschiedene Sozialversiche- in Berlin. Die Träger der Arbeiter- rungsträger bundesweit organisiert rentenversicherung sind in Nieder- sind, existieren nur bedingt landes- sachsen die drei Landesversiche- bezogene Einnahme- und Ausgabe- rungsanstalten Braunschweig, Han- statistiken. Aufgrund der Einwoh- nover und Oldenburg-Bremen.

Ausgaben der Sozialversicherungszweige in Mrd. DM 1997 (bundesweit)

Rentenversicherung Krankenversicherung Unfallversicherung Arbeitslosenversicherung Pflegeversicherung

Quelle: Sozialbericht 1997 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 93

Darüber hinaus existieren für den chen Krankenkassen sowie mit der Bergbau mit der Bundesknapp- KKH und der Buchdrucker-Kranken- schaft, für die Landwirtschaft mit kasse zwei Ersatzkassen. Andere den landwirtschaftlichen Alterskas- große Ersatzkassen, wie z. B. die sen – ebenfalls für Braunschweig, Deutsche Angestellen-Krankenkas- Hannover und Oldenburg-Bremen – se (DAK), die Barmer Ersatzkasse sowie der Alterskasse der Seeleute oder die Techniker Krankenkasse Sondersysteme für bestimmte Be- sind bundesweit tätige Krankenver- rufsgruppen. Diese Sondersysteme sicherungsträger. Alle Ersatzkassen gibt es im übrigen auch in der Kran- zusammen verfügten 1997 in Nie- ken-, Unfall- und Pflegeversiche- dersachsen über einen Marktanteil rung. In Niedersachsen waren am von 38,4 %. Neben den bereits er- 1.1.1997 1.913.714 Personen und wähnten fünf Kassenarten existie- damit 24,5% der Gesamtbevölke- ren auch in diesem Bereich die Bun- rung Rentenempfänger. Der durch- desknappschaft sowie die Seekasse. schnittliche Rentenzahlbetrag be- Bei der Angabe der Marktanteile trug zum damaligen Zeitpunkt konnten aus statistischen Gründen 1.162,21 DM. nicht die Wanderungsbewegungen Die Krankenversicherung als zen- berücksichtigt werden, die auf- traler Träger der gesundheitlichen grund des Wahlrechts der Versicher- Versorgung hat die Aufgabe, die ten am Ende der Jahre 1997 und Gesundheit der Versicherten zu er- 1998 zu verzeichnen waren. Sie sind halten, sie wieder herzustellen oder nach vorliegenden Erkenntnissen im ihren Gesundheitszustand zu bes- wesentlichen zu Lasten der AOK sern. Träger der Krankenversiche- verlaufen und haben insbesondere rung sind die fast 470 in Deutsch- den Betriebskrankenkassen Mitglie- land existierenden Krankenkassen, derzuwächse gebracht. von denen (Stand: 1.1.1999) 39 ih- Träger der Unfallversicherung ren Sitz in Niedersachsen haben. Es sind vor allem die gewerblichen handelt sich hierbei um die Allge- Berufsgenossenschaften und die meine Ortskrankenkasse (AOK), ei- Eigenunfallversicherungsträger der ne landesweit tätige Krankenkasse öffentlichen Hand, aber auch hier mit einem Marktanteil von über wieder Sondersysteme im Bereich 37,4 % (Stand: 1.10.1997), 26 Be- der landwirtschaftlichen Unfallver- triebskrankenkassen – diese Kassen- sicherung und der See-Unfallve- art hatte 1997 einen Marktanteil rsicherung. Die gewerblichen Be- von 12,3 % –, 8 Innungskrankenkas- rufsgenossenschaften gliedern sich sen (Marktanteil: 7,4 %), die drei nach Wirtschaftszweigen, wie z. B. bereits erwähnten landwirtschaftli- die Nordwestdeutsche Metall-Be- 94 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem rufsgenossenschaft mit Sitz in alversicherung; er existiert erst seit Hannover; die drei landwirtschaft- 1995 und dient durch Pflege- und lichen Berufsgenossenschaften glie- Geldleistungen sowie Pflegehilfs- dern sich nach Regionen und die Ei- mitteln und technischen Hilfen der genunfallversicherungsträger nach Absicherung des Risikos der Pflege- verschiedenen öffentlichen Arbeit- bedürftigkeit. Die Krankenkassen gebern. nehmen hierbei als Pflegekasse die Aufgabe der Unfallversicherung Aufgabe als Träger der Pflegeversi- ist es, Arbeitsunfälle und Berufs- cherung wahr. krankheiten sowie arbeitsbedingte Das Land fördert die Investitions- Gesundheitsgefahren zu verhüten, aufwendungen nach Maßgabe des aber auch nach deren Eintritt die Niedersächsischen Pflegegesetzes. Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten wieder herzustel- len und sie oder ihre Hinterbliebe- 2. Säule: Soziale Entschädigung nen durch Geldleistungen zu ent- Soziale Entschädigungsleistun- schädigen. gen erhalten die Bürger, denen Ge- Die Arbeitsförderung ist Aufgabe sundheitsschäden entstanden sind, der Bundesanstalt für Arbeit in weil ihnen die staatliche Gemein- Nürnberg. Sie beinhaltet die Infor- schaft z. B. durch Kriegs- oder Wehr- mation der Arbeitssuchenden über dienst ein besonderes Opfer aufer- die Lage am Arbeitsmarkt und die legt hat. Berufsberatung, die Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen, Diese im Bundesversorgungsge- die Arbeitsvermittlung sowie die setz geregelten Ansprüche umfas- Zahlung von Arbeitslosengeld und sen Heil- und Krankenbehandlung, Arbeitslosenunterstützung. Maßnahmen zur Rehabilitation und Die Betreuung vor Ort erfolgt Rentenleistungen, aber auch Hilfe über die zuständigen Arbeitsämter. zur Pflege und Altenhilfe. Darüber Im September 1997 erhielten in Nie- hinaus regelt das Opferentschädi- dersachsen von den 401.305 Ar- gungsgesetz Leistungen an die Per- beitslosen 158.620 Arbeitslosengeld sonen, die Opfer einer Gewalttat und 135.229 Arbeitslosenhilfe. Der geworden sind. durchschnittliche Monatsbezug von Die Durchführung des sozialen Arbeitslosengeld betrug 1.391,00 Entschädigungsrechts obliegt in DM und der Arbeitslosenhilfe Niedersachsen den Versorgungsäm- 1.031,00 DM. tern. 1998 betrugen in Niedersach- Die Pflegeversicherung ist der sen die Aufwendungen für diesen jüngste Zweig der gesetzlichen Sozi- Bereich 979,29 Mio. DM. Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 95

3. Säule: Soziale Hilfen derung (GdB) fest. Bei einem GdB Schwerpunkt ist hier die Sozial- von wenigstens 50 erlangen Behin- hilfe. Sie unterstützt Personen, die derte die Schwerbehinderteneigen- nicht in der Lage sind, ihren Lebens- schaft. Je nach Grad der Behinde- unterhalt selbst zu bestreiten oder rung werden Steuererleichterungen sich in besonderen Lebenslagen bzw. -ermäßigungen gewährt oder selbst zu helfen und bei denen auch bei weiteren gesundheitlichen keine andere Einrichtung oder ein Merkmalen sog. Nachteilsausglei- Familienangehöriger zur Hilfe in che festgestellt. Hinzu kommen der Lage ist. Maßnahmen zur Eingliederung in Unterschieden wird bei diesen das Erwerbsleben und zur Sicherung steuerfinanzierten Leistungen nach des Arbeitsplatzes, Letzteres insbe- dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sondere in Form eines besonderen zwischen Hilfe zum Lebensunter- Kündigungsschutzes. halt, die vorrangig durch monetäre 1997 waren in Niedersachsen Leistungen die Einkommensarmut 337.261 Personen behindert und beheben soll, und der Hilfe in be- 659.980 Personen schwerbehindert. sonderen Lebenslagen, die in be- Die wiederum im BSHG geregel- stimmten Lebenssituationen die Hil- ten Leistungen zur Eingliederung fesuchenden z. B. durch Eingliede- Behinderter richten sich an die Men- rungshilfe für Behinderte, Hilfe zur schen, die aufgrund von körperli- Pflege, Alten- und Krankenhilfe un- chen Regelwidrigkeiten, Schwächen terstützen und die Teilnahme am der geistigen Kräfte oder seelischer Leben in der Gemeinschaft sichern Störungen über einen Zeitraum von soll. mehr als sechs Monaten nicht in die In Niedersachsen wurden 1996 Gesellschaft eingegliedert sind und insgesamt rd. 4,56 Mrd. DM für So- deren Fähigkeit zur Eingliederung zialhilfe aufgewandt, wobei 41 % in erheblichem Umfang beeinträch- auf die Hilfe zum Lebensunterhalt tigt ist. 1996 waren in Niedersach- entfielen. Sozialhilfeleistungen sind sen rund 38.000 Menschen in die- fast ausschließlich von den Land- sem Sinne wesentlich behindert. kreisen und kreisfreien Städten auf- Durch ein breit gefächertes An- zubringen. gebot an Betreuungs- und Förder- Ebenfalls zu den sozialen Hilfen maßnahmen in 66 allgemeinen gehören die Leistungen nach dem Frühförderstellen, 24 Sprachheil- Schwerbehindertengesetz. Hier- ambulanzen, 13 interdisziplinären nach stellen die Versorgungsämter Frühförder- und Früherkennungs- auf Antrag das Vorliegen einer Be- teams, vier sozialpädiatrischen Zen- hinderung und den Grad der Behin- tren, Sonderkindergärten, Tagesbil- 96 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem dungsstätten für geistig Behinderte, Hilfe zur Erziehung junge Menschen einem differenzierten Sonderschul- in ihrer Entwicklung fördern, Erzie- wesen, Maßnahmen für ein behin- hungsberechtigte beraten und un- dertengerechtes Wohnen und An- terstützen sowie insgesamt dazu gebote des Betreuten Wohnens, beitragen, dass positive Lebensbe- Wohnheime für Behinderte, sta- dingungen für junge Menschen und tionären Einrichtungen mit diffe- Familien geschaffen werden. renzierten, behindertenspezifischen Für die dadurch entstehenden Betreuungsformen und den Werk- Verpflichtungen sind in Niedersach- stätten für Behinderte soll den we- sen die Landkreise und kreisfreien sentlich behinderten Menschen ge- Städte zuständig; allgemein ist die- holfen werden, nach Möglichkeit Kinder- und Jugendhilfe gekenn- eigenständig im Beruf, Wohnbe- zeichnet durch eine große Vielfalt reich und mit den üblichen Kontak- von öffentlichen und freien Trä- ten in der Gesellschaft zu leben. gern. Hierbei werden die Kosten, die durch die stationäre Betreuung von Gesundheitliche Versorgung Kindern, Jugendlichen und Erwach- senen unter 60 Jahren entstehen, „Gesundheit ist ein Zustand völli- vom Land Niedersachsen als über- gen körperlichen, geistigen und örtlichem Träger der Sozialhilfe sozialen Wohlbefindens und nicht übernommen. nur das Freisein von Krankheiten“, Für die besondere Wahrnehmung so die Definition von Gesundheit der Interessen behinderter Men- der Weltgesundheitsorganisation schen hat das Land einen Behinder- (WHO). Dieser umfassende Gesund- tenbeauftragten ernannt, der beim heitsbegriff beinhaltet viel mehr als Ministerium für Frauen, Arbeit und das, was landläufig unter gesund- Soziales angesiedelt ist. Als beson- heitlicher Versorgung verstanden dere Leistung gewährt das Land wird. Er macht trotz seiner fast nicht nach Maßgabe eines entsprechen- fassbaren Weite deutlich, dass hier den Landesgesetzes Blindengeld. ein Umdenken stattgefunden hat: Die im Sozialgesetzbuch (SGB) Krankheit soll nicht nur behandelt VIII geregelte Kinder- und Jugend- werden, sondern gesellschaftliches hilfe soll u.a. durch Angebote der Handeln dient auch der positiven Jugendarbeit und Jugendsozialar- Entfaltung von Gesundheit. beit, aber auch des Kinder- und Ju- Gerade der Ausbau von Gesund- gendschutzes, der Förderung von heitsförderung sowie die Krank- Kindern in Tageseinrichtungen und heitsverhütung und -vorsorge ma- in der Tagespflege, aber auch durch chen dies auch in der Praxis deut- Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 97 lich. So tragen die Früherkennungs- hilfe sowie die Kampagnen und In- programme z. B. bei Krebs und die itiativen z. B. der Landesvereini- Vorsorgeuntersuchungen im Kin- gung für Gesundheit zu erwähnen. der- und Jugendalter dazu bei, Trotz dieser Bemühungen, den dass bereits die Entstehung gesund- Präventionssektor auszubauen, heitlicher Belastungen und Schädi- steht die „klassische“ Versorgung gungen verhindert wird. Prävention im ambulanten und stationären Be- soll insgesamt aber nicht nur das reich nach wie vor im Mittelpunkt individuelle Handeln beeinflussen, des Gesundheitswesens. Hierbei sondern auch die Lebens- und Um- werden unter gesundheitlicher Ver- weltbedingungen durch geeignete sorgung – auch unter Anknüpfung Maßnahmen positiv verändern. an die erwähnte WHO-Definition – Dieses Aufgabenspektrum war ebenfalls Pflegeleistungen, Reha- seit 1989 auch ein Teil des Ange- bilitationsleistungen im Bereich der bots der gesetzlichen Krankenver- Rentenversicherung, Invaliditäts- sicherung. Durch das am 1.1.1997 renten sowie die Lohnfortzahlung in Kraft getretene sogenannte im Krankheitsfall verstanden. „Beitragsentlastungsgesetz“ ist der Bereich der Gesundheitsförderung 1. Ambulante Versorgung und Krankheitsverhütung allerdings erheblich eingeschränkt worden. Die ambulante medizinische Ver- Viele Krankenkassen haben ihre sorgung der Bevölkerung umfaßt entsprechenden Programme sogar die ärztliche und zahnärztliche Be- völlig eingestellt. handlung, die Arbeit der Zahntech- Um so stärker sind in letzter Zeit niker, die Versorgung mit Arznei- die Leistungen in das Blickfeld mitteln, die Heil- und Hilfsmitteler- gerückt, die von den Trägern der bringung, aber auch die Tätigkeit gesetzlichen Unfallversicherung, der Hebammen sowie die Leistun- dem öffentlichen Gesundheits- gen im Bereich von Rettungsdienst dienst im Rahmen der kommunalen und Krankentransport. Gesundheitsämter, dem Land Nie- Gemessen am Ausgabevolumen dersachsen oder auch durch die liegt ein wichtiger Teil dieses Versor- Bundeszentrale für gesundheitliche gungsbereichs in den Händen der Aufklärung angeboten und geför- niedergelassenen Vertragsärzte und dert worden sind. Bei den Aktivitä- -zahnärzte. Sie sind freiberuflich ten im Landesbereich sind insbeson- tätig und üben ihren Beruf in eige- dere die Programme zur Sucht- ner Praxis oder Gemeinschaftspraxis prävention und zur Aids-Auf- aus. Darüber hinaus wirken an klärung, die Förderung der Selbst- der vertrags(zahn)ärztlichen Versor- 98 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem gung auch angestellte oder ermäch- Diese Selbstverwaltungskörper- tigte Ärzte mit. Bei ermächtigten schaften haben die Interessen der Ärzten handelt es sich um Kranken- Ärzte/Zahnärzte gegenüber den hausärzte, die aufgrund eines be- Krankenkassen wahrzunehmen, zu- sonderen quantitativen oder quali- gleich aber die flächendeckende, tativen Bedarfs die Möglichkeit er- angemessene und wirtschaftliche halten haben, auch im ambulanten ärztliche bzw. zahnärztliche Versor- Bereich tätig zu werden. gung sicherzustellen. Zudem sind Krankenhäuser im Die Versorgung mit Arzneimit- Einzelfall auch im Rahmen der am- teln wird in Niedersachsen (Stand: bulanten Versorgung tätig. Teil der 31.12.1998) von 2.148 Apotheken, ambulanten Leistungen ist ebenfalls darunter 42 Krankenhausapothe- die psychotherapeutische Versor- ken, gewährleistet. Die Apotheker gung. Sie wird von psychothera- selbst sind – wie andere Heilberufe peutisch tätigen Ärzten, psycholo- auch – in Kammern organisiert. gischen Psychotherapeuten sowie Zudem besteht mit dem Landes- Kinder- und Jugendlichenpsycho- apothekerverband Niedersachsen therapeuten erbracht. Berufsaus- eine Interessenvertretung, die für übung und Leistungserbringung in den Abschluss von Verträgen mit diesem Bereich sind zum 1.1.1999 den Krankenkassen und deren Ver- neu geregelt worden. bänden zuständig ist. Ende 1997 nahmen in Nieder- sachsen 11.076 Ärzte an der ver- Die Heilmittelversorgung umfasst tragsärztlichen und 4.679 Vertrags- im wesentlichen die Arbeit der Mas- zahnärzte einschließlich der Fach- seure, medizinischen Bademeister zahnärzte für Kieferorthopädie an und Physiotherapeuten, während der vertragszahnärztlichen Versor- im Hilfsmittelbereich die Gesund- gung teil. Die Zahl der in diesem Be- heitshandwerke wie Augenoptiker, reich arbeitenden Ärzte und Hörgeräteakustiker, Orthopädie- Zahnärzte in Niedersachsen hat seit und Orthopädieschuhmechaniker Ende 1992 in beiden Bereichen je- sowie Bandagisten tätig sind. weils um über 20% zugenommen: Damals waren nur 9.187 Ärzte und 2. Stationäre Versorgung 3.796 Zahnärzte im ambulanten Die Krankenhäuser in Nieder- Sektor tätig. sachsen bieten ein differenziertes Jeder zugelassene Arzt oder Spektrum vollstationärer, teilsta- Zahnarzt ist Mitglied der Kas- tionärer sowie vor- und nachsta- senärztlichen bzw. Kassenzahnärzt- tionärer Versorgung; auch ambu- lichen Vereinigung Niedersachsen. lante Operationen werden im Rah- Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 99

Struktur der zugelassenen Ärzte nach Fachgebieten

Arztgruppe Teilnehmende Vertragsärzte Angestellte Ermächtigte Ärzte Ärzte Ärzte

Allgemeinärzte 3077 3032 36 9

Praktische Ärzte/Ärzte 1211 1027 171 13

Anästhesisten 294 122 12 160

Augenärzte 468 455 4 9

Chirurgen 523 291 2 230

Frauenärzte 945 827 4 114

HNO-Ärzte 344 324 2 18

Hautärzte 275 261 4 10

Internisten 1546 1229 17 300

Kinderärzte 517 435 6 76

Kinder- und Jugendpsychiater 45 28 0 17

Laborärzte 68 42 0 26

Lungenärzte 17 14 0 3

Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen 68 59 2 7

Nervenärzte/Neurologen/Psychiater 433 337 8 88

Psychotherapeutisch tätige Ärzte 261 188 2 71

Neurochirurgen 29 15 0 14

Orthopäden 386 354 1 31

Pathologen 45 23 3 19

Radiologen 238 154 9 75

Nuklearmediziner 33 27 1 5

Urologen 240 211 0 29

Übrige Arztgruppen 13 7 0 6

Summe Arztgruppen 11076 9462 284 1330

Quelle: Strukturanalyse der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen 100 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem men der Krankenhausbehandlung tungen, die dazu dienen, Krankheit durchgeführt. vorzubeugen oder eine Krankheit Zum 1.1.1998 waren in den Kran- zu heilen, ihre Verschlimmerung zu kenhausplan des Landes Nieder- verhüten oder Krankheitsbeschwer- sachsen 202 Krankenhäuser mit zu- den zu lindern oder im Anschluss an sammen 48.934 Betten aufgenom- eine Krankenhausbehandlung den men. Hierzu gehören auch 10 Lan- dabei erzielten Behandlungserfolg deskrankenhäuser sowie die beiden zu sichern, um so Behinderung und Universitätskliniken in Göttingen Pflegebedürftigkeit vorzubeugen und Hannover. oder ihr zu begegnen. Das Land Niedersachsen weist in Sie sind daher eine wichtige Er- den alten Bundesländern – gemes- gänzung zur oben beschrieben sen an der Einwohnerzahl – die ge- Akut-Behandlung. ringste Versorgungsdichte mit Bet- Niedersachsen verfügt seit jeher ten auf; dies ist auch darauf zurück- aufgrund seiner besonderen, auch zuführen, dass seit 1993 insgesamt heilklimatischen Bedingungen mit über 4.500 Betten abgebaut wor- seinen 47 Heilbädern und Kurorten den sind, um so rationellen Mittel- über einen hohen Anteil an ambu- einsatz im stationären Sektor zu er- lanten und stationären Institutio- reichen. nen im Bereich von Vorsorge und Insgesamt befinden sich 82 Häu- Rehabilitation. Allein im stationä- ser in öffentlicher und dabei zu- ren Sektor existierten Mitte 1996 meist kommunaler Hand; 79 Kran- noch 165 Einrichtungen mit insge- kenhäuser haben freigemeinnützi- samt 20.145 Betten; hiervon be- ge und 41 Krankenhäuser private saßen 129 Häuser mit 16.047 Bet- Träger. Freigemeinnützige Träger ten einen Versorgungsvertrag mit sind Kirchen oder gemeinnützige den Krankenkassenverbänden in Verbände wie z. B. das Deutsche Niedersachsen. Rote Kreuz. Das Land fördert den Speziell das am 1.1.1997 in Kraft Investitionsaufwand in den sog. getretene sog. „Wachstums- und Plankrankenhäusern nach Maßgabe Beschäftigungsförderungsgesetz“ des Niedersächsischen Kranken- hat mit seinen Kürzungen bei den hausgesetzes. Gesamtausgaben in diesem Bereich und seinen leistungsrechtlichen Ein- 3. Vorsorge- und schnitten zu massiven Nachfrage- Rehabilitationseinrichtungen einbrüchen und damit der Schlie- Vorsorge- und Rehabilitationsein- ßung von Einrichtungen geführt. richtungen sind stationäre Einrich- So hatten im Mai 1998 nur noch 105 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 101

Die Krankenhausstruktur in Niedersachsen

Regierungsbezirke Land Niedersachsen

Fachrichtungen Braunschweig Hannover Lüneburg Weser-Ems

Somatisch

Augenheilkunde 180 199 54 206 639

Chirurgie 2817 3450 2214 3550 12031

Frauenheilkunde und Geburtshilfe 1093 1155 720 1597 4565

davon Frauenheilkunde 685 713 401 929 2728

davon Geburtshilfe 408 442 319 668 1837

HNO-Heilkunde 307 367 206 429 1309

Haut- und Geschlechtskrankheiten 89 109 31 188 417

Herzchirurgie 75 82 56 123 336

Innere Medizin 3692 4545 2697 4399 15333

Kinderchirurgie 22 111 10 143

Kinderheilkunde 388 496 261 672 1817

Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 89 84 24 84 281

Neurochirurgie 172 229 271 271 672

Neurologie 299 701 414 569 1983

Nuklearmedizin 14 25 24 15 78

Orthopädie 330 488 539 611 1968

Plastische Chirurgie 20 111 18 149

Strahlentherapie 89 58 84 109 340

Urologie 357 429 262 429 1477

Zwischensumme 1 10033 12639 7586 13280 43538

Psychiatrisch

Kinder- und Jugendpsychiatrie 91 170 40 219 520

Psychiatrie und Psychotherapie 1379 1446 696 1355 4876

Psychotherapeutische Medizin

Zwischensumme 2 1470 1616 736 1574 5396

Summe 11503 14255 8322 14854 48934

Quelle: Niedersächsischer Krankenhausplan Stand: 1. Januar 1998 (13. Fortschreibung). 102 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

Einrichtungen mit 13.737 Betten ei- 4. Gesundheits- und nen entsprechenden Versorgungs- sozialpflegerische Dienste vertrag. In Niedersachsen besteht über In den Heilbädern und Kurorten die bereits beschriebenen Bereiche sind nach den Schätzungen des Heil- der medizinischen Versorgung hin- bäderverbandes Niedersachsen auf- aus ein vielfältiges Angebot an Ge- grund der beschriebenen Maßnah- sundheits- und sozialpflegerischen men weit über 10.000 Arbeitsplätze Diensten. Insbesondere nach dem verlorengegangen. Die betroffenen Inkrafttreten des Pflegeversiche- Kommunen, die Einrichtungsträger, rungsgesetzes hat sich hier eine aber auch das Land versuchen, die- neue Struktur der Versorgung her- ser Krise durch ein differenziertes ausgebildet, die sich derzeit dyna- Maßnahmebündel zu begegnen. misch entwickelt. Ingo Werner Wirtschaft

Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

Niedersachsen ist reich an natürli- durch einen eher zufälligen Ölfund chen Bodenschätzen. Diese können, im Jahr 1859 in Wietze ausgelöst, abgesehen von den ergiebigen wo ein Besuch des Deutschen Erdöl- Grundwasservorkommen des Lan- museums heute noch einen guten des, in die Energierohstoffe Erdöl, Eindruck von den Arbeits- und Le- Erdgas, Kohle und Ölschiefer sowie bensverhältnisse in der Heide vor eine große Vielzahl unterschiedli- der Ölförderung, während ihres cher mineralischer Rohstoffe und Höhepunkts und danach vermittelt. Torf eingeteilt werden. Die förderstärksten niedersächsi- schen Erdölfelder wurden zwischen Energierohstoffe 1940 und 1960 entdeckt: Emlich- heim und Georgsdorf 1944, Rühle Erdöl und Erdgas und Scheerhorn 1949, Hankensbüt- Niedersachsen ist bei der inländi- tel 1954 und Bramberge 1958. In schen Erdöl- und Erdgasproduktion den Jahren ab 1960 wurden mit in Deutschland das führende Bun- Meppen (1960), Ölheim-Süd (1968), desland: 67 % des in Deutschland Groß-Lessen (1969) und Sulingen- geförderten Erdöls und 85 % des Valendis (1973) noch einige größere Erdgases stammen aus niedersächsi- Ölvorkommen gefunden. Danach schen Lagerstätten. Zumindest beim gab es nur noch einige kleinere Fun- Erdgas wird Niedersachsen in den de. Die heute in den Erdölfeldern kommenden Jahren diese Position niedergebrachten Bohrungen die- halten, da fast 90 % der nachgewie- nen nicht mehr der Suche nach neu- senen Erdgasreserven in Nieder- em Öl, sondern der verbesserten sachsen liegen. und schnelleren Ausbeute der be- Bereits im Jahr 1546 beschrieb reits bekannten Reserven. Die Aus- Agricola die Nutzung von Erdöl, das sichten, bisher unentdeckt geblie- aus natürlichen Austritten in Teer- bene Erdölfelder zu finden, sind kuhlen bei Braunschweig und Hä- nicht sehr hoch. Die höffigsten Ge- nigsen abgeschöpft wurde. Damit biete liegen nicht auf dem Festland, ist dokumentiert, dass diese Region sondern vor der Küste. zu den ältesten bekannten Erdölge- Der erste Erdgasfund war eben- bieten Europas gehört. Die gezielte falls nicht das Ergebnis einer geziel- Bohrtätigkeit auf Erdöl begann ten Erdgasexploration, sondern Zu- aber erst viel später. Sie wurde fall: Im Jahr 1910 stieß eine Wasser- 104 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

Verbreitung der niedersächsischen Erdöl- und Erdgasfelder

Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf 105 bohrung der Hamburger Gaswerke (1980), Siedenburg/Staffhorst in einer Tiefe von 240 m unvorberei- (1963), Hemsbünde (1986), Visbeck tet auf ein Erdgasvorkommen. Es (1963), Hengstlage (1963), Golden- kam zu einem starken Gasausbruch stedt/Oythe (1959), Klosterseelte/ mit einer Explosion. Die „Flamme Kirchseelte (1985) und Mulmshorn/ von Neuengamme“ konnte erst Borchel (1984). Der neueste Erdgas- nach mehreren Tagen unter Kon- fund wurde 1992 in Völkersen bei trolle gebracht werden. Verden erzielt. Er zeigt, dass die Su- Auch die Bohrung Norddeutsch- che nach Erdgas in Niedersachsen land 1, mit der im Jahr 1938 das ers- noch Erfolg versprechend ist. Zur- te Erdgasvorkommen bei Bentheim zeit fallen insbesondere im Dreieck entdeckt wurde, war von der Ziel- zwischen Hannover, Hamburg und setzung her keine Erdgasbohrung. Bremen die nachts hell erleuchteten Sie sollte eine vermutete Erdöllager- Bohranlagen auf, die für jeweils et- stätte erschließen, hatte aber bei Er- wa sechs Monate auf ihren Lokatio- reichen des Zielhorizontes einen nen stehen und in dieser Zeit die et- schweren Gasausbruch. Nachdem wa 5.000 m tiefen Erdgassonden eine zweite Bohrung und eine Gas- fertig stellen. Die Abbildung zeigt leitung zu den Chemischen Werken die Verbreitung der niedersächsi- Hüls fertig gestellt war, wurde 1942 schen Erdöl- und Erdgasfelder. die regelmäßige Gasproduktion in Die überwiegend in Niedersach- Bad Bentheim aufgenommen. sen ansässige deutsche Erdöl- und Erst danach setzte die gezielte Erdgasindustrie beschäftigt zusam- Erdgasexploration ein. Zwischen men mit der Zulieferindustrie etwa dem überwiegend in Sachsen-An- 20.000 Mitarbeiter. In Niedersach- halt liegenden Erdgasfeld Salzwe- sen wurden auch neue Technologi- del-Peckensen im Osten und dem en für die Erdgasexploration und niederländischen Feld Groningen Fördertechnik entwickelt, die inzwi- wurden viele große und kleine Erd- schen weltweit für die Erschließung gasfelder entdeckt, die eine Steige- tief liegender Erdgaslagerstätten in rung der niedersächsischen Erdgas- geringdurchlässigen Gesteinen ein- produktion auf fast 20 Milliarden gesetzt werden. Jährlich werden Kubikmeter im Jahr 1998 erlaubten. knapp 2 Millionen Tonnen Erdöl Mit dieser Produktion steuert Nie- und fast 20 Milliarden Kubikmeter dersachsen etwa ein Fünftel des Erdgas gefördert. Aus der Erdgas- deutschen Erdgasverbrauchs bei. aufbereitung von Sauergas in Süd- Die förderstärksten Erdgasfelder oldenburg kommen noch etwa 1 sind zurzeit Söhlingen (Fundjahr Million Tonnen Schwefel hinzu, die 1980), Bötersen (1987), Hemmelte in der Chemischen Industrie weiter 106 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf verarbeitet werden. Auf die gesam- des Teutoburger Waldes zwischen te Produktion wurden im Jahr 1997 Georgsmarienhütte und Borgholz- in Niedersachsen etwa 278 Millio- hausen, bei Bohmte, in der Schaum- nen DM an Förderzins und Feldes- burg-Lippeschen Kreidemulde, am abgaben entrichtet. Das einheimi- Deister sowie im hatte in sche Erdöl und das Erdgas sind da- Niedersachsen eine lange Tradition, mit einer der bedeutendsten Wirt- ehe als letzter Gewinnungsbetrieb schaftsfaktoren für das Land Nie- Schacht Kronprinz bei Borgloh 1963 dersachsen. stillgelegt wurde. Noch vorhandene Restvorräte haben in übersehbaren Kohle Zeiträumen keine wirtschaftliche Volkswirtschaftliche Bedeutung Bedeutung mehr. hat derzeit nur noch die Braun- kohlelagerstätte bei Helmstedt, wo Ölschiefer die Braunkohle in zwei von einem Im Raum Braunschweig, bei Salzstock getrennten Mulden abge- Schandelah-Flechtorf und Hondela- lagert ist. Zwei Flözgruppen fallen ge-Wendhausen, sind in Ober- von den Muldenrändern zum tief- flächennähe große Lagerstätten sten Punkt der Mulden hin ein und von Ölschiefern nachgewiesen wor- sind am Salzstock steil aufgerichtet. den, die als bitumenhaltige Ton- Im Tagebau Helmstedt wird die und Mergelsteine zur Stromerzeu- Kohle der Hangenden Flözgruppe gung verbrannt oder zur Herstel- bis voraussichtlich Ende 2001 abge- lung von Schieferölen verschwelt baut. Kohle der Liegenden Flöz- werden können. Der gewinnbare gruppe wird im Tagebau Schönin- Schieferöl-Inhalt der niedersächsi- gen gewonnen, die Vorräte reichen schen Lagerstätten beträgt mit 150- hier wahrscheinlich noch bis zum 180 Mio. t mehr als das 5-fache der Jahr 2017. Die Braunkohle im Helm- in Niedersachen noch vorhandenen stedter Revier wird ausschließlich Erdölreserven. Ölschiefer wird in zur Stromerzeugung in den beiden Niedersachsen zurzeit nicht abge- Kraftwerken Offleben und Busch- baut. Eine wirtschaftliche Verwer- haus eingesetzt. Im Jahr 1997 wur- tung, gleich in welcher Form, ist ab- den rund 3,9 Millionen Tonnen Roh- hängig von der Entwicklung der braunkohle gefördert und daraus Energiepreise auf dem Weltmarkt. etwa 4,6 Mio. MWh elektrische En- ergie in den Kraftwerken erzeugt. Mineralische Rohstoffe Der untertägige Abbau von An- Von herausragender Bedeutung thrazit am Piesberg bei Osnabrück sind die sog. Steine und Erden-Roh- und von Steinkohle am Nordrand stoffe, deren verbrauchernahe Ver- Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf 107 fügbarkeit vor allem Anteile der verschiedenen Steine und für die Bau- und Bau- Erden-Rohstoffe an der Gesamtproduktion stoffindustrie und da- in Niedersachsen mit für die gesamte wirtschaftliche Ent- wicklung des Landes ei- nen wichtigen Stan- dortfaktor darstellt. Zu diesen im Tage- bau gewonnenen Roh- stoffen zählen Kiese und Sande, verwitte- rungsbeständige Na- tursteine, Tone, Kalk-, Dolomit- und Mergel- Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung steine sowie Gipsstein. Die Anteile der verschiedenen lich ab. Meist nur regionale Bedeu- Steine und Erden-Rohstoffe an der tung haben örtliche Kiesanreiche- Gesamtproduktion von mehr als rungen vor allem in den Stauch- 70 Millionen Tonnen pro Jahr sind moränen des norddeutschen Tief- der Abbildung zu entnehmen. Nie- landes. Grundsätzlich bleibt festzu- dersachsen verfügt ferner über Roh- stellen, dass die Vorkommen hoch- stoffe für die Herstellung von Spe- wertiger Kiese für die Betonher- zialprodukten sowie Erz- und Salzla- stellung weitgehend auf das südli- gerstätten. che Niedersachsen beschränkt sind (vgl. Abb. Verbreitung der Kies- und Steine und Erden Sandlagerstätten in Niedersachsen) Kiese und Sande sind in Nieder- und eine Versorgungsfunktion für sachsen mengenmäßig die wichtig- die übrigen Landesteile haben. Die sten Massenrohstoffe und werden teilweise sehr großflächigen Sand- pro Jahr in einer Größenordnung vorkommen unterschiedlicher Qua- von etwa 50 Millionen Tonnen lität im nördlich anschließenden benötigt. Kieslagerstätten sind be- Tiefland weisen überwiegend Kies- vorzugt an die Flussläufe von Weser, gehalte von weniger als 10 Mas- Leine, Oker sowie Innerste, Oder, sen-% auf. Erwähnenswert sind fer- Sieber und Rhume gebunden. Der ner Lagerstätten von hochreinen Kiesanteil in den Terrassensedimen- kreide- und tertiärzeitlichen Quarz- ten der Flüsse nimmt generell vom sanden vor allem im Raum Helm- Oberlauf zum Mittellauf kontinuier- stedt und südlich von Hildesheim 108 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

(Duingen), die als Industriesande im Harz auf. Niedersachsen ist zur unter anderem von der Glasindu- Deckung seines jährlichen Bedarfs strie als Rohstoffe verwendet wer- von mehr als 12 Mio. t an diesen den. Rohstoffen auf Zulieferungen aus Als Natursteine für den Verkehrs- anderen Bundes- und EU-Ländern wege-, Beton- und Wasserbau, de- in einer Größenodnung von etwa ren Vorkommen auf das Bergland 20 % angewiesen. begrenzt sind, eignen sich verschie- Im Gegensatz zu früher ist die dene Karbonatgesteine, Sandsteine einheimische Gewinnung von Roh- mit kieseligem Bindemittel sowie stoffen für die Herstellung von die nur lokal vorhandenen magma- Naturwerksteinen auf wenige, op- tischen Gesteine Basalt, Diabas und tisch ansprechende und in großen Gabbro. Die beiden letztgenannten Blöcken anfallende Gesteine be- Gesteinstypen treten ausschließlich grenzt.

Verbreitung der Kies- und Sandlagerstätten in Niedersachsen

Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf 109

Rohstoffe der Ziegelindustrie abgebaut, wo die niedersächsische sind verschiedenartige Tongesteine, Zementindustrie konzentriert ist. daneben werden unterschiedliche Ein Zementwerk bei Göttingen hat Mengen (durchschnittlich ca. 10 %) im Jahr 1998 die eigene Produktion Sande zum Abmagern der Ziegel- von Portlandzementklinkern, die massen benötigt. Besonders hoch- das Ausgangsmaterial für die ver- wertige Ziegeltone, die zur Herstel- schieden Zementsorten sind, einge- lung von Vormauerziegeln, Klin- stellt und verarbeitet Klinker aus kern und Dachziegeln geeignet Hannover. Da der Zementverbrauch sind, finden sich im Raum Olden- in Niedersachsen deutlich höher als burg, Friesland, Osnabrück, Hanno- die Produktion ist, wird Zement be- ver, Hildesheim und Göttingen. Ton- sonders aus Nordrhein-Westfalen, rohstoffe für die Erzeugung von aber auch aus anderen Bundeslän- Hintermauersteinen sind aufgrund dern, Polen und Tschechien einge- geringerer Qualitätsanforderungen führt. häufiger und weiter verbreitet. Gipssteine werden zu Spezialgip- Hochwertige Kalk- und Dolomit- sen und zu Baugipsen bzw. Baugips- steine, die im südöstlichen Nieder- produkten verarbeitet, daneben sachsen vorkommen, sowie die dar- sind sie in der Zementindustrie zur aus hergestellten Produkte sind für Regelung der Erstarrungszeiten des Industrie, Land- und Forstwirtschaft Betons unentbehrlich. Wirtschaftli- und den Umweltschutz wichtige che Bedeutung haben vor allem die Grundstoffe. Sie haben ein breites Gipslagerstätten am südlichen Harz- Einsatzspektrum im Baugewerbe, in rand, bei Stadtoldendorf und der Baustoffindustrie, in der Chemi- Weenzen/Hils. Niedersächsische Fir- schen Industrie und werden u. a. für men, die ihren Sitz im Landkreis die Herstellung von Eisen und Stahl, Osterode haben, erzeugen etwa Zucker, Glas, Feinkeramik, Zellstoff, 80 % der in Deutschland herge- Papier, Futter- und Düngemitteln stellten Spezialgipse, insbesondere sowie darüber hinaus in der Abgas- Formgipse. Der größte Teil wird von und Wasserreinigung eingesetzt. der deutschen feinkeramischen In- Sehr reine Kalksteine, die für alle dustrie verbraucht, aber auch z. B. Verwendungen geeignet sind, wer- für die Dachziegelherstellung, Me- den bei Bad Grund im Harz gewon- dizintechnik, Gießereiindustrie und nen. Gummiindustrie. Etwa 25 % der in Für die Herstellung von Zement Niedersachsen hergestellten Spezi- werden die in großen Mengen algipse werden in mehr als 60 Län- benötigten Kalk- und Kalkmergel- der exportiert und haben weltweit steine nur noch im Raum Hannover eine führende Stellung. 110 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

Rohstoffe für phaltkalkstein wird zu besonders die Herstellung von verschleißfesten Fußbodenplatten Spezialprodukten verarbeitet.

Größere Kieselgurlagerstätten Erze finden sich in Deutschland nur in Eisenerze werden in Niedersach- der Lüneburger Heide in der Umge- sen wegen der Konkurrenz zu den bung von Munster. Die Gewinnung preisgünstigen Importerzen nicht und Verarbeitung der Kieselgur, die mehr abgebaut. Die letzte von ehe- zur Herstellung von Filtern und als mals mehr als 20 betriebenen Gru- Hilfsstoff vor allem in der Nahrungs- ben wurde im Jahre 1982 geschlos- mittelindustrie und Chemischen In- sen. In Niedersachsen noch vorhan- dustrie verwendet wird, mußte im dene, mengenmäßig nicht unbe- Jahr 1994 wegen der hohen Gewin- trächtliche Eisenerzvorkommen (ca. nungs- und Aufbereitungskosten 2 Mrd. t Erz mit 30 % bis 40 % Fe, aufgegeben werden. Im niedersäch- d. h. ca. 700 Mio. t Eiseninhalt) stel- sischen Küstengebiet bei Varel und len somit eine Zukunftsreserve dar. Cuxhaven wurden Schwermineral- Die im Harz bei Bad Grund und sande nachgewiesen, doch sind sie Goslar noch vorhandenen Buntme- aufgrund der zur Zeit niedrigen tallerzvorräte mit kumulativen Me- Weltmarktpreise für die darin ent- tallgehalten (Blei, Zink und Kupfer) haltenen Wertminerale nicht wirt- zwischen 10 % und 30 % im Reich- schaftlich gewinnbar. Spezielle Tone erz sind aus heutiger Sicht unbedeu- werden von einem Werk im Land- tend und betragen nur noch wenige kreis Cuxhaven abgebaut und zu Millionen t. Ein Abbau dieser nur Blähton verarbeitet, der zur Herstel- unter schwierigen Bedingungen ge- lung von Leichtbeton und als Pflan- winnbaren Vorkommen ist auch zensubstrat verwendet wird. Als zukünftig nicht zu erwarten. hochwertiger Füllstoff für die Farb-, Lack- und Papierindustrie und ande- Salz re Verwendungen wird Schwerspat Der Untergrund Niedersachsens (Bariumsulfat) bei Bad Lauterberg ist reich an Salzvorkommen, wobei im Südharz untertägig gewonnen. insbesondere die Salzstrukturen In der einzigen untertägigen As- (Salzkissen, Salzstöcke) eine große phaltkalk-Grube Europas bei Holzen wirtschaftliche Bedeutung für den im Ith werden seit Anfang des Jahr- Kali- und Steinsalzbergbau, die in- hunderts mit Asphalt imprägnierte dustrielle Soleproduktion im Tief- Kalksteine abgebaut. Der zusätzlich solverfahren und den Kavernenbau mit Fremdbitumen versetzte As- zur Speicherung von gasförmigen Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf 111 und flüssigen Energieträgern und der Gesamtproduktion wird ins eu- Produkten haben. Die Nutzung der ropäische Ausland und sogar nach Salzlagerstätten durch Bergwerke Übersee geliefert. Dabei überwie- ist im Wesentlichen auf den Raum gen hochwertige Kultursubstrate, Braunschweig-Hannover wegen der die fast ausschließlich im Erwerbs- begrenzten Verbreitung abbauwür- gartenbau verwendet werden. Torf diger Kalisalzvorkommen konzen- wird bei Blumenerden, im Hobbybe- triert. Die hohen Kosten des kon- reich und im Garten- und Land- ventionellen Abbaus in den kompli- schaftsbau inzwischen durch Kom- ziert gebauten niedersächsischen post und andere organische Kom- Lagerstätten sowie die weitgehen- ponenten so weit wie möglich sub- de Erschöpfung vieler Vorkommen stituiert. Aufgrund der spezifischen haben bereits zur Stilllegung zahl- Anforderungen an Kultursubstrate reicher Kali- und Steinsalzbergwer- für den Erwerbsgartenbau ist ein Er- ke geführt. Dieser Trend wird sich satz von Torf durch Kompost bei vermutlich fortsetzen. Wachsende diesen Produkten bisher weitge- Bedeutung kommt hingegen der hend ausgeschlossen. Der Torfab- Steinsalzgewinnung im Tiefsolver- bau erfolgt in der Regel auf land- fahren zu. Mit diesem Verfahren wirtschaftlich genutzten, bereits werden mit Schwerpunkt in Nord- entwässerten Flächen und nicht in niedersachsen große Mengen Stein- Gebieten mit intakter Hochmoorve- salz als Grundstoff für die Chemi- getation. Inzwischen werden die sche Industrie und die Lebensmittel- Abbauflächen nach der Abtorfung industrie gewonnen. überwiegend wiedervernässt, mit dem Ergebnis, dass sich bereits nach Torf relativ kurzen Zeiträumen aus Na- Von großer Bedeutung ist die in turschutzsicht sehr wertvolle, schüt- Deutschland überwiegend auf Nie- zenswerte Biotope in den ehemali- dersachsen konzentrierte Torf- und gen Abbaubereichen entwickeln. Humuswirtschaft mit fast 100 Be- trieben. Grundlage dieser Industrie Probleme bei der sind die im niedersächsischen Tief- Versorgung mit land weit verbreiteten Hochmoor- oberflächennahen torf-Lagerstätten. Niedermoortorfe, Rohstoffen die meist durch Verlandung von Seen oder Altläufen von Flüssen Bei ausschließlich rohstoffgeolo- entstehen, werden nur in geringem gischer Sichtweise ist das in Nieder- Umfang für balneologische Zwecke sachsen vorhandene Potential an abgebaut. Ein erheblicher Anteil hochwertigen mineralischen Mas- 112 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf senrohstoffen (Steine und Erden) von Steinbrüchen entgegensteht. für die Versorgung der Bauindustrie Grundsätzlich ergeben sich bei der sowie an Torf als Rohstoffbasis für Nutzung aller oberflächennahen die Torf- und Humuswirtschaft auch Rohstoffe vergleichbare Probleme, langfristig ausreichend. Der Abbau die auch durch verstärkte Importe dieser oberflächennahen Rohstoffe von Massenrohstoffen nicht befrie- ist immer mit einem Eingriff in den digend gelöst werden können. Die begrenzten Naturraum verbunden zur einheimischen Versorgung not- und steht damit häufig im Wider- wendigen Rohstoffe würden dann spruch zu anderen berechtigten lediglich anderenorts abgebaut und Nutzungsinteressen, was zuneh- die notwendigen Eingriffe außer- mend zu schwer lösbaren Konflik- halb der Landesgrenzen erfolgen. ten sowie zu Versorgungsengpässen Hinzu kämen aufgrund der größe- bei einzelnen Rohstoffen führt. Bei- ren Transportentfernungen erhebli- spielsweise sind die Flusstäler mit che zusätzliche Verkehrsbelastun- den wichtigsten Kieslagerstätten gen und Immissionen, Preissteige- gleichzeitig die Hauptsiedlungs- rungen für die Verbraucher, Verlu- räume im Bergland und werden für ste an Arbeitsplätzen und eine Ver- die Verkehrsinfrastruktur genutzt. ringerung der Bruttowertschöp- Große Flächenanteile mit hochwer- fung. tigen Kiesvorkommen werden auch Die langfristige Sicherung der für die Trinkwassergewinnung be- einheimischen Rohstoffversorgung ansprucht, andere Teilräume sind kann deshalb nur durch die Raum- für den Naturschutz von besonde- ordnung und Landesplanung sicher- rem Wert. gestellt werden, indem wertvolle Auch ein verstärkter Einsatz von Lagerstätten durch verbindliche pla- gebrochenen Hartsteinen als Kieser- nerische Festlegungen von anderen satz ist kaum realisierbar. Die ver- Nutzungen, die einen Rohstoffab- witterungsresistenten Festgesteine bau erschweren oder verhindern, bilden fast immer die Kammlagen frei gehalten werden. Hierzu erar- der Mittelgebirge und größere Ein- beitet das Niedersächsische Landes- griffe durch den Gesteinsabbau amt für Bodenforschung in Hanno- können vor allem das Landschafts- ver die geowissenschaftlichen und bild weit sichtbar und teilweise irre- rohstoffwirtschaftlichen Grundla- versibel beeinträchtigen, was in der gen. Praxis der Genehmigungsfähigkeit Michael Kosinowski und Alfred Langer Internationale Verflechtungen

Im Zuge der zunehmenden einheimischen, aber auch ausländi- Internationalisierung wirtschaftli- schen Märkten ihren Absatz finden. cher Aktivitäten eröffnen sich für Gelingt dies nicht, werden sich die die niedersächsische Wirtschaft so- niedersächsischen Unternehmen wohl Chancen als auch Risiken. nur schwer gegen die Konkurrenz Chancen, wenn es niedersächsi- aus dem In- und Ausland behaupten schen Unternehmen gelingt, z. B. und den aktuellen Beschäftigungs- über verstärkte Exportaktivitäten, stand auf dem derzeitig hohen Ein- Impulse für die Ausweitung der Ka- kommensniveau beibehalten kön- pazitäten und Sicherung oder gar nen. Ausbau von Arbeitsplätzen aufzu- Vor diesem Hintergrund werden nehmen. Eine wesentliche Voraus- in diesem Kapitel die Entwicklung, setzung ist, dass die Unternehmen Struktur und regionale Ausrichtung international wettbewerbsfähige der Exportaktivitäten sowie auslän- Produkte herstellen, die auf den discher Direktinvestitionen in und

Ausfuhr nach Bundesländern

Anteil an den gesamten Ausfuhren des Bundesgebietes (alt) in %

Bundesland: 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996

Schleswig-Holstein 1,9 2,1 2,3 2 2,2 2,1 2,3 2,2 2,3

Hamburg 2,7 2,8 2,9 2,3 2,1 2,1 2,2 2,3 3,1

Niedersachsen 10,2 9,9 9,6 9,6 9,2 9,8 10,5 9,5 8,8

Bremen 1,4 1,5 1,8 1,8 1,9 2,2 2,4 2,6 2,2

Nordrhein-Westfalen 31,3 30,1 29,8 29 29,1 28,1 27,2 26,6 26,3

Hessen 8,7 8,4 8,5 8,3 7,9 7,9 7,9 8,2 7,7

Rheinland-Pfalz 6,7 7 6,4 6,1 6,4 6,4 6,2 6 6,0

Baden-Württemberg 18,5 18,7 18,6 19,9 19,8 19,8 19,7 20,4 20,9

Bayern 14,7 15,7 16,3 17,1 17,5 17,8 17,7 18,4 18,8

Saarland 2,3 2,2 2,1 1,9 2 1,9 2 1,9 1,8

Berlin (West) 1,7 1,7 1,8 2 1,8 1,9 2 1,9 2,0

Bundesgebiet (alt) 100 100 100 100 100 100 100 100 100

Quelle: NIW 1997, Statistisches Bundesamt 1998. 114 Wirtschaft – Internationale Verflechtungen aus Niedersachsen analysiert, um verringerte sich der Anteil bis 1994 Anhaltspunkte über die internatio- auf rund 1 %. Der niedrige Welt- nale Wettbewerbsfähigkeit der nie- handelsanteil Niedersachsens darf dersächsischen Wirtschaft zu erhal- aber nicht darüber hinweg täu- ten. schen, dass niedersächsische Unter- nehmen dennoch sehr stark in den Entwicklung, Struktur und Welthandel eingebunden sind. Die regionale Ausrichtung Exportquote Niedersachsens, der niedersächsischer Exporte Anteil der Ausfuhren in Prozent des Produktionswertes, lag 1994 bei Die Entwicklung der niedersächsi- 36 %, der Auslandsumsatzanteil schen Ausfuhren in den 80er- und (Anteil des Auslandsumsatzes in 90er-Jahren ist von einem Abwärts- Prozent des Gesamtumsatzes) 1995 trend geprägt. Zwar hat sich der bei 30,3 %. Wert der aus Niedersachsen ausge- Die sehr ungünstige Ausfuhrent- führten Waren von 30 Mrd. DM im wicklung zwischen 1992 und 1994 Jahr 1980 auf 55 Mrd. DM im Jahr ist vor allem auf die massiven 1996 nahezu verdoppelt. Gemessen Absatzeinbußen des Automobil- an den Anteilen Niedersachsens an baus zurückzuführen. Darin spiegelt den Ausfuhren des Altbundesgebie- sich eine strukturelle Schwäche der tes und den weltweiten Ausfuhren niedersächsischen Exportwirtschaft ist seine Bedeutung deutlich zurück- wider, die wenig diversifiziert ist. gegangen. Allein auf die Straßenfahrzeuge In den 80er-Jahren lag der Anteil entfiel 1995 ein Anteil von 31,3 % Niedersachsens an den Ausfuhren aller niedersächsischen Industriegü- des Altbundesgebietes konstant terexporte. Mit deutlichem Abstand zwischen 9 und 10 %. Nach dem folgen Erzeugnisse des Maschinen- Höchstwert in 1992 von 10,5 %, der baus (11,7 %), der Chemischen In- unmittelbar mit der Öffnung Mittel- dustrie (10,6%), der Elektrotechnik und Osteuropas und der relativ gu- (9,9 %) und der Nahrungs- und ten Positionierung der niedersäch- Genussmittelindustrie (7,7 %). Die sischen Unternehmen zusammen- Stärken und Schwächen der nieder- hing, sank er jedoch auf 9,5 % in sächsischen Exportwirtschaft lassen 1995 und auf 8,8 % in 1996. Auch sich am besten an den Welthandels- die Bedeutung Niedersachsens im anteilen bestimmter Produktgrup- Welthandel hat sich vor allem ab pen verdeutlichen. Spezialisierungs- 1992 verringert. Betrug Niedersach- vorteile der niedersächsischen Ex- sens Anteil an den Ausfuhren der portwirtschaft bestehen bei Stra- gesamten Welt 1992 rund 1,2 %, ßenfahrzeugen, in der Gummi- und Wirtschaft – Internationale Verflechtungen 115

Welthandelsanteile Niedersachsens und Deutschlands für Produktgruppen und ausgewählte Produkte

Welthandelsanteile in %

Produktgruppen und Anteil der Anteil Nds. an ausgewählte Produkte Sektoren an den Ausfuhren Deutschland Niedersachsen der nds. Ausfuhr Deutschlands in % in %

Nahrungsmittel u. lebende Tiere 7,8 14,5 6,7 1,0

Getränke und Tabak 0,8 8,5 8,1 0,7

Rohstoffe 1,7 7,1 5,3 0,4

Mineral. Brennstoffe, Schmiermittel u. verwandte Erzeugnisse 3,0 20,8 2,0 0,4

Tierische u. pflanzliche Öle, Fette u. Wachse 0,3 7,6 9,2 0,7

Chemische Erzeugnisse 11,5 6,8 16,9 1,1

Medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse 0,6 2,2 16,1 0,4

Bearbeitete Waren, vorwiegend nach Beschaffenheit gegliedert 16,0 7,9 12,7 1,0

Gummiwaren 1,9 9,3 19,1 1,8

Maschinenbau-, elektrotechnische Erzeugnisse u. Fahrzeuge 48,9 7,9 14,9 1,2

Kraftmaschinen und -ausrüstungen 3,2 8,9 13,2 1,2

Büro- und EDV-Maschinen 0,3 1,1 5,6 0,1

Geräte für Nachrichtentechnik, Video- u. Audiogeräte 1,8 6,6 7,6 0,5

Straßenfahrzeuge 27,2 13,4 19,2 2,6

Verschiedene Fertigwaren 7,5 5,7 9,0 0,5

Mess-, Prüf- u. Kontrollinstrumente u. -geräte 2,6 8,3 16,5 1,4

Fotografische Apparate, optische Waren 0,5 3,8 10,0 0,4

Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung 1997. 116 Wirtschaft – Internationale Verflechtungen

Papierindustrie und in Teilen der dustrie mit Ausnahme der Kunst- Chemie und Kunststoffverarbei- stofferzeugung Anteilsverluste hin- tung. Die Entwicklung in den einzel- nehmen musste. Besonders positiv nen Produktgruppen verläuft aber hervorzuheben ist die Entwicklung nicht stabil. von Mess-, Prüf- und Kontrollinstru- Der Welthandelsanteil der nie- menten. Niedersächsische Unter- dersächsischen Straßenfahrzeuge ist nehmen konnten ihren Welthan- von 3,6 % im Jahr 1992 auf 2,6 % in delsanteil von 1 % im Jahr 1989 auf 1994 gesunken. Durch das hohe Ge- 1,3 % in 1994 erhöhen. Spezialisie- wicht der Straßenfahrzeugexporte rungsnachteile bestehen in einigen hat dieser Sektor maßgeblich zu Branchen, die im Weltmaßstab den Anteilsverlusten der nieder- durch hohe Forschungs- und Ent- sächsischen Exportwirtschaft bei- wicklungsaktivitäten geprägt sind. getragen. Der Gummi- und der So konnten die Gruppen des Ma- Papierindustrie ist es gelungen, ih- schinenbaus und der Antriebstech- ren Welthandelsanteil (2,2 % bzw. nik sowie der Elektrotechnik ihre 1,8 %) zu halten bzw. leicht auszu- ohnehin geringen Welthandelsan- bauen, während die Chemische In- teile (zwischen 1,3 % und 0,6 %)

Regionale Ausrichtung der niedersächsischen Exporte und Direktinvestitionen 1995

Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung Wirtschaft – Internationale Verflechtungen 117 nicht halten. Fast bedeutungslos europäischen Reformstaaten als sind aus niedersächsischer Sicht Ex- nachteilig. Die niedersächsischen porte von Büro- und ADV-Maschi- Unternehmen konnten trotzdem nen, von Erzeugnissen der Pharma- unter Ausnutzung von Lagevortei- industrie, der Luft- und Raumfahrt- len hohe Exportzuwachsraten erzie- industrie sowie der Optik. len. Ebenso positiv ist die Exportent- Die regionale Ausrichtung der wicklung in die VR China, wo sich niedersächsischen Exporte ist wie im frühzeitiges Engagement auch in Altbundesgebiet auf westliche In- zunehmenden Exportverflechtun- dustrieländer und hier insbesondere gen niederschlägt. auf Länder der Europäischen Union konzentriert. Ausländische 1995 gingen rund 59,5 % der Ex- Direktinvestitionen porte in Länder der EU, 5 % in die in und aus Niedersachsen USA und Kanada sowie 3,2 % nach Die Analyse der Kapitalverflech- Japan. Seit Mitte der 80er-Jahre hat tungen mit dem Ausland kann Hin- sich die Regionalstruktur zugunsten weise zum einen über die Attrakti- von Ländern Mittel- und Osteuropas vität des Standortes Niedersachsen sowie der Volksrepublik China ver- und zum anderen über die interna- lagert. Am stärksten ist der Absatz tionale Wettbewerbsfähigkeit der auf den nordamerikanischen Märk- einheimischen Unternehmen lie- ten zurückgegangen, der bis Mitte fern. Gelingt es, ausländische Unter- der 80er-Jahre noch bei 15 % lag. nehmen anzuziehen, deutet das auf Ausschlaggebend war die Wettbe- Stärken des Standortes hin. Investie- werbsschwäche der niedersächsi- ren einheimische Unternehmen im schen Automobilindustrie, die – be- Ausland, so ist das zunehmend ein günstigt durch den niedrigen US- Signal für eine hohe Exportwett- Dollarkurs – Marktanteile an die bewerbsfähigkeit und für eine an- wiedererstarkte US-Automobilindu- gestrebte Ausweitung von Mark- strie und an japanische und koreani- tanteilen. Nach einer Studie des sche Konkurrenten verloren hat. Im IFO-Instituts (Köddermann/Wilhelm Gegenzug konnten die Absätze in 1996) sind Markterschließung und Mittel- und Osteuropa sowie der VR Diversifizierung, zukünftiges Markt- China deutlich gesteigert werden wachstum sowie Marktpflege und (1995: 4,7 % bzw. 3,4 %). Zwar er- Verteidigung von Marktanteilen weist sich die Angebotsstruktur der Hauptmotive für deutsche Direktin- niedersächsischen Unternehmen in vestitionen im Ausland. Bezug auf die hohe Investitionsgü- Die ausländische Direktinvesti- ternachfrage in den mittel- und ost- tionsbilanz Niedersachsens weist er- 118 Wirtschaft – Internationale Verflechtungen hebliche Internationalisierungsdefi- waren es 1994 nur 6,8 %. Auch die zite auf. Von 1976 bis 1994 ist der Präsenz ausländischer Investoren Bestand niedersächsischer Direktin- lässt zu wünschen übrig. 1994 ent- vestitionen im Ausland von 3 Mrd. fielen nur 6,2 % des ausländischen auf 22 Mrd. DM gestiegen (vgl. Ta- Direktinvestitionsbestandes im Alt- belle Ausländische Direktinvestitio- bundesgebiet auf Niedersachsen nen in und aus Deutschland nach (rund 15 Mrd. DM). Gründe für das Bundesländern). Im Vergleich zum geringe Auslandsengagement nie- Altbundesgebiet war der Anstieg dersächsischer Unternehmen sind unterdurchschnittlich. Waren 1976 nach einer NIW-Studie (Gehrke/ rund 7 % des deutschen Direktinves- Legler u. a. 1997) die Sektorstruktur, titionsbestandes aus Niedersachsen, die geringe Technologieorientie-

Ausländische Direktinvestitionen in und aus Deutschland nach Bundesländern

Bundesland Bestand

deutscher Direktinvestitionen ausländischer Direktinvestitionen im Ausland im Bundesgebiet (alt)

1976 1994 1976 1994

Mrd. DM % Mrd. DM % Mrd. DM % Mrd. DM %

Schleswig – Holstein 0,1 0,2 2,0 0,6 1,0 1,6 3,3 1,4

Hamburg 3,0 7,0 15,7 4,8 11,8 18,6 24,2 10,1

Niedersachsen 3,0 7,0 22,2 6,8 2,7 4,3 14,9 6,2

Bremen 0,2 0,5 1,1 0,3 1,0 1,6 2,1 0,9

Nordrhein – Westfalen 14,2 32,9 81,7 24,9 17,0 26,8 66,5 27,6

Hessen 7,5 17,4 59,0 17,9 11,0 17,3 55,6 23,1

Rheinland – Pfalz 2,9 6,7 19,8 6,0 1,5 2,4 5,7 2,4

Baden – Württemberg 5,2 12,1 45,6 13,9 10,4 16,4 32,8 13,6

Bayern 5,8 13,5 71,2 21,7 4,9 7,7 22,5 9,4

Saarland 0,8 1,9 2,1 0,6 1,4 2,2 2,8 1,2

Berlin (West) 0,4 0,9 8,3 2,5 0,7 1,1 10,2 4,2

Bundesgebiet (alt) 43,1 100 328,7 100 63,5 100 240,6 100

Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung 1997. Wirtschaft – Internationale Verflechtungen 119 rung und der kleine Bestand an Außerhalb der EU sind die USA mit Großunternehmen. Die sektorale 11 % der niedersächsischen Direkt- Zusammensetzung der niedersächsi- investitionsbestände die bevorzug- schen Auslandsinvestitionen wird te Zielregion, wobei der Anteil durch das Verarbeitende Gewerbe deutlich hinter dem des Altbundes- geprägt (1994 = 62 % der Ausland- gebietes von 21 % zurückbleibt. Seit sinvestitionen aller Wirtschaftsbe- Beginn der 90er-Jahre haben sich reiche) und gibt deutlich die Indu- Mittel- und Osteuropa sowie die VR striestruktur des Landes wieder. Der China als wichtige Zielregionen eta- niedersächsische Straßenfahrzeug- bliert. bau, die Kunststoff- und Gummi- Der Anteil niedersächsischer In- industrie sind für den Großteil der vestitionen in diesen Reformlän- Auslandsinvestitionen verantwort- dern hat sich zwischen 1991 und lich. Branchen, die im Bundestrend 1994 von 0,8 % auf 7,3 % erhöht. vergleichsweise stark im Ausland Ebenfalls hoch ist das Engage- engagiert sind, z. B. die Chemische ment niedersächsischer Unterneh- Industrie, die Elektrotechnik, der men, vor allem des Fahrzeugbaus Maschinenbau, sind in Niedersach- und der mit ihr verbundenen Zu- sen als Investoren nur schwach ver- lieferer, in Brasilien und Mexiko treten. Auslandsinvestitionen von (1994: 11,5 % aller niedersächsi- Dienstleistungsbetrieben sind ange- schen Direktinvestitionsbestände). sichts der hohen Bedeutung der In- Besonders schwach sind niedersäch- dustrie im Vergleich zum Altbun- sische Investoren in der asiatisch-pa- desgebiet unterrepräsentiert. 1994 zifischen Wachstumsregion vertre- lag der Anteil der niedersächsischen ten. In Japan, Malaysia, Hongkong, Dienstleistungen an den Ausland- Singapur, Thailand oder Vietnam sinvestitionen bei 29 %, im Altbun- sind niedersächsische Unternehmen desgebiet bei 47 %. Regionaler nur selten anzutreffen. Schwerpunkt niedersächsischer Aus- landsinvestitionen sind westliche In- Es stellt sich die Frage, ob sich das dustrieländer, allen voran Länder bisherige Exportniveau ohne stärke- der EU, die 1994 50 % der nieder- res Engagement wird halten lassen sächsischen Direktinvestitionen auf- können. Denn wie die Regional- nahmen. struktur der niedersächsischen Di- Innerhalb der EU waren Irland als rektinvestitionen zeigt, vollzieht Standort für Finanzdienstleister, sich die Entwicklung der Direktin- Belgien und Spanien als Standorte vestitionsbestände parallel zur Ent- der niedersächsischen Fahrzeugin- wicklung der Exportströme, sodass dustrie die wichtigsten Zielländer. von einer Flankierung der nieder- 120 Wirtschaft – Internationale Verflechtungen sächsischen Ausfuhren durch Direkt- europa sowie in der VR China ist die investitionen gesprochen werden Regionalstruktur der niedersächsi- kann. schen Ausfuhren zu stark auf west- Insgesamt gesehen ist mit Aus- liche Industrieländer konzentriert. nahme des Straßenfahrzeugbaus Die gerade hier für Produkte mittle- und der mit ihm verbundenen Zulie- rer und höherwertiger Technologie ferer die Präsenz niedersächsischer beobachtbare Marktsättigung setzt Unternehmen im Ausland nur sehr niedersächsische Unternehmen zu- schwach ausgeprägt. Auch wenn nehmend einem starken Preiswett- der Straßenfahrzeugbau zur Zeit bewerb aus. Ausfuhren in die durch hohe Wachstumsraten im Ausland die asiatische Währungs- und erzielt, geht die Mehrheit der Prog- Finanzkrise vorübergehend ge- nosen für 1999 von einer Ab- schwächten Wachstumsregionen schwächung aus. Die wenig diversi- Südostasiens bilden die Ausnahme. fizierte und technologisch nicht auf Impulse für eine Neuorientierung Spitzentechnologie ausgerichtete niedersächsischer Exporte durch Exportgüterstruktur birgt die Ge- Auslandsinvestitionen sind nicht zu fahr, dass sich Absatzeinbußen des erwarten, da die Hauptexport- Straßenfahrzeugbaus sofort negativ länder auch die Hauptanlageländer in der niedersächsischen Außenhan- für niedersächsische Unternehmen delsbilanz niederschlagen. Trotz po- darstellen. sitiver Anzeichen in Mittel- und Ost- Javier Revilla Diez Verarbeitendes Gewerbe

Strukturwandel und an Beschäftigung gewinnen konnten diejenigen Industriezwei- Der langfristige sektorale Struk- ge, die in ihrer Produktion relativ turwandel verläuft in Niedersachsen viel Forschung und Entwicklung so- ebenso wie in der Bundesrepublik wie (hoch)qualifiziertes Personal zugunsten des Dienstleistungssek- einsetzten und entsprechend inter- tors und zu Lasten der Produzieren- national wettbewerbsfähige tech- den Bereiche. Im Strukturwandel nologisch hochwertige Produkte der 80er-Jahre entwickelten sich die anbieten konnten (Luft- und Raum- einzelnen Zweige des Verarbeiten- fahrzeugbau, weite Teile des Ma- den Gewerbes dabei aber sehr un- schinenbaus, der Elektroindustrie, terschiedlich. Sich gut behaupten hochwertige Chemie).

