„Frauen Arbeiten Effizienter“

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„Frauen Arbeiten Effizienter“ Deutschland SPIEGEL-GESPRÄCH „Frauen arbeiten effizienter“ Die neuen Spitzenkandidatinnen der SPD in Hessen und Nordrhein-Westfalen, Andrea Ypsilanti, 49, und Hannelore Kraft, 45, über männliche Seilschaften, weibliche Stärken und die Schwierigkeit, in der Politik den nötigen Stallgeruch zu bekommen SPIEGEL: Frau Ypsilanti, Frau Kraft, der Zu- stand der SPD in Hessen und in NRW ist desolat. Stimmt also der Satz von Heide Si- monis, der früheren Ministerpräsidentin in Kiel, dass Frauen nur dann ans Ruder ge- lassen werden, wenn die Zeiten schlecht sind und es wenig zu gewinnen gibt? Ypsilanti: Es gibt viel zu gewinnen, zwei Länder nämlich. Aber Hannelore Kraft und ich sind nicht als Retterinnen gewählt worden, sondern für unsere Programme und das Profil. Kraft: Und vielleicht geht es auch um den Stil, denn Frauen machen womöglich nicht besser Politik, aber meistens anders. Wir gehen anders an die Sachen heran, kom- munikativer, auch das Bauchgefühl spielt bei uns eine Rolle. Ypsilanti: Frauen bringen Teamfähigkeit, Beratungsfähigkeit und hin und wieder ein Stück Gefühl mit. Dergleichen müssen sich Manager in Seminaren für viel Geld an- eignen. Frauen erleben Politik anders, vor / BILDFOLIO BOSTELMANN BERT allem wenn sie Kinder haben. Wir wissen aus Erfahrung also zum Beispiel, wie es in Hannelore Kraft und Andrea Ypsilanti der Bildungspolitik aussieht; und wer Kin- sollen beide als Landes- und Fraktionsvorsitzende für die SPD antreten. Sie sind als Seitenein- der hat, sieht auch etwa die Fragen der steigerinnen in der Politik gelandet – die eine war zuvor Unternehmensberaterin, die andere jobbte Nachhaltigkeit ganz anders. als Stewardess. Beide sehen sich als Vorbilder für Frauen, die Familie und Vollzeit-Job unter einen SPIEGEL: Ist es leichter geworden, als Frau Hut bekommen. Ypsilanti, die ihren griechischen Namen aus erster Ehe behielt, und Kraft sind mit harten Themen in der Politik ernst ge- Mütter jeweils eines Sohnes, stammen aus Arbeiterhaushalten und setzen auf ein soziales Profil. nommen zu werden, seit mit Angela Mer- kel eine Frau das Land regiert? Ypsilanti: Nein. Es wird bei einer Frau im- durch die Bildungspolitik der SPD studie- rin gemacht, weil ich beruflich mit der EU mer noch gefragt: Kriegt die das hin? Hat ren, durch Aufstiegshilfen und Bafög. Ich zu tun hatte und weiß, wie Brüssel funk- die das Standing, kann sie auch auf den bin 1994 in Mülheim in die SPD eingetre- tioniert. Peer Steinbrück hat mich dann Tisch hauen? ten, als sie nach einem Skandal am Boden zur Wissenschaftsministerin berufen. Da Kraft: Wir werden auch mit ganz anderen lag – weil ich der Partei etwas zurückgeben gab es keinen Unterschied, ob nun eine Adjektiven belegt. Wenn ich etwa als Op- wollte. Frau oder ein Mann etwas sagte am Kabi- positionsführerin eine kämpferische Rede Ypsilanti: Ich kam 1986 über die Gewerk- nettstisch. halte, dann ist das für einige „schrill oder schaft zur Partei. Und, ja, ich war Stewar- SPIEGEL: Sie beklagen die männlichen aggressiv“. Bei einem Mann wird dasselbe dess. Als ich dann anfing zu studieren, war Strukturen im Politikbetrieb, zum Beispiel als „energisch und durchsetzungsstark“ be- es nicht