N N A M R E D N O S

Wahlkämpfer Kraft, Steinbrück in Mettmann H P L A R „Wir sind die Guten“ Was ist heute sozialdemokratisch? In Nordrhein-Westfalen, ihrem Herzland, verstehen sich die Sozialdemokraten als große Kümmerer, und Hannelore Kraft ist ihr Idealbild. Wenn es schiefgeht am 22. September, könnte Kraft Parteichefin werden. Von Stefan Willeke

An einem dieser heißen Som - Da sitzen sie dann eng nebeneinander Ministerpräsidenten von Nordrhein-West - merabende, die jeden ver - an einem Kneipentisch, fünf Männer aus falen, Kanzler Schröders Superminister. nünftigen Gedanken verduns - dem Vorstand des SPD-Ortsvereins Bo - Clement hatte vor der hessischen Land - WAHL ten lassen, setzt sich Rudolf chum-Hamme, mit Gesichtern wie aus tagswahl im Jahr 2008 in einem Zeitungs - Malzahn in sein Auto und einem Bilderbuch der deutschen Arbei - beitrag dazu geraten, der SPD die Stimme 2013 fährt zum Carolinenglück. terbewegung. Rudolf Malzahn, genannt zu verweigern, und der kleine SPD-Orts - Das Bergwerk Carolinenglück gibt es Rudi, gelernter Maschinenschlosser, Chef verein aus Bochum strengte ein Aus - zwar schon seit fast 50 Jahren nicht mehr, des Ortsvereins. Martin Oldengott, Wirt - schlussverfahren an. Am Ende wurde Cle - aber die Kleingartensiedlung Carolinen - schaftsförderer in Castrop-Rauxel. Ger - ment nicht rausgeworfen, aber er war zer - glück und das Vereinsheim Carolinen - hard Gleim, genannt Gerd, Klempner. mürbt und trat aus. glück sind noch immer da. Das Glück hat Dieter Schröder, ehemals Fuhrparkchef Rudi sagt: „Der Wolfgang Clement war also überlebt, das ist das Wichtigste. bei Aldi in Datteln. Norbert Kriech, Elek - noch nie ein Sozialdemokrat.“ Genau ge - Malzahn ist guter Dinge. Er hat das rote triker. Norbert hat eine Narbe neben dem nommen nennt er ihn gar nicht Clement, Parteibuch eines neuangeworbenen Ge - rechten Auge. Dieter trägt einen Brust - er sagt immer „Klemment“, mit kurzem nossen in die Tasche gesteckt, als Beleg für beutel. Gleich werden sie bei der Kellne - e. Das klingt dann, als hätte sich bei Cle - einen Trend. Er trägt eine rote Hose, auch rin eine Platte Mettbrötchen bestellen. ment etwas Entscheidendes verklemmt. das ist eine Mitteilung. „Ich hole ein paar Die SPD in Bochum-Hamme ist der be - Norbert sagt: „Die SPD war immer für Leute zusammen“, hat er am Telefon ge - kannteste Ortsverein der Partei, seit diese die Schwachen da.“ sagt, und das hörte sich ein bisschen so an, Männer auf eine Idee kamen, für die sie Rudi sagt: „Wir sind ein Bollwerk.“ als hätte der Anführer der Hells Angels an - sich noch heute lieben: Wir schmeißen Martin sagt: „Wir sind in einer Schwarz - gekündigt: „Ich hole die Jungs zusammen.“ Wolfgang Clement raus, den früheren weiß-Welt groß geworden.“