Beschäftigtenentwicklung des Produzierenden Gewerbes und der Dienstleistungen in Niedersachsen und im Bundesgebiet (alte Bundesländer) seit Anfang der 80er-Jahre 122 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

Zu den Verlierern des Struktur- den Sog der weltweiten Rezession. wandels zählten neben den Her- Sie fand zwar schnell wieder auf stellern einfacher Konsum- und einen leichten Wachstumskurs Investitionsgüter vor allem die zurück, es setzte aber eine dramati- energie- und rohstoffintensiven so- sche Strukturkrise ein, die bis heute wie die umweltbelastenden Produk- nicht vollständig überwunden ist. tionszweige. Sie betraf nicht mehr ausschließlich Die Öffnung der Grenzen zur solche Branchen des Hochtechnolo- ehemaligen DDR und die Integrati- giesektors, die schon seit längerem on der ostdeutschen Bundesländer wachsendem Wettbewerbsdruck beschleunigte nicht nur das Wachs- aus den aufstrebenden Schwellen- tum der westdeutschen Bundeslän- ländern unterlagen (Büromaschi- der insgesamt stark, sondern auch nen, Datenverarbeitungsgeräte und die Wachstumsperspektiven der ein- -einrichtungen). Zunehmend gerie- zelnen Zweige wichen vorüberge- ten vielmehr auch die Domänen hend z. T. beträchtlich von den lang- und Zugpferde der deutschen Ex- fristigen Linien des sektoralen portwirtschaft, vor allem der Ma- Strukturwandels ab. schinen- und Straßenfahrzeugbau, Besonders begünstigt waren auf- unter strukturellen Anpassungs- grund des Nachfrageschubs aus den druck. Die Wettbewerbsposition der ostdeutschen Ländern die konsum- deutschen Exportwirtschaft mit güterproduzierenden Industrie- ihren hohen Standortkosten wurde zweige und deren Zulieferer, so dabei nicht nur von den anderen z. B. das Ernährungsgewerbe, der führendenTechnologienationen der Straßenfahrzeugbau, die Hersteller Avantgarde (USA und Japan) ange- von Unterhaltungselektronik, Haus- griffen, sondern auch von den sich haltsgeräten und Lampen, die Holz- im Aufholprozess befindlichen verarbeitung, die Kunststoffverar- Technologieproduzenten im fernen beitung und die Papier- und Pappe- Osten und in Europa „in die Zange verarbeitung sowie die von der Bau- genommen”. Gleichzeitig verstärk- nachfrage abhängigen Zulieferin- te die zunehmende Integration der dustrien (Herstellung von Baustof- osteuropäischen Volkswirtschaften fen, Fenstern, Ver- und Entsor- mit ihren konkurrenzlos günstigen gungsanlagen, Heizungen, u. Ä.). Löhnen bei ausreichend hoher Qua- Mit dem allmählichen Auslaufen lifikation der Erwerbstätigen aus des Wachstumsschubs aus den neu- Sicht deutscher Anbieter den Wett- en Bundesländern im Verlauf des bewerbsdruck bei solchen Produk- Jahres 1991 geriet die bundesdeut- tionen, bei denen der Preis der ent- sche Industrie vorübergehend in scheidende Absatzparameter ist. Da Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 123 sich dieser Prozess unmittelbar „vor in verstärkten Übernahmen und der Haustüre” abspielt, erhöhten Eingliederungen von bislang sich die Anreize zur Verlagerung selbständigen Betrieben in Un- von arbeitsintensiven Produktionen ternehmensverbünde ausdrük- in diese Länder beträchtlich. ken. Die wachsende externe Die Strukturkrise der letzten Jah- Kontrolle und Außensteuerung re war vor allem gekennzeichnet der regionalen Betriebe im Zuge durch bundesweit stark rückläufige der Globalisierung und Unter- Beschäftigung in fast allen Berei- nehmenskonzentration macht chen des industriellen Sektors. aus regionaler Sicht den Zugang Durch die damit verbundene erheb- zu den Entscheidungsträgern liche Steigerung der Produktivität schwieriger. Sie sind in vielen Fäl- gelang es der Wirtschaft aber zu- len nicht mehr in der Region an- nehmend, die internationale Wett- sässig und fühlen sich nicht mehr bewerbsfähigkeit wieder durchgrei- so stark für sie verantwortlich. fend zu verbessern. – Die Neuordnung der Unterneh- Ein zentrales Charakteristikum mensstrukturen ist aber auch des wirtschaftlichen Strukturwan- verbunden mit innerbetriebli- dels neben seiner Begünstigung der chen Veränderungen durch Kon- Dienstleistungen ist seine starke In- zentration auf Kernkompeten- novations- und Qualifikationsorien- zen, schlankere Produktion und tierung. Entscheidende Größen im Outsourcing von betrieblichen internationalen wie im regionalen Funktionen und Bereichen. Gera- Wettbewerb sind das Hervorbrin- de die durch Outsourcing entste- gen von innovativen Produkten und henden neuen Unternehmens- Dienstleistungen sowie der Einsatz strukturen machen eine intensi- modernster Technologien. Damit ve Beobachtung der Unterneh- eng verbunden ist der Einsatz von mensentwicklung durch die qualifizierten und zunehmend auch Wirtschaftsförderung notwen- hochqualifizierten Kräften im Ent- dig („was tut sich in den Unter- wicklungs-, im Produktions- und im nehmen”), um ggf. schnell rea- Vermarktungsprozess. gieren zu können. Vor dem Hintergrund der o.g. Herausforderungen verändern sich – Darüber hinaus intensiviert sich auch die Unternehmensstrukturen auch die Erneuerung der Wirt- beträchtlich: schaftstruktur, wobei einem – Zum einen beobachten wir eine Höchststand an Insolvenzen und Neuordnung der Unternehmens- Betriebsaufgaben ein Rekord und Konzernstrukturen, die sich an Neugründungen gegenüber- 124 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

steht. Insbesondere die „Welle Dazu zählen neben den Wohn- von Existenzgründungen” führt und Lebensbedingungen mit dem zu einer neuen Zielgruppe der Freizeit- und Kulturangebot sowie Wirtschaftsförderung mit sehr der Umweltqualität in einer Region spezifischen Problemen und Eng- besonders auch das Image, die pässen in den unterschiedlichen „Wirtschaftsfreundlichkeit” und Phasen der Unternehmensgrün- letztlich auch die Leistungsfähigkeit dung und -entwicklung. Neue der Akteure im Bereich der Wirt- Herausforderungen der Siche- schaftsförderung. rung des Unternehmensbestan- des sind auch in der aufgrund Produzierendes Gewerbe der typischen Altersstruktur von Das Produzierende Gewerbe in Betriebsinhabern verstärkt sich Niedersachsen hat mit etwa 40 % stellenden Unternehmensnach- der Beschäftigten (im Folgenden: folgeproblematik nicht nur im sozialversicherungspflichtig Be- Handwerk, sondern auch in an- schäftigte am 30.6.1997) in etwa die deren Wirtschaftsbereichen zu gleiche Bedeutung in der Wirt- sehen. schaftsstruktur wie in den alten Bundesländern. Die Industrie in Nie- Die Globalisierung und die Inter- dersachsen ist durch eine Reihe nationalisierung der Wirtschaftsbe- namhafter Unternehmen repräsen- ziehungen führen zu einem ver- tiert. schärften überregionalen und inter- Insgesamt weicht die Branchen- nationalen Wettbewerb der Regio- struktur des Produzierenden Ge- nen und Standorte. An erster Stelle werbes deutlich vom Bundesdurch- der Standortfaktoren stehen hier schnitt ab. die Lage und Erreichbarkeit im na- tionalen und internationalen Ver- – Größter Zweig des Produzieren- kehrs- und Kommunikationsnetz- den Gewerbes in Niedersachsen werk. Darüber hinaus spielen erwar- ist das Baugewerbe, das mit tungsgemäß die quantitativen und 8,5 % der Gesamtbeschäftigten qualitativen Arbeitsmarktfaktoren deutlich überrepräsentiert ist. in den meisten Fällen eine aus- Das Baugewerbe spielt vor allem schlaggebende Rolle. Neben den in den ländlichen Regionen und unabdingbaren „harten” Standort- im näheren Umfeld der Groß- faktoren werden auch „weiche” un- städte eine besondere Rolle. ternehmens- und personenbezoge- – Der mit Abstand größte Indu- ne Standortbedingungen zuneh- striezweig ist der Straßenfahr- mend wichtiger. zeugbau mit 6,6 % der Gesamt- Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 125

Die 30 größten Industrieunternehmen in Niedersachsen 1997

Rang / Unternehmen Sitz Umsatz BeschäftigteBranche in Mio. DM 1 Volkswagen AG (K) Wolfsburg 113245,0 256.132 Straßenfahrzeugbau zu 1 Volkswagen AG Wolfsburg 54285,0 100.370 Straßenfahrzeugbau 2 Preussag AG (K) Hannover 26658,0 63.021 Mischkonzern 3 Preussen Elektra AG (K) Hannover 16197,1 23.085 Energieerzeugung und -versorgung zu 3 Continental AG (K)Hannover11186,1 44.800 Gummiverarbeitung 5 Preussen Elektra AG Hannover 6343,9 5.918 Energieerzeugung und -versorgung 6 KM Europa Metal AG (K) Osnabrück 4294,6 7.657 NE-Metallindustrie 7 Solvay Deutschland Gruppe (K) Hannover 3918,0 9.534 Chemische Industrie 7 BEB Erdgas und Erdöl GmbH Hannover 3688,2 1.691 Erdgas- und Erdölförderung und - handel zu 2 Preussag Stahl AGSalzgitter3175,9 7.957 Eisen- und Stahlerzeugung 8 Siemens AG in NiedersachsenNiedersachsen 2934,0 8.108 Elektrotechnik zu 4 Continental AGHannover2893,0 7.513 Gummiverar- beitung 9 Alcan Deutschland GmbH Göttingen 2656,8 3.885 NE-Metallindustrie 10 Alcatel Kabel Beteiligungs- AG (K) Hannover 2548,1 5.816 Elektrotech- nik 11 VARTA AG (K) Hannover 2461,7 11.133 Akkumulatoren, Bat- terien 12 Effem GmbH Verden (Aller) 2030,3 1.403 Heimtiernahrung 13 Haarmann & Reimer GmbH (K) Holzminden 2005,4 4.889 Duft- und Aromastoffe 14 Bahlsen Gruppe (K) Hannover 1974,5 9.468 Dauerbackwaren 15 Elastogran GmbH Lemförde 1785,8 1.138 Chemische Industrie 16 MZO Oldenburger- Oldenburg 1763,6 1.757 Milchverarbeitung Botterblom-Milch eG 17 Lemförder Fahrwerktechnik Lemförde 1761,0 6.445 Fahrwerktechnik PKW/NKW AG & Co. (K) 18 Nordmilch eG (K) Zeven 1760,3 1.769 Milchverarbeitung 19 Nordzucker AG (K) Braunschweig 1758,2 1.956 Zuckerindustrie 20 Bertrand Faure Sitztechnik Stadthagen 1717,0 4.921 Kfz-Sitzfertigung GmbH & Co KG 21 Lohmann & Co. AG (K) Rechterfeld/Visbek1704,2 3.612 Geflügelwirtschaft 22 Wendeln GmbH & Co KG Garrel 1700,0 7.500 Brot- und Backwarenherstellung 23 Nordland Papier AG Dörpen /Ems 1464,4 1.726 Papiergewerbe zu 5 KM Europa Metal AG Osnabrück 1404,0 3.075 NE- Metallindustrie 24 Wilhelm-Karmann GmbH (K) Osnabrück 1370,1 5.425 Straßenfahrzeugbau

Quelle: Nord/LB, Wirtschaft Niedersachsen, Januar 1999. 126 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

beschäftigten bzw. 22 % der In- Branchen zusammen. Bedeu- dustriebeschäftigten. Die indi- tendste Zweige in Niedersachsen rekte Abhängigkeit des Landes sind die Fleischverarbeitung (vor vom Straßenfahrzeugbau ist allem im Weser-Ems-Raum mit aber noch deutlich größer, weil dem Schwerpunkt der Intensiv- eine Vielzahl von Branchen (Her- haltung von Schweinen und Ge- stellung von Reifen, Kunststof- flügel im Raum Vechta/Cloppen- fen, Batterien, Bremsen, Autora- burg und seinem Umfeld), die dios, Eisen-, Stahl- und Alumini- Herstellung von Backwaren und umerzeugnissen bzw. Maschi- Dauerbackwaren (u. a. Raum nen- und Anlagenbau) als Zulie- Hannover), Molkereierzeugnisse ferer bzw. Lieferant von Investiti- (Heidegebiet und deren Rand- onsgütern auf die Herstellung bereiche, Emsgebiet und der von Straßenfahrzeugen ausge- Küstenraum), die Getränkein- richtet sind (vgl. hierzu vor allem dustrie (mit der Bierherstellung die Studie der Nord/LB zur Be- u. a. in Hannover und Südnieder- deutung der Straßenfahrzeug- sachsen sowie die Spirituosenin- bauzulieferer in der Region Han- dustrie in den ländlichen Räu- nover). Schätzungsweise 40 % men u. a. des westlichen Nieder- des niedersächsischen Exports sachsen), die Zuckerindustrie entfallen auf Kraftfahrzeuge. (südniedersächsische Bördezone Die größten Standorte sind Hannover / Braunschweig / Hil- Wolfsburg mit der Konzernzen- desheim sowie der Raum Uel- trale von Volkswagen, Hannover, zen), die Futtermittelindustrie Salzgitter, Emden, Braunschweig (im Umfeld der Seehäfen sowie und Osnabrück. in den agrarischen Intensivgebie- ten im westlichen Niedersach- – An zweiter Stelle der Industrie- sen). Hochspezialisierte Zweige zweige folgt das Ernährungsge- sind darüber hinaus die Herstel- werbe, auf das etwa knapp 13 % lung von diätischen Nahrungs- der Beschäftigten des Verarbei- mitteln (Raum Lüneburg), von tenden Gewerbes entfallen. Nahrungsfetten, Saucen, Fertig- Standortvorteile ergeben sich gerichten u. a. (Raum Osna- vor allem aus der starken land- brück) oder die Fischverarbei- wirtschaftlichen Prägung des tung (u. a. Cuxhaven). Entspre- Landes sowie aus der Nähe zu chend hat das Ernährungsgewer- den Seehäfen. Allerdings setzt be Schwerpunkte in den ländli- sich das Ernährungsgewerbe aus chen Räumen des westlichen einer Vielzahl von einzelnen Niedersachsen, im Küstenraum Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 127

und im Elbe-Weser-Raum sowie ter sowie Göttingen, Osterode im Umfeld der südniedersächsi- und Holzminden, Wesermarsch schen Großstädte. Insgesamt ist und Oldenburg. das Ernährungsgewerbe der In- – Der Maschinenbau erreicht mit dustriezweig mit der breitesten knapp 9 % der Beschäftigten räumlichen Streuung und damit den vierten Rang unter den der größten Bedeutung in den Industriezweigen. Auch der Ma- ländlichen Regionen des Landes. schinenbau ist deutlich schwä- – Die Elektrotechnik steht mit 9 % cher vertreten als im Bundes- der Beschäftigten im Verarbei- durchschnitt. Der niedersächsi- tenden Gewerbe zwar an dritter sche Maschinenbau war in seiner Stelle, ist aber im Vergleich zum historischen Entwicklung stark übrigen Bundesgebiet deutlich auf die Bedürfnisse anderer re- unterrepräsentiert. Große Stand- gional bedeutsamer Wirtschafts- orte sind u. a. Hannover, Hildes- zweige wie Landwirtschaft, Er- heim, Braunschweig und Salzgit- nährungsgewerbe, Holzverarbei-

Branchenspezialisierung des Produzierenden Gewerbes in Niedersachsen 1997 128 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

tung und Bergbau ausgerichtet, strie, die Herstellung von Eisen-, mittlerweile ist das gesamte Blech- und Metallwaren, die Leder-, Spektrum vertreten. Es reicht Textil- und Bekleidungsindustrie so- von der Herstellung von Bauma- wie die Druckindustrie. Eine nur schinen (Hannover, Delmen- noch geringe Bedeutung hat auch horst) über landwirtschaftliche die Herstellung von EDV-Geräten. Maschinen (Raum Osnabrück, Ol- Die Beschäftigtenentwicklung denburg, Wolfenbüttel) bis hin des niedersächsischen Produzieren- zu Aufzügen und Fahrtreppen den Gewerbes in den 80er-Jahren (Hannover, Schaumburg). Die war durch eine deutliche Entwick- wichtigsten Standorte sind Stadt lungsschwäche gekennzeichnet. und Landkreis Hannover, der Nach dem überdurchschnittlichen Raum Braunschweig-Salzgitter, Rückgang der Zahl der Beschäftig- Hildesheim, Stadt und Landkreis ten in der Rezession in der ersten Osnabrück, Emsland sowie das Hälfte der 80er-Jahre fasste die In- Umland von Bremen und Ham- dustrie nur sehr allmählich wieder burg. Tritt, und erst gegen Ende der 80er- Jahre lagen die Zuwachsraten der Auf die vier größten Industrie- Beschäftigung wieder über dem zweige entfallen zusammen mehr Bundestrend. Von 1980 bis 1989 als 50 % aller industriellen Arbeits- gingen landesweit etwa 95.000 Ar- plätze. In besonderer Weise spezia- beitsplätze im Produzierenden Ge- lisiert (unabhängig von der Größe werbe verloren. der Branche) ist die niedersächsische Hohe Verluste waren in den 80er- Wirtschaft darüber hinaus auf die Jahren bei traditionellen und eher kleine Branche der Gummiverarbei- wachstumsschwächeren Branchen tung sowie auf den Schiffbau. zu verzeichnen, wie bei der Holzin- Leicht überdurchschnittlich vertre- dustrie, der Industrie der Steine und ten sind darüber hinaus auch die In- Erden, der Glasindustrie, der Leder-, dustrie der Steine und Erden, die Textil- und Bekleidungsindustrie, Glasindustrie, die Papiererzeugung der Eisen- und Stahlindustrie, der und Papierverarbeitung, die Holzin- Gießereiindustrie und auch der Mi- dustrie sowie auch der Luftfahr- neralölverarbeitung. Überdurch- zeugbau (mit Standorten im Raum schnittliche Verluste hatte auch das Bremen und Hamburg sowie Lan- Baugewerbe. Dramatisch war der genhagen bei Hannover). Unter- Niedergang der Büromaschinen/ durchschnittlich vertreten sind ne- EDV-Industrie, von dem vor allem ben Elektrotechnik und Maschinen- der Raum Willhelmshaven betrof- bau vor allem die Chemische Indu- fen war. Weit überdurchschnittlich Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 129 waren auch die Verluste im Maschi- lieferindustrien (Steine und Erden, nenbau (z. B. der Herstellung von Holzindustrie, Holzverarbeitung). Baumaschinen und Landmaschi- Kurzfristig war zunächst auch die nen). Deutlich schwächer war Beschäftigtenentwicklung des Stra- zunächst auch die Entwicklung des ßenfahrzeugbaus und seiner Zulie- Straßenfahrzeugbaus und der Elek- ferindustrien (u. a. Kunststoffverar- trotechnik (vor allem der Unterhal- beitung, Gummiverarbeitung) über- tungselektronik). Nur wenige Bran- durchschnittlich. Relativ rasch setzte chen lagen im Trend, dazu zählten aber dann gerade hier ein massiver vor allem die niedersächsische Umstrukturierungsprozess ein, der Ernährungsindustrie, die Chemie mit starkem Beschäftigungsabbau und die Kunststoffverarbeitung. Ei- einherging. Belastet wurde der Ar- ne positive Entwicklung hatten nur beitsmarkt in dieser Phase auch einige kleinere Branchen wie der durch weltweit krisenhafte Ent- Luftfahrzeugbau, die Feinmechanik wicklungen sowie erste Anpassun- und Optik sowie die Herstellung gen an durch die Wiedervereini- von Eisen-, Blech- und Metallwaren. gung geschaffene Überkapazitäten In der ersten Phase nach der Wie- in der Eisen- und Stahlindustrie, in dervereinigung waren die Impulse der Nicht-Eisen-Metallindustrie, im für die niedersächsische Industrie Schiffbau und im Bergbau (insbe- dann weit überdurchschnittlich. sondere Kaliindustrie). Auch in an- Von 1989 bis 1992 entstanden deren Verliererbranchen des Struk- 83.000 Arbeitsplätze im Produzie- turwandels wie der Textil- und Be- renden Gewerbe, darunter 58.000 kleidungsindustrie konnte ein wei- in der Industrie und weitere 30.000 teres Abschmelzen von Beschäfti- im Baugewerbe. gung nicht verhindert werden. Insgesamt zeigte sich, dass die Seit 1992 ist auch in Niedersach- Produktpalette der niedersächsi- sen die Beschäftigung im Produzie- schen Industrie ideal auf den von renden Gewerbe stark rückläufig. der Wiedervereinigung ausgelösten Von 1992 bis 1997 sind rund 140.000 Nachfrageboom passte. Positiv war Arbeitsplätze verloren gegangen. die Entwicklung von Elektrotechnik, Allerdings war dieser Rückgang Feinmechanik, Optik, und von Ei- zunächst (bis etwa 1995) weit weni- sen-, Blech-, Metall-Waren, über- ger stark als im Bundestrend. In den durchschnittlich die Impulse auch letzten Jahren liegt der Beschäftig- für das Ernährungsgewerbe, die Pa- tenabbau ungefähr im Trend. pierindustrie und das Druckgewer- Innerhalb von Niedersachsen ver- be. Weit überproportional profitier- loren in den 80er-Jahren die Agglo- ten das Baugewerbe und die Bauzu- merationsräume, und hier vor allem 130 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe die Kernstädte in besonderer Weise dann alle niedersächsischen Regio- an Arbeitsplätzen im Produzieren- nen mehr oder weniger starke Be- den Gewerbe. Darüber hinaus zeig- schäftigungsgewinne. An der Spitze te sich eine ausgesprochene Ent- standen aber weiterhin die ländli- wicklungsschwäche des Küstenrau- chen Regionen, und auch das ehe- mes. Weitaus günstiger als die übri- malige Zonenrandgebiet konnte gen Landesteile entwickelten sich erstmals seit längerem wieder über- demgegenüber die ländlichen Räu- durchschnittlich profitieren. In den me des Landes. Besonders positiv Verdichtungsräumen und vor allem war die industrielle Entwicklung im in den vom Straßenfahrzeugbau ge- westlichen Niedersachsen. prägten Regionen setzte allerdings In der ersten Phase nach der Öff- relativ rasch ein intensiver Umstruk- nung der innerdeutschen Grenze turierungs- und Anpassungsprozess und der Wiedervereinigung hatten ein, sodass sie insgesamt am wenigs-

Beschäftigtenentwicklung im Produzierenden Gewerbe 1992 bis 1997

Gemeinden bzw. Samtgemein- den (Verwaltungseinheiten) in Niedersachsen sowie Hamburg und Bremen

Anteil an den Beschäftigten insgesamt in %

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 131 ten von dem Nachfrageschub aus räumen Hamburg, Bremen und den neuen Bundesländern profitier- auch Hannover und Braunschweig ten. Die Kernstädte der Verdich- vergleichsweise moderat. Zu den tungsräume konnten nur geringe größten Verlierern zählten hinge- Arbeitsplatzgewinne realisieren, gen die industriell geprägten Regio- während das Umland im Zuge des nen, allen voran die Automobilre- weiterhin intensiven Suburbanisie- gion Wolfsburg. Aber auch die In- rungsprozesses vergleichsweise star- dustrieräume Wesermasch, Ostero- ke Beschäftigungsgewinne aufwies. de, Salzgitter, Hildesheim oder Bre- Auch in einigen weiteren Industrie- merhaven/Cuxhaven hatten massive regionen des Landes (Wesermarsch, Arbeitsplatzverluste im Produzie- Grafschaft Bentheim) überwogen renden Gewerbe. die Anpassungsprozesse, und die Die aktuelle Entwicklung zeigt, Beschäftigung wuchs nur schwach. dass die Umstrukturierungs- und Nach 1992 wirkten sich Rezession Anpassungsprozesse weitgehend und Strukturkrise in allen Regionen abgeschlossen sein dürften. In eini- des Landes aus. Einen extrem star- gen Regionen, so z. B. den Standor- ken Einbruch verzeichnete das ehe- ten des Straßenfahrzeugbaus steigt malige Zonenrandgebiet. In den die Beschäftigung sogar wieder Agglomerationsräumen hingegen leicht. Allerdings werden auch in war der industrielle Beschäftigungs- Zukunft neue Arbeitsplätze nicht abbau nicht ganz so stark wie im im industriellen Sektor, sondern Bundestrend. Vergleichsweise gün- in den Dienstleistungen entstehen. stig blieb die Entwicklung der Rand- Eine besondere Rolle spielen hierbei bereiche. Am besten schnitten auch die stark wachsenden unterneh- weiterhin die ländlichen Regionen mensorientierten Dienstleistungen ab. Zumindest bis 1995 konnten sie (Rechts-, Wirtschafts- und Finanzbe- in den meisten Fällen sogar ihren ratung, Technische Beratung und Beschäftigungsstand halten, erst Planung, Wirtschaftswerbung, sons- seit 1995 überwogen auch hier die tige unternehmensbezogene Dien- Arbeitsplatzverluste. ste). Von 1980 bis 1997 hat die Be- Die günstigste Entwicklung des schäftigung in diesem Sektor in Nie- Produzierenden Gewerbes hatten dersachsen um fast 80.000 zuge- 1992 bis 1997 die überwiegend nommen und sich damit mehr als ländlich geprägten Regionen Clop- verdoppelt. Die Entwicklungsdyna- penburg, Vechta, Emsland sowie mik entsprach damit in etwa dem Rotenburg, Lüneburg und Stade. Bundestrend. Die räumliche Vertei- Anders als in den 80er-Jahren blie- lung der unternehmensorientierten ben die Verluste in den Wirtschafts- Dienstleistungen zeigt nach wie vor 132 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

Standorte der unternehmensorientierten Dienstleistungen 1997

Kreise bzw. kreisfreie Städte in Niedersachsen sowie Hamburg und Bre- men

Anteil an den Beschäftigten insgesamt in %

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor-

eine besondere Konzentration in Dienstleistungen tendenziell gleich- den großstädtischen Zentren und in mäßiger wird. ihrem unmittelbaren Umfeld. Insge- Unter den veränderten Wettbe- samt ist aber die Dynamik der unter- werbsbedingungen und der beson- nehmensorientierten Dienstleistun- deren Bedeutung von Innovations- gen vor allem in den Regionen be- aktivitäten für die Weiter- und Neu- sonders stark, in denen auch die entwicklung von Produkten sowie Entwicklung des Produzierenden für die effiziente Gestaltung von Gewerbes günstiger ist. Das bedeu- Produktions- und Arbeitsprozessen tet, dass die unternehmensbezoge- kommt den Anstrengungen der Un- nen Dienste in den ländlichen Re- ternehmen in Forschung und Ent- gionen stärker wachsen und die wicklung eine strategisch Rolle zu. räumliche Verteilung der Industrie Die Erfassung von Innovations- so- und der mit ihr verbundenen wie Forschungs- und Entwicklungs- Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 133 aktivitäten auf regionaler Ebene ist besonderer Weise in den Stand- schwierig. Wichtige Hinweise lassen orten Wolfsburg, Hannover und sich aus der Funktionalstruktur, d. h. Braunschweig sowie in den Regio- den beruflichen Tätigkeiten der Be- nen Stade und Celle. Mit deutlichem schäftigten ableiten. So kann der Abstand folgen die Städte Salzgitter Anteil der Ingenieure und Wissen- und Osnabrück sowie die Regionen schaftler in technischen Diensten Hildesheim, Hameln-Pyrmont, We- (Ingenieure, Chemiker, Naturwis- sermarsch und Verden. In den übri- senschaftler) an den Beschäftigten gen Regionen liegen die For- des Verarbeitenden Gewerbes als schungs- und Entwicklungsaktivitä- Indikator für das Innovationspoten- ten deutlich niedriger. Fast alle nie- tial der gewerblichen Wirtschaft ei- dersächsische Regionen sind seit ner Region gelten. Dieser auch als Ende der 80er-Jahre in der Beschäf- Wissenschaftlerintensität bezeich- tigung von Wissenschaftlern im nete Indikator gibt an, wie stark be- Produzierenden Gewerbe vorange- stimmte Schlüsselqualifikationen kommen. Dies gilt vor allem für für technische Innovationsprozesse Wolfsburg und Hannover, die mitt- verfügbar sind. lerweile sogar Hamburg überflügelt Insgesamt liegt die Wissenschaft- haben. Rückläufig war die Beschäf- lerintensität für das Produzierende tigung des industriellen wissen- Gewerbe in Niedersachsen etwa um schaftlichen Personals in den Räu- ein Fünftel unter dem Bundesdurch- men Wilhelmshaven und Wolfen- schnitt. Insgesamt bestätigen sich büttel sowie in Bremerhaven. Insge- damit auch andere Untersuchun- samt haben die niedersächsischen gen, nach denen sich die For- Regionen damit zwar im innova- schungs- und Entwicklungsaktivitä- tionsorientierten Strukturwandel ten in Deutschland in besonderer überwiegend mithalten können, Weise in den süddeutschen Ver- den Rückstand zum Bundestrend dichtungsräumen konzentrieren (H. und insbesondere zu den süddeut- Legler/B. Gehrke). Innerhalb von schen Regionen aber nur in weni- Niedersachsen finden sich die indu- gen Fällen deutlich verringern kön- striellen Forschungs- und Entwick- nen. lungsaktivitäten offensichtlich in Hans-Ulrich Jung Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

Wirtschaftliche Bedeutung 75.188 im Jahr 1997, dabei ist die durchschnittliche Fläche der Betrie- Der Wirtschaftsbereich „Land- be von 9,9 ha auf 35,7 ha angestie- und Forstwirtschaft, Fischerei“ hat gen. Damit liegt Niedersachsen um auch in Niedersachsen in den ver- etwa ein Drittel über dem Durch- gangenen Jahrzehnten beträchtlich schnitt der Alten Bundesländer und an relativer Bedeutung verloren. Im wird nur von Schleswig-Holstein Jahr 1970 trug er noch zu 6,3 % zur übertroffen. Mehr als zwei Drittel Bruttowertschöpfung des Bundes- der Wertschöpfung der niedersäch- landes bei, im Jahr 1996 lag der sischen Landwirtschaft entfallen auf Wert bei nur noch 2,7 %. Dabei ist aber zu bedenken, dass die in die- sem Sektor erzeugten Produkte un- Produktionswert der Landwirtschaft verzichtbar für die gesamte weiter- in Niedersachsen 1995 verarbeitende Nahrungsmittelwirt- Erzeugnis Produktionswert in % schaft sind. Außerdem werden von in Mill. DM der Land- und Forstwirtschaft Roh- Tierische Produkte 8.860,4 68,1 stoffe für Nicht-Nahrungszwecke Milch 3.076,3 23,7 (Holz, Faserpflanzen) bereitgestellt. Die Bedeutung dieses Wirtschafts- Schweine 2.780,4 21,4 sektors ist auch regional sehr unter- Rinder und Kälber 1.545,4 11,9 schiedlich groß. In agrarisch intensiv genutzten Gebieten oder in wald- Geflügel 745,8 5,7 reichen Regionen ist der primäre Eier 646,9 5,0 Wirtschaftssektor zumeist über- Pflanzliche Produkte 4.127,3 31,7 durchschnittlich bedeutend und auch wegen seiner Arbeitsplatz- Hackfrüchte 1.491,9 11,5 funktion unverzichtbar. Getreide 918,1 7,1

Baumschulerzeugnisse 513,7 4,0

Die Landwirtschaft Frischobst 395,0 3,0

In der niedersächsischen Land- Frischgemüse 241,9 1,9 wirtschaft hat sich in den vergange- Produktionswert nen Jahrzehnten ein gravierender insgesamt 13.001,5 100,0 Strukturwandel vollzogen. Die An- zahl der Betriebe (ab 1 ha landwirt- Quelle: Niedersächsisches Ministerium für schaftlicher Nutzfläche) verringerte Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Die niedersächsische Landwirtschaft in Zahlen sich von 213.112 im Jahr 1960 auf 1997. Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 135 tierische Erzeugnisse, weniger als Deutschlands umfasst, werden dort ein Drittel auf die Pflanzenproduk- mehr als die Hälfte aller deutschen tion. Masthühner und Truthühner, ein Das mit großem Abstand wich- Drittel aller Legehennen und tigste Produkt ist die Milch, die annähernd ein Drittel aller Mast- annähernd ein Viertel der Wert- schweine gehalten. Auch über 45 % schöpfung ausmacht. Dass die tieri- der deutschen Kartoffelernte wer- sche Produktion in Niedersachsen den in Niedersachsen eingebracht . eine überproportional große Be- Unter Einbeziehung der Betriebe deutung erlangt hat, zeigt sich in des Gartenbaus und der Forstwirt- den hohen Anteilen, die in vielen schaft wird anhand der vorherr- Sparten der Tierhaltung auf dieses schenden Betriebssysteme die regio- Bundesland entfallen. Obwohl Nie- nale Gliederung der Landwirtschaft dersachsen nur 14 % der landwirt- erkennbar. schaftlichen Betriebe und 16 % Die küstennahen Bereiche sowie der landwirtschaftlichen Nutzfläche die Moorniederungen werden als

Anteile Niedersachsens an der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland

Deutschland Niedersachsen in %

Landwirtschaftliche Betriebe 1997 (Anzahl) 525.121 75.188 14,3

Landwirtschaftliche Nutzfläche 1997 (1.000 ha) 17.200,8 2.682,2 15,6

Schweine 1997 (in 1.000) 24.795,2 7.120,5 28,7

Mastschweine 1997 (in 1.000) 9.362,6 2.877,4 30,7

Zuchtsauen 1996 (in 1.000) 2.613,5 654,8 25,1

Rinder 1997 (in 1.000) 15.227,2 2.884,6 18,9

Milchkühe 1997 (in 1.000) 5.026,2 827,3 16,5

Legehennen 1996 (in 1.000) 42.381,5 14.153,3 33,4

Masthüher 1996 (in 1.000) 43.357,0 22.091,1 51,0

Truthühner 1996 (in 1.000) 7.075,2 3.599,1 50,9

Kartoffelernte 1997 (1.000 t) 11.659,3 5.334,4 45,8

Zuckerrübenernte 1997 (1.000 t) 25.768,9 6.574,8 25,5

Quelle: berechnet nach amtl. Statistik 136 Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

Vorherrschende Betriebssysteme in Niedersachsen

Quelle: Agrarbericht der Bundesregierung 1994, S. 11. traditionelle Grünlandstandorte schnitt der Alten Bundesländer liegt vorwiegend von Futterbaubetrie- bei nur 23 Tieren. Im östlichen Lan- ben eingenommen. Auf diesen Be- desteil dominieren Marktfruchtbe- reich entfällt mit annähernd 40 % triebe (Erzeugung von Kartoffeln, der größte Anteil der Betriebe. In Getreide, Zuckerrüben), die in der diesem Betriebszweig, der vor allem Anzahl der Betriebe an zweiter Stel- die Milchkuhhaltung umfasst, sind le stehen. Hier wird die noch weit- fast ausschließlich bäuerliche Famili- gehende Abhängigkeit des Pflan- enbetriebe anzutreffen. Die Milch- zenbaus von den natürlichen Stand- kuhhalter verfügen im Durchschnitt ortbedingungen deutlich. Auf den über 31 Milchkühe, der Durch- sandigen Böden der Geest wird sehr Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 137

Betriebssysteme in der niedersächsischen Landwirtschaft, im Gartenbau und in der Fortstwirtschaft 1995

Betriebssystem Anzahl der in % Durchschnittl. landw. Betriebe Nutzfläche je Betrieb

Marktfrucht 21.882 22,9 45,0

Futterbau 38.198 39,9 32,2

Veredlung 11.965 12,5 20,4

Dauerkultur 1.233 1,3 11,0

Gemischt 4.272 4,5 41,3

Landwirtschaft insges. 77.550 81,1 34,3

Gartenbau 2.156 2,3 4,6

Forstwirtschaft 13.788 14,4 0,7

Kombiniert 2.136 2,2 12,1

Landw. Betriebe und Forstbetriebe insges. 95.630 100,0 28,3

Quelle: amtl. Statistik viel Kartoffelanbau betrieben, aber bezirkes Weser-Ems, wobei die Re- auch in der Lössbörde werden gion „Südoldenburg“, die Landkrei- zunehmend Kartoffelsorten ange- se Vechta und Cloppenburg, von baut, die für Veredlungszwecke überregionaler Bedeutung ist. Sie (z. B. Kartoffel-Chips) erzeugt wer- bildet, gemeinsam mit den benach- den und schwerere Böden benö- barten Landkreisen, das Zentrum tigen. In der Lössbörde zwischen der Tierhaltung in Niedersachsen. dem Steinhuder Meer und Helm- Die Schweinehaltung ist traditio- stedt, aber auch im Uelzener Bek- nell in sehr kleinstrukturierten und ken mit seinen Sandlössböden, sind eher flächenarmen Betrieben zu fin- flächengroße Betriebe zu finden, den, dies gilt sowohl für den Süd- die Getreide (vor allem Weizen) westen als auch für Ostniedersach- oder Zuckerrüben anbauen. Im sen. Viele niedersächsische Mastbe- Raum Hannover/Hildesheim sind triebe müssen jährlich von außer- auch die Verarbeitungsbetriebe für halb große Mengen an Ferkeln zu- die Zuckerrüben konzentriert. kaufen, die insbesondere von spe- Veredlungsbetriebe, die auf zialisierten Betrieben aus Baden- Schweinemast oder die Geflügelhal- Württemberg, aber auch aus Bay- tung spezialisiert sind, finden sich ern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen- vor allem im Süden des Regierungs- Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern 138 Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und den Niederlanden bezogen annähernd 400 Tieren den Spitzen- werden. In der Mastschweinehal- platz einnimmt. tung sind regional sehr unterschied- Die Legehennenhaltung ist fast liche Bestandsgrößen anzutreffen. gänzlich aus den bäuerlichen Be- Während in Ostniedersachsen im trieben verschwunden und erfolgt Durchschnitt weniger als 100 Mast- heute zum größten Teil in großen schweine pro Betrieb gezählt wer- agrarindustriellen Unternehmen. Im den (im Südosten sogar unter 50), Landkreis Vechta ist das größte sind es in den Hochburgen in eierproduzierende Unternehmen Westniedersachsen weitaus mehr, Deutschlands ansässig und betreibt wobei der Landkreis Vechta mit dort auch ein modernes Eiproduk-

Die Schweinebestände in Niedersachsen nach Landkreisen 1996

Quelle: amtl. Statistik Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 139 tenwerk. So erklärt sich die große Vertragsmäster für vertikal inte- sektorale Konzentration, bei der ein grierte agrarindustrielle Unterneh- Großteil der Gesamtproduktion an men produzieren, die eine eigene Eiern von nur wenigen Unterneh- Brüterei, Mischfutterwerke und Ge- men erbracht wird. Daraus wieder- flügelschlachtereien betreiben. Der- um resultiert eine starke regionale artige komplexe Unternehmen, die Konzentration in den Standräumen teilweise international tätig sind der betreffenden Unternehmen und auf dem deutschen Markt hohe Die Erzeugung von Masthühnern Marktanteile erreichen, haben sich erfolgt zum größten Teil in Ver- vor allem in Westniedersachsen aus- bundsystemen, in denen bäuerliche gebildet. Eine besonders dynami-

Die Hühnerbestände in Niedersachsen nach Landkreisen 1996

Quelle: amtl. Statistik 140 Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei sche Entwicklung hat die Trut- Auch für die Getreidebaubetriebe hühnerhaltung im Regierungsbe- in Ostniedersachsen werden die ab- zirk Weser-Ems genommen. Eines zusehenden Preissenkungen für Ge- der bedeutendsten Unternehmen treide beträchtliche Einkommens- Deutschlands in der Zucht und Ver- rückgänge bescheren. In den Vered- mehrung von Truthühnern ist im lungsregionen, die bislang eine sehr Landkreis Cloppenburg ansässig dynamische Entwicklung genom- und hat diese Expansion maßgeb- men haben und über eine gute In- lich beeinflusst. frastruktur verfügen, stehen durch Aus der Abbildung Vorherrschen- die erreichte Viehdichte Probleme de Betriebssysteme in Niedersach- in der Seuchenhygiene (z. B. Gefahr sen ist außerdem zu sehen, dass an der Schweinepest) und durch Um- der Niederelbe bei Hamburg, im so weltauflagen (z. B. Beseitigung der genannten „Alten Land“, speziali- tierischen Exkremente) einer Wei- sierte Dauerkulturbetriebe (Obst- terentwicklung im Wege. Auch für bau) zu finden sind, in der Nähe die Betriebe in der Mittelgebirgs- größerer Städte sowie im Raum region sind die Perspektiven eher Wiesmoor und Papenburg haben düster, sofern sie sich nicht zusätzli- Gartenbaubetriebe große Bedeu- che Einkommen durch den Frem- tung erlangt. In den Gebirgslagen denverkehr erschließen können. von Harz und Solling, aber auch in Weitere drastische Strukturverände- Teilen der waldreichen Lüneburger rungen stehen der niedersächsi- Heide, verfügen die Betriebe häufig schen Landwirtschaft somit bevor. über größere Waldflächen, sofern nicht ohnehin die Forstwirtschaft Die Forstwirtschaft dominiert. Die Zukunftsperspektiven für die Mit knapp 1,1 Mill. ha Waldfläche niedersächsische Landwirtschaft weist Niedersachsen einen Bewal- sind eher skeptisch zu beurteilen. dungsgrad von 23 % auf und liegt Die Futterbaubetriebe in der feuch- damit, wie die anderen norddeut- ten Marsch werden bei einer mögli- schen Länder auch, unter dem Bun- chen Abschaffung der Milchquoten- desdurchschnitt von 30 %. Inner- regelung ab 2006 oder weiteren halb des Landes ist die Waldvertei- Preissenkungen für Milch große lung sehr unterschiedlich. Ostnie- Probleme bekommen. Landwirt- dersachsen ist sehr viel waldreicher schaftliche Alternativen sind dort als der Westen, wobei größere ge- kaum vorhanden, lediglich in Teil- schlossene Waldgebiete insbeson- bereichen kann der Fremdenver- dere in den Mittelgebirgen und in kehr zusätzliche Einkommen bieten. der Lüneburger Heide anzutreffen Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 141 sind. Annähernd die Hälfte der bleiben, auch die Zahl der ihnen zu- Waldfläche (49 %) ist Privatwald, gehörigen Revierförstereien wird 36 % sind Staatswald und 14 % be- um 20 % verringert. finden sich im Eigentum von Kom- Durch jahrhundertelange Ein- munen und Körperschaften. Das flussnahme des Menschen wurde jährliche potentielle Rohholzauf- die natürliche Baumartenzusam- kommen beträgt 4,3 Mill. m3, in den mensetzung zugunsten von Nadel- vergangenen Jahren (Durchschnitt bäumen verändert. Gegenwärtig der Jahre 1989-1996) wurden je- sind 37 % der Waldfläche mit Laub- doch nur jeweils 3,2 Mill. m3 einge- bäumen bestanden, 63 % mit Na- schlagen. Die Holzvorräte in den delbäumen. Vor Eingriff des Men- niedersächsischen Wäldern wachsen schen war das Verhältnis umge- somit weiter an, auch die Wald- kehrt. Vom Wirtschaftswald werden flächenentwicklung verläuft seit et- über 99 % als Altersklassenwald be- lichen Jahren durch Neuaufforstun- wirtschaftet, d.h. es stehen jeweils gen positiv. Die Bewirtschaftung er- Bäume gleicher Altersstufe auf ei- folgt, wie auch im Landeswaldge- ner Fläche. Nur sehr geringe setz verbindlich vorgeschrieben, Flächenanteile werden als Plenter- nach dem Prinzip der Nachhaltig- wald geführt, bei dem Bäume un- keit. Demnach wird der Wald so be- terschiedlichen Alters auf der glei- wirtschaftet, dass alle Waldfunktio- chen Fläche stehen. Aufgrund sei- nen langfristig in Qualität und nes stufigen Aufbaues und seiner Quantität möglichst optimal er- größeren Naturnähe soll der Auf- bracht werden können. bau von Plenterwaldflächen in Zu- Problematisch ist die Ertragssitua- kunft gezielt vorangetrieben wer- tion in der Forstwirtschaft, da u.a. den. In den niedersächsischen Lan- durch billige Importe aus Osteuropa desforsten wird ein Programm zur die Holzpreise, vor allem für langfristigen ökologischen Wald- Schwachholz, seit mehreren Jahren entwicklung (LÖWE) umgesetzt, mit so niedrig sind, dass ein kosten- dem eine Bewirtschaftung nach deckendes Wirtschaften häufig ökologischen Gesichtspunkten ver- nicht möglich ist. Den Rationalisie- folgt wird. Dabei sollen die natürli- rungsmaßnahmen der Privatforst- chen Waldgesellschaften geschützt betriebe folgend, wurde auch in der und wiederhergestellt werden. Der niedersächsischen Landesforstver- Flächenanteil der Laubbaumarten waltung eine Forstverwaltungsre- soll von 37 % auf 65 % erhöht und form initiiert. So werden statt 80 ein Netz von Waldschutzgebieten nur noch 45 Forstämter mit jeweils aufgebaut werden. Diese und wei- größerer Zuständigkeitsfläche ver- tere mit dem Programm verbunde- 142 Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei ne Maßnahmen sollen wieder zu tende Fanggebiet um Island gänz- einer „naturnahen Waldwirtschaft“ lich weg, und die im Rahmen der führen. EG-Fischereipolitik den deutschen Fischern zugeteilten Fangquoten Die Fischerei waren so knapp bemessen, dass die Die Entwicklung und gegenwärti- Rentabilität vieler Betriebe nicht ge Situation der niedersächsischen mehr gegeben war. Dementspre- Seefischerei ist eng an die seerecht- chend reduzierte sich die Fangflotte lichen Entwicklungen der vergange- bis auf kleine Reste und die Anlan- nen Jahrzehnte geknüpft. Nach dungen aus der „Großen Hochseefi- dem Zweiten Weltkrieg erfolgte ein scherei“ sind beträchtlich zurückge- rascher Wiederaufbau der deut- gangen. Wurden im Jahr 1976 noch schen Hochseefischerei zwecks Be- gut 118.000 t Fisch aus der „Großen hebung der Nahrungsmittelknapp- Hochseefischerei“ in niedersächsi- heit. In der Folgezeit weiteten meh- schen Häfen angelandet, waren es rere Staaten, vor deren Küsten nie- 1995 nur noch knapp 23.000 t. Auch dersächsische Schiffe fischten, ihre die „Kleine Hochsee- und Küstenfi- Hoheitsgrenzen zur See aus. Norwe- scherei“ hat Einbußen hinnehmen gen und Island begannen 1951/52 müssen, ihre Anlandungen in nie- mit der Ausweitung auf 4 Seemei- dersächsischen Häfen gingen von len, 1958/59 erfolgte die Proklama- etwa 56.000 t im Jahr 1976 auf gut tion einer 12-Seemeilen-Fischerei- 23.000 t im Jahr 1995 zurück. Als zone von Seiten Islands, Norwe- Folge der geringeren Fangmengen gens und Dänemarks (einschließlich einheimischer Fischer müssen von Grönlands und der Faröer-Inseln), der Fisch verarbeitenden Industrie, England, Kanada und die USA zo- die in Niedersachsen nach wie vor gen wenig später nach. Schließlich von erheblicher Bedeutung ist, (1975 Island, 1977 EG, 1982 gene- größere Mengen an Fisch einge- rell) erfolgte die Erweiterung zu führt werden. Die berufliche Bin- 200-Seemeilen-Fischereizonen. nenfischerei wird in Niedersachsen Von der Einführung dieser natio- nur noch in sehr geringem Umfang nalen Fischereizonen war die deut- betrieben und ist kaum von wirt- sche Fischerei in besonderem Maße schaftlicher Bedeutung. betroffen. So fiel das einst bedeu- Werner Klohn Handel und dienstleistendes Gewerbe

Einleitung fläche im Einzelhandel. Die ver- schiedenen Branchen des Non-food- Obwohl Endverbraucher in ihrem Bereichs besitzen mit etwa drei täglichen Leben ständig die Laden- Vierteln des Umsatzes den größten geschäfte des Einzelhandels und die Anteil. Das Warenangebot wird Einrichtungen des dienstleistenden überwiegend in drei Formen von Gewerbes nutzen, wird die Bedeu- Betrieben verkauft (vgl. Kulke tung dieser Sektoren häufig unter- 1996): in flächengroßen Kauf-/Wa- schätzt. Sie verfügen über ein renhäusern mit einem breiten Sor- großes wirtschaftliches Gewicht; so timent (viele verschiedene Artikel), entfielen allein auf den Handels- in auf einen Artikelbereich speziali- bereich im Jahr 1996 in der Bun- sierten Fach-/Spezialgeschäften mit desrepublik Deutschland 13,6 % einem tiefen Sortiment (Auswahl- der Erwerbstätigen und 9,6 % des möglichkeiten) und in großflächi- Bruttoinlandsproduktes (Statisti- gen selbstbedienungsorientierten sches Bundesamt 1997). Auch besit- Fachmärkten. Der Lebensmittelbe- zen kundenorientierte Dienstlei- reich besitzt ein breites Spektrum stungsbetriebe prägende Bedeu- an Betriebsformen, von kleinen tung für das Siedlungssystem und Bedienungsläden („Tante-Emma- die räumlichen Verkehrsverflech- Läden“) über SB-Läden (bis etwa tungen. Darüber hinaus wird die 400 qm Verkaufsfläche), Super- Wohnzufriedenheit der Bevölke- märkten (bis ca. 1500 qm Verkaufs- rung in entscheidendem Maße fläche) bis zu großflächigen (über durch die lokale Versorgungssitua- 1500 qm) Verbrauchermärkten/SB- tion mit Betrieben des konsumen- Warenhäusern. Innerhalb dieser tenorientierten Dienstleistungsbe- Größenklassen besitzen Discounter reichs geprägt. Strukturelle und eine besondere Niedrigpreis-Orien- räumliche Merkmale des Einzelhan- tierung. dels und konsumentenorientierter Abhängig von ihrem Angebot Dienstleistungen sowie die aktuel- und ihrer Flächengröße weisen len Entwicklungstrends dieser Be- konsumentenorientierte Dienstlei- reiche werden im Folgenden vorge- stungsbetriebe unterschiedliche stellt. Standortsysteme auf (vgl. Kulke 1996). Kleinere Ladengeschäfte, die Strukturelle und räumliche täglich nachgefragte Grundbedarfs- Merkmale güter (vor allem Lebensmittel) ver- Auf jeden Einwohner Niedersach- kaufen, und Betriebe, die häufig ge- sens entfallen ca. 1,1 qm Verkaufs- nutzte einfachere Dienstleistungen 144 Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe erbringen (z. B. Bäckerei, Frisör, Ver- neue, am Stadtrand gelegene Ver- sicherungsvertretung, Bankfiliale), sorgungsagglomerationen enstan- besitzen ein relativ dichtes Versor- den; dort befinden sich eine be- gungsnetz in den ländlichen Sied- grenzte Zahl sehr großflächiger Ver- lungen und in den Wohngebieten braucher- und Fachmärkte sowie der Städte. Geichartige Geschäfte spezielle Dienstleister (Fast-Food- meiden dabei die Nähe zueinander, Restaurants, KFZ-Handel). Entspre- dagegen besteht bei Betrieben mit chend dieser räumlichen Verteilung branchenungleichem Angebot die (vgl. Abb. Flächengröße der Arbeits- Tendenz zur Bildung von Clustern stätten des Einzelhandels in Nieder- (z. B. Bäckerei, Fleischerei, Gemüse- sachsen) besitzen in Niedersachsen laden, Frisör). die Großstädte überdurchschnittlich Bei Betrieben, die Güter des mit- große Ladengeschäfte (z. B. Braun- tel- und langfristigen Bedarfs anbie- schweig, Osnabrück), während in ten, liegt ein hierarchisches Zen- ländlichen Regionen (z. B. Gifhorn, trensystem vor. Die Citybereiche der Osterode) kleine Einheiten domi- Großstädte stellen die höchstran- nieren. gigsten Zentren dar; sie verfügen über Waren-/Kaufhäuser, Spezial-/ Strukturelle und räumliche Fachgeschäfte, hochwertige Dienst- Entwicklungsdynamik leistungen (z. B. Bank, Fachanwalt, Facharzt) und Gastronomieeinrich- In den letzten Jahrzehnten tungen. In innerstädtischen Subzen- verzeichneten kundenorientierte tren und den Geschäftszentren mit- Dienstleistungsbetriebe erhebliche telgroßer Städte konzentrieren sich strukturelle und standörtliche Ver- Fachgeschäfte, einzelne Kaufhäu- änderungen (vgl. Daniels 1993, Kul- ser, Lebensmittelgeschäfte und ke 1995, Staudacher 1995). Sie erga- Dienstleister (z. B. Ärzte, Anwälte, ben sich durch Wandlungen im Kon- Bankfilialen, Restaurants). Kleinere sumentenverhalten, durch die Ent- Versorgungszentren in Wohngebie- stehung neuer Angebotsformen ten von Großstädten oder in Grund- und durch raumplanerischen Ein- zentren des ländlichen Raumes be- fluss. sitzen zumeist Supermärkte, einzel- Prägend für die Entwicklungen ne Fachgeschäfte (z. B. Elektroarti- der Verbraucherseite waren der Ein- kel, Bekleidung) und Dienstleistun- kommensanstieg, die damit verbun- gen des Allgemeinbedarfs (z. B. Rei- dene Verfügbarkeit von Individual- nigung, Frisör, Imbiss). Seit den verkehrsmitteln (Autos) und Verhal- siebziger Jahren sind zusätzlich zu tensänderungen. Im Einzelhandel diesem klassischen Standortsystem werden bei höherem Einkommen Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe 145

