20 0 J A H R E Erste Allgemeine Ständeversammlung

von landschaften und landschaftsverbänden 20 0 J A H R E Erste Allgemeine Ständeversammlung

von landschaften und landschaftsverbänden

Herausgegeben vom Präsidenten des Niedersächsischen Landtages und von den Hannoverschen Landschaften INHALT

4 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden INHALT

VORWORT DES HERAUSGEBERS 06 Bernd Busemann, Präsident des Niedersächsischen Landtages

FESTVORTRAG 08 Prof. Dr. Thomas Vogtherr, Vorsitzender der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen

LANDSCHAFTEN 26 Grußwort D. Horst Hirschler, 28 Abt zu Loccum, Sprecher der Hannoverschen Landschaften Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden 30 Calenberg-Grubenhagensche Landschaft 36 Landschaft des vormaligen Fürstentums Hildesheim 40 Hoya-Diepholz’sche Landschaft 44 Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg 48 Landschaft des ehemaligen Fürstentums Osnabrück 54 Calenberger Kreditverein 58 Ritterschaftliches Kreditinstitut Stade 62 VGH Versicherungen 66 Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse 68

LANDSCHAFTSVERBÄNDE 70 Grußwort Dr. Rolf Bärenfänger, Direktor der Ostfriesischen Landschaft 72 Ostfriesische Landschaft KdöR 74 Oldenburgische Landschaft KdöR 78 Landschaftsverband Stade e. V. 82 Landschaftsverband Hildesheim e. V. 86 Emsländische Landschaft e. V. 90 Landschaftsverband Osnabrücker Land e. V. 94 Landschaftsverband Südniedersachsen e. V. 98 Braunschweigische Landschaft e. V. 104 Lüneburgischer Landschaftsverband e. V. 108 Landschaftsverband Weser-Hunte e. V. 112 Regionalverband e. V. 118 Schaumburger Landschaft e. V. 122 Landschaftsverband Hameln-Pyrmont e. V. 126 Region Hannover – Team Kultur 130 Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz StöR 134

Adressen 136 Impressum 138

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ls Landtagspräsident ist es 1946. Diese Sichtweise verkennt, dass Niedersachsen mir ein besonderes Anliegen, auf jede Weise für den aus vier traditionsreichen Ländern entstanden ist, AParlamentarismus zu werben und seine Bedeutung unter denen das frühere Königreich Hannover das für die Stabilität unseres freiheitlichen Rechtsstaates größte war. Die bis ins Mittelalter zurückreichenden hervorzuheben. Traditionslinien des Landes haben bis heute eine wichtige Funktion für die Identifikation der Dazu gehört auch die Rückbesinnung auf die histori- Menschen mit ihrer Heimat. Darin liegt für meine schen Vorläufer des heutigen Parlamentarismus in Begriffe vor allem eine Chance für Niedersachsen. Niedersachsen. Deshalb begehen der Niedersächsi- Diese Chance nutzen in beispielhafter Weise die sche Landtag und die historischen Landschaften Landschaften und Landschaftsverbände. Sie knüpfen des früheren Königreichs Hannover gemeinsam den an uralte Traditionen an und verbinden sie mit 200. Jahrestag der Einberufung der ersten Allgemei- hochmoderner Arbeit für das Gemeinwesen. nen Ständeversammlung im Leineschloss durch den Prinzregenten und späteren König Georg IV. von Die historischen Landschaften sind eine niedersäch- Großbritannien und Hannover. Das geschah unmit- sische Besonderheit, die es in dieser Form nirgends telbar nach dem Ende der französischen Besatzungs- sonst gibt. Unsere Landesverfassung schützt ihren zeit und der Wiederauferstehung des alten Kurfürs- Bestand als Körperschaften des öffentlichen Rechts. tentums als Königreich Hannover auf dem Wiener Seit 50 Jahren gibt es neben den historischen Land- Kongress. schaften die modernen Landschaftsverbände. Sie sind auf Initiative der historischen Landschaften Das Jubiläumsjahr 2014 ist europaweit geprägt vom entstanden, um Landkreise und Kommunen in die Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges kultur- und heimatpflegerische Arbeit besser ein- 1914. In Niedersachsen blicken wir in vielfältiger beziehen zu können. Weise auf den Beginn der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover 1714 zurück. Bei der Die öffentliche Wahrnehmung der historischen Erinnerung an die Personalunion stehen naturgemäß Landschaften und der Landschaftsverbände ent- die gemeinsamen Könige im Fokus. Hier können wir spricht nicht immer ihrer tatsächlichen Bedeutung. als Niedersächsischer Landtag und als Landschaften Deshalb freue ich mich, dass wir mit diesem Band ein kleines Gegengewicht setzen, indem wir an erstmals eine anschauliche Übersicht über alle die vorparlamentarischen und parlamentarischen Landschaften und Landschaftsverbände in Nieder- Traditionen erinnern, die uns durchaus auch mit sachsen, ihre Geschichte und Tätigkeit vorlegen Großbritannien verbinden. können. Herrn Michael Heinrich Schormann danke ich für seine unermüdliche Arbeit, ohne die diese Die historischen Landschaften als frühere Land- Veröffentlichung nicht denkbar gewesen wäre. stände der welfischen Teilfürstentümer existieren in Niedersachsen als Körperschaften des öffentlichen Rechts bis heute. Sie sind eine wichtige Säule der Kultur- und Heimatpflege in unserem Land und als Träger der VGH auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Niedersachsen wird noch immer häufig als „künst- Bernd Busemann, Präsident des liches“ Land wahrgenommen, hervorgegangen aus Niedersächsischen einer Verordnung der britischen Militärregierung Landtages

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Festvortrag von Prof. Dr. Thomas Vogtherr am 16. September 2014 in der Veranstaltungsreihe PARLAMENTSLEBEN aus Anlass der ersten Allgemeinen Ständeversammlung vor 200 Jahren

VON STÄNDISCHER PARTIZIPATION ZUR DEMOKRATISCHEN VOLKSVERTRETUNG

Stationen des niedersächsischen Parlamentarismus 1814 – 2014

Am1 12. August 1814 erließ Prinzregent Georg im ständische Verfassung beibehalten werden. Er sei Namen seines regierungsunfähigen Vaters, des aber überzeugt, daß Unsre getreuen Unterthanen es Königs Georg III. von Großbritannien und Irland, als eine Wohlthat und als einen Beweis von Zutrau- Herzogs von Braunschweig und Lüneburg, Reichs- en ansehen werden, wenn Wir, wie hiemit geschieht, Erzschatzmeisters und Kurfürsten, eine Proklamati- verordnen, daß künftig alle allgemeinen Landesan- on, in der er die Landstände aller Landesprovinzen gelegenheiten, in so fern sie nach der bisher bestan- Hannovers für den 15. Dezember 1814 in Hannover denen Verfassung einer Beratung mit den Ständen zusammenrief. Unmissverständlich machte er bedurften, einer Versammlung von Landständen aus deutlich, worum es ihm dabei ging. Die Provinzen allen Provinzen vorgelegt, und von denselben zum des Landes, so schrieb er, seien voneinander getrennt Schluß gebracht werden sollen. geblieben, auch und gerade in der napoleonischen Das solle durch das Zusammentreten der Deputierten Besatzungszeit der eben vergangenen Jahre. geschehen, die als Stände des ganzen Landes, und nicht Bei dieser Trennung haben aber so viele verschiede- als Delegierte einer einzelnen Provinz oder Corpora- ne Steuer-Systeme und Landesschulden-Administra- tion angesehen werden sollen. tionen Statt gefunden, als Landschaften vorhanden Eine solche Proklamation an den Beginn einer Dar- waren. Einzelne Provinzen desselben Landes haben stellung des niedersächsischen Parlamentarismus als getrennte Länder behandelt werden müssen, und zu stellen, ist keineswegs selbsterklärend. Denn es ist auf diese Weise der freie Verkehr der Unter- immerhin ging es nach der Auffassung des im Prof. Dr. Thomas thanen hie und da gestört worden. Die veränderten Londoner Carlton House amtierenden Prinzregenten Vogtherr, Professor für Zeit-Umstände und der während der feindlichen keineswegs um das Zugeständnis neuer, gar demo- Geschichte des Besatzung des Landes gesunkene Wohlstand der kratischer Rechte an eine neue, möglicherweise den Mittelalters an der Unterthanen, erfordern eine bessere Organisation Umständen der Zeit entsprechende Körperschaft. Universität Osna- 2 brück, Vorsitzender der Administration des Landes. Ganz im Gegenteil: Nichts sollte verändert, keinerlei der Historischen Dabei sei es, so der Prinzregent, keineswegs beab- Partizipationsrechte sollten erweitert werden. Der Kommission für Niedersachsen und sichtigt, die bisherige Verfassung der einzelnen einzige Zweck sollte darin bestehen, die Administra- Bremen Landesteile zu verändern. Vielmehr sollte die tion des Landes zu verbessern, und ausgeführt wurde

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diese eher globale Zweckbestimmung ausgerechnet exklusiven Souveränitätsrechte und sah sich als dadurch, dass die Steuern und die Verwaltung der Inhaber der Staatsgewalt über die Verfassung gestellt Landesschulden vereinheitlicht werden sollten. (Chr. van den Heuvel).

Noch die Rede des Bruders des Prinzregenten, des L Prinzen Adolph Friedrich von Cambridge, bei der Eröffnung dieser Ständeversammlung am 15. Dezem- Irritation macht sich bei Zeitgenossen des beginnen- ber 1814 atmete ganz denselben Geist. Mittlerweile den 21. Jahrhunderts breit. Scheinbar ein Parlament, war Hannover als Königreich proklamiert worden, faktisch eine Versammlung, die die Inhalte ihrer wenngleich die endgültige Anerkennung dieser Verhandlungen durch den Herrscher vorgegeben Rangerhöhung durch den Wiener Kongress erst in erhält, am Beginn des niedersächsischen Parlamen- der Abschlussakte vom 9. Juni 1815 bestätigt werden tarismus? sollte. Prinz Adolph Friedrich beschwor vor der Ständeversammlung die große Tradition des Welfen- Den Historiker, der immer auch Zeitgenosse und hauses, den mannhaften Widerstand seiner Unter- Staatsbürger ist, befällt ein Unwohlsein. Soll es allen tanen gegen die Fremdherrschaft und die schwierige Ernstes die Aufgabe sein, in den Verhältnissen des Situation bei der Neuordnung der nachnapoleoni- ersten nachnapoleonischen Jahres in Europa nach schen politischen Zustände. Nun aber gehe Prinz- den Wurzelgründen der modernen parlamentari- regent Georg andere, neue Wege: schen Demokratie zu suchen? Oder nach den Anfän- Der Prinz-Regent, der durch die Auflösung des alten gen des demokratischen Parlamentarismus? Oder Teutschen Reichsverbandes bewogen worden, gleich handelt es sich bei beidem in Wahrheit um dasselbe? andern unabhängig gewordenen Staaten, für das Oder ist die Frage des Zeitgenossen im Jahre 2014 regierende Haus von Hannover den Königlichen Titel schon falsch gestellt, weil es um ganz andere Fragen anzunehmen, geht den Teutschen Regenten (…) mit ging, damals im Jahre 1814, im Leineschloss? dem Beispiele voran; eine Versammlung zu berufen, in welcher die Stimme des Volks sich mit Freiheit, Den Historiker, der immer auch von den Umständen aber mit Ordnung erheben kann, um dem Regenten seiner Zeit, von Demokratie und Parlamentarismus die Mittel anzuzeigen, wodurch Er Seinen Zweck, geprägt ist, der sich als Niedersachse, Deutscher und das Wohl des Landes, zu befördern vermag.3 Europäer zu verstehen gelernt hat, befällt Unsicher- heit. Denn wie wäre eine Situation zu beschreiben, Das Wohl des Landes aber bestand, wie Prinz Adolph die uns Nachgeborenen so ungemein fern zu sein unmissverständlich deutlich machte, in seiner Ver- scheint und die doch für die bis heute anhaltende teidigung gegen äußere Feinde. Die Voraussetzung Entwicklung zu Demokratie und Parlamentarismus dafür lag in der Schaffung eines Heeres, das durch für ursächlich, mindestens für grundlegend gehalten Steuern finanziert werden müsse. Um diese Frage, wird? Führt ein Weg von den modernen Landtags- also um die Beschaffung der für die Aufstellung und und Regierungsstrukturen und -kompetenzen zurück den Unterhalt der Truppen nötigen Geldmittel, werde zur Provisorischen Ständeversammlung des Jahres es bei der Ständeversammlung vor allem anderen 1814? Von der Wahl eines dem Landtag verantwortli- gehen müssen. Was der Regent sonst an Euch gesinnt, chen Niedersächsischen Ministerpräsidenten unserer wird Euch durch seine Räthe eröffnet werden, hieß es Tage zurück zum Präsidenten dieser ersten Stände- aus dem Munde des Prinzen Adolph Friedrich lapidar. versammlung Carl Friedrich Gebhard Graf von der Ständische Mitwirkung hatte sich auf das zu be- Schulenburg? schränken, was der Monarch für ratsam hielt. Die Ständeversammlung sollte womöglich frei diskutie- ren dürfen, dies aber eben nur zu vorbestimmten Themen. Der Monarch verteidigte beharrlich seine

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Ein paar Worte zur Klärung von Begriffen sind un- Landstreichern und Geistlichen denn aus? erlässlich, bevor wir uns auf die Reise durch zwei Unterschiede nicht nur zwischen den Ständen Jahrhunderte des niedersächsischen Parlamentaris- lagen auf der Hand. Dass diese Unterschiede ihre mus machen. Folgen für das Recht auf politische Partizipation nicht nur haben konnten, sondern haben muss- Da ist die Frage nach dem Verhältnis von Demokratie ten, galt lange Zeit als ausgemachte Sache. Das und Parlamentarismus die scheinbar nächstliegende, 19. Jahrhundert sollte manche Fortschritte er- weil uns Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts am kämpfen, aber erst das 20. Jahrhundert würde ehesten verständliche. Aber es gibt noch eine Frage das Wahlrecht der Frauen bringen. davor: die Frage nach den Organisationsformen politischer Partizipation überhaupt. Sie führt in Und dann die Organisation der Partizipation. Musste jenen Bereich der Demokratietheorie hinein, der nur sie nicht berücksichtigen, dass eben die Menschen auf den ersten Blick allein theoretisch ist und bleibt, nicht alle frei waren, nicht alle gleich waren, dass sie in Wahrheit aber viel mehr über unser Verständnis unter unterschiedlichen Herrschaften gelebt hatten vom Recht auf und zur Pflicht der Mitwirkung am und lebten, dass für sie also unterschiedliches politischen System verrät, als wir zumeist glauben. Herkommen und altes Recht galt, das nicht alleine Denn wie wäre Partizipation zu legitimieren? deswegen schon als überholt galt, weil es eben alt LL Durch die Freiheit aller, lautet eine erste Antwort, war? Wenn man aber diese Unterschiede berücksich- jedenfalls – so muss man einschränkend hinzu- tigen wollte, würde das nicht ein politisches System, setzen – durch die Freiheit der allermeisten. Wer also eine Verfassung zur Folge haben, die diesen länger als andere der persönlichen Unfreiheit Unterschieden auch Ausdruck verlieh? War es nicht unterworfen war, für den war Freiheit das erste besser, denen einen größeren Einfluss zuzugestehen, und grundlegende Ziel. Andere, die ihre Mitwir- die zum Gemeinwesen mehr beitrugen, und sei es kung schon jahrhundertelang auf dem politischen dadurch, dass sie mehr an Steuern zahlten? Solche Parkett erkämpft und behauptet hatten, mochten Ideen mochten zum Dreiklassenwahlrecht führen, der Freiheit keine so große Bedeutung mehr zu- einer jener heutzutage längst schon nicht mehr messen. Das mochte der Unterschied zwischen hinnehmbaren Konzentration der Mitwirkungsrechte dem Schutzjuden und dem Adligen im Lande sein, auf die wenigen. Und war es da nicht angebracht, um nur ein Gegensatzpaar zu nennen. dass in der Ständeversammlung des Jahres 1814 LL Durch die Gleichheit aller, lautet eine zweite zunächst die Adligen des Landes eine Mehrheit der Antwort. Aber konnte denn wirklich als gleich Deputierten stellten? Warum denn nicht, so mochte angesehen werden, wer es de facto nicht war? fragen, wer in der langjährigen Erfahrung dieses Was machte die Gleichheit von Männern und Standes in der ständischen Mitwirkung einen Wert Frauen, von Knechten und Industriellen, von an sich sah.

Georg (IV.) Prince of Wales Adolph Friedrich Herzog von (1762 – 1830), Cambridge (1774 – 1850), 1811 – 1820 Prinzregent, 1813 – 1831 Militärgouverneur 1820 – 1830 König von Hannover und Repräsentant des Königs in und König von Großbritannien Hannover, 1831 – 1837 Vizekönig und Irland von Hannover (Historisches Museum Hannover) (Historisches Museum Hannover)

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Leinstraße mit Residenzschloss und Schlosskirche um 1814, Tagungsort der ersten allgemeinen Ständeversammlung (Historisches Museum Hannover)

Demokratie mochte unter diesen Umständen gerade- zu bewahren und sie zum Vorbild werden zu lassen. zu als Schreckgespenst dienen: Wie sollte eine Und das trotz Churchills berühmtem Satz: Democracy Herrschaft bestehen können, in der jedermann das is the worst form of government except all those other Recht haben würde, mitzureden und – schlimmer forms that have been tried from time to time, den er am noch – mitzuentscheiden? Wo würde die Weisheit der 11. November 1947 in einer Sitzung des womöglich Aufgeklärten bleiben, wenn die Gleichheit aller sie in traditionsreichsten Parlaments der Welt, des briti- die Minderheitenposition zu bringen drohte? Schon schen Unterhauses, sagte. Schiller, Dichter und Historiker, wusste es präzise: Was ist die Mehrheit? Die Mehrheit ist der Unsinn, Ein Zwischenfazit zu diesen Überlegungen kann Verstand ist stets bei Wenigen nur gewesen. (…) Der nur vorsichtig tastend ausfallen: Wie in den meisten Staat muß untergehn, früh oder spät, wo Mehrheit siegt anderen Bereichen auch tut man gut daran, die und Unverstand entscheidet. Noch bis in jüngste Zeit politischen, verfassungsrechtlichen und moralischen wird mit ähnlichen Argumenten gegen Volksent- Maßstäbe unserer Zeiten nicht unbesehen auf ent- scheide in der Politik polemisiert. fernte Vergangenheiten zu übertragen. Dennoch ist es natürlich gerechtfertigt, danach zu fragen, wie Und Parlamentarismus? Man kann sich ein Parlament diese entfernten Vergangenheiten mit Partizipation ohne Demokratie vorstellen, ebenso wie man sich und Gleichheit, mit Wahlen und Repräsentation, eine Demokratie ohne Parlament denken mag. Im kurz: mit den Ideen und Konzepten umgegangen einen Fall denke man an die sogenannten Volks- sind, die wir heute als selbstverständliche Errungen- demokratien Europas der Jahrzehnte zwischen 1945 schaften einer jahrhundertelangen Entwicklung und 1989, im anderen Falle an direkte Demokratien selbstbewusst und ein wenig stolz verteidigen. Das ohne Vertretungskörperschaften, wie man es in darf freilich nicht zu jener Überheblichkeit führen, Relikten noch in der Schweiz beobachten kann. Die die dann so nahe zu liegen scheint: dazu nämlich, Verbindung zwischen demokratischen Grundsätzen die heutige Form der parlamentarischen Demokratie der Repräsentation und dem Parlament als der rang- für das Maß und Ziel aller politischen Entwicklungen höchsten Körperschaft eines Landes aber ist eine so vergangener Jahrhunderte zu halten und den Altvor- ungemein moderne Entwicklung, dass wir unsere deren Noten dafür zu geben, dass sie die heutigen Altvorderen nicht überfordern sollten. Schließlich Zustände eben nicht erreichten oder schlimmsten- gelang es in einem experimentellen Stadium erst falls nicht einmal erreichen wollten. nach 1918, in einem weit ausgereifteren Stadium nach 1946 beziehungsweise 1949, in Deutschland funktio- L nierende parlamentarische Demokratien zu schaffen,

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Kehren wir noch einmal in das Jahr 1814 zurück. der Ständeversammlung die eigene politisch-ver- Der damals die Regierung maßgeblich bestimmende fassungsrechtliche Position stabilisieren zu können. Ernst Friedrich Herbert Graf zu Münster, Minister der Deutschen Kanzlei in London, betrieb hinter den Dennoch bedeutete die Provisorische Ständever- Kulissen nach der napoleonischen Zeit eine zutiefst sammlung wenigstens in gewisser Hinsicht auch reaktionäre Politik. Ihm kam es auf die Wiederher- eine Erweiterung der Partizipationsrechte der Stände. stellung der Verhältnisse vor Napoleon an, auf die Denn nun hatten die Provinzialstände Hannovers, Restitution der alten Territorien und ihrer verfas- Hildesheims, Osnabrücks und Ostfrieslands eben sungsmäßigen Zustände, mit allenfalls vorsichtiger nicht mehr nur für ihr je eigenes Territorium Rechte Anpassung einer Verfassung an die modernen Auf- auf politische Mitwirkung, sondern für das König- fassungen von der Rolle eines Monarchen und der reich insgesamt. Das darf man nicht unterschätzen, Partizipation des Volkes. genauso wenig wie man vergessen darf, dass diese Erweiterung der ständischen Rechte nichts zu tun Das hätte im Rahmen eines Reiches geschehen hatte mit einer Beteiligung weiterer Schichten der sollen, das es freilich seit 1806 nicht mehr gab. Der Bevölkerung an der politischen Partizipation. Davon Amtsverzicht des letzten Kaisers des Heiligen war einstweilen nicht die Rede. Römischen Reiches hatte die fast ununterbrochene Folge von Kaisern seit Ottos I. Kaiserkrönung 962 zu 1814 blieb es bei einer einzigen Kammer, die einzu- einem, wie es einstweilen schien, endgültigen Ende berufen alleine Sache des Königs war. Ein Recht auf gebracht. Das bedeutete den Verlust des bisherigen Versammlung aus eigenem Antrieb hatte sie nicht. politischen Orientierungsrahmens im gesamten Die Öffentlichkeit der Debatten herzustellen, schei- Mitteleuropa. Es stellte für die mittelgroßen Territo- terte an einem knapp ablehnenden Votum. Da auch rien wie das welfische Braunschweig-Lüneburg, seit die nachträgliche Veröffentlichung zusammen- 1692 immerhin ein Kurfürstentum des Alten Reiches, fassender Protokolle bald einschlief, tagte diese aber auch eine erhebliche Chance dar. Durch die Ständeversammlung praktisch unter Ausschluss der Neuordnung des Wiener Kongresses wurden gerade Öffentlichkeit. Es sollte zwei Jahrzehnte brauchen, diese Territorien vergrößert und in ihrem Rang bis in Hannover eine Form öffentlicher politischer aufgebessert. Diskussion über Landesangelegenheiten entstand, wie sie in süddeutschen Staaten schon längst die Für die Welfen bedeutete dies die Erhebung zu Regel war. Königen von Hannover, für ihr Territorium die Erweiterung um Ostfriesland sowie die Fürstbistü- Opfer der wenigen, in der Sache geführten Diskussio- mer Osnabrück und Hildesheim. Das war keineswegs nen um die Ständeversammlung wurde einer der unproblematisch und bedeutete erhebliche Anstren- bedeutenden Akteure in Hannover, der Kabinetts- gungen mit dem Ziele der Integration in das neue sekretär Rehberg. Ihm, dem moderaten Reformer mit Königtum. Man kann es auch anders ausdrücken: deutlicher Ablehnung der Französischen Revolution Hannover hatte verfassungsrechtlich andere Sorgen und ihrer politischen Folgen, stand der Osnabrücker als die Entwicklung eines an den damaligen Um- Ritterschaftsdeputierte Georg v. Schele gegenüber, ständen gemessenen modernen Verfassungsrahmens der aus seiner zutiefst rückwärts gewendeten Ge- für das Königreich. Es kam dem Prinzregenten und sinnung keinerlei Geheimnis machte, Rehberg als späteren König Georg IV. sowie dem Generalgouver- Revolutionär, ja als Jakobiner denunzierte und neur Adolph Friedrich viel eher auf die Zusammen- letztlich insoweit erfolgreich war, als es ihm im führung der Landesteile zu einem wenigstens Verein mit einigen seiner Standesgenossen gelang, einigermaßen einheitlich strukturierten Königreich einen der wichtigsten Verfassungsdenker jener Jahre an. Er betrieb eine Verfassungsreform von oben, und in Hannover mundtot zu machen. Von der über- dies mit dem alleinigen Ziel, durch die Zustimmung wiegend adlig bestimmten Ständeversammlung

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hatte Rehberg 1819 keine Hilfe zu erwarten; er wurde einer Repräsentanz des Volkes konnte auf diese seines Postens enthoben. Weise nicht einmal im Ansatz die Rede sein.

Das Königliche Verfassungspatent vom 7. Dezember Was konnte unter diesen Umständen ein Parlament 1819 führte die Linie des Jahres 1814 leicht modifiziert bewirken? Anders gefragt: Konnte sich ein parlamen- fort. Mit einer Verfassung im eigentlichen Sinne tarisches Selbstbewusstsein entwickeln, wo doch in hatte der Prinzregent sich nicht anfreunden können. allen entscheidenden Fragen die Mitwirkungsrechte Im Jahr der Karlsbader Beschlüsse löste er zunächst begrenzt waren oder gar nicht erst bestanden, wo in die Provisorische Ständeversammlung auf und den meisten Fragen eine altständisch begründete ersetzte sie durch eine neue. Aus der einen Kammer Mehrheit des Adels so gut wie unvermeidlich fest- wurden zwei, wie dies auch in anderen Territorien, stand? Der Eindruck ist zwiespältig: Mangelnde vor allem im Königreich Großbritannien, längst Öffentlichkeit, verspätete Publikation von Unter- schon die Regel war. Nur konnte in Hannover lagen, vor allem die Zensur verhinderten eine Form wiederum, letztlich auf Betreiben des Prinzregenten, von Debatte, wie sie seit der zweiten Hälfte des unterstützt vom Grafen Münster und auf der Basis 19. Jahrhunderts zur Selbstverständlichkeit werden von Vorlagen des Kabinettssekretärs August Wilhelm sollte. Andererseits scheint die interne Debatten- Rehberg, eine volle Gleichberechtigung der nicht- kultur in den beiden Kammern doch hoch entwickelt adligen Stände in den Kammern vermieden werden. gewesen zu sein, wenngleich man sich darüber im Es ging immer noch und ausschließlich um Reprä- Klaren blieb, dass eine ernstliche Opposition gegen sentation im altständischen Sinn, nicht um Partizi- Pläne des Generalgouverneurs Adolf Friedrich von pation nach den Vorstellungen der sich entwickeln- Cambridge kaum erfolgreich sein würde. Kluge Köpfe den Ideen eines modernen Staatswesens. sahen in diesen Jahren, wohin die Reise gehen würde. Johann Carl Bertram Stüve, der gerade eben Nur ein übereinstimmendes Votum beider Kammern 25-jährige Deputierte der Stadt Osnabrück in der brachte rechtsgültige Beschlüsse zuwege, und durch Zweiten Kammer, schrieb 1823: eine geschickte Verteilung der Mandate in den Häufig wirft man die Frage auf: Was nützen die Kammern konnte der landständische Adel des Stände? Die Antwort ist schwer. Meine ist: Jetzt Königreichs in gewisser Hinsicht ihm nicht genehme vielleicht wenig oder nichts, aber sie sind die Form, Vorgänge anhalten. Hannover blieb in der Zeit der welche einst viel Gutes wirken, und was noch mehr landesweiten Restauration der Jahre nach 1815 eines werth ist, viel Böses verhüten kann.4 ihrer Zentren. Immer noch wurde politische Partizi- Stüve sollte Gelegenheit haben, diese Entwicklung pation im Sinne der Beteiligung an landesweiten über lange Jahrzehnte zu verfolgen, und es 1848 bis Entscheidungen als adliges Vorrecht angesehen. In zum Innenminister bringen. der ersten Kammer saßen auch weiterhin nur Mit- glieder, die durch ihren Geburtsstand als Adlige oder L durch ihr öffentliches Amt dazu berechtigt waren. In der zweiten Kammer saßen Vertreter der geistlichen Parlamentarisch und verfassungsrechtlich machte Stifte sowie vor allem die Deputierten der Städte. das Königreich Hannover in den Jahren 1830 – 1837 Für beide Kammern galt ein im Detail voneinander Geschichte. Die revolutionären Umtriebe des Jahres abweichendes Zensuswahlrecht, das Besitzende 1830 hatten im Königreich das Ende der Ära des begünstigte und erhebliche Teile der Bevölkerung Grafen Münster zur Folge, damit gleichzeitig auch ausschloss. Die Landbevölkerung – 87 Prozent der das Entstehen einer, wenngleich in ihren Zielen Gesamtbevölkerung des Königreiches (1820) – war durchaus bescheidenen Reformdiskussion. Die seit in der Ständeversammlung überhaupt nicht ver- 1826 amtierende Ständeversammlung erhielt 1831 treten. Von den Städtern war nur jeder 10. bis maßgeblichen Zuwachs an Liberalen als Vertreter 20. aufgrund des Zensuswahlrechts wählbar. Von der Städte des Königreichs. Mit ihnen wurde die

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Zweite Kammer zur politisch bestimmenden Größe Die Mitglieder des Landtages vertreten das ganze des Landes, während die immer noch adlig dominier- Volk. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht te Erste Kammer an Bedeutung sichtlich verlor. Der gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Druck auf den Monarchen wuchs, und dies in Moderne Verfassungen spiegeln immer auch die zweierlei Richtungen: Zum einen wurde eine moder- verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen nisierte Verfassung angemahnt, deren Erarbeitung Entwicklungen der Jahrzehnte und Jahrhunderte vor noch 1831 beginnen sollte. Zum anderen ging es um ihnen wider. die Veränderung des Wahlmodus für die Ständever- sammlung, die in einer Wahlordnung von 1832 ihren Das Staatsgrundgesetz von 1833 machte aus dem Ausdruck fand. Insgesamt nahm der Reformprozess verfassungspolitisch rückständigen Königreich damit deutlich an Fahrt auf, und es schien, als sei er Hannover einen modernen Verfassungsstaat. Es kaum noch reversibel. enthielt wichtige konstitutionelle Einzelbestimmungen, die in ihrer Summe für das Königreich Hannover eine Das Staatsgrundgesetz vom 26. September 1833, wesentliche Etappe auf dem Weg zum modernen erlassen durch den zum Vizekönig erhobenen Adolph Staatsverständnis und Parlamentarismus bedeuteten Friedrich im Namen König Wilhelms IV., war das (Chr. von den Heuvel). Ergebnis dieses Prozesses, mit dem das Königreich Hannover den Anschluss an die Verfassungsentwick- Freilich galt dieses moderne Staatsgrundgesetz lungen vor allem der süddeutschen Staatenwelt fand. bekanntlich nur für vier Jahre. Mit dem Regierungs- Die politischen Rechte der Stände wurden deutlich antritt König Ernst Augusts von Hannover nach dem erweitert. Die Ständeversammlung wurde stärker als Ende der hannoversch-britischen Personalunion 1837 bisher in die Gesetzgebung eingebunden und erhielt begann der zunächst auch erfolgreiche Versuch, die ein Petitionsrecht im Gesetzgebungsverfahren, was Verfassungsentwicklung wieder zurückzudrehen. freilich immer noch nicht in die Nähe einer eigenen Der durch und durch militärisch geprägte König war Gesetzgebungshoheit führte. nicht nur – was keineswegs ungewöhnlich war – von der Idee des Gottesgnadentums durchdrungen, das Von zentraler Bedeutung wurde der § 107 des Staats- schon gedanklich wenig Raum für konkurrierende grundgesetzes, in dem festgelegt wurde: Gewalten neben einem Monarchen zuließ; er war Sämmtliche Mitglieder der Ständeversammlung politisch schlicht rückwärtsgewandt. Die Ständever- haben sich als Repräsentanten des ganzen König- sammlung wurde aufgelöst, das Staatsgrundgesetz reichs anzusehen, und dürfen sich nicht durch eine am 1. November 1837 außer Kraft gesetzt: ein klarer bestimmte Instruction des Standes oder der Gemein- Verfassungsbruch des Königs, der einseitig sein de, von denen sie gewählt sind, binden lassen.5 Treueverhältnis gegenüber dem von ihm regierten Damit wurde klargestellt, dass die Ständevertreter Volk aufkündigte, ohne eine Möglichkeit der Gegen- – anders als bisher – dem Wohl des Königreichs wehr zu lassen. insgesamt verpflichtet waren, nicht allein der Beförderung der Ziele ihres eigenen Standes. Sie Die berühmt gewordene Affäre um den Widerstand wurden, so gesehen, zu Repräsentanten des gesamten der Göttinger Sieben gegen diesen, von ihnen als Staatsvolkes, vielleicht eine der überhaupt wichtigs- solchen empfundenen Staatsstreich von oben gehört ten Veränderungen, die die Verfassungsgeschichte fraglos zu den Ruhmesblättern der deutschen der Neuzeit kennt. Nicht Interessen- und Standes- Freiheitsgeschichte. Freilich gehört die Verweigerung vertreter, sondern Volksvertreter zu sein, gilt seither der Huldigung dieser Universitätslehrer gegenüber als Standard für die Angehörigen moderner Parla- dem soeben verfassungsbrüchig gewordenen König mente. Noch der Artikel 12 der Verfassung des Landes nur sehr eingeschränkt zu einer Geschichte des Niedersachsen enthält diese Norm: Parlamentarismus in Niedersachsen: Dahlmann, Albrecht, den Brüdern Grimm, Ewald, Gervinus und

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Weber ging es zunächst und vor allem um die wurden die Öffentlichkeit der Verhandlungen der individuellen Freiheitsrechte des Einzelnen gegen- Ständeversammlung sowie die Pressefreiheit über dem Monarchen und dem Staat. Erst in zweiter abgeschafft. Linie folgte daraus, dass die Göttinger Sieben mit ihren individuellen Rechten auch die Rechte der Mit diesen beiden Themen, Öffentlichkeit und politischen Partizipation durch die Ständeversamm- Presse, ist ein weiterer, wesentlicher Baustein der lung und damit durch die organisierten politischen parlamentarischen Entwicklungen des 19. Jahr- Mitwirkungsrechte des Staatsvolkes insgesamt hunderts berührt: die Rolle der nicht direkt an den verteidigten. Erfolg hatten die Göttinger Sieben nicht Verhandlungen beteiligten Öffentlichkeit. Parlamen- in dem Sinne, den sie sich gewünscht und auf den sie te bezogen zu allen Zeiten und beziehen bis heute gehofft haben werden: Das Staatsgrundgesetz wurde ihre bedeutende Rolle für den politischen Diskurs zunächst nicht wieder in Kraft gesetzt, die Ständever- in einem Land aus der Öffentlichkeit ihrer Verhand- sammlung blieb aufgelöst. Erfolg hatten sie in einem lungen. Sie zu erringen, also die Öffentlichkeit eben ganz anderen Sinne: Ihr Widerstand machte deutlich, nicht vor der Tür zu lassen, sondern sie – mindestens dass auch monarchisches politisches Handeln nicht theoretisch – einzubeziehen, indem die Debatten unwidersprochen blieb und bleiben durfte. Sie dokumentiert werden und indem man ihnen bei- setzten Maßstäbe für bürgerliche Zivilcourage. Dass wohnen darf, ohne selbst ein Mandat zu besitzen, man ihnen die sprichwörtlichen Kränze flocht und ist eines der zentralen Vorrechte des demokratisch ihnen Denkmäler setzte, verrät viel über die politi- begründeten Parlamentarismus unserer Tage. Es sche Kultur der damaligen wie der heutigen Zeiten. wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts erfochten, bestritten, wieder erfochten. Denn die Rolle der Das Landesverfassungsgesetz vom 6. August 1840 politischen Öffentlichkeit hatte seit der Zeit der betonierte den verfassungspolitischen Schritt späten Aufklärung auf eine Weise an Bedeutung zurück. Die Rolle der Ständeversammlung wurde zugenommen, dass es kaum mehr als vertretbar sehr deutlich eingeschränkt. Aus der Gesetzesinitia- und schon gar nicht mehr als zeitgemäß angesehen tive wurde eine bloße Zustimmung im Gesetzge- wurde, hinter verschlossenen Türen über die Geschi- bungsverfahren, abgesehen von Steuerfragen. Der cke eines Landes zu beschließen und zu diskutieren. Monarch war, anders als noch im Staatsgrundgesetz Wenn dieses Recht durch das Landesverfassungsge- von 1833, nicht mehr verpflichtet, die Rechte der setz des Jahres 1840 wieder zurückgedreht und die Untertanen und die der Ständeversammlung zu mittlerweile längst an den Verhandlungen interes- wahren, sondern gewann in gewisser Beziehung sierte politische Öffentlichkeit durch königliche absolute Handlungsfreiheit zu Lasten von Unter- Verfügung wieder ausgesperrt wurde, hatte eine tanen und Parlament wieder zurück. Zusätzlich solche Entscheidung vor allem, aber bei Weitem

Carl Friedrich Gebhard von der Herbord Sigismund Ludwig v. Bar Schulenburg (1763 – 1818), Präsident (1763 – 1844), der ersten allgemeinen Stände- Generalsyndikus der ersten versammlung (Privatbesitz, allgemeinen Ständeversammlung Foto: Andreas Greiner-Napp) (Privatbesitz)

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nicht nur auch symbolischen Charakter: Politische Die Wiederherstellung des Staatsgrundgesetzes von Entscheidungen der Ständeversammlungen sollten 1833 und die Berufung des maßgeblichen Oppositi- wieder hinter verschlossenen Türen erfolgen, onspolitikers Stüve zum Innenminister war freilich öffentliches Nachverfolgen der Diskussionen war nur einer der sorgsam beobachteten königlichen unerwünscht. Schritte. Erheblich prägender sollte in diesen Revolu- tionsmonaten das Nebenparlament der Kondeputier- Dazu passte auch die Tatsache, dass die Regierung in ten wirken, im Grunde eine Form von außerparla- den Jahren nach 1840 vieles daran setzte, Oppositio- mentarischer Räteorganisation. Sie bestand aus nelle vor allem aus der Zweiten Kammer der Stände- Vertretern von Städten und Gemeinden, von Volks- versammlung fernzuhalten. Ob die Wahl nicht und Bürgerversammlungen, die die Forderungen des anerkannt wurde oder sie politischer Überwachung Landes nicht nur dem Ministerium, mithin der wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Zensurbe- Regierung, sondern auch der Ständeversammlung stimmungen unterstellt wurden, machte im Ergebnis präsentierten. Diese Forderungen gingen wesentlich keinen Unterschied. Entscheidend war alleine, dass weiter als die Reformvorstellungen des Ministers in einem Umfeld, das hoch repressiv war, jede Form Stüve. Sie waren demokratisch ausgerichtet, zielten von Abweichung in politischer Hinsicht unter teils auf eine konstitutionelle Monarchie, anderen- Verdacht gestellt wurde. teils aber auf die besonderen Interessen der besitzen- den Bürger: Kurz, es handelte sich um die klassische L Mischung verschiedenster, miteinander durchaus unvereinbarer Forderungen, wie sie revolutionären Die letzten zweieinhalb Jahrzehnte des Königreichs Situationen und Gruppierungen nicht fremd ist. Hannover bis 1866 ähnelten einem Hin und Her: Die konservative Verfassung des Jahres 1840 wurde im Aus alledem ging die Verfassung des 5. September Revolutionsjahr 1848 zugunsten des Staatsgrund- 1848 hervor, in der erstmals im gesamten Deutschen gesetzes von 1833 wieder außer Kraft gesetzt. Noch Bund die parlamentarische Regierungsweise verfas- 1848 wurde dann eine erneut geänderte revolutionär- sungsrechtlich verankert wurde. Hannover, das demokratische Verfassung verfügt, die ihrerseits vormalige Zentrum von Reaktion, Restauration und 1855 für ungültig erklärt und durch die 1840er- Repression, hatte mit einem Schlag an die Spitze der Verfassung wieder ersetzt wurde. demokratischen Bewegung gefunden. Die Verfassung des Königreiches aus dem Jahre 1848 nahm fast Die Kämpfe, die dahinter standen, spielten sich nicht selbstverständlich die Garantie der Pressefreiheit, nur in der Ständeversammlung selber ab, sondern der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, der mehr und intensiver in Gestalt von Petitionen der Glaubensfreiheit, der Abschaffung von geburtsstän- Bürger und öffentlichen, publizistischen Diskussio- dischen Rechten und viele andere Grundrechte in nen. Längst hatte das Königreich Hannover den den Katalog der Bestimmungen auf, ohne dass diese Anschluss an die Praktiken der öffentlich geführten Klauseln als Grundrechte bezeichnet worden wären. Verfassungsdebatten gefunden, und überhaupt wurden die revolutionären Ereignisse allenthalben im Deutschen Bund von Hannover aus nicht nur beobachtet, sondern dienten als Katalysatoren auch im Königreich selber. Es ging längst nicht mehr alleine darum, Argumente hin und her zu wenden und politische Grundsatzpositionen gegeneinander zu stellen: Es ging um den Anspruch grundsätzlicher Veränderungen der politischen Landschaft und des Verfassungslebens.