64 ! "  33/2013 Serie

Dieter sagt: „Wir sind Links-Denker.“ Malzahns Männer waren auch dagegen, sie der Politikverdrossenheit, die im Kern Weil Rudi Malzahn gern das letzte dass die Love Parade in Bochum stattfin - aus Politikerverdrossenheit besteht, mit Wort behält, sagt er noch: „Wir sind die det, wegen der Enge und des Drecks. ihrer frappierenden Normalität entgegen - Kümmerer.“ „Die Geschichte hat uns recht gegeben“, wirkt. Von anderen Sozialdemokraten Das hat er auch Sigmar Gabriel auf sagt Martin. Norbert sagt: „Sozialdemo - wird sie um ihre Popularität beneidet. einer Veranstaltung zugerufen, dem Par - krat ist man, wenn man sich für die Mehr - Das Erstaunliche an Hannelore Kraft teichef, damit der weiß, wer die echten heit der Bevölkerung einsetzt.“ ist die Stille, die sie geschaffen hat. Ihre Kümmerer sind, diejenigen, die sich Rudi sagt: „Wir sind hier weit und breit Politik verursacht fast keine störenden schon gekümmert haben, bevor die nord - der einzige Ortsverein mit einem Mitglie - Geräusche. Sie koaliert mit den Grünen, rhein-westfälische Ministerpräsidentin derzuwachs.“ 160 Genossen, Jahr für Jahr aber anders als bei ihren sozialdemokra - Hannelore Kraft und ihre Leute sich ein paar mehr. Einer ist mal ausgetreten, tischen Vorgängern Peer Steinbrück und ständig Kümmerer nannten. „Sigmar“, der ehemalige Schriftführer, wegen des Wolfgang Clement, die lieber mit der rief Malzahn mit seiner durchdringen - Rauchverbots in Kneipen. Gerd sagt: „Ich FDP als mit den Grünen regiert hätten, den Stimme, „hömma, wir sind die Küm - habe schon in der dritten Klasse ge - dringt kein politischer Streit nach drau - merer!“ raucht.“ ßen. Es ist ihr gelungen, sich durchzuset - Das war der Versuch, Bochum-Hamme In die Gesichter dieser Männer haben zen, ohne sich in Kämpfen aufzureiben. zum Modell zu machen – für die ganze sich Lebensgeschichten gegraben. Rudi „Sie hat zwar die Macht, aber sie fängt Partei. Es war auch der Versuch, dem Vor - Malzahn und seine Genossen spielen sich damit wenig an“, sagt ein Sozialdemo - sitzenden zu erklären, warum sich die So - zialdemokratie in Nordrhein-Westfalen nach ein paar elenden Jahren politisch erholt hat, warum sie konstanter ist als die Bundespartei, erfolgreicher. Nordrhein-Westfalen wird von der SPD regiert, zusammen mit den Grünen. Bei der Landtagswahl im Mai 2012 holte die Partei der Ministerpräsidentin 39 Prozent der Stimmen. In Meinungsfragen steht Kraft noch heute ungewöhnlich gut da. Martin sagt: „In vier Jahren ist sie Kanz - lerkandidatin.“ Norbert sagt: „Wenn Han - nelore Kraft jetzt schon angetreten wäre, hätten wir bessere Chancen.“ Es ist völlig klar, dass sie einem Kandidaten, der nie - mals eine Flasche Pinot Grigio für fünf L E

Euro kauft, von Grund auf misstrauen. G E I P S In der Adventszeit verteilen die Leute R E D

von der SPD Bochum-Hamme Weih - /

E N

nachtsmänner aus Schokolade, versehen Ö H C S mit einem kleinen Flugblatt. Am Mutter - N E tag verschenken sie Rosen, auch mit Flug - Mitglieder des SPD-Ortsvereins Bochum-Hamme* T S R A blatt. Sie besorgen Wohnungen für Alte, K beschaffen dem Fußballverein Geld. Sie setzten sich dafür ein, eine Baracke nie - derzureißen, in der Asylbewerber lebten, auf, aber sie verstellen sich nicht. Sie ver - krat, der viele SPD-Politiker ehemaliger und die Menschen auf andere Wohnun - körpern etwas, um das sich Politiker be - Landesregierungen gut kennt. „Früher gen zu verteilen. Gerd sagt, er habe ein mühen. stellte sich ein Ministerpräsident gegen Foto vom Patriarchen eines Roma-Clans Man braucht nicht viel Phantasie, um den Wind, weil er glaubte, er müsse die geschossen, der am Straßenrand auf ei - die politische Linie aus Bochum-Hamme Richtung des Windes ändern. Hannelore nem Sessel thront und seine Füße in einer zur Staatskanzlei in Düsseldorf zu ver - Kraft lässt sich mit dem Wind treiben. Wasserwanne badet. längern, wo seit drei Jahren eine Sozial - Vielleicht ist das die weibliche Art, Politik Die Männer von der SPD sind für ge - demokratin regiert, die viel Geld in be - zu machen, vielleicht ist es sogar die klü - ordnete Verhältnisse. Sie prozessieren nachteiligte Städte und in benachteiligte gere Methode.“ gern. Im Augenblick klagen sie gegen den Familien steckt, die Studiengebühren ge - Der Christdemokrat Jürgen Rüttgers, Betrieb einer Mülldeponie. Steckt man strichen und damit ärmere Familien ent - der im Jahr 2010 als Ministerpräsident in einem Konflikt, dann ist es bestimmt lastet hat, die den gemeinsamen Schul - von Nordrhein-Westfalen abgelöst wurde, ein beruhigendes Gefühl, einen dieser unterricht von behinderten und nicht - hoffte noch, sich das Image des früheren Männer hinter sich zu wissen. Aber sie behinderten Kindern fördert. „Kein Kind SPD-Regierungschefs Johannes Rau an - sind auch die Pest. Es muss nur einer von zurücklassen“, das ist ihre wichtigste poli - eignen zu können. Aber das ging schief. Malzahns Gruppe in einer Behörde auf - tische Botschaft. Rüttgers bemühte sich um den Nachlass tauchen. Man kann sich gut vorstellen, Fasst man Krafts Bilanz wohlwollend des politischen Gegners und machte sich wie sich die Sachbearbeiter dann in ihren zusammen, dann kann man sagen: Sie Zimmern einschließen, weil sie ahnen, macht die Sozialdemokratie bei den Men - * V. l.: Martin Oldengott, Dieter Schröder, Rudolf Mal - dass gleich eines ihrer Vorhaben blockiert schen glaubhaft, die sie wählen sollen. zahn, Gerhard Gleim, Norbert Kriech im Vereinsheim werden soll. Sie macht sich verdient um Politik, weil Caro linenglück.