Flächengröße der Arbeitsstätten des Einzelhandels in Niedersachsen

mehr Güter und ein höherer Anteil Auf der Angebotsseite erhöhte von Non-food-Artikeln nachge- sich die Vielfalt sowohl bezogen auf fragt. Zugleich reduziert das Vor- das Sortiment des Einzelhandels als handensein von PKWs die Bindung auch auf das Spektrum kundenori- an Ladengeschäfte in der unmittel- entierter Dienstleistungen wesent- baren Umgebung des Wohnstand- lich. Gleichzeitig versuchten die Be- ortes. Auch begünstigt ein höhe-res triebe durch interne Veränderun- Einkommen Verhaltensänderun- gen der Betriebsformen Kostenre- gen; der Erlebniseinkauf in Zentren duzierungen zu realisieren; per- mit einem ergänzenden Dienstlei- sonalkostenintensive Kleinbetriebe stungsangebot gewinnt immer wurden aufgegeben und es ent- mehr an Bedeutung. Durch diese standen neue kosteneffizientere Entwicklungen erfahren höherran- großflächige Einheiten (z. B. Ver- gige Versorgungszentren mit einem brauchermärkte, Fachmärkte). Zu- vielfältigen Angebot einen Nachfra- erst wurden im Lebensmitteleinzel- gezuwachs, während sich das Ein- handel umsatzschwache Bedie- kaufen in kleinen Läden des Nahbe- nungsläden („Tante-Emma-Läden“) reichs auf den Vergesslichkeitsbe- geschlossen und durch Supermärkte darf beschränkt. und später Verbrauchermärkte (per- 146 Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe sonal-kostengünstiges SB-System) quenzen, da in Abhängigkeit von mit vielfältigerem Angebot ersetzt. der Flächengröße und Produktivität Seit den siebziger Jahren verdrän- unterschiedliche Standortpräferen- gen auch im Non-food-Sektor zen vorliegen. Die neuen groß- großflächige Fachmärkte die Fach- flächigen Betriebsformen bevorzu- geschäfte und die Kaufhäuser. In gen preisgünstige Flächen am Stadt- den neuen Betriebsformen finden rand mit günstiger Straßenanbin- moderne technische Geräte zur Ver- dung; dort sind sie auch für die besserung der Personalprodukti- durch PKW-Besitz räumlich flexiblen vität Verwendung (z. B. Scannerkas- Verbraucher gut zu erreichen. sen), sie gehören überwiegend zu Die Entwicklungen der Angebots- Mehrbetriebsunternehmen (Ko- und Nachfrageseite führten zu ei- stenvorteile beim Wareneinkauf) ner Ausdünnung des Versorgungs- und sind in EDV-gestützte Zuliefer- netzes in kleinen Siedlungen und systeme eingebunden. Wohngebieten, zu einem Zuwachs Die Tabelle zeigt für den Zeit- in Stadtzentren mittelgroßer Städte raum 1985-1993 den überproportio- und zur Entstehung neuer nicht-in- nalen Bedeutungsgewinn flächen- tegrierter Versorgungsstandorte am großer Arbeitsstätten (+15,1% Zu- Stadtrand. wachs der durchschnittlichen Ge- Die Abbildung Flächenentwick- schäftsfläche) und den Produk- lung im Einzelhandel Niedersach- tivitätszuwachs pro Beschäftigten sens zeigt diese Veränderungen (+ 24,8%). Dieser Wandel der Be- durch ein unterdurchschnittliches triebsformen hat räumliche Konse- Wachstum in ländlichen Kreisen

Merkmale des Einzelhandels Niedersachsens

1985 1993 Veränderung in %

Arbeitsstätten 43.386 45.991 + 6,0

Umsatz (Vorjahr in Mio. DM) 44.179 66.669 + 50,9

Geschäftsfläche (in 1000 m2) 12.935 15.765 + 21,9

Geschäftsfläche pro Arbeitsstätte (in 1000 m2) 298 343 + 15,1

Umsatz pro Arbeitsstätte (in 1000 DM) 1.018 1.450 + 42,4

Umsatz pro m§ Geschäftsfläche (in DM) 3.415 4.330 + 23,9

Umsatz je Beschäftigten (in DM) 189.248 236.233 + 24,8

Datengrundlage: Handels- und Gaststättenzählung 1985 und 1993 Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe 147

Flächenentwicklung im Einzelhandel Niedersachsens

(z. B. Soltau-Fallingbostel, Uelzen) fluss auf diesen Standortstruktur- und durch einen überproportiona- wandel. Erst in jüngerer Zeit versu- len Zuwachs der Geschäftsflächen chen Planer/Politiker die Suburba- im Großstadtumland (z. B. Verden) nisierung des Einzelhandels auf- und in Landkreisen mit starken mit- grund der negativen Effekte, wie telgroßen Zentren (z. B. Leer, Sta- Flächenverbrauch und Anstieg des de). Die hochrangigen Citybereiche Fahrzeugverkehres, zu begrenzen versuchen durch interne qualitative (durch § 11.3 der Baunutzungsver- Aufwertungen („trading up“), wie ordnung). die Spezialisierung auf hochwertige Im Dienstleistungsbereich (vgl. Artikel und die Attraktivitätssteige- Staudacher 1995) führte der Ein- rung durch Passagen mit einem er- kommensanstieg zum Ersetzen ein- gänzenden Dienstleistungsangebot, facher extern nachgefragter Dien- ihre Konkurrenzfähigkeit gegen- ste (z. B. Taxitransport, Wäscherei, über den neuen Zentren am Stadt- Putzhilfe) durch langlebige Kon- rand zu sichern. Die räumliche Pla- sumgüter (z. B. Auto, Waschmaschi- nung nahm zuerst nur wenig Ein- ne, Staubsauger). Zugleich ergab 148 Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe sich in Verbindung mit der Erlebnis- rung in traditionellen Bereichen orientierung eine verstärkte Nach- und zur Neuentwicklung höher- frage nach höher bewerteten Diens- wertiger Dienstleistungen. Stand- ten im Freizeitbereich (z. B. Fitness- örtlich orientieren sich konsumen- Studio, Video-Shop, Restaurants) tenorientierte Dienstleistungen an und bei Fremdenverkehrseinrich- dem hierarchischen Zentrensystem tungen. Innerhalb des Angebots- des Einzelhandels. bereichs kam es dadurch zur Aufga- be und kostenorientierten Reduzie- Elmar Kulke Erholung und Fremdenverkehr

Niedersachsen bietet dem Erho- te sind nicht nach administrativen lungssuchenden mit den Watten Raumeinheiten gegliedert, sondern und Inseln, den Marschen, Hoch- geben die Zuständigkeitsbereiche mooren, der Geest und den Löss- der regionalen Fremdenverkehrs- börden, sowie dem Berg- und verbände wieder. In die Fremden- Hügelland und dem Harz als nörd- verkehrsstatistiken gehen in Nieder- lichstem deutschen Mittelgebirge sachsen, wie auch im restlichen Bun- ein sehr mannigfaltiges Angebot. desgebiet, nur Beherbergungsbe- Der Fremdenverkehr hat in den triebe mit mehr als acht 17 Reisegebieten (vgl. Abb. Die 17 Gästebetten ein. Diese Betriebe Reisegebiete Niedersachsens), in die meldeten 1997 für Niedersachsen das Land flächendeckend eingeteilt knapp 32 Mio. Gästeübernachtun- ist, eine sehr unterschiedliche Be- gen. Besonderer Beliebheit erfeuen deutung. Die einzelnen Reisegebie- sich bei den Reisenden die Inseln

Die 17 Reisegebiete Niedersachsens

Quelle: Barbara Hahn 150 Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr und die Küstenregionen, die in die Bad Grund und das Kneippheilbad Reisegebiete „Ostfriesische Küste“ Bad Lauterberg verfügt und außer- und „Cuxhavener Küste-Unterelbe“ dem häufiger Schneefall die Aus- untergliedert sind, der „Harz“ und übung von Wintersport ermöglicht, das Reisegebiet „Weserbergland- sind die Übernachtungen sehr viel Solling“ und die Lüneburger Heide, gleichmäßiger über das ganze Jahr die wiederum in zwei Reisegebiete verteilt als in den Küstenregionen. unterteilt ist. Von den knapp 32 Die Zahl der gemeldeten Übernach- Mio. gemeldeten Übernachtungen tungen vermittelt allerdings nur ein entfielen 35,5 Prozent auf die Inseln unvollständiges Bild von der Bedeu- und Küstenregionen, knapp 20 Pro- tung des Fremdenverkehrs für den zent auf die Berglandschaften Harz, der ein beliebtes Tagesaus- „Harz“ und „Weserbergland-Sol- flugsziel für die Menschen in den ling“ und 15 Prozent auf die Lüne- angrenzenden Regionen darstellt. burger Heide. Das Reisegebiet „Weserbergland- Die Inseln und die Küstenland- Solling“ erreicht zwar nicht so schaften zeichnen sich durch ein großen Höhen wie der Harz, ist aber gesundes Reizklima aus. Insbeson- gleichwohl ein sehr ausgeprägtes dere die sieben ostfriesischen Inseln Bergland. Es erstreckt sich vom We- Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, sergebirge, Süntel und Deister über Langeoog, Spiekeroog und Wange- Osterwald, Ith, Hils, Vogler, Pyrmon- rooge mit ihren breiten Sandsträn- ter Bergland und Ottensteiner den werden im Sommer gerne von Hochfläche bis zum Südfuß des Sol- Familien für längere Urlaubsreisen ling. Der Naturpark Solling-Vogler aufgesucht. Bemerkenswert ist, dass umfasst nach dem Harz den zweit- die mittlere Aufenthaltsdauer auf größten Höhenzug Niedersachsens. den Inseln bei 8,6 Tagen liegt, Ganz anders lassen sich in der Lü- während im niedersächsischen neburger Heide unberührte Heide- Durchschnitt nur 3,6 Tage erreicht landschaften insbesondere im Na- werden. turschutzpark Lüneburger Heide, Der Harz liegt nur zu einem Drit- der den 169m hohen Wilseder Berg tel in Niedersachsen. Er gehört mit in der nördlichen Lüneburger Heide seinen tief eingeschnittenen Tälern, einschließt, aber auch im Naturpark den vermoorten Hochflächen und Südheide finden. Das Reisegebiet den umfangreichen Waldbeständen „Nördliche Lüneburger Heide“ zu den meistbesuchten deutschen zieht darüber hinaus mit einer Fülle Urlaubslandschaften. Da dieses Rei- von Attraktionen, wie z. B. dem segebiet über eine große Zahl von Vergnügungspark Heidepark Soltau Kurorten, wie z. B. das Moorheilbad oder dem Wildpark Lüneburger Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr 151

Der Reiseverkehr in den Reiseverkehrsgebieten 1984 und 1997*

Reiseverkehrsgebiet Übernachtungen Veränderungen durchschnittl. in 1.000 in % Aufenthaltsdauer in Tagen

1984 1997 1984 – 1997 1997

Ostfriesische Inseln 4.410 5.453 24 8,6

Ostfriesische Küste 1.448 3.557 146 5,0

Cuxhavener Küste-Unterelbe 1.022 2.332 128 4,8

Elbufer-Drawehn 237 372 57 3,4

Ems-Hümmling 534 1.011 89 3,4

Emsland-Grafschaft Bentheim 257 567 121 2,6

Oldenburger Land 771 1.150 49 2,5

Bremer Umland 411 610 48 2,0

Nördl. Lüneburger Heide 1.632 3.507 115 3,4

Südl. Lüneburger Heide 801 1.169 46 2,6

Steinhuder Meer 172 205 19 2,4

Hannover-Hildesheim- Braunschweig 1.525 2.813 85 1,8

Harzvorland-Elm-Lappland 797 808 1 2,9

Osnabrücker Land-Dümmer 1.218 1.543 27 3,7

Weserbergland-Solling 2.187 2.092 – 4 4,1

Südniedersachsen 445 554 25 1,7

Harz 4.549 4.210 – 8 4,4

Niedersachsen 22.415 31.960 43 3,8

*nur Beherbergungsbetriebe mit neun und mehr Betten

Heide viele Menschen an. Besonders Von den bislang noch nicht er- an den Wochenenden besuchen vie- wähnten Regionen sind die Reisege- le Hannoveraner und Hamburger biete „Harzvorland-Elm-Lappland“ die überwiegend in Autobahnnähe und „Südniedersachsen“ als Berg- gelegenen Freizeit- und Erholungs- und Hügelländer zu bezeichnen. In einrichtungen im Rahmen von Ta- den Reisegebieten „Ems-Hümm- gesausflügen. ling“, „Emsland-Grafschaft Bent- 152 Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr heim“ und „Elbufer-Drawehn“ sind botenen Fremdenbetten mit ca. 35 insbesondere die Flusslandschaften Prozent (1995) jedoch sehr gering. prägend, während „Steinhuder Die Beherbergungsbetriebe Hanno- Meer“ und „Osnabrücker Land- vers verfügen über ein großes Bet- Dümmer“ Binnenseeregionen dar- tenangebot und die Gäste verwei- stellen. Das „Oldenburger Land“ len durchschnittlich nur 2,1 Tage in und das „Bremer Umland“ sind Teil der Stadt. des niedersächsischen Tieflandes. Detaillierte Daten liegen auch für Marsch, Moor und Geest sind die die Campingplätze in Niedersachsen prägenden Elemente der Land- vor. 1997 stellten 276 Campingplät- schaft. ze im Land insgesamt 23.659 Stell- Das Reisegebiet „Hannover-Hil- pätze für Urlaubscamping zur Ver- desheim-Braunschweig“ hat 1997 fügung. Die Urlauber bleiben knapp 9 Prozent aller Übernachtun- durchschnittlich 4,6 Tage an einem gen auf sich vereinen können. Hier Stellplatz und übernachteten ca. stehen allerdings der Städtetouris- drei Mio. mal auf Campingplätzen. mus und der Geschäftsreiseverkehr Der Fremdenverkehr konkurriert an erster Stelle. In der Städten die- in Niedersachen mit anderen Zielge- ser Region ziehen eine größere Zahl bieten innerhalb der Bundesrepu- von Museen und anderer kultureller blik Deutschland und im Ausland. Güter, wie z. B. der Hildesheimer Veränderungen bei der Zahl der Dom zahlreiche Touristen, die an Übernachtungen und Gästeankünf- Kultur und Bildung interessiert sind, te ergeben sich von Jahr zu Jahr an. Darüber hinaus hat die Landes- u. a. in Abhängigkeit von der Wirt- hauptstadt Hannover aufgrund ih- schaftskraft der Haushalte, der stets rer Messefunktion einen hohen An- wechselnden Beliebtheit der einzel- teil an Geschäftsreisenden. Allein nen Regionen bei den Touristen und die beiden wichtigsten Messen Ce- auch vom Wetter. In Niedersachsen bit und Hannover-Messe wurden haben seit Mitte der 1980er-Jahre 1997 von ca. 900.000 Menschen be- die Reisegebiete „Ostfriesische sucht. Die große Attraktivität der Küste“, „Cuxhavener Küste-Unter- Messen wirkt sich positiv auf die elbe“, „Emsland-Grafschaft Bent- Zahl der Gästeübernachtungen aus. heim“ und „Nördliche Lüneburger 1997 übernachteten 1,051 Mio. Gä- Heide“ gemessen an der Zahl der ste in Hannovers Beherbergungsbe- Übernachtungen Zuwächse von trieben. Das waren knapp 39 Pro- mehr als 100 Prozent verzeichnen zent mehr als zehn Jahre zuvor. Auf können. Der Harz ist zwar immer das Jahr gerechnet ist die Ausla- noch eines der beliebtesten Reise- stungsquote bezogen auf die ange- gebiete Niedersachsens, hat aber im Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr 153 gleichen Zeitraum sogar einen ge- nachtungen haben gleichzeitig nur ringfügigen Rückgang der Über- Ferienhäuser, Ferienwohnungen nachtungszahlen erlebt. Im Ver- und Ferienzentren eine ähnliche po- gleich zu den anderen Bundeslän- sitive Entwicklung erlebt. In den Fe- dern hatte Niedersachsen in den rienhäusern und -wohnungen 1990er-Jahren nach Bayern, Baden- schätzen die Gäste die ungezwun- Württemberg und Nordrhein-West- gene Atmosphäre und die Möglich- falen die meisten Gästeübernach- keit, Mahlzeiten selbst vorbereiten tungen. Erfreulich ist, dass in Nie- zu können. Die Ferienzentren stel- dersachsen zwischen 1992 und 1997 len darüber hinaus noch weitere die Zahl der Übernachtungen mit Annehmlichkeiten, wie z. B. großzü- 2,6 Prozent nur relativ wenig gesun- gige Freizeit- und Sportanlagen, ken ist, während die drei anderen Animation und Einkaufsmöglichkei- führenden Bundesländer im glei- ten zur Verfügung. chen Zeitraum einen Rückgang von Die durchschnittliche Aufent- ca. 11 Prozent erlitten haben. haltsdauer ist mit nur 3,8 Übernach- Größere Beherbergungsbetriebe tungen in den einzelnen Beherber- sind im Allgemeinen in der Lage, ein gungsbetrieben gering. In Hotels besseres Angebot, sei es in der Form und Gasthäusern verbringt der Gast von Restaurants, Sportmöglichkei- nur 2,1 Nächte, während die durch- ten oder Kinderspielplätzen bereit- schnittliche Aufenthaltsdauer er- zuhalten, als kleinere Betriebe. Die- wartungsgemäß in Sanatorien und se Dienstleistungen werden auch in Kurkrankenhäusern mit 23,0 Näch- Niedersachsen in zunehmendem ten am längsten ist. Gerade der Kur- Maße von den Gästen gewünscht. tourismus hat allerdings in den ver- Von 1984 bis 1997 ist der Anteil der gangenen Jahren empfindliche Ein- Übernachtungen in Hotels von 17,1 bußen hinnehmen müssen. Die Ein- Prozent auf 25,5 Prozent gestiegen. schneidungen im Gesundheitswe- Die Zahl der zur Verfügung stehen- sen haben sich negativ auf die Zahl den Hotels wurde nicht nur durch der Kuranmeldungen und auf die den Bau von neuen Einrichtungen Dauer der Kuraufenthalte ausge- dieser Art, sondern auch durch eine wirkt. Während 1994 noch ca. Veränderung der Betriebsart, d. h. 165.000 Kurgäste durchschnittlich z. B. durch die Umgestaltung eines 28 Tage in den Sanatorien und Kur- einfacheren Gasthofes zu einem krankenhäusern Niedersachsens besser ausgestatteten Hotel ausge- verweilten, suchten 1997 nur noch weitet. Das Angebot wurde so der ca. 152.000 Gäste diese Einrichtun- veränderten Nachfrage angepasst. gen für durchschnittlich 23 Tage Gemessen an der Zahl der Über- auf. Die negative Entwicklung im 154 Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr

Kurwesen ist der wichtigste Grund Erdteilen spielten bislang nur eine für einen leichten Rückgang der untergeordnete Rolle, verbuchten Übernachtungen im Fremdenver- in den vergangenen Jahren aber ho- kehrswesen Niedersachsens in neue- he Zuwachsraten. ster Zeit. Reisegebiete, die über Obwohl Niedersachsen derzeit eine größere Zahl von Kurorten, knapp 32 Mio. Übernachtungen im wie z. B. „Weserbergland-Solling“, Fremdenverkehr verzeichnet, darf „Harzvorland-Elm-Lappwald“ und die wirtschaftliche Bedeutung des „Emsland-Grafschaft Bentheim“, Sektors für das Land nicht über- verfügen, haben besonders hohe schätzt werden. Im niedersächsi- Einbußen hinnehmen müssen. Ob- schen Fremdenverkehr sind nur ca. 4 wohl der Kurtourismus in den ver- Prozent aller Beschäftigten tätig. gangenen Jahren rückläufig war, Diese erwirtschaften rd. 4,3 Prozent gab es in den niedersächsischen des Volkseinkommens. Etwa 2,2 % Heilbädern (Mineral- und Moorbä- des niedersächsischen Bruttosozial- der, heilklimatische Kurorte und produkts werden aus dem Tagesaus- Kneippkurorte) 1997 noch knapp flugsverkehr, 1,4 Prozent aus dem 24 Prozent aller Gästeübernachtun- Fremdenverkehr mit Übernachtung gen. Von noch größerer Bedeutung und 0,6 Prozent aus dem Tagege- für den niedersächsischen Fremden- schäftsverkehr gewonnen. Aller- verkehr sind nur die Seebäder mit dings ist zu bedenken, dass sich der knapp 30 Prozent aller Übernach- Fremdenverkehr auch positiv auf tungen. andere Wirtschaftszweige, wie z. B. Nur knapp 6 Prozent aller Über- auf den Einzelhandel in den betrof- nachtungen in den niedersächsi- fenen Regionen auswirkt. In den schen Beherbergungsbetrieben Regionen, die nur über wenige Ar- werden von Ausländern gebucht. beitsplätze im industriellen Sektor Mehr als 80 Prozent dieser Über- oder in anderen Dienstleistungen nachtungen erfolgen durch An- verfügen, bietet der Fremdenver- gehörige eines europäischen Lan- kehr darüber hinaus dringend des. Besucher aus den Niederlanden benötigte Arbeitsplätze. belegten hier mit weitem Abstand den ersten Rang. Gäste aus anderen Barbara Hahn Verkehrsinfrastruktur

Die Verkehrsinfrastrukturausstat- entwicklung nachhaltig beeinflus- tung von Regionen stellt einen zen- sen und von denen bei unzureichen- tralen Faktor für die Partizipations- der Ausstattung limitierende Effek- möglichkeiten und -bedingungen te ausgehen, spielt die Verkehrsin- der Bevölkerung an den Grundda- frastruktur als notwendiger, wenn seinsfunktionen dar. Gerade die auch nicht hinreichender Faktor, ei- Qualität der Erreichbarkeitsbedin- ne zentrale Rolle. Die Standortgunst gungen führt hierbei zu regional eines Raumes für Wirtschaftsunter- differenzierten Strukturen. nehmen und private Haushalte wird Das auf räumliche Arbeitsteilung durch die Verkehrsinfrastrukturaus- und Spezialisierung ausgerichtete stattung mitbestimmt. Auf der an- Wirtschaftssystem ist für das Vor- deren Seite können Engpässe im handensein qualitativ hochwerti- Verkehrsinfrastrukturbereich im in- ger unternehmensorientierter Ver- terregionalen und internationalen kehrsinfrastruktur zur Gewährlei- Wettbewerb zu erheblichen Stand- stung der Mobilität von Güter- und ortnachteilen führen. Personenströmen unabdingbar. Die Die großräumige Verkehrsinfra- Globalisierung der Wirtschaft be- strukturausstattung Niedersachsens deutet eine zunehmende arbeitstei- wird durch das Vorhandensein be- lige Herstellung von Gütern über deutender Verkehrsachsen von Bun- mehrere Fertigungsstufen an ver- desfernstraßen und Eisenbahnen schiedenen Standorten, wodurch sowohl in Nord-Süd- als auch West- sich die Verflechtungsbeziehungen Ost-Richtung geprägt. Im Zuge der der Wirtschaftssubjekte sowie die Wiedervereinigung, der zunehmen- Anforderungen an die Verkehrsin- den europäischen Integration und frastruktur ändern. Marktliche Be- der wirtschaftlichen Öffnung Osteu- dingungen wie der Wandel vom ropas hat dabei die Zentralität in- Verkäufer- zum Käufermarkt sowie nerhalb Europas einen neuen Stel- steigende Markttransparenz gewin- lenwert erhalten. nen an Einfluss. Politisch-ökonomi- sche Veränderungen, wie vor allem Straßenverkehr die vertikalen und horizontalen Integrationsprozesse der Europäi- Mit den Bundesautobahnen A2 schen Union, ergeben neue Wirt- sowie A30 verläuft eine der großen schaftsbeziehungen und Spezialisie- West-Ost Verkehrsachsen durch Nie- rungsstrukturen. dersachsen (vgl. Abb. Fernstra- Unter den Potentialfaktoren, ßennetz und regionales Güterver- welche die regionale Wirtschafts- kehrsaufkommen), durch die eine 156 Verkehrsinfrastruktur direkte Verbindung der Räume struktur kann die Erreichbarkeit der Braunschweig, Hannover, Osna- nächsten Autobahnauffahrt heran- brück mit den Benelux-Ländern, gezogen werden . Gerade entlang dem Ruhrgebiet sowie Berlin und der großen Verkehrsachsen, aber den ostdeutschen Bundesländern auch entlang der übrigen Autobah- und Osteuropa besteht. Die zentra- nen ergeben sich aufgrund der le Achse im Nord-Süd-Verkehr bil- günstigen Erreichbarkeitsbedingun- den die Bundesautobahnen A1 und gen anderer Wirtschaftsräume gute A7. Insbesondere die Verkehrs- Standortvoraussetzungen für Un- ströme mit Skandinavien, Schles- ternehmen. Überaus günstige wig-Holstein, den norddeutschen Standortbedingungen bieten dabei Zentren Hamburg und Bremen, besonders die Schnittpunkte der der Rhein-Ruhr-Agglomeration, den großen Nord-Süd- und West-Ost- süddeutschen Agglomerationsräu- Achsen, also die Räume Hannover- men und den südlichen und westli- Braunschweig-Hildesheim, Achim- chen Nachbarländern werden über Verden und Hamburg einschließlich diese Bundesautobahnen abge- des südlichen Umlandes. wickelt. Als weitere wichtige Ele- Demgegenüber weisen einige mente des Bundesautobahnnetzes niedersächsische Regionen relativ sind vor allem die Anbindungen der hohe Entfernungen zu Autobahn- Hafen- und Industriestandorte und anschlussstellen auf. In dieser Hin- zentralen Orte Nord-West-Nieder- sicht periphere Regionen sind vor sachsens wie Cuxhaven (A27), Wil- allem das nordöstliche Niedersach- helmshaven (A29), Emden, Leer, Pa- sen (insbesondere die Landkreise penburg (A31) sowie über die A29 Lüchow-Dannenberg und Uelzen), Oldenburg und Delmenhorst zu der Oberweserraum (vor allem der nennen. Über das Bundesstraßen- Landkreis Holzminden), der mittlere netz erfolgten die innere überregio- Weserraum (Landkreise Diepholz nale Erschließung sowie die Anbin- und Nienburg), die Wesermarsch, dung an das BAB-Netz. Zwischen Teile des Unterelberaums und das den Regionen zeigen sich jedoch nördliche Ostfriesland. Relativ un- deutliche Unterschiede in der Ein- günstige Erreichbarkeitsbedingun- bindung in das Bundesstraßennetz, gen weisen auch das östliche Ems- wobei gerade der südniedersächsi- land und der westliche Teil Cloppen- sche Raum durch eine relativ hohe burgs auf. Hingegen hat sich die Dichte geprägt wird (vgl. Abb. Fern- Situation im westlichen Emsland im straßennetz und regionales Güter- Zuge des Baus der Autobahn A31 verkehrsaufkommen). Als Maß für deutlich verbessert. Allerdings fehlt Qualität der Straßenverkehrsinfra- auch weiterhin das Teilstück der Verkehrsinfrastruktur 157

Fernstraßennetz und regionales Güterverkehrsaufkommen

A31 bis Ochtrup kurz hinter der che Zunahmen auf, die sowohl den nordrhein-westfälischen Landes- privaten als auch den Wirtschafts- grenze, sodass die überregionale verkehr betreffen. Wichtige Gründe Erreichbarkeitsqualität noch deutli- liegen u. a. in einem veränderten che Mängel aufweist. Analysiert Mobilitätsverhalten der Bevölke- man die Erreichbarkeitsbedingun- rung und dem wirtschaftlichen gen zum nächsten Oberzentrum als Strukturwandel mit einer Auswei- ein konkretes Ziel, so resultieren tung der internationalen Arbeitstei- daraus weitgehend vergleichbare lung, veränderten Güterstrukturen Aussagen. und neuen Anforderungen an die Die konkreten Zahlen zum Ver- Leistungsfähigkeit der Verkehrsin- kehrsgeschehen zeigen die beson- frastruktur (Beispiel: Just in Time). dere Bedeutung der großen Ver- Zuwächse und Verlagerungen erga- kehrsachsen. Das Verkehrsaufkom- ben sich dabei insbesondere zugun- men weist dabei langfristig erhebli- sten des Straßenverkehrs. Besonders 158 Verkehrsinfrastruktur hohe Belastungen weisen die Auto- Autobahn A38 bringen. Hiermit bahnen A7 und A1 auf. Infolge der wären auch entsprechende Entlas- geänderten politischen Rahmen- tungseffekte für das dortige Bun- bedingungen stieg in den letzten desstraßennetz verbunden. Jahren vor allem das Ost-West- Das Güteraufkommen im Stra- Verkehrsaufkommen wesentlich an, ßengüterfernverkehr konzentriert womit entsprechende Überlas- sich in Niedersachsen (ca. 13 vH tungseffekte, die sich vor allem bei des bundesdeutschen Aufkommens) der A2 zeigen, einhergehen. Bei schwerpunktmäßig auf die Räume gegenwärtigen Verkehrsstärken bis Hannover und Braunschweig (insg. über 100.000 Kfz/Tag in einzelnen 29 Mill. t im Jahr 1993, das sind Teilstücken, wird sich auch nach Fer- 30 vH des niedersächsischen Auf- tigstellung der 6-streifigen Ausbau- kommens), d. h. die wirtschaftlichen maßnahme eine hohe Belastung er- Kernräume des Landes (vgl. Abb. geben. Eine deutliche Verbesserung Fernstraßennetz und regionales Gü- der Anbindungsqualitäten Südnie- terverkehrsaufkommen). Daneben dersachsens an die thüringischen gehören die Räume Osnabrück und und sächsischen Wirtschaftsregio- Oldenburg (22 Mill. t / 22 vH) zu den nen würde der geplante Bau der aufkommensstärksten Regionen.

Normierte Indikatoren zur Verkehrsinfrastruktur

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- Verkehrsinfrastruktur 159

Die Nutzungschancen des Kom- wesentliche Reduzierungen der binierten Verkehrs, der die System- Fahrzeiten und Verringerungen der vorteile der verschiedenen Ver- Überlastungen im Hauptstrecken- kehrsträger vereint, zeigt die Abbil- netz durch die Neubaustrecken ge- dung Normierte Indikatoren zur prägt. So stellen vor allem die ICE- Verkehrsinfrastruktur. Die aufkom- Verbindungen, die zu einer deutli- mensstärksten Regionen bieten chen Verringerung der „ökonomi- auch ein entsprechendes Angebots- schen Distanz“ zwischen Wirt- potential. Andererseits ist die Er- schaftsräumen beigetragen haben, schließung der übrigen Regionen einen regionalwirtschaftlich wichti- mit zusammen ca. 50 vH des Güter- gen Standortfaktor dar. Neben dem verkehrsaufkommens äußerst un- Zeitfaktor spielen sowohl die Häu- günstig. figkeit der Verkehre als auch die Verbindungssituation zu Tagesrand- Schienenverkehr zeiten eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung der Angebotsqua- Die Entwicklung der Schienenver- lität. Der Standort Hannover hat als kehrsinfrastruktur ist geprägt durch zentraler norddeutscher Knoten- einen Rückzug der Bahn aus der punkt mit insgesamt 236 Fernver- Fläche, dessen Schwerpunkt insbe- kehrszugpaaren pro Tag, davon 131 sondere in den 70er-Jahren lag, im ICE-Verkehr, ein herausragendes durch eine zunehmende Hinwen- Qualitätsprofil in Norddeutschland , dung zu Knotenpunktverkehren aber auch im Vergleich mit anderen und durch grundlegende Verbesse- bundesdeutschen Verdichtungsräu- rungen der Qualitätsstandards. So men (vgl. Karte Hauptstreckennetz kam es zu einer Vertaktung der Ver- und Fernverkehrsangebot der Ein- kehre; neue Zugsysteme wie ICE, IC senbahn). Neben Hamburg (insg. und IR wurden eingeführt und die 152 Zugpaare) und Bremen (92) wichtigsten Hauptstrecken auf Ge- kommen im Nord-Süd-Verkehr dem schwindigkeiten bis 200 km/h aus- Standort Göttingen (121) sowie im gebaut. Ein schnellerer Güterver- West-Ost-Verkehr Braunschweig kehr u. a. auch durch eine Trennung (71) und Wolfsburg (45) besondere der Güter- und Personenverkehrs- bedeutung zu. Wichtige Standorte netze wurde angestrebt und der In- des Fernverkehrs sind zudem Osna- terCargoVerkehr, der bundesdeut- brück und Hildesheim. Demgegen- sche Wirtschaftsräume im Nacht- über sind große Teile Niedersach- sprung verbindet, aufgebaut. sens vom schnellen, qualitativ hoch- Gerade die Anbindungsqualitä- wertigen Schienenverkehr weitge- ten im Personenverkehr sind durch hend abgekoppelt. Dies betrifft ins- 160 Verkehrsinfrastruktur besondere das gesamte westliche weitaus stärkere regionale Un- Niedersachsen; jedoch lassen die gleichverteilung im Vergleich zum Ankündigungen der Deutschen Straßengüterfernverkehrsaufkom- Bahn AG eine weitere Verringerung men auf. Am gesamten bundes- des IR-Angebotes peripherer Regio- deutschen Güteraufkommen im nen erwarten. Schienenverkehr hat Niedersachsen Der Schienenverkehr hat in den einen Anteil von ca. 8,5 vH, Ham- vergangenen Jahren nahezu durch- burg und Bremen haben zusammen gängig Anteile am Gesamtverkehrs- ca. 7 vH. Damit liegt die Bedeutung aufkommen verloren, wobei die re- des Schienengüterverkehrs in Nie- lativen Rückgänge im Güterverkehr dersachsen gegenüber dem Stra- besonders hoch ausfallen. Betrach- ßengüterverkehr weitaus niedriger tet man das Güteraufkommen (Ver- als im Durchschnitt der Bundesrepu- sand + Empfang) im Eisenbahn- blik. 54 vH des niedersächsischen verkehr Niedersachsens, so fällt die Schienengüterverkehrs haben im

Hauptstreckennetz und Fernverkehrsangebot der Eisenbahn Verkehrsinfrastruktur 161

Verkehrsbezirk Braunschweig ihren Emden und Cuxhaven) mit einem Ausgang oder ihr Ziel. Weitere 11 vH Anteil von knapp 95 vH des Güter- entfallen auf den Verkehrsbezirk umschlags eine größere regional- Oldenburg und 10 vH auf Hannover. wirtschaftliche Bedeutung. Wil- Mit hohen Anteilen der Montan- helmshaven vereinigt dabei deut- industrie weist gerade die Region lich über die Hälfte dieses Güterauf- Braunschweig eine relativ hohe Ei- kommens von ca. 28 Mill. Tonnen. senbahnaffinität im Güterverkehr Allerdings liegen diese Größenord- auf. Die Dichte des Eisenbahnnetzes nungen weit unterhalb derjenigen der DB AG in der Region sowie die der bremischen Häfen, deren Güter- Vielzahl an sonstigen Strecken, vor umschlag auf dem Niveau aller allem Werksbahnen, spiegeln diese niedersächsischen Häfen insgesamt spezifischen Bedingungen wider. liegt, und des Hamburger Hafens, Als wirtschaftlicher Kernraum weist der einen fast doppelt so hohen Braunschweig zusammen mit Han- Umschlag aufweist. nover sowie Osnabrück und Olden- Neben der Seeschifffahrt ist auch burg bezüglich der Eisenbahninfra- die Binnenschifffahrt in Niedersach- struktur weitere differenzierte An- sen bedeutsam, wobei insbesondere gebotsbedingungen auf. So sind der Mittellandkanal, die Weser und Braunschweig, Wolfsburg, Hanno- die Ems bzw. der Ems-Kanal aufzu- ver, Göttingen, Osnabrück und zu- führen sind. Der Anteil von 7,5 vH künftig Salzgitter sowie Bremen am bundesdeutschen Binnenschiffs- und Hamburg Standorte des Kombi- aufkommen zeigt jedoch die im nierten Ladungsverkehrs. Gleichzei- Vergleich zu den großen Schiff- tig sind diese Regionen (einschließ- fahrtsstraßen Rhein und Main deut- lich des direkten Hamburger Umlan- lich untergeordnete Rolle. Aller- des) auch in das InterCargo System dings erscheinen die Potentiale der eingebunden, welches alle wichti- Binnenschiffstraßen noch nicht aus- gen Wirtschaftsräume im Nacht- genutzt. Einerseits bestehen erheb- sprung verbindet. liche Kapazitätsreserven, die zu ei- ner Entlastung des Schienen- und Binnen- und Straßenverkehrs beitragen können. Seeschiffgüterverkehr Anderseits können innovative Kon- zepte kürzere Transportzeiten und Von den ca. 65 niedersächsischen betriebswirtschaftlich sinnvolle hö- Seehäfen (ohne reine Schutzhäfen herwertige Angebotsprodukte (z. B. und Anleger im reinen Werkver- Containerverkehr) neben dem tradi- kehr) haben 6 Häfen (Wilhelmsha- tionellen Massenguttransporten er- ven, Brake, Bützfleth, Nordenham, möglichen. 162 Verkehrsinfrastruktur

Luftverkehr duktions- und Dienstleistungsbe- triebe mit überregionalen und vor Das Vorhandensein bzw. die allem internationalen Geschäftsbe- Nähe eines leistungsfähigen Ver- ziehungen, die auf schnelle Ver- kehrsflughafens gelten als wichti- kehrsverbindungen im Geschäftsrei- ger Standortfaktor. Ähnlich wie se- und Güterverkehr angewiesen beim ICE-Verkehr ergeben sich po- sind, zu erwarten. tentiell positive Effekte aufgrund Der überwiegende Teil des Luft- von Zeit- und Kostenersparnissen verkehrs wird über die 14 Standorte im Geschäftsreiseverkehr. Ebenfalls, internationaler Verkehrsflughäfen wenn auch vermutlich mit einem (Berlin: 3 Flughäfen) abgewickelt, noch höheren Gewicht als im Schie- von denen Frankfurt mit über ei- nenschnellverkehr, ist eine allge- nem Drittel aller beförderten Flug- meine Steigerung der Attraktivität gäste mit weitem Abstand domi- für die Ansiedlung moderner Pro- niert. Auf niedersächsischem Gebiet

Gesamtindikator Verkehrsinfrastruktur

N I W Niedersächsisches Insti- tut für Wirtschafsfor- Verkehrsinfrastruktur 163 liegen die Verkehrsflughäfen Han- men und Hamburg kommen auf ins- nover und Münster/Osnabrück, wo- gesamt 2,5 vH. bei Hannover, bezogen auf die Eine zusammenfassende Bewer- Fluggastzahlen, mit einem Anteil tung der Verkehrsinfrastruktur Nie- von 3,9 vH (4,3 Mill. Personen) im dersachsens zeigt die Abbildung Ge- Jahre 1996 den 8. Rang einnimmt, samtindikator Verkehrsinfrastruk- Münster/Osnabrück mit 0,9 vH und tur. Sie beruht auf Daten der Bun- 1 Mill. Fluggästen den vorletzten desforschungsanstalt für Landes- Platz. Darüber hinaus strahlen die kunde und Raumordnung und be- Erreichbarkeitseffekte der Flughä- rücksichtigt neben den in Abb. Nor- fen Bremen (12. Rang) und Ham- mierte Indikatoren zur Verkehrsin- burg (5. Rang) in das niedersächsi- frastruktur dargestellten Indikato- sche Umland aus. Dementsprechend ren zudem die durchschnittliche zeigt sich das Muster der Erreichbar- PKW-Fahrzeit sowie die Fahrzeit im keit europäischer Zentren im Joint- Schienenverkehr jeweils zu den Use, also der Fahrzeiten mit PKW nächsten drei nationalen oder eu- und Flugverkehr (vgl. Abb. Normier- ropäischen Agglomerationsräumen. te Indikatoren zur Verkehrsinfra- Sehr günstige Bedingungen – auch struktur). Die relativ ungünstigen im nationalen Vergleich – weisen Fahrzeitbedingungen der Region die Großstadt- und Umlandregio- Osnabrück lassen sich u.a. durch die nen Hannover, Hamburg und Bre- hohe Bedeutung der innerdeut- men auf. Auch in den wirtschaftlich schen Flugrelationen bei kleineren bedeutenden Standorten Braun- und randlicheren Flughäfen er- schweig und Osnabrück liefert die klären. So liegt dieser Anteil in Verkehrsinfrastruktur überdurch- Münster/Osnabrück bei 83 vH im schnittlich günstige Standortvoraus- Vergleich zu durchschnittlich 44 vH. setzungen. Demgegenüber sind- Im Luftfrachtverkehr zeigt sich ei- große Teile des westlichen Nieder- ne noch deutlich stärkere Ungleich- sachsens, des nordöstlichen Nieder- verteilung zwischen den deutschen sachsen und des südlichen Nieder- Flughäfen. Frankfurt dominiert mit sachsen auch bezüglich der Ver- einem Anteil von 70 vH am Ge- kehrsinfrastruktur durch periphere samtaufkommen gefolgt von Bedingungen gekennzeichnet. Köln/Bonn mit 16 vH. Die nieder- sächsischen Flughäfen sowie Bre- Frank Wagner Umwelt, Natur und Landschaft

Niedersachsen hat eine vielfälti- Insofern wird in Niedersachsen ge, naturbetonte Landschaft mit sehr unmittelbar deutlich, wie die Wäldern, Feldern, Weiden, Wiesen natürliche Umwelt die Menschen und Heiden, Flüssen, Bächen und selbst und ihr Handeln geprägt hat Auen, weiten Watten und grünen und wie sie dabei gleichzeitig über Marschen, leicht gewellten Geesten die Jahrhunderte die Umwelt als Le- und baumlosen Mooren, Dünen, bensraum zur Kulturlandschaft ge- Nordseeinseln, sanften Hügeln und formt haben, sodass nur noch weni- steilen Bergen, Vielfalt an Pflanzen ge, weitgehend unbeeinflusste na- und Tieren, entsprechenden Bioto- turbetonte Landschaftsteile erhal- pen, Habitaten, Lebensräumen. Das ten geblieben sind. Landschaftsmosaik verbindet sich Die Bewertung solcher Entwick- mit ausgeräumten, intensiv genutz- lung ist, wenn überhaupt nur unter ten Agrar- und Industrielandschaf- Berücksichtigung der Zusammen- ten zu einer ausgeprägten Kultur- hänge der jeweiligen Zeit möglich. landschaft. Dabei ist nachdrücklich darauf hin- zuweisen, dass es in Folge von Allgemeines Klimaschwankungen, also langfri- stig und unabhängig vom Men- Die Lage und Größe des zweit- schen schon immer einen dauern- größten Bundeslandes Niedersach- den Wandel gab: Menschen, Pflan- sen, seine naturräumliche und land- zen, Tiere, Lebensräume und Le- schaftliche Ausstattung, die dar- bensgemeinschaften waren davon gestellte Bevölkerungs- und Sied- betroffen. lungs-, Wirtschafts- und Verkehrs- struktur weisen bereits auf eine Hinzu kam die wachsende Gestal- große Vielfalt der Umwelt dieses tungskraft des Menschen, der seine Landes zwischen Küste und Mittel- Umwelt für sich nutzbar machte, sie gebirgen hin. dabei veränderte und umgestaltete. Die natürlichen Gegebenheiten Beispiel historischer Landschaftsver- der Umwelt haben den Menschen änderung in Niedersachsen ist die dieses Landes von je her die unter- Lüneburger Heide, die durch Abhol- schiedlichsten Lebensbedingungen zung der dortigen früheren Wälder geboten. Die Entwicklung zeigt ein- für die Salzgewinnung entstanden drucksvoll die Anpassung der Men- ist, als Heide landwirtschaftlich ge- schen an die jeweils gegebenen und nutzt wurde und heute als einzigar- veränderten natürlichen Gegeben- tige Naturlandschaft das älteste Na- heiten. turschutzgebiet Deutschlands und Umwelt, Natur und Landschaft 165

Kategorie Charakterisierung

natürlich Unbeeinflusst; in Niedersachsen nicht mehr vorhan- den. Teile des Wattenmeeres kommen dieser Stufe am nächsten.

naturnah Nur wenig beeinflusst; die Tier- und Pflanzenwelt ist dem natürlichen Zustand sehr ähnlich; sie besteht aus Arten, die dort von Natur aus vorkommen.

halbnatürlich Durch Nutzung beeinflusst; jedoch ohne wesentliche Veränderung von Wasser und Boden; die Tier- und Pflanzenwelt enthält überwiegend heimische Arten.

naturfern Intensiv genutzt; die Tier und Pflanzenwelt enthält hauptsächlich Arten, die von Natur aus nicht vorkommen.

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Niedersächsisches Landschaftsprogramm,1989. mit beinahe 8500 Hektar größtes lich“ werden unter dem Begriff Heide-Naturschutzgebiet Mitteleu- „naturbetont“ zusammengefasst. ropas ist. Auch wenn die (ur)natürlichen Im Folgenden soll ohne strenge Zustände nicht mehr zu finden sind, Begründung oder Abgrenzung des und nur etwa 5 % der Landesfläche Begriffes Umwelt mehr die natürli- von naturbetonten Ökosystemen che Umwelt beschrieben werden; belegt werden, hat Niedersachsen also das, was mit Natur und Land- eine überaus reichhaltige noch sehr schaft im Allgemeinen gemeint ist. natürlich bestimmte, also naturbe- tonte Vielfalt. Sie stellt Verbindun- Bei den Begriffen Natur oder gen zu vergangenen Zeiten und natürlich ist zu differenzieren. Sche- Zuständen her, die noch wenig un- matisierend kann man die Na- mittelbarer menschlicher Einfluss- turnähe der Lebensräume nach dem nahme entsprachen, und heute als Grad ihrer Beeinflussung durch den Natur bezeichnet wird. Diese „Na- Menschen in vier Kategorien eintei- tur aus zweiter Hand“ sind Schätze len. der Natur, Beweise der Vielfalt des Die Natürlichkeitsstufen „natür- Lebens und der Arten, die zu be- lich“, „naturnah“, und „halbnatür- wundern und zu bewahren sind. 166 Umwelt, Natur und Landschaft

Landschaften desweite Streuung eine typische Landschaftsform. Von den Gipfel- Geomorphologisch lassen sich mooren im Harz bis zu den großen zunächst grob drei sehr unter- Mooren zwischen Geest und Marsch schiedliche Landesbereiche be- im Nordwesten des Landes prägen schreiben. Im Norden die Küsten- eine Vielzahl verschiedener Hoch- region mit dem Wattenmeer, den und Niederungsmoore die Land- Düneninseln, den See- und Fluss- schaft. marschen. Nach Süden schließen Torfabbau hat in den vergange- sich die Geestlandschaften aus san- nen Jahrhunderten in vielen Lan- digen Eiszeitablagerungen mit ein- desteilen die Menschen geformt gelagerten Mooren an, gefolgt vom und Wirtschaftstrukturen bestimmt. Hügel- und Bergland. Torf war lange bedeutende Ener- Die im Kapitel Landesnatur – Na- gieressource, Moorkultivierung war turräumliche und landschaftliche Voraussetzung für die Gewinnung Ausstattung beschriebenen Groß- wertvoller Agrarflächen für eine landschaften Niedersachsens bilden wachsende Bevölkerung. So blieben die Grundlage für naturräumliche von ursprünglich 3.300 km2 Hoch- Regionen, die insbesondere im moor noch etwa 250 km2 übrig, von Geestbereich weiter differenziert denen wiederum nur ein kleiner Teil werden. Jede dieser Landschaften noch als natürlich oder naturnah zu verfügt einerseits über unverwech- bezeichnen ist. Durch Maßnahmen selbare Eigenschaften ihrer natürli- des Moorschutzprogramms sollen chen und historisch gewachsenen noch vorhandene Moore geschützt, Strukturen, andererseits gibt es in erhalten oder wiederhergestellt allen naturräumlichen Regionen werden. Diese Moore faszinieren ähnliche und wiederkehrende Land- durch ihre Einzigartigkeit und ge- schaftsbestandteile, die zu- Diepholzer Moorniederung gleich typisch für Nieder- sachsen sind. Einige sollen im Folgenden dargestellt werden: Bevor in den letzten Jahr- hunderten der Mensch ein- griff, waren große Bereiche Niedersachsens durch weite baumlose Moore gekenn- zeichnet. Aber auch heute noch sind sie durch ihre lan- Quelle: Niedersächsische Landesamt für Ökologie. Umwelt, Natur und Landschaft 167 ben einen Eindruck von der Ur- fen. Der Charakterbaum Nieder- sprünglichkeit dieser Landschaft sachsens ist die Eiche, die im ganzen und des Lebens darin. Land in mächtigen bis zu 1000 Jah- Aber auch in den überwiegend ren alten Exemplaren anzutreffen durch Entwässerung und Abtorfung ist. und zu landwirtschaftlichen Nutz- Typisch für die niedersächsischen flächen veränderten Mooren exis- Geestlandschaften sind die Wall- tieren noch Reste sehr ursprüngli- hecken, die überwiegend vor an- cher Moore. Zu den Besterhaltenen derthalb bis zwei Jahrhunderten gehört das im Zentrum des Bissen- entstanden und noch heute Merk- dorfer Moores nahezu unberührte male dieser Landschaft sind. Moor (1,1 km2) mit typischer subat- Heiden, Sand- und Magerrasen lantischer Hochmooreigenschaft. sind häufig durch extensive land- Die niedersächsische Landschaft wirtschaftliche Nutzung entstanden wird immer wieder durch Wald ge- und waren noch vor hundert Jahren prägt. Auch wenn der Anteil der landschaftsbestimmend. Heute sind Waldfläche unter dem Bundes- davon nur noch rund 110 km2 vor- durchschnitt liegt, hat Niedersach- handen. Die Lüneburger Heide sen in Deutschland mit über 10.000 zeigt diesen Landschaftstyp des Ne- km2 die drittgrößte Waldfläche. Vor beneinander von historischer Kul- Einflussnahme des Menschen waren turlandschaft mit Elementen der 80 % der Landesfläche bewaldet. Naturlandschaft in großartiger Wei- Heute sind noch 22% mit Wald be- se. Ähnlich sind die montanen Wie- deckt. Insbesondere die Lüneburger sen im Bergland eindrucksvolle Be- Heide und die Mittelgebirge wer- standteile der Landschaft. den von Wäldern geprägt. Niedersachsen ist mit rund Wälder und Baumarten sind heu- 11.000 km2 ein Land des Grünlands, te das Ergebnis Jahrhunderte alter der Wiesen und Weiden. Grünland Waldbewirtschaftung, die je nach und insbesondere das Feuchtgrün- Nutzungszielen und Zeitgeist regio- land bestimmen seit Jahrhunderten nal auch zu sehr monotonen Struk- die norddeutsche Tiefebene bis in turen geführt hat. Hauptbaumart die Geest hinein. Es ist Lebensraum ist die Kiefer, im Berg- und Hügel- vieler Tiere und Pflanzen. Aber Ent- land wechseln regional unterschied- wässerung, Dränierung und Inten- lich Buchen und Fichten. Relikte sivierung der Nutzung haben das traditioneller Waldnutzungsformen Vorkommen des artenreichen na- wie z. B. Eiche-Hainbuchenwälder türlichen Grünlands stark reduziert. oder Hutewälder sind im Hügelland Wasser ist Leben. Wasser prägt und auf der Geest noch anzutref- Mensch und Umwelt, ist feindliche 168 Umwelt, Natur und Landschaft

Urgewalt und Lebenseli- Steinhuder Meer xier zugleich. Mit einer durchschnittlichen Nieder- schlagsmenge von 750 mm, im Harz bis zu 1500 mm, ist Niedersachsen reich an Wasser. 18.000 Kilometer Bäche und Flüsse durchziehen das Land und prägen es durch Verlauf, Uferfor- men, Auen und Landschaf- ten, die sie entwässern. Die Quelle: Niedersächsische Landesamt für Ökologie. drei großen Flusssysteme von Elbe, Nicht nur die Nordsee mit dem Weser und Ems führen das Ober- Küstenland, sondern auch die vielen flächenwasser der Nordsee zu. Gewässer im Binnenland prägen die Vielfalt der Landschaft. Häufig Wie in allen Umweltbereichen schwer zu unterscheiden ist der Ur- sind auch die ehemals natürlichen sprung und die Entstehung, ob als Wassersysteme im Binnenland Rekultivierungsergebnis, als wasser- durch den Menschen über- und um- bauliche Rückhalteeinrichtung oder geformt worden. Natürliche Bach- gar als Kiesteich entstanden. Her- und Flusssysteme sind kaum zu fin- ausragend sind die großen Binnen- den. Nur noch etwa 2,3% der seen, zum Teil auch Meere genannt, fließenden Gewässer werden als na- die als Flachseen in einem ständigen turnah bezeichnet. Deutlich sicht- Prozess der Verlandung begriffen bar werden die Bemühungen, unse- sind. Sie sind deshalb buchtenreich re Bäche und Flüsse wieder natürli- und schilfumkränzt und werden cher werden zu lassen, ihnen, wo durch überdeckende oder angren- möglich, freien Lauf zu lassen, die zende Naturschutzgebiete ergänzt. Auen sich selbst zu überlassen. Dies Sowohl als Refugien und Regenera- wird in einer Kulturlandschaft Nie- tionsräume für Wat- und Wasservö- dersachsens wie auch anderswo sei- gel als auch als Ausflugs- Ferien- ne engen Grenzen behalten, aber und Erholungsziel für die Menschen gleich wohl nicht nur Eindrücke, sind sie von großer Bedeutung. sondern durchaus räumlich be- grenzte wertvolle Natursysteme in Das Steinhuder Meer, mit etwa Niedersachsen wiederherstellen. Ein 30 km2 Wasserfläche größter Bin- Beispiel hierfür ist die Hunte. nensee Niedersachsens, liegt einge- Umwelt, Natur und Landschaft 169 bettet zwischen Geestrücken und Eine Besonderheit ist auch die Mooren und wird durch einen Zu- Thülsfelder Talsperre, die einzige fluss und aus ungezählten Quellen Talsperre im Niedersächsischen am Seeboden gespeist. Es ist Teil ei- Flachland, mit der seit 1927 Über- nes bedeutsamen Feuchtgebietes schwemmungen im dortigen Gebiet und mit dem Umland als Natur- gebannt wurden. Je nach Wasser- schutzgebiet und Naturpark ausge- stand kann die Wasserfläche zwi- wiesen. Die Insel Wilhelmstein ist schen 1,5 und 4,5 km2 betragen. vor knapp 240 Jahren als Festung Die Klimavielfalt von dem mariti- künstlich angelegt worden. men Klima der Küstenregion bis Der Dümmer See, mit etwa zum deutlich kontinental beeinflus- 15 km2 zweitgrößter Binnensee Nie- sten Hoch- und Berglandklima ist dersachsens, liegt in einem etwa wesentliche Ursache der Vielfalt des 300 km2 großen Becken nördlich des Landes insgesamt. Frische Luft Wiehengebirges. Mit einer Tiefe zeugt von gut durchlüfteter Land- von maximal 1,5 m und dem an- schaft. Während der windgetriebe- grenzenden Feuchtgebiet ist er ne Wechsel der Wolkenbilder an der Brutgebiet für viele heimische Vo- Küste vorherrscht, scheint sich das gelarten, Rast- und Nahrungsbiotop Wettergeschehen zu beruhigen, je für durchziehende Vögel und Feri- weiter man ins Binnenland kommt. en- und Erholungsgebiet für die Menschen zugleich. Entwicklung und Das Zwischenahner Meer (5,25 2 Bewahrung von Natur und km ) im ist in Vorzeiten Landschaft durch Ablaugungen tieferer Salz- formationen entstanden. Schilfgür- Die Weiterentwicklung der Ge- tel umsäumen auch dieses sehr be- sellschaft, der Ausbau ihrer Infra- liebte und mit dem Kurort Bad struktur und ihrer wirtschaftlichen Zwischenahn eng verbundene Bin- Aktivitäten ist in Niedersachsen wie nengewässer. in jedem westlichen Industrieland Erwähnt werden sollen noch die durch den Natur- und Umweltge- in ihrer Art sehr eindrucksvollen brauch mit den Zielkonflikten hin- Binnengewässer des Großen Meeres sichtlich der Veränderung der Le- (4,2 km2, Flachsee bis 1,5 m tief) in bensräume für die Menschen und einem Niederungsmoorgebiet in seine Mitgeschöpfe, für belebte und Ostfriesland, das dort nahe Ewige unbelebte Natur verbunden. Schutz Meer und der Bederkesaer See (2,2 der Umwelt als Lebensgrundlage km2) im Niederungsgebiet zwischen des Menschen, Schutz der belebten Elbe und Weser. und unbelebten Umwelt als Respekt 170 Umwelt, Natur und Landschaft vor den Mitgeschöpfen und der Pflanzen- und Tierartenschutz. Ins- Schöpfung insgesamt, Schutz von besondere die Pflanzengesellschaf- Luft, Wasser, Natur und Landschaft ten bestimmen die Vielfalt, Eigenart mit Interessenabwägung zu den und Schönheit der Landschaft. konkurrierenden Aspekten ist unab- 15.000 Pflanzenarten werden als in dingbar. Niedersachsen vorkommend ge- Unter den Schutzmaßnahmen schätzt. Im untrennbaren biologi- sind die der Natur und Landschaft schen Zusammenhang damit stehen zugeordneten besonders hervorzu- die geschätzten 30.000 Tierarten. heben, die auch in der Landschaft Die Intensivierung der landwirt- deutlich erkennbar sind. In Nieder- schaftlichen, industriellen und son- sachsen sind Landschaftsplanung, stigen Land- und Ressourcennut- Eingriffe in die Natur und Land- zung verändern die Landschaft und schaft, Schutz, bedrohen viele Pflege und Entwick- Pflanzen- und lung bestimmter Teile Tierarten, was sich von Natur und Land- deutlich in den ro- schaft sowie der wild le- ten Listen zeigt. benden Tier- und Pflan- Flächen- und Arten- zenarten im niedersächsi- schutz ist deshalb auch in schen Naturschutzgesetz ge- Niedersachsen erforder- regelt. Unterschieden werden lich. kann zwischen Flächenschutz und Naturschutzgebiete sind Artenschutz. rechtsverbindlich festgesetzte Im Flächenschutz gibt es in Gebiete, in denen ein besonderer Niedersachsen zahlreiche geschütz- Schutz von Natur und Landschaft in te Bereiche. Im Vordergrund ihrer Ganzheit oder in einzelnen der Schutzüberlegungen stehen Teilen zur Erhaltung von Lebensge- Flächen, die aufgrund fehlender meinschaften oder Lebensstätten oder vergleichsweise extensiver bestimmter wild wachsender Pflan- Nutzung durch den Menschen als zen oder wild lebender Tierarten er- restliche Lebensräume oder Lebens- forderlich ist, und zwar aus wissen- stätten eines Großteils der heimi- schaftlichen, naturgeschichtlichen schen Pflanzen- und Tierarten und oder landeskundlichen Gründen ihrer Lebensgemeinschaften be- oder wegen ihrer Seltenheit, beson- deutend sind oder sich durch ein deren Eigenart oder hervorragen- vielfältiges, eigenartiges oder schö- den Schönheit. Damit unterliegen nes Landschaftsbild auszeichnen. die Naturschutzgebiete rechtlich Flächenschutz ist unmittelbar auch dem strengsten Schutz. Umwelt, Natur und Landschaft 171