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Gleichrangig daneben stand unter den Forderungen Das Jahr 1866 stellte für die parlamentarische Ge- des liberalen Bürgertums immer auch die Änderung schichte Niedersachsens genauso wie für die politi- des Wahlrechts. Auch hier setzte die Hannoversche sche Entwicklung einen wesentlichen Einschnitt dar. Verfassung Maßstäbe, verfügte sie doch die Abschaf- Die Annexion des Königreiches Hannover durch das fung der geburtsständischen Vorrechte, insbesondere Königreich Preußen machte nicht nur die Verfassung für die Erste Kammer, die Aufnahme von Vertretern Hannovers gegenstandslos, sondern mit ihr auch das von Handel und Gewerbe, nicht aber die Vergabe des Parlament. Hannover wurde zur preußischen Provinz Wahlrechts an abhängig Beschäftigte. Demokratie und teilte damit das Schicksal anderer, die diese hieß eben noch lange nicht, auch diejenigen an der Erfahrung bereits gemacht hatten – wie etwa West- Parlamentsarbeit zu beteiligen, die von der eigenen falen – oder zur gleichen Zeit machen mussten – abhängigen Arbeit leben mussten. wie etwa Hessen. Blickt man auf die Jahrzehnte seit 1814/15 zurück, so zeigt sich im Falle des König- Wie anderweit in deutschen Landen, so war auch reiches Hannover besonders deutlich, was für die im Königreich Hannover die liberal-demokratische Geschichte des Parlamentarismus in diesen Jahr- Revolution nicht erfolgreich. Anders als anderweit zehnten in nahezu allen Staaten des Deutschen hatten sich die hannoverschen Revolutionäre auf die Bundes gilt: Es gab damals weder eine lineare Ent- Formulierung und Durchsetzung innenpolitischer wicklung hin zu einem Mehr an parlamentarischer Forderungen beschränkt, nicht zuletzt auch des- Mitwirkung oder gar einem Mehr an Demokratie, wegen, weil das Ministerium Stüve die Frankfurter noch hätte sich andererseits die politische Reaktion Nationalversammlung nicht anerkannt hatte. Lag widerstandslos durchsetzen können. dies noch durchaus auf der Linie König Ernst Au- gusts, so gingen ihm die inneren Reformen weitaus Das Spezifikum der hannoverschen Entwicklung zu weit. Die Ablösung des liberalen Märzministeri- war die bleibende Rolle der Provinziallandschaften ums unter Stüve war die Folge. unterhalb der Ständeversammlungen. Es gab deren sieben, deren Geschichte hier nicht im einzelnen König Georg V., der seinem 1851 verstorbenen Vater nachzuzeichnen ist: Calenberg-Göttingen-Gruben- nachgefolgt war, gilt bis heute als der Herrscher des hagen, Lüneburg, Hoya-Diepholz, Bremen-Verden, monarchischen Prinzips (Brosius), als ein unbe- Osnabrück, Hildesheim und Ostfriesland. Sie beruh- dingter Verfechter des Gottesgnadentums und ein ten auf untereinander höchst unterschiedlichen uneinsichtiger Gegner jeder Form von Ausweitung Rechtsgrundlagen, kannten sehr verschiedenartige parlamentarischer und allgemeinpolitischer Formen der Partizipation an den Angelegenheiten Partizipationsrechte. Noch ein letztes Mal schwang ihrer jeweiligen Teilterritorien, und sie bestanden das Pendel in der Geschichte des Parlamentarismus eben auch nach der Vereinigung im Königreich zurück in Richtung auf das politische Vorgestern und Hannover weiter. Die Verfassungen dieser Provinzial- die Reaktion. Einmal noch, ein letztes Mal in der landschaften wurden im Allgemeinen während des ohnehin unübersichtlichen Verfassungsgeschichte 19. Jahrhunderts nicht verändert, wenn sie überhaupt des Königreiches Hannover, wurde eine Verfassung schriftlich gefasst wurden, sodass in ihnen ein aufgehoben und durch eine ältere ersetzt: Die – vor- Element des Altständischen in die Neuzeit hinein sichtig gesprochen – eher partizipationsfeindliche überkommen ist, das in einem teilweise merkwürdi- Verfassung von 1840 trat seit 1855 wieder in Kraft. Die gen Kontrast zu den Regelungen der Verfassungen beiden Kammern der Ständeversammlung vermoch- des Königreiches stand. Kennzeichnend ist, dass in ten es nicht, sich gegen diesen Oktroi zu wehren. den Provinziallandschaften und in den Ständever- Hannovers Opposition schien einmal mehr machtlos. sammlungen teilweise dieselben Personen saßen und ihre Mandate wahrnahmen. Dadurch war die vom L Prinzregenten Georg 1814 gewollte Verzahnung zwischen territorialen und Interessen des König-

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reiches insgesamt durchaus gegeben. Freilich bleibt des Landtages waren und blieben eingeschränkt, die im Einzelnen unentschieden, ob und inwieweit die politischen Verhältnisse erwiesen sich als wesentlich Deputierten in der Allgemeinen Ständeversammlung stabiler als im Königreich Hannover. ihre Aufgabe tatsächlich als Stände des gesamten Landes sahen oder nicht eben doch im Wesentlichen Dagegen verliefen die Entwicklungen im Herzogtum Partikularpolitik betrieben. Wie so manches andere Braunschweig in erkennbarer Anlehnung an die in der Geschichte des niedersächsischen Parlamenta- hannoverschen Vorgänge. Auch hier in Braunschweig rismus tut sich hier, in der Geschichte der Provinzial- wechselten Restauration und Fortschritt, Repression landschaften, noch ein weitgehend unbeackertes und demokratische Forderungen untereinander ab, Forschungsfeld auf. freilich geschah alles das im Rahmen einer einzigen Verfassung, derjenigen von 1832, die bis zum Ende L der Monarchie gültig blieb.

Die preußische Provinz Hannover stellte nun frei- In Schaumburg-Lippe schließlich wurde nach einer lich auf dem heute niedersächsischen Territorium Verordnung zu den Landständen von 1816 erst 1868 keineswegs die einzige politische Einheit dar. Mit eine Verfassung erlassen, die aber an der faktischen dem Großherzogtum Oldenburg, dem Herzogtum Prärogative des Landesfürsten wenig änderte. Braunschweig und dem Fürstentum Schaumburg- Lippe gab es drei weitere eigenständige Staaten des L Deutschen Bundes, die über eigene Landtage ver- fügten, deren Geschichte mit der der Hannoverschen Wie in den Jahrzehnten vorher, so stellt auch in dem Ständeversammlung keineswegs parallel verlief und halben Jahrhundert zwischen 1866 und 1918 das schon gar nicht identisch war. ehemalige Königreich Hannover, die nunmehrige preußische Provinz das inhaltlich wesentliche Das zeigt sich besonders deutlich am Großherzogtum Beispiel zur Entwicklung des Parlamentarismus dar. Oldenburg, dessen Landtag tatsächlich eine erkämpf- Das Modell des Parlamentarismus in dieser Zeit war te Errungenschaft des Revolutionsjahres von 1848 einfach: Das ehemalige Königreich wurde von einer war. Bis dahin hatten sich die lange Jahrzehnte provinzialständischen Verwaltung regiert. Die regierenden Monarchen, Herzog Peter (1785 – 1829) Provinzialstände selber bildeten einen Landtag, und Großherzog August (1829 – 1853), der Forderung dessen Beschlüsse dem Oberpräsidenten der Provinz des Wiener Kongresses nach einer landständischen zur Prüfung und Ausführung vorzulegen waren. Verfassung jedenfalls insoweit entziehen können, Einziges Aufgabenfeld dieses Landtages war Mitwir- als sie zwar eine mehr oder weniger unverbindlich kung und Aufsicht über die Kommunalangelegenhei- ausfallende Diskussion dieser Notwendigkeit nicht ten der Provinz sowie über der Provinz gehörende verhinderten, aber aus dieser Diskussion eben auch Vermögenswerte. Alle übrigen Angelegenheiten keinerlei faktische Konsequenzen zogen. So wurde waren dem Preußischen Landtag selber vorzulegen, erst 1848 ein Landtag gewählt, der überraschend in dem naturgemäß auch Abgeordnete der Provinz demokratisch, politisch also links orientiert war Hannover vertreten waren. Freilich kann man es sich und in dem Beamte, Lehrer und Advokaten den Ton in dieser Beziehung einfach machen: Parlamenta- angaben. risch gab es keinerlei Eigenleben in der Provinz, das irgendeine weitergehende Wirkung gehabt hätte. Auch in Oldenburg griff bald danach die Restauration Einflüsse des Provinziallandtages auf diejenigen zu und milderte die Inhalte der Verfassung von 1849 Bereiche der gesamtpreußischen Gesetzgebung, die in erheblichem Maße ab. Ein immer noch liberales Auswirkungen auf die Provinz haben würden, waren Staatsgrundgesetz von 1852 galt in Oldenburg im theoretisch denkbar, wurden aber praktisch kaum Wesentlichen unverändert bis 1919. Die Befugnisse ausgeübt. Es blieben so unterschiedliche Aufgaben

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wie der Straßenbau, das kulturelle Leben und die Das Ende des Ersten Weltkrieges brachte für den Krankenversorgung als Gegenstände des Provinzial- deutschen Parlamentarismus einen entscheidenden landtages, derselbe Aufgabenkatalog, den heute noch Entwicklungssprung: Die sogenannte Parlamentari- die Landschaftsverbände des Bundeslandes Nord- sierung der Reichsregierung, also die Herstellung der rhein-Westfalen wahrnehmen, die ihre Entstehung Verantwortlichkeit einer Regierung gegenüber dem denselben Wurzeln verdanken. Reichstag, war zwar nur unter dem Druck der letzten Kriegsmonate 1918 denkbar geworden und trug L deswegen das Kainsmal des Nicht-Gewollten mit sich, aber im Unterschied zu manch anderen Ent- Mit der Revolution des Jahres 1918/19 und der soge- wicklungen des Parlamentarismus erwies sich dieser nannten Machtergreifung der Nationalsozialisten Schritt faktisch als nicht umkehrbar. Zwar sah die 1933 wirkten zwei welthistorisch wichtige Ereignisse Weimarer Reichsverfassung mit dem Reichspräsiden- sehr unmittelbar auch auf die Formen und Inhalte, ja ten als „Ersatz-Kaiser“ wiederum eine Bindung des überhaupt auf die Möglichkeiten parlamentarischer Parlamentes allein an den obersten Repräsentanten Tätigkeit und politischer Mitverantwortung im des Reiches vor, dennoch sollte die Form der Parla- niedersächsischen Raum ein. Nicht erst jetzt, sondern mentarisierung von nun an Standard der verfas- vermutlich bereits 1848 zeigt sich die enge Verwoben- sungspolitischen Entwicklungen werden. heit des regionalen Parlamentarismus mit überregio- nalen, gesamtstaatlichen Entwicklungen, seit der Das lässt sich bekanntlich am wenigsten gut an der zunehmenden Integration auf europäischer Ebene preußischen Provinz Hannover verdeutlichen, deren noch zusätzlich verschärft durch Einwirkungen der Provinziallandtag keinen merklichen Veränderungen Europäischen Union auf Landesangelegenheiten. unterworfen wurde, sieht man einmal von allerdings durchgreifenden Wahlrechtsveränderungen ab. Dies ist, um eine grundsätzliche Beobachtung Genau das verdient denn auch einen Hinweis auf das anzuschließen, bisweilen als Funktionsverlust der hannoversche Provinzparlament, dessen Sitzung Länderparlamente angesehen worden. Was 1866 und der damalige Oberpräsident Gustav Noske (SPD) am danach für den Provinziallandtag in Hannover galt, 15. März 1921 mit diesen Worten eröffnete: was 1918 und danach für die Landtage im Verhältnis Heute versammelt sich zum ersten Male eine zur Weimarer Nationalversammlung beziehungswei- Vertretung der Bevölkerung, hervorgegangen aus se zum Reichstag galt und heute gegenüber Bundes- allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahl tag und Europaparlament gilt, das ist nicht nur aller über 20 Jahre alten Männer und Frauen. Der graduell, sondern grundsätzlich von so neuer letzte Rest ständischer oder indirekter Vertretung ist Qualität, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, verschwunden. Männer aus allen Schichten der wie weit die Gesetzgebungskompetenz der Länder- Bevölkerung werden mit völlig gleichem Recht ohne parlamente noch in allen Feldern als notwendig jede Rücksicht auf Herkommen sowie Besitz berufen begründbar ist. Das ist beileibe kein Votum gegen sein, zum Segen der hannoverschen Bevölkerung zu den Föderalismus, der Deutschland hat stark werden beraten, und zum ersten Mal erscheinen Frauen im lassen in der Vielfalt seiner Regionen. Es ist eine Landtage der Provinz, um mit ihrer besonderen Vermutung des Historikers, der Parallelbeispiele Sachkunde dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen.6 kennt und analysiert, in denen tatsächliche Partizi- Das waren die Errungenschaften des Endes der pations- und Gestaltungsmöglichkeiten mit den Monarchien: Das allgemeine, gleiche, geheime und theoretischen Ansprüchen eben nicht mehr Schritt direkte Wahlrecht für Männer und Frauen galt nun halten konnten. deutschlandweit, eine Errungenschaft, die die skandinavischen Staaten schon einige Jahre kannten, L und selbst in Aserbeidschan wurde das Frauenwahl- recht bereits 1917 eingeführt.

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Zu den Selbstverständlichkeiten des Parlamentaris- Mit dem Jahr 1946 beginnt die Gegenwart dieses mus in der Weimarer Zeit gehört auch das Vorhan- Bundeslandes und seines Landtages. Wie 1918/19 war densein modern strukturierter Parteien. Eine auch dieser Schritt auf dem Weg keineswegs freiwil- differenzierte, bisweilen schwer überschaubare und lig erfolgt, sondern unter dem Druck des verlorenen häufigen Wandlungen unterworfene Parteienland- Krieges und aufgrund der berühmt gewordenen schaft von der äußersten Rechten bis zu linken Verordnung Nr. 55 der britischen Besatzungsmacht Splitterparteien erlaubte es, den Wählerwillen auf wurde aus Braunschweig, Hannover, Oldenburg und eine Weise abzubilden, die im Laufe des 19. Jahrhun- Schaumburg-Lippe ein Land. derts als noch nicht nötig empfunden wurde und die in unseren Tagen gelegentlich geradezu als störend Die kurzlebigen Landtage dieser Vorgängerterritorien gilt, wenn die Verteilung der Wählerstimmen auf die des heutigen Bundeslandes stellten 1946 ihre Tätig- Parteien eine eindeutige Regierungsbildung er- keit ein. Sie taten dies in den letzten Sitzungen ihrer schwert oder gar unmöglich werden lässt. Wer sich Gremien mit teils bis heute bewegenden Debattenbei- mit der Geschichte des Parlamentarismus beschäf- trägen. Oldenburger, Braunschweiger und Schaum- tigt, der meint, sich in den Jahrzehnten seit 1918 burg-Lipper gaben ihre Eigenständigkeit nicht gewissermaßen sachverständig zeigen zu können, freiwillig auf, nur schweren Herzens wurden sie denn nicht nur die Begriffe von Parteien und Abge- – politisch gesehen – Niedersachsen, und lange ordneten, Ministern und Regierungen sind modern, fremdelten sie mit der neuen politischen Heimat, die auch die Funktionszusammenhänge scheinen es zu ihre gewachsene alte Heimat nun überwölben sollte. sein. Der neue Niedersächsische Landtag, der zu seiner 1933 war der Parlamentarismus in Deutschland ersten Sitzung 1946 zusammentrat und 1947 erstmals seinem Ende nahe. Die sogenannte Gleichschaltung gewählt wurde, war und ist ein in jeder Hinsicht der Länder brachte eine funktionale Bedeutungslo- modernes Parlament. Von Anfang an, schon durch sigkeit der Landtage mit sich. Die Verhaftung und die Zulassung der Parteien noch 1945, stützte sich das im schlimmsten Fall Ermordung von Politikern, Parlament auf eine breit organisierte Schicht von insbesondere der Linken, machte schlagend deutlich, politisch aktiven Staatsbürgern und eine im Allge- was von der Herrschaft der Nationalsozialisten in meinen auch hohe Wahlbeteiligung der Bevölkerung. Deutschland erwartet werden konnte und befürchtet werden musste. Auch die Landtage auf niedersächsi- In den Anfangsjahren erwies sich die Parteienland- schem Gebiet teilten dieses Schicksal: 35 Parlamen- schaft noch als überaus wandelbar. Auf der äußersten tarier wurden zwischen 1933 und 1945 von National- Linken agierten bis zum Verbot ihrer Partei die sozialisten ermordet. Eine Gedenktafel im Landtag Abgeordneten der KPD, am Rande der Rechten für nennt ihre Namen. Ihrer zu gedenken, gehört zu weitaus weniger lange Zeit die Vertreter der Sozialis- den selbstverständlichen Pflichten von uns Nach- tischen Reichspartei (SRP), die als Nachfolgeorgani- geborenen. sation der NSDAP alsbald verboten wurde. Regional starke Parteien wie das Zentrum – vor allem im L katholischen Südoldenburg sehr stark – oder die Deutsche Partei als die politische Vertretung der Welfen spielten bis weit in die 1950er-Jahre eine bedeutende Rolle. Die Freie Demokratische Partei durchlebte einen tiefgreifenden Wandel von einer weit rechts orientierten Partei zum Liberalismus südwestdeutscher Prägung. Erst um 1960 begann die CDU, ihre Stellung als Volkspartei zu erreichen, während dies für die SPD schon zuvor gegolten hatte.

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Die Ökologiebewegung der 1970er-Jahre brachte Schließlich sei ein letzter Punkt wenigstens kurz als schließlich die Grünen ins Parlament. Parteienge- eine bedeutende Station des Parlamentarismus in schichte ist und bleibt immer auch die Geschichte Niedersachsen berührt: die Volksentscheide des gesellschaftlicher und politischer Wandlungen. Jahres 1975. Es ging damals um die Frage, ob Olden- Schon ein Blick auf die Fraktionen, die in den burg und Schaumburg-Lippe als eigenständige Landtagen vertreten waren und sind, verrät im Länder wiederherzustellen seien. Zu tief saß offen- Längsschnitt vieles von den Veränderungen, die kundig der Stachel im Fleische der Zwangs-Nieder- hier nur angedeutet werden konnten. sachsen, als dass man diesen Versuch nicht wenigs- tens noch unternehmen wollte. Er fiel zusammen mit Die Auseinandersetzung des Landtages mit den dem Vorhaben einer umfangreichen und in mancher- Hinterlassenschaften und den Nachwirkungen der lei Beziehung erschreckend geschichts- und wirk- nationalsozialistischen Herrschaft zeigte sich lichkeitsfremden Gebiets- und Verwaltungsreform in erstmals vor aller Augen in der sogenannten Affäre weiten Teilen des Landes. Die Mehrheiten, die in den Leonhard Schlüter, eines undurchsichtigen Kandida- Volksentscheiden für die Loslösung von Hannover ten der äußersten Rechten, der es zunächst mit der plädierten, waren ebenso sehr Stimmen gegen Unterstützung der Besatzungsmacht zum Kripochef solches Umgehen mit den Regionen, wie sie sicher- in Göttingen gebracht hatte. Als rechtsradikaler lich, wenngleich nur zu Teilen, auch tatsächlich Verleger und als Fraktionsangehöriger der dann solche Loslösungen befürwortet haben mögen. Erst verbotenen SRP wechselte er in die FDP-Fraktion ein kategorischer Entscheid des Deutschen Bundes- und wurde 1955 als Kultusminister nominiert. Sein tages beendete die Diskussion und entwertete die erzwungener Rücktritt von dieser Nominierung Ergebnisse der Volksentscheide. führte zu einem Untersuchungsausschuss, dessen Beratungen – ebenso wie die abschließende Plenar- Die derzeit geltende Verfassung des Landes Nieder- sitzung zu diesem Thema – die offenkundig erste sachsen trägt den besonderen Bedingungen unseres umfassende Auseinandersetzung des Parlaments Landes Rechnung, indem sie im Artikel 72 Folgendes mit der eigenen Vergangenheit darstellten. festhält: Die kulturellen und historischen Belange der In den gleichen Zusammenhang gehört auch die ehemaligen Länder Hannover, Oldenburg, Braun- vor kurzer Zeit noch einmal bekannt gewordene schweig und Schaumburg-Lippe sind durch Gesetz- Mitwirkung des ersten niedersächsischen Minister- gebung und Verwaltung zu wahren und zu fördern. präsidenten Hinrich Wilhelm Kopf (SPD) an Aktivitä- Damit ist eine Aufgabe dieses Landesparlamentes ten nationalsozialistischer Verwaltungsbehörden definiert, die anders als in manchen anderen Bundes- mit dem Ziel, von Polen und Juden Vermögenswerte ländern sehr deutlich darauf verweist, welche zu erpressen. Das alles ist zu bekannt, um es hier historischen Wurzeln dieses Land besitzt. wiederholen zu müssen. Freilich zeigt mir die Reaktion des Landtages unserer Tage, wie sehr sich L dieses Parlament dadurch angegriffen fühlt, dass der Ministerpräsident dem Landtag seinerzeit eine Am Ende eines solchen Parforcerittes durch Statio- offensichtlich wahrheitswidrige Auskunft gegeben nen des niedersächsischen Parlamentarismus kann hatte, indem er diese Tätigkeit bestritt. Parlamente es nicht Aufgabe des Historikers sein, den aktiven beziehen ihre Stärke auch und bezogen sie zu allen Parlamentariern Ratschläge zu geben, wie sie vor Zeiten aus dem Selbstbewusstsein, das in der Affäre dem Hintergrund dieser Geschichte ihre Aufgabe um Kopf nochmals mehr als deutlich geworden ist. wahrzunehmen haben. Der Historiker ist Staats- bürger, mehr nicht, und hat genauso seine Stimme bei Wahlen abzugeben.

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Es wird auch nicht willkommen sein, den Inhalt des 1 Dem Vortragscharakter entsprechend, werden im Folgenden nur Zitate Vortrages nochmals in Kurzfassung wiederzugeben. nachgewiesen. Ein Überblick über die Forschungsliteratur findet sich am Ende des Textes. Das würde einerseits keinerlei Erkenntniszugewinn 2 Heinrich Luden, Das Königreich Hannover nach seinen öffentlichen Verhältnissen, besonders die Verhandlungen der allgemeinen erbringen, andererseits aber die Frage aufwerfen, Ständeversammlung in den Jahren 1814, 1815 und 1816, Nordhausen wieso es eines so langen Vortrages bedurft hat, wenn 1818, Anlagen Nr. II S. 6 – 9 (Proklamation), daraus die folgenden Zitate. 3 Ebd., Anlagen Nr. III S. 12 – 16, daraus die folgenden Zitate. sich eine Zusammenfassung doch in nur wenigen 4 Gustav Stüve, Johann Carl Bertram Stüve nach Briefen und persönli- Sätzen bewerkstelligen lasse. chen Erinnerungen, Bd. 1, Hannover/Leipzig 1900, S. 48. 5 Text des Staatsgrundgesetzes in: http://www.verfassungen.de/de/nds/hannover33.htm (Abruf: 31.7.2014). Stattdessen nimmt sich der Historiker das Recht, 6 Zitiert nach Beatrix Herlemann, Provinziallandtag Hannover 1866 – 1945, in Handbuch, Bd. II (siehe Literaturverzeichnis), S. 351. Fragen zu stellen. Denn das ist eine seiner Aufgaben: der Geschichte in ihren wechselvollen Abläufen dadurch Strukturen zu unterlegen, dass man diese Abläufe auf grundsätzliche Fragen hin gewisser- maßen sortiert. Und bisweilen mag sich auf dieser Strukturierung und Sortierung dann eine neue Qualität ergeben, die es eben doch erlauben mag, mit aller Zurückhaltung die Vorstellung zu äußern, dass sich aus der Geschichte lernen lassen könne, wenigstens: etwas lernen lassen könne.

Diesem Versuch dienen die beiden folgenden Fragen, mit denen ich schließen will: Literatur zum Thema L Niedersachsens Parlamentarismus-Geschichte ist L Die Entwicklung der Allgemeinen Ständeversammlung von 1814/15 bis ebenso reich und vielfältig wie uneindeutig und 1866 ist mittlerweile mustergültig aufgearbeitet in: Handbuch der niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte, widersprüchlich verlaufen. Wo eigentlich wird Bd. II: 1815 – 1946, hg. von Brage Bei der Wieden (Veröffentlichungen der dieser Bereich der Landesgeschichte den Nieder- Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 271), Hannover 2013, S. 13 – 30 (Sabine Kempf), S. 231-272 (Christine van den Heuvel). sachsen besser zu vermitteln sein als eben im Landtag? Und fordert eine Landtagsumgestaltung Zum Hannoverschen Provinziallandtag der Jahre 1884 bis 1933 vgl. ebd. S. 121 – 128, 347 – 358 (Beatrix Herlemann). nicht geradezu dazu heraus, eine Informations- stätte zum niedersächsischen Parlamentarismus Zu den Landtagen des Jahres 1946 vgl. ebd. S. 129 – 139, 359 – 375 (Hannover: Hermann Butzer), S. 155 – 168 (Oldenburg: Rudolf Wyrsch), am Orte des heutigen Parlamentes zu errichten? S. 181 – 194, 410f. (Braunschweig: Hans-Ulrich Ludewig), S. 205 – 210, 425 (Stefan Brüdermann), S. 391 – 393 (Oldenburg: Albrecht Eckhardt). LL Niedersachsens Parlamentarismus-Geschichte ist ungemein stark von regionalen Differenzen Eine Darstellung der Geschichte des Niedersächsischen Landtages seit geprägt und teilweise bis in jüngste Vergangen- 1946 liegt erst in Ansätzen vor: Dieter Brosius, Der Landtag im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat heit hinein bestimmt. Ist Niedersachsen so stark, (1946 – 1996), in: Landstände und Landtage. Der Weg zur demokratischen Volksvertretung in Niedersachsen. Katalog zur Ausstellung des Nieder- sind sein Landtag und seine Regierung so selbst- sächsischen Hauptstaatsarchivs aus Anlaß des 50. Jahrestages der bewusst, auf diese Regionalismen als Stärken Gründung des Landes Niedersachsen, hg. vom Präsidenten des Niedersächsischen Landtages, (Hannover 1996), S. 189 – 245. Dieser deutlicher hinzuweisen? Wieso weiß in Berlin Katalog ist auch für die früheren Epochen heranzuziehen, ins- jeder und in Brüssel mindestens mancher, dass besondere wegen der übersichtlichen Darstellungsart und der zahl- reichen Illustrationen. einen Franken und einen Schwaben zwar vieles Reiche Informationen zum Landtag finden sich auch in: vereint, aber manches auch trennt? Wieso weiß Geschichte Niedersachsens, begründet von Hans Patze, Bd. 5: Von der Weimarer Republik zur Wiedervereinigung, hg. von Gerd Steinwascher das in Berlin und Brüssel kaum einer von Braun- (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen schweigern und Oldenburgern? und Bremen XXXVI, 5), Hannover 2010. Zu theoretischen Aspekten der Arbeit des Landtages ist zu verweisen auf: Albert Janssen, Nachdenkliches zur Entwicklung des Landesparlamenta- rismus in Niedersachsen (Juristische Studiengesellschaft Hannover 43), Baden-Baden 2007, eine keineswegs unumstrittene, aber ungemein gedankenreiche Analyse eines durchaus drängenden Problems.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 23 LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

Programm und Ablauf der ersten Allgemeinen Ständeversammlung am 15. Dezember 1814 (Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Hannover)

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200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 25 26 Von Landschaften und Landschaftsverbänden 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

Von Landschaften und Landschaftsverbänden 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung 27 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

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s mag zunächst wie ein Anachro- gesellschaftlicher Einfluss als parteiungebundene, nismus anmuten: In Niedersachsen bestehen sechs identitätsstiftende regionale Einrichtung geblieben. EInstitutionen, deren Ursprünge bis in das Mittelalter In der Region sind sie als Förderer von kulturellen zurückreichen. Es sind die sechs Hannoverschen und sozialen Projekten tätig, überregional als Träger Landschaften, benannt nach den ehemaligen Terri- der VGH. torien, in denen sie als Landstände vom jeweiligen Landesherren bei bestimmten Angelegenheiten zur Noch eine weitere, zukunftsweisende Gründung ging Mitwirkung herangezogen werden mussten. Es sind: aus den Kreisen der Hannoverschen Landschaften Die Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden, hervor. Im Jahre 1963 wurde auf Anregung des Land- die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüne- schaftspräsidenten Tassilo von der Decken in Stade burg, die Hoya-Diepholz’sche Landschaft, die Calen- der erste Landschaftsverband gegründet. Mitglieder berg-Grubenhagensche Landschaft, die Landschaft sind neben der Landschaft der ehemaligen Herzog- des ehemaligen Fürstentums Osnabrück und die tümer Bremen und Verden die Landkreise, Städte Landschaft des vormaligen Fürstentums Hildesheim. sowie die Heimat- und Geschichtsvereine des alten Alle sechs sind Körperschaften des öffentlichen Regierungsbezirkes Stade. Nach und nach folgte die Rechts und stehen unter dem Schutz des Artikels 72 Gründung weiterer Landschaftsverbände. Dort, wo der Niedersächsischen Landesverfassung. Jede keine Landschaften mehr bestanden, wie in Braun- Landschaft besteht aus drei Gruppen, Kurien ge- schweig, wurden moderne Landschaften gegründet. nannt, es sind die Ritterschaft, also die großen alten Seither verfügt Niedersachsen über ein dichtes und Güter, die Städte und die großen Landwirtschafts- flächendeckendes Netz regionaler Kulturförderung. betriebe. Früher entschieden sie über die Finanzen, die sie dem jeweiligen Fürsten für seine Aufgaben, Die sechs historischen Landschaften in den Hanno- sein Leben, auch seine Kriege zur Verfügung stellten. verschen Landen haben immer wieder entscheidende Solche Gremien wie die Landschaften gab es im Impulse gegeben und sind seit Jahrhunderten Mittelalter in allen Territorien. Solcherlei Aufgaben kontinuierlich dem Gemeinwohl verpflichtet. Viele können sie natürlich heute nicht mehr haben. Die wissen das nicht, aber die in die Trägerversammlung sechs Hannoverschen Landschaften in Niedersach- der VGH entsandten Vertreter der Landschaften sen sind als einzige noch vorhanden. In unsrer Zeit nehmen ihren Dienst ehrenamtlich wahr. Sie er- haben sie teil an der kulturellen Gestaltung ihrer halten natürlich ihre Sitzungsgelder, aber ihr Dienst jeweiligen Region und sie sind sehr wirksam als ist nicht gewinnorientiert. Deshalb wünsche ich den Träger der 1750 von ihnen gegründeten Landschaft- historischen Landschaften und den vergleichbaren lichen Brandkasse, die mit der Provinzial zusammen Einrichtungen weiterhin segensreiches Wirken zum D. Horst Hirschler, die größte Versicherung in Niedersachsen, die Ver- Dienst an den Menschen. Landesbischof i.R., Abt zu Loccum, sicherungsgruppe Hannover (VGH), bildet. Vorsitzender des Brandkassen- Auf den Landtagen hatten die Landschaften sich seit ausschusses der Landschaftlichen vielen Generationen mit dem Landesherren an Brandkasse Han- Neuordnungen des Gemeinwesens beteiligt. Auch nover, Sprecher der Hannoverschen wenn die Hannoverschen Landschaften längst ihren Landschaften politischen Einfluss verloren haben, so ist ihr

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LANDSCHAFT DER HERZOGTÜMER BREMEN UND VERDEN

Im Gebiet des ehemaligen Königreiches Hannover haben sich – als einzigartige Besonderheit in Deutschland – die jahrhundertealten Institutionen der „Landschaften“ erhalten, die sich im ausgehenden Mittelalter als Vertretungen der Stände gegenüber dem Landesherrn gebildet hatten. Eine dieser Landschaften ist die „Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden“ mit Sitz in Stade. Sie hat den Status einer rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft und steht – wie die anderen Hannoverschen Landschaften auch – unter dem Schutz der niedersächsischen Landesverfassung (Artikel 72).

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uf der Grundlage ihrer noch Geschichte heute gültigen, historisch gewachsenen Verfassung Avon 1865 besteht die Landschaft aus drei Kurien: der Am 6. Dezember 1397 trafen sich in der Mitte des Ritterschaft des Herzogtums Bremen (1. Kurie), den Elbe-Weser-Dreiecks, wahrscheinlich in oder in der Städten (2. Kurie) und dem sogenannten „platten Nähe von Basdahl, Erzbischof Otto II. von Bremen Land“ (3. Kurie). Organe der Landschaft sind der einerseits und andererseits Dompropst, Domdekan Landschaftspräsident (der Präsident der Ritterschaft), und Domkapitel zu Bremen sowie die Prälaten, die der Landtag, der über die Aufgaben und den Haushalt Ritterschaft („manschop“), Vertreter der Städte beschließt – er wird einmal im Jahr einberufen –, (Bremen, Stade, Buxtehude und Wildeshausen) und und der Landschaftliche Ausschuss, der zwischen der Landesgemeinden des Erzstiftes (genannt werden den Landtagen die Interessen der Landschaft berät Osterstade, das Alte Land, das Land und und wahrnimmt. Die Abgeordneten der Landtage das Kirchspiel Osten). Sie schlossen einen Vertrag sind die Mitglieder der Ritterschaft, Abgeordnete miteinander: Für zunächst acht Jahre, also bis 1405, der Städte und Flecken und Abgeordnete des nicht- verpflichteten sie sich zum wechselseitigen Schutz ritterschaftlichen Grundbesitzes, die von den aller ihrer Rechte. Ausdrücklich versprach insbeson- Landkreisen gewählt werden. dere der Erzbischof den Vertretern der genannten Gruppen, ihre Rechte, Freiheiten und Privilegien zu Die Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden bewahren und zu schützen beziehungsweise sie in verkörpert seit über 600 Jahren die regionale Identi- der Ausübung dieser Rechte nicht zu behindern. Für tät des Elbe-Weser-Dreiecks. Sie ist Mitträgerin der den Fall von Streitigkeiten sollten einvernehmlich Landschaftlichen Brandkasse Hannover (VGH) und Schiedsleute berufen werden, die den Streit schlich- des von ihr 1963 mitgegründeten „Landschaftsver- ten beziehungsweise notfalls dafür sorgen sollten, bandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und dass die Vertragspartner den Schiedssprüchen Verden e. V. (Landschaftsverband Stade)“, der Kultur- gemeinsam mit Waffengewalt Geltung verschafften. arbeit und Kulturförderung im Elbe-Weser-Dreieck Dieser Vertrag ist als gezeichnete und gesiegelte leistet (vgl. S. 80). Der hauptamtliche Geschäfts- Urkunde bis heute im Original erhalten, sodass wir führer des Landschaftsverbandes ist zugleich Land- wortwörtlich über das Abkommen Bescheid wissen. schaftsdirektor der Landschaft. Zugleich legten die Vertragspartner in einer zweiten Urkunde fest, wer im Konflikts- oder Kriegsfall wie viele Bewaffnete zu stellen hatte – der Erzbischof 30, das Bremer Domkapitel 7, die Ritterschaft und die Marschländer zusammen 159, die Städte Bremen,

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oben: Urkunde vom 6. Dezember 1397 (Staatsarchiv Bremen): Erzbischof Otto, das Domkapitel, Prälaten, Mannschaft, Städte und Länder des Erzstiftes Bremen schließen eine Einung auf acht Jahre zu gegenseitigem Rechtsschutz.

rechts: Seit 1991 fördert die Landschaft gezielt die Erhaltung von Exponaten in den Museen ihres Gebietes, hier ein Tabernakelschrank in Schloss Agathenburg, dessen Restaurierung von der Landschaft gefördert wurde.