! "  33/2013 65 Serie

L E G E I P S

R E D

/

E N Ö H C S

N E T S R A K

:

S Opel-Betriebsrat Einenkel Sozialdemokratin Hördum O T O F dadurch unglaubwürdig. Hannelore Kraft Landtagswahl im Jahr 2010 mit den Ver - von der SPD regiert, seit es die Bundes - unternimmt gar nicht erst den Versuch, handlungsführern der CDU im Konfe - republik gibt. Auch als andere rote Städte sich mit ihren Vorgängern in eine Reihe renzraum eines Düsseldorfer Flughafen - an der Ruhr plötzlich schwarz wurden, zu stellen. Ohnehin misstraut sie den al - hotels traf, um die Chancen für eine ge - blieb Bochum rot. ten Männerbünden der nordrhein-west - meinsame Regierung zu sondieren, ging Opel war der Beweis für politische Weit - fälischen SPD, den Skatrunden und Bier - es anderthalb Stunden lang allein darum, sicht. Noch bevor die meisten Bergwerke tischbeschlüssen, und deswegen misstraut den Christdemokraten moralisches Ver - in den sechziger Jahren starben, trafen sie zugleich einem Teil ihrer eigenen Bio - sagen vorzuhalten. Kraft regte sich da - sich Politiker mit den Managern des Au - grafie. mals über ein „Kraftilanti“-Wahlplakat tokonzerns General Motors in Hotels au - So ist sie ja groß geworden, in Mülheim der CDU auf, das sie als ätzenden Spott ßerhalb der Stadt. In geheimen Verhand - an der Ruhr, umgeben von der Stahl- empfunden hatte. Beobachter erinnern lungen holten Politiker die Opel-Werke arbeiter-SPD der siebziger und achtziger sich daran, wie unablässig Hannelore in die Stadt, gegen den Willen des Berg - Jahre. Sie kann fünfmal kurz hintereinan - Kraft die CDU-Politiker in jeder der ge - baus, der sich vor einer Konkurrenz fürch - der „dat“ und „wat“ sagen – was dann meinsamen Sitzungen zu einer Katharsis tete, die höhere Löhne zahlen könnte. wie eine Verneigung vor ihrer eigenen nötigen wollte, bevor sie bereit war, über Dem Bergbau gehörten die Flächen, auf Geschichte wirkt. Aber man würde Han - Inhalte zu reden. Die politische Stärke denen die Opel-Werke entstehen sollten, nelore Kraft unterschätzen, und die Politiker traten als Zwi - wenn man annähme, sie führe schenhändler auf, die ihre wah - nichts im Schilde. ALLES, WAS SICH NICHT AUS ren Absichten verschleierten. Besucht man sie in ihrem DER VERGANGENHEIT ERGIBT, GILT Opel war ihr Scoop. Büro in Düsseldorf, dann sitzt Das Werk wurde später zu man einer auf merksamen ALS VERDÄCHTIG. DAS IST DAS einem Aushängeschild der So - Frau gegenüber, die eine knall - zialdemokratie, weil in ihm rote Hose trägt und nicht be - SOZIALDEMOKRATISCHE DILEMMA. vieles zusammenkam, wofür reit ist, sich politisch festzu - die SPD stand. Opel war der legen. Fragt man sie, ob sie für die untere war ihr nicht genug, auch moralisch muss - Sieg des politischen Willens über die vor - Hälfte der Gesellschaft Politik mache, te sie gewinnen. herrschende Industrie. Opel bedeutete Er - dann antwortet sie: „Nicht ausschließ - „Wir sind die Guten.“ Das könnte die neuerung, 20 000 Arbeitsplätze. Opel löste lich.“ Sie handle auch im Sinne der Losung des Jahres 2013 werden. Jeder ein Versprechen ein, das die Sozialdemo - mittelstän dischen Unternehmer. möchte gut sein, moralisch überlegen. So - kraten der siebziger Jahre gaben: Morgen Hannelore Kraft spricht von Politik wie gar die Anti-Euro-Partei Alternative für wird es euch besser gehen. Das war ein von einer Werkstatt. Politik müsse repa - Deutschland plakatierte den Satz auf eine ma terialistischer Zugang zur Politik, aber rieren, was kaputtgegangen sei. Sie sagt: Wand in einer Versammlungshalle. Selbst einer, der ein ganzes Land beflügelte. „Ich sehe all die Menschen vor mir, die Politiker, die aus der Politik geflohen sind, Inzwischen steckt Opel tief in der Krise, es im Leben schwer haben.“ Dafür findet wie der ehemalige Hamburger Bürger - das Bochumer Werk soll Ende kommen - man in ihrer Politik eine Menge Belege. meister Ole von Beust, bemühen mora - den Jahres geschlossen werden, dagegen Dann, am Ende des Gesprächs, wird sie lische Kategorien, um ihre Motive zu ver - haben die Arbeiter oft protestiert. Früher euphorisch und sagt über die SPD einen edeln. Die Guten sind überall. Nur: Was waren das Veranstaltungen, auf denen bemerkenswerten Satz: „Wir sind die Gu - ändert sich dadurch? die roten Fahnen der IG Metall neben ten.“ Das ist ein Satz, der hängenbleibt. Die Sozialdemokratie ist zu einem un - denen der SPD flatterten. Fragt man Man könnte denken, das sei ein flapsi - scheinbaren Gast geworden an einem Ort, Rainer Einenkel, den Chef des Betriebs - ger Wahlkampf-Slogan, aber sie meint der ihr eigentlich gehören müsste, den rats im Bochumer Autowerk, wie viele diesen Satz ernst. Als sich Kraft nach der Opel-Werken in Bochum. Die Stadt wird seiner Leute heute noch Sozialdemokra -