Dabei geht es wie auch Feuchtgrünland bei Nationalparken und Na- turdenkmalen als naturbe- tonten Umweltbereichen um Lebensstätten nicht nur schutzbedürftiger, sondern aller Tier- und Pflanzenar- ten oder ihrer Lebensge- meinschaften. Der Schutz der Natur hat Vorrang. Alle Handlungen, die sie verän- dern könnten, sind verbo- ten. In Niedersachsen gibt es etwa 700 Naturschutzge- Quelle: Niedersächsische Landesamt für Ökologie. biete mit insgesamt knapp 1.400 km2, also über 2,8 % der Ge- Geschützte großräumige Land- samtfläche. Größenmäßig gehören schaften, die mit ihrer reichen etwa 29% zu Gebieten mit 0,2 bis Naturausstattung zugleich als Bei- 1 km2, gefolgt von 26% mit einer spiel einer landschaftsverträglichen Flächengröße zwischen 0,05 und Landnutzung überregionale und 0,2 km2. internationale Bedeutung haben, Nationalparke sind großräumige, können von der UNESCO als Bio- geschützte Gebiete von besonderer sphärereservat ausgewiesen wer- Eigenart und Schönheit, in denen den. Diese bilden inzwischen ein in- sich die Natur weitgehend vom ternationales Netz, in dem neben Menschen nicht oder wenig beein- Natur- auch Kulturlandschaften an- flusst entwickeln soll. Nationalparke erkannt sind. bezwecken mehr als nur den klassi- Naturdenkmale sind als reine Na- schen Schutz der Natur. Der Schutz turschöpfungen oder auch gestalte- unbeeinflusster natürlicher Abläu- te, mit der Natur eng verbundene fe, das Recht der Natur auf sich Einzelschöpfungen geschützt. Zu ih- selbst soll weiterentwickelt werden. nen gehören beispielsweise beson- Mit den unten beschriebenen Natio- dere Bäume, Alleen, Gebüsche, nalparken Niedersächsisches Wat- Findlinge, Felsen, Höhlen, Quellen, tenmeer und Harz hat Niedersach- Bäche, Altwässer, Kleinstmoore, sen zwei sehr unterschiedliche und Sümpfe, Tümpel, Teiche etc., die aus einzigartige Lebensräume ge- wissenschaftlichen oder landes- schützt. kundlichen Gründen oder wegen ih- 172 Umwelt, Natur und Landschaft rer Seltenheit, Eigenartigkeit oder der Regel um großflächige Gebiete Schönheit geschützt sind. Etwa mit weniger starken Einschränkun- 4.500 Naturdenkmale gibt es in Nie- gen für andere Nutzungen. Verän- dersachsen. derungsverbote beziehen sich nur Wallhecken werden nicht nur we- darauf, den Charakter des Gebietes gen ihrer besonderen Bedeutung zu erhalten. Land- und Forstwirt- für die Natur und Kulturlandschaft schaft können eingeschränkt wer- sondern auch als typisches Merkmal den, sofern sie den Charakter des niedersächsischer Landschaft ge- Gebietes verändern oder dem schützt. Schutzzweck zuwiderlaufen. Rund Ebenso werden durch den Schutz 21 % der Landesfläche sind als bestimmter Lebensräume besonders Landschaftsschutzgebiete ausge- wertvolle Biotope wie Moore, wiesen. Sümpfe, Quellen, Seeufer und Dü- Naturparke sind als solche keine nen für Mensch und Umwelt erhal- geschützten Gebiete, sondern Erho- ten. Mit dem Feuchtgebietsschutz lungsgebiete von landesweiter Be- werden in Niedersachsen auch weit deutung, bestehen aber meistens in über die Landesgrenzen internatio- Zusammenhang mit Landschafts- nal bedeutsame Feuchtgebiete ge- und Naturschutzgebieten. In Natur- schützt. Außer den beschriebenen parken sollen große Landschaftsein- Gebieten des Wattenmeeres, der heiten in ihrer Vielfalt, Schönheit Elbtalaue, des Dümmers und des und Eigenart für den Naturgenuss Steinhuder Meeres gehören dazu und für die Erholung des Menschen ein Teil der Niederelbe und die gesichert, entwickelt und zur Verfü- Diepholzer Moorniederung. gung gestellt werden. Entsprechend Landschaftsschutzgebiete sind gibt es inzwischen in allen Na- rechtsverbindlich festgesetzte Ge- turräumen des Landes insgesamt 12 biete. In ihnen wird ein besonderer Naturparke mit zusammen 8.000 Schutz von Natur und Landschaft km2, die etwa 17 % der Landes- zur Erhaltung oder Wiederherstel- fläche ausmachen. Auch diesbezüg- lung der Leistungsfähigkeit des Na- lich ist die Lüneburger Heide als äl- turhaushaltes oder der Nutzungs- tester Naturpark Vorbild gewesen. fähigkeit der Naturgüter ange- strebt, und zwar wegen der Vielfalt, Die Flusslandschaft Elbe Eigenart und Schönheit des Land- schaftsbildes oder wegen ihrer be- Das Elbetal zwischen Sachsen-An- sonderen Bedeutung für die Erho- halt und Niedersachsen bildet eine lung. Gegenüber den Naturschutz- in Mitteleuropa nahezu einmalige gebieten handelt es sich hierbei in Stromlandschaft, die noch stark von Umwelt, Natur und Landschaft 173

Flusslandschaft Elbe Der im März 1998 ge- gründete niedersächsi- sche Nationalpark Elb- talaue wurde im Febru- ar 1999 gerichtlich auf- gehoben. Er sollte sich mit einer Fläche von beinahe 110 km2 ent- lang 85 Stromkilome- tern erstrecken und Teil eines konzeptionell in- tegrierten Gesamt- Quelle: Nationalpark Elbtalaue. schutzgebietes sein, das einem natürlichen Flussgeschehen einerseits über die Landesgrenzen bestimmt ist. Der mit diesem Fluss- stromauf und stromab in Schutzge- bereich verbundene Raum ist durch biete der Nachbarländer reicht und einen hohen Struktur-, Biotopty- andererseits Naturschutzgebiete in pen- und Artenreichtum gekenn- der Elbmarsch und in den elbferne- zeichnet. Der Flächenanteil der na- ren Niederungen Niedersachsens zu turschutzmäßig wertvollen Beson- einem System von Schutzgebieten derheiten ist hoch. Der hohe Wert vereint. ergibt sich aus dem noch unbegra- Die niedersächsische Elbtalaue digten Hauptstrom, aus den wech- liegt in einem von der UNESCO an- selnassen, grünlandgeprägten Vor- erkannten Biosphärenreservat, das deichsflächen, durch die Nebenge- sich etwa von Wittenberg bis nach wässerniederungen mit auentypi- Lauenburg mit einer Fläche von schen Altgewässern sowie durch die beinahe 375 Tausend Hektar über Sandablagerungen und Binnendü- 5 Bundesländer erstreckt. nen, die insgesamt vielfältige ange- passte Lebensräume beinhalten. In Die niedersächsischen den noch landwirtschaftlich vorwie- Nationalparke gend extensiv genutzten Niederun- gen gibt es zahlreiche ansonsten ge- Die zwei Nationalparke „Watten- fährdete Gefäßpflanzenarten. Die meer“und „Harz“ beschreiben die Bedeutung für den Tierartenschutz unterschiedlichen Naturräume der zeigt sich besonders in dem Vor- Küste und des Mittelgebirges in kommen seltener Brutvögel. Das El- Niedersachsen. Sie haben eine Ge- betal ist wichtiger Rast- und Nah- samtgröße von 2.600 km2. Ihre rungsplatz für die Zugvögel. Randlage bedeutet zugleich län- 174 Umwelt, Natur und Landschaft derübergreifende Integration mit Kräfte des Windes, der Gezeiten angrenzenden und fortsetzenden und der daraus resultierenden Strö- Schutzgebieten. mungen ein dynamischer Lebens- Die Zielkonflikte mit bisherigen raum wie kaum ein anderer. und zukünftigen Nutzungen bedür- Der Meeresboden fällt in Rich- fen des dauernden Ausgleichs im tung offene See nur leicht ab, des- gegenseitigen Respekt der Interes- halb kann sich sehr feines Material sen. Die Nationalparke unterstehen aus dem Meer und aus den Flüssen deshalb eigenen Verwaltungen auf leicht absetzen. Gezeiten mit einem oberbehördlicher Ebene vor Ort, in in der deutschen Bucht erhöhten denen das Miteinander der Interes- Tidenhub von 2 Metern und mehr senkonflikte geregelt wird. Zur Un- legen periodisch weite Bereiche des terstützung von Verständnis und Wattenmeers trocken. Der land- Akzeptanz der betroffenen Bevöl- wärts gerichtete Wind verweht die kerung und der Besucher kommen oberen Sandschichten zu Dünen. den Informations- und Bildungsein- Diese dem Küstenbereich vorgela- richtungen im Nationalpark große gerten Sandbänke, Strandwälle und Bedeutung zu. Inseln wirken wiederum als natürli- che Wellenbrecher, sodass das von Der See und aus dem Binnenland an- Niedersächsische transportierte Material sich dahin- Nationalpark ter absetzen kann. Das gemäßigte Wattenmeer Klima begünstigt die Entwicklung Obwohl etwa der Tier- und Pflanzenwelt. 70% der Erdober- Wichtiger Lebensraum im Wat- fläche mit Ozeanen tenmeer ist zunächst das Watt, das bedeckt werden und die Küsten- im Wechsel der Gezeiten regel- längen entsprechend groß sind, ist mäßig überflutet wird und wieder das Wattenmeer des Küstenstrei- trocken fällt. Dadurch ist er Sedi- fens zwischen Den Helder in den mentationsbereich für aus dem Niederlanden und Esbjerg in Däne- Meer und aus den Flüssen zu- mark einmalig auf der Welt. fließenden Nähr- und auch Schad- Seit 10000 Jahren haben die Na- stoffen. Auf und unter der Watto- turkräfte diese einzigartige Gezei- berfläche gibt es vielfältiges Leben, tenküste geformt. Trotz aller das selbst wieder ein reiches Nah- menschlichen Eingriffe insbesonde- rungsangebot für Fische und Vögel re der Landgewinnung und des In- bildet. sel- und Küstenschutzes bleibt das Charakteristisch und von beson- Wattenmeer durch die natürlichen derer Bedeutung für das Gesamtsy- Umwelt, Natur und Landschaft 175

Wattenmeer bei Ebbe gibt sich die Frage nach entsprechenden Schutz- maßnahmen und natur- belassenen Vorgängen. Das Wattenmeer bie- tet Millionen von Zugvö- geln unersetzliche Rast- und Nahrungsplätze auf ihren jährlichen Flügen zwischen Überwinte- rungs- und Brutplätzen. Zahlreiche Nordseefi- sche finden im Watten- meer ideale Lebensbe- dingungen, um heran- zuwachsen. Von der Ge- samtfläche des Watten- meeres entfallen etwa Quelle: Studio B, Bremen. 10% auf Dänemark und stem sind die Salzwiesen mit ihren 30% auf die Niederlande. 60% spezialisierten Lebensgemeinschaf- gehören zu Deutschland, wovon ten. Sie entstehen dort, wo vor den wiederum etwa die Hälfte in Nie- Deichen die Flächen langsam durch dersachsen liegt. Materialzuwachs so hoch werden, Im Jahr 1986 wurde der Nieder- dass sie quasi verlanden und nicht sächsische Nationalpark Watten- mehr regelmäßig durch die Gezei- meer durch Verordnung der Landes- ten überflutet werden. regierung gegründet. Die Gesamt- Dünen wachsen aus heran ge- fläche beträgt 2400 Quadratkilome- wehtem Sand heran und bilden den ter. Diese ist in Schutzzonenkatego- Ursprung der Inseln. Tiefwurzelnder rien von 54% Ruhezone, 45% Zwi- Pflanzenbewuchs stabilisiert Dünen schenzone und 1% Erholungszone und Inseln auch gegen Überflutun- aufgeteilt. Der Nationalpark weist gen. Nach wie vor unterliegen Dü- 36% der Ruhezone als Vogelschutz- nen und Inseln den dynamischen gebiete und 25% als Robbenschutz- Kräften der Küste. An sich natürli- gebiete aus. Er ist Feuchtgebiet von che Wanderungen, Abbrüche und internationaler Bedeutung nach Zuwächse stehen im Konflikt mit der Ramsar-Konvention, EU-Vogel- dem Bedürfnis nach stabilen Ver- schutzgebiet und seit 1993 interna- hältnissen auf den Inseln. Daraus er- tionales Biosphärenreservat. 176 Umwelt, Natur und Landschaft

Die Nationalparkverwaltung um- fen. Inzwischen hat sich daraus eine fasst auch zahlreiche Bildungs- und großartige naturnahe Kulturland- Informationseinrichtungen beteilig- schaft entwickelt, in der sich bei ter Naturschutzverbände an der Kü- entsprechendem Schutz die Natur ste und auf den Inseln . und eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt in großen Teilen wie- Nationalparkverwaltung der ungestört entwickeln können. Wattenmeer, Virchowstr.1, Der Nationalpark Harz wurde als 26382 Wilhelmshaven, elfter deutscher Nationalpark am Telefon (0 44 21 / 9 11-0) 1. 1 .1994 gegründet. Der 158 km2 große Nationalpark Harz, der fast Nationalpark Harz ausschließlich aus landeseigenen Der Harz ist das höchste und ein- Flächen besteht, schließt direkt an drucksvollste norddeutsche Mittel- den bereits seit 1990 bestehenden gebirge. Der Übergang vom mariti- und 59 km2 großen Nationalpark men zum kontinentalen Klima sowie Hochharz im Bundesland Sachsen- Hochmoore, Bergwiesen, Wälder, Anhalt an. Von der Gesamtfläche die rd. 80% der Landschaft be- des Harzes stehen damit 217 km2 decken, Bäche, Seen und Talsperren, (8,7%) unter dem Schutzstatus Felsen und Blockhalden bestimmen „Nationalpark“. Beide Nationalpar- die Landschaft und die Ökosysteme. ke bilden eine naturräumliche Ein- Seit Jahrhunderten haben die Men- heit. schen die Landschaft landwirt- Sie steigen von den Randzonen schaftlich und bergbaulich, damit bei ca. 230 m ü. NN im Norden bzw. zusammenhängend forstlich und 270 m ü. NN im Süden bis zum wasserbaulich geprägt. Nationalpark Harz Der Holzhunger der Erz- verhüttung und der Brennholzbedarf führ- ten zur zeitweiligen Ent- waldung großer Berei- che, die dann durch nicht heimische Fichten- rassen besetzt wurden. Ebenso wurde für den Bergbau tief in den Was- serhaushalt der Harzer Fließgewässer, Wälder und Moore eingegrif- Quelle: Nationalpark Harz. Umwelt, Natur und Landschaft 177

Brocken im Hochharz auf 1142 m ü. für mitteleuropäische Verhältnisse NN kontinuierlich an und umfassen relativ naturnahen, d.h. vom Men- somit insgesamt sechs verschiedene schen wenig beeinflussten Zustand Vegetationszonen. Einbezogen sind befinden. Als nördlichstes deutsches außerdem alle charakteristischen Mittelgebirge war und ist der Harz Lebensraumtypen, alle Expositionen aufgrund seiner landschaftlichen und die wichtigsten Gesteine, um so Schönheit und seiner zentralen La- die besondere Vielfalt einer der fas- ge sowohl in Deutschland als auch zinierendsten Mittelgebirgsland- in Europa eines der bedeutendsten schaften Europas unter Schutz zu Fremdenverkehrsgebiete Mitteleu- stellen und zu erhalten. ropas. Bis zu 10 Mio. Besucher fin- Der Nationalpark Harz ist ein den hier jährlich Erholung und Ent- Wald-Nationalpark, denn 95 % spannung. seiner Fläche sind bewaldet. Typisch Nationalparkverwaltung Harz, für den Nationalpark sind außer- Oderhaus, 37444 St. Andreasberg, dem Hochmoore, Fließgewässer Telefon (0 55 82 / 91 89-0) und Felsbiotope. Sie sind Lebens- räume, die sich noch heute in einem Horst W. zur Horst Politisches System

Die Verfassung Das Wap- pen Nieder- Das Land Niedersachsen wurde sachsens, ein 1946 aus den früheren Ländern nach links Hannover, Oldenburg, Braun- springendes schweig und Schaumburg-Lippe ge- weißes Ross bildet. Von 1951 an hatte es eine in rotem Fel- „vorläufige“ Verfassung, weil etwa de, wurde notwendige Änderungen nach der von den Wel- Wiedervereinigung Deutschlands fen 1361 als Landeswappen offen gehalten werden sollten. Sie Wappen übernommen. Es geht wurde 1993 durch die jetzt geltende nach der Überlieferung auf das Verfassung ersetzt. In 78 Artikeln Wappen des alten Stammesherzog- regelt sie Grundlagen der Staatsge- tums Sachsen zurück und soll der Le- walt, Grundrechte und Staatsziele, gende nach schon im 8. Jahrhundert den Landtag, die Landesregierung, von dem noch heute als National- die Gesetzgebung, Rechtsprechung held geltenden Herzog Widukind und Verwaltung, Möglichkeiten di- geführt worden sein. rekter Initiativen des Volkes und das In der Flagge steht es auf den Far- Finanzwesen. Sie konstituiert das ben Schwarz-Rot-Gold der Bundes- Land als freiheitlichen, republikani- republik. In offiziellen Veröffentli- schen, demokratischen, sozialen chungen und im amtlichen Schrift- und dem Schutz der natürlichen verkehr wird es meist durch ein mo- Lebensgrundlagen verpflichteten dernes Signet ersetzt, das den Kopf Rechtsstaat in der Bundesrepublik des Wappenrosses symbolisiert. Deutschland und der europäischen Grundprinzipien der Verfassung Völkergemeinschaft. sind die Volkssouveränität, die klas- sische Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und vollziehender Gewalt (Exekutive) sowie die Bindung aller an Gesetz und Recht. Die Bürgerinnen und Bürger haben die im Grundgesetz für die Bundesrepublik normierten Grundrechte und staatsbürgerli- chen Rechte (z. B. Schutz der Men- schenwürde, des Lebens, der Frei- Landesflagge heit und körperlichen Unversehrt- Politisches System 179 heit, Gleichheit vor dem Gesetz, 6 Monaten im wesentlichen unver- Glaubens- und Meinungsfreiheit). ändert angenommen, findet ein Zusätzlich gewährt die Landesver- „Volksentscheid“ darüber statt. fassung ein Recht auf Bildung und Wenn die Mehrheit der abgegebe- verpflichtet das Land zur Förderung nen Stimmen (aber mindestens ein und zum Schutz von Wissenschaft, Viertel der Wahlberechtigten) für Kunst, Kultur und Sport, zur das Gesetz stimmt, ist es so beschlos- Schaffung von Arbeitsplätzen und sen. Wohnraum sowie zum Tierschutz. Die Verfassung schreibt nicht nur Die kulturellen und historischen die formale Gleichberechtigung von Belange der vier Ursprungsländer Männern und Frauen vor, sondern und ihre traditionellen Einrichtun- verpflichtet auch das Land, die Ge- gen sind zu bewahren und zu för- meinden und Landkreise zur prakti- dern. schen Verwirklichung. So wurde In unserem System der „repräsen- schon vor einigen Jahren die rein tativen“ Demokratie kann norma- männliche Bezeichung der Ministe- lerweise nur der gewählte Landtag rien (z. B. „Der Niedersächsische Mi- Gesetze beschließen. Die Bürgerin- nister des Innern“) geschlechtsneu- nen und Bürger haben aber Mittel, tral gefaßt (z. B. „Das Niedersächsi- um ihn in Bewegung zu setzen: Er sche Innenministerium“). Ein Gesetz muss ihre Bitten und Beschwerden bestimmt, dass auch in der Rechts- (Petitionen) anhören und behan- und Verwaltungssprache die Gleich- deln. 70.000 Wahlberechtigte kön- berechtigung zu beachten ist. Wo nen mit einer schriftlichen „Volks- in älteren Vorschriften noch rein initiative“ verlangen, dass sich der männliche Bezeichnungen stehen Landtag mit bestimmten Gegen- (z. B. im Landeswahlgesetz „der ständen der politischen Willensbil- Landeswahlleiter“), sind sie gegebe- dung befasst und sie dazu anhört. nenfalls in der weiblichen Form zu 10% der Wahlberechtigten (derzeit verwenden (z. B. „die Landeswahl- ca. 593 000) können mit einem leiterin“, wenn eine Frau diese Posi- „Volksbegehren“ einen Gesetzent- tion innehat). Das „Niedersächsi- wurf vorlegen, den die Landesregie- sche Gleichberechtigungsgesetz“ rung mit ihrer Stellungnahme un- schützt Frauen in der öffentlichen verzüglich dem Landtag zuleiten Verwaltung vor Benachteiligungen muss (an diesem hohen „Quorum“ und gewährt ihnen gleiche Berufs- sind allerdings bis jetzt alle Volksbe- chancen (Hauptregel: Frauen sind gehren gescheitert, weshalb über bei gleicher Eignung und Befähi- eine Verringerung diskutiert wird). gung grundsätzlich so lange vorran- Wird das Gesetz nicht innerhalb von gig einzustellen und zu befördern, 180 Politisches System bis sie auf jeder Ebene der Dienststelle zu 50% vertreten sind). Alle Dienststellen bis hinunter zu den Gemeindeverwal- tungen müssen Frauenbe- auftragte haben, die für die Durchsetzung dieser Rechtsgrundsätze sorgen. Der Landtag Die Volksvertretung wird seit 1998 alle 5 (vor- Landtagsgebäude (Portikus) her 4) Jahre in allgemei- ner, unmittelbarer, freier, gleicher tens 5% der Zweitstimmen bekom- und geheimer Wahl gewählt. Wahl- men haben, verteilt. Hat eine Partei berechtigt sind alle Deutschen, die mit den Erststimmen mehr Mandate mindestens 18 Jahre alt sind, seit gewonnen, als ihr nach dem Ver- mindestens 3 Monaten im Lande hältnis der Zweitstimmen zustehen wohnen und nicht durch Richter- würden, behält sie diese als „Über- spruch von den Wahlen ausge- hangmandate“. Um den Proporz zu schlossen sind. Gewählt werden wahren, wird aber (anders als bei können alle, die seit mindestens ei- der Bundestagswahl) eine gleiche nem Jahr Deutsche und mindestens Anzahl von „Ausgleichsmandaten“ 18 Jahre alt sind, seit mindestens 6 zugeschlagen. So hat der 1998 ge- Monaten im Lande wohnen und wählte Landtag zwei solcher zusätz- nicht durch Richterspruch von den lichen Sitze, also 157 Abgeordnete. Wahlen oder von öffentlichen Äm- Dadurch kommt die Sozialdemo- tern ausgeschlossen sind. kratische Partei Deutschlands (SPD) Der Landtag hat mindestens 155 auf 83, die Christlich-Demokratische Abgeordnete. 100 von ihnen wer- Union (CDU) auf 62 und BÜND- den mit der „Erststimme“ in den NIS 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE) auf 11 100 Wahlkreisen direkt und mit ein- Sitze, ein Abgeordneter ist frakti- facher Stimmenmehrheit gewählt, onslos. Es wird immer wieder einmal 55 mit der „Zweitstimmme“ auf darüber diskutiert, ob dieses Par- Landeslisten der Parteien nach dem lament vielleicht für das Land zu Prinzip der Verhältniswahl (System groß ist und z. B. durch Verringe- d’Hondt). Die Sitze im Landtag wer- rung der Wahlkreise verkleinert den auf die Parteien, die mindes- werden sollte. Politisches System 181

Als oberstes Verfassungsorgan Die von ihr oder ihm gebildete Re- des Landes ist der Landtag und je- gierung muss vom Landtag be- des seiner Mitglieder Vertreter des stätigt werden. Er wählt die Mitglie- gesamten Volkes. Er ist der Gesetz- der des Staatsgerichtshofes und be- geber des Landes (in der Bundesre- ruft für jeweils 8 Jahre eine Landes- publik bedürfen alle allgemein ver- beauftragte oder einen Landesbe- bindlichen Vorschriften des Staates, auftragten für den Datenschutz. durch die Rechte Wenn die Land- oder Pflichten be- tagswahl ange- gründet, geändert fochten wird, ent- oder aufgehoben scheidet der Land- werden und die tag zunächst selbst nicht unwesent- über ihre Gültig- lich in die Rechte keit, in zweiter der Bürgerinnen und letzter Instanz und Bürger ein- dann der Staatsge- greifen, der Form richtshof. Auch eines Gesetzes). seine Auflösung Vor allem hat er kann der Landtag den Landeshaus- (unter bestimmten halt zu beschlie- Bedingungen) nur ßen. Ferner kon- selbst beschließen. trolliert der Land- Die Verhandlun- tag die Regierung, die Verwaltung gen sind, wenn nicht mit Zweidrit- und die der Aufsicht des Landes un- telmehrheit anders beschlossen terstehenden öffentlich-rechtlichen wird, öffentlich. Körperschaften, Anstalten und Stif- Die Abgeordneten haben ein tungen, natürlich auch die der Auf- freies Mandat, d. h. sie sind nur ih- sicht der Ministerien unterstehen- rem Gewissen unterworfen und an den und ihnen nachgeordneten Aufträge oder Weisungen nicht ge- Landesbehörden (z. B. Landesamt bunden; „imperative Mandate“ für Bezüge und Versorgung der An- oder bindende Verpflichtungen gehörigen des öffentlichen Diens- zum Rücktritt sind also unzulässig. tes; Landesamt für Verfassungs- In der Praxis wird oft durch „Frak- schutz). Dafür hat er umfassende tionsdisziplin“ auf einheitliche Ab- Auskunfts-, Zutritts- und Aktenein- stimmung hingewirkt, wirklicher sichtsrechte. Er wählt in geheimer Zwang darf aber nicht ausgeübt Abstimmung die Ministerpräsiden- werden. Die Abgeordneten dürfen tin oder den Ministerpräsidenten. wegen ihrer Abstimmungen oder 182 Politisches System

Äußerungen im Landtag nicht ge- Die Landesregierung richtlich oder dienstlich verfolgt oder zur Verantwortung gezogen An der Spitze der Landesregie- werden (Indemnität). Strafrechtlich rung, die die vollziehende Gewalt dürfen sie grundsätzlich nur mit Ge- (Exekutive) ausübt, steht die Mini- nehmigung des Landtags belangt sterpräsidentin oder der Minister- werden (Immunität). Ihre Tätigkeit präsident. Sie oder er beruft die gilt als volle Berufausübung, so dass übrigen Mitglieder der Landesregie- z. B. die Rechte und Pflichten von rung (Ministerinnen und Minister). Beamtinnen und Beamten während Dem Schutz der Unabhängigkeit der Legislaturperiode ruhen. Dafür dient die Verfassungsvorschrift, dass erhalten die Abgeordneten eine ih- Mitglieder des Bundestages, des Eu- re Unabhängigkeit sichernde Ent- ropäischen Parlaments oder der Par- schädigung (Diäten), über deren lamente anderer Länder nicht Re- Höhe ebenfalls der Landtag ent- gierungsmitglieder werden dürfen. scheidet. Die SPD stellt seit 1990 den Minister- präsidenten (nach Gerhard Schrö- der, der jetzt Bundeskanzler ist, den bisherigen Innenminister Gerhard Glogowski) und ist seit 1994 alleini- ge Regierungspartei (vorher Koaliti- on mit den GRÜNEN). Von 1976 bis 1990 stellte die CDU den Minister- präsidenten (Dr. Ernst Albrecht), 1986 bis 1990 in Koalition mit der Freien Demokratischen Partei (F.D.P.), die z.Zt. nicht im Landtag vertreten ist. Ministerpräsidenten von der SPD amtierten schon von 1946 bis 1955 und 1959 bis 1976. In der Zwischenzeit von 1955 bis 1959 besetzte die (nicht mehr bestehen- de) Deutschen Partei (DP) dieses Amt. Die Ministerpräsidentin oder der Ministerpräsident wird vom Land- tag zunächst ohne Aussprache in 1) evtl. mehr durch Überhang- oder Ausgleichsmandate geheimer Abstimmung mit der ge- 2) erstmalig 1998 setzlichen (absoluten) Mehrheit ge- Politisches System 183 wählt. Sie oder er bestimmt ein Re- durch, dass er mit absoluter Mehr- gierungsmitglied, das sie oder ihn heit eine Nachfolgerin oder einen vertritt (z.Zt. die Ministerin für Frau- Nachfolger wählt. Dieses „konstruk- en, Arbeit und Soziales). Der Regie- tive Misstrauensvotum“ findet sich rungsbildung gehen üblicherweise auch im Grundgesetz und wurde Verhandlungen auf der Parteiebene wegen der unguten Erfahrungen voraus, bei denen das Regierungs- mit manchmal rein destruktiven programm und die Personalfragen Mehrheiten im Reichstag der Wei- geklärt werden. Wenn Koalitionen marer Republik und der dadurch be- zu bilden sind, werden die Verhand- dingten Instabilität der Regierun- lungen entsprechend komplizierter gen eingeführt. und enden mit einer schriftlichen Die Ministerpräsidentin oder der Koalitionsvereinbarung (so z. B. Ministerpräsident hat auch einige 1990 bei der Bildung des ersten Ka- Funktionen eines Staatsoberhaup- binetts Schröder). Wenn nun die Re- tes, z. B. die Vertretung des Landes gierungsbildung und die Bestäti- nach außen und das Begnadigungs- gung durch den Landtag nicht in- recht. Vor allem aber bestimmt und nerhalb einer bestimmten Frist er- verantwortet sie oder er die Richtli- folgen, kann entweder der Landtag nien der Politik. In ihrem Rahmen seine Auflösung beschließen, oder leitet jedes Regierungsmitglied sein es findet unverzüglich eine neue Ministerium selbständig. Derzeit Wahl der Ministerpräsidentin oder hat das Land 9 Ministerien: Inneres; des Ministerpräsidenten statt. Ge- Justiz; Finanzen; Kultus (Schulwe- wählt ist, wer die meisten Stimmen sen); Frauen, Arbeit und Soziales; (relative Mehrheit) erhält. Die dann Wirtschaft, Technologie und Ver- gebildete Regierung bedarf nicht kehr; Ernährung, Landwirtschaft mehr der Bestätigung durch den und Forsten; Wissenschaft und Kul- Landtag. Auf diesem Wege wurde tur; Umwelt. Sie werden von 2 Mini- 1976 das erste Kabinett Dr. Albrecht sterinnen und 7 Ministern geleitet. gebildet, weil die SPD wider Erwar- Die Dienststelle des Ministerpräsi- ten keine Mehrheiten für zwei von denten ist die Staatskanzlei. Sie und ihr vorgeschlagene Nachfolger des die Ministerien sind nach Aufgaben- vorzeitig ausscheidenden Minister- gebieten in Abteilungen mit jeweils präsidenten Kubel bekam. mehreren Referaten gegliedert. Die Der Landtag kann der Minister- Ministerinnen und Minister werden präsidentin oder dem Ministerpräsi- durch Staatssekretärinnen und denten auf Antrag von mindestens Staatssekretäre vertreten. In den einem Drittel der Abgeordneten das Sitzungen des Kabinetts kann die Vertrauen entziehen, aber nur da- Beratung und Meinungsbildung in 184 Politisches System vielen Fällen formlos erfolgen. Für ländern“ ( so die inoffizielle, aber besonders wichtige Angelegenhei- eingebürgerte Bezeichnung) mit ei- ten muss aber nach der Verfassung genen Parlamenten und Regierun- „die Landesregierung“ (in der gen, ist also kein zentralistischer früheren Verfassung „das Landes- Einheitsstaat, aber auch kein loser ministerium“ genannt) förmlich mit Staatenbund, sondern ein Bundes- Mehrheit entscheiden, wobei sich staat mit föderaler Struktur. Das niemand der Stimme enthalten Grundgesetz verteilt die Befugnisse darf; bei Stimmengleichheit ent- zwischen Bund und Ländern. Die scheidet die Stimme der Minister- Hauptregeln lauten: „Die Ausübung präsidentin oder des Ministerpräsi- der staatlichen Befugnisse und die denten. Das gilt z. B. für die Bestel- Erfüllung der staatlichen Aufgaben lung von Vertreterinnen oder Ver- ist Sache der Länder, soweit dieses tretern im Bundesrat und deren Grundgesetz keine andere Rege- Stimmabgabe, die Abgrenzung der lung trifft oder zuläßt“ (Art. 30); Geschäftsbereiche (Ressorts) der Mi- und: „Durch den Bundesrat wirken nisterien, die Entscheidung von die Länder bei der Gesetzgebung Streitfragen zwischen mehreren und Verwaltung des Bundes und in Ressorts, die Einbringung von Ge- Angelegenheiten der Europäischen setzentwürfen in den Landtag, Er- Union mit“ (Art. 50). Die Vertretung nennung und Entlassung der Richte- des Landes im Bundesrat, die durch rinnen und Richter, Beamtinnen Regierungsmitglieder erfolgen und Beamten und die Organisation muss, ist also eine der wichtigsten der Landesverwaltung. Dazu gibt Aufgaben der Landesregierung. Die sich die Landesregierung eine Ge- Bundesländer haben im Bundesrat schäftsordnung, die veröffentlicht je nach Einwohnerzahl 3 bis 6 Stim- werden muss. Im übrigen muss sie men, die aber nur einheitlich abge- jederzeit im Landtag und seinen geben werden können. Niedersach- Ausschüssen Rede und Antwort ste- sen hat mit z. Zt. 7,8 Mio. Einwoh- hen, hat aber auch selbst dort jeder- nern neben Nordrhein-Westfalen, zeit Zutritt und das Recht auf An- Bayern und Baden-Württemberg 6 hörung. Stimmen. Das Land unterhält wie alle Bundesländer zur Wahrung sei- Niedersachsen und die ner Interessen die „Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund“ Bundesrepublik in Bonn (künftig Berlin), die z. Zt. Die Bundesrepublik Deutschland von einem Staatssekretär geleitet besteht nach der Wiedervereini- wird. Sie unterstützt die Landesre- gung Deutschlands aus 16 „Bundes- gierung bei der Wahrnehmung ih- Politisches System 185 rer Aufgaben im Bundesrat und wesen, Presserecht). Die Länder Bundestag, vertritt die Interessen müssen sie durch eigene Gesetze des Landes gegenüber den Bundes- ausfüllen. So gelten in Niedersach- behörden, hält ständigen Kontakt sen z. B. das Beamtenrechts-Rah- zu den Bundestagsabgeordneten mengesetz des Bundes und das Nie- aus Niedersachsen (z. Zt. 68), den dersächsische Beamtengesetz. Alles Vertretungen der anderen Bundes- in allem liegt der Hauptanteil an der länder und leistet umfangreiche Öf- Gesetzgebung also beim Bund. Den fentlichkeitsarbeit, z. B. durch Infor- Ländern bleiben aber wichtige Ge- mationsveranstaltungen, Ausstel- biete wie z. B. die Kommunalord- lungen und Empfänge. nung (s. u.), die Polizei, das Schul- Die Gesetzgebungs- und Verwal- wesen und der Rundfunk. Manche tungsaufgaben sind in teilweise Bundesgesetze bedürfen der Zu- komplizierter Weise zwischen Bund stimmung des Bundesrates, weil sie und Ländern aufgeteilt. Auf vielen auch die Interessen der Länder Gebieten hat der Bund die aus- berühren. Gegen andere kann er schließliche Gesetzgebung (z. B. Einspruch erheben mit der Folge, Auswärtiges, Verteidigung, Wäh- dass der Bundestag erneut beraten rung, Post und Telekommunikation, muss. Ein Vermittlungsausschuss aus Zusammenarbeit der Staatsschutz- Mitgliedern des Bundestages und behörden von Bund und Ländern). des Bundesrates kann zur Schlich- Auf anderen Gebieten gibt es eine tung von Streitigkeiten angerufen konkurrierende Gesetzgebung, so- werden. Auch die Verwaltungsauf- weit sie zur Herstellung gleicharti- gaben einschließlich des Vollzugs ger Lebensverhältnisse oder zur der Bundesgesetze sind geteilt. Ne- Wahrung der Rechts- und Wirt- ben den rein landeseigenen Verwal- schaftseinheit erforderlich ist (z. B. tungen (z. B. Schulen, Polizei, Kom- Zivil- und Strafrecht, Schiffahrt, munalverwaltungen) gibt es bun- Bank- und Börsenwesen). Hier kön- deseigene Verwaltungen mit Aus- nen die Länder Gesetze nur erlas- senstellen in allen Ländern (z. B. sen, solange und soweit der Bund Finanz-, Bundeswehr-, Bundeseisen- nicht handelt. Deshalb gilt z. B. in bahnen-, Luftverkehrsverwaltung), ganz Deutschland ein einheitliches Vollzug von Bundesgesetzen in ei- Zivil-, Straf- und Prozeßrecht. Ferner gener Verwaltung der Länder (un- kann der Bund Rahmenvorschriften ter Aufsicht des Bundes) oder im für die Gesetzgebung der Länder er- Auftrag des Bundes (z. B. Bundes- lassen (z. B. Recht des öffentlichen autobahnen- und -straßenverwal- Dienstes, Grundsätze des Hoch- tung). Im Verwaltungsbereich liegt schulwesens, Melde- und Ausweis- also das Schwergewicht (ebenso wie 186 Politisches System bei der Gerichtsorganisation) bei soweit die Gesetze nicht ausdrück- den Ländern. lich etwas anderes bestimmen. Das Die vielschichtige Kompetenzver- Grundgesetz und die Landesverfas- teilung kann ungeachtet der gegen- sung garantieren ihnen das Recht, seitigen Pflicht zu „bundesfreundli- ihre Angelegenheiten im Rahmen chem Verhalten“ mitunter zu der Gesetze in eigener Verantwor- Schwierigkeiten führen. Man ver- tung zu regeln. Ihre Verfassung und sucht, ihnen durch ständige Konfe- ihre Aufgaben ergeben sich im ein- renzen von Bund und Ländern auf zelnen aus der Niedersächsischen der Ebene des Bundeskanzleramts Gemeindeordnung und der Nieder- und der Spitzen der Landesregie- sächsischen Landkreisordnung. Die- rungen, der Leiterinnen und Leiter ses (in ganz Deutschland geltende) der Staatskanzleien und der Fachmi- Recht der „kommunalen Selbstver- nisterien zu begegnen. Das gilt waltung“, das auf die (auch an briti- nicht zuletzt für die komplizierten schen Vorbildern orientierten) Re- finanziellen Beziehungen zwischen formen des preußischen Staatsmini- Bund und Ländern (vgl. dazu Das sters Reichsfreiherr vom und zum Finanzsystem). Stein Anfang des vorigen Jahrhun- Das föderale System ist also kom- derts zurückgeht, fördert Dezentra- pliziert, es wahrt aber am besten die lisation, Bürgernähe und Flexibilität Eigenbelange und gewachsenen der Verwaltung, ist aber auch einer Strukturen der Bundesländer, ver- der tragenden Pfeiler des freiheitli- tritt deren Interessen wirkungsvoll chen demokratischen Staates ge- auch in der Europäischen Gemein- worden, seitdem gewählte Volks- schaft und ermöglicht überschauba- vertretungen auf allen diesen kom- re, bürgernahe staatliche und politi- munalen Ebenen bestehen. Das sche Institutionen. Grundprinzip lautet: Die örtlichen Angelegenheiten werden in erster Die Landkreise, Städte und Linie von der Gemeinde erledigt, der Landkreis übernimmt die Auf- Gemeinden gaben, die überörtlich bedeutsam Solche überschaubaren Verwal- sind oder die Kräfte der einzelnen tungseinheiten, die auch als Teil der Gemeinde übersteigen. Deshalb engeren Heimat akzeptiert werden sind die meisten der 1029 Städte können, sind in erster Linie die und Gemeinden in 38 Landkreise Landkreise, Städte und Gemeinden eingegliedert (zusätzlich sind 744 (Kommunen). Sie sind in ihrem Ge- kleinere Gemeinden zur Stärkung biet die ausschließlichen Träger der der Verwaltungskraft in 142 „Samt- gesamten öffentlichen Aufgaben, gemeinden“ zusammengefaßt, Politisches System 187 während 285 größere Gemeinden meldewesen, Zulassung von Kraft- als selbständige „Einheitsgemein- fahrzeugen). In diesem „übertra- den“ bestehen). Ausgenommen genen Wirkungskreis“ sind sie sind bedeutende Städte, deren ei- natürlich an die staatlichen Weisun- gene Finanz- und Verwaltungskraft gen gebunden, unterliegen also für alle Aufgaben ausreicht, näm- der „Rechts- und Fachaufsicht“. Die lich die 9 „kreisfreien Städte“ Übertragung solcher Aufgaben ist Braunschweig, Delmenhorst, Em- nach der Verfassung nur möglich, den, Hannover (Landeshauptstadt), „wenn gleichzeitig Bestimmungen Oldenburg, Osnabrück, Salzgitter, über die Deckung der Kosten ge- Wilhelmshaven und Wolfsburg und troffen werden“. die 7 „großen selbständigen Städ- Aufsichtsbehörden sind die Land- te“ Celle, Cuxhaven, Goslar, Ha- kreise (für die kreisangehörigen Ge- meln, Hildesheim, Lingen (Ems) und meinden), die Bezirksregierungen Lüneburg. Sie übernehmen zusätz- (für die Landkreise, kreisfreien und lich alle Aufgaben, die sonst die großen selbständigen Städte) und Landkreise erfüllen, und zwar die das Innenministerium als oberste In- kreisfreien Städte immer, die stanz. großen selbständigen soweit nichts Oberste Organe aller Kommunen anderes bestimmt ist. sind die alle 5 Jahre (zuletzt im Sep- Dem Selbstverwaltungsprinzip tember 1996) gewählten Stadträte, entsprechend, haben die Kommu- Samtgemeinderäte, Gemeinderäte nen also einen „eigenen Wirkungs- und Kreistage, in Hannover und kreis“, zu dem alle freiwillig über- Braunschweig zusätzlich Stadtbe- nommenen Aufgaben (z. B. Rat- zirksräte, in größeren Gemeinden hausbau, örtlicher Straßenbau, noch Ortsräte für einzelne Gemein- Wirtschaftsförderung) und etliche deteile. Ihre Größen sind nach Ein- gesetzlich zugewiesene (z. B. Bau wohnerzahl gestaffelt. Insgesamt und Unterhaltung der Grundschul- sind das jeweils rund 31.000 Perso- gebäude) gehören. Hier übt das nen für über 2.200 kommunale Land nur „Rechtsaufsicht“ aus, d. h. Vertretungen. Das dafür geltende es überwacht die Rechtmäßigkeit, Wahlsystem unterscheidet sich er- aber nicht die Zweckmäßigkeit des heblich von dem für die Landtags- Handelns. Den Kommunen werden wahl. Das wahlfähige Alter beginnt aber auch staatliche Aufgaben hier schon mit dem vollendeten übertragen, vor allem bei der Aus- 16. Lebensjahr. Ferner können seit führung von Bundesgesetzen durch 1996 auch Staatsangehörige von das Land im Auftrag des Bundes Mitgliedstaaten der Europäischen (s.o.; z. B. Sozialhilfe, Einwohner- Union unter den gleichen Voraus- 188 Politisches System setzungen wie Deutsche wählen der Rat bestimmte Angelegenhei- oder gewählt werden. Für jede zu ten des eigenen Wirkungskreises wählende Vertretung gibt es einen berät und entscheidet. Ferner kön- besonderen Stimmzettel. (z. B. in nen die Wahlberechtigten mit ei- Einheitsgemeinden für die Kreis- nem „Bürgerbegehren“ beantra- tags-, Gemeinderats- und evtl. gen, dass ihnen der Rat bestimmte noch Ortsratswahl), Angelegenheiten auf dem Vorschläge des eigenen Wir- von Parteien, Wähl- kungskreises zur ergruppen und Ein- direkten Entschei- zelpersonen ste- dung („Bürgerent- hen. Man kann ent- scheid“) überlässt. weder einen Wahl- Für alle diese Ini- vorschlag als Ge- tiativen sind Min- samtliste pauschal destzahlen für Un- oder einzelne Per- terschriften bzw. sonen wählen. Stimmen, gestaffelt Dafür hat man 3 nach Gemeindegrö- Stimmen. Diese ßen, vorgeschrie- kann man auf ver- ben. schiedene Listen 1996 ist noch ei- oder Personen ver- ne weitere demo- teilen („panaschieren“) oder auch kratische Komponente in die Kom- einer Liste oder Person bis zu 3 Stim- munalverfassung eingeführt wor- men geben („kumulieren“). Ausge- den: Die bisher ehrenamtlich täti- zählt wird auch hier nach dem Prin- gen Vorsitzenden der Räte (also zip der Verhältniswahl (System Bürgermeisterinnen und -meister, d’Hondt). Im Unterschied zur Land- Landrätinnen und -räte) werden tagswahl werden auch Wahlvor- nicht mehr vom Rat, sondern direkt schläge berücksichtigt, die weniger von den Wahlberechtigten gewählt. als 5% der Stimmen erhalten haben. Sie werden dann hauptamtlich tätig Auch auf der kommunalen Ebene und übernehmen die Leitung der hat die Bevölkerung Möglichkeiten, gesamten kommunalen Verwal- direkt auf die gewählten Vertretun- tung. Die lag bisher bei einem gen einzuwirken. Wer mindestens besonderen kommunalen Spitzen- 14 Jahre alt und seit mindestens 3 amt (z. B. Oberstadtdirektorin oder Monaten in der Gemeinde gemel- -direktor), das nun entfällt. Diese det ist, kann mit einem schriftlichen „eingleisige“ Form der kommuna- „Einwohnerantrag“ verlangen, dass len Leitung gilt in den meisten Bun- Politisches System 189 desländern. Die Wahl erfolgt hier werbe- und Körperschaftssteuer. mit einer Stimme. Gewählt ist, wer Auf Versicherungsbeiträge wird mehr als die Hälfte der gültigen eine Steuer von 15% erhoben, auf Stimmen erhalten hat (gab es nur Wertpapiere fällt Kapitalertrags- einen Wahlvorschlag, ist diese Per- und Börsenumsatzsteuer an. Den son gewählt, wenn mindestens zweiten großen Einnahmeblock bil- 25 % der Wahlberechtigten für sie den die indirekt, vor allem auf den gestimmt haben und sie die Mehr- Verbrauch erhobenen Steuern. Auf heit der abgegebenen Stimmen er- jeder Ware und Dienstleistung liegt hält). Anderenfalls findet 2 Wochen Umsatz- oder Mehrwertsteuer (z.Zt. später eine Stichwahl zwischen den 7 bis 16% des Preises), auf einigen beiden Bewerberinnen oder Bewer- Warenarten noch eine zusätzliche bern mit der höchsten Stimmenzahl Steuer (z. B. Tabak- und Brannt- statt. Dabei entscheidet die relative weinsteuer). Autobesitzer zahlen Mehrheit, bei Stimmengleichheit Kraftfahrzeug- und Mineralölsteu- das Los. er. Die Gemeinden erheben eigene Steuern, z. B. Grundsteuer für Das Finanzsystem Grundstücke, Hunde- und Vergnü- Das Geld kommt auf vielen We- gungssteuer. Bund und Länder be- gen in die öffentlichen Kassen. Ne- streiten fast 90%, die Kommunen ben Gebühren für Verwaltungsakte, reichlich ein Drittel ihrer Einnahmen Beiträgen zu Verwaltungsmaßnah- aus Steuern. men (z. B. Anliegerbeiträgen zum Die bedarfsgerechte Verteilung Straßenbau), Abgaben, Erträgen dieser Einnahmen zwischen Bund, von Unternehmen und Beteiligun- Ländern und Gemeinden erfordert gen des Fiskus, Zinsgewinnen der ein mehrstufiges Finanzausgleichs- Bundesbank und der Landesban- system, das im Grundgesetz festge- ken, Spielbankabgaben usw. sind legt ist. Die Hauptregel lautet, dass Steuern die bei weitem größte Ein- Bund und Länder gesondert die nahmequelle des Bundes und der Ausgaben tragen, die sich aus ihren Länder; nur einige der häufigsten Aufgaben ergeben. Für die Länder können hier genannt werden. Am sind dabei Schwerpunkte das Schul- wichtigsten sind die direkt vom und Hochschulwesen, Polizei und Einkommen oder Vermögen erho- Justiz, Sozial- und Gesundheitswe- benen Steuern, wie Lohn- und sen und die allgemeinen Personal- Einkommensteuer, Erbschafts- und ausgaben. Die jährlichen Haushalte Schenkungssteuer, Vermögenssteu- in Niedersachsen schließen durch- er (z.Zt. auslaufend), Grunderwerbs- schnittlich mit ca. 39 Mrd. DM Ein- steuer. Unternehmen zahlen Ge- nahmen und Ausgaben für das Land 190 Politisches System und 27 Mrd. für die Kommunen ab. ausgaben bei. Überregional bedeut- Über 23 Mrd. sind Personalausga- same „Gemeinschaftsaufgaben“ ben, rd. 7 Mrd. werden für Schulen (Hochschulbau, Küstenschutz, Ver- und Hochschulen, rd. 7,5 Mrd. für besserung der regionalen Wirt- Sozialhilfe (Tendenz z.Zt steigend), schafts- und der Agrarstruktur) wer- Mietzuschüsse für Minderbemittel- den gemeinsam (meist je zur Hälfte) te (Wohngeld) und Kindergeld, rd. von Bund und Ländern finanziert. 1,5 Mrd. für die öffentliche Sicher- Sie sind oft notwendig, aber poli- heit ausgegeben. Übrigens herrscht tisch nicht unproblematisch, da sie in Bund und Ländern eine seit Jah- die Kompetenzen vermischen und ren ständig steigende Verschuldung die beiderseitige Entscheidungsfrei- (in Niedersachsen rd. 10.000 DM pro heit beeinträchtigen. Lohn-, Ein- Einwohnerin und Einwohner) mit kommen-, Körperschafts- und Um- entsprechend hohen, die laufenden satzsteuer werden zwischen Bund Haushalte belastenden Zins- und und Ländern etwa hälftig, zwischen Tilgungsleistungen. den Ländern nach festgelegten Schlüsseln aufgeteilt. Andere Steuern wie Ver- Ausgaben 1) des Landes nach Arten – Haushaltsansatz 1998 – mögens-, Erbschafts-, Schenkungs- und Kraft- fahrzeugsteuer, ebenso die Spielbankabgaben stehen den Ländern al- lein zu. Das Grundge- setz verpflichtet aber auch die Länder unter- einander zu einem teil- weisen Ausgleich ihrer unterschiedlichen Fi- nanzkraft. Bundeslän- der mit überdurch- schnittlich hoher Steu- Quelle: Statistisches Taschenbuch Niedersachsen. 1998, S. 152. erkraft zahlen Aus- Der im Grundgesetz geregelte gleichbeträge an die weniger fi- Finanzausgleich zwischen Bund und nanzkräftigen („Länderfinanzaus- Ländern erfolgt nun auf verschiede- gleich“), der Bund gibt „Ergän- nen Wegen. Wo die Länder Verwal- zungszuweisungen“ hinzu. Nieder- tung im Auftrag des Bundes leisten, sachsen gewinnt durch diesen Aus- steuert der Bund Mittel für die Sach- gleich. Im Landeshaushalt 1998 Politisches System 191

(Nachtragshaushalt Niedersachsens Haushalt 1999 (in Mio) (Veränderungen gegenüber 1998 in %) Mai 1998) waren Gesamthaushalt: 40,1 Milliarden Mark (+ 2,0 %) 28,4 Mrd. DM aus Steuerverteilung, Sonstiges 496,4 (+ 1,1 Länderfinanzaus- Pensionen, Zin- gleich und Ergän- Wirtschaft 2704,4 (+ 2,9 %) sen, Kommunaler zungszuweisungen Umwelt 759,1 (-2,3 %) Finanzausgleich eingestellt. Über diese Transfers muß von Zeit zu Zeit neu Justiz 1639,9 (+6,5 %) verhandelt werden, Landwirtschaft 976,8 (+1,1 %) was nicht ohne po- litische Brisanz ist Schule 7016,1 (-2,2 %) und deshalb z. Zt. Wissenschaft 4044,1 (+ 4,6 auch wieder das Soziales 5041,1 (+5,7 Bundesverfassungs- gericht beschäftigt. Finanzen 1504,5 (+6,0 %) Die Länder ihrer- Inneres 3105,9 (-0,3 %) seits führen nun den Finanzaus- Staatskanzlei 67,2 (83,6 %) gleich mit ihren Kommunen durch. Er ist in Niedersachsen durch ein Religionsgemeinschaften, Finanzausgleichsgesetz geregelt, das Parteien und zunächst die verteilbare Ausgleichs- Interessenvertretungen masse festlegt (1998: 4,5 Mrd. 1999 voraussichtlich 4,6 Mrd; dazu 1,2 Das Grundgesetz garantiert den Mrd. Zuschüsse für Jugendheime, gesellschaftlichen Kräften mannig- Kindergärten und Seniorenhilfe). Die fache Entfaltungs- und Mitwir- Kommunen erhalten Zuweisungen, kungsmöglichkeiten. Glaubens-, Ge- die nach festgelegten Schlüsseln (u. wissens- und Bekenntnisfreiheit sind a. Einwohnerzahl, Steuerkraft, So- geschützt. zialhilfeausgaben) berechnet wer- Ungestörte Religionsausübung den, ferner einen bestimmten Pro- wird gewährleistet, Religionsunter- zentsatz für Aufgaben des übertra- richt ermöglicht. Vereinigungen al- genen Wirkungskreises und für Inves- ler Art, besonders zur Wahrung und titionen. Finanziell besonders bela- Förderung der Arbeits- und Wirt- stete Gemeinden erhalten im Einzel- schaftsbedingungen können ge- fall noch Zuwendungen nach Bedarf. gründet werden. Die Gründung po- 192 Politisches System litischer Parteien ist frei. Sie haben ziehungen des Landes zu den evan- das Recht, bei der politischen Wil- gelischen Kirchen sind durch den lensbildung des Volkes mitzuwirken. „Loccumer Vertrag“ (1955, ergänzt Die Bestimmungen der Reichsver- 1965; benannt nach dem evangeli- fassung von 1919 über die Rechte schen Kloster Loccum, dessen Abt und Freiheiten der Kirchen, religiö- immer der Landesbischof von Han- sen und weltanschaulichen Gemein- nover ist), zur römisch-katholischen schaften gelten weiter. Sie haben Kirche durch ein Konkordat (1965) den Status von „Körperschaften des geregelt. Die Kirchen entfalten um- öffentlichen Rechts“ oder können fangreiche soziale Aktivitäten u. a. ihn erlangen und sind damit u.a. be- in den Bereichen Diakonie und Cari- rechtigt, Steuern zu erheben. Die tas. Sie sind die größten Kindergar- Kirchensteuern werden von den tenträger, beteiligen sich in Diako- staatlichen Finanzämtern gegen nie- und Sozialstationen an der am- Kostenerstattung eingezogen. In bulanten und pflegerischen Betreu- Niedersachsen, dessen Bevölkerung ung der Bevölkerung, unterhalten in den Landkreisen Emsland, Clop- hunderte von Alten- und Pflegehei- penburg, Vechta und Osnabrück men und tausende von Kranken- überwiegend römisch-katholisch, hausplätzen. sonst überwiegend evangelisch ist, Neben den beiden großen Kir- bestehen die evangelisch-lutheri- chen sind weitere Religionsgemein- schen Landeskirchen von Braun- schaften als Körperschaften des schweig, Hannover, Oldenburg und öffentlichen Rechts anerkannt, u. a. Schaumburg-Lippe sowie die Evan- evangelische Freikirchen und sonsti- gelisch-Reformierte Kirche in Nord- ge Religionsgemeinschaften, der westdeutschland (insgesamt ca. 4,7 Landesverband der Jüdischen Ge- Mio. Mitglieder), die in der meinden und die Griechisch-Ortho- Konföderation Evangelischer Kir- doxe Metropolie in Deutschland. chen in Niedersachsen zusammen- Die bereits erwähnten, auch im geschlossen und alle auch Gliedkir- Bundestag vertretenen politischen chen der Evangelischen Kirche in Parteien (SPD, CDU, GRÜNE, F.D.P.) Deutschland (EKD) sind, deren Zen- haben in Niedersachsen ihre Landes- trale, das Kirchenamt, übrigens in verbände. Eine besondere Landes- der Landeshauptstadt residiert. Die partei existiert seit Jahrzehnten römisch-katholischen Kirchenmit- nicht mehr. Es gibt aber auch in Nie- glieder (ca. 1,4 Mio.) gehören zu dersachsen einige Parteien, deren den Bistümern Hildesheim, Münster Bestrebungen sich nach amtlicher und Osnabrück, in Grenzbereichen Beurteilung gegen die freiheitliche- auch Fulda und Paderborn. Die Be- demokratische Grundordnung rich- Politisches System 193 ten und die deshalb unter der ge- seine Einzelgewerkschaften sind im setzlich geregelten Beobachtung Lande ebenso vertreten wie die der Verfassungsschutzbehörden des Deutsche Angestelltengewerkschaft Bundes und der Länder stehen. Das (DAG) und der Deutsche Beamten- sind die extrem rechten Parteien bund (DBB) mit zahlreichen Fachver- „Deutsche Volksunion“ (DVU), „Die bänden für einzelne Sparten des Republikaner“ (REP) und „National- öffentlichen Dienstes. Ihnen stehen, demokratische Partei Deutschlands“ v. a. in ihrer Funktion als Tarif- (NPD) sowie die extrem linke „Deut- partner, die „Unternehmerverbände sche Kommunistische Partei“ (DKP) Niedersachsen“ mit über 40 Fachver- und ein Teil (die „Kommunistische bänden gegenüber, die meist auch Plattform“) der „Partei des De- Mitglieder der Bundesvereinigung mokratischen Sozialismus“ (PDS, der Deutschen Arbeitgeberverbän- hervorgegangen aus der totalitä- de (BDA) und des Bundesverbandes ren „Sozialistischen Einheitspartei der Deutschen Industrie (BDI) sind. Deutschlands“ der ehemaligen Sie sind privatrechtliche Vereinigun- DDR). Auch sie haben das „Parteien- gen mit freiwilliger Mitgliedschaft. privileg“ (Art. 21 des Grundgeset- Als Körperschaften mit obligatori- zes), d. h. sie können nur durch Ent- scher Mitgliedschaft gibt es aber scheidung des Bundesverfassungs- noch die Industrie- und Handels- gerichts verboten werden (andere kammern, Handwerkskammern und verfassungsfeindliche Organisatio- Landwirtschaftskammern sowie die nen werden durch die Verwaltungs- Kammern der Rechtsanwälte, Ärzte, behörden nach dem Vereinsgesetz Zahnärzte, Apotheker und Architek- aufgelöst). Sie werden aber von der ten. Diese „Kammern“ haben öf- Bevölkerung kaum angenommen: fentlich-rechtliche Befugnisse wie Ihre Mitgliederzahlen sind gering (z. z. B. die Abnahme vorgeschriebener Zt. zwischen 20 und 1800), ihr Stim- Fachprüfungen oder die Überwa- menanteil bei den Wahlen liegt im chung von gesetzlichen Zulassungs- Landesdurchschnitt seit 30 Jahren bedingungen zu bestimmten Beru- konstant unter 5% (allerdings höher fen. in einigen Problemgebieten). Sie er- Europäische und weltweite langen nur hin und wieder einzelne Mandate auf kommunaler Ebene. Beziehungen Eine bedeutende Rolle spielen Nach der Unterzeichnung des schließlich die wirtschaftlichen und Vertrages von Maastricht (1993), der sozialen Verbände und Interessen- den Weg zur Entwicklung der Eu- vertretungen. Der Deutsche Ge- ropäischen Union geöffnet hat, sind werkschaftsbund (DGB) und alle die Mitwirkungsrechte der Bundes- 194 Politisches System länder über den Bundesrat in eu- men der Gemeinschaft vorbereiten ropäischen Angelegenheiten durch und sichern, Angehörige nieder- Art. 23 des Grundgesetzes und ein sächsischer Dienststellen für die Eu- Ausführungsgesetz dazu erweitert ropaarbeit aus- und fortbilden, Kon- und neu geordnet worden: Wenn takte zu den Europaabgeordneten im Bereich ausschließlicher Zustän- (z. Zt. 9 aus Niedersachsen), den an- digkeiten des Bundes Interessen der deren Länderbüros und sonstigen Länder berührt werden, muss die wichtigen Stellen pflegen. Bundesregierung eine Stellungnah- Aber auch weltweite internatio- me des Bundesrates einholen und nale Partnerschaft und Zusammen- „berücksichtigen“. Wenn schwer- arbeit wird in Niedersachsen groß punktmäßig Gesetzgebungsbefug- geschrieben. Viele niedersächsische nisse der Länder, die Einrichtung ih- Städte und Gemeinden haben seit rer Behörden oder ihre Verwal- langem Partnerschaften mit auslän- tungsverfahren betroffen sind, ist dischen Kommunen. (Neben dem die Auffassung des Bundesrates un- Neuen Rathaus der Landeshaupt- ter Wahrung der gesamtstaatlichen stadt liegt ein schöner Park, dessen Verantwortung des Bundes „maß- zahlreiche Wege nach Partnerstäd- geblich zu berücksichtigen“. Wenn ten Hannovers benannt sind). Das der Schwerpunkt auf ausschließ- Land leistet Beratungs- und Aufbau- lichen Gesetzgebungsbefugnissen hilfen (u. a. zum Aufbau kommuna- der Länder liegt, soll die Wahrneh- ler Selbstverwaltung und neuer mung der deutschen Rechte in den landwirtschaftlicher Strukturen) in europäischen Gremien einem vom mehreren polnischen Woiwodschaf- Bundesrat benannten Landesminis- ten und russischen Gebieten, ist ter übertragen werden. Um diese aber auch an zahlreichen Hilfspro- Möglichkeiten effektiv nutzen zu jekten in Afrika, Asien und Lateina- können, müssen die Länder auch merika beteiligt, besonders an hu- selbst auf der europäischen Ebene manitären Hilfsaktionen und bei der präsent sein. Niedersachsen unter- Entwicklung elementarer Infra- hält daher, wie alle anderen Bundes- strukturen, z. B. der Wasserversor- länder, ein Verbindungsbüro des gung. Der „Verein zur Förderung Landes in Brüssel. Es soll die Landes- entwicklungspolitischer Initiativen regierung unterrichten, die Positio- und Entwicklungszusammenarbeit nen und Interessen des Landes in al- in Niedersachsen“ (VEN) ist Koordi- le europäischen Gremien und Insti- nator vieler Initiativen und An- tutionen hinein vermitteln, eine an- sprechpartner der Regierung. gemessene Beteiligung des Landes an den zahlreichen Förderprogram- Hansjürgen Knoche Verwaltung und Rechtspflege