Stade und Buxtehude zusammen 68 –, und sie be- Die in der Urkunde von 1397 genannten Gruppen tonten selbstbewusst: bildeten fortan im Mittelalter die Landstände („die Wir haben uns gansliken voreneghet unde ver- Landschaft“, wie man bald auch sagte) im Erzstift bunden … umme nutticheyt des ganzen landes Bremen: das Domkapitel, also die Gemeinschaft der (Wir haben uns gemeinschaftlich vereinigt und Geistlichen am Bremer Dom, bildete zusammen mit verbunden … zum Nutzen des ganzen Landes). Zum den Vorstehern der Klöster den ersten Stand, die ersten Mal hatten so alle politisch handlungsfähigen Ritterschaft, also der grundbesitzende Adel, den Kräfte im Erzstift Bremen mit ihrem Landesherrn zweiten Stand, die Städte, damals Bremen, Stade, einen „offiziellen“ Vertrag geschlossen, der für alle Buxtehude und auch Wildeshausen, den dritten verbindlich war. Stand. Die Vertreter der Landesgemeinden, also der Die Vertragspartner des Erzbischofs handelten so freien Bauern in den Marschen, schafften es aller- erstmals nicht nur allein, sondern als Vertreter des dings nicht, sich das Recht der Landstandschaft ganzen Landes. Deshalb gilt der Vertrag von 1397 dauerhaft zu erkämpfen. Nur von Fall zu Fall wurden als „Geburtsurkunde“ der Landstände im Elbe- sie zu den Zusammenkünften, den „Landtagen“, Weser-Raum. hinzugezogen. Die Landstände trafen sich nicht

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jährlich, aber regelmäßig in der Mitte des Erzstifts Im 16. Jahrhundert wurden die Bremen-Verdenschen unter freiem Himmel „up dem steengraven“: an Landstände immer einflussreicher, weil Christoph einem kleinen Wasserlauf in der Nähe von Basdahl. von Braunschweig-Wolfenbüttel – er wurde 1502 Meistens kamen sie dann zusammen, wenn der Erz- Bischof von Verden und 1511 Erzbischof von Bremen bischof Geld für Kriege brauchte, wenn er verpfände- und blieb Inhaber beider Ämter bis 1558 – zahlreiche te Burgen auslösen wollte oder wenn er Schulden Kriege führte (unter anderem 1524 gegen die Wurster bezahlen musste. Das nämlich ging nicht ohne die Bauern) und dabei auch häufig außer Landes war. Im Landstände, die ja diejenigen vertraten, die Grund- sogenannten „Buxtehuder Rezess“ musste der Erz- besitz und Geld hatten und die daher als einzige bischof 1525 versprechen, seine teure Hofhaltung Steuern „bewilligen“ konnten. So wurden die Land- einzuschränken und künftig keine Bündnisse mehr stände für den Landesherrn immer wichtiger und im ohne Zustimmung der Stände zu schließen. Auch Laufe der Zeit immer einflussreicher. Die Landtage in setzten die Stände durch, dass Steuern künftig nicht Basdahl waren keine politischen Parlamentssitzun- mehr von Beamten des Erzbischofs, sondern von gen wie Landtagssitzungen heute, sondern es waren ständischen Abgeordneten verwaltet werden sollten. eher Gerichtstage, bei denen Grundsatzurteile ge- Bald aber verloren sie zwei wichtige Kräfte: Erstens fällt wurden, die für das ganze Land wichtig waren. büßte die Geistlichkeit als Folge der Wir wissen, dass zwischen 1397 und 1644 etwa ihren Grundbesitz und damit auch ihre Landstand- 250 Landtage in Basdahl stattgefunden haben. schaft ein, zweitens wurde Bremen im Dreißigjähri- gen Krieg freie Reichsstadt (1646) und konnte sich so Auch in den anderen Territorien des Elbe-Weser-Drei- aus dem bremischen Territorialstaat herauslösen. ecks entstanden Landstände. Im Hochstift Verden Übrig blieben seit der Schwedenzeit (1645 – 1712) setzten sie sich aus dem Verdener Domkapitel, der zunächst nur die bremische und die Verdener Verdener Ritterschaft und der Stadt Verden zusam- Ritterschaft als erster Stand in den von den Schwe- men. Im bildeten ebenfalls drei Grup- den vereinigten neuen „Herzogtümern Bremen und pen eigenständige Hadler Landstände: die sieben Verden“, die Städte Stade, Buxtehude und Verden als Kirchspiele des Hochlandes, die fünf Kirchspiele des zweiter Stand und die Vertreter der Marschen, die Sietlandes und die Stadt Otterndorf. Sie trafen sich aber weiterhin nur gelegentlich zu den Landtagen zwischen Altenbruch und Otterndorf unter freiem hinzugezogen wurden und die kein Stimmrecht Himmel auf dem Warningsacker, später im Stände- hatten. Die Ritterschaft war nicht nur zum ersten haus in Otterndorf. Im Unterschied zu den Ständen Stand „aufgestiegen“; sie dominierte die Landtage im Stift Verden wurden die Hadler Stände aber zahlenmäßig und auch politisch: Häufig wurden im niemals Bestandteile der Landschaft der Herzog- 18. Jahrhundert die damals halbjährlichen Rittertage tümer Bremen und Verden. einfach zu Landtagen erweitert, wenn allgemeine Landesangelegenheiten zu beraten waren.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 33 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

Als 1814 – nach dem Intermezzo der napoleonischen Den Landschaftsverband Stade e. V. gründete die Vorherrschaft in Europa – der hannoversche Staat Landschaft am 24. Oktober 1963 gemeinsam mit den nunmehr als Königreich Hannover nicht nur wieder- Landkreisen, mit den Städten und mit Geschichts- hergestellt, sondern sogar vergrößert worden war, und Heimatvereinen ihres Gebietes. Gemeinsam mit entstand bald danach (1819) eine allgemeine Stände- dem Landschaftsverband führt die Landschaft Pro- versammlung aller Landesteile in Hannover. Die gramme durch, die der Bewahrung der kulturellen alten Landstände in den Provinzen, die „Provinzial- Traditionen und der Erforschung der Geschichte der landschaften“, konnten nur noch bei Gesetzen mit ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden ausschließlicher Geltung für ihre jeweilige Region dienen: mitwirken – ein Fall, der nur selten vorkam. Aber LL Zwischen 1990 und 2002 wurden im Auftrag der weil sie Aufgaben hatten und haben, die allgemein Landschaft alle Grabmale der Region aus der Zeit als nützlich und dem Gemeinwohl dienend angese- vor 1900 sowie etwa 4.000 Gegenstände histori- hen werden, bestanden und bestehen sie weiter fort scher Wohnkultur in Museen und in Privatbesitz und können sie weiterhin in ihren Regionen tätig inventarisiert und dokumentiert. sein – auch ohne ihre früheren politischen Rechte LL In dem von der Landschaft 1991 initiierten wie Mitbestimmung in Staatsangelegenheiten und Förderprogramm „Museale Bestandsbewahrung“ Steuerbewilligung. werden gezielt die Erhaltung und die Restaurie- rung von kulturgeschichtlich wichtigen Expona- Aufgaben ten in den etwa 100 Museen des Landschafts- gebietes gefördert; bisher wurden in diesem Die Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden Programm von der Landschaft Fördermittel in ist Mitträgerin der „Landschaftlichen Brandkasse Höhe von etwa 250.000 Euro zur Verfügung Hannover“ in der „Versicherungsgruppe Hannover“ gestellt. (VGH). Schon 1754 hatte die Landschaft die „Bremen- LL Im Rahmen der von der Landschaft ebenfalls Verdensche Brand-Assecurations-Societät“ gegrün- angeregten und weitgehend mitfinanzierten det, um den Folgen der damals ständig drohenden „landesgeschichtlichen Forschung über den Brandgefahr für Haus und Hof zu begegnen. Diese Elbe-Weser-Raum“ wurde von Dr. Arend Minder- Brandkasse und die von den anderen Landschaften mann die Edition der „Landtagsabschiede des gegründeten Brandkassen schlossen sich 1881 zur Erzstifts Bremen und des Hochstifts Verden „Vereinigten Landschaftlichen Brandkasse“ zusam- erarbeitet (veröffentlicht (2008). Von dem- men, aus der 1913 die unkündbare, gemeinsam von selben Autor wird seit 1995 das „Urkundenbuch den Landschaften getragene „Landschaftliche der Bischöfe und des Domkapitels von Verden“ Brandkasse Hannover“ hervorging. Die Landschaft bearbeitet, das fünf Bände umfassen und von den hat Sitz und Stimme im Kuratorium der im Jahr 2000 Anfängen bis 1502 reichen wird (zurzeit ist der gegründeten VGH-Stiftung und sie wirkt mit bei der vierte Band in Arbeit, der die Urkunden und Begutachtung von Förderanträgen aus ihrem Gebiet, Dokumente des Zeitraums von 1426 bis 1470 die an diese Stiftung gerichtet werden. dokumentieren wird).

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LL Seit 2000 erforschen die Historiker Dr. Michael Ehrhardt und Dr. Norbert Fischer im Auftrage der Landschaft die Geschichte des Deichbaus an Unterelbe und Unterweser. Untersucht werden die historischen Folgewirkungen von Deichbau sowie von Ent- und Bewässerung in den Marschen und Flussregionen des Elbe-Weser-Dreiecks. Die „Geschichte der Deiche an Elbe und Weser“ in acht Bänden behandelt die Deichregionen , Land Kehdingen, Land Hadeln, und Oste (bereits erschienen), Ritzebüt- tel/Cuxhaven und Unterweser (Veröffentlichung 2014/15) sowie die Deiche an Wümme und Aller (Erscheinen voraussichtlich 2016).

Die genannten Kultur- und historischen Forschungs- projekte realisierte beziehungsweise realisiert die Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden in enger Kooperation mit dem Landschaftsverband Stade. Darüber hinaus gründete sie 1999 die „Arbeits- gemeinschaft Technologie- und Innovationsförde- rung Elbe-Weser-Region (ARTIE)“, ein regionales Netzwerk für Technologie, Innovation und Entwick- lung, und sie förderte die Kindertagesstättenarbeit in den Landkreisen Cuxhaven, Osterholz, Rotenburg (Wümme), Stade und Verden sowie in der Stadt Bremerhaven.

Die Landschaft unterhält zusammen mit der Ritter- schaft des Herzogtums Bremen das Ritterschaftliche Archiv, eines der ältesten Archive im Land zwischen Elbe und Weser. Der in diesem Archiv überlieferte Bestand an Urkunden, Akten und Amtsbüchern umfasst den erhaltenen schriftlichen Niederschlag derjenigen Tätigkeiten und Aufgaben, die bis in die Neuzeit hinein nicht Sache des Staates und seiner Verwaltung waren, sondern die in der Hand der Landstände lagen, unter anderem die Erhebung von Steuern, die innere Verwaltung des Elbe-Weser-Drei- ecks, Justizangelegenheiten und die Verhandlungen der Landtage. Seit 2014 ist das Ritterschaftliche Archiv im Neubau des Niedersächsischen Landes- archivs – Standort Stade – untergebracht.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 35 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

CALENBERG-GRUBENHAGENSCHE LANDSCHAFT

Schon der Name deutet darauf hin, dass es sich hier um ein aus mehreren ursprünglich eigenständigen Teilen zusammen- gewachsenes Fürstentum handelt. Dies steht mit den häufigen Landesteilungen der Welfen im Mittelalter im Zusammenhang. So sind im Zeitraum zwischen 1202 und 1495 insgesamt zwölf Teilungen vorgenommen worden.

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ei einer dieser Teilungen gelangte und Verwaltung der Steuern. Im Fürstentum Calen- Herzog Erich I. im Jahre 1495 in den Besitz von zwei berg lagen Kontrolle und Verantwortung darüber Bgeographisch getrennten Landesteilen. Der eine, beim Schatzkollegium, dessen Vorsitzender der Abt nördlich von Ith und Hils gelegen, war das 1432 bei von Loccum als 1. Land- und Schatzrat war. Zwischen einer Teilung entstandene Fürstentum Calenberg. 1732 und 1770 übte Georg Wilhelm Ebell dieses Amt Herzog Erich nannte es „Dat Land twischen aus. Unter seiner Federführung wurde das Steuer- und , dat is dat rechte, dat ik meine!“. Der wesen reformiert und eine Brandkasse gegründet. andere, im Süden gelegene Bereich umfasste das be- Dieser letzteren Aufgabe lohnt es sich, einige Auf- reits seit 1345 bestehende Fürstentum Göttingen. Für merksamkeit zu schenken. das neu gebildete Fürstentum Calenberg-Göttingen bürgerte sich relativ schnell der Name „Fürstentum Man muss sich dazu die Situation in Niedersachsen Calenberg“ ein. vor dem Jahre 1750 vorstellen. Wem in jener Zeit ein Blitz das Haus in Brand setzte, war arm dran. Sein Zu einem größeren Gebietszuwachs kam es 1665, als Hab und Gut war zerstört. Er bekam für sich und das Fürstentum Grubenhagen an Calenberg fiel. seine Frau und die oftmals vielen Kinder von den Grubenhagen war das Ergebnis einer Teilung des Behörden einen Brandbrief ausgehändigt. Das war Fürstentums Braunschweig im Jahre 1291 und um- eine amtliche Berechtigung zum Betteln! Eine bis fasste zwei räumlich getrennte Gebiete um Einbeck dahin selbstständige Bauernfamilie war dadurch und im südlichen Harzvorland sowie einen Bereich urplötzlich gesellschaftlich tief abgestürzt und zur des Harzes mit drei Bergstädten. Bettlerfamilie geworden. Der Loccumer Abt Georg Ebell nahm sich solches Elend zu Herzen und griff Im Fürstentum Calenberg und im Fürstentum Gedanken auf, die in jener Zeit in der Luft lagen: Grubenhagen bestanden Landstände, die auch über Er gründete mit Genehmigung des Kurfürsten von die Vereinigung des Jahres 1665 hinaus getrennt Hannover und Königs von England Georg II. eine blieben. Erst 1801 vereinigten sich beide Landschaf- Brandversicherung. Solche Versicherungen hatte ten zur Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft. schon Leibniz durchgerechnet und sie waren in Für die Calenbergischen Landstände der Prälaten, Hamburg, Berlin und Magdeburg Jahre zuvor schon Ritter und Städte sind seit 1542 gemeinsame Landtage entstanden. Aber sie schafften für die ärmeren Leute nachgewiesen, die in der ersten Zeit unter freiem keine wirklichen Veränderungen. Das Verdienst Himmel stattfanden. Als Tagungsorte werden Elze, des Loccumer Abtes, der gleichzeitig Präsident der Gronau, und Hemmendorf genannt und ab Calenberger Landschaft und Direktor der kirchlichen 1711 dann regelmäßig Hannover. Die Grubenhagen- Behörde beim Kurfürsten, des Landeskonsistoriums schen Landtage fanden unter dem Vorsitz eines war, ist es nun, dass er durch äußerst geschickte Vertreters der Prälatenkurie anfangs in Osterode, Maßnahmen seine neue Feuerversicherung arbeits- Herzberg oder Einbeck statt, seit 1753 dann ab- fähig und populär machte. Innerhalb kürzester Zeit wechselnd in Einbeck und Osterode. wurde in den Hannoverschen Landen verfügt, dass jeder kleinere Landwirt zwangsweise in diese Ver- Beide Landschaften hatten mit Landsyndikus, Land- sicherung einzutreten habe. Die größeren Landwirte rentmeister, Schatzeinnehmer und Schatzsekretär und Güter konnten sich freiwillig entscheiden. Durch eigene Bedienstete. Letzteren oblag die Einnahme eine sehr menschenfreundliche Schadensabwicklung

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 37 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

sorgte Ebell für wachsendes Vertrauen zu der neuen Wirken und Selbstverständnis der Calenberg- Einrichtung. Kaum war der Hof abgebrannt, war der Grubenhagenschen Landschaft lassen sich auch an Kommissär der Brandkasse zur Stelle und bezahlte Bauwerken in Hannover ablesen. Den Besucher der den Schaden. Das Geld dafür nahm Ebell zunächst Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis emp- aus den damals vollen Kassen der Landschaft. Die fängt über dem Eingangsportal das Wappen der dadurch entstehenden Schulden wurden später durch Landschaft. Der zum Katholizismus konvertierte die Jahresbeiträge der Versicherten wieder eingenom- Herzog Johann Friedrich hatte 1665 die Schlosskirche men. Solche Maßnahmen hatten zur Folge, dass auch den Kapuzinern zur Verfügung gestellt. Mit großer jene, die freiwillig eintreten konnten, merkten, wie Sorge sah die Landschaft die Gefahr der Rekatholisie- attraktiv diese neue Einrichtung auch für sie war. rung des Landes. Um dem entgegenzuwirken und um In den nächsten Jahren folgten die anderen Land- eine Kirche für die protestantische Hofdienerschaft schaften diesem Beispiel. bereitzustellen, förderte die Landschaft den Neubau der Pfarrkirche auf der Calenberger Neustadt mit Die Brandkasse war nicht die einzige dem Gemein- einem erheblichen Geldbetrag. wohl verpflichtete Gründung, die Abt Ebell durch- führte. Bereits 1734 war in Moringen ein Waisenhaus Bereits seit 1636 ist mit der „Fürstlich Braunschwei- eingerichtet worden, das unter anderem das Druck- gisch-Lüneburgischen Cantzeley“ zwischen Kreuz- privileg für Gesangbuch, Katechismus und Kalender kirche und Ballhof ein Haus bekannt, dass auch Zu- besaß. Zur Ausnutzung dieses Privilegs richtete die sammenkünften der Landstände diente. Das Selbst- Landschaft eine eigene Druckerei in ihrem Stände- bewusstsein der Landschaft wurde jedoch erst 1710 haus in Hannover ein. An der neu gegründeten Uni- mit einem eigenen Ständehaus an der Osterstraße versität in Göttingen wurden ab 1733 Freitische für augenfällig. Der Architekt Louis Remy de la Fosse weniger bemittelte Studenten eingerichtet. 1766 kam errichtete ein barockes dreigeschossiges Stadtpalais, es zur Gründung einer bis 1851 tätigen Witwenkasse. dessen beide Flügelbauten einen Hof umschlossen.

Landschaftliches Haus an der Osterstraße in Hannover, erbaut 1710 – 1712. Es musste 1881 einem Straßen- durchbruch weichen (Historisches Museum Hannover).

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Von 1815 an diente das Ständehaus auch als Sitz der Landstand der Prälaten in allen Landschaften ent- Allgemeinen Ständeversammlung, die das Haus im fallen war. Die Mitglieder dieser Kurie werden heute Jahre 1844 dann erwarb. Am Theaterplatz erbaute auf Vorschlag des Landvolkes von den Kreistagen Kriegsbaumeister Ernst Ebeling 1846 im Stil der der Kreise im Landschaftsgebiet gewählt. Tudorgotik ein neues Landschaftliches Haus. Seitdem ist das Haus Sitz von Landschaft, Ritter- Organe der Landschaft sind der Präsident in Personal- schaft und Calenberger Kreditverein. union mit dem Abt des Klosters Loccum, der Kleine und der Große Ausschuss sowie der Landsyndikus, Heute ist die Calenberg-Grubenhagensche Land- der für die Geschäfte der laufenden Verwaltung ver- schaft eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes antwortlich ist. Gemeinsam mit der Ritterschaft der und steht unter der Aufsicht des Landes Niedersach- Hildesheimer Landschaft ist die Calenberg-Göttin- sen. Sie ist durch Artikel 72 der niedersächsischen gen-Grubenhagensche Ritterschaft Träger des Landesverfassung in ihrem Bestand geschützt. Die Calenberger Kreditvereins, einer Hypothekenbank Verfassung der Landschaft stammt aus dem Jahre mit Schwerpunkt im langfristigen landwirtschafts- 1863. Sie ist bislang nur geringfügig im Wortlaut bezogenen Kreditgeschäft. verändert worden, ihre Anpassung an die Grund- prinzipien eines pluralen Rechtsstaates erfolgt im Mit den Erträgen ihres Vermögens, das überwiegend Wesentlichen durch ergänzende und erweiternde aus städtischem Grundbesitz besteht, fördert die Interpretation. Calenberg-Grubenhagensche Landschaft Menschen in Notlagen, zum Beispiel Waisen, sowie kulturelle Gegliedert ist die Landschaft in drei Kurien: Ritter- Zwecke. Dabei gehen die Zuwendungen etwa an schaft, Städte und ländliche Grundbesitzer, die nicht Chöre, Museen, Orts-Heimatpflege und regionale zur Ritterschaft gehören. Diese letztgenannte Kurie Künstler. Voraussetzung ist stets ein regionaler oder entstand bei der Reorganisation der Landschaften inhaltlicher landschaftlicher Bezug. nach dem Wiener Kongress von 1815, nachdem der

oben: Abt Georg Wilhelm Ebell (1696 – 1770)

unten: Haus der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft von 1846

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 39 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

LANDSCHAFT DES VORMALIGEN FÜRSTENTUMS HILDESHEIM

Seit dem 13. Jahrhundert wurde das Fürstentum Hildesheim im Reich als selbstständiges Territorium mit dem Bischof als Landesherrn anerkannt. Bis 1802/03 konnte das Hochstift Hildesheim seine Selbstständigkeit behaupten. Im 14./15. Jahrhundert bildeten sich die Stände heraus, die sich gegenüber dem Landesherrn als selbst- ständige Korporationen, Landschaft genannt, zusammenschlossen. Ihre Mitwirkungsrechte lagen insbesondere im Bereich der Finanzen, das bedeutete konkret die Bewilligung und die Erhebung von Steuern.

40 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

ls Folge der Hildesheimer 1802/03 wurde das Fürstentum Hildesheim säkulari- Stiftsfehde wurde das Territorium 1523 zwar bis auf siert und das Gebiet des Fürstentums wurde Preußen Adas sogenannte Kleine Stift (Peine, Steuerwald und zugeordnet. Die preußische Regierung hob die Marienburg) reduziert, doch 1643 wurde das Große Landschaft faktisch auf. 1807 wurde Hildesheim dem Stift weitgehend wiederhergestellt. Dieser Territorial- damaligen Königreich Westfalen unter Napoleons zuschnitt gilt noch für die Zuständigkeit der heutigen Bruder Jerome überlassen. Landschaft. Es sind die früheren Landkreise Alfeld, Goslar, Hildesheim, Marienburg, Peine sowie der 1813 fiel das Gebiet des Fürstentums Hildesheim Raum Dassel. Diese Zuständigkeit blieb von den zunächst wieder an Preußen, dann an das Königreich Folgen der Gebietsreformen 1974/78 unberührt, so- Hannover. Die Landschaft wurde im Jahr 1818 neu dass heute auch Teilgebiete der Landkreise Hannover gegründet. Dabei wurden die Kurien des Dom- und Wolfenbüttel sowie der Stadt Salzgitter zum kapitels und der Stifter durch Verordnung vom Zuständigkeitsbereich der Landschaft gehören. 26. Oktober 1818 aufgelöst. Die ehemalige Reichsstadt Goslar trat neu in die Landschaft ein. Im Jahr 1829 Die Hildesheimer Landschaft bestand ursprünglich wurden erstmals drei bäuerliche Deputierte in die aus vier Kurien, nämlich der des Domkapitels, der Städtekurie aufgenommen. Vereinigung der Sieben Stifter (Klöster), der Ritter- schaft und der Städte. Der Hildesheimer Landtag als Nach der Annexion des Königreiches Hannover durch oberstes Organ tagte einmal im Jahr. Die Zusammen- Preußen im Jahre 1866 wurde die innere Organisation kunft fand bis zur Hildesheimer Stiftsfehde auf dem der Landschaft durch Verordnung vom 22. September Roden bei Detfurth unter freiem Himmel statt. In der 1867 neu geregelt. Unter anderem wurde für die nicht- Folgezeit wurde der Tagungsort nach Hildesheim adligen, ländlichen Grundbesitzer eine eigene Kurie verlegt, wo sich die Stände im Rittersaal im Oberen eingerichtet. Kreuzgang des Hildesheimer Doms versammelten. Die Hildesheimer Landschaft erhielt 1886 eine schriftliche Verfassung, die von einigen Änderungen abgesehen noch heute Grundlage der Landschaft ist. Danach besteht die Landschaft heute aus drei Kurien, nämlich der der Ritterschaft, der Städte und der nicht in der 1. oder 2. Kurie vertretenen ländlichen Grundbesitzer.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 41 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

oben: Karte des Hochstifts Hildesheim um die Mitte des 18. Jahrhunderts von Gerhard Justus Ahrenhold (1707 – 1775)

rechts: Kaiserhaus am Alten Markt in Hildesheim – seit 1990 Sitz der Landschaft

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Oberstes Organ der Landschaft ist der Landtag unter der römischen Kaiser aus dem am 22. März 1945 Vorsitz des Präsidierenden Landschaftsrates. An- ebenfalls zerstörten historischen Kaiserhaus. In sonsten entscheidet der Hauptausschuss, in den diesem Gebäude befindet sich seitdem der Sitz der jede Kurie zwei Vertreter entsendet. Die Verwaltung Hildesheimischen Landschaft. obliegt dem vom Landtag zu wählenden Land- syndikus. Die Landschaft betätigt sich heute in erster Linie auf kulturellem Gebiet. Sie unterstützt kulturelle Sitz der Landschaft des vormaligen Fürstentums Vorhaben kommunaler und freier Träger und führt Hildesheim war von 1818 bis 1945 das Landschafts- eigene Projekte durch. gebäude Am Steine 7 in Hildesheim, ein ehemaliger Domherrenhof (heute Stadtarchiv). Das Gebäude Neben den anderen historischen Landschaften ist wurde am 22. März 1945 bis auf die Außenmauern die Hildesheimische Landschaft Mitträger der Land- zerstört und von der Landschaft aufgegeben. Diese schaftlichen Brandkasse Hannover. Sie ist Gründerin baute als Antwort auf die kriegsbedingte Wohnraum- des Landschaftsverbandes Hildesheim e. V. und not in der Nachkriegszeit in der Burgstraße unterhalb gehört dessen Vorstand an. Die Ritterschaft als der Michaeliskirche Wohnhäuser, in denen auch selbstständige Körperschaft ist neben der Calenberg- zeitweilig die Verwaltung der Landschaft unterge- Grubenhagenschen Landschaft Mitträger des bracht war. 1990 errichtete die Landschaft am Alten Calenberger Kreditvereins. Markt das Kaiserhaus mit der Fassade der Reliefs

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 43 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

HOYA-DIEPHOLZ’SCHE LANDSCHAFT

Die Hoya-Diepholz’sche Landschaft mit Sitz in Nienburg war ursprünglich eine ständisch gegliederte Institution, die sich im Mittelalter entwickelt hat. Das Gebiet der Landschaft umfasst heute die Landkreise Diepholz, Nienburg und einen kleinen Teil des Kreises Verden zwischen Weser und Aller.

44 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

eit dem 13. Jahrhundert begannen die rechte unter anderem an der Steuergesetzgebung und Grafen von Hoya und die Edelherrn von Diepholz ihre Steuereinziehung zu erhalten. Nach der Reformation SLändereien zu vergrößern und sich so eine regionale wurden die geistlichen Vertreter aus den Landschaf- Herrschaft aufzubauen. Hierfür benötigten sie die ten verdrängt und waren in der zweiten Hälfte des Unterstützung von Gefolgsleuten, die sie überwie- 16. Jahrhunderts als Stand auf den Landtagen der gend im lokalen Adel fanden. In dem besonderen Grafschaft Diepholz nicht mehr zu finden. In der Verhältnis zwischen Lehnsherren und Vasallen, Grafschaft Hoya behielt nur das Stift Bassum noch das zwar hierarchisch, aber auch durch eine gegen- einen Sitz in der Landschaft. seitige Abhängigkeit geprägt war, ist der Ursprung der späteren Landschaften zu suchen. Aus diesen Auch nach dem Aussterben der Grafen von Hoya 1582 Gefolgsleuten ging der Ritterstand hervor. und Diepholz 1585 und dem nachfolgenden Anfall der Lehnsanwartschaft an die Herzöge von Braunschweig Um die Burgen und Schlösser entstanden nach und und Lüneburg blieben die Landschaften in beiden Graf- nach bürgerliche Gemeinwesen, denen der Landes- schaften zunächst bestehen. Die Grafschaft Hoya herr Rechte wie zum Beispiel das Markt- und Stadt- wurde erneut geteilt. Es dauerte etwa 100 Jahre, bis in recht zusicherte. Aus den Vertretern der Flecken und Vereinbarungen zwischen dem Landesherrn und den Städte entwickelte sich der zweite Landstand. hoyaschen Ständen die Rechte und Pflichten der Landschaften klarer festgelegt werden konnten. Ein Der dritte Landstand wurde aus der hohen Geist- erstes Verzeichnis der in den Grafschaftsteilen lichkeit gebildet. Die Prälaten hatten nicht nur viel berechtigten Geistlichen, Rittergutsbesitzer und Grundbesitz zu verwalten, sondern erlangten als Freien, das 1702 vollendet wurde, bildete lange eine Berater, Beichtväter und Erzieher der landesherr- der wichtigsten Grundlagen für das Selbstverständ- lichen Familien vielfach großen Einfluss. nis der Hoyaschen Landschaften. Auf Wunsch der Landschaftsvertreter hob Kurfürst Georg Ludwig von Im Wiedervereinigungs- und Erbschaftsvertrag Braunschweig-Lüneburg mit dem Unionsrezess von zwischen den Grafen der Ober- und Niedergrafschaft 1712 die Trennung der Grafschaft Hoya auf. Diese Hoya vom 19. November 1459 wird die ständische wichtige Vereinbarung diente der wiedervereinigten Gliederung besonders deutlich. Dieses wichtige Hoyaschen Landschaft lange als eine Art Verfassung, Dokument wurde von allen Klosterkonventen, der die ihr die Schaffung festerer Strukturen ermöglichte. gesamten Ritterschaft, den Räten der Städte und Flecken und letztlich sogar durch den Schwur der In der Grafschaft Diepholz hingegen verkümmerte freien Bauern bekräftigt. die Landschaft vollständig. Als Mitte 1755 die Hoya- sche Landschaft die Erlaubnis zur Gründung einer Auch in der Grafschaft Diepholz sind seit 1461 eigenen Brandkasse erhielt, wurde von vornherein Landstände bezeugt, die über die Landtage Einfluss ein Zusammengehen mit der Grafschaft Diepholz in auf die Edelherrn und späteren Grafen von Diepholz dieser Angelegenheit angestrebt. Am 24. Dezember nehmen konnten. In beiden Grafschaften setzte sich 1755 erließ Kurfürst Georg die „Verordnung wegen der ab dem 16. Jahrhundert auch die Bezeichnung Land- in der Grafschaft Hoya u. Diepholz errichteten Brand- schaft für die ständische Vertretung durch. Den Assecurations-Societät“. Damit war die erste gemein- Landschaften gelang es, zunehmend Mitwirkungs- same Institution der beiden Grafschaften geschaffen.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 45 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

Die 1803 erfolgte Besetzung des Kurfürstentums Hannover durch die Napoleonischen Truppen ging zunächst mit einer Entmachtung der Landschaften einher. Mit dem Ende der französischen Fremd- herrschaft 1813 und der Gründung des Königreichs Hannover 1814 galt es, die Rolle der Landschaften in dem veränderten Staatsgebilde neu zu definieren. Diese Abstimmung zwischen dem Monarchen und Den heutigen Sitz der Hoya-Diepholz’schen Landschaft in Nienburg errichtete den Landschaften wurde auf dem ersten allgemeinen der Baumeister Emanuel Bruno Quaet-Faslem 1821 als sein Wohnhaus. Neben Landtag am 15. Dezember 1814 in Angriff genommen. der Landschaft nutzt auch das Museum Nienburg seit 1954 das Haus. Da es in der Grafschaft Diepholz keine landschaft- liche Verfassung gab, wurde sie mit der Grafschaft der Landschaft vertreten. Eine unabhängige Ritter- Hoya „zu einer Wahlkorporation“ vereinigt. Die schaft, wie sie in anderen Landschaften bestand und Landesherrschaft behandelte die beiden Grafschaften noch zum Teil heute besteht, ist in der Verfassung fortan immer gemeinschaftlich, auch wenn die tat- der Hoya-Diepholz’schen Landschaft nicht vorge- sächliche Vereinigung noch fast 50 Jahre auf sich sehen. Hier sind die Rittergutsbesitzer mit ihren warten ließ. Stimmen neben den anderen Mitgliedern der 2. und 3. Kurie in der Landschaft Gleiche unter Gleichen. Da dem König sehr an einer Zurückdrängung des ständischen Partikularismus der Landschaften lag, Die Annexion des Königreichs Hannover 1866 brachte mussten sie in der Folge viele ihrer althergebrachten den Landschaften erneut einen erheblichen Bedeu- Rechte, insbesondere im Steuer- und Schuldenwesen tungsverlust ein. Die preußische Regierung bestätig- an die allgemeine Ständeversammlung abgeben und te zwar das Existenzrecht der landschaftlichen wurden so nachhaltig geschwächt. Überdies waren Vertretungen, doch hatten sie fortan nur noch die Grafschaften Hoya und Diepholz auch sehr mit beschränkte Verwaltungsaufgaben auf kommunaler sich beschäftigt, da sie ab 1818 auf landesherrliche Ebene. Die alte Bezeichnung Provinziallandschaft Weisung die Modalitäten für eine endgültige Ver- musste durch den Begriff Landschaft ersetzt werden. einigung ausarbeiten sollten. Landschaftsvertreter Die Landräte der Landschaften erhielten den Titel beider Territorien strebten in der Folgezeit eine Ver- Landschaftsräte, um sie mit den preußischen Land- legung des Tagungsortes für die Provinziallandtage räten nicht zu verwechseln. von Hoya nach Nienburg an. Obwohl bereits 1832 ein entsprechender Beschluss gefasst wurde, kam es erst Ein wichtiges Betätigungsfeld der Hoya-Diepholz’- 1859 mit der Anmietung des Quaet-Faslem-Hauses schen Landschaft war von jeher die Brandkasse. Doch zum Umzug der landschaftlichen Institutionen nach auch hier zeichneten sich um 1870 tiefgreifende Nienburg. Zwei Jahre später konnte dieses Gebäude Veränderungen ab. Schwere Brandkatastrophen gekauft werden und dient seither als Landschaftshaus. brachten das Institut in wirtschaftliche Bedrängnis, sodass der Zusammenschluss mit der Vereinigten Auf der Grundlage der im Mai 1863 von Georg V. Landschaftlichen Brandkasse zum 1. Januar 1873 unterzeichneten neuen Gemeinschaftsverfassung unausweichlich war. Diesen Schritt hatten bereits konstituierte sich im Oktober 1863 die neue andere Landschaften vollziehen müssen und es Hoya-Diepholz’sche Provinziallandschaft im Nien- folgten bis 1882 auch noch zwei weitere Landschaf- burger Landschaftshaus. Neben den Besitzern der ten, wodurch eine große und erfolgreiche Brand- landtagsfähigen Güter (1. Kurie) und den Abgeordne- kasse entstand, die bis heute von den Landschaften ten der Städte und Flecken (2. Kurie) sind seit dieser innerhalb der Versicherungsgruppe Hannover (VGH) Zeit auch die übrigen Grundbesitzer als 3. Kurie in getragen wird.

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Des Weiteren war die Hoya-Diepholz’sche Landschaft Landschaften kaum wahrgenommen, geschweige bestrebt, sich sozial stärker zu engagieren. Zunächst denn, dass ihre Funktion bekannt war. Ende 1959 legte sie ihr Augenmerk auf die Unterstützung von verlangte der Niedersächsische Landtag von der in Not geratenen Töchtern verstorbener Ritterguts- Landesregierung Aufklärung über die bestehenden besitzer. Hierfür wurde 1877 eine entsprechende Landschaftsorganisationen und ihre Aufgaben. Auch Unterstützungskasse gegründet, die später auch eine Auflösung der Landschaften wurde wieder Zahlungen an bedürftige Söhne von Mitgliedern der erwogen. Einer neu ins Leben gerufenen „Arbeitsge- 1. Kurie einführte. Darüber hinaus begann die meinschaft der Landschaften“ gelang es, die Rolle Landschaft auch regionale Organisationen und der Landschaften, ihre Kernaufgaben und ihre Einrichtungen, unter anderem gemeinnützige An- rechtliche Stellung im Lande Niedersachsen deutlich stalten, Krankenhäuser, Vereine und Studierende, zu umschreiben. Da sie als „heimatgebundene finanziell zu unterstützen. Einrichtungen“ den Schutz der Niedersächsischen Verfassung genießen, ist es danach zu keiner Auf- Nach dem Ersten Weltkrieg war es wirtschaftlich um lösungsdiskussion mehr gekommen. die Hoya-Diepholz’sche Landschaft sehr schlecht bestellt. Zeitweilig war sie weitgehend handlungs- In diesem Prozess war den Landschaften klar gewor- unfähig, sodass ihre Auflösung drohte. den, dass eine intensivere Zusammenarbeit mit den kulturell aktiven Vereinen in der jeweiligen Region In der Zeit des Nationalsozialismus sanken die sinnvoll wäre und zu einer stärkeren gesellschaftli- Landschaften in die völlige Bedeutungslosigkeit chen Akzeptanz beitragen würde. Die Arbeitsgemein- herab. Sie beschränkten ihre Aktivitäten weitgehend schaft empfahl daher im März 1963 die Gründung von auf die Mitwirkung in der Landschaftlichen Brand- Landschaftsverbänden. Obwohl die Hoya-Diepholz’- kasse. Ihrer endgültigen Zerschlagung sind sie sche Landschaft diesen Gedanken noch im selben offenbar nur durch den Ausbruch des Zweiten Jahr aufgriff, kam es zunächst nicht dazu. Erst Weltkrieges entgangen. nach der Wahl Bertold v. Behrs zum Landschafts- präsidenten im Jahre 1979 wurde das Thema wieder Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bestanden ernsthaft verfolgt. Mit Beharrlichkeit konnte er die Landschaften im Grunde nur nominell. Es war die Widerstände in der Region überwinden und wiederum die Landschaftliche Brandkasse, die den die Gründung des Landschaftsverbandes Weser- endgültigen Niedergang ihrer Träger verhinderte. Hunte e. V. im Jahre 1991 zum Erfolg führen. Bereits im Juli 1945 nahm die Direktion in Hannover Kontakt mit den Landschaften auf, damit die Ver- Der Hoya-Diepholz’schen Landschaft ist es nach dem waltungsgremien wieder besetzt werden konnten. Krieg gelungen, sich zu einer Institution mit beson- Auch die Hoya-Diepholz’sche Landschaft schickte derer soziokultureller Bedeutung auf dem Gebiet der wie eh und je ihre Vertreter nach Hannover, konnte ehemaligen Grafschaften Hoya und Diepholz zu aber über Jahre nur in einem provisorischen Rahmen entwickeln. Hervorzuheben ist dabei ihr permanen- agieren. Da hierfür nur wenige Räume des Land- ter Einsatz für das kulturhistorische Erbe der Region, schaftshauses erforderlich waren, wurde das Gebäu- die Mitwirkung in verschiedenen Verbänden und de weitgehend dem Heimatmuseum in Nienburg zur Stiftungen und nicht zuletzt die Förderung sozialer Verfügung gestellt. Projekte. Damit leistet diese auf Tradition gegründete Institution auch heute noch einen wichtigen gesell- In der Hoya-Diepholz’schen Landschaft gab es in schaftlichen Beitrag. dieser Zeit nur einen sehr kleinen Kreis aktiver Land- schaftsmitglieder, was sich erst Ende der 1950er-Jahre zu ändern begann. In der Öffentlichkeit wurden die

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LANDSCHAFT DES VORMALIGEN FÜRSTENTUMS LÜNEBURG

Für die Geschichte der Landschaft des Fürstentums Lüneburg ist der Abschluss der sogenannten Lüneburger Sate im Jahr 1392 von entscheidender Bedeutung. Während des Lüneburger Erbfolgekrieges (1371 – 1388) hatten die ständischen Vereinigungen von Städten, Adel und Prälaten im Herzogtum Lüneburg die Gunst der Stunde genutzt, um sich weitgehende politische Zugeständnisse von dem verschuldeten und von ihrer Hilfe abhängigen welfischen Fürsten- haus einräumen zu lassen, die in der Sate (= Vereinbarung, Satzung) von 1392 ihre rechtliche Fixierung fanden. Hauptziel der Sate sollte die Wahrung von „Eintracht, Frieden und Recht“ sein.