66 ! "  33/2013 ten seien, dann muss er eine Weile über - Fragt man Einenkel, ob es für die Opel- lismus, den die SPD einst in wirtschaftlich legen. Der Betriebsrat hat 31 Mitglieder. Arbeiter noch Gründe gebe, SPD zu wäh - stabileren Zeiten verströmte, ist einem „Vier müssten es sein“, sagt Einenkel, „ich len, antwortet er: „Einen Grund muss es engagierten Flickschustern gewichen, das weiß es aber nicht genau. Die treten nicht noch geben, ja.“ viel Geld kostet. groß in Erscheinung.“ Welchen? 130 Milliarden Euro Schulden hat Im Dezember erklärte der Kanzlerkan - „Vielleicht wegen der sozialen Gerech - Nordrhein-Westfalen angehäuft. Solange didat Peer Steinbrück in einer Talkshow, tigkeit.“ die Steuereinnahmen so hoch sind wie es sei sinnlos, das Bochumer Werk zu Wo sehen Sie die? im Augenblick, ist Krafts Politik nicht retten, es sei wirtschaftlich am Ende. Und Er versucht, etwas zu entgegnen, aber akut in Gefahr. Verringern sich die es folgte einer dieser Tage, an denen ihm fällt nichts ein. Schließlich sagt er: Einnahmen, droht sofort die Grundlage Einenkel zu den Sozialdemokraten im „Es ist nicht so, dass wir meinen: Die SPD zu zerbrechen. Im März rügte das Opel-Betriebsrat ging und ihnen sagte: hilft uns.“ Landesverfassungs gericht in Münster „Nehmt es nicht persönlich.“ Der partei - Sozialdemokraten sind hier nicht die zum dritten Mal Nordrhein-Westfalens lose Einenkel, der früher Kommunist war, Guten und nicht die Bösen. Sie sind hilf - Haushalt. Der Haushalt sei verfassungs - ist inzwischen geübt darin, Sozialdemo - lose Beobachter. Das kann man bedauern, widrig, wegen der hohen Kredite, so et - kraten zu trösten. aber man kann es Hannelore Kraft nicht was ist bei früheren Landesregierungen Es sei seltsam, sagt Einenkel, mit dem vorwerfen. Es wäre aber an der Zeit zu nicht vorgekommen. Wirtschaftsministerium des Landes habe fragen: Was kommt, wenn Opel geht? Blickt man argwöhnisch auf Hannelore er kaum noch Kontakt. Schlage er mor - Gibt es ein sozialdemokratisches Bild der Kraft, dann kann man sagen: Sie baut gens seine Pressemappe auf, entdecke er Zukunft, einen Entwurf, irgendetwas, das ihre Regierung zu einem Landessozial - nie einen Artikel über Opel, in dem Han - die politische Phantasie anspricht? Ein amt um. Sie vergrößert die Basis der nelore Kraft vorkomme. Äußert sie sich Versprechen, das besser in die Zeit passt poli tisch Begünstigten, aber sie verklei - dazu nicht, weil sie hier nichts mehr ge - als Opel? nert den gestalterischen Ehrgeiz an der winnen kann? Einenkel gibt noch nicht Vor langer Zeit war die SPD in Nord - Spitze. Die SPD hat keine Idee gefunden, auf. Vor Jahren sei ihm schon einmal mit - rhein-Westfalen eine Macht der Erneue - die nach vorn weist, das ist ihr Problem. geteilt worden, das Werk werde geschlos - rung, inzwischen ist sie ein Reparatur - Wen vertritt die Partei, wenn es immer sen. Ein Datum für das Ende wurde ge - betrieb, dessen Chefin sich überlegt, für sinnloser wird, sich für Fabrikarbeiter nannt, und eine Uhrzeit. Aber das Werk welchen Schaden sie zuständig ist, für starkzumachen, von denen es immer hat überlebt. welchen nicht. Der fröhliche Materia - weniger gibt? Was hat die SPD einem Serie