mehr so sehr die ÖTV, sondern die endlosen Abend- und Nachtsitzungen zeichnet. die SPD, die für mich wichtig wurde. – und haben sich dennoch darauf einge- SPIEGEL: Verglichen mit Ihren CDU-Geg- SPIEGEL: Sie sagen das so, als sei der Beruf lassen. nern Roland Koch und Jürgen Rüttgers, der Stewardess etwas Unanständiges. Ypsilanti: Nicht auf alles. Gremiensitzun- die quasi schon im Sandkasten mit der Po- Ypsilanti: Nein, aber bei mir heißt es im- gen, die ich leite, gehen nicht bis Mitter- litik angefangen haben, sind Sie beide Sei- mer: die Ex-Stewardess. So nach dem Mot- nacht. teneinsteigerinnen. Ist das ein Nachteil? to: Guckt mal, wo die herkommt. Bei Kurt Kraft: Das habe ich ebenfalls geändert – Kraft: In der Partei muss man sich den Stall- Beck sagt ja auch niemand der Ex-Elek- und alle anderen fanden das überraschen- geruch erarbeiten. Ich mache pro Woche tromechaniker – und vielleicht klingt Me- derweise auch gut. Frauen arbeiten halt drei Parteitermine, damit mich die Leute chaniker für manche ja etwas respektabler effizienter in der Politik – wahrscheinlich, besser kennenlernen. Dabei komme ich als Stewardess. weil es uns mehr um die Sache geht als aus einer Arbeiterfamilie und konnte nur Kraft: Ich habe als Unternehmensberaterin darum, uns in endlosen Wortduellen zu gearbeitet, und als ich gerade mal ein Jahr profilieren. * Das Gespräch führten die Redakteure Matthias Bartsch, im Landtag war, hat mich Wolfgang Cle- SPIEGEL: Männer sichern ihre Macht durch Horand Knaup und Barbara Schmid. ment zur Europa- und Bundesratsministe- Seilschaften, was machen Frauen? 24 der spiegel 52/2006 Ypsilanti: Frauennetzwerke sind nicht aus- dass sie nach einem Jahr wieder raus müs- machen, könnte ich damit hervorragende geprägt. Wo will man da auch netzwerken, sen. Diese Menschen haben keine Chance Bildungsprogramme finanzieren. es gibt ja einfach zu wenige. Ich war im- auf dem ersten Arbeitsmarkt, aber sie wol- SPIEGEL: Wir dachten, Sie wollten die Bil- mer eine Befürworterin der Quote. Ich bin len arbeiten. Also brauchen sie eine Per- dungsinvestitionen durch die Wiederein- durch sie überhaupt erst in den Landtag spektive, die können wir ihnen geben – führung der Vermögensteuer finanzieren. gekommen. zum Beispiel durch eine dauerhafte Be- Ypsilanti: Ja, wir wollen auch die Vermö- SPIEGEL: Sie gelten beide als links und wol- schäftigung im sozialen Arbeitsmarkt. gensteuer für hohe Vermögen wieder ein- len sich nun über das Thema soziale Ge- SPIEGEL: Plädieren Sie auch für höhere führen – und zudem die Erbschaftsteuer rechtigkeit profilieren. Müssen die neuen Steuern wie Frau Ypsilanti, um dergleichen erhöhen. Auch das ist eine Frage der Ver- starken Frauen in der SPD links sein? zu finanzieren? teilungsgerechtigkeit. Kraft: Ich kann mit dem Links-rechts- Kraft: Durch die Mehrwertsteuererhöhung SPIEGEL: Frau Kraft, Sie haben zwar noch Schema nichts anfangen. Wenn soziale Ge- im kommenden Jahr werden die Einnah- mehr als drei Jahre Zeit bis zur nächsten rechtigkeit und Chancengleichheit links sind, dann bin ich links. SPIEGEL: Sie beide wollen zum Beispiel die Vermögensteuer wieder einführen, um so- ziale Wohltaten zu finanzieren. Ypsilanti: Das ist eine Frage der Gerechtig- keit. Wir sind eine linke Volkspartei. SPIEGEL: Sie haben die