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enn auch die Im Verlauf der Reformation wurde der geistliche Lüneburger Herzöge wenige Jahre später im „Sate- Stand weitgehend abgeschafft und reduziert auf den Wkrieg“ die Anerkennung der ständischen Rechte Abt des Benediktiner-Klosters Sankt Michael in einseitig wieder aufkündigten, so änderte das fortan Lüneburg. Als Mitglied des einstigen ersten Land- wenig an dem politischen Einfluss der drei Land- standes stand er der Landschaft zwar weiterhin vor, stände: die Gruppe der wirtschaftlich mächtigen stimmte aber im Rahmen des zweiten Standes, der Städte im Fürstentum, allen voran Lüneburg, die Ritterschaft, ab. Die Landschaft bestand von da an Gruppe der Prälaten, die als geistlicher Stand die nur noch aus zwei Ständen, der Ritterschaft und den zum Teil mit großem Grundbesitz ausgestatteten Städten. Während nach 1648 in vielen deutschen Klöster und Stifte vertraten, und die Gruppe der Fürstentümern die Macht der Stände durch die „Ritter“, der vom Landesherrn mit Verwaltungsauf- Landesherren zurückgedrängt wurde, ist es in den gaben und militärischen Diensten betraute und als welfischen Fürstentümern in der Folgezeit zu einer Gegenleistung mit Landbesitz belehnte Adel. Zusam- nennenswerten Beschneidung der Macht der Stände men bildeten sie die „Landschaft“, der der Landesherr nicht gekommen. Aufgrund der seit 1714 bestehenden das Recht zur Abhaltung regelmäßiger Zusammen- Personalunion zwischen dem Kurfürstentum Hanno- künfte, der sogenannten „Landtage“, zubilligte. Das ver und dem Königreich Großbritannien galt die politisch bedeutsamste Privileg der Landschaft war vordringliche Aufmerksamkeit des in London das Recht der Steuerbewilligung und die Mitwirkung residierenden Monarchen der Regierung seines bei der Steuererhebung. Allgemeine, von den Be- bedeutenden Königreichs. wohnern des Fürstentums aufzubringende Steuern gab es nicht. Für bestimmte Maßnahmen wie die In der napoleonischen Zeit waren die Landstände der Ausrüstung einer Streitmacht war der Landesherr Teilfürstentümer des Kurfürstentums Hannover darauf angewiesen, dass die drei Landstände sich zur aufgelöst worden. Ihre teilweise Reorganisation fand Aufbringung einmaliger Steuern oder „Kontributio- in den Jahren nach dem Wiener Kongress statt, der nen“ verpflichteten. die Rangerhöhung des Kurfürstentums Hannover zum Königreich bestätigt hatte. Bereits 1814 berief der Prinzregent Georg (IV.) für den neugebildeten Staat eine gesamtstaatliche Vertretung ein, die sogenannte Provisorische Ständeversammlung, die ab 1819 bis zum Ende des Königreichs Hannover im Jahr 1866 als Allgemeine Ständeversammlung

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bestand. Daneben lebten die ehemaligen, in ihrer Kurie entsendet ebenfalls 14 Abgeordnete auf Zuständigkeit auf die Teilfürstentümer beschränkten Vorschlag der Landwirtschaftskammer und gewählt Landschaften – nunmehr als Provinziallandschaften von den Kreistagen der Landkreise im Gebiet des bezeichnet – mit einer reduzierten Zuständigkeit vormaligen Fürstentums Lüneburg. wieder auf. Die Lüneburger Landschaft tagte fortan überwiegend in Ausschüssen. Erst das Provinzial- Verfassung landschaftliche Verfassungsgesetz von 1863 gab den Provinziallandschaften einen konstitutionellen Die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüne- Rahmen. Nunmehr konnten auch freie, das heißt burg ist heute als öffentlich rechtliche Körperschaft bürgerliche Grundbesitzer in der Lüneburger Land- anerkannt. Sie steht als „überkommene, heimatge- schaft vertreten sein. Nach der Annexion des König- bundene Einrichtung“ gemäß Artikel 72, Absatz 2, reichs Hannover 1866 durch Preußen wurde den der Niedersächsischen Landesverfassung vom Landschaften zwar sämtliche Rechte auf politische 19. Mai 1993 unter dem Schutz der Niedersächsischen Mitwirkung genommen, sie blieben jedoch als Landesverfassung und unterliegt der Aufsicht des Institutionen bestehen mit dem Recht auf Wahrneh- Niedersächsischen Innenministeriums. Für die mung bestimmter kommunaler Angelegenheiten innere Verfassung der Landschaft des vormaligen innerhalb der einzelnen Landschaftsbezirke. Bei Fürstentums Lüneburg gilt nach wie vor das Gesetz diesem Recht ist es bis heute geblieben. vom 3. Juni 1863 in der Fassung vom 26. Mai 1975 mit Änderungsbeschlüssen des Allgemeinen Landtages Kurien vom 8. November 2006.

Die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüne- Landtage und andere Organe burg besteht nach wie vor aus drei Ständen oder drei „Kurien“, wobei der erste Stand die Ritterschaft ist, Die Zusammenkünfte der Landschaft, die „Landtage“, der zweite Stand von den Städten und der dritte Stand fanden – altem Brauch entsprechend – vielfach unter von den nicht ritterschaftlichen ländlichen Grundbe- freiem Himmel statt, im Fürstentum Lüneburg häufig sitzern gebildet wird. auf dem sogenannten „Schott“, dem Landtagsplatz bei Hösseringen. Außer der Zusammenkunft sämtli- Die Mitglieder der ersten Kurie sind 14 Delegierte aus cher Vertreter der drei Landstände wurden im Laufe dem Kreise der Mitglieder der Ritterschaft. Voraus- der Zeit sogenannte „Ausschüsse“ gebildet, die setzung für die Mitgliedschaft in der Ritterschaft ist paritätisch mit Vertretern der drei Landstände be- das Eigentum eines Rittergutes. Ein Rittergut ist setzt waren. Mit der Zeit verlagerte sich die Ausübung ein Grundbesitz mit Castrum, das eingetragen sein des Mitwirkungs- und Mitspracherechts immer muss in der Matrikel, die aus dem Jahr 1752 stammt. mehr auf diese Ausschüsse. Der letzte Allgemeine Weitere Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Landtag trat im Jahre 1652 letztmalig auf dem Schott Ritterschaft ist der vom Rittertag, der Vollversamm- in Hösseringen zusammen, danach wurden die Mit- lung der Mitglieder, zu fassende Aufnahmebeschluss. wirkungsrechte der Landschaft nur noch von dem Darüber hinaus stellt die erste Kurie mit dem Präsi- Ausschuss wahrgenommen, der regelmäßig in der dierenden Landschaftsrat auch den gerichtlichen Residenzstadt Celle tagte. und außergerichtlichen Vertreter der Landschaft. Die zweite Kurie besteht aus 14 Abgeordneten der im Landschaftsbezirk gelegenen Städte, die von den Vertretungen ihrer Städte gewählt werden. Die dritte

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Heute tritt die Landschaft des vormaligen Fürsten- Landschaftliche Kollegium berät und entscheidet tums Lüneburg alle zwei Jahre zu sogenannten über diejenigen Dinge, die in der Zeit zwischen den Allgemeinen Landtagen zusammen, zu denen jeder beiden Landtagen zu regeln sind, und bereitet die Stand 14 Delegierte entsendet. Dabei wählt die Landtage vor. Präsident der Landschaft ist der Ritterschaft ihre 14 Delegierten auf ihren Ritter- jeweilige Präsident des ersten Standes, der Ritter- tagen. Die Delegierten der Städte sind die jeweiligen schaft, der Präsidierende Landschaftsrat. Er vertritt Hauptverwaltungsbeamten der Städte sowie bei den die Landschaft gerichtlich und außergerichtlich. großen Städten Lüneburg, Celle und Uelzen auch noch deren Stellvertreter. Die 14 Delegierten des Aufgaben und Trägerschaft dritten Standes werden von Kreistagen der Land- kreise auf Vorschlag der Landwirtschaftskammer Die heutigen Aufgaben der Landschaft des vormali- gewählt. gen Fürstentums Lüneburg bestehen zum einen in der Bewahrung und Förderung der speziellen Traditi- Der Landtag ist das oberste Organ der Landschaft. onen und der besonderen Kultur in ihrem Wirkungs- Daneben gibt es das Landschaftliche Kollegium, gebiet und zum anderen in ihrer Funktion als einer welches aus fünf Mitgliedern der Ritterschaft, drei der Träger der Landschaftlichen Brandkasse in Vertretern der Städte und vier von den 14 Delegierten Hannover. der dritten Kurie gewählten Personen besteht. Das

links: Das Landschaftshaus der Lüneburgischen Ritter- schaft in Celle gegenüber dem Schloss wurde Mitte des 17. Jahrhunderts als Kanzlerhaus erbaut.

unten: Wappen der Landschaft über dem Hofportal von 1788/89

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Land- und Ritterschaftssaal

Die erste Landschaftliche Brandkasse wurde im Jahre Die Mittel, die die Landschaft benötigt, um die ihr 1750 für das Gebiet der Landschaft des ehemaligen obliegenden traditionspflegenden und kulturfördern- Fürstentums Hannover-Calenberg auf Initiative des den Maßnahmen durchzuführen, bezieht sie aus den Abtes des Klosters Loccum, Georg Wilhelm Ebell, Erträgnissen eigenen Vermögens und insbesondere als Feuerversicherung gegründet. Nach und nach aus sogenannten „Pauschalvergütungen“ seitens der wurden auch in den anderen Landschaften ähnliche Landschaftlichen Brandkasse und der mit dieser Feuerversicherungen gegründet, die dann schließlich verbundenen Provinzial-Lebensversicherung. Diese in der Landschaftlichen Brandkasse Hannover zu- „Pauschalvergütungen“ sind die Gegenleistung da- sammengeschlossen wurden. Träger dieser Land- für, dass die Landschaft aufgrund ihrer besonderen schaftlichen Brandkasse sind die „historischen“ geschichtlichen Verbundenheit mit der Bevölkerung Landschaften im Bereich des ehemaligen Königreichs ihres Bezirkes auch eine Vermittlerrolle für den Hannover. Sie entsenden Vertreter in das oberste Abschluss von Versicherungsverträgen mit der Organ der Landschaftlichen Brandkasse, den Brand- Landschaftlichen Brandkasse und der Provinzial- kassenausschuss, der wiederum aus seiner Mitte Lebensversicherung hat. die Mitglieder des Verwaltungsrates bestimmt. Der Vorstand wird auf Vorschlag des Verwaltungsrates ebenfalls vom Brandkassenausschuss gewählt.

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Die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüne- das Fürstentum Lüneburg, im Niedersächsischen burg nimmt entsprechend ihren finanziellen Mög- Heimatbund e. V. und im Kuratorium der VGH-Stif- lichkeiten Aufgaben auf dem Gebiet der Kultur- und tung. Eine beratende Mitgliedschaft obliegt der Heimatpflege und der Wissenschaftsförderung wahr. Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg Vorzugsweise werden eher „kleinere“ Projekte ge- im Kuratorium der Lüneburger Museumsstiftung und fördert, die zwar bei den großen institutionellen im Vorstand des Lüneburgischen Landschaftsver- Sponsoren keine große Aufmerksamkeit finden, aber bandes e. V. Zusätzlich ist die Landschaft des vor- geeignet sind, die Identifikation der Bevölkerung mit maligen Fürstentums Lüneburg Patron der Histori- ihrer speziellen Tradition und Kultur zu stärken. Die schen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Wahrnehmung dieser Aufgaben ist gerade in der heutigen Zeit, in der die öffentlichen Mittel knapper werden, für den Fortbestand kultureller und sozialer Werte in unserer Gesellschaft besonders wichtig.

Die Förderung bewegt sich für die einzelnen Projekte in der Größenordnung von einigen Hundert bis in der Regel maximal 5.000 Euro. Die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg fördert häufig die Herausgabe und Drucklegung von Dorfchroniken, die Anschaffung von geeigneten Museumsexponaten seitens der kleineren Museen „auf dem flachen Land“, aber auch für die großen Museen in Celle und Lüneburg. In jüngster Vergangenheit hat die Land- schaft aber auch ausnahmsweise einmal große Projekte gefördert, deren Mittel aus den Rücklagen genommen werden mussten, wie die Herausgabe eines Buches über die Innenausmalung der Celler Schlosskapelle und die grundlegende Änderung des Museumskonzeptes des Bomann-Museums in Celle und der Museen in Lüneburg.

Die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüne- burg ist Mitgesellschafterin der Gesellschaft zur Erhaltung des Bomann-Museums und leistet einen regelmäßigen Gesellschafter-Beitrag. Darüber hinaus ist die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg Mitglied im Museumsverein des Bo- mann-Museums, in der Stiftung des Museums für

Am 23. August 1570 fand bei Hösseringen ein Landtag statt, auf dem über die Erhebung einer Viehsteuer verhandelt und beschlossen wurde. (Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Hannover)

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LANDSCHAFT DES EHEMALIGEN FÜRSTENTUMS OSNABRÜCK

Die Teilhabe der Landstände an der Verwaltung des geistlichen Fürstentums Osnabrück bildete sich im Mittelalter heraus. Vorrangig war es das Domkapitel, das über das Recht der Bischofswahl eine starke Stellung innehatte und bald Beratungsgremium des Bischofs nicht nur in geistlichen, sondern auch in weltlichen Angelegenheiten wurde.

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en zweiten Stand bildeten die Zusammensetzung der Kurien Ministerialen, die als Ritterschaft landständische DBefugnisse erlangten, den dritten Stand die Stadt Seit der Reformation bildete sich auch in den Ständen Osnabrück und die kleinen Städte Iburg, Melle, die konfessionelle Mischung heraus, die kennzeich- Vörden, Wiedenbrück, Quakenbrück und Fürstenau. nend für das Fürstbistum Osnabrück war. Ab 1651 waren drei der 24 Domkapitularsstellen Protestanten Mit dem Ende des geistlichen Fürstentums Osna- vorbehalten, die Ritterschaft war zu zwei Dritteln brück Ende 1802 arbeitete die Verwaltung in den lutherisch, die Bevölkerung der auf den Landtagen kommenden wechselvollen Jahren bis 1814 unter vertretenen Städte Osnabrück und Quakenbrück war preußischer, westfälischer und französischer Herr- mehrheitlich evangelisch, in Fürstenau gab es eine schaft. Der Wiener Kongress sprach Osnabrück dem einflussreiche katholische Minderheit, Wiedenbrück Königreich Hannover zu. Da die hannoversche war katholisch. Regierung die Erlasse und Veränderungen in der westfälischen und französischen Zeit als nichtig Der Kreis der zur Ritterschaft zählenden Familien betrachtete, traten theoretisch ab 1814 die Verhält- war bis in das 16. Jahrhundert hinein nicht genau nisse von 1803 wieder ein. festgelegt. Dies änderte eine Anordnung des Bischofs Johann von Hoya 1556, Matrikel der Landtagsfähigen An Stelle des ehemals ersten Standes, des Domkapi- aufzustellen. Für die Landtagsfähigkeit entwickelten tels, trat in Osnabrück die Ritterschaft. Die Städte- sich Konditionen für Abstammung und Besitz. Die kurie wurde von Osnabrück, Fürstenau, Quakenbrück Ahnenprobe, zunächst für die Mitglieder des Dom- und Melle gebildet. In preußischer Zeit wurde die kapitels durch das päpstliche Privileg Leos X. 1517 Kurie um Bramsche erweitert. eingeführt, sollte ab 1651 mit einem Landtagsbe- schluss, der allerdings nicht vom Bischof bestätigt Die neu gebildete dritte Kurie erstreckte sich zu- wurde, auch für die Ritterschaft gelten. Es waren nächst auch auf die neuen Landesteile im Westen des Aufschwörungsnachweise von 16 Ahnen aus turnier- Königreiches Hannover, aus denen die Landdrostei fähigen, ritterbürtigen und stiftsfähigen Familien Osnabrück gebildet wurde, und umfasste demnach vorzulegen. die freien Grundbesitzer des Fürstentums Osnabrück, der Niedergrafschaft Lingen und aus den Kreisen Neben der persönlichen Befähigung war der Besitz Meppen und Emsbüren. Allerdings kam dieser eines landtagsfähigen Guts verpflichtend. Bis Ende Zusammenschluss, nachdem die Verhandlungen mit des 18. Jahrhunderts gab es 72 landtagsfähige Güter, den beiden anderen Kurien über die Vereinigung aller von denen allerdings oft mehrere in einer Hand Landesteile keine Ergebnisse erbracht hatten, nicht waren. Auch zwei geistliche Mitglieder, der Komtur zustande. Die Osnabrücker Landschaft blieb auf das der Johanniterkommende Lage und der Komtur der Fürstentum Osnabrück beschränkt. Deutschordenskommende in der Stadt Osnabrück, gehörten der Osnabrücker Ritterschaft an. Bereits seit Mitte des 14. Jahrhunderts lag der Vorsitz der Ritter- schaft beim Erblanddrosten, ein Amt, das ununter- brochen von Mitgliedern der Familie , ausgeübt wurde.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 55 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

Bei den drei Kurien waren seit dem 16. Jahrhundert jeweils ein Sekretär und ein Syndikus angestellt.

Als Tagungsort diente seit 1680 immer das Kapitel- haus im Dom. Die Kurien benutzten Räume im Portikus des Osnabrücker Doms, die spärlich oder gar nicht möbliert waren. Die Städtekurie ließ zu jeder Sitzung Stühle und Tische aus dem Rathaus herüber- transportieren. Nach der Säkularisation und der damit verbundenen Aufhebung des Domkapitels bezog die Ritterschaft den Kapitelsaal.

Im November 1818 kam der Osnabrücker Landtag Planskizze der Nutzung der Räume im Domportikus nach der Umbruchszeit erstmals wieder zusammen, durch die landständischen Kurien (Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Osnabrück ) um über die Vorstellungen des hannoverschen Kabinettsministeriums zur Neuordnung zu beraten. Stempel der Landschaft Die Abschaffung der Ahnenprobe für die Ritterschaft des Fürstentums Osnabrück und die Schaffung einer neuen dritten Kurie (neben der nun an erster Stelle rangierenden der Ritterschaft und der zweiten, der Städtekurie) der freien Grundbe- sitzer waren auch aus Osnabrücker Sicht akzeptable Änderungswünsche.

Aufgaben ten entzogen und auf die allgemeine Ständever- sammlung übergegangen, was ihre Bedeutung Die Landstände berieten auf Ausschreibung des wesentlich minderte. Landesherrn über von diesem vorgegebene Angele- genheiten. Neben Beratungen über landesherrliche Eines der wichtigsten Institute der Landschaft war Verordnungen war vor allem das Steuerbewilligungs- die Brandkasse. Bereits 1755 war es auf Antrag der recht ein ständisches Machtinstrument. Die Kurien Osnabrücker Stände zu dem Beschluss gekommen, berieten in getrennten Sitzungen und nacheinander eine Brandkasseassekuranz einzurichten. Bischof und stimmten auch getrennt ab. Clemens August erließ ein Edikt, das alle Schatz- pflichtigen zu dieser Versicherung zwangsverpflich- Die Provinziallandschaft sollte Rechte in Bezug auf tete. Die Verwaltung lag bei der Land- und Justiz- die Angelegenheiten, die nicht das ganze Königreich kanzlei, im 19. Jahrhundert bei der Landdrostei. Die betrafen, wahrnehmen. Dazu gehörten die Mitwir- Landschaft übte zum Beispiel bei der Rechnungsfüh- kung an der Provinzialgesetzgebung, Wahl und rung Kontrollfunktionen aus. Seit 1817 traten auch Präsentation der landschaftlichen Räte zum Ober- Landesteile außerhalb des Fürstentums Osnabrück appellationsgericht und zum Schatzkollegium, der Brandassekuranz bei. Die Brandversicherungs- Bestellung ständischer Beamter, Verwaltung der sozietät wurde 1878 mit der Vereinigten Landschaft- Grundsteuerquote, Verwaltung besonderer provinzi- lichen Brandkasse zusammengeschlossen. eller Einrichtungen, Verwaltung landschaftlicher Institutionen sowie die Verleihung von Benefizien, Nach der Annexion Hannovers durch Preußen wurde Stipendien und Freitischen. Die Steuerbewilligung mit der preußischen Verordnung vom 22. September und das Budgetrecht waren den Provinziallandschaf- 1867 der Weiterbestand der Landschaften bestätigt.

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Allerdings wurde der Wirkungskreis noch enger, Die Landschaft heute denn nach der nunmehr erfolgten Aufhebung der Mitwirkung an der Gesetzgebung und der Präsenta- Heute besteht die Landschaft des Fürstentums tionsrechte war die landschaftliche Verwaltung auf Osnabrück nach wie vor aus der 1. Kurie, die von der kommunale Aufgaben beschränkt (Vermögen, Ein- Ritterschaft mit derzeit 17 Mitgliedern besetzt ist. richtungen, Stiftungen) sowie auf die Befugnis, den Sodann aus der Städtekurie, der die Stadt Osnabrück Landschaftsbezirk mit Beiträgen für landschaftliche (sieben Vertreter) und die Städte Quakenbrück, Zwecke zu belasten. Osnabrück wurde eine veränder- Fürstenau, Melle und Bramsche (je zwei Vertreter) te Zusammensetzung der Städtekurie, die Bildung angehören. Die 3. Kurie besteht aus vier Vertretern eines bis dahin nicht existierenden Ausschusses und des nicht in der Ritterschaft gehörenden ländlichen die Reform des Geschäftsgangs auferlegt. Grundbesitzes.

Diesen Auflagen ist die Landschaft des Fürstentums Die Landschaft tritt alljährlich zu einem Landtag Osnabrück nachgekommen, wie das Verfassungssta- zusammen. Den Vorsitz führt der Präsident der Ritter- tut von 1875, modifiziert 1927 und zuletzt 1974, zeigt. schaft (zurzeit Erblanddrost Dr. Ludwig v. Bar). Die Landschaft des Fürstentums Osnabrück nimmt Bedeutende Persönlichkeiten Aufgaben wahr, die ausschließlich dem Gemeinwohl dienen. Dies sind unter anderem: Herbord Sigismund Ludwig v. Bar (1763 – 1844) war 1. Gemeinsam mit den übrigen Landschaften in viele Jahre in verschiedenen Spitzenfunktionen für Niedersachsen ist sie Träger der Landschaftlichen Osnabrück tätig. Sowohl in der französischen Zeit als Brandkasse (VGH) in Hannover. Dabei erfüllt sie auch im Königreich Westfalen nahm er führende einen öffentlichen Auftrag, nämlich gemeinwohl- Positionen ein. Nach dem Ende der napoleonischen orientiertes Versicherungsgeschäft, Brandschutz Herrschaft war er Deputierter der Osnabrücker pp. und Förderung gemeinnütziger Zwecke Ritterschaft in der provisorischen allgemeinen 2. Förderung von Geschichte und Kultur des Ständeversammlung in Hannover 1814 – 1819 und ehemaligen Fürstbistums Osnabrück 1815 zu deren Präsidenten gewählt. 1816 wurde er als 3. Geschichte, Landeskunde und Denkmalschutz Präsident der Provinzialverwaltung Osnabrück ein- 4. Förderung wissenschaftlicher Arbeiten gesetzt, ab 1824 war er Landdrost der neugebildeten 5. Förderung der Schriftenreihe des Vereins für Landdrostei Osnabrück im Königreich Hannover. Geschichte und Landeskunde Osnabrück 6. Mitgliedschaft im Landschaftsverband Osnabrücker Land e. V.

Ansprechpartner sind zurzeit : 1. Landschaftspräsident und Erblanddrost Dr. Ludwig v. Bar, Brucher Allee 50, 49324 Melle 2. Syndikus Georg Graf von Kerssenbrock, Haus Brincke, 33829 Borgholzhausen

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 57 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

CALENBERGER KREDITVEREIN

Wenn eine Bank mit vollem Namen Calenberg-Göttingen- Grubenhagen-Hildesheim’scher ritterschaftlicher Kreditverein heißt, ist das ungewöhnlich. Wenn dieser vermutlich längste Name eines bis heute erfolgreich wirtschaftenden Bankhauses auf eine Tradition verweisen kann, die nicht nur sehr lang, sondern auch sehr einzigartig ist, dann ist das einen genaueren Blick wert.

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it langer Tradition – unter Druck geraten, ein auskömmliches Wirtschaf- wer an Ritter denkt, denkt an Burgen, Rüstungen und ten oder gar notwendige Investitionen waren unter Mderlei, aber ganz sicher nicht zuerst an eine Bank. diesen Bedingungen kaum möglich. Viele Landwirte, Wir schreiben das Jahr 1825. Die Zeit der mittelalterli- darunter auch die Besitzer großer Rittergüter, chen Ritter ist vergangen, doch Ritterschaften, deren benötigten Geld. Aber keiner wollte es ihnen zu Gründung bis ins 14. Jahrhundert zurückgeht, haben vertretbaren Konditionen leihen. 1825 wurde daher sich erhalten. Sie sind ein wichtiger politischer der Calenberg-Göttingen-Grubenhagen-Hildes- Faktor des damals noch ständisch regierten König- heim’sche Ritterschaftliche Kreditverein durch eine reichs Hannover, gewissermaßen die tragende Säule königlich genehmigte Satzung gegründet. Nun war in den sogenannten Landschaften, und bilden den es möglich, mit Grund und Boden gedeckte Anleihen Ersten Stand innerhalb der dortigen Landstände. Zu auszugeben, die für die Gläubiger dank der hohen den drei Kurien gehörten daneben die Städte und die Sicherheit schnell eine interessante Anlageoption Prälaten – später auch das sogenannte platte Land wurden. Das mit den Pfandbriefen eingesammelte mit dem nichtritterschaftlichen Grundbesitz. Kapital konnte der Kreditverein nun wiederum langfristig und zu äußerst günstigen Bedingungen Mit gestaltender Kraft an seine Kreditnehmer – schon bald waren das nicht mehr nur die Rittergutsbesitzer – herausreichen. Der Die Landstände waren für ihre Region, die jeweilige Beginn einer seit nunmehr 189 Jahren dauernden Provinzial-Landschaft, mit der Ordnung der allge- Erfolgsgeschichte! meinen wirtschaftlichen und politischen Angelegen- heiten des Königreiches betraut und repräsentierten Mit tragender Rolle in der Vergangenheit die politische Vertretung der Bevölkerung gegenüber dem Herrscherhaus. Als vor Heute sind die Ritterschaften mitgliedschaftliche genau 200 Jahren, im Jahr 1814, erstmals eine allge- Vereinigungen öffentlichen Rechts und nehmen in meine Ständeversammlung für das ganze Königreich den historischen Landschaften öffentliche Aufgaben Hannover einberufen wurde, der sogenannte allge- im heimatkulturellen, sozialen und wissenschaftli- meine Landtag, hatten sich einige Landschaften chen Bereich wahr. Und bis heute sind die beiden schon vereinigt, so zum Beispiel die Calenberg- Ritterschaften – die Calenberg-Göttingen-Grubenha- Göttingen-Grubenhagensche Landschaft. gensche und die Hildesheim’sche Ritterschaft Träger des gleichnamigen Kreditvereins, der heutzutage aus Mit königlicher Erlaubnis praktischen Erwägungen meist verkürzt Calenberger Kreditverein genannt wird. Die Ritterschaften hatten Es waren die Ritterschaften der Calenberg-Göttingen- von Anfang an eine Schlüsselstellung im Bankhaus Grubenhagenschen und der Hildesheim’schen Land- und geben ihm bis heute sein Gepräge, denn sie schaft als einflussreiche Kräfte in der damaligen Stände- bestimmen die Besetzung des Verwaltungsrates, der gesellschaft, die im Jahr 1825 den König Georg IV. um die Geschäftspolitik begleitet und überwacht. Neben Erlaubnis baten, einen Kreditverein zu gründen. dem Calenberger Kreditverein gibt es mit dem Damit wollten sie einem Problem abhelfen, dem sich Ritterschaftlichen Kreditinstitut Stade nur noch ein viele ihrer Mitglieder gegenüber sahen: Anfang des weiteres Kreditinstitut in Deutschland, das ebenfalls 19. Jahrhunderts waren die Getreidepreise massiv in ritterschaftlicher Trägerschaft geführt wird. Mit

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der Schwesterbank verbindet den Calenberger Kredit- aus auch als Ausdruck von Verbundenheit mit und verein heute weit mehr als nur die gemeinsamen Verantwortungsgefühl für Land und Leute verstan- historischen Wurzeln und Trägerstrukturen, viel- den werden. Die Satzung des Calenberger Kreditver- mehr arbeiten die beiden Häuser in einigen Zentral- eins, die seit 1825 beinahe unverändert gilt, zeugt bereichen eng zusammen, ohne ihren jeweils eigenen zudem von einer Weitsicht der Gründerväter, die Charakter und ihre jeweilige regionale Verortung heute der Finanzbranche gut anstehen würde. Dem dabei aufzugeben. Kreditverein wurde der satzungsmäßige Auftrag er- teilt, der Land- und Forstwirtschaft möglichst güns- Mit weitsichtigem Satzungsauftrag tigen Realkredit zu gewähren. Erweitert wurde der Geschäftszweck inzwischen um die Immobilienfi- Die Gründung des Calenberger Kreditvereins zeugt nanzierung im Geschäftsgebiet, das im Wesentlichen vom damaligen Selbstbewusstsein und der Hand- den Regierungsbezirk Hannover und angrenzende lungsfähigkeit der Ritterschaft, sie kann aber durch- Regionen umfasst. Und ausdrücklich wird betont,

links: Schuldverschreibung über 100 Goldmark

unten: Verordnung zur Gründung des Calenberger Kreditvereins

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dass die Erzielung von Gewinn „insoweit nicht lich nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine Hauptzweck des Geschäftsbetriebes“ ist, der aller- der kleinsten Hypothekenbanken Deutschlands. dings sehr wohl nach allgemeinwirtschaftlichen Gewiss ist ihr aber das einzigartige Privileg, dass für Gesichtspunkten und kaufmännischen Grundsätzen sie und ihr Schwesterinstitut, das Ritterschaftliche zu führen ist. Die Kreditvergabe soll laut Satzung Kreditinstitut Stade, ausdrücklich eine Ausnahme langfristig erfolgen und auf eine allmähliche Schul- ins 2005 novellierte Pfandbriefgesetz geschrieben denbefreiung hinwirken. wurde. Das war nötig, damit die beiden kleinen Ritterbanken auch weiterhin das tun können, was sie Mit Erntedank von der Bank seit bald 200 Jahren erfolgreich tun – zur kosten- günstigen Refinanzierung ihrer Hypothekenkredite Diesen Förderauftrag nimmt der Calenberger Kredit- am Kapitalmarkt Pfandbriefe ausgeben, obwohl sie verein bis heute ernst. Sicherheit geht ihm vor bei Weitem nicht über das geforderte Eigenkapital Gewinn, riskante Geschäfte oder waghalsige Projekte von 25 Mio. Euro verfügen. Eine namentliche Nen- sucht man hier vergeblich. Dafür beteiligt die Bank nung in einem Bundesgesetz kann wahrlich nicht ihre land- und forstwirtschaftlichen Kreditnehmer jede Bank vorweisen. jährlich an ihrem wirtschaftlichen Erfolg mit einer freiwilligen Zinsrückvergütung, die sich im Ge- Mit Leidenschaft für Land und Leute schäftsjahr 2013 auf 0,25 Prozent belief. Dass dieses auf Nachhaltigkeit und Partnerschaftlichkeit gegrün- Das große Plus des kleinen Calenberger Kreditvereins dete Geschäftsmodell durchaus nicht antiquiert ist, ist die klare Fokussierung auf seine Kernaufgaben. sondern vielmehr eine tragfähige Basis für dauerhaf- Seit seiner Gründung ist das Bankhaus auf den ten Erfolg bietet, zeigen die Geschäftszahlen. Im Jahr Finanzbedarf land- und forstwirtschaftlicher 2013 belief sich der Jahresüberschuss auf 750.000 Betriebe spezialisiert und versteht sich auf die Euro bei einer Bilanzsumme von 311 Mio. Euro und Besonderheiten landwirtschaftlicher Prozesse und einem Kundenkreditvolumen von 296 Mio. Euro. Abläufe. Bei der Immobilienfinanzierung im ländli- Jährlich legt der Calenberger Kreditverein dem Träger chen Raum profitiert der Calenberger Kreditverein auf dem Rittertag im Frühjahr seine Geschäftszahlen von seinem langjährigen Erfahrungsschatz. Dass vor. Online stehen die Geschäftsberichte seit dem dieses Kreditgeschäft in erster Linie Vertrauenssache Jahr 2000 unter www.calenberger.de der Öffentlich- ist, zeigen die langjährigen, nicht selten seit mehre- keit zur Verfügung. ren Generationen schon bestehenden Kundenbe- ziehungen. Neue Kunden gewinnt der Kreditverein Mit Sonderstatus denn auch ohne großen Marketingaufwand vor allem über Empfehlungen hinzu. Partnerschaftlich, unbüro- Der Calenberger Kreditverein mit Sitz in Hannover kratisch und sachkundig engagieren sich die Mit- im historischen Gebäude der Calenberg-Gruben- arbeiter für die realen Werte ihrer Kunden, für Grund hagen’schen Landschaft, das auch die Börse be- und Boden, Haus und Hof – und sorgen dafür, dass herbergt, ist als eine öffentlich-rechtliche Bank für Kreditausfälle oder Wertberichtigungen für den langfristigen Kredit den Einlagensicherungseinrich- Calenberger Kreditverein kein Thema sind. Auch tungen des Bundesverbandes Öffentlicher Banken dadurch unterscheidet sich das kleine Traditionshaus angeschlossen, zuständige Aufsichtsbehörde ist der von allen anderen Kreditinstituten – eben eine in Niedersächsische Minister der Finanzen. Die Hypo- jeder Hinsicht besondere Bank. thekenbank hat das Recht, Pfandbriefe zu begeben, und beschäftigt neben den beiden Vorstandsmitglie- dern Jens Zotzmann als Vorsitzendem und Michael Lange weitere zehn Mitarbeiter. Sie ist damit vermut-

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RITTERSCHAFTLICHES KREDITINSTITUT STADE

Wie ein seltener Solitärbaum steht das Ritterschaftliche Kreditinstitut Stade heute in der deutschen Bankenlandschaft. Stattliche 188 Jahresringe weist der Stamm dieses ungewöhnlichen Zeugen einer bewegten Zeit auf. Einzig der in Hannover beheimatete Calenberger Kreditverein ist aus ähnlichem Holz geschnitzt.