Menschen zu sagen, der keine schwere deutschen Pass. Oft hat sie in Brüssel zu 66 Jahre alt. Römer war früher Chef der Last mehr trägt? tun. Das ist die berufliche Seite. Bergarbeiterzeitung „Einheit“, ein kno - Tine Hördum ist so ein Mensch. In ihrer Die sozialdemokratische Seite ist an - chenharter Lobbyist der Montanindustrie. Familie gibt es keine Bergarbeiter, sie ders. Sobald sie sich für Familien in so - Die „Einheit“ war für die SPD an der fährt auch keinen Opel. Vor einem Café zialen Brennpunkten einsetzt, muss sie Ruhr immer das, was der „Bayernkurier“ in Köln bindet sie ihr Fahrrad an einem das Viertel verlassen, in dem sie lebt. Sie für die CSU ist, nicht bloß eine Zeitung, Laternenpfahl fest. Sie setzt sich lachend muss sich für Menschen interessieren, die sondern eine Festung. Wer wie Römer auf einen Stuhl und steckt die Sonnen - Schwierigkeiten haben, die Miete zu zah - der „Einheit“ vorstand, hat sich als Pla - brille ins Haar. Sie sagt, sie mag den Som - len. Sie muss sich aus ihrem eigenen Le - nierraupe bewährt. Manche seiner Genos - mer. Tine Hördum ist 30 Jahre alt, seit ben entfernen. Sie vertieft sich in Proble - sen nennen ihn „Hannelores Ketten - 2012 ist sie im Landesvorstand der SPD. me, die nicht ihre sind. Das ist ein poli- hund“. Das Überraschende daran ist, dass Tine Hördum machte auf sich auf- tischer Auftrag, und den nimmt sie ernst. es Kraft gelungen ist, Römer an ihre Kette merksam, weil sie die erste Frau war, die Sie sagt, sie sei in die SPD eingetreten, zu legen. in Köln die Juso-Gruppe leitete, in der weil das die Partei des sozialen Zusam - Stärker denn je versucht sie, die Frakti - on im Landtag geschlossen auf ihre Linie zu ziehen. Ein Abgeordneter sagt: „Kraft hat einen Plan, den kaum jemand kennt. Römer könnte ihn kennen.“ Der Plan könnte sein: Bundesvorsitzende der Partei zu werden, falls SPD-Chef Sigmar Gabriel am 22. September über eine drastische Wahlniederlage stürzen sollte. Dann wür - de sich die Frage nach der Erneuerung stellen, und auf Hannelore Kraft käme die SPD sehr schnell. Bundespolitik, Ber - lin? Das hat sie immer dementiert. Ministerpräsidentin, so beteuert sie, werde sie bleiben, und ihre Absage an Berlin ist auch ein Instrument in Düssel - dorf. Rebellen gibt es in ihrer Fraktion ohnehin nicht mehr, aber wenn mal ein Abgeordneter wagt, sich querzustellen, kommt hinterher Norbert Römer oder einer seiner Verbündeten und bittet den Abweichler zum Gespräch. Über die Be - soldung von Beamten wurde im Juli hef - tig gestritten. „In der ganzen Debatte“, sagt ein Abgeordneter, „bewegte sich Kraft keinen Millimeter. Das ging schon D