Vorbemerkung besondere Bedeutung dieses Teils der Exekutive für die Ausgestaltung Dem Bundesland Niedersachsen unserer Verfassungswirklichkeit kommt im Verfassungsgefüge der hervorgehoben wird. Auch die Bundesrepublik Deutschland eine Rechtspflege nimmt dort, wo sie eigene, nicht vom Bund abgeleitete nicht Rechtsprechung im eigentli- Staatsqualität mit hieraus erwach- chen Sinne ist, Aufgaben der Ver- sender Verfassungsautonomie zu. waltung wahr. Sie umfasst im weite- Es steht damit gleichberechtigt ne- ren Sinne alles Handeln des Staates ben den weiteren 15 Gliedstaaten oder staatlich anerkannter Organe, unseres bundesstaatlich verfassten das dem Rechtsschutz, der Rechts- Gemeinwesens. Die Bürgerinnen ausübung sowie der Rechtsvorsorge und Bürger erfahren diesen föderal dient. strukturierten Staat in unterschied- Das Grundgesetz für die Bundes- licher Weise. Medien unterrichten republik Deutschland unterscheidet über das Handeln der Verfassungs- zwischen Bundes- und Länderver- organe auf Länder- und Bundesebe- waltung und sieht vor, dass die Aus- ne sowie über das dieses vorberei- übung staatlicher Befugnisse und tende und begleitende politische die Erfüllung staatlicher Aufgaben Geschehen. Diese Vorgänge sind in- grundsätzlich eine Angelegenheit des nur eine Erscheinungsform des der Länder ist. Diese Kompetenzzu- Staatlichen. Viel unmittelbarer ist weisung ist nur dort zugunsten des dessen Wahrnehmbarkeit im Um- Bundes durchbrochen, wo das gang und Kontakt des Einzelnen Grundgesetz eine „andere Rege- mit staatlichen Verwaltungsbehör- lung trifft oder zuläßt“ (Art. 30 GG). den sowie den Institutionen der Hieraus folgt, dass der Großteil Rechtspflege. staatlicher Aufgaben von unmittel- Verwaltungsbehörden dienen baren oder mittelbaren Landes- der laufenden Erfüllung öffentli- behörden wahrgenommen wird. In cher Aufgaben, die im Rahmen ihrer entsprechender Weise und gleich- jeweiligen Zuständigkeiten dem falls am Bundesstaatsprinzip orien- Bund, den Ländern oder den Kom- tiert, legt das Grundgesetz auch munen obliegen. Wegen des lau- fest, dass die rechtsprechende Ge- fenden Vollzuges der vielfältigen walt – abgesehen von den verfas- staatlichen Pflichten wurde die Ver- sungsrechtlich vorgesehenen Bun- waltung in der Rechtslehre auch als desgerichten – durch die Gerichte „tätig werdende Verfassung“ cha- der Länder ausgeübt wird (Art. 92 rakterisiert, wodurch zu Recht die GG). 196 Verwaltung und Rechtspflege

Vor diesem Hintergrund wird die ihrer Selbständigkeit entkleide- deutlich, dass sich unser Staat sei- ten Länder Braunschweig, Olden- nen Bürgerinnen und Bürgern vor burg und Schaumburg-Lippe sowie allem vermittels der Verwaltung die ehemalige preußische Provinz und Rechtspflege der Länder mit- Hannover in das neu geschaffene teilt und diese Bereiche daher auch Land eingegliedert. In der Situation in Niedersachsen einen wichtigen der unmittelbaren Nachkriegszeit Bestandteil der Lebenswirklichkeit gelang es auf diese Weise, die veral- seiner Bewohner ausmachen. teten, auf historisch-dynastischen Art. 1 Abs. 1 der Niedersächsi- Grundlagen entstandenen inner- schen Verfassung vom 19. Mai 1993 deutschen Grenzen und Verwal- läßt erkennen, dass das Land Nie- tungsgliederungen im Sinne einer dersachsen ein regional und histo- naturräumlich orientierten, wirt- risch heterogenes Gebilde ist: „Das schaftlich sachgerechten und zeit- Land Niedersachsen ist hervorge- gemäßen Lösung zu überwinden. gangen aus den Ländern Hannover, Wenn die Regionen Niedersach- Oldenburg, Braunschweig und sens damit ihre verwaltungsmäßige Schaumburg-Lippe.“ Selbständigkeit eingebüßt hatten Die damit in ihren Umrissen skiz- und in ein größeres gliedstaatliches zierte Entstehung des Landes Nie- Gebilde eingeordnet waren, so be- dersachsen vollzog sich unter den wahrten sie doch ihre sich aus den Bedingungen alliierter Besatzungs- historischen Wurzeln nährende Be- hoheit und hat ihren Ursprung in deutung bis auf den heutigen Tag. der Tätigkeit des im Februar 1946 Die regionale Gliederung und Struk- errichteten Zonenbeirats für die bri- tur der Verwaltung und Rechtspfle- tische Zone. Dieser sollte auf Auf- ge in Niedersachsen erschließt sich forderung der Britischen Kontroll- nur vor dem Hintergrund dieser kommission für Deutschland unter historischen Ursprünge. anderem Vorschläge für eine Neu- bildung der Länder in der britischen Unmittelbare Zone unterbreiten. Den Arbeitser- Staatsverwaltung gebnissen dieser Kommission fol- durch staatliche gend, errichtete die britische Besat- Verwaltungsbehörden zungsmacht das Land Niedersach- sen durch ihre rückwirkend zum Die Spitze der Verwaltung des 1. November 1946 in Kraft getrete- Landes Niedersachsens wird von der ne Verordnung Nr. 55 vom 8. No- Landesregierung gebildet, die sich vember 1946. Durch diesen Rechts- aus dem Ministerpräsidenten sowie akt der Besatzungsmacht wurden den Fachministerinnen- und -minis- Verwaltung und Rechtspflege 197 tern zusammensetzt. Die Landes- über die unterstellten Unterbehör- regierung ist zugleich Verfassungs- den sowie die Aufsicht über die organ und oberste Verwaltungs- Landkreise und kreisfreien Städte. behörde. Unterhalb dieser Ebene Die Unterbehörden der allgemei- erfolgt die unmittelbare Staatsver- nen Landesverwaltung bewältigen waltung durch eine dreistufige Ver- die Hauptlast der vollziehenden waltungsgliederung in Ober-, Mit- Verwaltung. Sie treten den Bürge- tel- und Unterbehörden. rinnen- und Bürgern bei der Wahr- Die Fachministerien sind in ihrer nehmung ihrer Aufgaben unmittel- Funktion als Verwaltungsgliederun- bar gegenüber und werden in gen Oberbehörden, denen in ihrem ihrem Verwaltungshandeln daher Geschäftsbereich die oberste Sach- vorrangig als Institutionen unseres leitung zukommt. Diese wird durch Gemeinwesens erlebt und erfahren. den Erlass allgemeiner Weisungen, Die untere Instanz der staatlichen organisatorischer und personeller Verwaltung wird einerseits durch Maßnahmen sowie die Ausübung spezialisierte Sonderbehörden ge- einer Aufsichtsfunktion wahrge- bildet. Diese dienen der Bewälti- nommen, während die Entschei- gung staatlicher Sonderaufgaben dung von Einzelfällen grundsätzlich wie beispielsweise der polizeilichen nicht zu ihrem Aufgabenkanon Gefahrenabwehr (Polizeidirektio- zählt. nen / Polizeiinspektionen), dem Ver- Im Bereich der allgemeinen Ver- messungs- und Katasterwesen (Ver- waltung wird die niedersächsische messungs- und Katasterbehörden) Verwaltungsmittelinstanz von den oder sonstigen Spezialbereichen vier Bezirksregierungen gebildet (z. B. Insel- und Küstenschutz, Was- (vgl. Abschnitt Die administrative ser- und Abfallwesen, Agrarstruk- Gliederung Niedersachsens im Kapi- tur, Studienseminare für Lehramts- tel Lage und Größe). Die Bezirksre- kandidaten, Domänenwesen, Forst- gierungen unterstehen der Dienst- und Hafenämter, staatliche Museen aufsicht des Innenministeriums so- und Theater etc.). wie der Fachaufsicht der sachlich je- Daneben obliegt die Vielzahl der weils zuständigen Ministerien. Ihr Aufgaben der allgemeinen unteren Leiter, der Regierungspräsident, Verwaltungsbehörden im Rahmen bzw. die Regierungspräsidentin ist der sog. mittelbaren Staatsverwal- der allgemeine Vertreter der Lan- tung den kommunalen Gemein- desregierung im Regierungsbezirk. wesen und wird von diesen als Zu den Aufgaben der Verwaltungs- sog. übertragener (staatlicher) Wir- mittelinstanzen gehören die Aus- kungskreis neben den eigenen, als übung der Rechts- und Fachaufsicht „Selbstverwaltungsangelegenhei- 198 Verwaltung und Rechtspflege ten“ bezeichneten Aufgaben be- tung und Unterhaltung grundsätz- wältigt (vgl. Abschnitt Die Landkrei- lich den Ländern obliegt. se, Städte und Gemeinden im Kapi- Das Land Niedersachsen ent- tel Politisches System). spricht dieser Verpflichtung durch die Tätigkeit eines Gerichtsystems, Rechtspflege welches sich in Gerichte der sog. in Niedersachsen ordentlichen sowie in solche der Verwaltungs-, Sozial-, Finanz- und Zu den Kernaufgaben jedes Arbeitsgerichtsbarkeit gliedert. Un- staatlichen Gemeinwesens gehört ter den niedersächsischen Gerichten die Schaffung von Institutionen und nimmt der daneben bestehende Strukturen, die dem Einzelnen die Staatsgerichtshof mit Sitz in Bücke- Ausübung und Durchsetzung seiner burg eine Sonderrolle ein. Er ist gegenüber dem Staat oder Priva- niedersächsisches Verfassungsorgan ten bestehenden gesetzlich ver- und entscheidet über verfassungs- bürgten Rechte gewährleisten. Ge- rechtliche Streitigkeiten in Nieder- genstand dieser öffentlichen Aufga- sachsen. be ist die Rechtspflege, deren inte- graler Bestandteil die Rechtspre- chung ist. Niedersächsischer Die Rechtsprechung (Judikative) Staatsgerichtshof ist in dem Verfassungsgefüge des Grundgesetzes neben der Gesetzge- (Bückeburg) bung (Legislative) und der vollzie- henden Gewalt (Exekutive) die drit- 1 Präsident/in te Erscheinungsform der vom Volke 2 richterliche Mitglieder ausgehenden Staatsgewalt und un- (sowie 3 Stellvertreter/innen) terliegt in ihrem Handeln der strik- – vom Landtag für die Dauer ihres ten Bindung an Recht und Gesetz richterlichen Hauptamtes gewählt – (Art. 20 Abs. 2 GG). Das Grundge- setz hat die Ausübung der recht- 6 weitere Mitglieder sprechenden Gewalt ausschließlich (sowie 6 Stellvertreter/innen) den Richtern anvertraut und diese – vom Landtag für eine Amtszeit zur Erfüllung ihrer Pflichten mit von sieben Jahren gewählt – sachlicher und persönlicher Unab- hängigkeit versehen (Art. 92 und 97 Abs. 1 GG). Das Handeln der recht- Die ordentliche Gerichtsbarkeit in sprechenden Gewalt vollzieht sich Niedersachsen, die die Bereiche der durch die Gerichte, deren Einrich- Zivil- bzw. Strafjustiz umfaßt, ist in Verwaltung und Rechtspflege 199 drei Oberlandesgerichtsbe- zirke untergliedert. Dem Oberlandesgericht Braun- schweig gehören die Land- gerichte Braunschweig und Göttingen sowie 16 Amts- gerichte an. Dem Oberlan- desgericht Celle sind sechs Landgerichte (Bückeburg, Hannover, Hildesheim, Lü- neburg, Stade, Verden) und deren 41 Amtsgerichte 7 zugeordnet. Der Oberlan- Verwaltungs- desgerichtsbezirk Olden- gerichte Braunschweig burg schließlich umfaßt die Göttingen Hannover Landgerichte Oldenburg, Lüneburg Oldenburg Osnabrück Osnabrück und Aurich so- Stade wie 23 Amtsgerichte. Die Amtsgerichte sind für bürgerliche Rechtsstrei- tigkeiten mit einem Streit- wert von bis zu 10.000,– DM sowie ohne Rücksicht auf den Gegenstandswert für Mietstreitigkeiten zuständig. Zuständigkeiten eines Insolvenzge- Auch die Familiengerichte sind den richts betraut. Amtsgerichten angegliedert. Die Die Landgerichte treffen ihre Ent- amtsgerichtliche Zuständigkeit er- scheidungen durch die bei ihnen ge- streckt sich des weiteren auf Straf- bildeten Zivil- und Strafkammern. In verfahren mit einer Straferwartung bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe. erstreckt sich die Zuständigkeit der Weitere bedeutsame Zuständigkei- Landgerichte auf Streitigkeiten mit ten der Amtsgerichte sind das Buß- einem Gegenstandswert von mehr geldverfahren, das Mahnverfahren, als 10.000,– DM. Zweitinstanzlich das Vormundschafts- und Nachlass- entscheiden sie über Berufungen wesen sowie die Landwirtschafts- und Beschwerden gegen Entschei- gerichtsbarkeit. In Niedersachsen dungen der Amtsgerichte in zivil- sind zudem 33 der insgesamt 80 wie strafrechtlichen Verfahren. Die Amtsgerichte mit den zentralen erstinstanzliche Zuständigkeit der 200 Verwaltung und Rechtspflege

Landgerichte besteht im übrigen für ebenso wie die Sozial- und Finanz- Strafverfahren mit einer Straferwar- gerichtsbarkeit (nicht aber der Ar- tung von mehr als vier Jahren Frei- beitsgerichtsbarkeit, die dem Sozial- heitsstrafe sowie generell hinsicht- ministerium zugeordnet ist) organi- lich einer gesetzlich festgelegten satorisch und dienstrechtlich dem Auswahl besonders gravierender Niedersächsischen Ministerium der Verbrechen. Justiz und für Europaangelegenhei- Die Spruchkörper der Oberlan- ten. Dies gilt ebenso für die Behör- desgerichte sind die Senate. Sie sind denstruktur der Staatsanwaltschaf- unter anderem für Berufungen und ten. Deren Mittelinstanz, die drei Beschwerden gegen erstinstanzli- Generalstaatsanwaltschaften, ha- che zivilrechtliche Entscheidungen ben ihren Sitz am Ort der Oberlan- der Landgerichte, für Berufungen desgerichte. Ihnen sind die Staats- gegen Urteile der Familiengerichte anwaltschaften nachgeordnet, die sowie Revisionen gegen strafrechtli- sich ihrerseits an den Orten der che Urteile der Amtsgerichte sowie Landgerichte befinden. Berufungsurteile der Landgerichte Neben den skizzierten Gerichten in Strafsachen zuständig. und Justizbehörden sind auch die Die in Braunschweig, Göttingen, Berufsgruppen der Rechtsanwälte Hannover, Lüneburg, Oldenburg, und Notare dem Bereich der Rechts- Osnabrück und Stade eingerichte- pflege zuzuordnen. Im Land Nieder- ten Verwaltungsgerichte eröffnen sachsen sind rund 6.100 Rechtsan- den Bürgerinnen und Bürgern die wälte zur Ausübung des Rechtsan- Möglichkeit, Entscheidungen der waltsberufs zugelassen. 2.100 von öffentlichen Verwaltung einer ge- ihnen sind von der Landesjustizver- richtlichen Kontrolle zuzuführen. waltung zu Notaren bestellt und Ihre Berufungs- bzw. Beschwerdein- insbesondere durch ihre Arbeit bei stanz ist das Niedersächsische Ober- der Beurkundung von Rechtsvor- verwaltungsgericht mit Sitz in Lüne- gängen im Sinne einer vorsorgen- burg. den Rechtspflege tätig. Die ordentliche und die Verwal- tungsgerichtsbarkeit unterstehen Hartwin Kramer Bildung und Ausbildung

Behutsame Reformen gelingt es auch, nach zehnjährigem von Anfang an heftigen Ringen mit der katho- lischen Kirche, die Schule als „christ- Im Flächenland Niedersachsen liche Gemeinschaftsschule“, näm- wird die Entwicklung und der Aus- lich für Kinder aller Bekenntnisse, bau eines zeitgemäßen Schul- und gegenüber der konfessionsgebun- Ausbildungsangebotes schon immer denen Schule als Regeltyp durchzu- als wesentlicher Bestandteil der In- setzen. Erfolgreich wird in dieser frastruktur des Landes gesehen. Ty- Zeit auch an der Verkleinerung der pisch niedersächsisch, also eher be- anfangs mit 50 bis 60 Kindern über- dächtig als grundstürzend, jedoch vollen Schulklassen und der Ab- auch innovative Impulse setzend, schaffung von Schulgeld gearbeitet. hat Niedersachsen zusammen mit seinen kommunalen Gebietskörper- Bildungsboom ab Mitte der schaften heute ein differenziertes 60er-Jahre und hochmodernes Schul- und Aus- bildungssystem geschaffen. Bis in die heutige Zeit prägend wirkt sich der Mitte der 60er-Jahre Schon unter Niedersachsens er- bundesweit einsetzende Reform- stem Kultusminister Adolf Grimme schub im Bildungswesen aus. (SPD) entscheidet sich das Land für Zwei Grundfragen bewegen die die vierjährige Grundschule und das Bildungsreformer Mitte der 60er- dreigliedrige Schulsystem mit der Jahre, die übrigens bis heute aktuell damaligen Volksschule, der Real- und brisant geblieben sind: schule und dem Gymnasium. Dies 1. Erzeugt das Bildungssystem aus- wird in den 50er-Jahren ergänzt reichend viele und hoch quali- durch eine Reihe innovativer Schul- fizierte Menschen, um im Wett- versuche („differenzierter Mittel- bewerb mit anderen politischen bau“), um die drei Schulformen Systemen und wirtschaftlich be- stärker miteinander zu verzahnen. stehen zu können? Strukturbildend wirkt die Ende der 2. Ist das Bildungssystem auch 50er-Jahre beginnende Landschul- sozial gerecht oder verteilt es reform. Die vielen, teilweise nur ein- seine Chancen bevorzugt an die klassigen oder wenig gegliederten Angehörigen der gehobenen Volksschulen („Zwergschulen“), Schichten? werden in einem beispiellosen bil- dungspolitischen Kraftakt zu neuen Georg Picht wendet sich mit Mittelpunktschulen zusammenge- seinem Slogan von der „Deutschen fasst und modernisiert. In dieser Zeit Bildungskatastrophe“ vor allem der 202 Bildung und Ausbildung ersten Frage, Ralf Dahrendorf mit Schulreform mit einer Stufengliede- seiner Suche nach „Deutschen Ar- rung des Schulwesens und einer beiterkindern an den Universitä- deutlichen Empfehlung für Gesamt- ten“ der zweiten Frage zu und kriti- schulen (Schule für alle Kinder der siert mangelnde Chancengleichheit Jahrgangsstufe 5 bis 10) vor. Nieder- an deutschen Schulen. sachsen greift diese Vorschläge auf. Das Land Niedersachsen stellt sich Nach leidenschaftlich geführten De- dieser Herausforderung. Bereits batten zwischen Regierung und Op- 1967 fordert der damalige Minister- position und heftigen Kontroversen präsident Georg Diederichs (SPD) in auch der Verbände untereinander seiner Regierungserklärung u. a. kommt es im Schulgesetz von 1974 den Abbau des Bildungsgefälles zu grundlegenden inhaltlichen und zwischen Stadt und Land, mehr strukturellen Entscheidungen im Durchlässigkeit zwischen den Schul- Schul- und Ausbildungssystem. Die- formen, eine besondere Förderstufe se Entscheidungen haben bis heute für Kinder im fünften und sechsten im Großen und Ganzen den Rah- Schuljahr und mehr Mitwirkung der men für Schule und den staatlichen Eltern in Fragen von Bildung und Er- Teil der Berufsbildung bestimmt. ziehung. Der Kultusminister Richard Das Schulgesetz übernimmt das Langeheine (CDU) greift dies auf stufenbezogene Gliederungsprinzip und legt 1969 ein bundesweit be- mit Primarstufe (Grundschule), achtetes Konzept einer Schulreform Sekundarstufe I (alle Schulformen unter dem Titel „Schule heute – der Klassen 5 bis 10) und der Se- Schule morgen“ vor. Typisch nieder- kundarstufe II (alle Schularten ab sächsisch ist dieser Vorschlag ge- Klasse 11 bzw. der berufsbildenden prägt durch eine umsichtige, behut- Schulen). same Öffnung zu Reformen unter Gleichzeitig führt das Gesetz die breiter Beteiligung von Verbänden einzelnen Schulformen an. Das sind und Elternvertretungen. im Sekundarbereich I die schulfor- Als die SPD 1970 erstmals in Nie- munabhängige – also für alle Kinder dersachsen die Alleinregierung ge- vorgesehene – Orientierungsstufe winnt, beginnt mit ihrem Kultus- mit den Jahrgängen 5 und 6 und die minister Peter von Oertzen eine darauf aufbauenden Schulformen Neuorientierung der Schul- und Hauptschule, Realschule, Gymnasi- Ausbildungspolitik. Der damalige en, Sonderschulen und die Gesamt- Deutsche Bildungsrat (1970) und die schule. Letztere kann in zwei For- Bund-Länder-Kommission für Bil- men verwirklicht werden. Als Inte- dungsplanung (1973) legen Em- grierte Gesamtschule (IGS) oder pfehlungen für eine durchgreifende Kooperative Gesamtschule (KGS). Bildung und Ausbildung 203

Die Integrierte Gesamtschule för- stritten ist. Deutlich hat sich seit den dert die Kinder in einem gemein- 60er-Jahren der Anteil der Schüler- samen Bildungsgang, dabei in schaft an den einzelnen Schulfor- Niveaugruppen getrennt in be- men verschoben, und zwar weg stimmten Fächern (z. B. Mathema- von der Hauptschule hin zu den an- tik, Fremdsprachen, Physik), im deren Schulformen des Sekundar- Übrigen aber in gemeinsamen bin- bereichs I. Die nachfolgende Tabelle nendifferenzierten Lerngruppen. In veranschaulicht dies. den Kooperativen Gesamtschulen Freie Waldorfschulen besuchen bestehen die Schulformen Haupt- im Jahr 1997 0,6 %, Kooperative Ge- schule, Realschule und Gymnasium samtschulen – oben eingerechnet in als Schulzüge weiter und sind mehr die drei erstgenannten Schulformen oder minder miteinander verzahnt. – 5,6 % des entsprechenden Jahr- Gymnasien und Gesamtschulen ganges. Interessant ist, dass der Re- führen in der Regel im Sekundarbe- gierungsbezirk Hannover (1997) mit reich II eine gymnasiale Oberstufe, 21,6 % den niedrigsten Haupt- die von der jeweiligen Schule aus schulanteil, zugleich mit 33,1 % den den direkten Durchgang zum Abi- größten Gymnasial- und mit 16,5 % tur ermöglichen soll. den höchsten Gesamtschulanteil Strukturwandel (IGS und KGS) aufweist. Die Region im Schulsystem der Landesmetropole zeigt sich hier als Trendsetter der schulpolitischen Dieses plurale Grundmuster der Entwicklung. Im Übrigen liegen die niedersächsischen Schulstruktur hat entsprechenden Zahlen für die drei sich bis heute unabhängig von der anderen Regierungsbezirke Braun- Farbe der Landesregierung erhal- schweig, Lüneburg und Weser-Ems ten, obwohl es keineswegs unum- relativ nah beieinander. Abgesehen

Verteilung der Schülerinnen und Schüler im 7. Schuljahrgang auf die Schulformen (ohne Sonderschulen – in Prozent) Jahr Hauptschule Realschule Gymnasium IGS 1960 69,3 16,0 14,8 – 1970 55,7 24,0 20,3 – 1980 34,1 35,7 27,6 2,4 1990 29,3 36,1 31,0 2,9 1997 26,4 38,3 30,4 4,3 Quelle: Nieders. allgemeinbildende Schulen in Zahlen 1997/98, Tab. 4.1, S. 29. 204 Bildung und Ausbildung von der Wirkung bundesweiter Jahr 2003/2004 ihren neuen Gipfel Trends macht sich hier auch das erklimmen, mit erneutem Absinken kommunale Engagement im Schul- bis auf wiederum etwas über wesen bemerkbar. 800.000 im Jahr 2015. Diese Ergänzt wird das staatliche Schwankungen wirken sich stark Schulangebot durch private Schulen auf den Bedarf an Lehrkräften und (insgesamt 114 mit 41.384 Schüle- Schulräumen aus. Kleinere Klas- rinnen und Schülern). Die wichtig- senstärken, die Abwahl der Haupt- sten Schulträger sind hier Kirchen, schule und die zunehmende Bevor- Wohlfahrtsverbände und der Ver- zugung des Angebotes von Real- band der Freien Waldorfschulen. schulen, Gymnasien und Gesamt- Der Schwerpunkt liegt im Bereich schulen lösen weiteren Raumbedarf der Sonderschulen (41), den Gymna- an den entsprechenden Schulen sien (29) und den Freien Waldorf- bzw. Neubauten aus. schulen (14). So geht die Zahl der Hauptschul- standorte im Lande seit 1975 von 955 auf 521 (1997) zurück. Die Landkreise, Städte und Grundschulen bleiben seit 1980 sta- Gemeinden engagieren sich bil bei 1875 (nur minus 2). Realschu- len bzw. Realschulangebote boo- Drei Faktoren haben das Land men von 335 im Jahre 1975 auf 409 und seine Kommunen in den ver- im Jahr 1998, desgleichen die Orien- gangenen drei Jahrzehnten beson- tierungsstufen, die sich aufgrund ders herausgefordert: die stark der Vorgaben des Landesgesetzge- schwankende Zahl von Schülerin- bers in der kurzen Zeit zwischen nen und Schülern, der Strukturwan- 1975 und 1989 von 310 auf 544 stei- del im Verhältnis der drei Schulfor- gern. Auch Kooperative und Inte- men Hauptschule, Realschule und grierte Gesamtschulen nehmen Gymnasium und der starke Ausbau nach einer Phase der Stagnation des berufsbildenden Schulwesens. zwischen 1976 und 1990 wieder zu, Allein im allgemein bildenden und zwar bei den KGS von 10 (1975) Schulbereich klettert die Zahl der auf 30 (1997) und bei den IGS im Beschulten von etwas über 800.000 entsprechenden Zeitraum von 13 Anfang der 60er-Jahre auf den Spit- auf 30. Die Zahl der Gymnasien hin- zenwert von rund 1,25 Mio. im Jah- gegen bleibt mit rund 230 (1997: re 1975, um dann bis 1989 wieder 234) über die letzten beiden Jahr- auf 800.000 abzusinken. Seitdem zehnte konstant. Jedoch auch sie steigen die Zahlen wieder und wer- müssen stark schwankende Schüler- den mit etwas über einer Mio. im zahlen verkraften. Bildung und Ausbildung 205

Die Sonderschulen werden in die- wie im allgemein bildenden Schul- ser Zeit landesweit modernisiert, wesen zurückgreifen zu können, teilweise konzentriert (Schule für entwickelt sich das berufsbildende Lernhilfe), zum Teil auch erheblich Schulwesen stärker an abnehmer- ausgebaut, so die Schulen für gei- orientierten, betrieblichen Interes- stig Behinderte von ehemals 17 sen. Anknüpfungspunkte bilden (1975) auf 54 (1997). nach 1945 die in den 20er- und 30er- Alle diese Entwicklungen, ver- Jahren entwickelten Formen des be- bunden mit verbesserten Standards rufsbildenden Schulwesens, vor al- in den Grund- und vor allem auch lem mit den Pflichtberufsschulen in Sonderschulen, lösen bei den Kom- den kaufmännischen, gewerblichen munen als Schulträgern erhebliche und hauswirtschaftlichen Berei- Investitionen im Schulbau aus. Viele chen. Am Anfang steht auch hier niedersächsische Gemeinden, Städ- Raumnot, Lehrermangel, Schichtun- te und Kreise haben den Ehrgeiz terricht, hohe Klassenfrequenzen entwickelt, mit ihren Grundschulen und ein reduzierter Stundenplan. oder Schulzentren mit verschiede- Für die damals große Zahl von Lehr- nen Schulangeboten vorzeigbare lingen – wie es damals heißt – in den und gut ausgestattete Einrichtun- landwirtschaftlichen Berufen müs- gen zu schaffen, mit z. T. vorbildli- sen die räumlichen und personellen chen Außen- und Sportanlagen. Voraussetzungen in weiten Teilen Diese Schulen bilden vielfach mit des Landes erst geschaffen und spä- ihren Räumen, Sporthallen und ter – mit dem dramatischen Rück- Sportplätzen den Anziehungspunkt gang der landwirtschaftlichen Be- auch für außerschulische Aktivitä- triebe und der dort Beschäftigten – ten, z. B. für Volkshochschularbeit, wieder abgebaut werden. Der für sportliche Nutzung durch örtliche Niedersachsen durchaus bedeutsa- Vereine und anderes mehr. me Sektor Landwirtschaft zeigt da- Großes Engagement beweisen mit beispielhaft, wie Strukturwan- vor allem auch die Landkreise und del und Modernisierung unmittel- kreisfreien Städte beim Ausbau des bar Wirkungen auf Struktur und In- berufsbildenden Schulwesens. halt des berufsbildenden Schulwe- sens ausüben. Berufsbildung: Im Übrigen kommt es zu dem für Gemeinschaftsaufgabe von deutschsprachige Länder typischen Ausbildungssystem mit einer be- Bund, Land und Kommunen trieblichen praxisnahen Ausbildung, Ohne auf eine so weitreichende die vom Berufsschulunterricht be- stil- und strukturprägende Tradition gleitet wird. Daneben bieten schon 206 Bildung und Ausbildung in den 50er-Jahren Berufsschulen Berufsschulen bzw. im kooperativen Aufbauklassen, einjährig in Vollzeit- Berufsgrundbildungsjahr, die übri- form oder dreijährig in Teilzeitform gen gut 60 % verteilen sich auf 265 an, mit der Möglichkeit, als allge- Ausbildungsberufe (Weete, 1997, S. mein bildenden Abschluss die Fach- 290). schulreife zu erwerben. Zur niedersächsischen Besonder- heit wird in den Folgejahren der Land, Kommunen starke Ausbau des Berufsgrundbil- und Wirtschaft arbeiten dungsjahres (BGJ). Es soll die Auszu- zusammen bildenden ein Jahr lang in die Breite eines Berufsfeldes (z. B. Metall- oder Das Land Niedersachsen hat als Elektrotechnik, Landwirtschaft u.a.) Flächenland ein besonderes Pro- mit einem schulischen Vollzeitange- blem zu lösen. Eigentlich müssten bot mit Theorie- und Praxisanteilen an möglichst vielen Standorten für einführen. Die Kommunen und das jeden Ausbildungsberuf getrennte, Land engagieren sich mit rund 1,5 nach Ausbildungsjahren geglieder- Mrd. DM (Weete, 1997, S. 295) für te Fachklassen angeboten werden. Schulräume und Werkstätten. Auch Das macht für den mit knapp 10.000 wenn später die Pflicht zum Besuch am stärksten besetzten Ausbil- des BGJ wieder zurückgenommen dungsberuf zum Kraftfahrzeugme- wird, das BGJ hilft über einen lan- chaniker wenig Schwierigkeiten. gen Zeitraum, den seit Mitte der Wenn sich aber für den Beruf des 70er-Jahre aufbrechenden Mangel Gerbers nur ein Auszubildender im an betrieblichen Ausbildungsplät- Lande findet, ist dies nicht möglich. zen zu überbrücken. Die Bundesländer haben 1984 eine Die zunehmende Spezialisierung Rahmenvereinbarung über die Bil- der Betriebe macht es ihnen immer dung länderübergreifender Fach- schwieriger, ihre Auszubildenden klassen getroffen, um für die soge- mit der gesamten Breite eines Lehr- nannten „Splitterberufe“ (damals berufes zu konfrontieren. Unter en- 28) Berufsschulfachklassen anzubie- gagierter Trägerschaft der zuständi- ten. Aber auch innerhalb des Landes gen Kammerorganisationen entste- Niedersachsen kann dieser Fachun- hen überall in Niedersachsen über- terricht für eine Reihe von Berufen betriebliche Ausbildungsstätten. Sie nur zentral oder regional zusam- verbreitern das Wissen und Können mengefasst angeboten werden. Die der Auszubildenden, sodass auch zehn am häufigsten gewählten Aus- Betriebe, die sich spezialisieren, im bildungsberufe stellen knapp 40 % Ausbildungsprozess verbleiben kön- der Schülerinnen und Schüler in den nen. Bildung und Ausbildung 207

Für die früheren „Ungelernten“ teln. In wachsendem Maße werden oder „Jungarbeiter ohne Ausbil- im Berufsbildungssystem neben den dungsvertrag“ entwickelt das Land beruflichen Qualifikationen auch das Berufsvorbereitungsjahr. Dies allgemein bildende Abschlüsse soll dazu beitragen, die Berufsreife (Hauptschul-, Realschul- oder Hoch- zu fördern, um die jungen Men- schulreife) vermittelt. schen doch noch für ein berufliches Einige Schulformen unter dem Ausbildungsverhältnis zu qualifizie- Dach des Berufsbildungssystems ren. vermitteln neben beruflichen Quali- fikationen in besonderem Maße all- Berufsanforderungen gemein bildende Fähigkeiten, die ändern sich – das den Weg zu einem Hochschulstudi- Berufsbildungssystem um eröffnen. Das sind neben den reagiert Fachgymnasien die 1996 neu ge- schaffenen Berufsoberschulen, die Wirtschaft und Berufsanforde- nach einer beruflichen Erstausbil- rungen entwickeln sich seit den dung besucht werden können, so- 70er-Jahren in zunehmendem Tem- wie Fachoberschulen und – anschei- po weiter. Das Berufsbildungs- nend auslaufend – Berufsaufbau- system antwortet mit wachsender schulen. Differenzierung. Die Folge ist eine Entsprechend dem Wandel der selbst für Fachleute nur noch schwer Wirtschaftsstruktur, der Qualifikati- zu überschauende, aber gleichwohl onsanforderungen und der Jahr- nötige Vielfalt von Ausbildungsgän- gangsstärke schwankt die Zahl der gen im berufsbildenden System. Schülerinnen und Schüler im Berufs- So bilden in Niedersachsen „Fach- bildungssystem deutlich. Die fol- schulen“ nach einer beruflichen gende Tabelle zeigt die Entwicklung Vorbildung in 32 verschiedenen in Niedersachsen über 40 Jahre hin- Fachrichtungen zu vertieftem be- weg auf. ruflichen Können aus. Dazu kom- Das Land und die Landkreise bzw. men noch die Fachschulen „See- kreisfreien Städte haben enorme fahrt“ mit 8 verschiedenen Fachrich- Mittel eingesetzt, um in Niedersach- tungen. Davon zu unterscheiden sen ein modernes differenziertes sind „Berufsfachschulen“, die mit Berufsbildungssystem zu schaffen. unterschiedlichen schulischen Ein- Die Zahl der hauptamtlichen Lehr- gangsvoraussetzungen in ein- oder kräfte wurde kräftig um das zwei- zweijährigen Bildungsgängen in ei- einhalbfache gesteigert. nen oder mehrere Berufe einführen Das ganze System wird noch er- oder einen Berufsabschluss vermit- gänzt durch Angebote einer Viel- 208 Bildung und Ausbildung

Schülerinnen und Schüler im berufsbildenden System von 1955 bis 1995 und hauptamtliche Lehrkräfte

1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995

Teilzeit- berufsschule 285.591 202.487 194.197 192.548 184.558 211.447 224.086 189.836 155.992

davon Ungelernte 83.241 34.446 32.278 25.687 21.774 7.922 2.284 1.906 1.705

Berufs- vorbereitungsjahr 7.929 5.911 3.532 5.038

Berufsgrund- bildungsjahr 3.740 21.071 26.842 14.854 15.185

Berufsfachschulen 20.612 19.063 16.737 19.619 36.423 38.008 48.855 29.604 35.166

Berufsaufbau- schulen 4.204 4.718 4.177 2.390 1.544 595 320 78

Fachoberschulen 2.129 7.599 7.557 8.081 8.910 7.054

Fachgymnasien erst seit 1970 erfasst 3.467 6.581 8.696 11.033 11.335 12.400

Fachschulen 17.186 15.952 12.412 14.553 14.704 16.421 9.323 12.386 15.752

Berufsbildende Schulen insgesamt 323.389 241.706 228.064 236.493 255.995 312.673 334.726 270.777 246.665

Zahl der hauptamtlichen Lehrkräfte 4.363 4.902 4.563 5.203 6.247 8.822 11.247 11.826 12.107

Quelle: Heinz Weete: 50 Jahre Schulentwicklung in Niedersachsen, 1997, S. 295/296. zahl privater freier Träger von Be- gierung („Ausbildungsoffensive“), rufsbildungsangeboten und dem kommunale „runde Tische“ zur Ver- Fort- und Weiterbildungssystem der besserung des Angebotes an beruf- Niedersächsischen Volkshochschu- lichen Ausbildungsplätzen charak- len, die überwiegend von den Kom- terisieren Initiative und guten Wil- munen getragen werden. Heim- len, um möglichst allen Jugendli- volkshochschulen in freier Träger- chen den Einstieg in die Berufsbil- schaft runden das Angebot ab. In- dung zu sichern. Das Ziel aller Betei- itiativen zur Verbesserung der Ko- ligten ist: wer sich bilden will, der operation von Wirtschaft und Schu- soll auch seine Chance bekommen. le, verstärkte Werbung um Ausbil- dungsplätze durch die Landesre- Jens-Rainer Ahrens Wissenschaft und Forschung

Einleitung allen anderen gesellschaftlichen Be- reichen erfüllen Wissenschaft und Niedersachsen befindet sich der- Forschung derartige Funktionen. zeit in einem dynamischen Umfeld. Immer steht die Rolle als Impulsge- Weltweit vollzieht sich ein wirt- ber für Neuerungen und zur Lösung schaftlicher Strukturwandel mit er- wirtschaftlicher, sozialer und ökolo- heblichen Auswirkungen auf Politik gischer Probleme im Vordergrund. und Gesellschaft. Globalisierung der Wirtschaftsaktivitäten, beschleunig- Eine weitere Erklärung für den te Produktlebenszyklen und der Be- Bedeutungsgewinn wissens- und deutungsgewinn von Informations- technologieintensiver Industrie- und Kommunikationstechniken sind zweige und den verstärkten Einsatz die treibenden Kräfte des Wandels. von technischem und organisatori- Mit diesen Prozessen geht ein Um- schem Wissen im Produktionspro- bau der industriellen Organisation zess liefert das Konzept der wissens- einher, der sich als Entwicklung von basierten Entwicklung (z. B. Foray der Massenproduktion zu einer fle- und Lundvall 1996). In diesem Mo- xiblen Produktion charakterisieren dell gilt die Tatsache als grundle- lässt (Schätzl 1998). Im Zuge dieser gend, dass durch moderne Techni- Entwicklung gewinnt die Fähigkeit ken der Datenverarbeitung Wissen von Unternehmen, sich schnell auf in großem Umfang kodifiziert und veränderte Konsumentenwünsche somit schnell und kostengünstig und Produktionsbedingungen ein- verbreitet werden kann. zustellen, entscheidende Bedeu- Mit dem Ausbreitungsprozess tung für wirtschaftlichen Erfolg. geht die Ausdehnung internationa- Wissenschaft und Forschung kom- ler Produktion und internationalen men dabei die Aufgabe zu, die re- Wettbewerbs einher. Aber nicht alle gionale Wirtschaft mit flexiblen, Formen des Wissens sind kodifizier- hoch qualifizierten Arbeitskräften bar und somit weltweit verfügbar. sowie Ergebnissen der Grundlagen- Geht es z. B. um komplexe Sachver- und angewandten Forschung zu halte, handwerkliche Fähigkeiten versorgen. oder soziale Interaktionen, sind zur Diese Leistungen ermöglichen In- Nutzbarmachung und Weitergabe novationen und Wandlungsfähig- des Wissens persönliche Kontakte keit. Sie tragen daher wesentlich nötig. Neben dem Trend zur Globa- zum wirtschaftlichen Strukturwan- lisierung von Produktion und Wett- del und langfristigen Erhalt der bewerb steigt daher auch die Be- Wettbewerbsfähigkeit bei. Auch in deutung regionaler Verflechtungen 210 Wissenschaft und Forschung zwischen Wissenschaft und Wirt- schaft und Kultur, MWK 1998). Sie schaft. sind bis auf wenige Ausnahmen al- Aus beiden Theorieansätzen ist lein verantwortlich für wissen- abzuleiten, dass die Leistungen wis- schaftliche Bildung und Ausbildung senschaftlicher Einrichtungen und und tragen wesentlich zu den For- die Kooperation von Wissenschaft schungsleistungen des Landes bei. und Wirtschaft für regionalen wirt- Die niedersächsischen Fachhoch- schaftlichen Erfolg entscheidend schulen teilen sich jeweils zur Hälfte sind. Gemäß dieser theoretischen auf den Südosten des Landes (Regi- Vorstellungen ist dieses Kapitel den on Hannover – Braunschweig – Göt- Fragen gewidmet, welche inhaltli- tingen) und die übrigen Landesteile chen und regionalen Schwerpunkte auf und ermöglichen somit den Zu- das Wissenschaftssystem Nieder- gang zu hoch qualifizierter Bildung sachsens auszeichnen und inwiefern auch in peripheren Regionen. Die regionale Kooperationen von Wis- Hauptaufgabe der Fachhochschulen senschaft und Wirtschaft zustande ist die Ausbildung Studierender. kommen. Demgegenüber konzentrieren sich Universitäten gleichermaßen auf Hochschulen Lehre und Forschung und sind da- her im Folgenden näher zu beleuch- Die Grundmittel der Länder und ten. Gemeinden für Wissenschaft kön- Die Universitäten des Landes wei- nen als Maß für die Ausstattung des sen in Bezug auf Fächerstruktur, Hochschulsektors dienen. 1995 be- Ausrichtung, Größe und Leistung trugen diese Ausgaben in Nieder- erhebliche Unterschiede auf. Die im sachsen knapp 2,7 Mrd. DM (Bun- 18. Jahrhundert gegründete Uni- desministerium für Bildung, Wissen- versität Göttingen ist die einzige schaft, Forschung und Technologie, Universität Niedersachsens, die aus BMBF 1996). Dies entspricht 7,7 % dem klassischen Universitätsideal – der Ausgaben aller Länder und ist verbunden mit Ansätzen der Auf- gemessen am Bevölkerungsanteil klärung – hervorgegangen ist. Das Niedersachsens von 9,5 % relativ heutige Fächerspektrum umfasst niedrig. Im Zentrum des niedersäch- Natur-, Geistes- und Sozialwissen- sischen Wissenschaftssystems stehen schaften sowie Medizin. Das zweite 27 Hochschulen, davon 14 Fach- Standbein des niedersächsischen hochschulen sowie 13 Universitäten Universitätssystems stellen die drei und medizinische, tierärztliche oder aus technischen Hochschulen her- künstlerische Hochschulen (Nieder- vorgegangenen Universitäten TU sächsisches Ministerium für Wissen- Braunschweig, TU Clausthal und Wissenschaft und Forschung 211

Universitäten in Niedersachsen

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, eigene Darstellung

Universität Hannover dar. Im Ausbil- Gründungen des 20. Jahrhunderts. dungsspektrum der 1745 gegründe- Ihr Aufschwung ist direkt mit den ten TU Braunschweig stehen die In- Erfordernissen des Hochschulaus- genieurdisziplinen neben zahlrei- baus und regionalpolitischen Über- chen anderen Studiengängen im legungen der 70er- und 80er-Jahre Vordergrund. Im Kontrast zur rela- verknüpft. Sie weisen unterschied- tiv kleinen Technischen Universität lich breite Fächerspektren aus Na- Clausthal weist die Universität Han- tur-, Geistes- und Sozialwissenschaf- nover heute neben ingenieurwis- ten auf. Hinzu kommen weitere, senschaftlichen Schwerpunkten ei- stark spezialisierte Einrichtungen ne große Bandbreite akademischer (Medizinische Hochschule, Tierärzt- Disziplinen auf und ist die größte liche Hochschule und Hochschule niedersächsische Hochschule. Die für Musik und Theater in Hannover; weiteren Universitäten des Landes Hochschule für Bildende Künste in (Universität Hildesheim, Universität Braunschweig), auf die im Folgen- Lüneburg, Carl von Ossietzky Uni- den nicht weiter eingegangen wird. versität Oldenburg, Universität Os- Die Karte zeigt die niedersächsi- nabrück, Hochschule Vechta) sind schen Universitäten. Die Kreisgröße 212 Wissenschaft und Forschung entspricht der Zahl der Studieren- sind Drittmittelaktivitäten. Als Dritt- den. Die Universität Hannover mit mittel werden öffentliche oder mehr als 30.000 Studierenden liegt private Projektmittel zur For- vor Göttingen mit ca. 27.000 Studie- schungsfinanzierung bezeichnet. renden. Es folgen Braunschweig (ca. Wichtigste Drittmittelgeber sind die 14.500), Osnabrück (ca. 12.000) und Deutsche Forschungsgemeinschaft Oldenburg (ca. 12.000). Die übrigen (DFG), Bundesministerien, die Eu- Hochschulen sind mit 2.000 bis 7.000 ropäische Union, Stiftungen – z. B. Studierenden deutlich kleiner. Das VW-Stiftung – sowie die Privatwirt- Angebot universitärer Leistungen schaft. Da Drittmittel in der Regel in Niedersachsen wird dabei von wettbewerblich, d.h. durch begut- den benachbarten Universitäten in achtete Antragsverfahren, einge- Hamburg und Bremen mitgeprägt. worben werden, können sie als Maß für Forschungsleistungen der Hoch- Die Zahl der Studierenden an den schulen dienen. Die Raster in der einzelnen Hochschulen hängt von Karte Universitäten in Niedersach- der Ausstattung der Universitäten – sen zeigen die Relation von Perso- d.h. den zur Verfügung stehenden nal (Vollzeitäquivalent) zu Dritt- Studienplätzen, der Fächerstruktur mittelbeschäftigten. Größenunter- und der Nachfrage der Studieren- schiede der Hochschulen spielen da- den nach einzelnen Studienfächern her keine Rolle, wohl aber die un- ab. In den letzten Jahren ist neben terschiedliche Ausrichtung der Dis- einem Rückgang der Gesamtzahlen ziplinen auf fremdfinanzierte For- ein überdurchschnittlich starker schung. Die Raster zeigen vier Klas- Rückgang des Interesses an Ingeni- sen: An der Spitze stehen die techni- eurwissenschaften zu verzeichnen. schen Universitäten. Ein Drittmittel- Demgegenüber erfreuen sich z. B. beschäftigter kommt an der TU Wirtschafts- und Rechtswissenschaf- Clausthal auf 2,4 Personalstellen ten anhaltend großer Beliebtheit. und an der TU Braunschweig auf 2,6 Der zweite große Aufgabenbe- Personalstellen. Es folgen die Uni- reich der Universitäten ist die versitäten Göttingen und Hannover Grundlagenforschung. Die Beurtei- mit entsprechenden Relationen von lung von Qualität und Quantität 3:1 bzw. 3,5:1, was den hohen Stel- dieser Aktivitäten ist problematisch, lenwert der Forschung auch für die- da die Messung von Forschungsleis- se Hochschulen untermauert. Die tungen mit erheblichen methodi- Universitäten Oldenburg (4,4:1) und schen Schwierigkeiten behaftet ist. Osnabrück (5,2:1) folgen mit eini- Ein statistisch gut verfügbarer Indi- gem Abstand. Eine untergeordnete kator zur Beurteilung der Forschung Rolle spielen Drittmittelbeschäftig- Wissenschaft und Forschung 213 te in Vechta (13,9:1) und Lüneburg davon 27 in Hannover, 19 in Göttin- (14,1:1). gen und 18 in Braunschweig. Die Als Ergebnis lässt sich festhalten, Zahl der Forschungseinrichtungen dass die südostniedersächsischen allein ist allerdings nicht besonders Universitäten im niedersächsischen aussagekräftig, da das Personal der Hochschulsystem dominieren. Die einzelnen Institutionen enorm vari- größten und forschungsstärksten iert. Aus der Karte Außeruniver- Universitäten befinden sich im sitäre Forschungseinrichtungen in „Forschungsdreieck“ Hannover – Niedersachsen ist zu entnehmen, Braunschweig – Göttingen. wie sich das Personal in außeruni- versitären Forschungseinrichtungen Außeruniversitäre in Niedersachsen verteilt. Forschung Die Karte zeigt, welche Art von Forschungseinrichtungen mit wel- Die Universitäten haben im Be- chem Personalbestand an den ein- reich der Lehre zusammen mit den zelnen Orten vorhanden sind (BMBF Fachhochschulen quasi eine Mono- 1996). Explizit unterschieden wer- polstellung. Für die Forschung trifft den 1. Großforschungseinrichtun- das nicht zu. Insgesamt 83 außeruni- gen, die sich komplexen wissen- versitäre Forschungseinrichtungen schaftlich-technischen Fragen und in Niedersachsen befassen sich so- dem Betrieb wissenschaftlicher und wohl mit Grundlagenforschung als technischer Großgeräte widmen, auch mit angewandter Forschung 2. Bundesforschungseinrichtungen, und Entwicklung (Jung 1997). Diese die Forschung für ihre Ressorts Einrichtungen arbeiten zumeist auf mit häufig anwendungsorientierten eng umrissenen Teilgebieten der In- Schwerpunkten betreiben, 3. die genieur-, Natur-, Geistes- oder So- auf Grundlagenforschung aus- zialwissenschaften. Ihre Finanzie- gerichteten Max-Planck-Institute, rung wird zu unterschiedlichen An- 4. Fraunhofer-Institute mit dem teilen von Bund und Land bereitge- Schwerpunkt angewandter For- stellt. Der auf Niedersachsen entfal- schung, 5. Institute der Blauen Liste lende Anteil an den bundesweiten und 6. die nicht weiter differenzier- Ausgaben ist mit 10,5 % leicht über- ten übrigen Einrichtungen. durchschnittlich (BMBF 1996). Wie Auf Braunschweig entfällt mit ca. die Hochschulen weisen auch die 5.570 Beschäftigten etwa die Hälfte weiteren Forschungseinrichtungen des Personals außeruniversitärer eine starke räumliche Konzentrati- Forschungseinrichtungen Nieder- on auf: Achtzig Prozent befinden sachsens. Quantitativ dominierende sich im Raum Südostniedersachsen, Institutionen sind zum einen die 214 Wissenschaft und Forschung

Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Niedersachsen

Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, eigene Darstellung

Bundesforschungsanstalten. Dazu und Schicht- und Oberflächentech- gehören die Physikalisch-Technische nik. Bundesanstalt als größte außeruni- Der zweitgrößte Standort außer- versitäre Forschungseinrichtung in universitärer Forschung ist Hanno- Niedersachsen mit 1.696 Beschäftig- ver mit knapp 2.500 Beschäftigten. ten, die Bundesforschungsanstalt Am quantitativ bedeutendsten sind für Landwirtschaft und die Biologi- hier die Bundesanstalt für Geowis- sche Bundesanstalt für Land- und senschaften und Rohstoffe und das Forstwirtschaft. Großforschung in Niedersächsische Landesamt für Bo- z.T. enger Kooperation mit der denforschung. Unter den zahlrei- Technischen Universität betreiben chen weiteren Forschungseinrich- das Forschungszentrum Braun- tungen befinden sich das Max- schweig der Deutsche Forschungs- Planck-Institut für experimentelle anstalt für Luft- u. Raumfahrt e.V. Endokrinologie und das Fraunho- und die Gesellschaft für Biotechno- fer-Institut für Toxikologie und Ae- logische Forschung mbH. Zwei Insti- rosolforschung. tute der Fraunhofer-Gesellschaft Göttingen gilt als Zentrum der befassen sich mit Holzforschung Grundlagenforschung. Dazu tragen Wissenschaft und Forschung 215 vor allem vier Max-Planck-Institute, Hochschule – 8, Braunschweig 2; unter denen das MPI für Biophysika- Clausthal 2, Osnabrück 2) angesie- lische Chemie eine herausragende delt und unterstreichen das wissen- Stellung einnimmt, bei. Die perso- schaftliche Potential dieser Standor- nalstärkste Einzeleinrichtung ist al- te (MWK 1998). In zunehmendem lerdings das Forschungszentrum Maße werden die Stärken der For- Göttingen der Deutschen For- schungseinrichtungen auch in über- schungsanstalt für Luft- und Raum- greifenden SFB, z. B. Hannover und fahrt (Jung 1997). Braunschweig oder Hannover und Die Karte Außeruniversitäre For- Clausthal, genutzt. Sie tragen damit schungseinrichtungen in Nieder- zur intraregionalen Vernetzung der sachsen verdeutlicht, dass der Wissenschaft in Südostniedersach- Schwerpunkt in Braunschweig auf sen bei. Ressortforschung und Großfor- schung liegt. Göttingen weist eine Forschung und Entwicklung auch im internationalen Vergleich in der Privatwirtschaft starke Position in der Grundlagen- forschung auf. Verglichen mit die- Die Kooperation der wissen- sen Standorten sind die außeruni- schaftlichen Einrichtungen mit der versitären Forschungseinrichtungen Privatwirtschaft kann Antrieb für ei- Hannovers strukturell und inhaltlich ne Beschleunigung und verbesserte stärker diversifiziert. Generierung von Innovationen sein. Außeruniversitäre Forschungsein- Voraussetzung hierfür ist allerdings richtungen sind nicht nur wichtige das Bestehen von Forschungs- und Akteure in einer wissensbasierten Entwicklungs(FuE)-Aktivitäten auf Gesellschaft, sondern potentielle Unternehmensebene, damit Anre- Kooperationspartner für Hochschu- gungen aus der Forschung verarbei- len und Privatwirtschaft. Die Zusam- tet werden können. menarbeit zwischen Hochschulen Die privatwirtschaftlichen For- und außeruniversitären Forschungs- schungsaktivitäten in Niedersachsen einrichtungen findet z. B. im Rah- erreichen, gemessen am FuE-Perso- men von Sonderforschungsberei- nal, nur etwa 75 % des Bundes- chen (SFB) der DFG statt. Die derzeit durchschnitts (Gehrke et al. 1997). in Niedersachsen bestehenden SFB Ihre sektorale und regionale Vertei- sind hauptsächlich an den bereits lung weist ein markantes Profil auf. mehrfach hervorgehobenen Hoch- Allgemein besonders forschungsin- schulen Südostniedersachsens (Göt- tensive Industriezweige, z. B. Phar- tingen 10, Hannover – Universität, mazeutische Industrie und Teile der Medizinische und Tierärztliche Elektrotechnik, haben in Nieder- 216 Wissenschaft und Forschung sachsen ein relativ geringes wirt- genüber. Es ist zu erwarten, dass das schaftliches Gewicht. Demgegenü- Vorhandensein der Forschungsin- ber sind einige Branchen der höher- frastruktur stimulierend auf die wertigen Technik, z. B. der Fahr- zukünftige Entwicklung des Bio- zeugbau, stark vertreten und domi- technologiebereichs wirkt und so- nieren daher die Forschungsakti- mit zum Strukturwandel und Auf- vitäten der Privatwirtschaft. Als In- bau wettbewerbsfähiger Arbeits- dikator für die regionale Verteilung plätze in diesem Feld beiträgt. der betrieblichen Forschung eignen Gute Kooperationsmöglichkeiten sich die Anteile des FuE-Personals an bieten sich in den Bereichen Fahr- den sozialversicherungspflichtig Be- zeugbau, Maschinenbau und Elek- schäftigten. In den westlichen Lan- trotechnik. Hier stimmen inhaltliche desteilen ist dieser Anteil extrem Schwerpunkte von Wissenschaft niedrig. Das östliche Niedersachsen, und Wirtschaft überein und können vor allem der Raum Braunschweig, z. B. über Absolventen, Forschungs- weist merklich höhere Anteile auf. kooperationen oder Auftragsfor- Spitzenreiter ist der Kreis Wolfsburg schung genutzt werden. Eine Unter- (Gehrke et al. 1997). Hier spielen die suchung über das durch Koopera- FuE-Aktivitäten der Volkswagen AG tionen erwachsende Innovationspo- eine entscheidende Rolle. tential liefert weitergehende Er- kenntnisse über die Formen der Ko- Netzwerke und operation von Wissenschaft und Innovationspotentiale Wirtschaft im Forschungsdreieck Hannover – Braunschweig – Göttin- Die ähnliche regionale Struktur gen (Backhaus und Seidel 1997). Der privater und öffentlicher For- Anteil der Forschungseinrichtun- schungsaktivitäten führt nicht auto- gen, die mit Unternehmen koope- matisch zu erfolgreichen Kontakten rieren, beträgt bei Universitätsinsti- von Wissenschaft und Wirtschaft. tuten 74 %, bei außeruniversitären Neben Hemmnissen, wie z. B. Vorur- Einrichtungen sogar 93 %. Als For- teilen oder Inflexibilität auf beiden men der Zusammenarbeit stehen Seiten, ist die teilweise fehlende Information, Beratung, gemeinsa- fachliche Übereinstimmung der Ar- me Forschungsarbeiten und Auf- beitsfelder von Nachteil. Ein Beispiel tragsforschung gleichermaßen im dafür sind die modernen Biowis- Vordergrund, aber auch For- senschaften. Einer hochwertigen schungsdienstleistungen werden Grundlagenforschung in diesem von den Wissenschaftseinrichtun- Sektor stehen bislang nur geringe gen erbracht. Innerhalb des Unter- unternehmerische Aktivitäten ge- suchungsraumes konzentriert sich Wissenschaft und Forschung 217 die Zusammenarbeit auf Unterneh- die Region Hannover – Braun- men der Branchen Chemische Indu- schweig – Göttingen. strie sowie Stahl-, Maschinen- und Fahrzeugbau. Darin spiegelt sich die Unter den gegebenen wirtschaft- Übereinstimmung inhaltlicher und lichen und gesellschaftlichen regionaler Schwerpunkte der Ak- Rahmenbedingungen kommt der teure wider. Wissenschaft entscheidende Be- deutung für den Erhalt der Wett- Abschließend lässt sich festhalten: bewerbsfähigkeit Niedersachsens