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est verwurzelt – nicht erst seit 1826: zumeist gleichermaßen Verpflichtung und Herzens- Der Ursprung des Ritterschaftlichen Kreditinstituts angelegenheit. Das heißt konkret, zum Beispiel an FStade – kurz RKI – geht zurück auf das Jahr 1826. der Erhaltung der Rittergüter als Teil der regionalen Damals erteilte König Georg IV. von Großbritannien Kulturlandschaft in vielfältiger Weise mitzuwirken, und Hannover der Ritterschaft des Herzogtums den Erhalt und Betrieb des im Eigentum der Ritter- Bremen die Genehmigung zur Gründung eines schaft stehenden Klosters und Klosterforsts Neuen- Kreditvereins. Die Wurzeln der uralten Institution walde zu ermöglichen, Kulturförderung zu betreiben der Ritterschaft des Herzogtums Bremen indes oder Stipendien zu vergeben. Und natürlich: für das reichen noch viel weiter zurück – bis ins Mittelalter. Ritterschaftliche Kreditinstitut Stade seit 1826 die Der grundbesitzende Adel – die Ritterschaft – bildete Trägerschaft zu übernehmen. zusammen mit der Geistlichkeit und den Städten die sogenannten Landstände des Erzstifts Bremen. Als Starke Äste – stattliche Krone eine der drei Kurien der Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden ist die Ritterschaft schon 1397 Kaum verwunderlich, dass es die gut vernetzte erstmals urkundlich im Zusammenhang mit einer Ritterschaft war, die damals an König Georg IV. die Versammlung der Landstände belegt, dem sogenann- Bitte richtete, einen Kreditverein gründen zu dürfen ten Landtag in Basdahl im heutigen Landkreis – gewissermaßen als Selbsthilfeeinrichtung für die Rotenburg/Wümme. Seine Aufgabe war es, die in wirtschaftliche Turbulenzen geratene Landwirt- politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten schaft. Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Zeiten des Herzogtums zu regeln. nicht eben rosig – adlige und nicht adlige Agrarier gerieten in finanzielle Nöte, als die Getreidepreise Bestandsschutz – weil gewachsene auf einen historischen Tiefststand fielen, während Strukturen bis heute tragen gleichzeitig die Intensivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft hohe Investitionen verlangte. Die Ritterschaft hat seither die politischen und Was dann geschah, war der Beginn einer bis heute wirtschaftlichen Geschicke der Landschaft der währenden Erfolgsgeschichte: In der Trägerschaft der Herzogtümer Bremen und Verden entscheidend Ritterschaft des Herzogtums Bremen enstand als mit geprägt. Die heutige Ritterschaft wird von den Pfandbriefanstalt des öffentlichen Rechts das Eigentümern der noch verbliebenen rund 35 „land- Ritterschaftliche Kreditinstitut Stade. Sein ursprüng- tagsfähigen“ bewirtschafteten Rittergüter gebildet licher – und bis heute vorrangiger – Zweck: eine – ein Adelstitel ist dafür zwar nicht mehr Voraus- langfristige Kreditaufnahme zu günstigen Konditio- setzung, wohl aber die Bereitschaft, weiterhin Ver- nen zu ermöglichen. Das Mittel: die Ausgabe von antwortung zu übernehmen und die geschichtlich Pfandbriefen, also mit hochwertig besicherten gewachsenen Aufgaben der Ritterschaft auch zukünf- Grundschulden gedeckte Anleihen aufzulegen. tig zu erfüllen – nachhaltig und am Gemeinwohl orientiert. Für den traditionsbewussten Adel heute

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Die äußerst sicheren Schuldbriefe überzeugten der Umsicht geschuldet, mit der der Verwaltungsrat schnell auch die bis dahin der Landwirtschaft die auf diesem festen Grund basierende Geschäfts- gegenüber sehr zurückhaltenden Gläubiger. Zunächst politik über mehr als eineinhalb Jahrhunderte profitierten nur die Rittergutsbesitzer von dieser behutsam jeweils den sich wandelnden Gegeben- pragmatischen Idee der Ritterschaft, doch schon bald heiten angepasst hat, ohne dabei den ganz eigenen hatten auch freie Bauern die Möglichkeit, von der Charakter dieses besonderen Bankhauses zu ver- günstigen und langfristigen Finanzierungsform ändern. Der Auftrag des RKI ist in der Satzung Gebrauch zu machen. Bis heute übt die Ritterschaft verankert: „Das Kreditinstitut unterliegt als eine wesentliche Funktion in „ihrem“ Kreditverein öffentlich-rechtliches Realkreditinstitut den Be- aus: Sie bestimmt die Besetzung des Verwaltungsrats, stimmungen des Pfandbriefgesetzes (PfandBG). Es der die Geschäftspolitik des Bankhauses begleitet verfolgt in erster Linie den Zweck, Realkredite zur und überwacht. Förderung der Gesamtstruktur im ländlichen Raum zu geben. Darunter fallen sowohl landwirtschaftliche Auf gutem Grund Kredite als auch Kredite für Wohn- und Geschäfts- grundstücke in diesem ländlichen Raum. (...) Die Dass die Ritterschaft bis heute auch wirtschaftlich Geschäfte sind unter Beachtung allgemeiner wirt- Freude an ihrem Ritterschaftlichen Kreditinstitut schaftlicher Gesichtspunkte nach kaufmännischen Stade hat, ist der Weitsicht zu verdanken, mit der sie Grundsätzen zu führen. Die Erzielung von Gewinn ist den seither gültigen Satzungsauftrag im Jahre 1826 nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes.“ formuliert hatte. Der geschäftliche Erfolg ist zudem

links: Statuten des bremischen ritterschaftlichen Kredit Vereins vom 17. Januar 1826

oben: Plan einer Spar- und Kreditanstalt für die Herzog- thümer Bremen und Verden und das Land Hadeln

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Angestammte Geschäftsfelder Gewachsen über Generationen

Auch wenn die Satzung des Ritterschaftlichen Der wirtschaftliche Erfolg lässt sich auch in Zahlen Kreditinstituts Stade nach den heutigen Maßstäben ausdrücken: Der Umfang des hypothekarischen der Finanzbranche ein wenig Patina angesetzt haben Kundenkreditvolumens betrug im Jahr 2013 rund mag – ihr Kerngedanke der Nachhaltigkeit ist zeitlos 283 Mio. Euro bei einer Bilanzsumme von rund und hat, nicht erst nach den Erfahrungen der jüngs- 325 Mio. Euro. Das RKI ist als Anstalt des öffentlichen ten Wirtschafts- und Finanzkrise, seine Berechti- Rechts dem Einlagensicherungsfonds und der gung längst unter Beweis gestellt. Das Ritterschaftli- Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes che Kreditinstitut Stade ist seit 188 Jahren in erster Öffentlicher Banken Deutschlands angeschlossen. Linie dazu da, seinen Kunden möglichst günstigen Es hat die Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanz- Realkredit zu gewähren. Bei diesem Förderauftrag dienstleistungsaufsicht, nach dem Pfandbriefgesetz für die Region – das Geschäftsgebiet umfasst das Hypothekenpfandbriefe und Öffentliche Pfandbriefe Elbe-Weser-Dreieck und angrenzende Gebiete – hat herauszugeben, Aufsichtsbehörde ist der Nieder- die Sicherheit stets Vorrang vor der Gewinnerzielung. sächsische Minister für Finanzen. Mit seinen zurzeit Ganz bodenständig erfüllt das RKI damit das, was 14 Mitarbeitern unter der Führung des Vorstands- eine gute Bank für ihre Kunden leisten sollte. Kredit teams Matthias Schicke und Heinrich Sendker pur, langfristig, partnerschaftlich, solide – mit erwirtschaftete das RKI im vergangenen Jahr von Sachverstand und Herz für die besonderen Belange seinem Standort in der Stader Archivstraße 3/5 aus der Land- und Forstwirtschaft und reicher Erfahrung einen Jahresüberschuss von rund 545.000 Euro und bei der Finanzierung rund um Stein und Ziegel. Die stärkte damit seine Gewinnrücklage. In diesem Konzentration auf die angestammten Geschäftsfelder Gebäude – im Rittersaal – findet regelmäßig auch der Agrarkredite und Immobilienkredite ist das Wurzel- Rittertag statt, auf dem die Geschäftsleitung über die werk des langfristigen Erfolgs, die behutsame Entwicklung des Kreditinstituts berichtet. Seine regionale Öffnung eine Konsequenz der immer Geschäftszahlen legt das Bankhaus im Frühsommer großräumiger agierenden Kunden. vor, die Geschäftsberichte werden auch online unter www.rki-stade.de veröffentlicht. Was die Zahlen nicht sagen, was aber unbedingt zu nennen ist: die lang- jährige, nicht selten über Generationen bestehende Verbindung des Ritterschaftlichen Kreditinstituts mit seinen Kunden. Diese Treue dürfte in der Ban- kenlandschaft ebenso einmalig sein wie das kleine Bankhaus selbst. Kleine Bank – wahre Größe.

Sitz des Ritterschaftlichen Kreditinstitutes in Stade (Foto: Barbara Balden, )

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 65 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

VGH VERSICHERUNGEN

Die VGH Versicherungen entstanden 1957 durch den Zusammenschluss der 1750 gegründeten Landschaftlichen Brandkasse Hannover und der Provinzial Lebensversicherung Hannover von 1918. Mit der Provinzial Krankenversicherung Hannover AG und der Provinzial Pensionskasse Hannover AG bilden sie unter dem Markendach VGH die größte Einheit der öffentlichen Versicherer in Niedersachsen.

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undennähe, Servicequalität, des Lebens: von der Lebens-, Renten-, Kranken- und Verlässlichkeit und Marktdurchdringung mit leis- Unfallversicherung über die Haftpflicht-, Rechts- Ktungsstarken Produkten: Das sind die Stärken der schutz-, Kfz-, Wohngebäude- und Hausratversiche- VGH Versicherungen. Der öffentlich-rechtliche rung bis zu Gebäude-, Inventar- und Betriebsunter- Versicherer mit Stammsitz in Hannover ist aus- brechungs-Versicherungen für Firmenkunden. schließlich in Niedersachsen tätig. Dieses Regional- Darüber hinaus hat die VGH auch technische Ver- prinzip ist für das Unternehmen der Schlüssel zum sicherungen, Transport- sowie Hagelversicherungen Erfolg. Denn es gewährleistet ein enges, flächen- n ihrem Angebot. deckendes Vertriebsnetz und ermöglicht die zahlreichen persönlichen Gespräche der etwa Neben ihren Produkten und Dienstleistungen trägt 600 selbstständigen Versicherungsvertreter der die VGH mit vielfältigen Aktivitäten im kulturellen, VGH mit ihren Kunden. sportlichen und sozialen Bereich ihrer gesellschaftli- chen Rolle als eines der traditionsreichsten nieder- Als weiterer Vertriebsweg kommen die Geschäfts- sächsischen Unternehmen Rechnung. Viele Bürger stellen der Sparkassen und der Landesbausparkasse kommen in den Genuss von Leistungen, die durch hinzu, die die Produkte der VGH anbieten. Das Spenden und Sponsorings der VGH sowie ihrer im umfassende Versicherungsspektrum und die kurzen Jahr 2000 ins Leben gerufenen Stiftung finanziert Wege zur VGH machen das Unternehmen für viele werden. Die VGH-Stiftung fördert wissenschaftliche, Niedersachsen zur ersten Wahl. Sie bescheinigen kulturelle und mildtätige Projekte. Bei allen Projek- der VGH regelmäßig in unabhängigen Studien und ten ist der VGH-Stiftung die Vermittlung von Werten Verbrauchertests eine hohe Produkt- und Dienst- an Kinder und Jugendliche besonders wichtig. Im leistungsqualität – die VGH zählt traditionell zur Sport-Sponsoring ist die VGH primär im Reitsport Spitzengruppe der Versicherer am deutschen Markt. und im Fußball engagiert. Auch hier stehen die Vermittlung sozialer Werte und die Jugendförderung Rund 1,8 Millionen Kunden schenken ihr Vertrauen im Mittelpunkt. Der VGH Fairness-Cup im Amateur- der VGH. Insgesamt hat das Unternehmen mehr als fußball und der VGH-Cup für Nachwuchsreiter sind fünf Millionen Versicherungsverträge in seinem gelebte Beispiele dafür. Bestand. Daraus resultiert eine beeindruckende Marktdurchdringung: Ein Drittel aller Wohngebäude Die VGH unterstützt und initiiert verschiedene und zwei Drittel aller Landwirtschaftsbetriebe in Wettbewerbe, Ausstellungen und Preisverleihungen Niedersachsen sind bei der VGH versichert. Jede sowie zahlreiche Projekte für Niedersachsen. So fünfte Kraftfahrzeug- und Hausratversicherung zeichnet die VGH zusammen mit dem Sparkassenver- sowie jede zehnte Lebensversicherung wird vom band Niedersachsen und der Landesregierung jedes regionalen Marktführer betreut. Jahr bürgerschaftliche Projekte im Rahmen des Wettbewerbs „Unbezahlbar und Freiwillig – der Die VGH ist führender Versicherer im Lande – mit Niedersachsenpreis für Bürgerengagement“ aus. Mit einem lückenlosen Angebot an Sach- und Personen- ihrer tiefen Verwurzelung in Niedersachsen und versicherungen für den privaten, gewerblichen und ihrem traditionellen Engagement präsentiert sich die industriellen, den landwirtschaftlichen, kommuna- VGH heute so stark und vielfältig wie das Land und len und kirchlichen Bereich: Der Versicherer bietet seine Menschen und ist damit auch ein gutes, ein die Rundum-Vorsorge-Palette für alle Wechselfälle starkes Stück Niedersachsen.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 67 DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

OSTFRIESISCHE LANDSCHAFTLICHE BRANDKASSE Die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse – die fünftälteste Versicherungsgesellschaft der Welt – geht zurück auf die im Jahre 1754 auf Anordnung Friedrich II. von Preußen gegründete „Feuersocietät für die ostfriesischen Städte und Flecken“ und die im Jahre 1767 durch Initiative der Ostfriesischen Landschaft gegründete „Feuersocietät für das platte Land des Fürstenthums Ostfriesland und des Harlingerlandes“.

68 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

eide „Feuersocietäten“ unterlagen Die Verbindung zur Ostfriesischen Landschaft liegt später der Verantwortlichkeit der Ostfriesischen auch weiterhin darin, dass die Landschaftsversamm- BLandschaft und wurden im Jahre 1953 zur heutigen lung und das Landschaftskollegium als Organe des Ostfriesischen Landschaftlichen Brandkasse Trägers Landschaft zugleich als Organ der Brand- vereinigt. kasse fungieren. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist qua Satzung der Präsident der Ostfriesischen Land- Die Bezeichnung „Ostfriesische Landschaftliche schaft. Brandkasse“ weist schon auf die besondere Struktur dieser Versicherungsanstalt hin. „Ostfriesisch“, weil Die Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse gehört sie – entsprechend dem für öffentlich-rechtliche zum Kreis der öffentlichen Versicherungen, der Versicherer geltenden Regionalprinzip – ein fest auch heute in der Bundesrepublik zweitgrößten Ver- umrissenes Geschäftsgebiet hat, nämlich Ostfries- sicherungsgruppe. land. „Brandkasse“, weil Versicherung gegen das Risiko „Gebäudefeuerschäden“ anfangs das einzige Die Brandkassenkunden werden durch 55 Geschäfts- Angebot war. „Landschaftlich“ infolge ihres lang- stellen und die ostfriesischen Sparkassen betreut. jährigen Trägers, der Ostfriesischen Landschaft. Im Verbund mit den öffentlichen Kooperations- partnern VGH, ÖVBS, ÖRAG und UKV werden alle Im Jahre 1953 wurde beschlossen, neben der klassi- Versicherungsprodukte angeboten. schen Gebäudefeuerversicherung andere Versiche- rungen zu betreiben. Das führte zur Eröffnung der Die Brandkasse beschäftigt rund 250 Mitarbeiter im „Mobiliarversicherungsabteilung“ im Jahre 1965. Ab Innen- und Außendienst. Sie hat im Vergleich zur jetzt bietet die Brandkasse nun die gesamte Palette Versicherungswirtschaft eine außergewöhnlich gute der Sachversicherungen sowie Haftpflichtversiche- Eigenkapitalausstattung und ist weiterhin Markt- rungen an. Zugleich vermittelt sie Versicherungen führer in Ostfriesland. jeder gewünschten Art, die sie als eigenes Geschäft nicht anbietet, an leistungsfähige Partner. Grundsätzlich war und ist für die Ostfriesische Land- schaftliche Brandkasse das Gemeinnützigkeits- Bis 1994 war sie – wie in weiten Teilen der Bundes- prinzip festgelegt. Sie fühlt sich der weitläufigen republik und in den meisten Schweizer Kantonen – kulturellen Förderung der Region verpflichtet. Durch als Pflicht- und Monopolversicherung ausgestaltet. ihre Philosophie „Aus Ostfriesland für Ostfriesland“ Im Jahre 1993 wurde eine neue Zusammenarbeit soll die besondere Verantwortung für die Region zum im Verbund gesucht und mit dem NSGV (jetzt SVN) Thema Versicherung, Vorsorge und Gemeinwohl und der VGH vereinbart, ohne die unternehmerische deutlich werden. und rechtliche Selbstständigkeit der Brandkasse anzutasten.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 69 LANDSCHAFTSVERBÄNDE

70 Von Landschaften und Landschaftsverbänden 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

DIE ARBEITSGEMEINSCHAFT DER LANDSCHAFTEN UND LANDSCHAFTSVERBÄNDE IN NIEDERSACHSEN (ALLVIN)

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72 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden GRUSSWORT GRUSSWORT

om Harz bis an die Nordsee, genannt ALLviN, wurde 1997 gegründet und tauscht vom Felsen bis in den Klei: Die Vielfalt der natur- sich seitdem regelmäßig aus. Die Aufgaben liegen Vräumlichen Vorbedingungen im heutigen Land vor allem in der Förderung von Kultur, Bildung und Niedersachsen hat den Menschen seit jeher sehr Wissenschaft. Die Landschaften und Landschafts- verschiedene Grundlagen für ihr Leben und Wirt- verbände arbeiten mit den kulturellen Akteuren in schaften geboten. Ihre Reaktionen auf den Lebens- ihrer Region zusammen, dabei fördern sie Kultur- raum waren schon in urgeschichtlichen Zeiten von projekte mit Zuschüssen, bieten Beratung und lokalen Erfahrungen geprägt und deshalb angepasst wissenschaftliche Dienstleistungen an und sie und adäquat. Regionale Besonder- und Eigenheiten vernetzen die ehrenamtlich arbeitende Kulturszene prägten sich früh aus. Sprache, Ritus, Kultur und untereinander sowie mit öffentlichen Verwaltungen Recht waren in den Regionen verwandt, aber doch und der Wissenschaft. Teilweise sind sie auch mit wahrnehmbar immer verschieden. Sachsen und eigenen Projekten und Programmen aktiv. Friesen, später auch Slawen, prägten das Fort- schreiten der Landesgeschichte. Die Herrscher des Die Landschaften und Landschaftsverbände sind Mittelalters setzten weitere, an ihren Interessen aber gleichzeitig auch Kooperationspartner des ausgerichtete und stark formende Akzente. Landes Niedersachsen. Sie gestalten die Vergabe der Mittel der regionalen Kulturförderung aktiv mit und Die Landstände standen selbstverständlich von sie unterstützen überregionale Projekte und Initiati- Beginn an in der Tradition ihrer Region. Zum Wohl ven, etwa auf dem Gebiet des Niederdeutschen, der ihrer Länder hatten sie die Bedürfnisse der Menschen Orgelkultur oder des Kulturtourismus. Auf diesen zu vertreten. Ihrer Struktur nach waren sie die Vor- und weiteren Feldern sind Brücken in die Zukunft zu gänger des Parlamentarismus und verloren auch schlagen. Denn die Wurzeln der Landschaften liegen nach dem Wiener Kongress nie ihre Funktion als zwar im Traditionellen, aber ihre modernen Aufga- identitätsstiftende regionale Kraft. In dem nach dem ben und Ziele sind vorwärts gewandt und dienen wie Kriege neu gegründeten Land Niedersachsen fanden eh und je der Bevölkerung in unserem Bundesland. die historischen Landschaften zwar kaum noch ihren Platz, aber zahlreiche Neufirmierungen belegen die Notwendigkeit regionaler kultureller Organisation in dem Flächenland Niedersachsen. In diesem Prozess hat sich einzig die Ostfriesische Landschaft mit einer demokratischen Verfassung und Aufgaben auf den Dr. Rolf Bären- fänger ist im Gebieten der Kultur, Wissenschaft und Bildung in Hauptamt Direktor eine moderne Institution umgebildet. der Ostfriesischen Landschaft in Aurich und für die Im Land der Regionen, das auch heute noch seine Periode 2014/15 zahlreichen Variabilitäten aufweist, ist das Netzwerk Sprecher der Ar- beitsgemeinschaft der heutigen Landschaften und Landschaftsverbände der Landschaften als Spätfolge ständischer Verfassungen zu verstehen. und Landschafts- verbände in Nieder- Die Arbeitsgemeinschaft der 13 modernen Landschaf- sachsen (ALLviN). ten und Landschaftsverbände in Niedersachsen,

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 73 LANDSCHAFTSVERBÄNDE

OSTFRIESISCHE LANDSCHAFT KDÖR Die Ostfriesische Landschaft in Aurich: Am Anfang waren die Landstände, die Versammlung der drei gleichberechtigten Gruppen aus Rittern und Vertretern der Bürger und der Bauern. Sie vertraten im Mittelalter die ostfriesische Bevölkerung gegenüber dem Landesherrn, dem Grafen- und späteren Fürstenhaus. Diese Ständevertretung gibt es in Ostfriesland bereits seit mehr als fünfhundert Jahren.

74 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

is zum 19. Jahrhundert besaß die Brandkasse. Im Zuge der Entmonopolisierung wurde Ostfriesische Landschaft auch wesentliche politische 1994 auf Initiative der Landschaft die Trägerschaft BRechte. Von Kaiser Leopold I. ist ihr 1678 sogar ein um den SVN und die VGH erweitert, ohne die unter- eigenes Wappen verliehen worden, das den Ritter und nehmerische und rechtliche Selbstständigkeit der den Baum auf dem Upstalsboom zeigt. Dieser Hügel Brandkasse anzutasten. war und ist das Symbol für die Freiheit der Friesen. An diesem Ort trafen sich im Mittelalter die Vertreter Die Ostfriesische Landschaft ist eine moderne der selbstständigen friesischen Landesgemeinden. Dienstleistungseinrichtung, die bei ihrer Arbeit auf Hier wollten sie bei ihren Zusammenkünften ge- Qualität setzt. Ihre professionellen Mitarbeiter sind meinschaftlich ihre Rechte und Freiheiten stärken in vielen Bereichen tätig. Diese reichen von archäolo- und sichern. gischer Denkmalpflege und historischer Landes- forschung über wissenschaftliche Literaturversor- Mitbestimmung und Selbstverwaltung haben also gung und unterschiedlichste Kulturveranstaltungen in Ostfriesland eine lange Tradition. Die moderne bis hin zur fachlichen Beratung von Museen, Förde- Ostfriesische Landschaft hat sich im Laufe des rung der Regionalsprache und des Kulturtourismus 20. Jahrhunderts von der alten Ständeversammlung sowie Unterstützung von Lehrern und Schulen. zu einem zeitgemäßen Kulturparlament entwickelt. Dieses Dauerangebot wird immer wieder durch Sie ist heute eine demokratisch-parlamentarisch verschiedene Projekte erweitert und vertieft. Mit verfasste Körperschaft des öffentlichen Rechts, ein allen diesen Aktivitäten ist eine rege Publikations- höherer Kommunalverband. An die Stelle der Land- tätigkeit verbunden. stände sind die drei ostfriesischen Landkreise und die Stadt Emden getreten, deren Kommunalparla- In allen Einrichtungen werden Informationen für mente die Mitglieder der Landschaftsversammlung Ostfriesland aufgearbeitet, Wissen und Fachkennt- wählen. Die Ostfriesische Landschaft vertritt da- nisse auch für interessierte Laien zur Verfügung her nach wie vor die ostfriesische Bevölkerung. Sie gestellt. Aufgrund ihrer Kompetenz erfüllt die nimmt im Auftrage ihrer Gebietskörperschaften und Ostfriesische Landschaft eine wichtige Vermittlungs- des Landes Niedersachsen zentrale kommunale und funktion zwischen Wissenschaft und Bevölkerung. dezentrale staatliche Aufgaben auf den Gebieten der Nicht nur hierfür, sondern auch für kulturelle Kultur, Wissenschaft und Bildung wahr und betreibt Begegnungen stehen Räumlichkeiten zur Verfügung: dazu entsprechende Einrichtungen. Darüber hinaus Das Landschaftsforum verbindet die historische ist die Ostfriesische Landschaft Trägerin der Ost- Umgebung mit moderner Technik. Auch im Stein- friesischen Landschaftlichen Brandkasse seit deren haus in Bunderhee werden kulturelle Angebote Gründung 1754. Gemäß Satzung der Brandkasse sind gemacht. die obersten Organe der Landschaft zugleich die der

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76 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

Mit der Pflege überregionaler Kontakte und der Die Ostfriesische Landschaft erfüllt regionale Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen und Aufgaben insbesondere auf den Gebieten der Kultur, Ideen, die die Region in ihrer Entwicklung fördern, Wissenschaft und Bildung in und für Ostfriesland, knüpft die Ostfriesische Landschaft an ihre histori- unterstützt entsprechende Anliegen mit Rat und Tat schen Aufgaben an. Ein besonderes Anliegen ist die und arbeitet mit den auf oben genannten Gebieten Förderung von Zusammenarbeit in Ostfriesland, mit tätigen Organisationen zusammen. Sie setzt sich Nachbarn wie den Niederlanden und darüber hinaus. dabei für den Gebrauch der Regionalsprache in Wann immer möglich, bietet die Ostfriesische Ostfriesland ein. Darüber hinaus fungiert sie als Landschaft inhaltliche Unterstützung da an, wo die Hüterin der friesischen Überlieferung, die die Bevölkerung von sich aus aktiv wird. So entsteht geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge eine lebendige Zusammenarbeit mit und für die des friesischen Küstenraumes und die Verbunden- Menschen in Ostfriesland, die ehrenamtliche Arbeit heit mit allen Friesen innerhalb und außerhalb anerkennt, Sinn stiftet, weiterbildet und somit ge- Europas pflegt. meinschaftlich an einem soliden Fundament für künftige Generationen baut. Die Ostfriesische Landschaft ist berufen, auf der viele Jahrhunderte alten Grundlage der Selbstbestimmung und Selbstverwaltung zum Wohle ganz Ostfrieslands und aller seiner Bewohner überparteilich zu wirken und heimatliche Interessen wahrzunehmen.

links: Der Landschafts- oder Ständesaal, in dem zweimal im Jahr die Landschaftsversammlung zusammenkommt

unten: Das Hauptgebäude der Ostfriesischen Landschaft in Aurich wurde nach dem Entwurf des Architekten H. Schaedtler aus Hannover im Stil der Neorenaissance in den Jahren 1898 bis 1901 erbaut.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 77 LANDSCHAFTSVERBÄNDE

OLDENBURGISCHE LANDSCHAFT KDÖR Die Oldenburgische Landschaft wurde am 8. Februar 1975 gegründet, nachdem der Niedersächsische Landtag am 27. Mai 1974 das Gesetz über die Gründung der Oldenburgischen Landschaft als Körper- schaft des öffentlichen Rechts (KdöR) beschlossen hatte. Zusammen mit der Ostfriesischen Landschaft ist damit die Olden- burgische Landschaft der einzige Landschaftsverband in Niedersachsen, der den Rechtsstatus als KdöR hat. Die anderen niedersächsischen Landschaften und Landschaftsverbände sind demgegenüber anders verfasst.

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er Zuständigkeitsbereich der Im Jahr 1448 war einer der Oldenburger Grafen Oldenburgischen Landschaft umfasst das Oldenbur- dänischer König geworden, was eine erhebliche Dger Land. Das Oldenburger Land wird heute abgebil- Bedeutungssteigerung des Oldenburger Grafenhauses det durch die Landkreise , Cloppenburg, bedeutete. Nach dem Tode des letzten ortsansässigen Friesland, Oldenburg, Vechta und Wesermarsch Grafen im Jahr 1667 fiel die Grafschaft an schleswig- sowie durch die kreisfreien Städte Delmenhorst, holsteinische Verwandte und den König von Oldenburg und Wilhelmshaven, die gleichzeitig Dänemark, der sich bis 1676 als alleiniger Besitzer Pflichtmitglieder der Oldenburgischen Landschaft Oldenburgs durchsetzen konnte. sind. Die Grenzen des Oldenburger Landes entspre- chen in etwa den bis zur Auflösung des ehemals Die Herrschaft Jever erbten die Fürsten von Anhalt- selbstständigen Landes Oldenburg im Jahr 1946 be- Zerbst. 1773 wurde Oldenburg unter einer Neben- stehenden Landesgrenzen. Durch die Gebietsrefor- linie des dänischen Königshauses, den Herzögen von men der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts sind hier Schleswig-Holstein-Gottorf, wieder selbstständig geringfügige Modifikationen der historischen und 1774 zum Herzogtum erhoben. 1806 und 1817 Landesgrenzen erfolgt. erhielt das Herzogtum noch Gebietszuwächse im Süden und konnte sein Territorium beinahe verdop- Hervorgegangen ist das ehemalige Land Oldenburg peln. Auch die Herrschaft Jever kam 1818 wieder an aus der Grafschaft Oldenburg, deren Ursprünge ins das Herzogtum Oldenburg, das zusammen mit den späte 11. Jahrhundert zurückreichen und die sich seit Fürstentümern Lübeck und Birkenfeld seit 1829 als dem 12. Jahrhundert als Herrschaftsraum der Olden- Großherzogtum firmierte. Nach Abdankung des burger Grafen konsolidierte. Nach Eroberungen und letzten Großherzogs im Jahr 1918 wurde Oldenburg Gebietstausch umfasste die Grafschaft im frühen zum Freistaat und blieb dies – durch die „Gleich- 16. Jahrhundert ein Territorium um die Hauptstadt schaltung der Länder“ in der NS-Zeit allerdings ohne Oldenburg herum, das sich bis zur Nordsee und eigenständige Befugnisse – bis zum Jahr 1946. In zur Weser, auf die Wildeshauser Geest und bis ans diesem Jahr wurde der Freistaat Oldenburg Teil des und an Ostfriesland heran erstreckte. In neu gegründeten Landes Niedersachsen, blieb aber Personalunion regierten die Grafen auch noch das als niedersächsischer Verwaltungsbezirk bis 1978 be- 1575 ererbte Jeverland. stehen. Das absehbare Aufgehen dieses Verwaltungs- bezirks im Regierungsbezirk Weser-Ems führte dann zur Gründung der Oldenburgischen Landschaft.

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Im Gegensatz zu ihrer ostfriesischen Schwesterorga- Neben ihren gesetzlichen Mitgliedern, den oben nisation kann die Oldenburgische Landschaft nicht schon genannten Landkreisen und kreisfreien auf eine Tradition zurückblicken, die bis ins Mittel- Städten, sind zahlreiche Gebietskörperschaften, alter reicht. In Ostfriesland war die Landschaft die Körperschaften, Institutionen, Wirtschaftsunterneh- Vertretung der Landstände gegenüber dem Landes- men, Vereine und andere Einrichtungen, aber auch herrn. In Oldenburg ist eine solche „Landschaft“ Einzelpersonen Mitglieder der Oldenburgischen über Ansätze nie hinausgekommen, weil die Grafen Landschaft. Diese heterogene Mitgliederstruktur ist eine Einschränkung ihrer Herrschaft durch eine Ver- der Tatsache geschuldet, dass die Oldenburgische tretung der Landstände nicht dulden wollten. Der Landschaft aus der 1961 als Verein gegründeten Name „Landschaft“ ist für Oldenburg in Analogie Oldenburg-Stiftung hervorgegangen ist. Alle Mit- zur Ostfriesischen Landschaft gebildet worden, die glieder sind in der Landschaftsversammlung ver- heute ebenfalls kulturelle Aufgaben wahrnimmt. treten, dem höchsten Beschlussorgan der Olden- burgischen Landschaft. Zum Vorstand gehören Voraussetzung für die Arbeit der Oldenburgischen neun Vertreter der Pflichtmitglieder und drei weitere Landschaft ist die sogenannte Traditionsklausel in Vertreter der Mitgliedergruppen sowie der Präsident, der Niedersächsischen Verfassung. Im Artikel 72 der die Landschaft zusammen mit dem Geschäfts- wird hier unter anderem eine besondere Wahrung führer vertritt. Der Vorstand trifft die Entscheidun- und Förderung der kulturellen und historischen gen für die Arbeit der Oldenburgischen Landschaft, Belange der ehemals selbstständigen Länder, so auch die nicht der Landschaftsversammlung vorbehalten Oldenburgs, geboten. Auf dieser Grundlage formu- sind. Darüber hinaus legt er die Richtlinien für die liert das Gesetz über die Oldenburgische Landschaft Geschäftsführung fest. deren „Aufgabe, an der Pflege und Förderung der kulturellen und historischen Belange des ehemali- Zahlreiche Arbeitsgemeinschaften und Fachgruppen gen Landes Oldenburg mitzuwirken“. Hinzu kommen arbeiten Vorstand und Geschäftsführung ehrenamt- die Pflege des Kulturguts und die Förderung des lich zu. Dabei sind die Arbeitsgemeinschaften direkt kulturellen Schaffens in diesem Landesteil. In der bei der Landschaft angesiedelt, während die Fach- Verordnung über die Oldenburgische Landschaft gruppen eigenständige Vereine darstellen. Zurzeit wird dies noch weiter konkretisiert. hat die Oldenburgische Landschaft folgende Arbeits- gemeinschaften: Archäologische Denkmalpflege, Baudenkmalpflege, Bibliotheken, Heimat- und Bürgervereine, Kulturtourismus, Kultur und Jugend, Kunst, Landes- und Regionalgeschichte, Museen und Sammlungen, Naturschutz, Landschaftsschutz und Umweltfragen, Niederdeutsche Sprache und Litera- tur sowie Vertriebene. Zu den Fachgruppen zählen Familienforschung, Klootschießen und Boßeln, Kunst- handwerk, Niederdeutsche Bühnen, Ornithologie und Oldenburger Münsterland. Die Geschäftsstelle nimmt die täglichen Geschäfte der Oldenburgischen Landschaft wahr. Sie koordiniert die Arbeit der Arbeits- gemeinschaften und Fachgruppen. Als Kulturagentur berät sie Institutionen, Vereine und Einzelpersonen und beantwortet Fragen zu oldenburgischen Themen.

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Darüber hinaus entwickelt sie verschiedenartige Kulturprojekte, führt diese auch – gegebenenfalls zusammen mit Partnern – durch und tritt mit Publikati- onen an die Öffentlichkeit. Neben der Veröffentlichung von Monographien und Reihen ist die von ihrer Leserschaft gut angenommene Zeitschrift kulturland oldenburg das Sprachrohr der Oldenburgischen Landschaft.

Seit 2005 verwaltet die Oldenburgische Landschaft im Auftrag des Landes Niedersachsen die regionalen Kulturfördermittel für ihren Geschäftsbereich. Für die Mittelvergabe ist eigens eine mit Fachleuten besetzte Kommission gebildet worden. Darüber hinaus fördert die Landschaft auch aus eigenen Mitteln Kulturprojek- te im Oldenburger Land. Außerdem vergibt sie Förderpreise an Jugendliche und Erwachsene und Auszeichnungen für Verdienste um das Oldenburger Land.

Die Oldenburgische Landschaft führt das alte Wappen des Freistaates Oldenburg und zeigt auch im Wortsinn Flagge im ehemaligen Land Oldenburg. Sie tritt für die Bewahrung und Pflege der oldenburgischen Kultur, des Landschaftsbildes und eines eigenständigen Oldenburg-Bewusstseins innerhalb des Bundeslandes Niedersachsen ein.

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LANDSCHAFTSVERBAND STADE E. V. Am 24. Oktober 1963 wurde der „Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden (Landschaftsverband Stade) e. V.“ gegründet, um „die Kultur- und Heimatpflege im Regierungsbezirk Stade“ zu fördern“ (Paragraph 1 der Satzung). Mit dieser Gründung wurde einerseits Bezug genommen auf die jahrhundertelange gemeinsame Geschichte von historisch gewachsenen Territorien: den Landesherrschaften der Bremer und Verdener Bischöfe (Erzstift Bremen, Stift Verden) im Mittelalter, den unter schwedischer Herrschaft im 17. Jahrhundert gebildeten und miteinander verbundenen Herzogtümern Bremen und Verden, schließlich dem nacheinander hannoverschen, preußischen und niedersächsischen Regierungsbezirk Stade, der bis 1977 bestand.

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m 18. und im 20. Jahrhundert waren auch Mitglieder und Mitwirkende das Land Hadeln (vormals zu Sachsen-Lauenburg Igehörend) und das hamburgische Amt Ritzebüttel Im Jahr 2014 hat der Landschaftsverband Stade (heute Cuxhaven) zu Bremen-Verden hinzugekom- 62 Mitglieder: men. Andererseits wurde mit der Gründung dieses LL Die Landschaft der Herzogtümer Bremen und ersten Landschaftsverbandes in Niedersachsen Verden, die fünf Landkreise Cuxhaven, Osterholz, überhaupt ein modernes Instrumentarium zur Rotenburg (Wümme), Stade und Verden, 17 Städte Kulturförderung und Kulturarbeit geschaffen, in dem und Gemeinden, 39 Geschichts-, Heimat- und Kommunen und Vereine gemeinsam mit der histori- Kulturvereine. schen Landschaft dieses Gebietes Kultur fördern und LL Dem neunköpfigen Vorstand des Landschafts- Kulturarbeit leisten konnten. Die Initiative zur verbandes gehören jeweils zwei Vertreter der Gründung des Landschaftsverbandes Stade hatte der Landschaft, der Landkreise, der Städte und damalige Landschaftspräsident Thassilo von der Gemeinden, der Vereine sowie ein Vertreter der Decken (Schwinge) ergriffen. Er wurde auch der erste regionalen Geschichtsforschung an. Vorsitzende des Landschaftsverbandes und amtierte LL In der Geschäftsstelle des Landschaftsverbandes von 1963 bis 1987. Ihm folgten im Vorsitz von 1987 bis in Stade sind 2014 elf Mitarbeiterinnen und 2009 Rainer Mawick (Verden) und seit 2009 Michael Mitarbeiter tätig. Es bestehen Arbeitsgemein- Roesberg (Harsefeld). schaften und Arbeitskreise in den Bereichen Bibliotheken, Geschichte, Museen, Musik, Gründungsmitglieder Niederdeutsche Sprache und Orgelkultur.

Gründungsmitglieder des Landschaftsverbandes Förderungen Stade wurden 1963 LL die Landschaft der Herzogtümer Bremen und In den ersten 20 Jahren seines Bestehens widmete Verden, sich der Landschaftsverband Stade vor allem der LL die damaligen Landkreise Bremervörde, Land Baudenkmalpflege: Er förderte in diesem Zeitraum Hadeln, Osterholz, Rotenburg, Stade, Verden, die Erhaltung und Sanierung von etwa 200 Baudenk- Wesermünde und die (damals) kreisfreie Stadt malen. Seit 1980 fördert der Landschaftsverband Cuxhaven, keine Bauvorhaben mehr, wohl aber vielfältige LL die Städte Achim, Bremervörde, Buxtehude, andere kulturelle Projekte von regionaler Bedeutung. Osterholz-Scharmbeck, Otterndorf, Rotenburg, Von 1985 bis 1995 führte er das „Regionalprogramm Stade, Verden, Visselhövede und Zeven, Elbe-Weser-Dreieck“ des Landes Niedersachsen zur LL die Geschichts- und Heimatvereine des Bezirks: Förderung der kulturellen Infrastruktur in der Stader Geschichts- und Heimatverein, Männer Region durch. Es hatte ein Fördervolumen von vom Morgenstern – Heimatbund an Elb- und durchschnittlich 400.000 DM pro Jahr. Projekte in Wesermündung, Heimatbund Rotenburg/Wüm- me, Heimatverein Buxtehude, Verdener Heimat- bund, Heimatverein für den Kreis Osterholz, Hermann-Allmers-Gesellschaft in Rechtenfleth.

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den Bereichen Museen, Literatur und Bibliotheken, bewahrung“ im Elbe-Weser-Dreieck. In diesem Musik, Bildende Kunst, Theater und Denkmalpflege Förderprogramm wurden seitdem mehr als eine wurden gefördert. Seit 2005 führt der Landschafts- Million Euro für die Erhaltung und Restaurierung verband Stade im Auftrage des Niedersächsischen von Exponaten in den Museen der Region auf- Ministeriums für Wissenschaft und Kultur die gebracht. regionale Kulturförderung aus Landesmitteln im Elbe-Weser-Dreieck durch. Mit zurzeit etwa Dienstleistungen und Projekte 305.000 Euro pro Jahr werden Projekte in den Sparten Bildende Kunst, Kunstschulen, Literatur, Museen, Der Landschaftsverband Stade berät die Museen und Die Herzogtümer Musik, Niederdeutsche Sprache, Soziokultur und Bibliotheken im Elbe-Weser-Dreieck, und er ent- Bremen und Verden Theater gefördert. Seit 1991 fördert der Landschafts- wickelt eigene Angebote in diesen Bereichen, zum im 17. Jahrhundert. Stich von Johann verband gemeinsam mit der Landschaft der Herzog- Beispiel die jährliche „museumspädagogische Janßonius (ohne tümer Bremen und Verden die „museale Bestands- Woche“ oder das Internetportal „Leseorte“. Jahr: nach 1648)

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Niederdeutsche Lesewettbewerbe und Schultheater- Forschungen und Publikationen tage, niederdeutsches Jugend- und Erwachsenenthea- ter („Wellenbreker“, „Theater auf dem Flett“) werden Im Rahmen der von der Landschaft 1990 angeregten vom Landschaftsverband Stade durchgeführt. Er ist und seitdem maßgeblich mitfinanzierten „landesge- Mitträger der Orgelakademie Stade e. V. und – ge- schichtlichen Forschung über den Elbe-Weser-Raum“ meinsam mit dem Lüneburgischen Landschaftsver- führt der Landschaftsverband Stade Forschungs- und band, der Oldenburgischen Landschaft und der Inventarisierungsprojekte durch. Bisher wurden Ostfriesischen Landschaft – Träger von NOMINE historische Grabmale und historische Wohnkultur in (Norddeutsche Orgelmusik in Niedersachsen und den ehemaligen Herzogtümern Bremen und Verden Europa) e. V., und er bietet Schülern und Jugendlichen inventarisiert, und es wurden „Kunsthandwerk Workshops zur musikalischen Weiterbildung an 1900 – 1930“ sowie „Bauten der Industrialisierung („KAOS – Kammermusik und Orchesterspiel im 1830 – 1970“ erforscht und dokumentiert. Wissen- Elbe-Weser-Dreieck“). schaftliche Mitarbeiter des Landschaftsverbandes erarbeiten seit 1998 das „Urkundenbuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden“ und seit 2000 eine achtbändige „Geschichte der Deiche an Elbe und Weser“.