P Richtung Basta-Politik. Sie fühlt sich per - A D

/ sönlich angegriffen, wenn zu viele Leute N N A nicht ihrer Meinung sind. In dieser Uner - M T R

A bittlichkeit ähnelt sie inzwischen Wolf - H

R

Stahlarbeiter in Duisburg E gang Clement.“ K L O

V Es gibt niemanden in der Fraktion, der ihr gefährlich werden könnte, niemanden, der es wagt, sie herauszufordern. Des - dann die Zahl der Mitglieder überra - menhalts sei. Sie ist bereit, bis Bochum- wegen nennen einige SPD-Abgeordnete schend stark stieg. Sie wohnt in Köln- Hamme zu denken, auch wenn ihr Brüs - sie „Mutti“ – Angela Merkels Spitzname. Rodenkirchen, einem sehr bürgerlichen sel näherliegt. Aber das ist ein heimlicher Spott, eine Viertel, frei von sozialen Schäden. Zwi - Eine junge Sozialdemokratin, die in kleine Gemeinheit, die bloß getuschelt schen Tine Hördum in Köln-Rodenkir - europäischen Kategorien denkt, fern von wird. Dass es sich niemand mit ihr ver - chen und Rudi Malzahn in Bochum- alten Seilschaften, das könnte ein interes - derben will, sagt etwas über Hannelore Hamme gibt es keine Verbindung außer santer Weg sein. Jemand wie Tine Hör - Krafts Autorität, aber es sagt noch viel dem Parteibuch. dum könnte Modell stehen für eine so - mehr über die Verzagtheit in ihrer Partei. Man müsste Tine Hördum mühevoll er - zialdemokratische Idee, die sich gegen Krafts Fraktionschef Norbert Römer klären, wie eine Kokerei funktioniert. ihre Beharrungskräfte durchsetzt. Aber drückt es so aus: „Die SPD ist da am Viele Menschen verstehen nicht sofort, so sind die Verhältnisse in Nordrhein- erfolgreichsten, wo sie ganz alt ist und was sie meint, wenn sie mit einer ihrer Westfalen noch lange nicht, das ist das sich auf ihre Traditionen besinnt.“ Tref - liebsten Abkürzungen um sich wirft: sozialdemokratische Dilemma. Was sich fender kann man das Dilemma nicht ÖPNV (Öffentlicher Personennahver - nicht aus der Vergangenheit erschließt, beschreiben. kehr). Bei den Kölner Stadtwerken ist sie gilt sofort als verdächtig oder als Verrat. für Europapolitik zuständig. Europa be - Man sieht es an Norbert Römer, dem Im nächsten Heft: Regieren im Haifisch - schäftigt sie sehr. Sie hat Freunde in Ita - Fraktionschef der SPD im Landtag. Er ist becken Berlin. Dazu ein Essay über das lien, sie hat einen dänischen und einen Hannelore Krafts wichtigster Vertrauter, Ostdeutsche in Angela Merkel.

68 ! "  33/2013