Das niedersächsische Wissen- und die Lösung drängender öko- schaftssystem weist deutliche in- nomischer, ökologischer und so- haltliche und vor allem regionale zialer Probleme zu. Dazu erfor- Schwerpunkte auf. Dominieren- derlich sind eine leistungsfähige de Fachrichtungen sind Ingeni- Forschungsinfrastruktur und die eurwissenschaften, Naturwissen- stärkere Vernetzung von Wissen- schaften und Medizin. Regional schaft und Wirtschaft. konzentriert sich das wissen- schaftliche Leistungspotential auf Ingo Liefner Kulturelle Einrichtungen

In seiner kulturellen Vielfalt lässt zu erhalten, soweit ihre Änderung das Bundesland Niedersachsen noch oder Aufhebung nicht im Verfolg heute erkennen, dass es aus den organisatorischer Maßnahmen, die Ländern Hannover, Oldenburg, sich auf das gesamte Land Nieder- Braunschweig und Schaumburg-Lip- sachsen erstrecken, notwendig pe hervorgegangen ist. Viele der wird.“ großen und traditionsreichen Kul- turinstitutionen sind eng mit der Vereine und Kulturgeschichte dieser ehemaligen Gesellschaften Länder verknüpft, denn sie entstan- den als deren Einrichtungen oder Wesentlich für die Förderung des gehen auf landesherrliche Grün- kulturellen Lebens war seit der Mit- dungen zurück. Dazu gehören die te des 19. Jahrhunderts auch und niedersächsischen Staatstheater besonders das Wirken von enga- Hannover, Oldenburg und Braun- gierten Einzelpersönlichkeiten zu- schweig, die Niedersächsische Lan- sammen mit der Gründung von Ver- desbibliothek Hannover, die Lan- einen und Gesellschaften. Denkmal- desbibliothek Oldenburg, die Her- pflege, Archäologische Forschung, zog August Bibliothek Wolfenbüt- Geschichte, das Sammeln von Sagen tel sowie Staatsarchive und Landes- und Märchen, Dokumentation von museen. Diese Kultureinrichtungen alten Sprachständen und seit etwa wurden vom Land Niedersachsen 1900 vermehrt volkskundliche Fra- übernommen und fortgeführt. Zu- gestellungen waren bevorzugte sammen mit anderen überkomme- Themen, deren Behandlung nicht nen Institutionen stehen sie unter nur literarischen Niederschlag fand. dem besonderen Schutz der Nieder- Viele der vor 1900 gegründeten Mu- sächsischen Verfassung, deren Arti- seen gehen auf solche kulturellen kel 72 bestimmt: Bestrebungen zurück. Bürger stell- „(1) Die kulturellen und histori- ten hierzu ihre Sammlungen der Öf- schen Belange der ehemaligen Län- fentlichkeit zur Verfügung. Gele- der Hannover, Oldenburg, Braun- gentlich kauften Vereine wichtige schweig und Schaumburg Lippe sind Bau- und Bodendenkmäler, um für durch Gesetzgebung und Verwal- deren Erhaltung zu sorgen. Die um tung zu wahren und zu fördern. (2) 1900 bedeutsam werdende Heimat- Die überkommenen heimatgebun- schutzbewegung ließ zahlreiche denen Einrichtungen dieser Länder Heimatmuseen entstehen, führte sind weiterhin dem heimatlichen zur Gründung von niederdeutschen Interesse dienstbar zu machen und Theatergruppen und machte Volks- Kulturelle Einrichtungen 219 tanz und andere Formen der Theater: Landesverband Freier Brauchtumspflege populär. Theater in Niedersachsen e.V., Nie- Die Tradition bürgerlichen Eintre- derdeutscher Bühnenbund Nieder- tens für die örtliche Entwicklung sachsen-Bremen, Landesverband für von Kunst und Kultur wird von Ver- Spiel und Theater Niedersachsen einen fortgeführt, deren Anzahl mit e.V., Landesverband Nieder- weit über 1.000 sicher nicht zu hoch sächsischer Amateurbühnen e.V. Für geschätzt ist. Ohne deren Wirken die Bereiche Musik und Tanz seien wäre die Fülle und Vitalität des kul- als Beispiele genannt: Landesmusi- turellen Lebens in Niedersachsen krat Niedersachsen e.V. (LMR), Chor- undenkbar. Dabei ist in Stadt und verband Niedersachsen-Bremen Land gleichermaßen eine stärkere e.V., Landesarbeitsgemeinschaft Ja- Differenzierung des Vereinswesens zz Nds. e.V., Landesarbeitsgemein- zu beobachten. Während in der schaft Rock e.V., Landesverband Vergangenheit die überkommenen Rhythmik Niedersachsen-Bremen, Altertums-, Heimat- oder Verschö- Landesarbeitsgemeinschaft Tanz nerungsvereine eine gewisse Allzu- Niedersachsen e.V. Andere Sparten ständigkeit am Ort inne hatten, sind vertreten im Literaturrat geht die Entwicklung gegenwärtig Niedersachsen e.V., im Landestrach- hin zur Ausbildung von fest umrisse- tenverband Niedersachsen e.V., in nen Aufgabengebieten. Hier sind der Landesarbeitsgemeinschaft vor allem Kunstvereine, Vortragsge- Foto oder in der Landesarbeitsge- sellschaften, Museums- und Musik- meinschaft Jugend und Film Nieder- vereine sowie Vereinsbühnen und sachsen e.V. Für die Heimatvereine Theatergruppen zu nennen. Sozio- bildet der Niedersächsische Heimat- kulturelle Initiativen erweitern das bund (NHB) eine Dachorganisation. Spektrum um freie Kulturarbeit. Hierbei sind die Grenzen zwischen Die zahlreichen Museen Nieder- „Soziokultur“ und überkommener sachsens sind unabhängig von ihrer Vereinsorganisation insbesondere Größe und Trägerschaft im Mu- in ländlichen Gebieten erfreulich seumsverband für Niedersachsen fließend. und Bremen e.V. zusammenge- schlossen. Die Landesarbeitsge- Fachverbände meinschaft soziokultureller Zentren in Niedersachsen e.V. (LAGS) hat als Zur Wahrnehmung gemeinsamer beliehener Unternehmer des Landes Interessen haben sich eine Reihe Niedersachsens auch Aufgaben der von landesweit tätigen Fachverbän- Mittelverteilung für soziokulturelle den gebildet, z. B. für den Bereich Projekte übernommen. 220 Kulturelle Einrichtungen

Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen

Zu den besonders breitenwirksa- und die Ländliche Erwachsenenbil- men Einrichtungen gehören die dung in Niedersachsen e.V. (LEB). Volkshochschulen aller Art. In die- Für die Jugendarbeit schließlich sem Zusammenhang sind aufzu- stehen ein die Landesvereinigung führen: der Landesverband der Kulturelle Jugendbildung Nieder- Volkshochschulen Niedersachsen sachsen e.V., der Landesverband e.V., der Niedersächsische Landes- niedersächsischer Musikschulen e.V. verband der Heimvolkshochschulen und die Landesarbeitsgemeinschaft Kulturelle Einrichtungen 221 der Kunstschulen in Niedersachsen. desherrn. In einigen niedersächsi- Die in den genannten Dachverbän- schen Gebieten haben sich traditio- den zusammengefassten Bildungs- nell solche historischen Landschaf- einrichtungen gehen in ihren Lei- ten erhalten. Trotz „Namensgleich- stungen und in ihrer örtlichen Be- heit“ sollten diese mit den moder- deutung oft über einfache Kursan- nen Landschaften und Landschafts- gebote hinaus und nehmen die verbänden nicht verwechselt wer- Funktion von allgemeinen Kultur- den. Bei letzteren handelt es sich einrichtungen wahr. um Zusammenschlüsse, in denen Kommunen, Vereine, Körperschaf- Landschaften und ten und ggf. auch natürliche Perso- Landschaftsverbände nen Mitglied sein können. Zweck dieser Einrichtungen ist die Wahr- Eine niedersächsische Besonder- nehmung kultureller Arbeit im brei- heit sind die Landschaften und testen Sinne innerhalb eines histo- Landschaftsverbände, die sich zu ei- risch-geographisch und durch die ner Arbeitsgemeinschaft zusam- beteiligten Gebietskörperschaften mengeschlossen haben. Während klar umrissenen Wirkungsgebietes. die Landesfachverbände, berufs- Bis auf die Ostfriesische Land- ständische Organisationen wie z. B. schaft, die sich aus ihrer historischen der Bund Bildender Künstler e.V. Landschaft herleitet, sind alle Land- (bbk) und Dachverbände wie der schaften und Landschaftsverbände Niedersächsische Heimatbund(NHB) in Niedersachsen in der zweiten oder die Landesarbeitsgemeinschaft Hälfte dieses Jahrhunderts als Kul- soziokultureller Zentren (LAGS) lan- turorganisationen gegründet wor- desweite Verbandsarbeit betreiben, den: Ostfriesische Landschaft 1949, haben die Landschaften und Land- Oldenburgische Landschaft 1961, schaftsverbände regionale Quer- Landschaftsverband Stade e.V.1963, schnittsaufgaben. Mit Ausnahme Landschaftsverband Hildesheim e.V. der Landeshauptstadt Hannover 1971, Emsländische Landschaft für und ihrer engeren Umgebung ist die Landkreise Emsland und Graf- Niedersachsen flächendeckend mit schaft Bentheim e.V. 1979, Land- diesen Einrichtungen für regionale schaftsverband Osnabrücker Land Kulturarbeit versorgt. e.V. 1985, Lüneburgischer Land- Der für viele rätselhafte Name schaftsverband 1989, Landschafts- „Landschaft“ leitet sich her aus der verband Südniedersachsen e.V. mittelalterlichen Vertretung der 1989, Braunschweigische Land- Landstände (Adel, Klerus und Stadt- schaft e.V. 1990, Landschaftsver- bürgertum) gegenüber dem Lan- band Weser-Hunte e.V. 1990, Regio- 222 Kulturelle Einrichtungen nalverband Harz e.V. 1992, Schaum- burger Landschaft (1992), Land- schaftsverband Hameln-Pyrmont e.V. 1996. Dabei sind die Ostfriesi- sche und die Oldenburgische Land- schaft Körperschaften des öffentli- chen Rechts. Als regionale Fachstellen für Kul- tur arbeiten die Landschaften und Landschaftsverbände basisnah in den Bereichen Beratung, Fortbil- dung und Förderung von Vereinen, Initiativen, Kulturschaffenden und kleinen Kultureinrichtungen. Sie or- ganisieren regionale Kulturereignis- Jan Vermeer van Delft: se, führen Qualifizierungsmaßnah- Das Mädchen mit dem Weinglas men durch, helfen Netzwerke zu Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig knüpfen und engagieren sich in Kul- turfördermaßnahmen. Museen Manche Landschaften und Land- Die Differenziertheit des kultu- schaftsverbände unterhalten auch rellen Lebens in Niedersachsen zeigt eigene Einrichtungen wie z. B. das sich nicht nur in ihren regions- KPZ (Ostfriesisches Landschaft) oder spezifisch arbeitenden Landschaf- das Theaterpädagogische Zentrum ten und Landschaftsverbänden, son- (Emsländische Landschaft). For- dern auch innerhalb der einzelnen schung, Dokumentation, Präsentati- Sparten. Vergleichsweise gut lässt on und Veröffentlichungstätigkeit sich das Museumswesen in Nieder- sind weitere Schwerpunkte land- sachsen überblicken. Ohne den Be- schaftlicher Arbeit. So führt die griff Museum inflationär zu ver- Oldenburgische Landschaft u. a. In- wenden, kann man gegenwärtig ventarisationsprogramme zu Bau- von etwa 440 musealen Einrichtun- denkmalgruppen und anderen Kul- gen ausgehen. Nach Untersuchun- turgütern durch, und der Land- gen des Museumsverbandes Nieder- schaftsverband Osnabrücker Land sachsen und Bremen ist die Hälfte e. V. übernahm die Trägerschaft des dieser Museen nach 1975 entstan- Grabungs- und Ausstellungsprojek- den. Bis 1900 gab es demnach 30 tes „Kalkriese“ („Die Varusschlacht Museen im Gebiet des heutigen – eine Legende wird ausgegraben“). Niedersachsen. Für die erste Hälfte Kulturelle Einrichtungen 223 des 20. Jahrhunderts wurden 88 der Museen. Das Land Niedersach- Neugründungen gezählt und zwi- sen kommt für etwa 6% Häuser auf. schen 1950 und 1974 kam noch ein- Hier sind vor allem zu nennen: Nie- mal dieselbe Anzahl hinzu. dersächsisches Landesmuseum Han- Die Museumsgründungswelle der nover, Braunschweigisches Landes- letzten 25 Jahre stieß bei den Fach- museum, Herzog Anton Ulrich-Mu- leuten auf nicht unerhebliche Vor- seum Braunschweig, Landesmuse- behalte. Sie warnten vor dem Ent- um für Kunst und Kulturgeschichte stehen sehr ähnlicher Sammlungen Oldenburg sowie Staatliches Muse- und machten auf die personellen um für Naturkunde und Vorge- und sächlichen Mindeststandards schichte Oldenburg. Das Sprengel- für Museen aufmerksam. Man darf Museum Hannover wird von der heute sagen, dass diese fachlichen Landeshauptstadt und dem Land Einwände meist Gehör gefunden gemeinsam getragen. Für das Mu- haben. Das Bemühen um Professio- seumsdorf Cloppenburg/Nieder- nalität und die Entwicklung von sächsisches Freilichtmuseum über- sehr speziellen Sammlungsstrategi- nimmt das Land Personalkosten. en zeichnet die meisten der Neu- Fragt man nach der inhaltlichen gründungen aus und wirkt auch auf Ausrichtung der Museen in Nieder- ältere Einrichtungen positiv zurück. sachsen, dann fällt auf, dass die Dies ist deshalb von großer Bedeu- Hälfte Heimatmuseen, Freilichtmu- tung, weil mehr als die Hälfte der seen oder Bauernhausmuseen sind. Museen und Sammlungen in Nie- Vergleichsweise zahlreich sind auch dersachsen ehrenamtlich geführt Häuser, die technische oder kultur- wird. Anders verteilt sich die Trägerschaft. Ein gutes Drittel der Einrich- tungen wird von Städ- ten und Gemeinden ge- tragen und etwa 7% von Landkreisen. Noch etwas größer als der Anteil der Kommunen ist der der Vereine. Privatpersonen, Firmen, Stiftungen, Kir- chen und andere Kör- perschaften unterhalten zusammen knapp 20% Sprengelmuseum Hannover Foto: Peter Hoffmann 224 Kulturelle Einrichtungen geschichtliche Spezialgebiete prä- ver GmbH geführt. Die Niedersäch- sentieren. Archäologische, histori- sischen Staatstheater bieten Musik- sche und naturkundliche Museen und Sprechtheater, Konzerte und sowie Kunstgewerbe- und Kunst- Ballettaufführungen. museen sind demgegenüber weni- Unter den fünf kommunalen ger häufig vertreten. Theatern Niedersachsens (Schloss- theater Celle, Deutsches Theater Theater Göttingen, Stadttheater Hildes- heim, Theater Lüneburg und Städti- Theater in Niedersachsen findet sche Bühnen Osnabrück) sind in ganz verschiedenen Organisati- Sprechbühnen und Drei-Sparten- onsformen und an ganz unter- Theater zu finden. Überwiegend schiedlichen Spielstätten statt. An blicken sie auf eine lange Theater- erster Stelle sind die drei nieder- tradition am Ort zurück. So bespielt sächsischen Staatstheater Hannover, das Celler Ensemble das 1674 erbau- Oldenburg und Braunschweig zu te Schlosstheater. Zur Versorgung nennen. Für Braunschweig und Ol- der Fläche wurden die Landesbüh- denburg ist das Land Niedersachsen nen Hannover und Wilhelmshaven alleiniger Träger, Hannover mit dem ins Leben gerufen. Wenngleich sie Opernhaus, dem neuen Schauspiel- über feste Häuser verfügen, ist ihre haus, dem Ballhof und dem Theater Hauptaufgabe doch der regelmäßi- am Aegidientorplatz wird als Nie- ge Gastspielbetrieb. Breites Inter- dersächsische Staatstheater Hanno- esse finden auch kommerzielle Tourneetheater, die ins- besondere von Stadthal- len und vergleichbaren Einrichtungen verpflich- tet werden. Daneben haben sich Privattheater und so ge- nannte Freie Theater etabliert. Zum Teil ga- stieren sie an verschiede- nen Spielstätten, zuneh- mend gelingt es aber auch, feste Häuser ein- zurichten. Breiten Raum nehmen dabei Figuren- Oldenburgisches Staatstheater Foto: Ursula Maria Schute theater und Kinderthea- Kulturelle Einrichtungen 225 ter ein. Die Anzahl dieser Bühnen, einigen Jahren ist ein steigendes In- zu denen auch Kleinkunst in allen teresse an besonders aufwendigen Spielformen gerechnet werden soll- Freilichtaufführungen zu beobach- te, ist schwer zu schätzen. Der Lan- ten. Hierzu werden eigens Stücke desverband Freier Theater geht von mit Bezug auf die regionale oder mehr als 80 Empfängern öffentli- örtliche Geschichte in Auftrag gege- cher Förderung in Niedersachsen ben. Häufig in niederdeutscher aus. Sprache werden diese vor histori- schen Kulissen zur Aufführung ge- Großer Popularität erfreuen sich bracht, wobei oft mehr als hundert vor allem im Norden Niedersachsens Theaterbegeisterte ehrenamtlich an die niederdeutschen Amateurthea- den Produktionen mitwirken. ter. Im Niederdeutschen Bühnen- bund Niedersachsen-Bremen sind die semiprofessionellen Bühnen die- Musikleben ser Sparte organisiert (Aurich, Bra- Auch das Musikleben in Nieder- ke, Braunschweig, Buxtehude, Cux- sachsen wird in großem Umfange haven, Delmenhorst, Emden, Jever, von ehrenamtlichem Einsatz getra- Neuenburg, Norden, Nordenham, gen. Vereine, Gesellschaften und Oldenburg, Osterholz-Scharmbeck, auch Einzelpersonen organisieren Varel, Wiesmoor, Wilhelmshaven). Konzerte in Stadt und Land. Alte Sie verfügen in der Regel über per- und neuere Musik kommt dabei manente, wenn nicht sogar eigene gleichermaßen zur Aufführung bis Spielstätten und realisieren um- hin zu Veranstaltungen einer Initia- fangreiche Spielpläne im Abonne- tive wie o ton – Verein zur Förde- mentsbetrieb. Dazu kommen zahl- rung aktueller Musik e.V. (Olden- reiche Spielgruppen und Vereinsab- burg). Im weiten Bereich der Laien- teilungen, die regelmäßig nieder- musik werden Chöre und Orchester deutsche Stücke geben. meist in freiwilliger Arbeit geleitet, An vielen Orten werden im Som- wobei sich häufig ausgebildete mer traditionell Freilichtbühnen be- Kräfte zur Verfügung stellen. Kir- spielt oder an historischen Orten chenmusik und Musik in Kirchen ha- Festspiele durchgeführt. Das Spek- ben ihren festen Platz im Kulturle- trum reicht von der barocken Szene ben. Dabei finden die historischen in den Herrenhäuser Gärten (Han- Orgeln immer mehr Freunde. Das nover) über die Bad Gandersheimer Organeum in Weener widmet sich Schlossfestspiele, die Rattenfänger- diesem Thema ganz speziell. Immer spiele in Hameln bis zum Stra- zahlreicher werden hochrangige ßentheaterfestival Holzminden. Seit Konzerte als Sponsoringveranstal- 226 Kulturelle Einrichtungen tungen. Daneben behaupten sich nieorchester in Niedersachsen be- die eingeführten Festspiele wie die schränken. Hier sind zu nennen die „Sommerlichen Musiktage Hitz- Staatsorchester der Staatstheater acker“ oder die Händelfestspiele in Hannover, Braunschweig und Ol- Göttingen allerdings weiterhin gut. denburg, die Orchester der städti- Die reiche Vielfalt des Musikle- schen Theater Hildesheim, Lüne- bens macht eine Übersicht schwer, burg und Osnabrück, das Göttinger zumal die Fluktuation namentlich Symphonieorchester sowie das der Popularmusikgruppen ganz be- Rundfunkorchester des NDR in Han- sonders groß ist. Deshalb soll sich nover. eine Aufzählung auf die Sympho- Ursula Maria Schute Die Denkmalwelt in Niedersachsen unter architektur- und baugeschichtlichen Aspekten

Das Land Niedersachsen vereinigt hochromanischer Zeit, die zu den sehr unterschiedliche Regionen und bemerkenswertesten Zeugnissen Landschaften. So vielgestaltig wie der mittelalterlichen Architektur in das Landschaftsbild zwischen dem Norddeutschland zählen. Reinhardswald und den ostfriesi- Ein bedeutender Sakralbau des schen Inseln ist auch die Kunstland- 9. Jahrhunderts war der Altfried- schaft Niedersachsens. Aus allen Dom in Hildesheim, der in Teilen im Epochen zwischen dem frühen Mit- heutigen hochromanischen Dom er- telalter und der Gegenwart sind halten ist. Die ehemalige Benedikti- hier bedeutende Zeugnisse der Ar- nerklosterkirche St. Michael in Hil- chitektur vorhanden, deren wichtig- desheim, die durch Bischof Bern- ste im Folgenden kurz vorgestellt ward von Hildesheim im frühen werden sollen. 11. Jahrhundert gegründet wurde, Im südlichen Niedersachsen sind stellt trotz späterer Veränderungen es vor allem Bauwerke aus früh- und und Rekonstruktionen eine beson-

Ehem. Benediktinerklosterkirche St. Michael, Hildesheim

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege 228 Die Denkmalwelt in Niedersachsen dere Leistung der ottonischen Sa- malung aus der Bauzeit beachtens- kralarchitektur dar und ist von eu- wert ist. Idensen gehört zu den be- ropäischer Bedeutung. Es handelt deutendsten romanischen Kleinkir- sich um eine monumentale Basilika chen Deutschlands; das einschiffige mit zwei mächtigen Vierungstür- Langhaus besteht nur aus zwei men, eine der größten Kirchen ihrer Jochen, an das sich eine Vierung mit Zeit überhaupt. Besonderes Interes- Querhaus und Halbkreisapsis an- se verdient die bemalte Holzdecke schließen. Neben der sächsischen von St. Michael, die im ersten Vier- Architekturtradition verbinden sich tel des 13. Jahrhunderts entstand. hier byzantinische und französische Noch aus ottonischer Zeit stam- Formen. men im Kern die Westbauten der Der älteste einheitlich gewölbte Stiftskirchen in Bad Gandersheim Kirchenbau des Landes ist der sog. und Möllenbeck. Auch in Dom Kaiser Lothars in Königslutter. ist das aus dem 10. Jahrhundert Diese Klosterkirche zeichnet sich stammende Westwerk noch gros- auch durch eine vorzügliche Baupla- senteils erhalten. Der salische Um- stik aus, die aus Oberitalien beein- bau des Hildesheimer Domes unter flusst ist. Es handelt sich um eine Bischof Hezilo konnte nach der dreischiffige Querhausbasilika mit schweren Zerstörung im Zweiten ebenfalls dreischiffigem Chor. Das Weltkrieg wiederhergestellt wer- Äußere wird durch den für Nieder- den. Neben Hildesheim zählte der sachsen typischen Westriegel mit salische Neubau des Osnabrücker zwei Turmaufsätzen und den aus Domes, der in seiner heutigen Form dem 13. Jahrhundert stammenden aus der Spätromanik stammt, zu Vierungsturm bestimmt. den markantesten Leistungen der Französische Anlagen waren da- Architektur dieser Epoche. Auch die gegen offenbar bei der Godehardi- heutige Gandersheimer Stiftskirche, kirche in Hildesheim für den Um- der Kernbau der Stiftskirche in gangschor und dessen Plastik vor- Bücken und zwei Doppelkapellen – bildlich. eine in der Kaiserpfalz in Goslar, die In Niedersachsen haben sich nicht andere im Paßhof in Helmstedt – nur wichtige Zeugnisse mittelalterli- sind bemerkenswerte salische Sa- cher Bauplastik erhalten; ein Denk- kralbauten. mal von europäischem Rang stellt Zu Beginn des 12. Jahrhunderts der von Heinrich d. Löwen gestifte- entstanden das Langhaus der Klo- te Bronzelöwe in Braunschweig dar, sterkirche Bursfelde und zwischen die älteste erhaltene Freiplastik 1120 – 1129 die Kirche in Wunstorf- Deutschlands. Auch Heinrichs Grab- Idensen, die auch wegen ihrer Aus- mal im Braunschweiger Dom gehört Die Denkmalwelt in Niedersachsen 229 zu den berühmtesten Werken der diese auf Warften aus der Zeit vor Plastik des hohen Mittelalters. der Eindeichung stehenden Kirchen Nicht unerwähnt dürfen die an der Küste sind die isolierten Bronzetaufen bleiben, die sich in Glockentürme, deren Satteldach vielen niedersächsischen Kirchen er- nur selten den First des Kirchenbaus halten haben. überragt. Die frühen Kirchen dieser Während im südlichen Nieder- Region bestanden aus Granitqua- sachsen bei Kirchenbauten des dern, besonders in Ostfriesland tau- Hochmittelalters der Westquerbau – chen Außenwände aus rheinischem häufig mit zwei Turmaufsätzen – Tuffstein auf, der auf dem Wasser- und der doppelte Stützenwechsel weg transportiert worden war. Vor der Langhausarkaden bestimmend allem auch der bemerkenswerte waren, handelt es sich bei den Sa- Umgangschor der Ludgerikirche in kralbauten der Küstenregion nahe- Norden, erst im 15. Jahrhundert zu ausschließlich um einfache Saal- vollendet, ist ein Zeugnis dieser kirchen, z. T. mit Querhausarmen Tuffsteinarchitektur. Der Backstein wie in Pilsum. Charakteristisch für setzte sich in Ostfriesland und im

Langhaus und Glockenturm der ev.-ref. Pfarrkirche in Grimmersum, Gemeinde Krummhörn, Landkreis Aurich

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege 230 Die Denkmalwelt in Niedersachsen

Gebiet zwischen Elbe und Weser im te existierende Damenstifte wurde, 12. und 13. Jahrhundert als haupt- wie sonst nur selten, der Eindruck sächliches Baumaterial durch. eines vorreformatorischen Klosters In den kleinen Dörfern der in Baubestand und Ausstattung be- Krummhörn bei Emden häufen sich wahrt. die großen Kirchenbauten aus dem Unter den zahlreichen Frauen- Mittelalter und prägen das Bild der klöstern des Zisterzienserordens im historischen Kulturlandschaft in der Land ist Wienhausen bei Celle be- völlig ebenen Küstenregion. Zu ih- sonders durch seine fast vollständig nen gehört, als eine für Ostfriesland erhaltene Ausstattung hervorzuhe- typische mittelalterliche Dorfkirche ben. Die einschiffige Klosterkirche auf einer Warft, die in der Zeit um in Wienhausen besitzt eine um 1335 1250 erbaute ev.-ref. Pfarrkirche im entstandene großzügige Ausma- Ortsteil Grimmersum der Gemeinde lung. Zum reichen Klosterschatz Krummhörn, deren Glockenturm gehören bemerkenswerte Holzplas- von 1641 stammt. tiken und Bildteppiche von europäi- Im südlichen Niedersachsen kom- schem Rang. Kreuzgang, Konvent- men mehrere dreischiffige Chor- und Nebengebäude des in ein adeli- anlagen der Reformarchitektur der ges Damenstift umgewandelten Hirsauer Bauschule vor. Mit den Klosters sind nahezu unverändert. Klosterkirchen in Loccum, Braun- Auch das Frauenkloster Lüne in Lü- schweig-Riddagshausen, Amelungs- neburg mit gut erhaltenen Bauten born und Walkenried sind neben des 14. Jahrhunderts ist besonders der auch für die Geschichte der hervorzuheben, seit 1711 ebenfalls Backsteingotik zwischen Weser und Damenstift. Die mittelalterlichen Ems bemerkenswerten Ruine des Textilien in Lüne zählen zu den be- Klosters Hude bedeutende Beispiele kanntesten in Norddeutschland. der Zisterzienserbaukunst zu nen- Mitte des 13. Jahrhunderts und nen. Vor allem in Loccum, einem der vor allem im 14. Jahrhundert ent- am besten erhaltenen mittelalterli- standen im südlichen Niedersachsen chen Zisterzienserklöster Deutsch- – häufig durch Umbauten älterer lands, wird ein starker Einfluss aus Basiliken – Hallenkirchen, die denen Westfalen deutlich, wie auch das im benachbarten Westfalen eben- heutige Osnabrücker Land westfä- bürtig sind, so in Goslar und Braun- lisch geprägt ist. schweig. Eine der bedeutendsten In Niedersachsen ist eine bedeu- Hallenkirchen der frühen Hochgotik tende Anzahl mittelalterlicher Frau- stellt die doppeltürmige Johannis- enklöster erhalten geblieben. Durch kirche in der Osnabrücker Neustadt frühzeitige Umwandlung in bis heu- dar. Auch die Johanniskirche in Lü- Die Denkmalwelt in Niedersachsen 231 neburg, der Dom in Bardowick, die der Domburg und der um das Kano- Marktkirche in Hannover und die nikerstift St. Johann entstandenen Cyriakuskirche in Duderstadt sind Neustadt. Zusammen bildeten die bemerkenswerte Hallenbauten. beiden Siedlungen eine mittelalter- Den ältesten Hallenumgangschor liche Großstadt, die trotz schwerer Deutschlands besitzt der Verdener Zerstörungen im 2. Weltkrieg in Dom, eine ähnliche Chorlösung ihren Ausmaßen noch ablesbar ist. zeichnet die Marienkirche in Osna- Bis ins 19. Jahrhundert hatten die brück aus. Unter dem Einfluss der beiden Stadtteile einen eigenen Lübecker Marienkirche entstand die Magistrat, auch heute noch zeich- Lüneburger Nikolaikirche mit basili- net sich die frühere Grenze zwi- kalem Langhaus, ebenso die Petri- schen ihnen im Stadtgrundriss ab. kirche in Buxtehude. Ganz anders verlief die städte- Mittelalterliche Profangebäude bauliche Entwicklung beispielsweise finden sich vor allem in den Städten. in Göttingen und Celle; hier enstand Besonders die Rathäuser in Braun- offenbar im Hochmittelalter ein schweig, Göttingen und Goslar do- planmäßig angelegter Stadtkern kumentieren den Wohlstand der aus rechtwinklig sich kreuzenden südniedersächsischen Städte im Mit- Straßen. telalter. Auch das mit Backsteinfas- Das 16. Jahrhundert und frühe saden und Treppengiebeln versehe- 17. Jahrhundert wird im südlichen ne alte Rathaus in Hannover zählt Landesteil von der Weser-Renais- zu den herausragenden Profanbau- sance bestimmt, der eine Beeinflus- ten der Epoche. sung durch oberitalienische Formen Lüneburg ist eine der bekannten wie am Schloss in Stadthagen vor- mittelalterlichen Backsteinstädte ausging. Meisterwerke der Weser- Deutschlands. Zahlreiche spätmit- Renaissance sind das Rathaus in telalterliche Bürger- und Kauf- Hannoversch Münden, Schloss mannshäuser zeigen den durch den Schwöbber, das Rattenfängerhaus Salzhandel erworbenen Reichtum und das zwischen 1610 und 1617 als der Stadt. Das aus drei allmählich Festsaalbau der Hamelner Bürger- zusammengewachsenen Siedlungs- schaft errichtete Hochzeitshaus in kernen entstandene Lüneburg ist Hameln, Schloss Hehlen, Schloss Be- ein Musterbeispiel mittelalterlicher vern und die Hämelschenburg. Der Stadtgestalt in Norddeutschland. nördliche Landesteil stand mehr un- Die Bischofstadt Osnabrück be- ter niederländischem Einfluss; bei- stand bis zum Zusammenschluss spielsweise geben das Pelsterhaus in 1306 aus zwei eigenständigen Sied- Emden und Bürgerhäuser in Stade lungskernen, aus der Altstadt nahe hiervon Zeugnis. Wichtige Renais- 232 Die Denkmalwelt in Niedersachsen

Sog. Hochzeitshaus, Hameln

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege sancebauten sind auch das Juleum naissancebaukunst. Bemerkenswert in Helmstedt, das im 18. Jahrhun- ist das monumentale Grabmal für dert umgebaute Residenzschloss Edo Wiemken in der Stadtkirche in in Wolfenbüttel und der Anton- Jever, das 1561 – 64 durch die Werk- Günther-Bau des Oldenburger statt von Cornelius Floris in Antwer- Schlosses. pen errichtet wurde. Besonders Wolfenbüttel – neben Eines der Hauptwerke des deut- Celle, Einbeck, Duderstadt und Gos- schen Frühbarock stellt das Mauso- lar eine der großen Fachwerkstädte leum in Stadthagen dar, eine Grab- des Landes – dokumentiert den Cha- kapelle von 1609-25 mit Plastiken rakter der frühabsolutistischen Resi- von Adriaen de Vries. Auch die Um- denz. bauten des Celler Schlosses und das Auch zwei vorzügliche frühe pro- Osnabrücker Schloss von 1667/75 testantische Kirchenbauten stehen zeigen barocke Formen. Ein Unikat in Niedersachsen: die Marienkirche ist die große Holzkirche der Harzer in Wolfenbüttel (1608 von Paul Bergleute in Clausthal-Zellerfeld Francke begonnen) und die Stadt- von 1634 – 42. kirche in Bückeburg (1611 begon- Wesentliche Zeugnisse des nord- nen); beides Meisterwerke der Re- deutschen Barocks sind die Trinita- Die Denkmalwelt in Niedersachsen 233 tiskirche in Wolfenbüttel, die reiche Unter den Schlössern des späten Ausstattung der Kirche in Lamsprin- 17. und 18. Jahrhunderts ist vor al- ge, die Stadtkirche in Celle und die lem das 1736 – 1745 nach Plänen ehemalige Jesuitenkirche in Mep- von J. C. Schlaun für Kurfürst Cle- pen mit ihrer bemerkenswert ge- mens von Köln erbaute Jagdschloss schlossenen Einrichtung. Clemenswerth im Emsland von her- In Meppen an der Ems sind der ausragender Bedeutung. Es handelt fast vollständig erhaltene äußere sich um ein Meisterwerk westfäli- Wall und der Graben der im 17. scher Barockbaukunst im heutigen Jahrhundert nach niederländischen Niedersachsen. Bemerkenswert ist Vorbildern entstandenen Barock- hier auch der Landschaftspark, der festung auch heute noch prägende über einem Jagdstern mit radialen Elemente der Stadtgestalt. In Wol- Alleen entstand, dessen Mittel- fenbüttel sind Reste der Stadtbe- punkt der Zentralpavillon des festigung des 17. Jahrhunderts nach Schlosses bildet. der Entfestigung in einem Grüngür- Der Garten von Haus Altenkamp, tel aufgegangen, ähnlich wie bei- ebenso ein wichtiges Zeugnis ba- spielweise zum Teil in Oldenburg rocker Gartenarchitekur, liegt nur und Osnabrück. wenig nördlich von Clemenswerth

Jagdschloss Clemenswerth, Ansicht des Corps des logis mit drei der Nebenpavillons

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege 234 Die Denkmalwelt in Niedersachsen in der Nähe der städtebaulich inter- Verlagshaus Vieweg durch David essanten, planmäßig angelegten Gilly in Berlin entworfen wurden, Fehnsiedlung Papenburg. Auch der erfolgte die Ausführung 1802 – 05 Oldenburger Schlossgarten und der durch den braunschweigischen Ar- Park von Schloss Lütetsburg in Ost- chitekten Peter Joseph Krahe, dem friesland sind bemerkenswerte wir noch weitere klassizistische Bau- Schöpfungen der Gartenkunst. Von ten verdanken. Im Königreich Han- europäischem Rang ist die barocke nover war es Georg Ludwig Laves, Gartenanlage in Hannover-Herren- der die Architektur dieser Epoche hausen, das dortige Galeriegebäude prägte. Mit der Oper und dem Palais stellt neben Schloss Richmond in Wangenheim, aber auch mit der Er- Braunschweig und dem Schloss in weiterung des Leineschlosses ent- Bad Pyrmont auch ein wesentliches standen durch Laves in Hannover Denkmal barocker Schlossarchitek- wesentliche Gebäude. Im Großher- tur dar. zogtum Oldenburg sind vor allem Nicht unerwähnt bleiben soll, Heinrich Strack d. Ä. und Carl Hein- dass mit Ludwig Münstermann ein rich Slevogt zu nennen, die das Bild bedeutender Bildhauer des Barock der klasszistischen Residenzstadt im Land zwischen Weser und Ems des Landes bestimmten. Erwähnens- tätig war. Besonders die eindrucks- wert sind vor allem Slevogts Altes vollen Altäre in Varel und Rodenkir- Palais und das auch medizinge- chen sind herausragende Werke der schichtlich bedeutende Peter-Frie- protestantischen Sakralkunst Nord- drich-Ludwig-Hospital von Strack. deutschlands. Der arenbergische Baumeister Josef Neben bemerkenswerten Zeug- Niehaus prägte im Emsland die klas- nissen höfischen Lebens und sakra- sizistische Architektur. ler Kunst besitzt Niedersachsen Einer der bedeutendsten Bau- auch eine sehr vielfältige und be- meister des 19. Jahrhunderts war deutende Bauernhauskultur. Die Conrad Wilhelm Hase, der als Be- Haus – und Siedlungsformen sind, gründer der hannoverschen Bau- den landschaftlichen Gegebenhei- schule des 19. Jahrhunderts angese- ten entsprechend, sehr unterschied- hen werden muss. Anfänglich noch lich (s. Kapitel Siedlungsstrukturen). unter dem Einfluss Friedrich von Der Klassizismus der ersten Hälfte Gärtners in München, entwickelte des 19. Jahrhunderts ist in den ein- sich in der zweiten Hälfte des 19. zelnen Landesteilen durch mehrere Jahrhunderts eine für Hannover bekannte Architekten und deren lo- spezifische Variante des Rundbo- kale Bauschulen geprägt. Während genstils bzw. des Historismus. Mit die Pläne für das Braunschweiger der nach Plänen von Conrad Wil- Die Denkmalwelt in Niedersachsen 235 helm Hase 1859 – 1864 Christuskirche am Klagesmarkt, Hannover als Hallenkirche erbau- ten Christuskirche in Hannover entstand der erste konsequent in neugotischen Formen gehaltene Kirchenbau im Land. Von besonderem In- teresse für die Archi- tekturgeschichte des 19. Jahrhunderts ist auch das Welfenschloss in Hannover, 1858 – 66 in Formen des späten Rundbogenstils ent- standen und heute Universität. Neben dem Staatstheater in Braun- Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege schweig (1856 – 61) stellen auch das Gebäude der Her- Baugeschichtlich und städtebau- zog August Bibliothek in Wolfen- lich interessant ist das Dobbenvier- büttel (1882 – 86), das Augusteum tel in Oldenburg aus der zweiten (1870 – 80) und das Staatstheater in Hälfte des 19. Jahrhunderts. Wie Oldenburg (nach Brand 1893 erneu- sonst nur selten, entwickelte sich ert) wesentliche Kulturbauten des hier ein ausgedehntes Villengebiet 19. Jahrhunderts dar. mit nach-klassizistischen Häusern, Die Oldenburger Lambertikirche, das seinen Charakter bis heute noch im Inneren von einem klassizisti- weitgehend bewahren konnte. schen Umbau geprägt, erhielt 1873- Aus dem 19. Jahrhundert sind 87 nach Plänen von Klingenberg ei- mehrere wichtige Bauten der Ver- nen bemerkenswerten neugoti- kehrsgeschichte zu erwähnen, so schen Außenbau. Besonders im Sü- der älteste erhaltene deutsche den des Großherzogtums Olden- Bahnhof in Vienenburg (um 1838) burg entstanden Ende des 19. Jahr- und der Hauptbahnhof in Hannover hunderts zahlreiche neugotische von Hubert Stier (1877 – 79). Die Ge- Backsteinkirchen von oft beträchtli- staltung des halbkreisförmigen chen Ausmaßen und architektoni- Ernst-August-Platzes vor dem Bahn- scher Qualität. hof mit z.T. erhaltenen Bauten des 236 Die Denkmalwelt in Niedersachsen späten Rundbogenstils ist, wie auch ge Stabholzkirche Deutschlands in der Opernplatz in Hannover, als Goslar-Hahnenklee, die 1908 durch anspruchsvolle städtebauliche Leis- den Architekten T.K. Mohrmann tung des 19. Jahrhunderts zu wer- nach dem Vorbild der Kirche in ten. Borgund in Norwegen errichtet Ein monumentaler Großbau des wurde. späten Historismus ist das Neue Rat- Unter Jugendstileinfluss entstand haus in Hannover von 1903 – 08 mit 1913/15 der neue Oldenburger seiner stadtbildprägenden Kuppel- Bahnhof aus Bockhorner Klinkern laterne. Die Pläne lieferte der Berli- nach Plänen von Friedrich Mette- ner Architekt Hermann Eggert. gang, während sich beim Bahnhof Ein bekanntes Denkmal aus dem in Quakenbrück eine andere Varian- frühen 20. Jahrhundert ist die einzi- te des Jugendstils offenbart. Der

Faguswerk in Alfeld Klinkerexpressionis- mus der 1920er-Jahre wird besonders durch die Bauten von Fritz Höger und Bernhard Hoetger bestimmt. Högers Anzeigerhoch- haus in Hannover, sein Wilhelmshavener Rat- haus, Hoetgers Nie- dersachsenstein und sein Café in Worps- wede sind markante Beispiele der Architek- tur an der Schwelle zur Moderne. Mit der 1911 – 1918 nach Plänen von Wal- ter Gropius errichte- ten Schuhleisten- und Stanzmesserfabrik Fa- guswerk in Alfeld ent- stand ein frühes und bahnbrechendes Kon- zept konsequent mo- Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege derner Architektur. Die Denkmalwelt in Niedersachsen 237

Die 20er-Jahre sind von Reform- stammt. Einen bemerkenswerten In- und Heimatschutzarchitektur ge- dustriebau der NS-Zeit stellt das prägt. Besonders in Hannover ent- VW-Werk in Wolfsburg mit seiner standen damals ausgedehnte Sied- 1,5 km langen stereotypen Front lungen von architektonischer Qua- zum Mittellandkanal dar. lität. Bemerkenswert ist die städte- Der Wiederaufbau des stark bauliche Entwicklung Celles in den kriegszerstörten Hannovers galt in 1920er-Jahren, verbunden mit dem den 50er-Jahren als richtungswei- Namen Otto Haesler, einem der be- send; zahlreiche Denkmale der kanntesten Vertreter der Stilrich- Nachkriegszeit prägen das heutige tung des „Neuen Bauens“ in der Bild der Landeshauptstadt. In Wolfs- Zwischenkriegszeit. In Celle ist seine burg, erst 1938 gegründet, wurden Stilentwicklung an zahlreichen Bau- in der Nachkriegszeit architekturge- komplexen, so vor allem in den schichtlich besonders wertvolle Bau- Siedlungen Italienischer Garten und ten errichtet, darunter das Kultur- Blumlägerfeld ablesbar. zentrum von Alvar Aalto (1959 – 63) Wolfsburg und Salzgitter sind da- und das Stadttheater, ein Spätwerk gegen Zeugnisse des Städtebaus der Hans Scharouns aus den 70er-Jah- 30er- und 40er-Jahre, in denen je- ren. doch ein wesentlicher Teil der Be- bauung aus der Nachkriegszeit Martin Wenz Medien

Allgemeines Die Tageszeitungen

Die Medien haben in einer demo- Die älteste nachweisbare Zeitung kratischen Gesellschaft die Aufga- ist die Straßburger Relation von be, Kritik und Kontrolle gegenüber 1605. Die zweitälteste Zeitung ent- den Regierenden zu üben und den stammt niedersächsischem Gebiet. Einzelnen in seiner politischen Mei- Es ist der Wolfenbütteler Aviso von nungs- und Willensbildung zu un- 1609. Für 1617 ist in Hildesheim die terstützen, ihn zu informieren und Hildesheimer Relation belegt. Von zu unterrichten. den heute noch existierenden nie- Diese publizistische Grundversor- dersächsischen Tageszeitungen kön- gung wird vor allem von den Tages- nen 5 auf eine über 200-jährige zeitungen und dem öffentlich- Tradition zurückblicken: Hildeshei- rechtlichen Rundfunk geleistet. Der mer Allgemeine Zeitung (1705), öffentlich-rechtliche Rundfunk ist Schaumburger Zeitung (1762), Täg- laut Programmauftrag dazu ver- licher Anzeiger, Holzminden 1777), pflichtet. Private Rundfunkanbieter Goslarsche Zeitung (1783) und das haben aufgrund ihrer Werbefinan- Jeversche Wochenblatt (1791). Der zierung ein breiter gefächertes Kon- Großteil der niedersächsischen Zei- zept zu vertreten. tungen entstand in der zweiten Die niedersächsische Medien- Hälfte des 19. Jahrhunderts. landschaft ist geprägt von einer Eine Zeitungsstatistik aus dem Vielzahl an Tageszeitungen, Hör- Jahr 1932 verzeichnet für das Gebiet funkprogrammen sowie 3 regional des heutigen Niedersachsen 278 Zei- berichtenden Fernsehprogrammen. tungen mit 335 redaktionellen Aus- Hinzu kommen die Internet-Ange- gaben. Von diesen 278 Zeitungen bote der Tageszeitungen und Rund- machten 149 Angaben über ihre funkanbieter. Erwähnt, wenn auch Auflagen. 86% (128 Ztg.) hatten ei- nicht im Folgenden beschrieben, ne Auflage unter 10.000 Ex., 11% seien die vielen Anzeigenblätter, (17 Ztg.) lagen mit ihrer Auflage Szene-Zeitungen, Stadt-Magazine zwischen 10.000 – 20.000 Ex. und etc. Seit 1.4.1997 läuft zudem unter nur 1,3% (2 Ztg.) fanden sich im Be- der Ägide der Niedersächsischen reich zwischen 20.000 – 50.000 Ex. Landesmedienanstalt für privaten Jeweils 0,6% (1 Ztg.) lagen mit ihrer Rundfunk (NLM) ein fünfjähriger Auflage zwischen 50.000 – 100.000 Modellversuch zum nichtkommer- und über 100.000 Ex. Letztere wa- ziellen Lokalfunk und zu den Of- ren die Hannoverschen Anzeigen, fenen Kanälen. die heute noch als Hannoversche Medien 239

Allgemeine Zeitung auflagenstärk- zen publizistischen „blackout“ ste Zeitung in Niedersachsen ist. Die zunächst nur von den Militärbehör- in ihrer lokalen, kleinräumigen Aus- den herausgegebene Mitteilungs- differenzierung dem Lebensschwer- blätter, um die Bevölkerung über punkt der Leser angepasste Zei- die Verordnungen und Erlasse der tungsmarktstruktur, die für Behörden zu informieren. Kurze Deutschland charakteristisch war, Zeit später erhielten vom National- hat sich mutatis sozialismus unbe- mutandis bis heu- lastete deutsche te erhalten. Persönlichkeiten Durch verschie- Lizenzen zur Her- dene politische ausgabe einer Zei- Maßnahmen in tung. Die Heimat- den ökonomi- presse mit ihren schen, rechtlichen, Zwergauflagen institutionellen war gegen Ende und inhaltlichen der 20er-Jahre im- Bereichen brach- mer stärker in die ten die National- publizistische und sozialisten die Presse unter ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Kontrolle und machten sie gefügig, Korrespondenzbüros und Matern- um sie neben Rundfunk und Film als diensten wie z. B. dem Hugenberg- Propagandamaschinerie zur Len- konzern geraten, der die NS-Ideolo- kung der Bevölkerung einzusetzen, gie stark propagierte. Eine derarti- wie es dem Credo ihrer medienpoli- ge Abhängigkeit und Konzernbil- tischen Zielvorstellung entsprach. dung sollte nach den Vorstellungen Während die KPD- und SPD-Presse der Alliierten unter allen Umstän- gleich 1933 verboten und enteignet den vermieden werden. Zugleich wurde, wurden die bürgerlichen mussten sie in ihrer Konzeption Verleger gezwungen, ihr Unterneh- aber auch die gewachsenen Leser- men an die Nationalsozialisten zu Blatt-Bindungen berücksichtigen. verkaufen oder wurden Opfer der Die Lösung sahen sie in mittel- Stilllegungsaktionen gegen Ende großen Zeitungsverlagen (100.000 des Krieges. 1944 existierten in Nie- Ex. Auflage), die einerseits groß ge- dersachsen noch 65 Zeitungen mit nug waren, um wirtschaftlich und insgesamt 93 Ausgaben. publizistisch unabhängig am Markt Nach der Kapitulation verboten bestehen zu können und anderer- die Alliierten alle deutsche Publizi- seits durch ein System von Bezirks- stik. Es erschienen nach einem kur- und Lokalausgaben den Leser-Blatt- 240 Medien

Bindungen entsprach. Am 8.1.1946 außerhalb Niedersachsens geben 17 erschien als erste Lizenzzeitung in Ausgaben in Niedersachsen heraus. Niedersachsen die Braunschweiger Dazu kommt noch als Straßenver- Zeitung. Weitere Lizenzzeitungen kaufszeitung die BILD-Zeitung, so- waren z. B. die Lüneburger Landes- wie eine Zeitung, die wöchentlich zeitung, Nordwest-Zeitung, Hanno- (Elbmarsch Post, Bleckede) und ei- versche Presse und als Letzte die ne, die drei mal in der Woche er- Hannoversche Allgemeine Zeitung, scheint (Bleckeder Zeitung). die ihre Lizenz am 23.8.1949, weni- Zu den derzeit auflagenstärksten ge Wochen vor der Erteilung der Publizistischen Einheiten in Nieder- Generallizenz, erhalten hatte. Mit sachsen zählen die drei ehemaligen Erteilung der Generallizenz am Lizenzzeitungen Hannoversche All- 21.9.1949, die den Wegfall des Li- gemeine Zeitung (495.566 Ex. Auf- zenzzwanges bedeutete, erschie- lage inkl. Neue Presse), Nordwest- nen wieder die sog. Altverleger, die Zeitung (223.446 Ex.) und Braun- während der Lizenzzeit keine Li- schweiger Zeitung (198.052 Ex.). Die zenz erhalten hatten, mit ihren Zei- kleinste Publizistische Einheit ist die tungen auf dem Markt. Emder Zeitung mit einer Auflage Gegenwärtig gibt es in Nieder- von 11.237 Ex. Die jüngste Publizisti- sachsen 13 Vollredaktionen oder sche Einheit Niedersachsens sind die auch „Publizistische Einheiten“ (Re- Grafschafter Nachrichten (seit De- daktionen, die den allgemeinpoliti- zember 1997). Ein Indiz dafür, dass schen und wirtschaftlichen Teil, in auf dem niedersächsischen Zei- der Regel die Seiten 1 + 2 vollstän- tungsmarkt noch Bewegungen in dig selbst erstellen). Alle diejenigen Richtung auf eine größere Vielfalt Zeitungen, die den Mantel von ei- möglich sind (alle Angaben II. Quar- ner Vollredaktion übernehmen, tal 1998). werden zu der entsprechenden Pu- Die niedersächsischen Tageszei- blizistischen Einheit gezählt. In Nie- tungen erscheinen mit einer tägli- dersachsen gibt es derzeit 55 Verla- chen verkauften Gesamtauflage ge, die insgesamt 133 redaktionelle von 1.886.051 Exemplaren (II. Quar- Ausgaben (Zeitungen, die sich im Ti- tal 1998). Davon haben über drei tel und/oder in lokalen Wechselsei- viertel der Verlage eine Auflage un- ten unterscheiden) herausgeben. ter 30.000 Exemplaren. Davon übernehmen 10 Verlage mit Ein wesentliches Kennzeichen der 12 redaktionellen Ausgaben den Nachkriegstagespresse gegenüber Mantel von Vollredaktionen mit Sitz der Epoche der Weimarer Republik außerhalb Niedersachsens (Kassel, war die Entpolitisierung. Der Leser Bremerhaven). 5 Verlage mit Sitz wollte sich nicht mehr dozieren las- Medien 241 sen. Deutlich wurde dies insbeson- Keineswegs übersehen die Zei- dere am Niedergang der sozialde- tungsverleger die Möglichkeiten, mokratischen Hannoverschen Pres- die in neuen Techniken für ihre Pro- se. Eine Parteizeitung gibt es in Nie- dukte liegen. Das gilt auch für das dersachsen nicht mehr. Stichwort Internet. Derzeit sind be-

Publizistische Einheit Anzahl kooperierender Anzahl redaktioneller mit Sitz in Niedersachsen Verlage in „PE“ Ausgaben der „PE“