Etwa 50 wissenschaftliche und populäre Bücher hat der Landschaftsverband Stade bisher veröffentlicht, darunter die „Geschichte des Landes zwischen Elbe und Weser“ in bisher drei Bänden (1995 – 2008) und vor Kurzem „Elbe-Weser-Dreieck. Eine kleine Landes- kunde der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden und des Landes Hadeln“ (2013): ein reich illustriertes Buch über „Land und Leute“ zwischen Elbe und Weser, das auf unterhaltsame Weise Natur und Landschaft, Frühgeschichte und Archäologie, Geschichten und Geschichte, Arbeiten und Wirt- schaften, Bauen und Wohnen, Orte und Namen, Niederdeutsch und Hochdeutsch, Glaube und Kirche, Kultur und Bildung, Verkehr und Mobilität behandelt. Weiterhin werden wichtige Institutionen, interessan- te Sehenswürdigkeiten und Lernorte („Kiek mol!“), historische Lebensbilder (Biographien) und „Men- schen heute“ in diesem Porträt des Elbe-Weser-Drei- oben: Der 1675 von dem Münzmeister Andreas Hille in Stade geprägte Zweidritteltaler ecks vorgestellt, das sowohl für erwachsene Leser als König Karls XI. von Schweden ist das Logo des Landschaftsverbandes Stade. Die Münze zeigt die Symbole der Herzogtümer Bremen und Verden: links die Doppelschlüssel auch für Jugendliche geschrieben wurde. des alten Erzbistums Hamburg-Bremen, rechts das Kreuz des früheren Bistums Verden (Museen Stade, Schwedenspeicher). Vierteljährlich erscheint seit 1982 die Zeitschrift

unten: Im St. Johanniskloster in Stade hat die Geschäftsstelle des Landschaftsverbandes „Heimat und Kultur zwischen Elbe und Weser“ des Stade ihren Sitz. Das Franziskaner Kloster St. Johannis wurde um 1240 gegründet, hier Landschaftsverbandes Stade, in der Beiträge aus schrieb Albert von Stade, einer der ersten Äbte des Klosters, die „Stader Annalen“. Das heute erhaltene, dreiflügelige Klostergebäude ist ein Wiederaufbau nach dem Stadtbrand Geschichte, Kunst, Kultur und Gesellschaft des von 1659. (Foto: Dr. Hans-Eckhard Dannenberg, Stade) Elbe-Weser-Dreiecks veröffentlicht werden.

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LANDSCHAFTSVERBAND HILDESHEIM E. V. Der Landschaftsverband Hildesheim e. V. wurde im Jahre 1971 durch die Landschaft des vormaligen Fürsten- tums Hildesheim gegründet. Präsidierender Landschaftsrat war seinerzeit Graf von Kielmannsegg.

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ie finanzielle Ausstattung in Zum Landschaftsverband Hildesheim gehören ferner den Anfangsjahren erfolgte zunächst allein durch die die Stadt Dassel und weitere elf Heimatvereine. DLandschaft mit 25.000 DM, später 15.000 DM jährlich. Wesentlicher Eckpfeiler ist die finanzielle Förderung 1980 wählte die Landschaft Ignaz Jung-Lundberg zum durch die VGH; zurzeit mit 107.000 Euro jährlich. Landsyndikus. Aufgrund der personellen Koppelung zwischen der Landschaft und dem Landschaftsver- 2005 erfolgte der Abschluss einer Zielvereinbarung band war er seitdem auch zugleich Geschäftsführer mit dem Land Niedersachsen. Der Landschaftsver- des Landschaftsverbandes. Er blieb dieses über band Hildesheim – wie die anderen Landschafts- 30 Jahre bis Januar 2011 und hat in dieser Zeit die verbände auch – übernahm die bislang der Bezirks- Entwicklung und Geschicke des Landschaftsver- regierung obliegende „Regionale Kulturförderung“. bandes Hildesheim entscheidend geprägt. Die Landesförderung beträgt zurzeit jährlich 119.300 1987 wurde der Landkreis Hildesheim Mitglied des Euro. Der Gesamtetat des Landschaftsverbandes Landschaftsverbandes zusammen mit weiteren Hildesheim (2014) beläuft sich auf 244.300 Euro; Städten und Gemeinden. hierin enthalten ist nach wie vor auch die VGH- Förderung in Höhe von 107.000 Euro. Das Land Niedersachsen hatte angekündigt, zukünf- tige finanzielle Förderungen davon abhängig zu Der Landschaftsverband Hildesheim wird ehren-/ machen, dass der Landkreis Hildesheim und die nebenamtlich verwaltet. Geschäftsführer ist Bürger- Städte und Gemeinden Mitglied im Landschafts- meister Erich Schaper aus Bad Salzdetfurth, unter- verband Hildesheim werden. Bis Anfang der 90er- stützt durch eine ehrenamtliche Bürokraft. Die Jahre haben dann auch alle 19 Städte und Gemeinden Sachbearbeitung der regionalen Kulturförderung hat des Landkreises Hildesheim die Mitgliedschaft die Stadt Hildesheim für den Landschaftsverband erworben. vertraglich übernommen.

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Lediglich 9,7 Prozent (2013) der Einnahmen werden für Verwaltung, Personal und Allgemeinkosten ausgegeben.

Ziel des Landschaftsverbandes ist es, die besondere kulturelle Vielfalt in der Region Hildesheim zu stärken und zu fördern. Kunst und Kultur sollen vor Ort nicht nur erhalten, sondern weiterentwickelt werden. Veranstaltungen im ländlich geprägten Raum genießen dabei eine besondere Aufmerksam- keit. In der Stadt Hildesheim hat daneben die studen- tische Szene vornehmlich in den Bereichen Theater und Literatur, aber auch die freie Theaterszene eine große Bedeutung.

Viele Veranstaltungen und kulturelle Initiativen wären ohne eine Förderung durch den Landschafts- verband nicht möglich. 2013 wurden 73 Projekte mit einer Gesamtsumme von rund 224.000 Euro geför- dert. Eigene Projekte führt der Landschaftsverband Hildesheim nicht durch, da dieses aufgrund der Personalausstattung (Ehrenamtlichkeit) nicht möglich ist.

oben: Lyrik-Park in Hildesheim

unten: Spektakel im Kurpark Bad Salzdetfurth

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Besondere jährliche Förderungsprojekte sind: LL Kulturprogramm Glashaus Derneburg, Gemeinde Holle LL Lamspringer September, Samtgemeinde Lamspringe LL Figurenherbst, Stadt Bad Salzdetfurth LL Fredener Musiktage, Samtgemeinde Freden LL Spektakel im Kurpark, Stadt Bad Salzdetfurth

Entscheidungsorgan für die Bewilligung von Förder- vorhaben ist der Vorstand, dem folgende Personen angehören: LL der Landrat des Landkreises Hildesheim (Reiner Wegner) LL der Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim (Dr. Ingo Meyer) LL ein Bürgermeister als Vertreter der übrigen Städte und Gemeinden (Wolfgang Moegerle, Gemeinde Algermissen) LL ein Vertreter der Landschaft (Ignaz Jung-Lundberg) LL ein Vertreter der Mitgliedsvereine (Dr. Herbert Reyer)

Vorsitzende sind der Landrat und der Oberbürger- meister im Wechsel; zurzeit ist dieses Oberbürger- meister Dr. Ingo Meyer.

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EMSLÄNDISCHE LANDSCHAFT E. V. Die Emsländische Landschaft e. V. für die Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim fördert seit ihrer Gründung im Jahre 1979 kulturelle Bildung, kulturelles Leben sowie regionalbezogene Forschung in all ihren Facetten.

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ie Emsländische Landschaft Für die Projekte der Landschaft sowie für die Ein- gehört zu den 13 Landschaften und Landschaftsver- richtungen und Arbeitskreise stehen der Landschaft Dbänden, die in Niedersachsen kulturell tätig sind, finanzielle Mittel aus den Mitgliedsbeiträgen der und umfasst einen Wirkungsbereich von rund 3.800 Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim sowie Quadratkilometer mit etwa 445.000 Einwohnern. Die aus der Förderung durch die Landschaftliche Brand- Grenzregion an Ems und Vechte ist ländlich geprägt; kasse in der Versicherungsgruppe Hannover (VGH) bis heute hat sich in diesem Raum kein Oberzentrum zur Verfügung. entwickelt. Die beiden größten Städte, Lingen und Nordhorn, erreichen jeweils gut 50.000 Einwohner. Im Wesentlichen umfasst die Arbeit der Emsländi- schen Landschaft zwei Schwerpunkte: Mitglieder der Emsländischen Landschaft sind die beiden Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim Regionale Kulturförderung sowie der Heimatverein Grafschaft Bentheim und der Emsländische Heimatbund. Organe der Landschaft Die Kulturförderung richtet sich an Künstler und sind die Mitgliederversammlung, der Vorstand und Kulturschaffende, Vereine, Gruppen und auch der Beirat. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Seit 1995 Einzelpersonen. Kurz: an jeden, der sich durch ist Herman Bröring Präsident der Emsländischen kulturelles oder künstlerisches Engagement in der Landschaft, sein Stellvertreter ist Josef Brüggemann. Region hervortut. Geschäftsführer ist Josef Grave. Durch die Vergabe des Künstlerstipendiums, die Der Mitgliederversammlung gehören je zehn Vertre- Projekte SELBSTmachen und Platt is cool, die Durch- ter des Landkreises Emsland und des Emsländischen führung von Landschaftstagen sowie die Verleihung Heimatbundes sowie je fünf Vertreter des Landkrei- verschiedener Preise hat die Emsländische Land- ses Grafschaft Bentheim und des Heimatvereins schaft vielerlei Möglichkeiten, kulturelle Vielfalt zu Grafschaft Bentheim an. fördern und zu entwickeln. Mit dem Künstlerstipen- dium unterstützt die Emsländische Landschaft e. V. Den Vorstand bilden der Präsident, der Vizepräsident, bildende Künstler aus der Region, die besonderes zwei weitere Mitglieder sowie der Geschäftsführer, Talent mitbringen. Das Stipendium ist mit 5.000 Euro der Schatzmeister und der Beiratsvorsitzende. Der dotiert, zuzüglich eines einmaligen Zuschusses über Beirat besteht aus zwölf Personen; er berät den Vor- 1.000 Euro für Materialien und Fahrtkosten sowie stand insbesondere bei der Aufstellung des Jahres- kostenlose Unterkunft in einem Wohn- und Arbeits- programms und der Bildung von Arbeitskreisen und raum in der Grafschaft Bentheim sowie im Emsland Arbeitsgruppen. für die Dauer von jeweils zwei Monaten. Neben optimalen Rahmenbedingungen für kreative Tätig- keiten bietet das Kunststipendium viele Möglichkei- ten, wertvolle Kontakte zu Galeristen und Sammlern zu knüpfen und die eigenen Werke einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen. Die Ergebnisse der Aufent- halte an Ems und Vechte werden nach Abschluss der

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Arbeitsaufenthalte im Rahmen zweier Ausstellungen Mit Eigenmitteln unterstützt die Emsländische Land- und eines Kataloges präsentiert. schaft zudem die Arbeitsgemeinschaften „Volkstanz Mit dem Projekt SELBSTmachen unterstützt die und Folklore“ und „Plattdeutsches Theater“ sowie Emsländische Landschaft kreative Ideen aus den Weiterbildungsmaßnahmen für Musikvereine und Bereichen Musik, Tanz, Theater, Kunst, Literatur, hilft so, Kultur im ländlichen Raum zu gestalten. Fotografie, Film und Veranstaltung. Das kann zum Beispiel ein Konzert, die erste eigene CD, eine Mit Mitteln des Landes Niedersachsen unterstützt Kunstausstellung oder eine Theateraufführung sein. die Landschaft regionale Projekte aus den Bereichen Die Künstler erhalten bis zu 1.000 Euro Förderung, freies professionelles Theater, Theaterpädagogik, außerdem fachkundige Beratung und Begleitung bei nichtstaatliche Museen, Musik, Literatur, Bildende der Umsetzung. Mitmachen können Jugendliche und Kunst, Soziokultur, Jugendkunstschulen, Nieder- junge Erwachsene im Alter von 14 bis 25 Jahren, die deutsch und Heimatpflege mit einer Fördersumme im Emsland oder der Grafschaft Bentheim wohnen. von bis zu 9.950 Euro. Grundlage für die Förderung Damit mehr Kinder und Jugendliche die Regional- ist eine zwischen dem Niedersächsischen Ministeri- sprache Niederdeutsch kennen und lieben lernen, um für Wissenschaft und Kultur (MWK) und der haben 2009 rund zehn Landschaftsverbände, Stiftun- Emsländischen Landschaft im Jahr 2005 abgeschlos- gen und Institutionen aus Niedersachsen das Projekt sene Zielvereinbarung, die nach einer ersten Ver- „Platt is cool – Trau di wat, proat Platt!“ ins Leben längerung im Jahr 2009 in diesem Jahr eine weitere gerufen. Mit verschiedenen Aktionen wie einem Verlängerung um drei Jahre erfährt. Wettbewerb für eine plattdeutsche Postkartenserie oder dem jährlichen Musikwettbewerb „Plattsounds – Landesgeschichtliche Forschung der plattdeutsche Bandcontest“ sollen junge Leute und Familienforschung animiert werden, häufiger platt zu sprechen. Der zweite Arbeitsschwerpunkt der Emsländischen Alle zwei Jahre veranstaltet die Emsländische Land- Landschaft umfasst die Forschungen in den Berei- schaft einen Landschaftstag im Emsland oder in chen Genealogie und Landeskunde. In zwei Arbeits- der Grafschaft Bentheim, um aktuelle Themen aus kreisen haben sich namhafte Wissenschaftler und dem ländlichen Raum in den Fokus zu rücken. In Experten mit interessierten Bürgern zusammenge- Vorträgen und Workshops werden verschiedene schlossen und erörtern wissenschaftliche Fragestel- Facetten zu den Themenschwerpunkten beleuchtet lungen mit regionalem Bezug. und aktuelle gesellschaftliche Veränderungen auf- gegriffen. „Demografie“, „Zukunft unserer Dörfer“, Der Arbeitskreis Familienforschung der Emsländi- „Plattdeutsch“ und „Erster Weltkrieg“ lauteten die schen Landschaft e. V. (abgekürzt: AFEL) wurde 1980 Themen der bisherigen Veranstaltungen. gegründet und umfasst mittlerweile rund 150 Genea- logen aus der Region sowie aus den benachbarten Mittlerweile stehen der Landschaft vier Preise zur Niederlanden. Der Arbeitskreis legt großen Wert auf Verfügung, um regionales Engagement zu würdigen. grenzüberschreitende Forschungen und Aktivitäten. Neben der „Landschaftsmedaille“ für verdiente Insbesondere mit den benachbarten genealogischen Persönlichkeiten und dem „Preis der Emsländischen Verbänden in Overijssel und Drenthe bestehen Landschaft“ für engagierte Vereine und Personen richten sich der „Landschaftsförderpreis“ und der „Schülerpreis für Kultur und Geschichte“ explizit an junge Menschen, die sich durch besondere Leistun- gen hervorgetan haben. Tanzgruppe beim Theaterpädadogischen Zentrum Lingen

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enge Kontakte. Die Genealogen treffen sich in regel- Das Theaterpädagogische Zentrum mäßigen Abständen zu Vortrags- und Gesprächs- veranstaltungen, zudem erscheint die Zeitschrift Mit dem Theaterpädagogischen Zentrum (TPZ) „Emsländische und Bentheimer Familienforschung“ verfügt die Emsländische Landschaft e. V. über eine (EBFF). Im Abstand von etwa zwei bis drei Jahren eigene Einrichtung. 1980 gegründet, ist es das älteste führt der Arbeitskreis überregional viel beachtete und größte Theaterpädagogische Zentrum in Ahnenbörsen durch. Die Fachstelle des Arbeitskrei- Deutschland. Das TPZ befindet sich im Professoren- ses befindet sich in der Bibliothek des Emsländischen haus in Lingen und ist als Erlebnishaus konzipiert. Heimatbundes in Meppen. Eine Außenstelle in der Grafschaft Bentheim befindet sich in Nordhorn. Der Arbeitskreis Geschichte trägt seit seiner Grün- dung im Jahr 1981 erheblich zu der landesgeschichtli- Das TPZ ist eine Fachakademie für Theater, Spiel, chen Forschung über das Emsland und die Grafschaft Tanz, Zirkus und Medien und agiert als Dienstleister Bentheim bei. Durch die wissenschaftliche Buch- für angewandte ästhetische Bildung. Das Kurspro- reihe „Emsland/Bentheim. Beiträge zur Geschichte“ gramm bietet eine große Vielfalt an Angeboten für hat die Emsländische Landschaft eine Möglichkeit verschiedene Zielgruppen, darunter Angebote für geschaffen, kontinuierlich wissenschaftliche Kinder und Jugendliche, Senioren und Menschen mit Beiträge über den Raum zu veröffentlichen. Etwa und ohne Behinderung. Regelmäßig richtet das 20 Bände präsentieren bislang bedeutsame For- TPZ bedeutende Theaterfestivals aus, darunter das schungsergebnisse, beispielsweise über die Emsland- „Internationale Fest der Puppen“ und das „Welt-Kin- erschließung oder das Krankenhauswesen, über die dertheater-Fest“. Letzteres ging aus dem TPZ hervor Hollandgängerei, zur Bevölkerungs- und Sozialge- und findet alle zwei Jahre statt; jedes vierte Jahr schichte und zur Mundartgeographie. Für eine Reihe kommt es an seinen Entstehungsort Lingen zurück. von Dissertationsvorhaben war „Emsland/Bentheim. Ergänzend zu den pädagogischen und künstlerischen Beiträge zur Geschichte“ eine geeignete Publikations- Arbeitsfeldern gibt es einen großen Servicebereich, möglichkeit. Die jeweils Anfang November stattfin- den sowohl Theatergruppen und Schulklassen als dende Jahrestagung bildet das Forum eines lebhaften auch Privatpersonen nutzen können. Hierzu gehören und anregenden Gedankenaustauschs. der Kostümfundus, die Theaterschneiderei, die Fachbibliothek sowie Beleuchtungs- und Theater- technik, das Zirkusmobil sowie die Rollende Spiel- kiste. Privatpersonen haben die Möglichkeit, einen Kindergeburtstag im TPZ zu verbringen oder in der „Schule der Sinne“ eine Sinnesprüfung abzulegen.

Das TPZ pflegt vielfältige Kooperationen, darunter eine enge Zusammenarbeit mit dem in Lingen beheimateten Studiengang Theaterpädagogik der Fachhochschule Osnabrück.

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LANDSCHAFTSVERBAND OSNABRÜCKER LAND E. V. Gackernde Hühner vor der Kinoleinwand, Picknicks in Kur- und Schlossparks, neue Forschungen auf dem Gebiet der Landesgeschichte, Förderung von Kultur auf (fast) allen Gebieten – der Landschaftsverband Osnabrücker Land macht es möglich. Er hat sich seit seiner Gründung 1985 ganz der regionalen Kulturförderung in Stadt und Landkreis Osnabrück verschrieben.

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rfolgreiche Projekte wie das 2005 vergeben sie, zusätzlich zu den bisherigen „Sommerflimmern – Kino auf dem Lande“, Themen- Eigenmitteln (in den Gebieten des ehemaligen Ejahre wie „Süße Früchte Schwarzer Tee – Barocke Königreiches Hannover: VGH-Mittel aus der Land- Lebenslust im Osnabrücker Land“ oder die Förderung schaftlichen Brandkasse), außerdem regionalisierte von Musikfestivals, dem FreiLAUFtheater, ökologi- Landesmittel, die nach Auflösung der niedersächsi- schen Lernorten, Nachwuchs in der Rockmusik oder schen Bezirksregierungen auf die Landschaften und Soziokultur (um nur wenige Beispiele zu nennen) Landschaftsverbände sowie auf die Stiftung Braun- beleben die Region. Als Förderer, Berater und Koope- schweigischer Kulturbesitz und die Region Hannover rationspartner in regionalen wie überregionalen übertragen wurden. Kulturaktivitäten ist der Landschaftsverband Osna- brücker Land vielfältig vernetzt – bestes Beispiel ist Mitglieder der landesweite plattdeutsche Band-Contest „Platt- sounds“, der 2014 in seine vierte Runde geht und mit Als Gründungsmitglieder gehörten dem LVO zu- breiter Resonanz neue Wege zum Lebendighalten der nächst die Stadt Osnabrück sowie der Landkreis plattdeutschen Sprache aufzeigt. Osnabrück, die Landschaft des ehemaligen Fürsten- tums Osnabrück, der Historische Verein Osnabrück, Entwicklung und Aufgaben des der Museums- und Kunstverein Osnabrück, der Landschaftsverbandes Osnabrücker Land Naturwissenschaftliche Verein Osnabrück und der Heimatbund Osnabrücker Land an. Später erweiterte Der Landschaftsverband Osnabrücker Land e. V. (LVO) sich dieser Kreis um die Universität und die Hoch- wurde 1985 – zunächst als „Landschaftsverband schule Osnabrück sowie den Kreisheimatbund Osnabrück“ – gegründet. Er gehört heute zu insge- Bersenbrück. samt 13 Landschaften und Landschaftsverbänden, die niedersachsenweit regionale Kulturpflege und ALLviN – Arbeitsgemeinschaft der -förderung betreiben. Das Tätigkeitsgebiet des LVO Landschaften und Landschaftsverbände umfasst geographisch das Gebiet des Landkreises in Niedersachsen Osnabrück sowie der Stadt Osnabrück – eine Fläche, die in etwa jener des ehemaligen Fürstentums Im Reigen der dreizehn niedersächsischen Land- entspricht. Inhaltlich ist der LVO auf den Feldern der schaften und Landschaftsverbände, die sich 1998 zu Kultur, Kunst, Natur und Regionalgeschichte tätig, einer landesweiten Arbeitsgemeinschaft (ALLviN) sei es durch eigene Projekte, sei es durch die Förde- zusammenschlossen, gehört der Landschaftsverband rung Dritter. Die Landschaften und Landschafts- Osnabrücker Land (kurz LVO) flächenmäßig zwar verbände in Niedersachsen sind Kulturträger und zu den kleineren Verbänden, bezogen auf die Ein- -förderer im umfassenden Sinne. Sie haben darin seit wohnerzahl ist er aber immerhin für etwa eine mehreren Jahrzehnten vielfältige Erfahrungen halbe Million Menschen Ansprechpartner für gesammelt, ihre regionalen Kompetenzen ausgebaut Regionalkultur. und dadurch ein hohes Wissens- und Vermittlungs- potenzial in Sachen Regionalkultur entwickelt. Seit

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Aufgabenfelder Organisationsform

Die Aufgaben des LVO zielen laut Satzung auf die In der Umsetzung dieser sehr unterschiedlichen Kultur- und Heimatpflege – ein weites Tätigkeitsfeld, Vorhaben kommt die besondere Organisationsform das folgende Themen umfasst: des Landschaftsverbandes zum Tragen: Satzungsge- mäß ist festgelegt, dass alle den Verband selbst oder LL Geschichte des Raumes das sogenannte Förderprogramm betreffenden LL Denkmalschutz und Denkmalpflege Entscheidungen vom dreiköpfigen Vorstand getroffen LL Erforschung und Erhaltung von Kulturdenkmalen werden. Ihm stehen beratend vier Arbeitskreise zur LL Erforschung, Erhaltung und Gestaltung der Seite. Letztere sind mit Fachleuten besetzt, die alle natürlichen Landschaft einschließlich öko- Aufgabengebiete des LVO repräsentieren. Angelegen- logischer und umweltschützerischer Aspekte heiten von grundsätzlicher Bedeutung werden von LL Bildende Kunst, Musik, Literatur, Theater und der Mitgliederversammlung entschieden. Soziokultur LL Volkskunde und heimatliches Brauchtum An der Spitze des Verbandes steht das Präsidium, dem einschließlich der plattdeutschen Sprache der amtierende Oberbürgermeister der Stadt Osna- LL Ausstattung und Pflege von Einrichtungen, brück sowie der hauptamtliche Landrat des Landkrei- die der Kultur- und Heimatpflege dienen ses Osnabrück angehören. Mit Beginn jeder kommu- nalen Wahlperiode wechseln Vorstandsvorsitz und Arbeitsweise Präsidium zwischen Stadt und Landkreis, um die Parität zwischen den beiden Gebietskörperschaften Als „kulturelle Klammer“ zwischen Stadt und zu wahren. Landkreis Osnabrück nimmt der Landschaftsverband seine Aufgaben einerseits durch eigene Projekte wie Ausstellungen, Kulturveranstaltungen und Publikati- onen wahr. Durch Kooperationsvorhaben bringt er außerdem unterschiedliche Institutionen an einen Tisch. Andererseits unterstützt er Institutionen bei der Durchführung ihrer Projekte, indem er auf Antrag finanzielle Zuschüsse für qualitätvolle Vorhaben gewährt – wenn der Projektträger beispielsweise nicht über genügend eigene Mittel verfügt oder keine ausreichenden Zuwendungen bei anderen Förderern und Sponsoren einwerben kann. Antragsteller werden bei Interesse umfassend beraten. Hierbei können die Mitarbeiterinnen des LVO auf langjährige Erfahrungen und Netzwerke zurückgreifen. Der LVO versteht sich vor dem skizzierten Hintergrund daher auch insbesondere als Servicestelle für die Kultur- region.

Die um 1600 errichtete Hofapotheke auf Schloss Iburg beherbergt seit 2006 die Geschäftsräume des Landschafts- verbandes Osnabrücker Land.

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LANDSCHAFTSVERBAND SÜDNIEDERSACHSEN E. V. Der Landschaftsverband Südniedersachsen wurde 1989 als eingetragener, gemeinnütziger Verein von der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft, den Landkreisen Göttingen, Northeim, Osterode und Holzminden sowie der Stadt Göttingen gegründet.

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urz danach traten auch die Damit war ein Grundkonflikt recht schnell erkennbar meisten kreisangehörigen Städte dem Verband bei geworden, dem sich alle Kulturförderer und Stiftun- K– zurzeit zwölf an der Zahl – und seit Mitte der gen stellen müssen: Sollen die verfügbaren Förder- 1990er-Jahre öffnete sich der Landschaftsverband für mittel eingesetzt werden, um Neues zu schaffen und nichtkommunale Kultureinrichtungen, von denen selbst (operativ) als Kulturanbieter aufzutreten? Oder aktuell 34 Mitglied im Verband sind. Eine Erweite- sollen mit diesem Geld Dritte (fördernd) in den Stand rung in den Landkreis Goslar hinein ergab sich durch gesetzt werden, ihre vorhandenen Angebote aufrecht den Beitritt der Samtgemeinde Oberharz – also der zu erhalten und weiterzuentwickeln? Bergstadt Clausthal-Zellerfeld mit umliegenden Ortschaften – und der Stadt Seesen, sodass jetzt etwa Die erste Variante sichert einem Kulturförderer eine 560.000 Einwohner im Gebiet des Landschaftsver- hohe öffentliche Aufmerksamkeit, das Gute, das man bandes Südniedersachsen leben. Er gehört im hier tut, ist also leicht sichtbar – das kommt dem landesweiten Vergleich also zu den mittelgroßen Anerkennungsbedürfnis von Stifter, Geldgeber und Landschaftsverbänden. Das zentrale Entscheidungs- Leitung einer solchen Einrichtung entgegen. Im gremium für die Verbandsarbeit und die Förderent- Extremfall wird hier dann der Eigennutz der Institu- scheidungen ist der Vorstand, in den alle genannten tion mit dem Gemeinnutzen in eins gesetzt, für das Mitgliedsgruppen Vertreter entsenden. Der Beirat vorhandene Kulturleben in der Fläche und an der wird aus den nichtkommunalen Kultureinrichtungen „Basis“ bleibt nichts übrig. Die zweite Variante gebildet und berät den Vorstand in strategischen dagegen sichert einem Kulturförderer bei Mitgliedern Fragen. Dem Landschaftsverband Südniedersachsen und Kulturanbietern eine gewisse Beliebtheit, da mit stehen derzeit jährlich 450.000 bis 500.000 Euro für der Vergabe von Zuschüssen viele Geschenke verteilt die Förderung und Finanzierung von Projekten zur werden können. Viel mehr als das Förderer-Logo auf Verfügung. Veranstaltungsplakaten ist dann allerdings von diesem Geldgeber nicht sichtbar, außerhalb des Das Geld selber verwenden oder Kreises der Bezuschussten wird die Einrichtung an Dritte weitergeben? kaum bekannt. Im Extremfall wird ein solcher Förderer zur reinen Geldverteilmaschine, der mit der In den ersten beiden Jahren dominierte noch die Gießkanne jedes Pflänzchen zu pflegen versucht, um Idee, mit den durch die Verbandsgründung erschlos- die Zahl der Zufriedenen zu maximieren. senen Mitteln der Landschaftlichen Brandkasse und des Landes Niedersachsen ein festivalähnliches Programm nach dem Vorbild des Schleswig-Hol- stein-Musikfestivals zu etablieren. Das stieß jedoch recht schnell an die Grenzen des dann doch nicht so großen Budgets und des Protestes der vorhandenen Kulturanbieter; die Kommunen und die Kulturverei- ne hatten ihrerseits Förderbedarf und wehrten sich gegen die künstliche Implantierung hoch subventio- nierter Kulturveranstaltungen.

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Tätigkeitsgebiet des Landschafts- verbandes Südniedersachsen

In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre wurde hierzu im vorhalten, die auch für die Beratung der Kulturan- Landschaftsverband Südniedersachsen eine Grund- bieter zur Verfügung steht. satzdebatte geführt, die zur bis heute gültigen Grundausrichtung des Verbandes führte: Wer auch andere Landschaften und Landschafts- 1. Die verfügbaren Fördermittel sollen im Wesentli- verbände in Niedersachsen kennt, weiß, dass deren chen in Form von Zuschüssen an Kulturanbieter Ausrichtung durchaus unterschiedlich ist. Auch auf und Projektträger im Verbandsgebiet weitergege- diese Weise kann das Anliegen einer regionalen ben werden. Der Landschaftsverband ist also vor Autonomie seinen Ausdruck finden. allem fördernd tätig. 2. Wenn der Verband eigene Projekte durchführt, Eine mit festem Personal besetzte und eigenständige dann sollen diese keine Konkurrenz zu den Geschäftsstelle ist für die Erfüllung dieser Aufgaben vorhandenen Angeboten darstellen, sondern unabdingbar. Das Büro des Landschaftsverbandes einen unterstützenden oder vernetzenden Effekt befand sich von der Gründung an in Northeim und für die Kulturszene haben. Der Landschaftsver- zog im März 2014 nach Göttingen um. Durch die band agiert demnach nicht als Veranstalter. möglichst schlanke Gestaltung der Entscheidungs- 3. Um qualifizierte Förderentscheidungen vorberei- und Förderverfahren sowie einen ständig weiterent- ten und die zunehmenden Personal- wie Mittel- wickelten EDV-Einsatz lässt sich derzeit die Ver- kürzungen in den kommunalen Kulturämtern bandsarbeit durch zwei Angestellte (1,6 Stellen) ausgleichen zu können, soll der Landschaftsver- bewältigen. band eine qualifiziert besetzte Geschäftsstelle

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Geld intelligent ausgeben Die in dieser Strategie und den darauf basierenden Verfahren gleichsam verkörperte Expertise erlaubt es Wenn Zuschüsse nicht nur nach einem regionalen dann, die konkrete Abwicklung schlank zu halten oder politischen Proporz vergeben werden sollen und auf die Beteiligung von Gutachtern oder Jurys – was für alle Fördereinrichtungen eine dauernde weitgehend zu verzichten. Hierdurch können den Versuchung ist –, dann bedarf es einer Förderstrate- Antragstellern vier Antragstermine je Jahr angeboten gie, aus der man Kriterien für die Einzelentscheidun- werden, wo sonst ein oder zwei Termine branchen- gen ableiten kann. Dies wird umso wichtiger, wenn üblich sind. Der sogenannte vorzeitige Maßnahme- man einer anderen, ebenfalls typischen Versuchung beginn gilt mit Antragsabgabe automatisch als widerstehen will: vielen wenig zu geben, aber nur genehmigt. Der Antragsteller bekommt drei bis vier wenigen gar nichts. Der Landschaftsverband Süd- Wochen nach dem jeweiligen Antragstermin eine niedersachsen hat sich seit seinem Bestehen wieder- Entscheidung mitgeteilt. In der Regel werden die holt die Mühe gemacht, eine Förderstrategie festzu- Zuschüsse entweder in der beantragten Höhe zu- legen, diese weiterzuentwickeln oder – wie zuletzt gesagt oder ganz abgelehnt. Die Absagen werden geschehen – angesichts neuer Herausforderungen schriftlich begründet. Ablehnungen wie Förderzusa- grundlegend neu zu formulieren. Dies alles von der gen werden nur noch per E-Mail und mit elektroni- Annahme ausgehend, dass eine gezielte Vergabe der scher Signatur verschickt, auch verbandsintern ist Zuschüsse zu einem größeren Nutzen, einer höheren die Antrags- und Zuschussverwaltung inzwischen „Verzinsung“ der eingesetzten Fördermittel führt als weitgehend papierlos organisiert. eine Vergabe nach Proporzschlüssel oder Willkür. Das leidige „Projekt“-Dogma Seit 2013 gelten als oberste Ziele der Kulturförderung des Landschaftsverbandes Südniedersachsen: Früher oder später steht jede Stiftung, jeder Land- schaftsverband oder andere Kulturförderer vor einem 1. „Die kulturelle Attraktivität und Wahrnehmbar- weiteren Grundkonflikt. Die Kulturfinanzierung keit Südniedersachsens soll nach innen und jenseits der großen Kultureinrichtungen ist praktisch außen hin gesteigert werden.“ vollständig auf Projektförderung ausgelegt. Zuschüs- 2. „Die Beteiligung von Bevölkerungsgruppen, die se gibt es immer nur für „Projekte“, also zeitlich, bisher nicht oder nur selten am Kulturleben sachlich und finanziell abgrenzbare besondere teilnehmen, soll ausgeweitet werden.“ Maßnahmen eines Projektträgers. Nur wenige und 3. „Die Dichte und Vielfalt des Kulturlebens soll dann meist größere Institutionen kommen in den inhaltlich, räumlich sowie zeitlich erhalten und Genuss einer pauschalen jährlichen Basisförderung, weiterentwickelt werden.“ einer institutionellen Förderung; die Entscheidungen für eine solche Grundförderung sind meist vor langer ... wobei diese Reihenfolge zugleich auch die Rang- Zeit gefallen, ihre Fortführung für die betreffende Ein- folge markiert. In weiteren Beschlüssen und Doku- richtung ein wertvoller Besitzstand. Geldgeber sind menten wurden aus diesen Vorgaben überprüfbare hier nahezu ausschließlich die Kommunen und das Teilziele, mittelfristige Maßnahmen und Kriterien Land. Der Einstieg eines Förderers in eine neue insti- für Förderentscheidungen abgeleitet. tutionelle Förderung kommt heute kaum noch vor. Nichstdestoweniger haben jedoch auch die kleineren Kultureinrichtungen und -vereine meist einen Finanzierungsbedarf für Organisations-, Büro- oder Personalkosten, den sie nicht aus Projektzuschüssen bestreiten können. Nur wenige sind in der Lage, diese Ausgaben eigenständig aus Mitgliedsbeiträgen oder

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Eintrittseinnahmen zu finanzieren. Alle anderen Nicht zuletzt angeregt durch diese Erfahrungen in müssen sich von Projektfinanzierung zu Projektfi- Südniedersachsen und das überaus positive Echo der nanzierung hangeln und aus diesen Mitteln irgend- Geförderten wird dieses Förderinstrument ab 2015 wie auch ihre Basiskosten decken. Das führt dazu, voraussichtlich auch von anderen Landschaftsver- dass sich bei den Förderern bald ein fester Stamm an bänden und Förderern angewandt werden. Antragstellern etabliert, die jedes Jahr wieder mit einem neuen Projektantrag vorstellig werden. Allen Südniedersachsen als Startplatz Beteiligten ist dabei aber klar, dass die Einrichtungen von Versuchsballons einen regelmäßigen Projektzuschuss zum Überleben brauchen. Und trotz dieser durchgängigen Erfahrung Auch in anderen Bereichen der Kulturförderung und halten praktisch alle nichtstaatlichen Kulturförderer -politik wurden und werden Versuchsballons vor- an dem Dogma fest, dass für sie grundsätzlich nur zugsweise in Südniedersachsen gestartet: eine Projektförderung infrage kommt. 1. Von 2001 bis 2004 wurden dem Landschaftsver- Der Landschaftsverband Südniedersachsen hat sich band Südniedersachsen in einem Modellversuch 2005 entschlossen, sich von dieser Festlegung zu Kompetenzen der damals noch existierenden lösen, zu der ihn – wie auch die meisten anderen Bezirksregierungen übertragen. Dieser war die Förderer – bei genauerem Hinsehen keine Satzung Blaupause für die seit 2005 umgesetzte Regionali- und kein Gesetz zwingt. Seitdem investiert der sierung der Landeskulturförderung, in deren Landschaftsverband bis zu 50 Prozent seines jährli- Rahmen die Landschaften und Landschaftsver- chen Förderbudgets in institutionelle Förderungen, bände in Niedersachsen flächendeckend das Erbe die allerdings in allen Fällen auf drei oder vier Jahre der aufgelösten Bezirksregierungen übernommen befristet sind und danach einer ernsten Prüfung unter- haben und im Auftrag des Landes Fördermittel in zogen werden. Beide Seiten profitieren von dieser Höhe von etwa 2,8 Mio. Euro verwalten. Vereinfachung: Der Zuschussempfänger hat eine 2. Für wen machen wir das alles eigentlich? Und flexibel einsetzbare, mittelfristig gesicherte Ein- bewirkt unsere Förderung überhaupt das, was sie nahme; der Landschaftsverband muss nicht jährlich, soll? Um das in Erfahrung zu bringen, wurde von sondern nur alle vier Jahre den formalen wie inhalt- 2009 bis 2011 das umfangreiche Projekt „Kultur- lichen Aufwand einer Antragsbewertung und Förder- forschung Südniedersachsen“ durchgeführt, bei entscheidung auf sich nehmen. 37 Kulturanbieter dem Besucherbefragungen in 44 Kultureinrich- Südniedersachsens, von den Kulturfreunden Boven- tungen mit einer repräsentativen Bevölkerungs- den e. V. bis zum Göttinger Symphonie Orchester, umfrage kombiniert wurden. Seitdem wissen wir erhalten derzeit solche Zuschüsse in einer Höhe genauer, wem eigentlich das öffentlich geförderte zwischen 1.000 und 10.000 Euro, die beim Land- Kulturangebot zugutekommt – und wem nicht. schaftsverband „Strukturförderungen“ genannt 3. Die Fördermittel der Kommunen sind seit werden. 20 Jahren rückläufig, beim Land kann man aufgrund der nahenden Schuldenbremse mit keinem Zuwachs mehr rechnen, die Etats der Stiftungen sind aufgrund des historisch niedri- gen Zinsniveaus auf einem Tiefpunkt – da bleibt nur noch der private Sektor, um nach neuen Geldquellen zu suchen. Gemeint sind dabei jedoch nicht jene Handvoll größerer Unterneh- men, die eine Region wie Südniedersachsen zu bieten hat, und auch nicht die Vielzahl der

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kleineren Gewerbetreibenden, die sich dem Vor und hinter der Bühne Gemeinwohl ihres Ortes verpflichtet fühlen; beide Adressaten können sich schon heute kaum Fazit: Die für eine breite Öffentlichkeit unspektaku- noch vor Bittstellern retten. Der Landschaftsver- läre Tätigkeit des Landschaftsverbandes Südnieder- band Südniedersachsen experimentiert statt- sachsen ist mit der eines Bühnentechnikers im dessen mit dem Instrument des „matching Theater vergleichbar. Spannend und sichtbar ist für grants“, der Einfachheit halber „Anreizförderung“ die Zuschauer nur das Geschehen auf der Bühne. Dem genannt. Kulturvereine erhalten über mehrere Erfolg dieses Geschehens ist der ganze Ehrgeiz des Jahre hinweg einen Zuschuss, der umso höher Bühnentechnikers gewidmet. Dieser muss in gewis- liegt, je mehr neue und zahlende Vereinsmit- ser Weise genauso kreativ und hoch qualifiziert sein glieder in dem Jahr gewonnen wurden. So werden wie der Akteur vor dem Publikum. Denn das Ölen der Anreize und Argumente geschaffen, um interes- Getriebe hinter den Kulissen, das Tüfteln an besseren sierte Bürger für die Unterstützung der Kultur- Lösungen ist entscheidend für das Gelingen eines arbeit zu gewinnen. Allerdings ist es noch zu Theaterabends. Der Bühnentechniker ist zufrieden, früh, um diese Anreizförderung als Erfolg ein- wenn seine Kollegen vom künstlerischen Personal zustufen und als regelmäßiges Förderinstrument zufrieden sind und weil ihm seine Arbeit Spaß zu etablieren. Die Erprobung läuft. macht. Er muss nicht vor dem Vorhang stehen. 4. Ein zunehmender Rechtfertigungsdruck auf die öffentliche Kulturfinanzierung resultiert aus der Erkenntnis – die auch bei dem genannten For- schungsprojekt bestätigt wurde –, dass die von allen Steuerzahlern finanzierten Kultursubventi- onen nur von einer kleinen und zumeist wohl- habenden Minderheit der Bevölkerung regel- mäßig in Anspruch genommen werden. Man kann darauf reagieren, indem man versucht, andere Bevölkerungsgruppen in jene Kulturangebote zu locken, die traditionell vom Bildungsbürgertum geprägt sind; die Erfahrung an vielen Orten zeigt jedoch, dass das kaum einmal gelingt, weil hier noch ganz andere Hemmschwellen wirken als der Eintrittspreis. Man kann darauf aber auch reagieren, indem man schaut, welche Kulturpra- xis in jenen Milieus vorhanden ist, ob es für diese einen Unterstützungsbedarf gibt und ob man nicht die Kulturförderung öffnen sollte. Das wird – auch dies zeigen erste Erfahrungen – mit dem konventionellen Antrags- und Zuschusswesen nicht gelingen. Beim Landschaftsverband Südnie- dersachsen gibt es daher erste Überlegungen und Versuche, die Verfahren in bestimmten Fällen drastisch zu vereinfachen und zum Beispiel eine „Antragstellung per Handschlag“ zu ermöglichen.

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BRAUNSCHWEIGISCHE LANDSCHAFT E. V. Die Braunschweigische Landschaft wurde 1990 von den kreisfreien Städten Braunschweig und Salzgitter sowie den Landkreisen Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel als gemeinnütziger Verein gegründet. Damit folgte sie dem Vorbild anderer Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen, dem kulturpolitischen Impuls der Landesregierung entsprechend regionale Identität und kulturelle Zusammengehörigkeit in der Region zu fördern und erlebbar zu machen.

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war beruht dieses Zusammenge- statt. Es entsteht eine Vielzahl von spannenden hörigkeitsgefühl der Gründungsmitglieder nicht Projekten, die sich einerseits mit der Geschichte und Zzuletzt auf der fast 800 Jahre andauernden staatli- dem kulturellen Reichtum der Region zwischen Harz chen Selbstständigkeit des alten Landes Braun- und Heide befassen, aber es werden anderseits auch schweig, doch der heutige Wirkungskreis der Braun- Formate entwickelt, die sich mit der Gegenwart und schweigischen Landschaft stimmt nicht mit den den Perspektiven der Region beschäftigen. Jedem Grenzen des alten Landes Braunschweig überein. Interessierten steht es dabei offen, an diesem Diese haben sich während dieser Zeit immer wieder Geschehen in und für die Region mitzuwirken und verschoben, doch die Überschreitung historischer historische und zukunftsweisende Projekte zu Zusammenhänge ist durchaus gewollt, denn die entwickeln. Die Projekte der Braunschweigischen Braunschweigische Landschaft ist laut ihrer Satzung Landschaft waren und sind immer an hohen Quali- ausdrücklich offen für neue Mitglieder – auch für tätsstandards orientiert und tragen dazu bei, die jene, die nicht in den Grenzen des alten Landes liegen Region kulturell und – das ist entscheidend – im wie beispielsweise die Stadt Wolfsburg, die 2002 der Sinne des Ehrenamtes zu definieren. Braunschweigischen Landschaft beigetreten ist. So wie sich andererseits der Landkreis Goslar bereits Das beeindruckende und überaus vielseitige Spekt- 1992 dem Landschaftsverband Harz angeschlossen rum des ehrenamtlichen Engagements wird auf dem hatte. alle zwei Jahre stattfindenden „Tag der Braunschwei- gischen Landschaft“ präsentiert – zugleich bieten Die Braunschweigische Landschaft begreift sich in diese Feste der Region einen wunderbaren Anlass, ihrem Selbstverständnis heute als ein aktives Infor- interessierte Menschen miteinander in Kontakt zu mations- und Kommunikationsforum, ein funktio- bringen. nierendes Netzwerk für ehrenamtlich kulturaktive Menschen. Und nicht weniger als 200 Vereine, Verbände und kreiszugehörige Gemeinden bringen ihr Wissen und Engagement in die zehn Arbeits- gruppen ein. Die auf diese Weise entstandenen „Kreativwerkstätten“ sind das vitale Herz der Braun- schweigischen Landschaft; hier findet ein reger – auch arbeitsgruppenübergreifender – Austausch

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Den Handlungsrahmen innerhalb der Braun- Für die Braunschweigische Landschaft – wie für die schweigischen Landschaft für die Durchführung meisten Landschaften und Landschaftsverbände – der vielfältigen Projekte verantworten die Vertreter ist „Heimat“ ein zentraler Begriff und Orientierungs- der Trägerkommunen. Sie schaffen die finanziellen punkt. Die Verwurzelung des Einzelnen in seiner Grundlagen, die durch Förderungen von den der Region, das sogenannte Heimatgefühl, schafft ein Landschaft verbundenen Stiftungen, insbesondere wichtiges Gegengewicht in der globalisierten Welt. der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, Ein zentrales Anliegen der Braunschweigischen sowie engagierten Unternehmen ergänzt werden. Landschaft wird es auch in Zukunft sein, die Aus- So ist es den ehrenamtlichen Akteuren möglich, drucksformen dieser „Heimat“ zu fördern, weiterzu- die unterschiedlichsten ambitionierten Projekte, entwickeln und in eine erfolgreiche Zukunft zu sogenannte Eigenprojekte, zu realisieren. führen.

Damit dies gelingen kann, bedarf es des unge- brochenen Engagements der Bürger der Region.

unten: Jazz im Park von Rittergut Beienrode bei Königslutter

rechts: Haus der Braunschweigischen Stiftungen – in der ehemaligen Gerloff’schen Villa haben die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, die Braunschweigische Landschaft e.V., die STIFTUNG NORD/LB · ÖFFENTLICHE und die Bürgerstiftung Braunschweig ihren Sitz.

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Mitglieder Beirat LL Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg Zusammenschluss aller in der Braunschweigischen LL Landkreise Peine, Helmstedt und Wolfenbüttel Landschaft – in Arbeitsgruppen mitwirkenden – sogenannten „Sonstigen Mitglieder“ (Vereine, Ver- Tätigkeiten bände und kreiszugehörige Gemeinden) „Wahrung und Förderung der kulturellen Belange Südostniedersachsens“ (gem. Satzung)

Arbeitsgruppen LL AG Museum LL AG Heimatpfleger LL AG Geschichte LL AG Kunst LL AG Musik LL AG Literatur LL AG Denkmalpflege LL AG Natur und Umwelt LL AG Weiterbildung LL AG Plattdeutsch

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LÜNEBURGISCHER LANDSCHAFTSVERBAND E. V. Verschiedentlich ist der Name des 1990 gegründeten Landschaftsverbandes Anlass für Missverständnisse. Weder gehören der Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft Lüneburger Heide zu den Aufgaben des Lüneburgischen Landschaftsverbandes, noch befindet sich seine Geschäftsstelle in der traditionsreichen Hansestadt Lüneburg.

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o gesehen war der ursprüngliche bandes überwiegend von ländlichen Strukturen Name „Regionale Kulturförderung im ehemaligen geprägt. Neben der Forstwirtschaft sowie der Produk- SFürstentum Lüneburg“, den sich der Verein bei seiner tion und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeug- Gründung am 24. Oktober 1990 gab, eindeutiger – nisse stellt insbesondere der Tourismus einen wenn auch sperriger. Seit 1997 firmiert der Verband wichtigen Wirtschaftszweig der Region dar. Zu den unter seiner heutigen Bezeichnung. Doch nach wie touristischen Attraktionen zählen unter anderem die vor bezieht sich sein Name auf die historische großen Freizeitparks im Landkreis Heidekreis, die Wurzel, nämlich das ehemalige Fürstentum Lüne- Fachwerkaltstadt von Celle, die 1000-jährige Salz- burg, dessen Gebiet weitgehend deckungsgleich mit und Hansestadt Lüneburg, der Hundertwasserbahn- dem des Lüneburgischen Landschaftsverbandes ist. hof in Uelzen und – jährlich von Himmelfahrt bis Aus der alten ständischen Vertretung dieses Fürsten- Pfingsten – die „Kulturelle Landpartie“ im Landkreis tums hat sich die „Landschaft des ehemaligen Lüchow-Dannenberg. Bedeutende Zeugnisse von Fürstentums Lüneburg“ entwickelt, die als Körper- Kunst und Kultur sind – neben ihrer religiösen schaft des öffentlichen Rechts Mitglied des Vereins Bedeutung – die sechs Heideklöster, ihre Gebäude ist. Mit der Übernahme des Begriffs „Landschaft“ in und Ausstattung. Geworben wird auch mit einer den Vereinsnamen soll zugleich an die Tradition intakten, landschaftlich reizvollen Umwelt, die sich eigenständiger Regionalkulturen angeknüpft werden. in zahlreichen Naturschutzgebieten, Naturparks und Und so fördert der Lüneburgische Landschaftsver- nicht zuletzt dem Biosphärenreservat Elbtalaue band als Träger einer auf die Region bezogenen widerspiegelt. Mit der Leuphana Universität in Kulturförderung das kulturelle Leben in einem Lüneburg und der Ostfalia Hochschule – Campus Gebiet, das von der Elbe im Norden bis südlich der Suderburg – ist das Tätigkeitsgebiet des Landschafts- Aller und von Schnackenburg und Wolfsburg im verbandes zudem als Standort zweier Hochschulen Osten bis Schneverdingen und Rethem im Westen charakterisiert. reicht. Seit 2006 befindet sich die hauptamtlich besetzte Zu den Gründungsmitgliedern gehörten 1990 die Geschäftsstelle des Lüneburgischen Landschaftsver- Landkreise Celle, Gifhorn, Harburg, Heidekreis, bandes in den Räumlichkeiten der Verwaltung des Lüchow-Dannenberg, Lüneburg und Uelzen sowie die Landkreises Uelzen. Vorsitzender des Vereins ist der Städte Celle und Lüneburg. Am 1. Januar 1991 trat dortige Landrat Dr. Heiko Blume. Das Haushalts- auch die Stadt Wolfsburg dem Verein bei. Dabei volumen für 2014 beläuft sich auf gut 1.2 Mio. Euro. nimmt die vergleichsweise junge Stadt in mehrfacher Die in Form einer institutionellen Förderung über- Hinsicht eine Sonderstellung ein, ist sie doch seit tragenen Landesmittel zur regionalen Kulturförde- 2002 auch Mitglied in der Braunschweigischen rung machen mit 45,54 Prozent die größte Einnahme- Landschaft und mit gut 122.000 Einwohnern die position aus, gefolgt von der jährlichen Spende der einzige Großstadt im Gebiet des Landschaftsverban- Landschaftlichen Brandkasse mit 22,73 Prozent und des. Durch das Unternehmen der Volkswagen AG und den Mitgliedsbeiträgen mit 8,42 Prozent. die sehr guten logistischen Rahmenbedingungen ist sie auch das größte Wirtschaftszentrum im Gebiet des Landschaftsverbandes. Davon abgesehen ist die Förderregion des Lüneburgischen Landschaftsver-

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Als Träger einer regional orientierten Kulturförde- Die Präsentation und Vermittlung zeitgenössischer rung unterstützt der Landschaftsverband satzungs- Kunst bildet einen weiteren Förderschwerpunkt des gemäß Kunst und Kultur in breiter Form. Aus dieser Landschaftsverbandes. Unter den Kunstvereinen gewissermaßen historischen Verpflichtung heraus befinden sich vier von überregionaler Bedeutung: werden nicht nur Zuwendungen für Projekte aller die Halle für Kunst (Lüneburg), der Kunstverein Kunst- und Kultursparten, sondern auch für solche Springhornhof (Neuenkirchen), der Kunstverein aus dem Bereich der Heimat- und Denkmalpflege Wolfsburg und der Kunstraum Tosterglope. Da eine gewährt. Über 80 Prozent der Haushaltsmittel werden direkte Künstlerförderung im Rahmen der Projekt- in der Regel für die Förderung von Projekten Dritter förderung nicht möglich ist, vergibt der Landschafts- eingesetzt. Der Verband arbeitet in einem Gebiet mit verband alle zwei Jahre – im Frühjahr 2015 zum einer sehr unterschiedlich ausgeprägten kulturellen vierten Mal – einen Preis für zeitgenössische Bilden- Infrastruktur, die vielfach durch ehrenamtlich- de Kunst. Teilnehmen können alle Künstlerinnen bürgerschaftliches Engagement gestaltet und ge- und Künstler, die seit mindestens zwei Jahren einen tragen ist. Und so ist der Verband auch in anderer Wohnsitz im Tätigkeitsgebiet des Landschaftsver- Hinsicht, nämlich durch eine intensive Antrags- und bandes haben. Projektberatung, fördernd tätig. Über 100 Museen hat der Museumsverband für Besonders ausgeprägt ist das kulturelle Leben im Niedersachsen und Bremen e. V. in dem großen Gebiet Musikbereich. Durchschnittlich 30 Prozent aller zwischen Aller und Elbe erfasst und so wundert es bewilligten Anträge (Zeitraum 2005 bis 2014) ent- nicht, dass der Museumsbereich den dritten Förder- fallen in jedem Jahr auf diese Sparte. In der Region schwerpunkt bildet. Unter den Museen befinden sich finden zahlreiche kleinere und größere Musikfesti- Leuchttürme mit großer Ausstrahlungskraft, wie das vals statt, darunter auch das älteste bundesdeutsche Bomann-Museum in Celle, das Freilichtmuseum am Kammermusikfestival, die renommierten „Sommer- Kiekeberg oder auch die KZ-Gedenkstätte Bergen-Bel- lichen Musiktage Hitzacker“. Es gibt zudem einige sen. Sehenswert sind das Museumsdorf in Hösserin- bedeutende historische Orgeln. Der Lüneburgische gen, das Norddeutsche Spielzeugmuseum in Soltau Landschaftsverband trägt zur Förderung und Erhal- und demnächst das neue Museum Lüneburg. Die tung der Orgelkultur und des Orgeltourismus in Reihe ließe sich fortsetzen. seinem Wirkungsbereich durch die Herausgabe eines jährlich erscheinenden Programmheftes bei. Unter Ganz anders stellt sich die Fördersituation in Bezug dem Titel „Orgelschätze in der Lüneburger Heide“ auf die Regionalsprache Niederdeutsch dar, obwohl werden darin Konzerte an ausgewählten Orgeln vielerorts Aktivitäten in diesem Bereich stattfinden. vorgestellt. Gemeinsam mit den Landschaften und Da es bisher aber nur vergleichsweise wenige platt- Landschaftsverbänden Stade, Oldenburg und Ost- deutsche Vereine gibt und private Initiativen oder friesland ist der Lüneburgische Landschaftsverband Einzelpersonen nicht förderberechtigt sind, hält sich seit 2009 Träger des Vereins NOMINE (Norddeutsche die Zahl der Anträge in Grenzen. Hinzu kommt, dass Orgelmusikkultur in Niedersachsen und Europa e. V.), vorrangig solche Projekte gefördert werden, die der sich für die Förderung und Darstellung der welt- zeitgemäß und modern sind. Zum Beispiel Vorhaben, weit einzigartigen nordniedersächsischen Orgelland- die Kinder und Jugendliche zum Gebrauch des schaft einsetzt. Niederdeutschen motivieren oder die Ehrenamtliche für den Plattdeutsch-Unterricht in Kindergärten und Schulen qualifizieren. Einmal im Jahr veranstaltet der Lüneburgische Landschaftsverband deshalb an wechselnden Orten den „Schoolmesterdag“; seit 2006 organisiert er zudem im zweijährigen Rhythmus das

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„Plattdüütsch Schultheaterfestival“. Eine aktuell laufende Umfrage soll genaueren Aufschluss über die gegenwärtige Situation des Niederdeutschen im Verbandsgebiet geben und Basis für ein Handlungs- konzept sein. Darüber hinaus beteiligt sich der Verband an der landesweiten Imagekampagne „Platt is cool“, die 2010 erfolgreich von mehreren Mitglie- dern der Arbeitsgemeinschaft der Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen in Kooperati- on mit dem Institut für niederdeutsche Sprache in Bremen und der Landesschulbehörde (Abteilung Lüneburg) gestartet wurde.

Mit all diesen Aktivitäten, sei es nun in fördernder Hinsicht oder durch eigene Projekte, verbindet sich für den Landschaftsverband das Anliegen, die kulturelle Infrastruktur in seinem Wirkungsbereich effektiv und nachhaltig im Sinne einer kulturellen Regionalidentität zu stärken. In diesem Kontext wurde 2010 unter dem Titel „Die Lüneburger Heide und das Hannoversche Wendland“ eine kleine Landeskunde für Leser ab zwölf Jahren herausgege- ben. In dem farbenfrohen Band erzählen mehrere Autoren über Geschichte, Religion, Wirtschaft, Kunst, Alltagskultur und über Natur und Landschaft, also auch über die Lüneburger Heide. Obwohl der Lüneburgische Landschaftsverband also kein Verein ist, der sich der Pflege noch bestehender Heideflä- chen annimmt, so kann er doch seinen Beitrag dazu leisten, das Wissen über die Entstehung und Nutzung dieser für das Gebiet des Landschaftsverbandes einst so bestimmenden Kulturlandschaft zu vermitteln.

oben: Kunstpreis des Lüneburgischen Landschaftsverbandes

unten: Die Band „Mann inne Tünn“ beim Schultheater- festival 2014 in Celle

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VORWORT

Dorfkirchen prägen das Ortsbild unserer Gemeinden. Sie sind sakraler Ort der Besinnung und Begegnung. Unsere Dorf- kirchen laden zum Innehalten und Verweilen ein. Die in dieser LANDSCHAFTSVERBAND WESER-HUNTE E. V. Broschüre beschriebenen mittelalterlichen Dorfkirchen zählen zu den bedeutendsten baugeschichtlichen Schätzen unserer Der Landschaftsverband Weser-Hunte e. V. wurde am 25. Februar 1991 Region. als gemeinnütziger Verein mit dem Ziel gegründet, die Im Jahr 2004 hat der Landschaftsverband Weser-Hunte e.V. kulturelle Vielfalt und Eigenart in den Landkreisen Diepholz und erstmalig einen Wegweiser zu den mittelalterlichen Dorfkirchen Nienburg/Weser zu erhalten, weiterzuentwickeln und zu stärken. Das in den Landkreisen Diepholz und Nienburg/Weser veröffent- licht. Aufgrund der großen Nachfrage in der Öffentlichkeit hat Verbandsgebiet, das überwiegend ländlich geprägt ist, umfasst sich der Verband dazu entschlossen, eine 2. überarbeitete eine Fläche von etwa 3.400 Quadratkilometern, in der Auflage der Broschüre herauszugeben.

rund 340.000 Einwohner ihre Heimat haben. Die Stadt Nienburg Der Bauhistoriker Dr.-Ing. Stefan Amt, bhb - Büro für historische mit rund 32.000 Einwohnern und die Stadt Syke mit rund Bauforschung in Hannover, stellt 32 Dorfkirchen aus der Zeit 24.000 Einwohnern sind die größten Städte in der Region. vom 11. bis zum 16. Jahrhundert vor. Neben einer grundle- genden Typologisierung des Kirchengebäudes werden Details zur baugeschichtlichen Entwicklung und bauliche Einzelheiten vom Autor beschrieben. Informationen zu Öffnungszeiten oder auch Kirchenführungen sind bei den Kirchengemeinden oder Pfarrämtern vor Ort zu erfragen.

Einheimische und Gäste sind eingeladen, die vielfältige bau- 112 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung historische Kirchenlandschaft des Mittelalters in unserer Region Von Landschaften und Landschaftsverbänden mit Hilfe dieser Broschüre näher zu erkunden.

Mittelalterliche Landschaftsverband Weser-Hunte e.V. Dorfkirchen Cord Bockhop Detlev Kohlmeier in den Vorsitzender stellv. Vorsitzender Landkreisen Diepholz und Nienburg / Weser

2. überarbeitete Auflage Titelfoto: Kirche Binnen LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

eit der Gründung hat der Land- Geprägt wird die Region des Landschaftsverbandes schaftsverband rund 6 Mio. Euro in die Kulturförde- durch eine vielfältige Kulturlandschaft. Die regiona- Srung in den Landkreisen Diepholz und Nienburg/ len Strukturen zukunftsfähig zu gestalten, einen Weser investiert. Insgesamt wurden damit über attraktiven Standort und Lebensraum zu erhalten 1.000 Projekte und Maßnahmen im Verbandsgebiet und weiterzuentwickeln, ist ein besonderes Anliegen unterstützt. des Landschaftsverbandes.

Die historischen Verbindungen der beiden Land- Darüber hinaus möchte der Landschaftsverband kreise sind durch die Hoya-Diepholz’sche Landschaft allen Bevölkerungsschichten den Zugang zu Kunst gegeben. Dem besonderen Engagement und der und Kultur und damit zur kulturellen Bildung Initiative des damaligen Landschaftspräsidenten ermöglichen. Der Zugang zu kultureller Bildung ist Bertold v. Behr der Hoya-Diepholz’schen Landschaft ein allgemein gültiges Menschenrecht, es gilt für alle ist es mit zu verdanken, dass 1991 die Gründung des Menschen, auch für die, die oft von Bildung ausge- Landschaftsverbandes unter Federführung der schlossen werden, wie etwa Menschen mit Migrati- damaligen Oberkreisdirektoren der Landkreise onshintergrund, kulturelle Minderheiten, Menschen Diepholz und Nienburg/Weser, Hans-Michael Heise aus sozial benachteiligten Lebenslagen und Men- und Dr. Wilfried Wiesbrock, erfolgt ist. Neben der schen mit Behinderungen. Eine vielfältige Kultur- Hoya-Diepholz’schen Landschaft und den beiden landschaft ist hierfür die beste Grundvoraussetzung. Landkreisen waren die Kreisstädte Diepholz und Nienburg/Weser, der Kreisheimatbund Diepholz e. V. In der Satzung des Landschaftsverbandes ist die und der Museumsverein Nienburg/Weser für die ehe- Kultur- und Heimatpflege festgeschrieben, insbeson- maligen Grafschaften Hoya, Diepholz und Wölpe e. V. dere ist der Verband auf den Gebieten Geschichts- Gründungsmitglieder des Landschaftsverbandes. und Familienforschung, Pflege der heimatlichen Heute sind alle Kommunen der beiden Landkreise Literatur und der niederdeutschen Sprache, Volks- Mitglied im Landschaftsverband. kunde und Brauchtum, Denkmalschutz und Denk- malpflege, Kunst und Kunsthandwerk, Erforschung Seit dem 1. November 2011 wird der Landschaftsver- und Erhaltung der natürlichen Landschaft und band vom Landrat des Landkreises Diepholz, Cord Museumswesen tätig. Bockhop, ehrenamtlich geführt. Zweiter Vorsitzender ist Detlev Kohlmeier, Landrat des Landkreises Nien- Der Landschaftsverband versteht sich als regionaler burg/Weser. Beisitzer im Vorstand ist Werner v. Behr, Kulturförderer und kultureller Kooperationspartner. Landschaftspräsident der Hoya-Diepholz’schen Seine Aufgaben und Ziele erfüllt er insbesondere Landschaft. Neben dem Vorstand ist die Mitglieder- durch finanzielle Förderung, durch vielfältige Be- versammlung ein weiteres Organ des Verbandes. ratung und durch Initiierung von eigenen Projekten.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 113 LANDSCHAFTSVERBÄNDE

Mit der Auflösung der Bezirksregierungen zum 31. Dezember 2004 hat sich der Aufgabenumfang der Landschaften und Landschaftsverbände in Nieder- sachsen wesentlich erweitert. Im Auftrag des Landes Niedersachsen nehmen die Landschaften und Land- schaftsverbände seit 2005 Aufgaben der regionalen Kulturförderung wahr. Grundlage sind hierfür Zielvereinbarungen. Derzeit werden die neuen Zielvereinbarungen, die von 2015 bis 2017 gelten, zwischen den Partnern neu verhandelt.

Die Mittel der regionalen Kulturförderung sind insbesondere für Projekte des freien professionellen Theaters, der Theater- und Tanzpädagogik, der Museumsarbeit der nichtstaatlichen Museen, der Musik, der Literatur, der niederdeutschen Sprache, der Soziokultur, der Bildenden Kunst, der Kunst- schulen sowie für Projekte der außerschulischen kulturellen Jugendbildung zu verwenden. Aus Sicht des Landschaftsverbandes Weser-Hunte e. V. ist die regionale Kulturförderung, die die regionalen Unterschiede und Strukturen berücksichtigt, ein Erfolgsmodell zur Stärkung des ländlichen Raums.

Rund 400.000 Euro stehen dem Landschaftsverband jährlich für die Kulturförderung zur Verfügung. Das Budget setzt sich insbesondere aus der Zuwendung des Landes Niedersachsen, der Spende der Land- schaftlichen Brandkasse – VGH Versicherungen Hannover (VGH) und den Mitgliedsbeiträgen zu- sammen. Die Personal- und Sachkosten werden von den beiden Landkreisen getragen.

oben: Syker Vorwerk – Zentrum für zeitgenössische Kunst

Mitte: Vorstand des Landschaftsverbandes Weser-Hunte e. V. v.l.n.r.: Vorsitzender Cord Bockhop, Landrat des Landkreises Diep- holz, Beisitzer Werner v. Behr, Landschaftspräsident der Hoya-Diep- holz’schen Landschaft, und stellv. Vorsitzender Detlev Kohlmeier, Landrat des Landkreises Nienburg/Weser

unten: Tafeltheaterprojekt des Vereins Land & Kunst e. V. in Asendorf

114 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

Im Rahmen der satzungsmäßigen Aufgaben ist die Das Gebiet des Landschaftsverbandes kann sich Denkmalpflege ein besonderer Förderschwerpunkt über eine reiche Museumslandschaft freuen. Über des Landschaftsverbandes. Die Palette der geförder- 20 kleinere und größere Museen und zahlreiche ten Gebäude reicht von Wind- und Wassermühlen Heimatstuben sind in der Region des Landschafts- über alte Scheunen und Fachwerkspeicher bis hin verbandes zu finden. Dabei zählen die großen zum niederdeutschen Hallenhaus. Aber auch Regionalmuseen in Syke und Nienburg/Weser mit archäologische Grabungen, wie auf dem Gelände des dem Niedersächsischen Spargelmuseum in der ehemaligen Benediktinerklosters Schinna, auf dem Nienburger Altstadt ohne Frage zu den kulturellen mittelalterlichen Burgplatz in Erichshagen-Wölpe Highlights in der Region. Sie sind Zentren der Kunst-, oder auch die Dokumentation und Präsentation der Kultur- und Alltagsgeschichte, die auch dank der archäologischen Funde auf dem Heiligenberg sind umfangreichen Unterstützung durch den Land- mit Mitteln des Landschaftsverbandes realisiert schaftsverband, sowohl im Rahmen der satzungs- worden. mäßigen Aufgaben als auch im Rahmen der regio- nalen Kulturförderung, in den letzten Jahren an Ebenso werden Projekte der Bildenden Kunst bereits besonderer Attraktivität gewonnen haben. Aber auch seit vielen Jahren vom Landschaftsverband unter- weitere Museen, wie beispielweise das Niedersächsi- stützt. So leisten etwa die GalerieN in Nienburg und sche Polizeimuseum in Nienburg, das Dümmer- das Syker Vorwerk, das zu den größten Ausstellungs- Museum in Lembruch, das Museum der Strohverar- häusern für zeitgenössische Kunst in der Region beitung in Twistringen oder das Museum der Roman- zwischen Bremen, Hannover und Osnabrück zählt, tik Bad Rehburg, bereichern die Region in beeindru- einen wesentlichen Beitrag zur Förderung und ckender Weise. Ein weiterer Publikumsmagnet ist Vermittlung zeitgenössischer Kunst. Beide Häuser auch die erste Museumseisenbahn Deutschlands in sind ausgezeichnete Adressen für Kunstausstellun- Bruchhausen-Vilsen. gen mit nationalen, internationalen und regionalen Künstlern. Neben der Kunst, den ausstellungsbe- So vielfältig wie die Museumslandschaft ist auch das zogenen Führungen und dem kunstpädagogischen museumspädagogische Angebot im Verbandsgebiet. Programm bietet das Zentrum für zeitgenössische Die museumspädagogischen Aktionen und Projekte, Kunst auch eine Reihe von Veranstaltungen an, die die vom Landschaftsverband gefördert werden, von Konzerten bis hin zu kunsthistorischen Vorträ- vermitteln Wissen und praktische Erfahrungen, gen, Lesungen und Seminaren reichen. Eine besonde- bieten Platz zum Ausprobieren und Experimentieren re kulturtouristische Attraktion ist auch der Kultur- und stärken persönliche Kompetenzen. Auch Spiel und Skulpturenpfad „Die Sicht“, der von Diepholz bis und Spaß und die Entdeckerfreude kommen dabei zum Dümmer an insgesamt zehn unterschiedlichen nicht zu kurz. Im Dümmer-Museum in Lembruch Kunstwerken vorbeiführt. Der erste Teilabschnitt wurde beispielsweise die „Forschungsstation Leben wurde im Juni 2014 mit der Einweihung der vorerst im Wasser“ im Dezember 2013 von der Deutschen letzten Skulptur „Fibonacci Cubes“ von Petra Pfaffen- UNESCO-Kommission als Projekt der UN-Dekade holz aus Köln abgeschlossen. Die Besonderheit des „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeich- Skulpturenpfades ist, dass jede Skulptur in Zusam- net. Die Forschungsstation vermittelt insbesondere menarbeit mit dem Künstler und einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen nachhaltiges Denken und Schülern, Bürgern und Menschen entstanden ist. Handeln und zeigt eindrucksvoll, wie zukunftsfähige Eine Verbindung zwischen Kunst und Natur zu Bildung aussehen kann. schaffen, war die Zielsetzung des Projektes.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 115 LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

Verbandsgebiet des Landschafts- verbandes Weser-Hunte e. V.

Ausbau und Stärkung der Soziokultur oder auch Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich für den Breitenkultur im Sinne von kultureller Teilhabe sind Landschaftsverband ist die außerschulische kulturel- dem Landschaftsverband ein besonderes Anliegen. le Jugendbildung. Im Jahr 2012 hat der Landschafts- Ziel ist es, möglichst vielen Menschen, unabhängig verband erstmalig die Aktion „Mach Dein Ding!“ ins von ihrer finanziellen Lage und sozialen Herkunft, Leben gerufen. Der Verband möchte mit der Initiative Zugang und Teilhabe an kulturellen Angeboten zu junge Menschen an Kultur heranführen und sie dazu ermöglichen. Ein beispielhaftes Förderprojekt ist ermutigen, ihre eigenen kreativen Ideen zu verwirkli- hier das soziokulturelle Theaterprojekt des Vereins chen und umzusetzen. Seit vielen Jahren unterstützt Land & Kunst e. V. in Asendorf, das im Jahr 2013 im der Landschaftsverband unter anderem auch die Rahmen der Ausschreibung „sozioK – Zukunft Weser-Hunte Filmklappe, einen Kurzfilmwettbewerb gestalten mit Soziokultur“ von der Stiftung Nieder- für Schüler, Jugendmusicalprojekte und vielfältige sachsen als innovatives soziokulturelles Projekt Jugendprojekte des Vereins für Kinder- und Jugend- mit Modellcharakter ausgezeichnet wurde. Zudem arbeit Stolzenau e. V., des Mädchenkulturhauses gehörte das Tafeltheaterprojekt in diesem Jahr zu den Zebra Orange in Syke und des Vereins zur Förderung zehn bundesweit ausgewählten Projekten der kultu- ganzheitlicher Bildung e. V. im Welthaus Barnstorf. rellen Bildung, die für den „BKM-Preis Kulturelle Auch die Einrichtung des Kinderkunst-Clubs „Fleder- Bildung“ nominiert worden sind. Einen Hauptpreis mäuse“ im Syker Vorwerk – Zentrum für zeitgenössi- konnte der Verein am Ende nicht erzielen, doch sche Kunst konnte mit Unterstützung des Land- schon die Nominierung, zu den zehn bundesweit schaftsverbandes und der VGH-Stiftung verwirklicht ausgewählten Preisträgern zu gehören, ist eine werden. Kunst und Kultur für Kinder und Jugendliche besondere Auszeichnung und eine Bestätigung für erlebbar zu machen, ist für den Landschaftsverband ihre ländliche Kulturarbeit. ein zentraler Aufgabenschwerpunkt.

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Zudem fördert der Landschaftsverband Projekte der Seit vielen Jahren ist der Landschaftsverband auch Kunstschule Stuhr und der Kunstschule Mittelweser Herausgeber von Broschüren, die zu kulturhistorisch in Stolzenau. Der Verein Kunstschule Mittelweser im bedeutenden Orten und Objekten sowie Museen in Landkreis Nienburg/Weser e. V. hat sich 2013 neu der Region führen. Sieben thematische Wegweiser zu aufgestellt und professionalisiert sich im Rahmen archäologischen Denkmalen, Klassizismus, Mühlen, des Förderprogramms „Kunstschule 2020“ des Museen, mittelalterlichen Dorfkirchen, Skulpturen Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft im öffentlichen Raum und Stätten jüdischer Kultur und Kultur (MWK). Kunstschulen und Musikschulen und Geschichte sind bis heute in der Broschürenreihe sind außerschulische Bildungseinrichtungen; sie des Landschaftsverbandes veröffentlicht worden. ermöglichen Kindern und Jugendlichen kulturelle Der Landschaftsverband möchte mit diesen Publi- und künstlerische Teilhabe und aktive Mitgestal- kationen einen kleinen Einblick in die vielfältige tung; sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte, Kultur, Kunst und Architektur der Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung und Landkreise Diepholz und Nienburg/Weser geben. fördern deren Kreativität und künstlerisches Han- Eine weitere Broschüre mit dem Titel „Bauernhäuser deln; sie verschaffen Kindern und Jugendlichen in den Landkreisen Diepholz und Nienburg/Weser“ wichtige Schlüsselqualifikationen, die in der heuti- ist zurzeit in Arbeit. Die Präsentation der Broschüre gen globalisierten Welt von unschätzbarem Wert ist im Herbst dieses Jahres geplant. sind. Zahlreiche Musikprojekte, die von pädagogi- schen Projekten bis hin zu Festivals, Konzerten und Diese vielfältige und wichtige Kulturarbeit des Land- Musikwettbewerben reichen, wurden in den letzten schaftsverbandes Weser-Hunte e. V. ist nur dank der Jahren vom Landschaftsverband unterstützt. großzügigen Unterstützung des Landes Niedersach- sen, der Landschaftlichen Brandkasse – VGH Ver- Die Pflege und Förderung der plattdeutschen Sprache sicherungen Hannover (VGH) und weiterer projekt- ist seit der Gründung des Landschaftsverbandes ein bezogener Sponsorengelder und Spenden möglich. weiterer Aufgabenschwerpunkt. Seit 2010 ist diese Der Landschaftsverband wünscht sich, dass diese Aufgabe auch in der Zielvereinbarung mit dem MWK Kulturarbeit noch lange fortgeführt werden kann, verankert. Der Verband unterstützt Initiativen und denn Förderungen in Kunst und Kultur sind Investi- Aktivitäten, die dem Erhalt der Kultursprache dienen. tionen in unsere Gesellschaft und Zukunft. Gerade auch vor dem Hintergrund einer fortschrei- tenden Globalisierung gilt es, diesen besonderen kulturellen Schatz zu bewahren und zu stärken. Die plattdeutsche Sprache ist ein Symbol für die regionale Verbundenheit zu unserer Heimat. Darüber hinaus beteiligt sich der Landschaftsverband Weser- Hunte e. V. seit vielen Jahren an dem niedersachsen- weiten Gemeinschaftsprojekt der Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen, der Platt- düütsch-Stiftung Neddersachsen und dem Institut für niederdeutsche Sprache „Platt is cool!“. Das Projekt „Platt is cool!“ beinhaltet eine Postkarten- aktion und einen plattdeutschen Bandwettbewerb und möchte insbesondere junge Menschen wieder für die Sprache begeistern und zum Gebrauch der Sprache animieren, damit auch ein nachhaltiger Bestand gesichert ist.

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REGIONALVERBAND HARZ E. V. Begeben wir uns im Harz auf eine Entdeckungsreise, so sind vielfältige Spuren des Königreiches Hannover nicht nur in Niedersachsen, sondern scheinbar überraschend auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt zu entdecken. Seit 1995 ist in diesen drei Ländern der Regionalverband Harz tätig.