Braunschweiger Zeitung 2 14

Cellesche Zeitung 1 1

Deister- und Weserzeitung 6 8

Emder Zeitung 1 1

Grafschafter Nachrichten 1 1

Hannoversche Allgemeine Zeitung 12 30

Kreiszeitung, Syke 3 15

Neue Osnabrücker Zeitung 1 9

Neue Presse 1 11

Niedersächsisches Tageblatt 5 7

Nordwest-Zeitung (I) 4 14

Nordwest-Zeitung (II) 7 8

Oldenburgische Volkszeitung 2 2

Publizistische Einheit mit Sitz außerhalb Niedersachsens

Bremer Nachrichten 1 13

Harburger Anzeigen und Nachrichten 1 1

Hessische/Niedersächsische Allgemeine 2 8

Nordsee-Zeitung 7 10

Weser-Kurier 1 13

Gesamt 58 166

zuzüglich 62 171 BILD (2 Ausgaben)/taz/Elbmarsch Post/ Bleckeder Zeitung 242 Medien reits weit über 20 niedersächsische die noch ca. 7 Millionen funk- Tageszeitungen online, d.h. über tionsfähigen Rundfunkempfangs- das Internet mit ihren Angeboten geräte machten im Nachkriegs- abrufbar. Die Angebote reichen von deutschland den Rundfunk zum einer 1:1 Kopie des Printproduktes wichtigsten Medium. über Zusatzdienste wie z. B. Ser- Aufgrund der Erfahrungen des vicedienste, Zeitungsarchiv bis zu Dritten Reiches, in dem der Rund- ganzen regionalen/lokalen Informa- funk als Propagandainstrument tionsdiensten mit elektronischen missbraucht worden war, stand für Fahrplanauskünften und umfang- die Besatzungsmächte fest, dass der reichem Kleinanzeigenmarkt. Wäh- neue deutsche Rundfunk dezentral rend einige Verlage sich darauf be- und staatsfern zu organisieren war. schränken, ein Internetangebot zu Ein werbefinanzierter Rundfunk präsentieren, gehen andere Verlage nach amerikanischem Muster war so weit, ihren Abonnenten einen In- angesichts einer zerstörten Wirt- ternetzugang zu günstigen Kondi- schaft in einem Land, in dem es tionen zu ermöglichen und so die nichts zu kaufen gab, unmöglich. Bindung auch an das Printprodukt Ebenso schied ein zentralistisch or- zu verstärken. ganisierter Rundfunk nach französi- schem Vorbild aus. So wurde die bri- Hörfunk tische BBC zum Vorbild für den deutschen Rundfunk. Öffentlich- Am 29.10.1923 startete der Rund- rechtlich organisiert mit pluralisti- funk in Deutschland mit der Über- schen internen Verwaltungs- und tragung eines Konzertprogramms Kontrollgremien. von 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr aus dem Am 1.5.1948 trat das Statut Vox-Haus in Berlin. Die für Nord- des Nordwestdeutschen Rundfunks deutschland zuständige regionale (NWDR) in Kraft. Er war zuständig Rundfunkgesellschaft Nordische für die Länder Schleswig-Holstein, Rundfunk AG (NORAG) wurde am Hamburg, Niedersachsen, Nord- 16.1.1924 mit Sitz in Hamburg ge- rhein-Westfalen und Berlin. Die Ar- gründet. Sendebeginn war der beitsgemeinschaft der öffentlich- 2.5.1924. Bereits am 4.5.1945 über- rechtlichen Rundfunkanstalten der nahmen die einmarschierenden Bri- Bundesrepublik Deutschland (ARD) ten den noch intakten Sender des – der Zusammenschluss aller west- Funkhauses Radio Hamburg und be- deutschen Rundfunkanstalten –, gannen um 19:00 Uhr mit ihrer er- wird am 10.6.1950 vollzogen. Der sten Übertragung. Die durch den NWDR beginnt als erster Sender mit Krieg zerstörte Infrastruktur und Fernsehversuchsprogrammen. Die Medien 243 bundesrepublikanische Bevölke- einander von öffentlich-rechtlichem rung kann seit dem 25.12.1952 am und privatem (kommerziellem) Fernsehzeitalter partizipieren. Der Fernsehen und Hörfunk: Während NWDR sendete täglich ein 2-stündi- der öffentlich-rechtliche Rundfunk ges Abend- und ein halbstündiges sich zum überwiegenden Teil aus Nachmittagsprogramm. den Rundfunkgebühren finanziert, Mit der Gründung des Senders ist der private Rundfunk vollständig Freies Berlin (SFB) am 5.11.1953 ver- auf Werbeeinnahmen angewiesen. liert der NWDR seine Zuständigkeit Mit radio ffn wurde 1986 das für Berlin. Am 12.5.1954 wurde das erste private Hörfunkprogramm in Gesetz über den Westdeutschen Niedersachsen lizenziert. Die auf 10 Rundfunk (WDR) verabschiedet. Per Jahre befristete Lizenz wurde 1996 Staatsvertrag gründen die Länder verlängert. 1990 kam als zweites Schleswig-Holstein, Niedersachsen privates Hörfunkprogramm Hit Ra- und Hamburg den Norddeutschen dio Antenne hinzu. Beide Sender Rundfunk (NDR) am 16.2.1955. Seit strahlen ein landesweites Vollpro- dem 1.1.1956 gibt es den NDR und gramm aus. den WDR. Mit Staatsvertrag vom Die rechtlichen Grundlagen für 17./18.12.1991 ist der NDR nach der die Betreibung von Rundfunk in der Wiedervereinigung für die Länder Bundesrepublik Deutschland sowie Hamburg, Mecklenburg-Vorpom- im Speziellen in Niedersachsen sind mern, Niedersachsen und Schleswig- niedergelegt im Rundfunkstaatsver- Holstein zuständig. trag von 1991, dem Staatsvertrag Die öffentlich-rechtlichen Hör- über den NDR vom 17./18.12.1991 funkprogramme für Niedersachsen sowie dem Niedersächsischen Lan- werden von der Mehrländeranstalt desrundfunkgesetz (NLRG) in seiner NDR produziert In die seiner Zustän- Fassung vom 9.11.1993. Während digkeit zugehörigen Bundesländer der öffentlich-rechtliche Rundfunk strahlt der NDR einheitlich die Pro- einer internen Kontrolle durch den gramme NDR 2, NDR 3, NDR 4 und Verwaltungs- und Rundfunkrat un- N-Joy Radio aus. Das Programm terliegt, werden die privaten Hör- NDR 1 wird in die vier Landespro- funk- und Rundfunkanbieter durch gramme Hamburg Welle, Radio Nie- die Niedersächsische Landesmedien- dersachsen, Radio Mecklenburg- anstalt für privaten Rundfunk auf Vorpommern und Welle Nord ge- die Einhaltung der gesetzlichen splittet. Vorschriften hin kontrolliert. Die In den 80er-Jahren etablierte sich NLM ist für die bundesweiten TV- in der Bundesrepublik das „duale Sender RTL Television und SAT 1, die Rundfunksystem“, d.h. das Neben- in Hannover lizenziert sind, die nie- 244 Medien dersächsischen landesweiten priva- esten und aktuellsten Hits aus den ten Hörfunksender sowie für die Charts (Top 40), was in Deutschland nichtkommerziellen Lokalfunkpro- den 60-80 meist verkauften Titeln jekte und Offenen Kanäle zustän- entspricht. dig. Das Wortangebot der beiden Die einzelnen Rundfunkprogram- kommerziellen Sender ist pro- me unterscheiden sich mehr oder grammstrukturell schwächer veran- weniger in ihrem Profil. NDR 3 kert. Neben Wortunterhaltungs- bringt ausschließlich klassische Mu- elementen kommen stündliche/ sik, während NDR 4 den Schwer- halbstündliche Nachrichtenblöcke punkt auf politischer Berichterstat- vor. radio ffn bietet neben den tung, Information, Analyse sowie stündlichen Nachrichtenblöcken mit Schul- und Bildungsprogramme Wetterinformationen viertelstünd- legt. NDR 1 – Radio Niedersachsen liche Schlagzeilen in der „Prime definiert sich als „Heimatsender“ Time“. Beide kommerziellen Rund- dessen Musikprogramm aus deut- funkprogramme schalten mehrmals schem Schlager und volkstümlicher am Tag in ihre sechs Regionalfens- Musik sowie heimischer Folklore be- ter. Als besonderes Charakteristi- steht. Anvisiert wird das Publikum kum bei radio ffn sind die Comedy- zwischen 40 und 60 Jahren. In direk- Beiträge zu werten. NDR 2 weist ge- ter Konkurrenz stehen NDR 2, radio genüber den beiden privaten Pro- ffn und Hit Radio Antenne. Alle drei grammen einen höheren Informati- Programme visieren mit geringen onsanteil auf. Dazu gehört vor al- Abweichungen die gleiche Hörer- lem eine feste Verankerung des gruppe an (Hit Radio Antenne: 20- Sports im Programmschema. Hier ist 49jährigen; radio ffn: 20-29jähri- insbesondere die Bundesligaüber- gen; NDR 2: 25-49jährigen). radio tragung mit ihrer Konferenzschal- ffn bringt ein Musikprogramm be- tung aus den Fußballstadien zu er- stehend aus den Hits der 80er und wähnen. N-Joy Radio bringt wenig 90er-Jahre sowie den aktuellen „klassische“ Information. Es orien- Charts, Hit Radio Antenne mischt tiert sich in den Wortbeiträgen und die Hits der 80er und 90er-Jahre mit in der Moderationsart an seiner den jeweils aktuellen Hits und den Zielgruppe. Die Hörer werden ge- Klassikern der 70er-Jahre, während duzt. Themen sind Lifestyle, Schu- NDR 2 sein Musikprogramm aus den le/Ausbildung, Musik und Promi- Hits der 60er-80er-Jahre zusammen- nentenklatsch. Im Programm von stellt. Das Musikprogramm von NDR 1 finden Informationssendun- N-Joy Radio ist auf die 14-20jähri- gen die weitestreichende pro- gen ausgerichtet. Es bringt die neu- grammstrukturelle Verankerung im Medien 245

Programmschema. Es werden aus- mehr über 5 Jahre und wird durch führliche Hintergundberichte und mehrere Gutachten wissenschaftlich Informationsangebote ausgestrahlt. begleitet. Nichtkommerzielle Lokal- Auffallend ist der starke regionale funkprojekte wurden von der NLM Bezug – mehrmals täglich wird in 5 an den Versuchsgebieten Hameln, Regionalfenster geschaltet –, der Göttingen, Braunschweig, Uelzen/ sich auch in der zeitweisen Verwen- Lüneburg, Hannover und Wilhelms- dung der niederdeutschen Sprache haven für die Dauer des Versuchs li- zeigt. zenziert. Offene Kanäle wurden in Wolfsburg/Braunschweig (Fernse- Fernsehen hen), im Umland der Stadt Bremen (TV+Hörfunk), in Nordenham (TV+ Die niedersächsischen Bürgerin- Hörfunk), Hannover (TV+Hörfunk), nen und Bürger können unter drei Osnabrück (Hörfunk), Oldenburg Fernsehprogrammen wählen, die (TV+Hörfunk), Cloppenburg (Hör- aus und über Niedersachsen berich- funk) und im Gebiet Emsland/Graf- ten. Das sind 30 minütige Fenster- schaft Bentheim (Hörfunk) für die programme, die jeweils werktags Dauer des Modellversuchs lizen- bei den privaten Sendern um 17:30 ziert. Uhr (SAT 1) bzw. 18:00 Uhr (RTL Eine einheitliche Definition des Television) ausgestrahlt werden, so- „Offenen Kanal“ gibt es nicht. Ein wie beim öffentlich-rechtlichen N3 Offener Kanal ist ein lokales/regio- in der Zeit zwischen 19:00 Uhr und nales Medium, das allen Bürgern of- 20:00 Uhr. fen steht und den gleichberechtig- ten Zugang gestattet. Hier können Offene Kanäle (OK) / die Bürger Hörfunk und Fernsehen nichtkomerzieller Lokalfunk selber machen. Die Offenen Kanäle (NKL) stellen nur die technische Ausrü- stung und das Know-how zur Verfü- Die niedersächsische Koalitions- gung. Sie sind nichtkommerziell regierung von SPD und Bündnis und werbefrei. Offene Kanäle sind 90/Die Grünen einigte sich im Som- ein Drittes zwischen öffentlich- mer 1990 im Koalitionsvertrag dar- rechtlichem und privatem Rund- auf, das NLRG zur Durchführung funk, das keine größere Bedeutung von Modellprojekten zum nicht- im Orchester der Massenmedien er- kommerziellen, privaten Lokalfunk reichen wird. zu ändern. Nach langwierigen Ver- Nichtkommerzieller Lokalfunk handlungen startete der Modellver- (NKL) ist ein werbefreies Programm such am 1.4.1997. Er dauert nun- mit lokaler Verbreitung. Die kon- 246 Medien zeptionellen Vorstellungen über die Wettbewerb und Akzeptanz jeweilige Umsetzung eines nicht- Die niedersächsische Medien- kommerziellen Radios sind verschie- landschaft hat in ihrer Vielfältigkeit den. für jeden etwas zu bieten. Wenn Allgemein lässt sich nichtkom- auch nur noch ein eingeschränkter merzieller Hörfunk über die Merk- Wettbewerb unter den Tageszei- male Offenheit und Partizipation, tungen existiert, droht dennoch kei- Gemeinnützigkeit, Transparenz, ne Gefahr für die Informiertheit der Werbefreiheit und den Lokalbezug Bürger. Denn der intermediäre beschreiben. Der wesentliche Unter- Wettbewerb, der Wettbewerb un- schied zum Offenen Kanal besteht ter den Mediengattungen, nimmt darin, dass der Trägerverein bzw. immer stärker zu und sorgt dafür, die Trägergesellschaft beim NKL dass einseitige Informationen sofort selber Programmveranstalter ist. als solche entlarvt werden. Vielmehr Der Modellversuch geht auf eine besteht die Gefahr für die demokra- Initiative der Fraktion Bündnis tische Gesellschaft in der stagnie- 90/Die Grünen im Niedersächsischen renden Akzeptanz der Tageszeitun- Landtag zurück, die eine Unterver- gen. Maßnahmen im redaktionellen sorgung bestimmter sozio-kulturel- Management und Marketing sind ler Gruppen im öffentlich-rechtli- hier erforderlich – und sie werden chen Rundfunkprogramm sah und von den Verlagen auch durchge- die Chance einer stärkeren media- führt –, um insbesondere die jungen len Präsenz dieser Gruppen durch Nicht-Leser für das Medium zu ge- nichtkommerziellen Lokalfunk und winnen. Offenen Kanal vermutete. Victor Lis Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Aurich – Im Zentrum Ostfrieslands

Zentrum von Ostfriesland, ihre Stadtmitte ist rund 30 km von der Nordseeküste entfernt. Über den Ems-Jade-Kanal ist Aurich direkt mit den Nordseehäfen Emden (25 km) und Wilhelmshaven (47 km) verbun- den. Wirtschaftlich gesehen ist Aurich übergeordneter Schwerpunkt und Mittelzentrum mit rund 41.000 Ein- wohnern. Aurich ist Sitz weltbe- kannter Unternehmen der Elektro- industrie und namhafter Betriebe verschiedenster Branchen. Auf stadteigenem, voll erschlossenem Gelände bieten sich beste Voraus- setzungen und Förderungsmöglich- Pingelhus, ehemaliges Hafenwärterhaus keiten für weitere Gewerbe- und Foto: Verkehrsverein Aurich Inustrieansiedlungen. Die Geschichte Aurichs lässt sich Verschiedene Einrichtungen, wie bis ins 13. Jahrhundert zurückverfol- z. B. die Kulturgemeinschaft, das Ju- gen. Der Marktort und das Wahrzei- gend-Sinfonieorchester u. a., för- chen von Aurich, die Lambertikirche dern ein reges kulturelles Leben. mit dem Lambertiturm, wurden um Die Stadthalle mit ihren 800 Plätzen 1200 durch Graf Moritz I. von Ol- bietet hierfür den geeigneten Ort. denburg gegründet. 1276 gab es Auch verfügt Aurich über eine dann die erstmalige urkundliche Er- ganze Reihe von Sehenswürdigkei- wähnung im Bromkerbrief. Die ten. Zu nennen wären hier zum Bei- Stadtrechte wurden 1539 durch spiel: Graf Enno II. bestätigt. Durch die ! Schlossplatz mit Schloss Gemeindereform im Jahr 1972 kam und Marstall es zur Zusammenlegung der 21 Ge- meinden und damit zur neuen Stadt ! Gebäude der Ostfriesischen Aurich. Landschaft Die Kreisstadt Aurich liegt mit ei- ! Lambertikirche und Glockenturm ner Gesamtfläche von 197,25 km2 im (Wahrzeichen) 248 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

! Upstalsboom (alte ostfriesische Stadt Aurich Versammlungsstätte) Bgm.-Hippen-Platz 1 ! Sous-Turm auf dem Marktplatz 26587 Aurich ! Ewiges Meer Telefon 0 49 41 / 12-0 (Naturschutzgebiet – Deutsch- Fax 0 49 41 / 1 22 14 lands größter Hochmoorsee)

Braunschweig – Stadt Heinrichs des Löwen

Braunschweig, die Stadt Hein- Burg Dankwarderode. Das Wahrzei- richs des Löwen, ist mit rund chen seiner Macht – der berühmte 250.000 Einwohnerinnen und Ein- Burglöwe aus Bronze – ist auf dem wohnern die zweitgrößte Stadt Nie- Burgplatz zu sehen. Der Burgplatz dersachsens. Sie liegt international bildet zusammen mit dem Dom und betrachtet in verkehrsräumlich gün- der Burg rund um den Burglöwen stiger Lage mitten in Europa, im eine der historischen Traditionsin- nationalen Bereich ist die Verbin- seln. dung Ruhrgebiet-Hannover-Braun- Heute hat sich Braunschweig zu schweig-Magdeburg-Berlin bedeut- einer modernen Großstadt ent- sam. wickelt, die als ein Zentrum für For- Begonnen hat Braunschweigs Ge- schung und Entwicklung gilt. Von schichte vor etwa 1000 Jahren, als herausragender Bedeutung für den sich der Rast- und Stapelplatz Wirtschaftsstandort Braunschweig („Wik“) zu einem wichtigen Kreuz- ist die älteste Technische Universität weg mittelalterlichen Fernhandels Deutschlands, die Carolo Wilhelmi- entwickelte. Von hier ab wurde die na. Sie ist bereits über 250 Jahre alt. Oker schiffbar und wies dem von Hier werden nicht nur Technik und Süden kommenden Verkehr über Naturwissenschaften, sondern auch Aller und Weser den Weg über Bre- Sprachen, Wirtschaftswissenschaf- men zur Nordsee. Dies trug Braun- ten und Philosophie gelehrt. Die schweig seit dem 13. Jahrhundert Hochschule für Bildende Künste bis zu deren Auflösung im 17. Jahr- gehört zu den wichtigsten deut- hundert eine Mitgliedschaft in der schen Kunstakademien unserer Zeit. Hanse ein und ließ die Stadt zu ei- Anerkannte Künstler von heute wir- ner der mächtigsten Städte jener ken als Professoren an der Ausbil- Epoche erstarken. dung der Avantgarde von morgen Im 12. Jahrhundert wählte Hein- mit. rich der Löwe Braunschweig zu sei- Neben bedeutenden Unterneh- ner Residenz und errichtete seine men, wie z. B. Siemens und VW, sind Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 249 zahlreiche renommierte wirtschafts- nahe Forschungseinrichtungen in Braunschweig vertreten, z. B. die Physikalisch-Technische Bundesan- stalt (PTB), der Standort der Atom- uhr. Sie bekräftigt die Behauptung: „In Braunschweig wird die Zeit ge- macht“. Hohe Wohnqualität und eine reizvolle natürliche Umgebung kommen als attraktive Standortvor- teile hinzu. Auch für Tagungen und Kongresse hat sich Braunschweig als hervorragender Standort qualifi- ziert, wovon sich bereits unzählige Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler überzeugt haben. Braunschweig verfügt über eine Burglöwe Foto: Stadt Braunschweig lebendige, interessante und ab- Weitere ausführliche Informa- wechslungsreiche Innenstadt, die tionen über Braunschweig erhalten mit ihren ausgedehnten Fußgänger- Sie im Internet unter der Adresse zonen, gesäumt von attraktiven Ge- „http://www.braunschweig.de“. schäften, Kaufhäusern und neuen architektonisch gelungenen City- Stadt Braunschweig Passagen, Cafés und Lokalen zu ei- Amt für Stadtentwicklung und nem Einkaufsbummel einlädt. Stadtmarketing Die Stadt ist über die Autobahnen Bohlweg 30 2, 7 und 39, per IC und ICE und so- 38100 Braunschweig gar mit einigen Flugverbindungen Telefon 05 31 / 4 70-21 69 schnell und bequem zu erreichen. Fax 05 31 / 4 70-44 45

Celle – Zwischen Historie und Moderne

Die Stadt Celle hat rund 73.500 6.551 landwirtschaftlich genutzt, Einwohner und 220.000 weitere im 5.826 Hektar sind Waldflächen. näheren Einzugsgebiet. Das Stadt- Celles Geschichte beginnt um gebiet erstreckt sich auf einer Fläche 990 n. Chr.. Unter dem Namen Kellu von 17.496 Hektar, davon werden (Siedlung am Fluss) wurde die Stadt 250 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Niedersächsischen Land- gestüt ebenso wie das Bomann-Museum mit seinem Spektrum von Heimatkunde bis zur Ge- genwartskunst, ein Kon- gress- und Tagungszen- trum und eines der größten Jugendzentren Deutschlands in der ehe- maligen Cambridge-Dra- goner-Kaserne. Das Schulsystem glie- dert sich in Celle in 16 Schloss Foto: Peter Hoffmann Grundschulen, fünf Ori- erstmals urkundlich erwähnt. Heute entierungsstufen, drei Sonderschu- ist dort der Ortsteil Altencelle be- len, sechs Haupt-, drei Realschulen heimatet. 1292 wurde die Stadt drei und vier allgemein bildende Gym- Kilometer flussabwärts neu gegrün- nasien. Daneben gibt es zwei Fach- det – Gründungsvater: Herzog Otto gymnasien mit den Schwerpunkten der Strenge. Celle wird Residenz der Wirtschaft und Technik. Alternati- braunschweig-lüneburgischen Her- ven bieten die vier Berufsbildenden zöge, kann sich somit bis heute Her- Schulen der Fachrichtungen Wirt- zog- oder Residenzstadt nennen – schaft und Verwaltung, Technik, So- mittlerweile 706 Jahre jung. zialwesen und Gesundheitspflege, Die Stadt, geprägt von ihren rund Landwirtschaft und Ernährung. Um 450 denkmalgeschützten Fachwerk- die Erwachsenenbildung kümmern häusern, verdankt den Herzögen ei- sich Volkshochschule und Familien- nige ihrer Hauptsehenswürdigkei- bildungsstätte. Führungskräfte aus ten. Angefangen beim Schloss über Osteuropa erhalten in der Deut- die Stadtkirche (1308) mit Fürsten- schen Management Akademie das gruft und Fürstenstuhl bis hin zum nötige Rüstzeug in Sachen Markt- barocken Schlosstheater (1674), zu- wirtschaft. gleich das älteste bespielte deutsche In den rund 3.400 Celler Gewer- Theater mit festem Ensemble. bebetrieben sind etwa 30.000 Ar- Das kulturelle Leben in Celle ist beitnehmer beschäftigt. Da das geprägt vom Miteinander von His- „schwarze Gold“ die Region einst torie und Moderne. So findet man berühmt machte, ist es kein Wun- die traditionelle Hengstparade im der, dass sich zahlreiche Unterneh- Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 251 men der Erdölzulieferindustrie in Stadt Celle der Stadt ein deutsches Standbein Informations- und Pressedienst geschaffen haben. Deshalb ist Celle Rathaus in Fachkreisen auch als das „Hou- 29201 Celle ston Europas“ bekannt. Ein nicht zu Telefon 0 51 41 / 1 25 77 unterschätzender Wirtschaftsfaktor Fax 0 51 41 / 1 27 55 77 ist der Tourismus. Davon zeugen jährlich 650.000 Besucher aus allen Kontinenten.

Göttingen – Universitätsstadt

Die Universitätsstadt Göttingen Stadt einen neuen Aufschwung. Der liegt im Süden Niedersachsens, zwi- Ruf der Universität zieht Lernende schen Harz und Weser im oberen Tal und Lehrende aus allen Ländern in der Leine, an der Kreuzung der Bun- die Stadt – ein Zeichen der Interna- desstraßen 3 und 27. Mit der BAB 7 tionalität, die die Stadt bis heute und der Nord-Süd-Strecke der Deut- prägt. 1964 wird Göttingen durch schen Bahn ist die Stadt an überre- den Zusammenschluss mit den Um- gionale Verkehrsnetze angebun- den. Mit seinen 132.000 Einwoh- nern ist Göttingen das Oberzentrum der Region. Erstmalige urkundliche Erwäh- nung findet Göttingen 935 als „Gut- ingi“, um 1210 erhält der Ort die Stadtrechte. Eine frühe wirtschaftli- che und politische Blütezeit erlebt die günstig an einer Leinefurt und zwei bedeutenden Handelswegen liegende Stadt im Hochmittelalter, auch durch die Mitgliedschaft in der Hanse in den Jahren 1351 bis 1572 belegt. Durch die Reformationskrie- ge im 16. Jahrhundert und im Zuge des 30-jährigen Krieges wird Göttin- gen zum bedeutungslosen Land- städtchen. Erst mit der Gründung Altes Rathaus mit Marktplatz und der Universität 1734 nimmt die Gänselieselbrunnen Foto: Helmut Scheiter 252 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts landgemeinden Großstadt und er- matenzentrum und die Deutsche reicht damit seine heutige Größe. Forschungsanstalt für Luft- und Göttingen ist Wirtschaftsmittel- Raumfahrt (DLR) sowie das neu ge- punkt des südniedersächsischen schaffene Otto-Hahn-Zentrum. Raumes. Die Wirtschaft der Stadt ist Das kulturelle Leben der Stadt ist geprägt durch einen expandieren- von einer ausgesprochenen Vielfalt den Dienstleistungssektor, Verlage, geprägt. Zwei Sprechbühnen, das Mess- und Regeltechnik, Laser-Tech- Göttinger Symphonieorchester, Mu- nik, Anlagenbau, feinmechanisch- seen, Galerien wecken ebenso Inter- optische Betriebe sowie Aluminium- esse wie regelmäßig wiederkehren- und Holz verarbeitende Industrie. de kulturelle Großveranstaltungen Die Gothaer Lebensversicherung, äl- wie die Händel-Festspiele, das gro- testes deutsches Lebensversiche- ße Altstadtfest und der Göttinger rungsunternehmen, befindet sich Literaturherbst. seit 1945 in der Stadt. Sehenswert ist für den auswärti- gen Besucher vor allem die von den Neben der Universität, mit ihren ehemaligen Wallanlagen umgebe- rund 28.000 Studenten größte Bil- ne historische Innenstadt mit Altem dungseinrichtung der Stadt, hat sich Rathaus, dem berühmten Gänselie- eine Vielzahl weiterer Forschungs- selbrunnen, mehreren bedeuten- und Bildungsinstitute in Göttingen den Kirchen, zahlreichen Fachwer- angesiedelt. So ist die Stadt u. a. kensembles aus Gotik, Renaissance Sitz der Niedersächsischen Staats- und Barock und den historischen und Universitätsbibliothek mit über Universitätsgebäuden aus der Grün- 5 Millionen Bänden, von Fachhoch- derzeit. schulen, mehrerer Institute der Max-Planck-Gesellschaft und ande- Stadt Göttingen, rer international bekannter For- Hiroshimaplatz 1-4 schungseinrichtungen, unter ihnen 37083 Göttingen das Institut für den wissenschaftli- Telefon 05 51 / 4 00-0 chen Film (IWF), das Deutsche Pri- Fax 05 51 / 4 00-70 00

Goslar – UNESCO-Weltkulturerbe und EXPO-Stadt

Die alte Kaiserstadt Goslar liegt in und touristische Zentrum der Harz- Südost-Niedersachsen und ist mit rd. Region. Sie wurde 922 von König 50.000 Einwohnern mit einem Ein- Heinrich I. als Kaufmannsniederlas- zugsgebiet von ca. 250.000 Einwoh- sung gegründet. Ihre Geschichte ist nern das wirtschaftliche, kulturelle untrennbar mit der des Rammels- Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 253 bergs verbunden, in dem seit 968 Erze abge- baut wurden. Die auf- grund der reichen Sil- berfunde von Kaiser Heinrich II. Anfang des 11. Jahrhunderts ange- legte Kaiserpfalz wur- de unter den salischen Kaisern Heinrich III. und Heinrich IV. sowie unter dem Staufer Frie- drich I. Barbarossa zum „clarissimum regni do- Kaiserpfalz Foto: Stadt Goslar micilium“ – zur Haupt- residenz im Heiligen Römischen Zeit und bieten heute das ein- Reich. Über 100 glanzvolle Reichsta- drucksvolle Bild einer in dieser ge fanden hier statt, 200 Jahre lang Größe und Geschlossenheit in wurde hier deutsche und europäi- Deutschland nur noch selten anzu- sche Geschichte gemacht. treffende mittelalterlichen Stadt. Der kaiserlichen Epoche folgte Die gesamte Altstadt Goslars und die Blütezeit Goslars als reichsfreie das ehemalige Erzbergwerk Ram- Stadt (seit 1290). Seit 1267 gehörte melsberg sind 1992 in die Liste Goslar der Hanse an. Die aus Gosla- des UNESCO-Weltkulturerbes auf- rer Silber geprägten Sachsen-Pfen- genommen worden. Beide sind nige und Otto-Adelheid-Pfennige Bestandteil des dezentralen Pro- galten zur damaligen Zeit als das gramms der EXPO 2000 in Hanno- beliebteste Zahlungsmittel im Nor- ver. den und Osten Europas. Die Kaiser- Nach der Schließung des Berg- pfalz, die alten Kirchen, Klöster und werkes 1988 weist Goslar heute ei- Stifte, das historische Rathaus mit ne breit gefächerte mittelständische dem Huldigungssaal sowie zahlrei- Wirtschaftsstruktur – u. a. Papier- che Bürger- und Gildehäuser wie und Glasindustrie, Chemieindustrie, das Brusttuch, das Bäckergildehaus Metall- und Kunststoffverarbei- und die Kaiserworth – 1000 Bürger- tung, Elektrotechnik, Textilbetriebe und Gildehäuser stammen aus der – auf. Zahlreiche Dienstleistungsun- Zeit von vor 1850, davon allein 158 ternehmen, ein ausgeprägter Ein- aus der Zeit vor 1550 – sind sichtba- zelhandel und ein starker Fremden- re Zeichen für den Wohlstand jener und Tagungsverkehr runden dieses 254 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Bild ab. Goslar hat jährlich 1,5 deutschen Unterhaltungsmusik, den bis 2 Millionen Touristen in der Paul-Lincke Ring, so genannt nach Kernstadt und im heilklimatischen dem Schöpfer der Berliner Operet- Kurort Hahnenklee. te, der 1946 auf dem Waldfriedhof Seit 1975 vergibt die Stadt einen in Hahnenklee seine letzte Ruhe- der weltweit renommiertesten Prei- stätte gefunden hat. se für moderne Kunst, den Kaiser- ring, den u. a. Henry Moore, Max Stadt Goslar Ernst, Victor Vasarély, Joseph Beuys, Rathaus Richard Serra und Christo erhalten 38615 Goslar haben. Alle zwei Jahre verleiht die Telefon 053 21 / 7 04-2 26 Stadt einen Preis zur Förderung der Fax 0 53 21 / 7 04-2 19

Hameln – Rattenfängerstadt

Der Beiname „Rattenfänger- prächtigen Fachwerk- und Weser- stadt“ ist untrennbar mit Hameln renaissancegebäude im Herzen der verknüpft. Nicht zu Unrecht hat der Altstadt. Diese Gebäude zu erhal- tschechische Dramatiker und Poet ten, war eine der Hauptzielsetzun- Pavel Kohout einmal gesagt, Ha- gen der Altstadtsanierung. Hameln meln sei „eine Stadt der Poesie, die gilt hier bundesweit als Modellfall. aus der Phantasie lebt und zu leben Die Altstadt ist ein Kulturdenkmal weiß“. von internationalem Rang gewor- Bis heute ist die Rattenfängersa- den, aber sie ist zugleich der leben- ge ein Mysterium geblieben. Der dige Mittelpunkt der Stadt geblie- Rattenfänger ist zweifellos die in ben. der Welt bekannteste Sagengestalt. Die ältesten Siedlungskerne Ha- Der Ursprung der Sage läßt sich auf melns liegen an der Weser, wo eine ein genaues Datum zurückführen. Furt eine historische Römerstraße In einer in Lüneburg entdeckten durch den Fluss führte. Hier muss es Handschrift aus der Zeit um 1430 ein Fischerdorf Namens „Hamela“ wird dokumentiert, dass am 26. Juni gegeben haben, dessen genaue La- 1284 130 Kinder aus Hameln einem ge nicht bekannt ist. Durch Ausgra- seltsamen Pfeifer durch das Stadttor bungen und Funde unter der Krypta folgten und verschwanden. des heutigen Münsters Sankt Boni- Heute lockt der Rattenfänger Touri- fatius wissen wir von der Gründung sten in die Stadt. Etwa zwei Millio- eines Klosters durch Mönche aus nen Tagesgäste kommen jährlich. Fulda im Jahr 800, also zur Zeit Karl Besonderer Anziehungspunkt: die des Großen. Schon um 1100 war Ha- Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 255 meln ein bedeutender Marktort meln in das bundesweite Tagungs- und Handelsplatz, um 1200 erfolgte geschäft eingestiegen. die erste urkundliche Erwähnung Gute Chancen sieht die Stadt Hamelns als Stadt. Eine wirtschaftli- auch in der Entwicklung von Zu- che Hochblüte erlebte die Stadt im kunftstechnologien. Eine Fachmesse 16. und 17. Jahrhundert. In dieser für Solartechnik hat sich fest in Ha- Zeit wurden die meisten der präch- meln etabliert und inzwischen ein tigen Altstadtbauten für die reichen beachtliches Renommee erworben. Zunft- und Handelsherren gebaut. Durch das Solarforschungsinstitut Hameln/Emmerthal ist diese Tech- Von ihrer Geschichte allein kann nologie ständig in Hameln präsent. die 60.000-Einwohner-Stadt im We- Und das ist – da ist Pavel Kohouts serbergland, 45 Kilometer südwest- Zitat zurechtzurücken – nicht nur lich von Hannover gelegen, natür- Phantasie, sondern konkrete Rea- lich nicht leben. Größter Arbeitge- lität. ber ist die BHW-Gruppe; Hameln gilt als bedeutender Bankenplatz Stadt Hameln und wichtiges Einkaufszentrum für Rathausplatz 1, 31785 Hameln die gesamte Region. Mit dem neuen Telefon 0 51 51 / 2 02-0 „Weserbergland-Zentrum“ ist Ha- Fax 0 51 51 / 2 02-5 69

Rattenfänger-Freilichtspiel Foto: Stadt Hameln 256 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Landeshauptstadt Hannover – Stadt der EXPO 2000

Hannover, seit 1946 die Hauptstadt Niedersa- chens, ist nicht nur wirt- schaftlicher, wissenschaft- licher und kultureller Mit- telpunkt des Landes, son- dern auch die Stadt, in der die erste Weltausstel- lung, die EXPO 2000, in Deutschland stattfinden wird. Die Stadt ist der Kern einer Region von der Größe des Saarlandes, in der über 1,1 Millionen Einwohner leben. Früher eher in einer Randlage gelegen, ist sie nach den immensen politischen Veränderungen des letz- Königliche Gärten Herrenhausen Foto: Klaus Hoffmann ten Jahrzehnts ins Zen- trum Europas gerückt. Hannover auch mehr und mehr zu einem liegt im Schnittpunkt der wichtigs- Dienstleistungszentrum vor allem ten europäischen Straßen- und Ei- im Banken- und Versicherungswe- senbahnverbindungen, ist über Bin- sen und dem zukunftsträchtigen nenwasserwege mit Berlin, Ham- Bereich der Telekommunikation burg und den Industriezentren an entwickelt. Als bedeutendes Zen- Rhein und Ruhr verbunden und hat trum der Wissenschaft verfügt Han- einen leistungsfähigen Flughafen. nover über Forschungs- und Ausbil- In der Region Hannover werden dungskapazitäten sowie Entwick- 20 Prozent der Bruttowertschöp- lungspotential wie kaum eine ande- fung des Landes Niedersachsen er- re bundesdeutsche Großstadt: Über wirtschaftet. Fahrzeug- und Maschi- 300 private und öffentliche wissen- nenbau, Bürobedarf und Unterhal- schaftliche Einrichtungen sind hier tungselektronik, Nahrungs- und Ge- angesiedelt. nussmittel sind die Eckpfeiler der Kunst und Kultur sind in Hanno- Wirtschaft. Hannover hat sich aber ver vielfältig erlebbar. Mit dem Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 257

„Straßenkunstprogramm“ hat die Ein Kulturdenkmal anderer Art, Stadt schon Anfang der siebziger das weit über Hannovers Grenzen Jahre Schlagzeilen gemacht. Die bekannt ist, sind die Herrenhäuser seinerzeit heiß umstrittenen Nanas Gärten. Der Große Garten, der Berg- der Niki de Saint Phalle am Hohen garten und der Georgengarten zie- Ufer sind aus dem Stadtbild nicht hen in jedem Jahr zigtausende Be- mehr wegzudenken. Über zweihun- sucherinnen und Besucher aus der dert weitere Skulpturen und Kunst- ganzen Welt an. Nicht nur diese objekte stehen heute in Hannovers historischen Gärten haben zum Ruf Straßenraum. Beachtenswert sind Hannovers als Großstadt im Grünen auch die in den neunziger Jahren beigetragen. Immerhin die Hälfte geschaffenen „Busstops“. des Stadtgebietes sind Grünanlagen und Forsten, landwirtschaftlich oder Mit dem Sprengel Museum, dem gärtnerisch genutzte Flächen und Kestner Museum, dem Historischen Gewässer. Museum, dem Niedersächsischen Landesmuseum, dem Wilhelm- Eine Herausforderung, aber auch Busch-Museum / Deutsches Museum eine große Chance für Hannover ist für Karikatur und kritische Grafik die EXPO 2000. Unter dem Motto und vielen Spezialmuseen gilt Han- „Mensch-Natur-Technik“ wird hier nover als Mekka für Museumsfreun- vom 1. Juni bis 31. Oktober des Jah- de. Dazu kommen zahlreiche Galeri- res 2000 die erste Weltausstellung en. Opernhaus, Ballhof, das Schau- in Deutschland stattfinden. Sie soll spielhaus und rund vierzig kleinere Beiträge für die Lösung der vielfälti- Theater bieten ein hervorragendes gen Probleme und Anforderungen Angebot. zeigen, denen sich die Welt an der Schwelle zum dritten Jahrtausend In der Musikszene reicht die Aus- gegenüber sieht. Darüber hinaus wahl von der Klassik bis zum Tech- wird sie Unterhaltung und Themen no. Das Niedersächsische Staatsor- anbieten, die ein sehr breites Publi- chester und das NDR-Rundfunkor- kum ansprechen und nach Hanno- chester bieten Konzerte auf hohem ver bringen werden. Niveau, Mädchen- und Knabenchor sind international bekannt. Aller- erste Adresse für Jazzfans ist der Landeshauptstadt Hannover Jazzclub auf dem Lindener Berg. Die Presse- und Informationsamt weltberühmten „Scorpions“ kom- Trammplatz 2 men aus Hannover, ebenso wie 30159 Hannover „Fury In The Slaughterhouse“ und Telefon 05 11 / 1 68-4 26 50 „Scooter“. Fax 05 11 / 1 68-4 53 51 258 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Hildesheim – Tor zur EXPO 2000

Knochenhaueramtshauses befindet sich das Stadtmuseum. Der Dom (872), Um- und Erweite- rungsbauten im 11., 12. und 14. Jahrhundert, wurde von 1950 – 1960 wieder aufgebaut. An seiner Apsis befindet sich der weltberühm- te Tausendjährige Rosenstock. Die Bernwardinischen Bronzegüsse – doppelflügige Bronzetür (1015) und Christussäule (1020) – sind UNESCO- Weltkulturgüter. St. Michael (1010 – 1033) wurde von 1950 – 1957 wieder aufgebaut. Dom Foto: Andreas Hartmann Sie ist eine der schönsten frühroma- nischen Kirchen Deutschlands und Hildesheim, eine moderne Groß- UNESCO-Weltkulturgut. stadt mit 110.000 Einwohnern, ist 20 Kilometer südlich des EXPO In Hildesheim werden Kultur- 2000-Geländes gelegen. und Freizeitangebote groß ge- Die Stadt wird geprägt einerseits schrieben: Das Roemer- und Pelizae- durch die Universität und Fachhoch- us-Museum beherbergt Sammlun- schulen, andererseits durch ihre gen von Weltrang zu Altägypten berühmten kulturhistorischen Kost- und Alt-Peru. Die seit 1976 alljähr- barkeiten. lich veranstalteten spektakulären Der Hildesheimer Marktplatz ist Sonderausstellungen sahen drei nach seiner originalgetreuen Re- Millionen Besucherinnen und Besu- konstruktion wieder zu einem be- cher. Das Dom-Museum präsentiert liebten Anziehungspunkt für Besu- ausgewählte Kostbarkeiten aus der cher und Einheimische geworden. Geschichte des Doms und den be- Das Knochenhaueramtshaus (1529), deutenden Domschatz mit wertvol- als schönstes Fachwerkhaus der len mittelalterlichen Kunstwerken. Welt gerühmt und ein Juwel bür- Das Stadttheater mit Oper, Ope- gerlicher Baukunst, sowie das rette, Musical, Schauspiel, Ballett Bäckeramtshaus (1800), wurden von und Konzert erregt durch außer- 1987 bis 1989 wieder aufgebaut. gewöhnliche Aufführungen immer In den oberen Geschossen des wieder überregionales Interesse. Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 259

Intensive Pflege erfahren das zeit- im Süden Hannovers, der Messe und genössische Schauspiel sowie das der Weltausstellung EXPO 2000. Kinder- und Jugendtheater. „Vier Attraktiv gestaltete Fußgänger- Linden“, „Bischofmühle“, „Kultur- zonen und Geschäftsstraßen, eine Fabrik“ und zahlreiche weitere Ein- vielfältige Hotellerie und Gastrono- richtungen sorgen für eine leben- mie sowie zahlreiche Wald-, Grün-, dige kulturelle Szene. Sport- und Wasserflächen schaffen eine hohe Lebensqualität. Wirtschaftliche Prägung erfährt die Stadt durch den größten nord- Stadt Hildesheim deutschen Standort von Bosch und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Entwicklungsmöglichkeiten auf Markt 1, Postfach 10 12 55 einem der größten niedersächsi- Telefon 0 51 21 / 3 01-7 49 schen Industrie- und Gewerbeareale Fax 0 51 21 / 3 01-1 49

Lüneburg – Eine aufstrebende Hochschulstadt

Junges Leben in historischen wie ein Damoklesschwert über Lü- Gemäuern – das ist Lüneburg. Das neburg. Den Ost-West-Konflikt gab Oberzentrum Nordostniedersach- es nicht mehr, zwei der drei Kaser- sens, südöstlich von Hamburg gele- nen in der Stadt wurden geschlos- gen, hat sich im zurückliegenden sen. Ein in Deutschland einmaliges Jahrzehnt erheblich gewandelt, ist Projekt war die Antwort. Aus einer vielfältiger und interessanter ge- Bundeswehrkaserne wurde ein Uni- worden. Zahlreiche Verwaltungen versitätscampus. Diese sog. Konver- und Gerichte sind geblieben, aber: sion ist ein großer Erfolg. Studieren Aus der ehemaligen Garnisonsstadt in Lüneburg ist angesagt. ist eine Stadt der Hochschulen ge- Wie das Projekt Konversion abge- worden. An Universität und Fach- laufen und wie erfolgreich es ist, hochschule studieren mittlerweile sollen die Menschen aus aller Welt über 10.000 junge Menschen. Ten- erfahren. Die Region Lüneburg ist denz steigend. Dementsprechend damit und dem Thema „Wende- wächst die Einwohnerzahl Lüne- punkte – Flusslandschaft Elbe“ burgs stetig, liegt mittlerweile Außenstandort der Weltausstellung (Stand 1. September 1998) bei über EXPO 2000 in Hannover. 68.000. Außergewöhnliche Studiengän- Was kommt nach den Soldaten ge – praxisnah und an aktuellen Er- und ihren Familien? Diese Frage fordernissen orientiert – machen ei- schwebte Anfang der 90er Jahre nen zusätzlichen Reiz aus. Die Uni 260 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts und die ebenfalls um- fangreich ausgebau- te Fachhochschule bieten beispielsweise Angewandte Kultur- wissenschaften, Um- weltwissenschaften, Wirtschaftsrecht und Angewandte Auto- matisierungstechnik an. Klassische Studi- engänge im Bereich Wirtschaftswissen- schaften, Informatik sowie Sozial- und Er- Rathaus Foto: Stadt Lüneburg ziehungswissenschaf- ten fehlen aber auch nicht. die sie zu einem der reichsten Mit- Ziel der Stadt Lüneburg ist es, die glieder der Hanse machten. Das jungen Hochschulabsolventen auch „weiße Gold“ Salz ließ es der Stadt nach dem Studium zu halten. Des- gut gehen. Im 17. Jahrhundert war halb arbeitet sie daran, ein noch at- es damit allerdings vorbei – anders- traktiverer Wirtschaftsstandort mit wo wurde das preiswerte Meersalz hochwertigen Arbeitsplätzen zu gewonnen, Lüneburg verlor seine werden. Die geographische Lage Bedeutung als Produktionsstandort. und die Verkehrsanbindung sind für Die alte Hansestadt bietet zahl- Wirtschaftsunternehmen bestens. reiche touristische Highlights: histo- Der Hamburger Hafen und die In- rische Innenstadt mit Rathaus, nenstadt sind über die A 250 in ei- Brauerei-Museum, Deutsches Salz- ner guten halben Stunde zu errei- museum, Museum für das Fürsten- chen. Hannover (1,5 Stunden per tum Lüneburg, Naturmuseum, Ost- Auto, 1 Stunde per Bahn) und Berlin preußisches Landesmuseum, Kloster (jeweils 2,5 Stunden) sind ebenfalls Lüne, Freizeitbad SaLü. nicht weit. Der Elbeseitenkanal führt an Lüneburg vorbei. Stadt Lüneburg Die Innenstadt Lüneburgs bietet Presse- und Informationsstelle zahlreiche Reize, vor allem histori- Scharnhorststr. 1, sche Gebäude. Die Stadt ist erstmals 21332 Lüneburg 956 urkundlich erwähnt. Im Mittel- Telefon 0 41 31 / 78-10 07 alter waren es die Solevorkommen, Fax 0 41 31 / 78-10 97 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 261

Oldenburg – Mittelpunkt zwischen Weser und Ems

Als ehemalige Residenz der Hauptstadt des Freistaates Olden- Großherzöge und Landeshaupt- burg und nach dem Zweiten Welt- stadt bildet die Bezirkshauptstadt krieg als Sitz des Präsidenten des Oldenburg heute den wirtschaftli- Verwaltungsbezirkes Oldenburg. chen und kulturellen Mittelpunkt Seit 1978 ist die Stadt Sitz der Be- der Region zwischen Weser und zirksregierung Weser-Ems. Ems. Mit rund 153.000 Einwohnern Die wirtschaftliche Struktur Ol- (Tendenz: steigend!) ist sie die viert- denburgs ist geprägt von wenigen größte Stadt in Niedersachsen. Das Industrie-, aber zahlreichen Dienst- Stadtgebiet ist mit 103 Quadratkilo- leistungsbetrieben. Banken, Versi- metern vergleichsweise groß, was cherungen, Unternehmensberatun- an dem hohen Anteil von Ein- und gen sowie große Handelsunterneh- Zweifamilienhäusern liegt, die Ol- men haben ihren Sitz in der Stadt. denburg zugleich den Charakter ei- Bedingt durch das große Einzugsge- ner „Gartenstadt“ verleihen. biet spielt auch der Einzelhandel, Die Stadt entstand im Mittelalter, besonders die seit 1967 bestehende bedingt durch die günstige Lage an Fußgängerzone, eine wesentliche einer Furt über die Hunte, einer Rolle. An der Verbindung von Hun- Burg, der „Aldenburg“, die 1108 te und Küstenkanal hat Oldenburg erstmals urkundlich erwähnt wurde. zudem den umschlagstärksten Bin- 1345 erhielt der Ort Stadtrecht. nenhafen Niedersachsens. Durch geschickte Di- plomatie blieb Olden- burg von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verschont, aber durch die Pest (1667) und den gro- ßen Stadtbrand (1676) wurde es zurückge- worfen. Erst im 19. Jahrhundert entwik- kelte sich die Stadt wieder, jetzt als Resi- denzstadt der Groß- herzöge von Olden- burg, ab 1919 als Schloss und Schlossplatz Foto: Stadt Oldenburg 262 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Neben der Carl von Ossietzky Uni- Zu den besonderen Sehenswür- versität (13.000 Studenten) und der digkeiten zählen neben dem Schloss Fachhochschule (2.000 Studenten) und der Lambertikirche zahlreiche sowie dem Niedersächsischen Studi- weitere Baudenkmäler aus fünf eninstitut für Kommunale Verwal- Jahrhunderten Geschichte. Zahlrei- tung haben das Bundesinstitut für che historische Parkanlagen, so der Ostdeutsche Geschichte und Kultur Schlossgarten, die wiederhergestell- sowie das Staatsarchiv ihren Sitz in ten Wallanlagen oder das Eversten Oldenburg. Das Staatliche Museum Holz gaben Oldenburg den Beina- für Naturkunde und Vorgeschichte, men der „Großstadt im Grünen“. das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte und das Stadtmu- Stadt Oldenburg seum unterstreichen neben dem Presseamt Staatstheater, der Kulturetage und Wallstr. 14 dem Figurentheater Laboratorium 26122 Oldenburg den Rang Oldenburgs als kulturelles Telefon 04 41 / 2 35-21 27 Oberzentrum der Region. Fax 04 41 / 2 35-28 80

Osnabrück – Stadt des Westfälischen Friedens

Als Zentrum einer Wirtschaftsre- Nordrhein-Westfalen) und Teile der gion mit rund 1,2 Millionen Einwoh- Niederlande berührt, hat Osnabrück nern, die grenzüberschreitend zwei von jeher eine führende Rolle ge- Bundesländer (Niedersachsen und spielt. Ihre Existenz verdankt die drittgrößte Stadt Nie- dersachsens einer weit blickenden Standort- entscheidung Karls des Großen vor mehr als 1200 Jahren. Er gründe- te 780 einen Bischofs- sitz an einem Kno- tenpunkt alter Han- delsstraßen. Einen Platz in der europäischen Ge- schichte erhielt Osna- brück als Verhand- lungsort des Westfäli- Rathaus Foto: Peter Hoffmann schen Friedens (1648). Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 263

Mit rund 158.000 Einwohnern ist desstiftung Umwelt sind wichtige Osnabrück wirtschaftliches und kul- Potentiale zur Erzeugung eines in- turelles Oberzentrum im westlichen novativen Klimas. Niedersachsen und Herzstück des Im kulturellen und stadtgestalte- Osnabrücker Landes. Sein Freizeit- rischen-ästhetischen Bereich kann wert profitiert von der reizvollen La- Osnabrück mit einem ganzen Bün- ge zwischen Teutoburger Wald und del attraktiver Angebote aufwarten, Wiehengebirge mit zahlreichen das vom Theater bis zum Botani- Heilbädern in unmittelbarer Nach- schen Garten reicht. barschaft. Den Eindruck einer alten Das alljährliche europäische Me- Stadt mit Tradition vermitteln goti- dienkunstfestival und die Ausstel- scher Dom und Barockschloss sowie lungen in der Kunsthalle Dominika- die als Besucherziel sehr beliebte nerkirche finden bundesweit und in- historische Altstadt mit mittelalter- ternational Beachtung. In der reich lichen Wehranlagen und Fachwerk- gegliederten Museumslandschaft ist häusern. das Felix-Nussbaum-Haus die jüng- Auch wenn die Stadt es auf den ste und zugleich spektakulärste Ein- ersten Blick nicht zu erkennen gibt, richtung. Das von dem amerikani- ist sie eine bedeutende Industrie- schen Stararchitekten Daniel Libes- stadt. Die Palette der in Osnabrück kind im dekonstruktivistischen Stil produzierten Industriegüter umfasst konzipierte Haus für die Bilder des nahezu alle Sparten. Jedoch mehr jüdischen Malers Felix Nussbaum er- als die Hälfte aller Industriearbeits- regt weltweit Aufsehen. plätze werden auf dem Metall verar- Nicht zuletzt wird Osnabrücks beitenden Sektor angeboten. Der Profil durch ein intensives friedens- Fahrzeugbau, die Kupferverarbei- politisches Engagement bestimmt. tung und der Maschinenbau domi- So verleiht die Stadt alle zwei Jahre nieren. Dazu ist die Papierindustrie den Erich Maria Remarque-Friedens- ein weiteres kräftiges Standbein. preis zur Erinnerung an das von tie- Das überproportional vertretene fem Humanismus geprägte Lebens- Verkehrsgewerbe stärkt Osnabrücks werk des aus Osnabrück stammen- Position als herausragendes Logis- den Schriftstellers und fördert das tik- und Dienstleistungszentrum. Remarque-Friedenszentrum. Die zur Spitzengruppe der Hoch- schulneugründungen gehörende Stadt Osnabrück Universität, die Fachhochschule mit Presseamt, Rathaus ihren stark gefragten internationa- 49034 Osnabrück len Studiengängen sowie die in Telefon 0541/ 323-0 Osnabrück ansässige Deutsche Bun- Fax 0541/ 323-4353 264 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Salzgitter – Stadt der Kontraste

LHB) und Straße durch Volkswagen und MAN sowie die Herstellung elektronischer Steuer- geräte für die Kraftfahr- zeugindustrie (Bosch). Doch die Großunterneh- men sind nur eine Seite der breit gefächerten Wirtschaftsstruktur. Mit- telständische Firmen der Pharmazie, Kunststoff- und Papierverarbeitung, Verpackungs- und Nah- Traditionsinsel in Salzgitter-Bad rungsmittelindustrie, Foto: Werbefotoarchiv der Stadt Salzgitter Handel, Handwerk und Salzgitter mit seinen 115.000 Ein- Landwirtschaft runden das Bild ab. wohnern ist der drittgrößte Wirt- Salzgitter ist Sitz des Bundesamtes schaftsstandort in Niedersachsen für Strahlenschutz und Standort des und wurde am 1. April 1942 durch Fachbereiches Transport- und Ver- den Zusammenschluss von 21 Ge- kehrswesen der Fachhochschule meinden des Landkreises Wolfen- Braunschweig/Wolfenbüttel. büttel und 8 des Landkreises Goslar Salzgitter ist aber auch ein aner- gegründet. kanntes Solbad mit einer der stärks- Der Name der Stadt geht auf die ten Solequellen Deutschlands. Die bis 1942 selbständige Stadt Salzgit- Stadt verfügt über ein modernes ter, das heutige Salzgitter-Bad, Kurmittelhaus mit einem Thermal- zurück. Ihr Gebiet umfasst 31 Stadt- Solewellenbad. Ausgedehnte Wäl- teile auf 224 Quadratkilometern. der bieten Ruhe und Erholung. Der Damit ist Salzgitter flächenmäßig Salzgittersee mit seinen 75 Hektar eine der größten Städte der Bundes- Wasserfläche ist zum Freizeitzen- republik. trum Südostniedersachsens für den Salzgitter bietet 50.000 Arbeits- Wassersport geworden. Salzgitter plätze. Weltweite Bedeutung haben verfügt über eine moderne Eissport- die Salzgitter AG – Stahl und Tech- halle und ein insbesondere bei nologie, die Fahrzeugproduktion Leichtathleten beliebtes Stadion am für Schiene durch Alstom (ehemals Salzgittersee. Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 265

Zeugen einer lebendigen Ge- den der Zwangsarbeiter und KZ- schichte sind das der Weserrenais- Häftlinge beim Aufbau der Indus- sance entstammende Städtische trie im Nationalsozialismus, von der Museum Schloss Salder, Schloss Rin- Flucht aus der Heimat jenseits der gelheim mit einer 1694 erbauten Oder und Neiße, vom Kampf gegen Barockkirche und wertvoller Orgel, die Demontage des Stahlwerkes die fast 1000-jährige Wasserburg und dem Lebens- und Aufbauwillen Gebhardshagen, die Kapelle Enge- der Menschen. Die Stadt steht als rode mit gotischen Fresken, eine der Musterbeispiel für die deutsche ältesten Wallfahrtskirchen in Nord- Zeitgeschichte. deutschland, die malerische Altstadt Kunst im öffentlichen Raum, Bür- Salzgitter-Bad mit der Traditionsin- gerfeste und Open-Air-Konzerte sel und dem Rosengarten, das Gut auf der Insel im Salzgittersee zeigen Flachstöckheim mit einem engli- ein weiteres Gesicht. Salzgitter steht schen Park, die Ruine der einst von für ein Kontrastprogramm. Heinrich dem Löwen erbauten mächtigen Burg Lichtenberg oder Stadt Salzgitter Stift Steterburg. Referat für Öffentlichkeitsarbeit Seit 1995 hat Salzgitter ein Wahr- Joachim-Campe-Str. 6 – 8 zeichen – das Monument zur Stadt- 38226 Salzgitter geschichte vom Bildhauer Professor Telefon 0 53 41 / 8 39-0 Jürgen Weber. Es erzählt vom Lei- Fax 0 53 41 / 8 39-49 01

Stade – Historische Stadt mit moderner Industrie

Bereits im 8. Jahrhundert war Sta- 1209 erhielt Stade Stadtrecht und de ein günstiger Hafen und Anlege- gehörte seit dem 13. Jahrhundert platz. Hier an der Schwinge, nur we- auch der Hanse an. Der Hafen wur- nige Kilometer von der Elbe ent- de aber bald zu klein, sodass Ham- fernt, entwickelte sich schnell eine burg seit dem 15. Jahrhundert den Kaufmanns- und Handwerkersied- Elbhandel weitgehend an sich zie- lung, die 994 erstmals schriftlich er- hen konnte. Stade blieb jedoch Mit- wähnt wurde, als die Askomannen telpunkt des Elbe-Weser-Raumes. die Stadt eroberten. In den folgen- Als die Schweden 1645 das Land be- den Jahrhunderten war Stade, Resi- setzten, wurde die Stadt Verwal- denz eines bedeutsamen Grafenge- tungszentrum, eine bedeutende schlechts, der bedeutendste Hafen Landesfestung und Standort einer an der Unterelbe. Garnison. 266 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Ein verheerender Stadtbrand zerstörte 1659 zwei Drittel der Häuser und öffentli- chen Gebäude, die aber schnell wiederher- gestellt wurden. Die Fachwerkbauten des 17. Jahrhunderts prä- gen seitdem das Bild der Stadt. Nach der dä- nischen Eroberung und dem Abzug der Schwe- Der alte Hafen Foto: Stadtarchiv der Stadt Stade den 1712 blieb Stade auch unter hannoverscher Herr- zu erschließen begann. Das 1972 schaft eine Festung, deren Anlagen ans Netz gehende Kernkraftwerk im 18. und 19. Jahrhundert fast jede lieferte preiswerte Energie für ein gewerbliche Entwicklung verhin- großes Werk der Dow Chemical, derten. das Produkte der Grundstoff- und Erst 1867, unter preußischer Herr- Spezialitätenchemie herstellt, und schaft, wurde die Festung offiziell zwei Aluminiumwerke der VAW/ aufgegeben, die Garnison blieb je- AOS, die 1972/73 ihren Betrieb auf- doch erhalten. 1880 wurde ein neu- nahmen. Bereits 1962-64 hatte die er Hafen angelegt, 1881 die Eisen- Akzo an der Elbe eine der größten bahnlinie Harburg-Stade-Cuxhaven deutschen Salinen errichtet. Ins- eröffnet. Damit begann eine erste gesamt wurden in dieser Zeit, zu- verspätete Industrialisierung. sammen mit einem Zweigwerk der Bis 1939 wuchs die Bevölkerung MBB (heute DASA), die das Sei- auf knapp 18.000, zu denen ab 1944 tenleitwerk des Airbus herstellt, als Folge des zweiten Weltkrieges 5.000 moderne Arbeitsplätze ge- noch 12.000 Flüchtlinge und Ver- schaffen. triebene kamen. Die wirtschaftliche Die 1973 einsetzende Wachs- Strukturkrise nach dem Zweiten tumsphase der Stadt war die ent- Weltkrieg verhinderte zunächst die scheidende Voraussetzung für eine erforderliche Stadtsanierung. Eine umfassende planvolle Stadterneue- zweite Industrialisierung setzte rung. Die Altstadt wurde durchgrei- 1967/1968 ein, als das Land Nieder- fend und gleichzeitig historisch sachsen ein über 600 Hektar großes rücksichtsvoll saniert. Darüber hin- Industriegelände an der Unterelbe aus wurden neue kulturelle Schwer- Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 267 punkte gesetzt mit der Restaurie- bedingungen nicht unberührt ge- rung des schwedischen Proviant- blieben ist, so hat die Stadt, mit hauses, seit 1977 Regionalmuseum, heute gut 45.000 Einwohnern, doch und dem Bau des 1989 eröffneten als Standort moderner ressourcen- Kultur- und Tagungszentrums STA- schonender Industrie weiterhin DEUM. Die Verlegung des Regie- gute Wachstumschancen. rungssitzes nach Lüneburg 1978 und die vollständige Auflösung der Stadt Stade Garnison 1993 waren allerdings tie- Johannisstraße 5 fe ökonomische Einschnitte. 21677 Stade Auch wenn Stade von den ver- Telefon 0 41 41 / 4 01-0 schärften wirtschaftlichen Rahmen- Fax 0 41 41 / 4 01-1 02

Wilhelmshaven setzt Zeichen Wilhelmshaven wurde 1869 zu langen Spaziergängen am Meer durch König Wilhelm I. von Preußen ein. Seewasseraquarium, National- gegründet. Auch heute noch ist die parkzentrum „Das Wattenmeer- Stadt Deutschlands größter Marine- haus“, die Dauerausstellung „Der stützpunkt. Pottwal von Baltrum“ sowie das Das richtungsweisende Ziel für „Deutsche Marinemuseum“ sind at- die Zukunft ist für die gesamte Re- traktive Anlaufpunkte. gion die „EXPO AM MEER“ im Jahr Nur einen „Katzensprung“ vom 2000, denn Wilhelmshaven ist seit Südstrand entfernt, direkt neben Oktober 1996 dezentrales, regis- der 1908/1909 erbauten Kaiser-Wil- triertes Projekt der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover. Beliebter Anzie- hungspunkt ist, neben den vielen großflächig angelegten Grünanla- gen, der Wilhelmshave- ner Südstrand. Er ist der einzige Südstrand an der deutschen Nord- seeküste. Mit seiner südländisch anmuten- den Promenade lädt er Hafen Foto: Stadt Wilhelmshaven 268 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts helm-Brücke, liegen die Museums- Kulturzentrum Pumpwerk, dessen schiffe „Kapitän Meyer“, ein alter Ruf überregional ausstrahlt, sind Tonnenleger, und das Weserfeuer- Eckpfeiler der Kulturszene in Wil- schiff „Norderney“. Der sich an- helmshaven. schließende Bontekai verbindet Golfplatz, Freibäder, Tennis- und Südstrand und Hafen mit der neuen Squashcenter sowie eine große maritimen Mitte, der Nordseepas- Funcartbahn ergänzen das breit- sage. gefächerte „Outdoor“-Freizeitan- Dieses neue Highlight in der City gebot. ist von dem bekannten Hamburger Weitere Sehenswürdigkeiten sind Architekten Meinhard von Gerk- das 1929 erbaute Rathaus mit sei- hahn (Bahnhöfe Leipzig und Stutt- nem 49 Meter hohen Aussichtsturm, gart) entworfen und mit einem das 1906 im Stil der Neu-Renais- Investionsvolumen von 150 Millio- sance erbaute „Robert-Koch-Haus“ nen Mark realisiert worden. Anfang und die historische preußische Ach- September 1997 wurde die „Nord- se von der Garnisonskirche über die seepassage“ mit 60 Geschäften, Denkmale König Wilhems I. und des Cafés und einem neuen, modernen Prinzen Adalbert bis zum Adalbert- Bahnhof eröffnet. platz. Kulturell bietet die Nordseestadt mehr als nur Mittelmaß. Das Stadt- Stadt Wilhelmshaven theater mit dem Sitz der Landes- Pressereferat, Rathaus bühne Niedersachsen Nord, Kunst- 26380 Wilhelmshaven halle, Küstenmuseum, Stadthalle, Telefon 0 44 21 / 16-0 private Galerien, und vor allem das Fax 0 44 21 / 16-12 22

Wolfsburg – Forschung und Innovation

Im Zentrum Deutschlands, karto- Im Jahr 1938 ist Wolfsburg, da- graphisch gesehen exakt 10Þ 47’ mals noch „Stadt des KdF-Wagens“, östlicher Länge und 52Þ 25’ nördli- auf grüner Wiese entstanden. Erst cher Breite, 60 m über dem Meeres- nach dem 2. Weltkrieg erhielt die spiegel, erstreckt sich Wolfsburg – Stadt ihren endgültigen Namen. mit 20,4 Hektar fast so groß wie die Der Name „Wolfsburg“ ist aller- Landeshauptstadt. Die Stadt liegt dings schon in einer Urkunde aus verkehrsgünstig an der ICE-Strecke dem Jahr 1302 erwähnt. Dort wird Hannover-Berlin, am Mittellandka- die Wolfsburg (ein Schloss an der nal und ist über die A 39 an die A 2 Aller, Namensgeber der Stadt) als angebunden. Sitz eines Adelsgeschlechts ge- Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 269 nannt. Nach dem Krieg nahm die Stadt eine stürmi- sche Entwicklung. Die Einwohner- zahl wuchs rasch und erreichte 1981 den Höchst- stand von über 130.000 Einwoh- nern. In jedem Jahr- zehnt entstand wenigstens ein neuer Stadtteil, sodass sich in Kunstmuseum Foto: Jochen Fritzsche Wolfsburg die Ar- chitektur der Bundesrepublik wider- lungen setzt darüber hinaus viel be- spiegelt. Berühmte Architekten ha- achtete bundesweite Akzente in der ben Wolfsburg geprägt: Alvar Aalto Kunstszene. entwarf das Kulturhaus und zwei Wer über Wolfsburg spricht, Kirchen, Hans Scharoun plante das kommt nicht an der Volkswagen AG Theater, das Kunstmuseum von vorbei. Dass dort innovative Produk- Schweger und Partner setzt einen te entwickelt und gebaut werden, besonderen städtebaulichen Akzent ist bekannt. Nicht nur die Beleg- am südlichen Stadteingang. schaft, auch die Stadt hat von der Generell gilt, dass Innovation und 4-Tage-Woche profitiert. Mut zum Neuen diese Stadt kenn- Aber auch das Auto-Museum zeichnen. Das zeigt sich in besonde- Volkswagen und die im Entstehen rem Maße in der Kulturlandschaft. begriffene Neue Autostadt mit Schon früh begann die Städtische zahlreichen audio-visuellen Attrak- Galerie mit viel Ideenreichtum und tionen, die es zum Vergnügen ma- Initiative zeitgenössische Kunst zu chen werden, seinen neuen fahrba- sammeln. Inzwischen umfasst diese ren Untersatz abzuholen, sowie das Sammlung über 5.000 Gemälde, Pla- von VW der Stadt geschenkte Plane- stiken, Skulpturen, Kunstwerke aller tarium, das einzige Großplanetari- Stilarten. Das Kunstmuseum Wolfs- um in Niedersachsen, bereichern die burg der Kunststiftung Volkswagen kulturell-technischen Angebote der mit seinen herausragenden Ausstel- Stadt. 270 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Wolfsburg hat sich inzwischen zu Kunststoffen auf Erdölbasis aus Na- einem wichtigen Standort der Fach- turprodukten wie Raps zu konkur- hochschule Braunschweig-Wolfen- renzfähigen Preisen herzustellen, büttel entwickelt. Zahlreiche Studi- hat im wahrsten Sinne des Wortes engänge in den Fachbereichen Pro- Zukunft für Mensch, Natur und duktions- und Verfahrenstechnik, Technik. Wirtschaft und Gesundheitswesen werden hier angeboten. Inzwischen Stadt Wolfsburg sind hier 1.000 Studenten einge- Presse- und Informationsreferat schrieben. Rathaus Innovativ ist auch das EXPO 2000- 38409 Wolfsburg Projekt „Nachwachsende Rohstof- Telefon 05361/ 28-0 fe“. Die Idee, Produkte statt aus Fax 05361/ 28-2100 Statistische und historische Daten Niedersachsens

Niedersachsen in Zahlen

Allgemeines Einwohner Fläche Einwohner je km2 Niedersachsen 7 859 505 47 613,4 164,8 Bez.-Reg Braunschweig 1 670 013 48 097,5 206,7 Bez.-Reg Hannover 2 148 812 49 045,6 237,7 Bez.-Reg Lüneburg 1 641 848 15 505,1 105,2 Bez.-Reg Weser-Ems 2 398 832 14 965,1 159,7

Städte über 100 000 Einwohner Hannover 520 670 Braunschweig 248 944 Osnabrück 166 653 Oldenburg 153 531 Göttingen 127 366 Wolfsburg 122 798 Salzgitter 115 453 Hildesheim 105 405

Berge über 500 Meter Höhe Wurmberg Harz 971 m Bruchberg Harz 927 m Achtermann Harz 925 m Große Blöße Solling 528 m

Tiefste Punkte Ort Gemeinde Höhe in m unter NN

Freepsumer Meer Krummhörn – 2,5 Wynhamster Kolk Dollart – 2,5 Althemmoor Hemmoor – 1,5 272 Statistische und historische Daten Niedersachsens

Wichtige Flüsse (km-Länge in Niedersachsen)

Weser 353 km Leine 247 km Ems 241 km Elbe 238 km Aller 205 km

Binnenseen

Steinhuder Meer 27 km2 Dümmer 13 km2 Zwischenahner Meer 5,5 km2 Großes Meer 2,6 km2 Bederkesaer See 1,7 km2

Talsperren

Speicherraum Max.Wasserfläche in Mill. m3 in ha

Okertalsperre 47,4 230 Granetalsperre 46,4 220 Odertalsperre 30,6 136 Sösetalsperre 25,5 121 Innerstetalsperre 20,0 150

Nordseeinseln

Borkum 31 km2 Norderney 25 km2 Langeoog 20 km2 Spiekeroog 17 km2 Juist 12 km2 Wangerooge 8 km2 Baltrum 7 km2 Statistische und historische Daten Niedersachsens 273

Grenzlänge Niedersachsen hat zu folgenden Bundesländern und mit den Niederlanden gemeinsame Grenzen

Nordrhein-Westfalen 583 km Sachsen-Anhalt 343 km Bremen 197 km Niederlande (nur Festland) 180 km Hessen 167 km Schleswig-Holstein ca. 114 km Thüringen 112 km Mecklenburg-Vorpommern 79 km Hamburg 79 km Brandenburg 30 km

Kanäle

Kanal Kilometerlänge in Niedersachsen

Mittellandkanal 195 Dortmund-Ems-Kanal 147 Elbe-Seitenkanal 115 Ems-Jade-Kanal 72 Küstenkanal 70

Ergebnisse der Lantagswahlen

SPD CDU GRÜNE FDP Nichtwähler (in v.H.) (in v.H.) (in v.H.) (in v.H.) (in v.H.)