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erborgen in den Tiefen der Warum dieser ausschweifende Rückblick in die Wälder des Südharzes stehen schmuckvolle Grenz- Vergangenheit durch eine spezifisch ostdeutsche Vsteine, die einerseits das Welfenross, andererseits Brille? Nun, der Regionalverband Harz e. V. hat als den sächsischen Löwen zeigen. Weiter nördlich, einziges Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der unweit von Elbingerode, erinnern Steine mit den Landschaften und Landschaftsverbände in Nieder- Initialen KH und P daran, dass Hannover und sachsen (ALLviN) seinen Sitz außerhalb des Landes. Preußen einst souveräne Staaten waren. Spätestens Die Geschäftsstelle befindet sich in der Welterbestadt jedoch während der vier Jahrzehnte dauernden Quedlinburg unweit des Marktes. Wie kam es dazu? deutschen Teilung schwand in breiten Schichten der Gesellschaft östlich der innerdeutschen Grenze das Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Wissen um regionalgeschichtliche Zusammenhänge. Oktober 1990 suchten die Entscheidungsträger auf Ausnahmen fanden sich unter Pastoren und in kommunaler Ebene nach Verbindendem. Es bestand Kreisen leitender Mitarbeiter Staatlicher Forstwirt- die nicht unberechtigte Sorge, die Harzregion jeweils schaftsbetriebe. Im Alltag der allermeisten Menschen am Rande dreier Bundesländer würde in den Landes- fehlten längst die Bezüge. Sie hatten ihre Staatliche hauptstädten nicht gebührend wahrgenommen. Versicherung der DDR und besuchten meist nur noch Würde es jedoch gelingen, die Interessen der Kom- zu Heiligabend einen Gottesdienst. Da aber war es munen im Harz auf den verschiedenen Politikfeldern dunkel. Ob die Wetterfahne ihrer Kirche Ross, Adler, gemeinsam zu vertreten, hätte die Region ein Bär oder Hirsch zeigte, war nicht erkennbar. Warum größeres Gewicht. Nach umfangreichen Vorverhand- der Gasthof im Dorf „Weißes Roß“ (Hannover), lungen gründeten daraufhin am 10. Juni 1992 die „Goldener Löwe“ (Braunschweig), „Schwarzer Adler“ damals neun Landkreise der Harzregion im Kreis- (Preußen), „Schwarzer Bär“ (Anhalt) oder „Goldener haus Goslar den Kulturverband Harz, den Verein Hirsch“ (Stolberg) hieß, wurde auch längst nicht Naturpark Harz und eben den Regionalverband Harz. mehr hinterfragt. Schließlich war der Flecken Ilfeld Alle drei Vereine wurden später de jure aufgelöst. nach der Einführung der Kreisordnung für die Ihre Aufgaben übernahm der 1995 neu gegründete Provinz Hannover 1885 auch nur bis 1932 Verwal- Regionalverband Harz e. V. mit Sitz eben in Quedlin- tungssitz des preußischen Landkreises Ilfeld im burg. Er erfüllt bis heute die Idee der interkommuna- Regierungsbezirk Hildesheim. Zum Landkreis Ilfeld len Zusammenarbeit in der Harzregion über die gehörten die räumlich voneinander getrennten Ämter Grenzen der Länder Niedersachsen, Sachsen-Anhalt Hohenstein und Elbingerode. Während Letzteres ab und des Freistaates Thüringen mit Leben. 1. November 1932 zum Landkreis Wernigerode kam, fiel das Amt Hohenstein an den Landkreis Grafschaft Hohenstein, den früheren und heutigen Landkreis Nordhausen.

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Nach Kreisgebietsreformen in Sachsen-Anhalt Die neuen Herausforderungen für den Regionalver- besteht die Gemeinschaft der ordentlichen Mitglieder band Harz bestimmt der demographische Wandel in des Regionalverbandes Harz heute aus den fünf der Region. So ist der Regionalverband Harz als Landkreisen Goslar und Osterode am Harz in Nieder- Träger des Geoparks und dreier Naturparke zuneh- sachsen, Harz und Mansfeld-Südharz in Sachsen-An- mend gefordert in Fragen der Erhaltung der Infra- halt sowie Nordhausen in Thüringen. Zuletzt im Jahr struktur für Tourismus und Naherholung. Auch die 2002 gab es eine umfassende interne Aufgabenkritik. Kulturförderung durch den Regionalverband Harz ist Es folgte eine Satzungsänderung, die den Regional- strategisch darauf ausgerichtet, zukünftig weiterhin verband für Fördermitglieder öffnete. Inzwischen ein hochkarätiges Kulturangebot zu garantieren. unterstützen 130 Unternehmen beziehungsweise Dabei kommt es zunehmend darauf an, neben einer Unternehmerinnen und Unternehmer, Vereine oder kulturellen Teilhabe möglichst aller Bevölkerungs- kommunale Gebietskörperschaften den Regionalver- schichten auch zahlungskräftige Touristen durch band Harz durch ihre Fördermitgliedschaft. Letztere interessante Angebote zu erreichen. Es gilt, das sind in der Karte „Eine kommunale Familie“ Heimatgefühl der in der Harzregion lebenden dargestellt. Menschen im Sinne einer landschaftlichen Verbun- denheit zu stärken. Sie müssen letztlich davon Der Regionalverband Harz ist heute Träger der Natur- überzeugt sein, dass es ein Wert an sich ist, dort parke Harz in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, leben zu dürfen, wo andere Menschen Urlaub gemeinsam mit dem Verein FEMO in Königslutter machen. Träger des „Geoparks Harz . Braunschweiger Land . Ostfalen“ und eben tätig als Landschaftsverband in Niedersachsen für das Gebiet des Landkreises Goslar. Er wird auf der Grundlage von Verträgen gefördert von den Ländern Sachsen-Anhalt (aus Mitteln des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt) und Niedersachsen (aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur). Die fünf Mitgliedsland- kreise sind über ihre Beiträge und teilweise auch darüber hinaus maßgeblich an der Finanzierung beteiligt. Neben den Beiträgen der Fördermitglieder erhält der Regionalverband Harz auch Spenden von weiteren Unternehmen, darunter jährlich einen namhaften Betrag der Versicherungsgruppe Hanno- ver (VGH). In der Geschäftsstelle des Regionalver- bandes Harz in der Hohen Straße 6 in Quedlinburg sind aktuell fünf Mitarbeiter beschäftigt.

Hannoverscher Grenzstein aus dem Jahr 1735 mit der laufenden Nr. 9 auf der Gemarkungsgrenze Ilfeld zu Hermannsacker (damals Kurfürstentum Sachsen) inmitten des heutigen Landkreises Nord- hausen (Freistaat Thüringen) (Foto: Dr. Klaus George)

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Eine kommunale Familie Legende Landkreis 8 Braunlage, Stadt 20 Ballenstedt, Stadt Goslar 9 Bad Grund, Bergstadt 21 Falkenstein / Harz, Eine kommunale Landkreis Familie Stadt Legende 10 Osterode am Harz, Harz Stadt 22 Harzgerode, Stadt Landkreis 11 Bad Sachsa, vertreten 23 Ellrich, Stadt Mansfeld-Südharz durch Bad Sachsa Fördermitglieder 24 Harztor, Landgemeinde Landkreis Landkreis Goslar 1.Holding Kalefeld, GmbH Gemeinde & Co. KG 15. Wernigerode, Stadt politischeRegionalverband Gemeinden Harz e. V. Nordhausen 2. Seesen, Stadt 16. Blankenburg (Harz), Stadt 12 Osterwieck, Stadt 25 Neustadt / Harz, 3. Lutter am Barenberge, Gemeinde17. Oberharz am Brocken, Stadt Landkreis Fördermitglieder Landkreis Harz 13 Nordharz,Samtgemeinde Gemeinde 18. Thale, vertreten durch die Osterode am Harz 26 Nordhausen, Stadt kommunale Tochter- 144. Ilsenburg,Liebenburg, vertreten Gemeinde Bodetal Tourismus GmbH Fördermitglieder 1 Kalefeld, Gemeinde 27 Südharz, Gemeinde unternehmen 5.durch Goslar, die Stadt Tourismus 19. Quedlinburg, Stadt politische Gemeinden Landkreis2 Seesen, Mansfeld-Südharz Stadt 6.GmbH Gemeindefreies Ilsenburg Gebiet 28 Sangerhausen,20. Ballenstedt, Stadt Stadt Gemeindefreies Gebiet 15 Wernigerode,Harz, vertreten Stadt durch 21. Falkenstein (Harz), Stadt 3 Lutter am Barenberge, 29 Mansfeld, Stadt in den LK Goslar und Samtgemeinde das Niedersächsische 22. Harzgerode, Stadt 16 Blankenburg (Harz), 30 Arnstein, Stadt Osterode am Harz Landkreis4 Liebenburg, Nordhausen Gemeinde StadtForstamt Clausthal 23. Ellrich, Stadt Fördermitglieder 7. Oberharz, Samtgemeinde 31 Hettstedt,24. Ha rztor,Stadt Landgemeinde kommunale Tochterunternehmen 5 Goslar, Stadt 17 Oberharz am Brocken, 8. Braunlage, Stadt 25. Neustadt (Harz), Gemeinde Stadt 32 Aschersleben, vertre- Landkreis6 Gemeindefreies Osterode am Gebiet Harz 9. Bad Grund, Bergstadt 26. Nordhausen, Stadt Harz, vertreten durch 18 Thale, vertreten durch ten durch die Aschers- 10. Osterode am Harz, Stadt 27. Südharz, Gemeinde das Niedersächsische die Bodetal Tourismus leber Kulturanstalt Forstamt Clausthal 11.GmbH Bad Sachsa, vertreten 28. Sangerhausen, Stadt Gemeindefreies Gebiet durch Bad Sachsa 34 Halberstadt,29. Mans feld,Stadt Stadt in den LK Goslar und 7 Oberharz, 19 Quedlinburg, Stadt Holding GmbH & Co. KG 30. Arnstein, Stadt Osterode am Harz Samtgemeinde 12. Osterwieck, Stadt 31. Hettstedt, Stadt 13. Nordharz, Gemeinde 32. Aschersleben, vertreten 14. Ilsenburg, vertreten durch durch die Aschersleber die Tourismus GmbH Kulturanstalt Ilsenburg 34. Halberstadt, Stadt

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SCHAUMBURGER LANDSCHAFT E. V. Die „moderne Schaumburger Landschaft“ wurde 1992 gegründet. Sie ist damit sehr jung im Vergleich zu den Grafen von Schaumburg, die 1110 zum ersten Mal in das Licht der Geschichte treten, als sie vom Kaiser mit der Grafschaft Holstein belehnt wurden. Sie waren somit eines der bedeutenden Geschlechter des Reiches. Die Verbindung zwischen den Stammlanden Grafschaft Schaumburg und Holstein bestand bis in die frühe Neuzeit. Bis heute ist das Wappen der Schaumburger, das Nesselblatt, auch das Wappen Holsteins.

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ach dem Aussterben der Vorbild für die heutige Landschaft waren die Grün- Schaumburger Grafen 1640 wurde das Land in dungen von Landschaftsverbänden in anderen NSchaumburg-Lippe und in die hessische Grafschaft historischen Regionen Niedersachsens, die von den Schaumburg geteilt. Erstaunlich ist, dass es diesen historischen Hannoverschen Landschaften initiiert beiden Nachfolgeterritorien gelang, im Grenzbereich worden waren. Der Wunsch nach einer modernen zwischen welfischen Landen und Westfalen zu Schaumburger Landschaft entstand durch ein bestehen. Die hessische Grafschaft Schaumburg wachsendes Bedürfnis, die regionale Identität zu wurde 1866 von Preußen annektiert. Das Fürstentum bewahren, Heimatgefühl zu vermitteln und damit Schaumburg-Lippe wurde 1918 Freistaat und behielt ein Gegengewicht zur zunehmenden Globalisierung von allen Kleinstaaten in Deutschland am längsten und Entwurzelung zu bieten. Ganz im Sinne des seine Eigenständigkeit. Erst im Jahr 1946 wurde es bei Vorbildes der historischen Landschaften, nämlich der Neugliederung der Bundesrepublik Deutschland unabhängig von staatlicher Verwaltung, wurde die dem Land Niedersachsen zugeordnet. Es entstanden Schaumburger Landschaft als Verein etabliert, der zunächst die beiden Landkreise Schaumburg-Lippe zwar Mittel der Kommunen, des Landkreises, des und Grafschaft Schaumburg, die 1977 im Zuge der Landes, der Versicherungsgruppe Hannover und der niedersächsischen Verwaltungs- und Gebietsreform Sparkasse Schaumburg erhält, in der Kulturförderung zum Landkreis Schaumburg mit Verwaltungssitz in jedoch eigenständig bleibt. Stadthagen zusammengelegt wurden. Aber nicht nur die Landespolitik war prägend für die Herausbildung Aufgaben und Projekte einer Schaumburger Identität, sondern auch Brauch- tum, gemeinsame Lebens- und Arbeitserfahrungen Die Schaumburger Landschaft hat die Aufgabe, die und eigenständige Formen der Baukultur und regionale Kultur sowie historische Belange im Gebiet Siedlungsstruktur. Dies galt in besonderer Weise für der historischen Grafschaft Schaumburg, wie sie bis die Schaumburger Tracht, aber auch für die Migration 1640 bestand, zu fördern. Sie betreibt Geschichtsfor- der Schaumburger als Heringsfänger, die Arbeit im schung und fördert diese. Sie unterstützt kulturelle Bergbau bis 1960, den „Schaumburger Giebel“ der und heimatpflegerische Bestrebungen von Vereinen, Bauernhäuser und die Hagenhufendörfer. Verbänden und Institutionen. Sie koordiniert und bündelt Kulturveranstaltungen. Ebenso gehört die Die Schaumburger Landschaft von heute Mitarbeit im Natur-, Landschafts- und Denkmal- schutz, seit fünf Jahren mit einer eigenen Kommu- Die historische Schaumburger Landschaft, die Land- nalarchäologie, zum Aufgabenfeld der Schaumburger stände, prägten die Politik entscheidend mit, etwa in Landschaft. Bei der Förderung von Kunst und Kultur der Regentschaft des Landes im 16. Jahrhundert. Die werden auch neue kulturelle Entwicklungen historische Schaumburger Landschaft löste sich An- einbezogen. fang des 19. Jahrhunderts auf.

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Zur Erfüllung dieser Aufgaben führt die Schaum- burger Landschaft eigene Projekte durch, unterstützt aber auch Dritte, Vereine und Institutionen mit Fördermitteln. Beispielsweise organisiert die Schaumburger Landschaft den „Tag des offenen Denkmals“ mit lokalem Schwerpunkt, um eine gewachsene Kulturlandschaft in ihrem Gesamtzu- sammenhang zeigen zu können, und gestaltet ihn durch ein informatives und unterhaltsames Rahmen- programm. Sie unterstützt die Schaumburger Klein- kunsttage PAROLI, eine Veranstaltungsreihe, die an verschiedenen Orten abwechslungsreiche Kleinkunst bietet. Im Bereich Musik unterhält die Schaumburger Landschaft ein Sinfonieorchester, das etwa 50 Laien Die Schaumburg, namensgebend für die Grafen und die Grafschaft Schaumburg die einzigartige Möglichkeit bietet, gemeinsam in einem großen Orchester zu musizieren. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Basismusikförderung. Aus dem Bereich Geschichte seien die Themen schaffen anderer nicht viel wussten und sich zu- Industrialisierung in Schaumburg und Aufarbeitung nächst schwertaten, Vorbehalte zu überwinden. Aber der Zeitgeschichte genannt. Die Herausgabe der die dabei entstandenen Beziehungen haben gehalten „Schaumburger Landeskunde“ ist ein Modellprojekt und wurden das kulturelle Leben. Ein weiteres Bei- für andere Regionen in Niedersachsen. Bisher spiel für das Zusammenspiel von Tradition und wurden 30.000 Exemplare gedruckt, die kostenlos Moderne ist das aktuelle Projekt „Nach Neuem an Schüler der 7. Klasse in Schaumburg abgegeben Trachten“. Hier haben Modedesigner der Hochschule werden. Hannover, dokumentiert von Fotografen der Hoch- schule, neue Mode entwickelt, die sich an Materiali- Das starke Bewusstsein, Schaumburger zu sein, en und Formen der alten Schaumburger Tracht zeigte sich bei dem soziokulturellen Projekt „Der orientiert. Schaumburger Friede“. Anlässlich 900 Jahre Schaum- burg reiste der fiktive Renaissancefürst Ernst zu Organisation Holstein-Schaumburg mit Gefolge elf Tage lang 350 Kilometer durch Schaumburg und besuchte Mitglieder der Landschaft sind der Landkreis 56 Orte. Die Schauspieler reisten in einer „Zeitblase“, Schaumburg, Städte und Gemeinden im Landkreis sie spielten Menschen der Renaissance, die in das Schaumburg und auch aus anderen Gebieten, die Hier und Jetzt eintreten. Sie begegneten Menschen einen historischen Bezug zu Schaumburg haben, von heute, die den Fürsten als früheren Landesherren sowie eine große Zahl an Vereinen und Verbänden, empfingen. Tausende Menschen beteiligten sich die im Bereich der Kultur und Heimatgeschichte tätig aktiv, etwa 25.000 Zuschauer erlebten das Spektakel. sind. Organe des Vereins sind die Mitgliederver- Bei diesem Projekt trafen Menschen aufeinander, sammlung und der Vorstand und eine Geschäftsstelle die sich bis dahin nicht kannten, die vom Kultur- mit hauptamtlichem Personal. Die ehrenamtliche Arbeit findet in den fachlich ausgerichteten Arbeits- gruppen Musik und Kunst, Museen und Volkskunde, Tanz und Trachten, Geschichte, regionale Architek- tur und Kulturlandschaft und Plattdeutsch statt.

124 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

Schluss

Bei allen Aktivitäten der Schaumburger Landschaft geht es vor allem um die Ermöglichung der kulturel- len Teilhabe der Schaumburger und um die Stärkung der regionalen Identität. Allerdings ist das, was man als regionale Identität bezeichnen könnte, ständig im Fluss. Identität macht sich an der Verwurzelung in der Region fest. Doch auch Wurzeln wachsen und verändern sich. Was zum Beispiel heute als Ur- oben links: „Schaumburger Friede“ – die Reise schaumburger Kultur angesehen wird, nämlich die des fiktiven Fürsten Ernst durch Schaumburg Schaumburger Tracht, ist auch einmal durch Einflüs- anlässlich 900 Jahre Schaumburg 2010 se von außen, verbunden mit eigenem Gestaltungs- oben rechts: „Nach Neuem Trachten“ – ein willen entstanden. So wird das, was man als typisch Modedesignprojekt der Hochschule Hannover mit Schaumburg verbindet, sich immer wieder und der Schaumburger Landschaft (Foto: Lennart Helal) ändern. Schon heute gehören Traditionen und Eigenheiten, zum Beispiel schlesischer Heimatver- unten: Schaumburger Tracht (Arbeitstracht) circa 1954 (Foto: Wolf Lücking, Berlin) triebener oder italienischer Einwanderer in Obern- kirchen, mit zur Schaumburger regionalen Kultur. Unter dem Dach der Schaumburger Landschaft gibt es die Möglichkeit, gegenseitige Akzeptanz einzuüben, um kulturelles Anderssein als Bereicherung erfahren zu können.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 125 LANDSCHAFTSVERBÄNDE

LANDSCHAFTSVERBAND HAMELN-PYRMONT E. V. „Kunst baut Brücken, weil sie direkt von Herz zu Herz geht“ – nach diesem Motto arbeitet der 1996 gegründete, kleinste Landschaftsverband seit vielen Jahren erfolgreich in seiner Region.

126 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

un erst einmal zu seiner Der Landschaftsverband ist einer der größten Kul- Entstehung und den Rahmenbedingungen: Hinter turförderer im Landkreis Hameln-Pyrmont. Jährlich Nden historischen Mauern der Burg zu Spiegelberg in werden etwa 80 Projekte gefördert, die im Landkreis Coppenbrügge, gründete sich am 6. Dezember 1996 Hameln-Pyrmont stattfinden, wobei die Förder- der Landschaftsverband Hameln-Pyrmont. Vorrangi- schwerpunkte sich nach der Satzung des Vereins ges Ziel des Vereins sollte die Förderung des kulturel- sowie der Zielvereinbarung mit dem Land Nieder- le Lebens sein, sowie die Wahrung und Pflege des sachsen richten. Heimatgedankens. Sein Fördergebiet ist der Land- kreis Hameln-Pyrmont mit einer Einwohnerzahl von Viele Jahre hat der Landschaftsverband Hameln- rund 150.000. Der Weserraum mit der Kreisstadt Pyrmont selbst als Veranstalter und Projektleiter Hameln als Zentrum und sieben weiteren Städten fungiert. Er war während dieser Zeit ein gern gesehe- und Gemeinden ist eine alte Kulturlandschaft: ner Kooperationspartner für Kulturvereine, Künstler Weserrenaissance, historische Gärten, Sagen und und Institutionen. Doch nach sehr grundsätzlichen Märchen, Schlösser und Burgen machen den Land- und lebhaft geführten Diskussionen mit den Kultur- kreis zum beliebten Kultur- und Ausflugsziel, aber schaffenden des Landkreises konnte ein Verände- auch zum liebenswerten Wohnraum. rungsbedarf im Kulturentwicklungsprozess ermittelt werden. Seit dem Jahr 2000 gibt es eine hauptamtliche Ge- schäftsführerin in Teilzeit. Eine Bürokraft gibt es Die finanzielle Entwicklung und die Rahmenbedin- nicht. Sitz des Verbandes sind die denkmalgeschütz- gungen für Einrichtungen und Initiativen haben sich ten Pavillons am Bürgergarten in Hameln. Mitglieder in den vergangenen Jahren so erschwert, dass der sind die Kommunen und Städte des Landkreises, Landschaftsverband Hameln-Pyrmont sich aus dem einen Beirat gibt es nicht. Der Vorstand besteht aus operativen Geschäft entfernte. kommunalen Vertretern. Zweimal im Jahr (und nach Bedarf) findet eine Vorstandssitzung statt. Einmal im Jahr eine Mitgliederversammlung.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 127 LANDSCHAFTSVERBÄNDE

Ein gefördertes Konzert der „Heavytones“ in der Sumpfblume in Hameln, einem selbstverwalteten, soziokulturellen Veranstaltungs- zentrum

Somit fließen die gesamten zur Verfügung stehenden Aber es gehören auch noch drei weitere wichtige Mittel in die Förderung. Der Landschaftsverband Säulen für die Entstehung und Erhaltung einer Hameln-Pyrmont hat sich ausschließlich auf Be- lebendigen kulturellen Vielfalt im ländlichen Raum ratung und Finanzierung Dritter spezialisiert. Mit dazu. Erstens gilt es, das Entstehen von Kulturver- dieser einschneidenden Entscheidung hat sich der einen mit Know-how zu unterstützen. Zweitens muss Verein für viele Kulturtätige als beweglicher kon- die Durchführung von den verschiedensten kultu- tinuierlicher Partner bewähren können. Seit 2010 rellen Veranstaltungen gefördert werden. Als dritte werden durch den Landschaftsverband somit Vor- Aufgabe steht die Vermittlung von Kunst und Kultur haben Dritter auf den Gebieten, Musik und Literatur, an jeden Bürger. darstellende und bildende Kunst, Förderung von kulturellen Einrichtungen wie Theater und Museen Kunst und Kulturvereine sind wichtige Bestandteile gefördert. der gesellschaftlichen Infrastruktur unseres Land- kreises. Weder kommunale Kulturverwaltungen Was allerdings bleibt, ist der ständige Spagat zwi- noch Kulturinstitutionen des Landkreises können so schen Gießkannenprinzip und Schwerpunktbildung. bürgernah und flächendeckend Kultur organisieren. Der Sinn besteht für den Landschaftsverband Es bedarf des bürgerlichen Kunstsinns und des Hameln-Pyrmont in einer effektiven Kulturförde- finanziellen Engagements der Bürger, um ein Kultur- rung, die uns in den vergangenen Jahren durch netz entstehen zu lassen, zu dem jeder Zugang hat. diese Förderstruktur gelungen ist. Die Förderung von Kunst und Kultur darf sich nicht nur auf Veranstaltungen beschränken, die sich gut vermarkten lassen. Wer kann sagen, ob das, was sich heute gut verkaufen lässt, nicht schon morgen im Kaufhaus verramscht wird. Darauf legt der Land- schaftsverband besonderen Wert.

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oben: „Von Bach bis Blues“ – ein Konzert der Musikschule Bad Pyrmont im Konzerthaus

links: Vom Landschaftsverband gefördert: das Rattenfängermusical „RATS“ vor dem Hochzeitshaus in Hameln

Auch wenn der Landschaftsverband nicht mehr als Veranstalter auftritt, so liegt doch ein großer Anteil des Erfolges verschiedenster Veranstaltungen bei ihm. Dies durch seine professionelle Beratung und Hilfestellung bei vielen Fragen.

Das Ziel unserer Arbeit ist die Stabilisierung und Stärkung der Kultur und des Ehrenamtes im ländli- chen Raum. Mit den einsetzenden und umsetzenden Modernisierungsprozessen des Landschaftsverban- des werden wir auch in den nächsten Jahren ein starker und zuverlässiger Partner sein.

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REGION HANNOVER – TEAM KULTUR Die Region Hannover wurde zum 1. November 2001 durch Landesgesetz als Gebietskörperschaft und Gemeindeverband gebildet. Sie umfasst eine Fläche von 2.290,63 Quadrat- kilometern. Ihr gehören 20 Kommunen des aufgelösten Landkreises Hannover und die Landeshauptstadt Hannover mit insgesamt 1,1 Millionen Einwohnern an.

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it ihrer Gründung Neben ausgeprägten Naturerlebnissen in sehr übernahm die Region Hannover Aufgaben von vier unterschiedlichen Landschaftsräumen wie dem Mverschiedenen Behörden: dem Landkreis, dem Deister, dem Steinhuder Meer oder der Burgdorfer Kommunalverband Großraum Hannover, der Bezirks- Aue oder in zahlreichen Grünflächen der „Garten- regierung und der Landeshauptstadt Hannover. region Hannover“ bietet die Region Hannover eine Zugleich gab der alte Landkreis Aufgaben an die Fülle kultureller Angebote, denn Kultur ist ebenso Städte und Gemeinden im Umland ab. So ist die Lebensqualität wie ein wichtiger Standortfaktor. Die Region Hannover in ihrem Gebiet heute zuständig für Region Hannover ist Mitstifterin der Stiftung Kultur- sämtliche öffentliche Aufgaben, die unterhalb der region Hannover und verfügt mit dem Schloss Landesebene übergemeindlich zu erfüllen sind. Sie Landestrost in Neustadt am Rübenberge über einen bündelt wesentliche Leistungen der Daseinsvorsorge exzellenten Veranstaltungsort. Dort bietet sie ein für die Menschen, die in der Region leben. In dieser hochkarätiges Kulturprogramm mit Ausstellungen, Form stellt sie bis heute ein bundesweit einmaliges Konzerten und Lesungen. In Kooperation mit ande- Modell für die Wahrnehmung von Verwaltungsauf- ren Veranstaltern führt die Region das alljährliche gaben dar. Musikfestival „Kultursommer“ durch. Am „Schau- platz für regionale Kunst“ im Regionshaus in Hanno- Die Region Hannover ist zum Beispiel Trägerin des ver finden Künstler aus der Region einen Raum öffentlichen Personennahverkehrs und der Abfall- für ihre Ausstellungen. Einen Besuch in den Werk- entsorgung, aber auch der örtlichen Sozialhilfe, der stätten der Kunstschaffenden ermöglicht der jähr- Berufsbildenden Schulen und der kommunalen liche „Atelierspaziergang“. Außerdem unterhält die Krankenhäuser. Umwelt, Regionalplanung und Region Hannover in Neustadt das Regionsarchiv Naherholung sowie Wirtschafts- und Beschäfti- und in Hannover-Ahlem eine Gedenkstätte, die als gungsförderung sind weitere Aufgabenbereiche. ehemalige Israelitische Gartenbauschule ein Allein- Einen Großteil ihrer Aufgaben erfüllt die Region stellungsmerkmal unter den Gedenkorten in Hannover über Beteiligungsgesellschaften wie etwa Deutschland trägt. die Klinikum Region Hannover GmbH, die Ver- kehrsunternehmen üstra und RegioBus, den Zweck- verband Abfallwirtschaft aha oder die Wirtschafts- entwicklungsgesellschaft hannoverimpuls. Mit dem Erlebnis-Zoo Hannover ist die Region zudem Eigen- tümerin eines der attraktivsten Zoologischen Gärten in Deutschland.

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oben: Schloss Landestrost in Neustadt am Rübenberge (Foto: Daniel Heinemann)

unten: Regionshaus in Hannover (Foto: Christian Stahl)

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Seit 2005 nimmt die Region Hannover als assoziier- In Ergänzung zur Projektförderung aus Landes- und tes Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Landschaf- Regionsmitteln unterstützt die Region Hannover ten und Landschaftsverbände in Niedersachsen Kulturschaffende durch weitere Fördermittel in Höhe (ALLviN) die regionalisierte Kulturförderung aus von bis zu 600.000 Euro jährlich. Diese Förderung Landesmitteln wahr. In dieser Funktion unterstützt setzt dort an, wo die Projektförderung an ihre sie einerseits freie Kulturanbieter in der qualitativen Grenzen stößt. Sie dient vor allem der Unterstützung Weiterentwicklung ihrer Arbeit, initiiert und fördert von Angeboten der Darstellenden Kunst und der andererseits aber auch innovative Projekte an un- Kulturellen Bildung und umfasst mehrjährige theater- gewöhnlichen Orten. So entsteht ein differenziertes pädagogische Kooperationen ebenso wie eine Spiel- Kulturprofil. Dabei gilt es, den unterschiedlichen planförderung in den Umlandkommunen oder eine Bedürfnissen einer hoch entwickelten Kulturszene in Strukturförderung für Akteure der Kulturellen der Landeshauptstadt ebenso gerecht zu werden wie Bildung. Ziel all dieser Fördermaßnahmen ist es, den Anforderungen an eine heterogen strukturierte gemeinsam mit den Kulturaktiven und den Kultur- Kulturarbeit im kleinstädtischen und ländlichen vermittlern vor Ort dafür zu sorgen, dass die Vielfalt Raum. Sowohl Kultureinrichtungen von internatio- der Kultur in der Region Hannover erhalten und nalem Rang als auch regionale Initiativen, getragen weiterentwickelt werden kann. Nicht nur Gäste sollen von bürgerschaftlichem Engagement, bilden das die Region Hannover als attraktiven Raum kennen Spektrum der Kulturförderung ab. lernen. Vor allem die Einwohner sind es, die mithilfe vielseitiger Kulturangebote ihre Region lebenswert Derzeit stehen der Region Hannover für die Unter- finden und sie immer wieder neu für sich entdecken stützung solch vielfältiger Kulturangebote Landes- können. mittel in Höhe von jährlich 234.700 Euro und regi- onseigene Mittel in Höhe von etwa 65.000 Euro zur Verfügung. Gefördert werden Projekte in den Sparten Professionelles Freies Theater, Theater- und Tanzpäd- agogik, Musik, Literatur, Bildende Kunst, nichtstaat- liche Museen, Kunstschulen, Soziokultur sowie im Bereich der außerschulischen Kulturellen Jugendbil- dung. Künftig können darüber hinaus auch Qualifi- zierungsmaßnahmen im Bereich der Breitenkultur, wie etwa des Amateurtheaters oder der innovativen Heimatpflege, in die Förderung aufgenommen werden.

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 133 LANDSCHAFTSVERBÄNDE LANDSCHAFTSVERBÄNDE

STIFTUNG BRAUNSCHWEIGISCHER KULTURBESITZ STÖR Traditionen bewahren – Zukunft fördern

Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz trägt die reiche Geschichte einer selbstbewussten Region in der Mitte Europas in die Zukunft. Sie ist lebendiges Beispiel dafür, dass traditionell und modern, zukunfts- orientiert und historisch keine Gegensätze sind.

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eit ihrer Gründung im Jahr 2005 1945 war so fast die Hälfte des kulturellen Immobili- vereint die Stiftung unter ihrem Dach den Braun- envermögens viele Jahrzehnte enteignet. Heute Sschweigischen Vereinigten Kloster- und Studien- befindet es sich überwiegend wieder im Besitz der fonds und die Braunschweig-Stiftung. So bewahrt Braunschweig-Stiftung. und fördert sie die kulturelle und historische Identi- tät des ehemaligen Landes Braunschweig und sichert Kunst und Kultur gehören zu den grundlegenden die Grundlagen der gesellschaftlichen und wirt- gesellschaftlichen Bedürfnissen, Werten und schaftlichen Entwicklung in dieser Region. Außer- Ausdrucksformen. Sie vermitteln Menschen aller dem hat sie für das Land Niedersachsen die Organisa- Altersgruppen Maßstäbe und Orientierung für tion der regionalen Kulturförderung übernommen. verantwortungsvolles Handeln und Toleranz. Sie tragen zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft Herzog Julius gründete im Jahre 1569 den Braun- bei. Ihre Förderung ist eine öffentliche Aufgabe. schweigischen Klosterfonds. Die Reformation hatte Das Land Niedersachsen stellt daher der Stiftung kirchliches Vermögen in den Besitz des Staates Braunschweigischer Kulturbesitz als Träger der gebracht, das jedoch weiter wissenschaftlichen, regionalen Kultur Gelder für die Förderung der kulturellen und sozialen Zwecke dienen und gleich- Musik, des freien Theaters, der Literatur, der bilden- zeitig die Eigenständigkeit der Stifte und Klöster den Kunst der Soziokultur, von Kunstschulen und sichern sollte. Der ebenfalls in dieser Zeit gegründete nicht staatlichen Museen in den Landkreisen Helm- Studienfond förderte unter anderem die Universitä- stedt, Peine und Wolfenbüttel sowie den Städten ten in Helmstedt und Braunschweig. Braunschweig und Salzgitter zur Verfügung.

Die Neue Landschaftsordnung des Jahres 1832 Das Vermögen der Stiftung Braunschweigischer vereinigte die beiden Stiftungen zum Braunschweigi- Kulturbesitz beträgt fast 280 Mio. Euro. Nur aus schen Vereinigten Kloster- und Studienfonds. einem geringen Anteil lassen sich Erträge erwirt- Aus den Erträgen dieses Teilvermögens unterstützt schaften, da die Grundlage des Stiftungsvermögens die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz Klöster und Klostergüter bilden, deren Gebäude heute kirchliche, kulturelle und soziale Projekte. unter Denkmalschutz stehen. Besonders berühmt sind der Kaiserdom in Königslutter und das zum Im Jahre 1934 errichtete das Braunschweigische Weltkulturerbe gehörende Kloster Walkenried. Mit Staatsministerium die Braunschweig-Stiftung, um hohem finanziellen Aufwand bewahrt die Stiftung den preußischen Vereinnahmungstendenzen entge- diese historischen Kulturgüter. genzuwirken, indem sie Technische Universität, Staatstheater und Braunschweigisches Landesmuse- Erträge erwirtschaftet sie überwiegend aus der um fördert. Verpachtung des landwirtschaftlichen Grundbesit- zes, aus Erbbaurechten, Vermietungen und den Als finanzielle Grundlage hierfür erhielt die Stiftung Stiftungsforsten. 17 Kloster- und Kammergüter des Braunschweigi- schen Vereinigten Kloster- und Studienfonds und des Zusätzliche Einnahmen erzielt die Stiftung aus Landes Braunschweig. Das alte Land Braunschweig Investitionen in festverzinsliche Wertpapiere. erstreckte sich auch auf Teile Sachsen-Anhalts; nach

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 135 ADRESSEN ADRESSEN

DIE HANNOVERSCHEN LANDSCHAFTEN

Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden Calenberger Kreditverein Archivstraße 3 – 5 An der Börse 2 21682 Stade 30159 Hannover [email protected] [email protected]

Calenberg-Grubenhagensche Landschaft Ritterschaftliches Kreditinstitut Stade An der Börse 2 Archivstraße 3/5 30159 Hannover 21682 Stade [email protected] [email protected]

Landschaft des vormaligen Fürstentums Hildesheim VGH Versicherungen Alter Markt 1 Schiffgraben 4 31134 Hildesheim 30159 Hannover [email protected] [email protected]

Hoya-Diepholz’sche Landschaft Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse Leinstraße 4 Osterstraße 14 – 20 31582 Nienburg 26603 Aurich [email protected] [email protected]

Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg Schloßplatz 6 29221 Celle [email protected]

Landschaft des ehemaligen Fürstentums Osnabrück Brucher Allee 50 49324 Melle [email protected]

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DIE ARBEITSGEMEINSCHAFT DER LANDSCHAFTEN UND LANDSCHAFTSVERBÄNDE IN NIEDERSACHSEN (ALLVIN)

Calenberger Kreditverein Ostfriesische Landschaft KdöR Lüneburgischer Landschaftsverband e. V. An der Börse 2 Georgswall 1 – 5 Veerßer Straße 53 30159 Hannover 26603 Aurich 29525 Uelzen [email protected] [email protected] [email protected]

Ritterschaftliches Kreditinstitut Stade Oldenburgische Landschaft KdöR Landschaftsverband Weser-Hunte e. V. Archivstraße 3/5 Gartenstraße 7 Niedersachsenstraße 2 21682 Stade 26122 Oldenburg 49356 Diepholz [email protected] [email protected] [email protected]

VGH Versicherungen Landschaftsverband Stade e. V. Regionalverband Harz e. V. Schiffgraben 4 Im Johanniskloster Klubgartenstraße 6 30159 Hannover 21682 Stade 38640 Goslar [email protected] [email protected] [email protected]

Ostfriesische Landschaftliche Brandkasse Landschaftsverband Hildesheim e. V. Schaumburger Landschaft e. V. Osterstraße 14 – 20 Kardinal-Bertram-Straße 1 a Schloßplatz 5 26603 Aurich 31134 Hildesheim 31675 Bückeburg [email protected] [email protected] [email protected]

Emsländische Landschaft e. V. Landschaftsverband Hameln-Pyrmont e. V. Schloß Clemenswerth Deisterallee 3 49751 Sögel 31763 Hameln [email protected] [email protected]

Landschaftsverband Osnabrücker Land e. V. Region Hannover – Team Kultur Stadthaus 1 Hildesheimer Straße 20 49076 Osnabrück 30169 Hannover [email protected] [email protected]

Landschaftsverband Südniedersachsen e. V. Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz StöR Berliner Straße 4 Löwenwall 16 37073 Göttingen 38100 Braunschweig [email protected] [email protected]

Braunschweigische Landschaft e. V. Löwenwall 16 38100 Braunschweig [email protected]

200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Von Landschaften und Landschaftsverbänden 137 IMPRESSUM

IMPRESSUM

Herausgegeben vom Präsidenten des Niedersächsischen Landtages und den Hannoverschen Landschaften

Bei den Texten zu den Landschaften und Landschaftsverbänden handelt es sich um Selbstdarstellungen der jeweiligen Institutionen. Die Texte wurden lediglich redaktionell bearbeitet.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die männliche Schreibweise verwendet. Wir weisen darauf hin, dass sowohl die männliche als auch die weibli- che Schreibweise für die entsprechenden Beiträge gemeint ist.

Fotografie Insa Hagemann (S. 7) Patrice Kunte (S. 28) Frank Schinski/Ostkreuz (S. 8, S. 72)

Wenn nicht anders angegeben, liegen die Bildrechte bei den jeweiligen Landschaften und Landschaftsverbänden.

Gestaltung mann + maus GmbH & Co. KG

Druck gutenberg beuys feindruckerei gmbh

138 200 Jahre Erste Allgemeine Ständeversammlung Herausgegeben vom Präsidenten des Niedersächsischen Landtages und von den Hannoverschen Landschaften