1947 43,4 19,9 8,8 34,9 1951 33,7 23,8 8,4 24,2 1955 35,2 26,6 7,9 22,5 1959 39,5 30,8 5,2 22,0 1963 44,9 37,7 8,8 23,1 1967 43,1 41,7 6,9 24,2 1970 46,3 45,7 4,4 23,3 1974 43,1 48,8 7,0 15,6 1978 42,2 48,7 3,9 4,2 21,5 1982 36,5 50,7 6,5 5,9 22,3 1986 42,1 44,3 7,1 6,0 22,7 1990 44,2 42,0 5,5 6,0 25,4 1994 44,3 36,4 7,4 4,4 26,2 1998 47,9 35,9 7,0 4,9 26,2 274 Statistische und historische Daten Niedersachsens

Landesregierungen und Ministerpräsidenten

Regierungsbildung Regierungspartei(-en) Ministerpräsident

1946 SPD/CDU/NLP/FDP/KPD Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1947 SPD/CDU/DP/KPD/DZP/FDP Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1948 SPD/CDU/DZP Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1951 SPD/BHE/DZP Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1955 DP/CDU/FDP/GB-BHE Heinrich Hellwege (DP)

1957 DP/CDU/SPD Heinrich Hellwege (DP)

1959 SPD/FDP/GB-BHE Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1961 SPD/FDP/GB-BHE Georg Diederichs (SPD)

1963 SPD/FDP Georg Diederichs (SPD)

1965 SPD/CDU Georg Diederichs (SPD)

1967 SPD/CDU Georg Diederichs (SPD)

1970 SPD Alfred Kubel (SPD)

1974 SPD/FDP Alfred Kubel (SPD)

1976 CDU Ernst Albrecht (CDU)

1976 CDU/FDP Ernst Albrecht (CDU)

1978 CDU Ernst Albrecht (CDU)

1982 CDU Ernst Albrecht (CDU)

1986 CDU/FDP Ernst Albrecht (CDU)

1990 SPD/Grüne Gerhard Schröder (SPD)

1994 SPD Gerhard Schröder (SPD)

1998 SPD Gerhard Schröder (SPD)

1998 SPD Gerhard Glogowski (SPD) Statistische und historische Daten Niedersachsens 275

Zeittafel

150 nach Erstmalige Erwähnung der in Holstein und auf einigen Christi Geburt Inseln vor der Elbmündung lebenden Sachsen (Ptolemäus) In den folgenden drei Jahrhunderten Ausdehnung der Sachsen über ganz Norddeutschland und Beteiligung an der Landnahme in England 772 bis 804 Die Sachsenkriege Karls des Großen. Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich. Christianisierung 850 Entstehung des jüngeren Stammesherzogtums unter den Liudolfingern 919 Wahl Herzog Heinrichs v. Sachsen zum Deutschen König; für 100 Jahre führende Rolle Sachsens im Reich 966 Hermann Billung von Otto d. Großen zum Herzog in Sachsen ernannt 993 – 1022 Bernward, Bischof von Hildesheim; Bau der Michaeliskirche, Bronzetüren des Domes und der Christussäule; kulturelle Blütezeit in Niederdeutschland 1073 Sachsenaufstand gegen Kaiser Heinrich IV.; an der Spitze Otto von Northeim, der die Billunger aus der Führung des Sachsenstammes verdrängt um 1100 Erstes Auftreten des Grafen von Oldenburg 1106 Heirat Herzog Heinrichs des Schwarzen mit der billungischen Erbtochter Wulfhild, erstes Auftreten der Welfen in Sachsen um 1140 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen, Ausbau einer königsgleichen Machtstellung 1180 Prozess von Gelnhausen; Absetzung Heinrichs des Löwen und Teilung des Herzogtums Sachsen Im Laufe des späten Mittelalters Entstehung von etwa 40 kleinen Territorien im Gebiet des heutigen Niedersachsen 1218 Tod Kaiser Ottos IV.; Rückzug der Welfen aus der mittelalterlichen Weltgeschichte 276 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1220 – 1230 Aufzeichnung des sächsischen Stammesrechtes durch Eike von Repgow im „Sachsen-Spiegel“ 1235 Belehnung Ottos des Kindes mit dem aus den Eigengütern Heinrichs des Löwen gebildeten Herzogtum Braunschweig-Lüneburg 1252 Beginn zahlloser die Macht und das Ansehen des Welfenhauses schwächender Erbteilungen (die letzte Teilung 1635) 1354 Erste urkundliche Erwähnung des Namens »Niedersachsen« 1361 Erstes Auftreten des »Sachsenrosses« als heraldisches Zeichen im Siegel der Herzöge von Braunschweig- Grubenhagen 1464 Entstehung der Reichsgrafschaft Ostfriesland unter den Cirksena 1494/1575 Die Oldenburger Grafen erweitern ihr Territorium durch Erwerb des Stadlandes und Butjadingen und der Herrschaft Jever 1512 Einrichtung eines »Niedersächsischen Reichskreises« Der Name Niedersachsen erlangt zum ersten Male in der Geschichte staatsrechtliche Bedeutung 1521 – 1546 Herzog Ernst „der Bekenner“ von Lüneburg, Einführung der Reformation 1576 Gründung der Universität Helmstedt durch Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (von König Jérôme geschlossen im Jahre 1809) 1582/99 Aussterben der Grafen von Hoya, Diepholz, Hohnstein und Blankenburg-Regenstein; ihre Territorien fallen an die Welfen 1597/1601 Landtagsabschiede von Salzdahlum (für Wolfenbüttel) und Gandersheim (für Calenberg) festigen das Meierrecht und verhindern Gutsuntertänigkeit der Bauern 1621 Gründung der Universität Rinteln durch Graf (Fürst) Ernst von Schaumburg (von König Jérôme geschlossen 1809) Statistische und historische Daten Niedersachsens 277

1626 Niederlage Christians IV. von Dänemark, Oberst des nieders. Reichskreises und Vorkämpfer des Protestantismus, bei Lutter am Barenberge

1633 Sieg Herzog Georgs von Lüneburg bei Hess. Oldendorf; Wende des 30jähr. Krieges für Niedersachsen

1634/35 Aussterben der Linie Wolfenbüttel; Verzicht auf die mögliche Zusammenfassung aller welfischen Besitzungen, erneute Teilung in die Fürstentümer: Lüneburg, Wolfenbüttel und Calenberg

1634 – 1666 Herzog August d. Jüngere, Begründer der Bibliotheca Augusta in Wolfenbüttel

1636 Hannover Residenzstadt des Fürstentums Calenberg

1648 Westfälischer Frieden: Herzogtümer Bremen und Verden an Schweden; Wiederherstellung des großen Stiftes Hildesheim, wechselnde Regierung des Bistums Osnabrück durch kath. Bischöfe und welf. Herzöge; Bistümer Magdeburg, Halberstadt und Minden an Brandenburg, das damit die welfischen Lande in die Zange nimmt

1666 – 1714 Anlegung des Großen Gartens in Herrenhausen durch Herzog Johann Friedrich und Kurfürstin Sophie: Musenhof von Herrenhausen (Leibniz ist seit 1676, Händel von 1710 bis 1712 in Hannover)

1667 Tod des Grafen Anton Günther – dänische Statthalter verwalten Oldenburg (bis 1773)

1692 Herzog Ernst August von Calenberg wird neunter Kurfürst d. Reiches: Kurfürstentum Hannover

1701 Beschluss des britischen Parlaments („Act of Settlement“): Sophie, Kurfürstinwitwe von Hannover, Erbin der englischen Krone

1714 – 1837 Personalunion des Kurfürstentums Hannover mit dem britischen Königreich 278 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1714 Georg Ludwig, Kurfürst von Hannover, als Georg I. König von Großbritannien; Personalunion bis 1837

1715/20 Herzogtümer Bremen und Verden kommen von Schweden an das Kurfürstentum Hannover

1737 Gründung der Universität Göttingen (durch Premier- minister Gerlach Adolph von Münchhausen)

1744 Aussterben des Hauses Cirksena, Ostfriesland preußisch

1745 Gründung des „Collegium Carolinum“ in Braunschweig, erste technische Hochschule Deutschlands

1753 Braunschweig Hauptstadt des Herzogtums Braunschweig (-Wolfenbüttel)

1757 Kapitulation der hann. Armee bei Hastenbeck und Zeven: Hannover im 7-jährigen Krieg wie später in den napoleonischen Kriegen infolge der Personalunion mit Großbritannien Angriffsziel der Franzosen

1764 – 1786 „Kurhannoversche Landesaufnahme“; Vermessung des Kurfürstentums zu militärischen und wirtschaftlichen Zwecken

1767/73 Grafschaft Oldenburg wieder selbständig, 1774: Herzogtum

1776 – 1781 Gotthold Ephraim Lessing Bibliothekar in Wolfenbüttel

1803 Hann. Armee unterliegt den Franzosen bei Sulingen; tritt größtenteils in London in die „Königlich Deutsche Legion“ ein und kämpft in den napoleonischen Kriegen auf allen Schlachtfeldern Europas

1807/10 Niedersachsen südlich d. Linie Minden-Lauenburg kommt zum Königreich Westphalen, nördlich davon zum Kaiserreich Frankreich

1814 Erhebung Hannovers zum Königreich; erste Allgemeine Ständeversammlung im Leineschloss; Fortbestehen der Provinziallandschaften; ständischer Dualismus bis 1866 Statistische und historische Daten Niedersachsens 279

1815 Wiener Kongress: Gebietsgewinne für Hannover und Oldenburg (jetzt Großherzogtum); auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsen nur noch vier Staaten: Königreich Hannover, Großherzogtum Oldenburg, Herzogtum Braunschweig, Fürstentum Schaumburg- Lippe 1820 Erneuerte Landschaftsordnung, gemäßigt liberale Verfassung für Braunschweig 1830 Braunschweiger Aufruhr. Herzog Karl II. gestürzt 1831 Bauernbefreiung in Hannover durch Ablösungsgesetz (J. C. B. Stüve) 1832 „Neue Landschaftsordnung“ für das Herzogtum Braunschweig 1833 Staatsgrundgesetz in Hannover: Zweikammersystem, in der II. Kammer Bürger und Bauern, beschränkte Ministerverantwortlichkeit, Vereinigung der ständischen mit der kgl. Kasse zu einer dem Haushaltsrecht der Stände unterliegenden Staatskasse (König Wilhelm IV) 1835 Gründung eines »Historischen Vereins« für Niedersachsen 1837 »Steuerverein« der Länder Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe und Hannover 1837 Ende der Personalunion mit England, Ernst August König v. Hannover. Aufhebung des Staatsgrundgesetztes, Entlassung der dagegen protestierenden „Göttinger Sieben“ 1848 März-Revolution; in Hannover Berufung des Oppositionsführers Stüve in das Kabinett; liberale Verfassung, teilweise durch die Reaktion im Jahre 1855 zurückgenommen 1849 Das Großherzogtum Oldenburg erhält ein Staatsgrundgesetz 1854 Beitritt Hannovers zum Zollverein 1866 Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen 280 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1867 Einführung der Provinzialverwaltung für Hannover, die zum Vorbild auch für andere preuß. Provinzen wird

1868 Das Fürstentum Schaumburg-Lippe erhält eine Verfassung

1905 – 1938 Bau des Mittellandkanals

1913 Vermählung Herzog Ernst Augusts, des Enkels Georgs V., mit Viktoria Luise, Tochter Wilhelms II., Thronbesteigung in Braunschweig

1914 – 1918 Der Erste Weltkrieg legt auch der Bevölkerung auf niedersächsischem Boden viele Opfer auf.

1918/22 Nach der Revolution Rücktritt der regierenden Fürsten; Verfassungen für Oldenburg (1919), Braunschweig (1921), Schaumburg-Lippe (1922), G. Noske Oberpräsident der Provinz Hannover (1920/1933)

1919/1930 Reichsreformpläne sehen die Gründung eines »Reichsgebiets Niedersachsen« vor, sind jedoch politisch nicht durchsetzbar

1924 Gescheiterter Versuch der Deutsch-Hannoverschen Partei, durch eine Volksabstimmung das Land Hannover (Loslösung Hannovers von Preußen) wiederherzustellen

1931 Bildung der Harzburger Front (NSDAP, Deutschnationale und „Stahlhelm“)

1932 Absolute Mehrheit der NSDAP in Oldenburg; legale Machtübernahme durch Gauleiter Röver

1933/34 Beseitigung der Länderhoheit im Zuge der Gleichschaltungspolitik des Nationalsozialismus. Reichsstatthalter werden eingesetzt, und die Länder werden im Rahmen der Gaueinteilung der NSDAP zu Verwaltungsbezirken des Reiches

1934 Gesetz über den Neuaufbau des Reiches führt zur Gleichschaltung der Länder

1938 Gründung von Volkswagenwerk und Stadt Wolfsburg Statistische und historische Daten Niedersachsens 281

1939 – 1945 Zweiter Weltkrieg. Schwere Luftangriffe richten besonders in Emden, Wilhelmshaven, Osnabrück, Hannover, Braunschweig und Hildesheim große Schäden an. Zahlreiche Menschen finden dabei den Tod. Unersetzliche Kulturwerte werden vernichtet 1943/45 Konzentrationslager in Bergen-Belsen; mehr als 50 000 Tote, darunter Anne Frank 15. April1945 KZ Bergen-Belsen von britischen Truppen befreit 1945 Kapitulation der Deutschen Wehrmacht an der britischen Front („Victory Hill“ bei Lüneburg); der nieders. Raum gehört zur britischen Besatzungszone; Teilkapitulation 4. Mai 1945 deutscher Truppen gegenüber dem britischen Feldmarschall Montgomery bei Lüneburg August 1945 Ernennung von Landesregierungen in Braunschweig, Oldenburg und Schleswig-Holstein durch die britische Besatzungsmacht 15. 9. 1945 Verordnung Nr. 12 der britischen Militärregierung über die Zulassung von Parteien 1945/46 Historisch bedeutsame Ablehnung einer Fusion der SPD mit der KPD durch Kurt Schumacher 1945 Bildung d. Landes Niedersachsen aus den ehemaligen Ländern Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe; Min.-Präs. H. W. Kopf 1945 – 1962 Registrierung von mehr als 4,68 Mill. Flüchtlingen in den nds. Lagern; Ansteigen der Bevölkerung des Landes um mehr als 50 Prozent 1946 Erste Export-Messe in Hannover 21. 1. 1946 Konstituierung des ernannten Oldenburgischen Landtags (1. Parlament in der britischen Zone) 15. 2. 1946 Konstituierung des Zonenbeirates in der britischen Besatzungszone 21. 2. 1946 Konstituierung des ernannten Braunschweigischen Landtages 282 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1. 4. 1946 Einführung der Gemeindeverfassung nach britischem Vorbild: Gewaltenteilung zwischen Bürgermeister- und Gemeindedirektorenamt

20. 5. 1946 Eingliederung von Schaumburg-Lippe in den Regierungs- bezirk Hannover

30. 6. 1946 Aufhebung der Freizügigkeit zwischen dem Gebiet der Westalliierten und der sowjetischen Besatzungszone

23. 8. 1946 Umwandlung der Provinz Hannover in ein selbständiges Land; Verordnung Nr. 46. Eröffnung des (ernannten) Landtags in Hannover; Ernennung von Hinrich Wilhelm Kopf zum Ministerpräsidenten

15. 9. 1946 Gemeindewahlen in der britischen Zone

13. 10. 1946 Kreistagswahlen in der britischen Zone

1. 11. 1946 Rückwirkendes In-Kraft-Treten der Verordnung Nr. 55 der britischen Militärregierung über die Bildung des Landes Niedersachsen (ausgegeben am 8. November) aus den Ländern Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe

23. 11. 1946 Ernennung von Hinrich Wilhelm Kopf (SPD) zum ersten Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen

9. 12. 1946 Konstituierende Sitzung des (ernannten) Niedersächsischen Landtages in Hannover. Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Kopf

1.1. 1947 Zusammenschluss der britischen und der amerikanischen Besatzungszone zur Bizone

25. 2. 1947 Auflösung Preußens durch Gesetz des Alliierten Kontrollrats

26. 2. 1947 Gesetz über die „vorläufige Ordnung der niedersächsischen Landesgewalt“ (Notverfassung)

20. 4. 1947 Wahl der Abgeordneten zum 1. Niedersächsischen Landtag

18. 8. 1947 Eröffnung der ersten Hannover-Messe Statistische und historische Daten Niedersachsens 283

1947 Die Arbeitslosenquote in Niedersachsen beträgt 22,4 Prozent

20. 5. 1949 Billigung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland durch den Niedersächsischen Landtag

23. 5. 1949 In-Kraft-Treten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland

14. 8. 1949 Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag

7. 10. 1949 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik

13. 4. 1951 Annahme der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung im Niedersächsischen Landtag

19. 3. 1955 Loccumer Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und der evangelischen Kirche. Loccumer Vertrag: Regelung der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Land Nieder- sachsen und den evangelischen Landeskirchen

24. 4. 1955 Errichtung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes mit Sitz in Bückeburg

1956 Volksbegehren in Oldenburg und Schaumburg-Lippe zur Wiederherstellung der ehemaligen Länder

16. 2. – Große Sturmflut (schwere Schäden) an der 17. 2. 1962 niedersächsischen Nordseeküste. Erweiteter Küstenplan zum Schutz der Deiche

27. 2. 1965 Konkordat zwischen dem Land Niedersachsen und der katholischen Kirche

19. 3. 1969 Gutachten zur Gebiets- und Verwaltungsreform (Weber-Gutachten)

Februar bis Auseinanderbrechen der Großen Koalition in Hannover April 1970 und Selbstauflösung des Niedersächsischen Landtages

1971/1972 Einführung schulformunabhängiger Orientierungsstufen und Gründung von Gesamtschulen

19. 1. 1975 Volksentscheid in Oldenburg und Schaumburg-Lippe zur Wiederherstellung der ehemaligen Länder 284 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1977 Abschluss der Gebiets- und Verwaltungsreform: 4 Bezirksregierungen, 38 Landkreise, 9 kreisfreie Städte 1977 Niedersächsisches Hochschulgesetz, erlassen für die wissenschaftlichen, künstlerisch-wissenschaftlichen Hochschulen und Fachhochschulen des Landes 1980 NDR-Staatsvertrag zwischen Niedersachsen, Schleswig- Holstein und Hamburg; u.a. stärkere Regionalisierung: „Radio Niedersachsen“ und „Niedersachsen-Fernsehen“ 1984 Landesrundfunkgesetz: Zulassung privater Hörfunk- und Fernsehanstalten 9. 11. 1989 Fall der Mauer in Berlin, später Öffnung der deutsch-deutschen Grenze Juni 1990 Hannover erhält den Zuschlag für die EXPO 2000 3. 10. 1990 Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands am 3. Oktober; Beginn der Hilfe Niedersachsens zum Aufbau einer Landesverwaltung im Partnerland Sachsen- Anhalt 13. 5. 1993 Annahme der Niedersächsischen Verfassung im Niedersächsischen Landtag (in Kraft getreten am 1. Juni) 29. 6. 1993 Rückgliederung des Amtes Neuhaus nach Niedersachsen

1. 6. 1994 In-Kraft-Treten des Niedersächsischen Gleichberechti- gungsgesetzes zur Erhöhung des Frauenanteils in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft 8. 11. 1995 Beschluss des Niedersächsischen Landtags über die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen 6. 3. 1996 Wiedereinführung der eingleisigen Kommunal- verfassung: Direktwahl von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie von Landrätinnen und Landräten Quellen- und Literaturverzeichnis

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Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens, Studium der Be- am Niedersächsischen Institut für Wirt- triebswirtschaftslehre und der Soziologie schaftsforschung e. V. in Hannover sowie an der Universität Hamburg, Diplomkauf- Lehrbeauftragter für Angewandte Wirt- mann 1966, Promotion 1972; seit 1976 Pro- schaftsgeographie am Geographischen In- fessor für Soziologie an der Universität der stitut der Universität Hannover. Arbeits- Bundeswehr. Arbeitsschwerpunkte: Orga- schwerpunkte: Regionale Informationssy- nisationssoziologie, Sozialisation, Soziolo- steme, regionale Strukturanalysen, Regio- gie des Bildungswesens und der Bildungs- nale Strukturpolitik, Kommunale Wirt- politik. MdL in Niedersachsen von 1970 bis schaftsförderung. 1990, 1978 – 1990 Vorsitzender des Kultus- Prof. Dr. Werner Klohn, Promotion 1985, Ha- ausschusses; seit 1996 Landrat (ehren- bilitation 1990. Tätig im Institut für Struk- amtl.) des Landkreises Harburg. turforschung und Planung in agrarischen Dr. Marron Fort, Akademischer Oberrat und Intensivgebieten der Hochschule Vechta. Fachreferent für Sprachwissenschaft im Arbeitsschwerpunkte: Land- und Forst- Bibliotheks- und Informationssystem der wirtschaft, ländliche Siedlungen, Deutsch- Universität Oldenburg. Als Leiter der Ar- land, USA. beitsstelle Niederdeutsch und Saterfrie- Dr. jur. utr. Hansjürgen Knoche, Ministerial- sisch erforscht er die auf friesischem Sub- dirigent und Präsident a. D., 1. und 2. juris- strat entstandenen niederdeutsch-nieder- tisches Staatsexamen 1954 und 1957, Pro- sächsischen Mundarten im Küstenraum motion 1957. Nach Tätigkeit als Rechtsan- zwischen dem niederländischen. Lauwers- walt und in der Wirtschaft 1972 Eintritt in meer und der Weser und bereitet die den niedersächsischen Staatsdienst. 1981 2. Auflage des Saterfriesichen Wörter- bis 1990 Referatsleiter im Innenministeri- buchs vor. um und Landeswahlleiter. 1991 bis zur Prof. Dr. Barbara Hahn, Studium und Promo- Pensionierung 1993 Abteilungsleiter und tion an der Ruhr-Universität Bochum, 1983 Präsident des Landesamtes für Verfas- bis 1994 Wiss. Mitarbeiterin am Geogra- sungsschutz. phischen Institut der Universität Mann- Dr. Michael Kosinowski, Leiter des Referates heim. Seit 1995 Professur für Wirtschafts- „Kohlenwasserstoffgeologie“ beim Nie- geographie an der Universität Lüneburg. dersächsischen Landesamt für Bodenfor- Arbeitsschwerpunkte: Stadtgeographie schung (NLfB) in Hannover. und -planung, Wirtschaftsgeographie, in- Hartwin Kramer, Richter, seit 1992 Präsident bes. Geographie des Einzelhandels, Ba- des Oberlandesgerichts Oldenburg. Mit- den-Württemberg, Niedersachsen, Norda- glied des Niedersächsichen Staatsgerichts- merika und Zypern. hofs, Mitglied und Prüfungsausschussvor- Univ.-Prof. Dr. Carl-Hans Hauptmeyer, 1972 sitzender beim Niedersächsischen Landes- Staatsexamen für das Lehramt an Gymna- justizprüfungsamt, seit 1994 Vorsitzender sien, 1975 Promotion, 1978 Habilitation, des Niedersächsischen Richterbundes und seit 1983 Professor für „Geschichte des Mitglied des Vorstandes des Deutschen späten Mittelalters und der frühen Neu- Richterbundes. zeit unter Einschluss der Regional- und Lo- Prof. Dr.Elmar Kulke, Univ.-Prof. für Wirt- kalgeschichte“ am Historischen Seminar schaftsgeographie am Geographischen In- der Universität Hannover. Arbeitsschwer- stitut der Humboldt-Universität zu Berlin. punkte: Theorie und Anwendung der Re- Arbeitsschwerpunkte: allgemeine Wirt- gionalgeschichte, Wirtschafts- und Sozial- schaftsgeographie (vor allem Einzelhan- geschichte Niedersachsens, Stadtgeschich- del/Dienstleistungen); regionale Wirt- te, Geschichte ländlicher Räume. schaftsgeographie Deutschlands und Süd- Prof. Dr. Hans-Ulrich Jung, von 1975 bis 1978 ostasiens. Wiss. Assistent an der Freien Universität Dr. Alfred Langer, Leiter des Referates „Lan- Berlin. Von 1978 bis 1982 Wiss. Assistent desaufnahme Rohstoffe“ beim Nieder- am Geographischen Institut der Univer- sächsischen Landesamt für Bodenfor- sität Hannover. Seit 1982 Wiss. Mitarbeiter schung (NLfB) in Hannover. Verfasser 291

Ingo Liefner, Diplom-Geograph, Studium an punkte: Regionale Kulturpflege, Architek- der Universität Hannover und der Wirt- tur und Baudenkmalpflege. Seit 1995 auch schaftsuniversität Wien. Seit 1996 wissen- Lehrbeauftragte für Baugeschichte an der schaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung Fachhochschule Oldenburg. Wirtschaftsgeographie des Geographi- schen Instituts der Universität Hannover. Frank Wagner, Dipl.-Geograph, von 1994 bis Arbeitsschwerpunkte: Angewandte Wirt- 1996 Wiss. Mitarbeiter am Niedersächsi- schaftsgeographie, Statistik, Hochschul- schen Institut für Wirtschaftsforschung forschung. e.V. Von 1996 bis 1998 Wiss. Mitarbeiter am Geographischen Institut der Univer- Victor Lis, seit 1971 Geschäftsführer des Ver- sität Hannover. Seit 1999 Mitarbeiter der bandes Nordwestdeutscher Zeitungsverle- IHK Hannover-Hildesheim. Arbeitsschwer- ger. Studium der Rechtswissenschaften an punkte: regionalwirtschaftlicher Struktur- den Universitäten Berlin, Kiel und Göttin- wandel, Verkehrswirtschaft. gen. Studium der Publizistik an der Freien Universität Berlin. Verschiedene Tätigkei- Dr. Martin Wenz, von 1995 bis 1997 beim ten als Justitiar und Verlagsleiter in Zei- früheren Niedersächsischen Landesverwal- tungs- und Buchverlagen. Geschäftsführer tungsamt, Institut für Denkmalpflege in in touristischen Unternehmen. Veröffentli- der Außenstelle Oldenburg als Bezirkskon- chungen über medienpolitische Fragen. servator tätig. Seit 1998 Konservator am 1996 Verleihung des Verdienstordens neugegründeten Niedersächsischen Lan- 1. Klasse des niedersächsischen Verdienst- desamt für Denkmalpflege. ordens. Ingo Werner, 2. juristisches Staatsexamen Prof. Dr. Ingo Mose, Promotion 1987, Habili- 1989. Danach Justiziar bei einem Verband tation 1993. Seit 1998 Professor für Regio- der gesetzlichen Krankenversicherung, ab nalwissenschaften im Institut für Umwelt- 1991 Tätigkeit in der niedersächsischen wissenschaften der Hochschule Vechta. Ar- Ministerialverwaltung, zuletzt als Leiter beitsschwerpunkte: Ländliche Räume, Re- des Referates „Sozialversicherung, Kran- gionalentwicklung, Deutschland, EU. ken-, Renten- und Unfallversicherung“ im Dr. Javier Revilla Diez, Studium und Promo- Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozia- tion an der Universität Hannover, seit 1992 les. Seit Februar 1999 Vorstandsvorsitzen- wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geogra- der des Landesverbandes der Betriebs- phischen Institut, Abteilung Wirtschafts- krankenkassen Niedersachsen. Arbeits- geographie der Universität Hannover. Ar- schwerpunkte: Weiterentwicklung der So- beitsschwerpunkte: Wirtschafts- und In- zialversicherung, speziell der Krankenver- dustriegeographie, insbesondere System- sicherung; Vernetzung, Verzahnung und transformation, technologischer Wandel Kooperation der verschiedenen Bereiche und Regionalentwicklung, Entwicklungs- des Gesundheitswesens. länderforschung, empirische Regionalfor- schung. Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst, Promotion 1969, Habilitation 1977. Direktor des Insti- Ursula Maria Schute, 1973 Erste Künstlerisch- tuts für Strukturforschung und Planung in Wissenschaftliche Staatsprüfung, 1976 agrarischen Intensivgebieten der Hoch- Studienrätin, 1981 Oberstudienrätin, seit schule Vechta. Arbeitsschwerpunkte: 1988 Direktorin der Oldenburgischen Land- und Forstwirtschaft, vergleichende Landschaft. Veröffentlichungsschwer- Strukturforschung, Deutschland, EU, USA. Stichwortregister

A Bevern, 231 D Bevölkerungs.dichte, 51 Aalto, Alvar, 237 Dammer Berge, 18 ~entwicklung, 52, 56 Abgeordnete, 180 Finanzsystem, 189 Bezirksregierungen, 197 Administrative Gliederung, 197 Dahrendorf, Ralf, 202 Bezirksregierung Weser-Ems, 261 Albrecht, Dr. Ernst, 182 DDR, 32, 49 Alfeld, 236 Bildungskatastrophe, deutsche, 201 Öffnung der Grenze zur Aller, 19 BILD-Zeitung, 240 ehemaligen DDR, 122 Altersaufbau, 57 Binnen.fischerei, 142 Deister, 41 Altsiedelland, 81 ~schifffahrt, 161 DMP, 47 Amelungsborn, 230 Biosphärenreservat Diabas, 108 Amsterdam, 37 Flusslandschaft, 20 Diederichs, Georg, 202 Amtsgerichte, 199 Bischof Bernward, 227 Dienstleistungen, Anthrazit, 106 Bischof Hezilo, 228 unternehmensorientierte, 131 Antwerpen, 37 Blähton, 110 Direktinvestition, ausländische, 113, Apotheken, 98 Bleckeder Zeitung, 240 118 Arbeitsförderung, 94 Blei, 110 ~sbilanz, ausländische, 117 A R D, 242 Bode, Wilhelm, 21 Dolomit, 107 Arbeits.losengeld, 94 Borkum, 150 30-jähriger-Krieg, 251 ~losenhilfe, 94 Bötersen, 105 Drubbel, 82 ~losigkeit, 62, 64 Bourtanger Moor, 23 Duderstadt, 231, 232 Arzneimittel, 97 Bramberge, 103 Dümmer See, 169 ärztliche Behandlung, 97 Dünen, 13, 175 Braunkohle, 106 Askanier, 42 ~inseln, 13 Braunschweig, 31, 33, 35, 37, 47, 48, Asphalt, 110 196, 218, 228, 230, 231, 234, 235 E Aufsichtsbehörden, 187 -Riddagshausen, 230 Aufstrecksiedlungen, 84 Eggert, Hermann, 236 Braunschweiger Zeitung, 240 Aurich, 38 Eichsfeld, 43 Ausbildungs.beruf, 206 Braunschweigischer Klosterfond, 43 Eigenunfallversicherungsträger der ~system, 205 Bremen, 7, 36, 37, 41 öffentlichen Hand, 93 Ausgleichsmandate, 180 Brocken, 27 Einbeck, 38, 232 Auszubildende, 206 Brüning, Kurt, 47 Einwohner.antrag, 188 Bückeburg, 38, 232 ~zahl, 8 B Bürger.begehren, 188 Einzelhandel, 143 Bad Gandersheim, 228 ~entscheid, 188 Flächenentwicklung, 146 Bad Grund, 150 bürgerliche Rechtsstreitigkeiten,199 Flächengröße der Arbeitsstätten, Bad Lauterberg, 150 Bundes.anstalt für Arbeit, 94 144 Bad Pyrmont, 234 ~länder, 184 Eisenbahnbau, 38 Baltrum, 150 ~rat, 184 Eisenerze, 110 Bardowick, 231 ~staatsprinzip, 195 Eiszeiten, 17 Basalt, 108 ~versicherungsanstalt für Elbe, 19 Behindertenbeauftragte, 96 Angestellte, 92 ~-Weser-Raum, 265 Berg- und Hügelland, 25, 33, 41, 149 ~versorgungsgesetz, 94 Elbmarsch Post, 240 Bergen-Belsen, 47 Bursfelde, 228 Elektrotechnik, 127 Emden, 36, 231 Berufsaufbauschulen, 207 Butjadingen, 16 berufsbildendes Schulwesen, 204, Emder Zeitung, 240 Buxtehude, 231 205 Emlichheim, 103 Berufs.bildung, 202 C Emslauf, 20 ~bildungssystem, 207 Engern, 32 ~fachschulen, 207 Campingplätze, 152 Entwicklung, wissensbasierte, 209 ~genossenschaften, gewerbliche, 93 Celle, 231, 232, 233, 237 Entwicklungsachsen, 7 ~grundbildungsjahr (BGJ), 206 Chancengleichheit, 202 Erdgas, 103 ~oberschulen, 207 Chausseen, 38 ~produktion, 105 ~schulen, 206 Cirksena, 41 ~reserven, 103 ~vorbereitungsjahr, 207 Clausthal-Zellerfeld, 232 Erdöl, 103 Besatzungshoheit, 196 Clemenswerth, 233 Erlebniseinkauf, 145 Betriebe, Formen 143 Cuxhavener Küste-Unterelbe, 150, Ernährungsgewerbe, 126 Betriebssysteme, 135, 140 152 Erreichbarkeits.bedingungen, 156 Stichwortregister 293

~effekte, 163 ~reform, 87 - Klosterkammer, 43 Erster Weltkrieg, 46, 47 Gemeinschaftsschule, christliche, - Presse, 240, 241 Erststimme, 180 201 Hanse, 35, 248, 251, 253, 260, 265 Erwerbs.beteiligung, 62 Generalstaatsanwaltschaften, 200 Harz, 149, 150, 152 ~lose, 62 Georgsdorf, 103 ~raum, 35 ~tätigkeit, 62 Gerichte, 195, 198 ~-Region, 252 Erzbergwerk Rammelsberg, 253 Gerichtsbarkeit, 198 Hase, Conrad Wilhelm, 234 Esch, 82 Gesamtschulen, 202, 204 Haufendörfer, 82 Europäischer Binnenmarkt, 6 Geschäftszentren, 144 Hauptstreckennetz und Fern- Exekutive, 198 Gesetzgebung, 185 verkehrsangebot der Eisenbahn, Existenzgründungen, 124 Gesundheitsförderung, 96 159 EXPO 2000, 253, 257, 258, 259, 267 Getreidebaubetriebe, 140 Hauptschule, 202, 203, 204 Export.aktivitäten, 113 Gewaltenteilung, 178 Haushalte, 189 ~quote, 114 Gezeiten, 13 Hebammen, 97 Gipsstein, 107 Hehlen, 231 F Gilly, David, 234 Heide, 20, 167 Fach.gymnasien, 207 Glaziale Serien, 18 Heil-.und Hilfsmittelerbringung, 97 ~oberschulen, 207 Gleichberechtigung, 179 ~bäder, 102 ~schulen, 207 Glogowski, Gerhard, 182 ~mittelversorgung, 98 . Familiengerichte, 199 Goldenstedt/Oythe, 105 Heimat bewegung, 46 Fehnsiedlungen, 84 Goslar, 36, 38, 228, 230, 231, 232, ~vertriebene, 32, 49 Heimvolkshochschulen, 208 Fernstraßennetz und regionales - ~-Hahnenklee, 236 Heinrich d. Löwe, 42, 228, 248, 265 Güterverkehrsaufkommen, 155, Goslarsche Zeitung, 238 Helmstedt, 106, 232 156, 158 Göttingen, 231 Hemmelte, 105 Feuchtgebietsschutz, 172 Göttinger Sieben, 45 Hemsbünde, 105 Finanz.ausgleichsgesetz, 191 Grafen, 43 Hengstlage, 105 ~system, 189 Grafschafter Nachrichten, 240 Herrenhäuser Gärten, 257 Finanzierung, paritätische, 91 Grimme, Adolf, 201 Herzog August Bibliothek Finanzwesen, 178 Groden, 17 Wolfenbüttel, 218 Flächen.größe, 8 Gropius, Walter, 236 Herzogtum Braunschweig, 45 ~schutz, 170 Großes Meer, 169 - Braunschweig-Lüneburg, 43 Flagge, 178 Groß-Lessen, 103 - Oldenburg, 45 Flüchtlinge, 32, 49 Großschutzgebiete, 15, 20, 22, 26, 29 Hildesheim, 36, 41, 43, 45, 227, 228 Flussmarschen, 166 Grund.gesetz, 195, 198 Hildesheimer .Börde, 23 . ~lagenforschung, 212 Förder stufe, 202 - Allgemeine Zeitung, 238 ~schulen, 201, 204, 205 ~zins, 106 Hilfe .in besonderen Lebenslagen, ~zentren, 88 Forschung und Entwicklung, 132, 95 Grünland, 167 215 - zum Lebensunterhalt, 95 „Forschungsdreieck“ Hannover- Gulfhaus, 86 Hilfsmittelbereich, 98 Braunschweig-Göttingen, 213, 216 Güteraufkommen, 160, 161 Historischer Verein für Forschungseinrichtungen, Gymnasien, 201, 202, 203, 204 Niedersachsen, 42 außeruniversitäre, 213 H Hit Radio Antenne, 243, 244 Freie Waldorfschulen, 203, 204 Hoch.land, 16 Fremdenverkehr, 149 Haesler, Otto, 237 ~moore, 22, 149 Friedrich I. Barbarossa, 253 Halbperipherie, 36, 38 Höger, Fritz, 236 Friesen, 32 Hamburg, 7, 37 Hoetger, Bernhard, 236 Futterbaubetriebe, 140 - Welle, 243 Hollandgängerei, 37 Hameln, 231 G Hoya, 43 Hämelschenburg, 231 Hude, 230 Gabbro, 108 Hankensbüttel, 103 Hügelland, 149 Geest, 17, 33, 36, 41, 149 Hannover, 6, 37, 41, 47, 48, 231, 234, Hugenotten, 32 ~landschaften, 166 235, 236, 237 Hümmling, 18 Geflügelhaltung, 137 -Herrenhausen, 234 Gemeinde, 186, 198 Hannoversch Münden, 231 I Einheitsgemeinde, 187 Hannoversche .Allgemeine Zeitung, Immunität, 182 Samtgemeinde, 186 239, 240 Indemnität, 182 ~ordnung, 186 - Anzeigen, 238 Inseln, 149, 150, 175 294 Stichwortregister

Insel Spiekeroog, 14 Kupfer, 110 Luftfrachtverkehr, 163 InterCargo, 161 Kurorte, 102, 154 Lüne, 230 Internationalsierung, 113 L Lüneburg, 36, 38, 230, 231 Internet, 241 Lüneburger, 231 Ladengeschäfte, 143 - Heide, 20, 21, 150, 152, 164, J Lage Niedersachsens in Europa, 6 - Landeszeitung, 240 Jever, 232 Lage und Größe, 31, 197 M Jeversches Wochenblatt, 238 Lagegunst, 6 Jüdische Bevölkerung, 32 Lagerstätten, 103 Mäander, 20 Juist, 150 Lamspringe, 233 Marsch, 13, 33, 149 Länderfinanzausgleich, 190 ~hufendörfer, 83 K Land .Braunschweig, 178, 218 Maschinenbau, 127 Kaiser Heinrich II., 253 - Hannover, 178, 218 Max-Planck-Gesellschaft, 252 Kali- und Steinsalzbergbau, 110 - Oldenburg, 31, 178, 218 Meißen, Markgraf von, 42 Kalk, 107 - Schaumburg-Lippe, 178, 218 Meppen, 103, 233 Kammern, 193 Landes.arbeitsgemeinschaft Mergelsteine, 107 Kapitalverflechtungen, 117 soziokultureller Zentren in Messen, 6, 152 Karl der Große, 41 Niedersachsen e.V., 219 Mettegang, Friedrich, 236 Kassenzahnärztliche Vereinigung,98 ~beauftragter für den Datenschutz, Mietstreitigkeiten, 199 Kiese, 107 181 Milchquotenregelung, 140 ~behörden, 195 Minister, Ministerinnen, 182, 196 Kieselgur, 110 ~bibliothek Oldenburg, 218 Ministerien, 183 Kies- und Sandlagerstätten in ~musikrat Niedersachsen, 219 Ministerpräsidenten, 181, 196 Niedersachsen, Verbreitung der, ~natur, 8, 166 Mitteldeutsches Gehöft, 86 107 ~regierung, 178, 184, 196 ~gebirge, 27 Kinder- und Jugendhilfe, 96 ~verband Freier Theater in ~landkanal, 23 Kirchen, 192 Niedersachsen e.V., 219 ~punktschulen, 201 Klima, 11 - verband für Spiel und Theater ~zentren, 88 ~vielfalt, 169 Niedersachsen e.V., 219 Möllenbeck, 228 Klosterseelte/Kirchseelte, 105 ~versicherungsanstalten, 92 Moore, 166 Koalitionen, 183 Landeswaldgesetz, 141 ~hufendörfer, 83 Kohle, 103 Landgerichte, 199 ~kultivierungen, 41 kommunale Leitung, „eingleisige“ Landkreise, 186, 197, 198 Münstermann, Ludwig, 234 Form der, 188 Landkreisordnung, 186 Mulmshorn/Borchel, 105 kommunale Selbstverwaltung, 186 Landschaftsschutzgebiete, 172 N Kompost, 111 Landschulreform, 201 König Heinrich I., 252 Landtag, 178 N3 (TV-Sender), 245 König Ernst August, 45 Landtagsauflösung, 183 Nationalpark, 30, 171 Königreich Hannover, 45 Landwirtschaft, 205, 206 - Niedersächsisches Wattenmeer, 15 Königslutter, 228 Langeheine, Richard, 202 Natur.denkmale, 171 konstruktives Misstrauensvotum, Langeoog, 150 ~räume, 11 183 Langzeitarbeitslosigkeit, 68 Natürlichkeitsstufen, 165 Konzentration auf Kernkompeten- Laves, Georg Ludwig, 234 Naturpark, 172 zen, schlankere Produktion, 123 Legehennenhaltung, 138 - Solling-Vogler, 150 Konzentrationslager, 47 Legislative, 198 - Südheide, 150 Kooperative Gesamtschule, 202, 203 Leistungen zur Eingliederung Natur.potential Niedersachsen, 33 Kopf, Hinrich Wilhelm, 48 Behinderter, 95 ~schutzgebiete, 170 Krahe, Peter Joseph, 234 Linden, 41 ~steine, 107 Kranken.häuser, 98 Liudolfinger-Ottonen, 35 ~werksteine, 108 ~hausplan, 100 Lippe-Detmold, 47 NDR, 243 ~kassen, 93 Literaturrat Niedersachsen e.V., 219 NDR 1 – Radio Niedersachsen, 244 ~transport, 97 Loccum, 230 NDR 2, 243, 244 ~versicherung, 93 London, 37 NDR 3, 243, 244 Krankheits.verhütung, 96 Löss, 26 NDR 4, 243, 244 ~vorsorge, 96 ~börde, 23, 33, 81, 149 Neue Presse, 240 Kreistage, 187 ~bördengürtel, 39 Neuwerk, 14 Krummhörn, 230 Lübeck, 35 Niederdeutscher Bühnenbund kumulieren, 188 Lüchow-Dannenberg, 49 Niedersachsen-Bremen, 219 Stichwortregister 295

Niedersachsenhaus, 85 Partnerschaft, 194 S Niedersächsische .Landesbibliothek Personalunion, 44 Sachsen, 32 Hannover, 218 Petitionen, 179 Salier, 35 - Landesmedienanstalt für privaten Pflanzen- und Tierartenschutz, 170 Salzgitter, 41, 47, 88, 237 Rundfunk (NLM), 238, 243, 245 Pflegeversicherung, 94 Salz.lagerstätten, 111 Niedersächsischer Heimatbund, 219 Picht, Georg, 201 ~wiesen, 14, 175 - Reichskreis, 42 Pilsum, 229 Sande, 107 Niedersächsisches .Ministerium der Polder, 17 Sand- und Magerrasen, 167 Justiz und für Politisches System, 198 ~strände, 13 Europaangelegenheiten, 200 Präventionssektor, 97 SAT 1, 243, 245 - Moorschutzprogramm, 23 Preuß, Hugo, 47 Scharoun, Hans, 237 Niehaus, Josef, 234 Preußische Provinz Hannover, 31, Schaumburg, 33, 42, 43, 47 N-Joy Radio, 243, 244 196 Schaumburg-Lippe, 31, 45, 48, 178, Nichtkommerzieller Lokalfunk Primarstufe, 202 218 (NKL), 245 Produktion, flexible, 209 Schaumburger Zeitung, 238 Norddeutscher Rundfunk, 243 -, schlankere, 123 Scheerhorn, 103 Norddeutsches Tiefland, 18 Produzierendes Gewerbe, 124 Schichtkämme, 25 Norden, 229 Beschäftigtenentwicklung, 128 Schienenverkehr, 159 Norderney, 150 Branchenstruktur, 124 Schröder, Gerhard, 182 Nordische Rundfunk AG, 242 Psychotherapeutische Versorgung, Schul.formen, 201, 202, 203, 204 Nordseeküste, 13, 247 98 Nordwestdeutscher Rundfunk ~gesetz, 202 (NWDR), 242, 243 Q ~reform, 202 Nordwest-Zeitung, 240 ~träger, 204, 205 Quakenbrück, 236 Notare, 200 ~versuche, 201 Quartäre Haupteisrandlagen in NSDAP, 47 ~zentren, 205 Nordwestdeutschland, 17 Schwefel, 105 O R Schweinehaltung, 137 Oberharz, 37 Schwerbehindertengesetz, 95 Radio.ffn, 243, 244 Ober.behörden, 197 Schwer.mineralsande, 110 - Hamburg, 242 ~landesgericht, 199 ~spat, 110 - Mecklenburg-Vorpommern, 243 ~verwaltungsgericht, 200 Schwöbber, 231 - Niedersachsen, 243 Oberzentren, 88 Sedimentgestein, 25 Rammelsberg, 34 Oertzen, Peter von, 202 See.fischerei, 142 Rattenfänger, 254 Oldenburg, 31, 48, 196, 233, 235 ~häfen, 161 Realschule, 201, 202, 203, 204 -, Großherzöge von, 261 sektoraler Strukturwandel, 121 . Oldenburger Münsterland, 22, 43 Rechts anwälte, 200 Sekundar.bereich II, 203 Ölheim-Süd, 103 ~pflege, 195, 198, 200 ~stufe I, 202 Ölschiefer, 103 Rechtsprechung, 195, 198 ~stufe II, 202 . Orientierungsstufe, 202, 204 Regierungsbezirk Braunschweig, Selbstverwaltungs.angelegen- Orte, zentrale, 88 203 heiten, 197 Osnabrück, 36, 38, 41, 43, 230, 231, - Hannover, 203 ~prinzip, 187 233 - Lüneburg, 203 Sender Freies Berlin, 243 osteuropäische Volkswirtschaften, - Weser-Ems, 203 Siedenburg/Staffhorst, 105 (Integration), 122 Regierungsbezirke, 10 Siedlungs.formen, traditionelle Ostexpansion, 35 Reihensiedlungen, 83 ländliche, 82 Ostfalen, 32 Reisegebiete, 149, 151, 152, 154 ~strukturen, 234 Ostfriesenhaus, 86 Remarque, Erich Maria, 263 Sietland, 16 Ostfriesische .Inseln, 13 Renten.empfänger, 93 Signet, 178 - Küste, 150, 152 ~versicherung, gesetzliche, 92 Slevogt, Carl Heinrich, 234 Ostfriesland, 41, 45, 229, 234, 247 ~zahlbetrag, 93 Söhlingen, 105 Otto das Kind, 43 Rettungsdienst, 97 Solidarprinzip, 91 Outsourcing, 123 Richter, 198 Solling, 34 Rodenkirchen, 234 Sonder.forschungsbereich, 215 P Roh.holzaufkommen, 141 ~schulen, 204, 205 panaschieren, 188 ~stoffe, 103 Sozialstaatsprinzip, 90 Papenburg, 85, 234 RTL Television, 243, 245 SPD, 47 Parteien, 192 Rühle, 103 Spezialgipse, 109 296 Stichwortregister

Spiekeroog, 150 V Wangerooge, 150 Splitterberufe, 206 Wappen, 178 Varel, 234 Staats.gerichtshof, 181, 198 Warften, 229 Verbände, 193 ~kanzlei, 183 Währungsreform 1948, 48 Verbindungsbüro des Landes in ~sekretäre, 183 Währungs- und Finanzkrise, Brüssel, 194 ~verwaltung, mittelbare, 197 asiatische, 120 Verden, 41 ~ziele, 178 Wasser, 167 Verdener Dom, 231 Staatstheater .Hannover, 218 Watt, 13, 149, 174 Verfassung, 178 - Oldenburg, 218 ~enmeer, 14, 15, 166, 174 (vorläufige Niedersächsische), 49 Stade, 36, 231 ~sautonomie, 195 WDR, 243 Stadthagen, 231, 232 ~sorgan, 197, 198 Weizenanbau, 39 Stadträte, 187 Verhältniswahl, 180 Welfen, 37, 42, 44 Städte, 186, 198 Verkehr, kombinierter, 159 ~anhänger, 47 (Großstädte), 52 Verkehrs.achsen, 155 Welle Nord, 243 (große, selbständige), 187 ~aufkommen, 157 Welthandelsanteil, 114 (kreisfreie), 187, 197 ~flughäfen, 162 Wendland, 83 Standortfaktoren, 124 ~infrastruktur, normierte Wertschöpfung, 134 Steine und Erden-Rohstoffe, 106 Indikatoren zur, 159, 163 Weser, 20 Steinhuder Meer, 168 ~infrastruktur, Gesamtindikator, Weserbergland, 25 Stein.kohle, 106 163 Westdeutschen Rundfunk, 243 ~salz, 111 ~infrastrukturausstattung, 155 Westfalen, 32 Steuern, 189 Versicherte, 91 Westfälischer Frieden, 262 Stier, Hubert, 235 Versorgungs.agglomerationen, 144 Wettbewerb der Regionen und Strack d.Ä., Heinrich, 234 ~ämter, 94 Standorte, 124 Straf.justiz, 198 ~zentren, 144 Wettbewersfähigkeit, ~verfahren, 199 Vertretung des Landes Niedersach- internationale, 117 Straßburger Relation, 238 sen beim Bund, 184 Wettiner, 42 Straßenfahrzeugbau, 124 Verwaltungen, 185 Wiehengebirge, 263 Streusiedlungen, 82 Verwaltungs-,.Sozial-, Finanz- und Wiener Kongress, 45 Struktur.krise, 123 Arbeitsgerichtsbarkeit, 198 Wienhausen, 230 ~wandel, 70, 134 ~behörden, 195 Wilhelmshaven, 88, 236 Suburbanisierungsprozesse, 61 ~mittelinstanz, 197 Wilseder Berg, 18 Sulingen-Valendis, 103 Vienenburg, 235 Wirkungskreis, übertragener, 197 T Visbeck, 105 Wittenberge, 42 Völkersen, 105 Wolfenbüttel, 232, 233, 235 Täglicher Anzeiger, 238 . Volks begehren, 179 Wolfenbütteler Aviso, 238 Territorialstaaten, 36 ~hochschularbeit, 205 Wolfsburg, 41, 47, 49, 88, 237 Teufelsmoor, 23 ~hochschulen, 208 Worpswede, 236 Teutoburger Wald, 25, 263 ~initiative, 179 Wunstorf, 228 Thülsfelder Talsperre, 169 ~schule, 201 ~-Idensen, 228 Tierhaltung, 135 ~souveränität, 178 Wurten, 17 Tone, 107 Volkswagen AG, 269 ~dörfer, 82 Tongesteine, 109 VW, 49 Torf- und Humuswirtschaft, 111 ~-Werk, 237 Z Truthühnerhaltung, 140 W zahnärztliche Behandlung, 97 U Wahl, 180 Zahntechniker, 97 Übernachtungen, 153 Wald, 167 Zement, 109 Umwelt, Natur und Landschaft, 20 ~fläche, 140 Zentrensystem, 144 UNESCO-Weltkulturerbe, 253 ~hufendörfer, 83 Ziegel.industrie, 109 UNESCO-Weltkulturgüter, 258 ~schadensuntersuchung, 29 ~tone, 109 Unfallversicherung, 93 ~sterben, 29 Zink, 110 Universitäten, 210, 212 ~verteilung, 140 Ziviljustiz, 198 Unterbehörden, 197 Walkenried, 230 Zuckerrüben, 39 Unternehmens- und Konzernstruk- Wallhecken, 167, 172 Zweiter Weltkrieg, 47, 266 turen, Neuordnung der, 123 Wanderungs.überschüsse, 52 Zweitstimme, 180 Ursprungsländer, 179 ~verluste, 52 Zwischenahner Meer, 169