Hartz-Reformen lange hart bekämpft. Jetzt gibt es erste Er- folge. Sind Sie nun versöhnt? Ypsilanti: Ich habe nach wie vor zwei Kri- tikpunkte: Es gibt Arbeitslose, die können wir einfach nicht mehr vermitteln. Denen können Sie noch so viel Stütze und ande- re Leistungen streichen, die kommen da- durch nicht wieder in Arbeit. Außerdem hadere ich mit der Arbeitslosenversiche- rung. Wer viele Jahrzehnte eingezahlt hat, darf nicht nach einem Jahr schon so schnell MICHAEL SOHN / AP ins Arbeitslosengeld II abrutschen, wie das CDU-Amtsinhaber Koch, Merkel, Rüttgers: „Frauen erleben Politik anders“ jetzt geregelt ist. SPIEGEL: Da sind Sie sich ja wunderbar ei- Landtagswahlergebnisse in Prozent nig mit dem CDU-Mann Jürgen Rüttgers, 50 52,1 den Frau Kraft aus dem Amt jagen will. 48,8 Ypsilanti: Überhaupt nicht. Rüttgers will 46,2 48,4 den jüngeren Leuten etwas wegnehmen, 45,6 44,8 damit die Älteren länger Geld bekommen. HESSEN 45 NORDRHEIN- 43,2 Das will ich nicht. 42,8 WESTFALEN SPIEGEL: Dann kostet das aber deutlich mehr Geld. 40 Ypsilanti: Ja, aber das ist eine Frage der ge- rechten Ressourcenverteilung. Der Staat 39,4 braucht mehr Geld, um seine dringenden 37,1 35 Aufgaben erfüllen zu können. Das gilt für 36,5 alle Ebenen: Bund, Länder, Kommunen. SPIEGEL: Wenn Sie so viele staatliche Wohl- taten verteilen wollen, müssen Sie die 30 Steuern kräftig erhöhen, auch über die 29,1 Mehrwertsteuererhöhung hinaus. 198283 87 91 95 99 2003 1980 85 90 95 2000 05 Ypsilanti: Wir müssen die Einnahmen er- heblich verbessern, ja. Hier geht es aber men steigen, und der Staat muss effizien- Landtagswahl, setzen aber jetzt schon auf nicht um Wohltaten, sondern darum, dass ter werden. ein uraltes SPD-Thema in NRW: die Koh- der Staat seine Aufgaben erfüllen kann. SPIEGEL: Das wird wohl nicht reichen. leförderung. Müssen Sie diese Museums- Kraft: Ich habe da eine etwas andere Posi- Kraft: Der Staat darf nicht leichtfertig auf Technologie verteidigen, um an Rhein und tion. Ich teile zwar Rüttgers’ Analyse, dass Einnahmen verzichten – auch nicht bei der Ruhr wählbar zu sein? es eine große Verunsicherung in der Ge- Unternehmensteuerreform. Sie ist im Kern Kraft: Ich bin ganz sicher nicht traditions- sellschaft gibt. Aber die Lösung ist nicht, richtig, insbesondere die Sicherung der Ge- getrieben in der Industriepolitik. Wir wol- Arbeitslosen länger Geld zu zahlen. Wir werbesteuer. Aber es ist eine Frage der so- len die Kohleförderung erhalten, weil das brauchen mehr Jobs, und wir brauchen ei- zialen Balance: Dauerhafte Nettoentlas- vernünftig ist. Wir erleben doch alle leid- nen sozialen Arbeitsmarkt für die Men- tungen für große Konzerne und steigende voll, dass die Weltenergiemärkte nicht si- schen, die keine Chance haben, in den ers- Belastungen für die Bürger passen nicht cher sind. Wir dürfen uns nicht vollständig ten Arbeitsmarkt zurückzukehren. zusammen. Darum ringe ich mit Finanz- abhängig machen. SPIEGEL: Sie fordern einen dritten Arbeits- minister Peer Steinbrück. SPIEGEL: Deshalb soll eine ökologisch frag- markt? Ypsilanti: Allein Hessen erwartet Ausfälle würdige Technik mit Milliardensubventio- Kraft: Ich erlebe in meiner Sprechstunde durch die Unternehmensteuerreform von nen am Leben erhalten werden? oft Ein-Euro-Jobber, die ihre Arbeit be- 400 Millionen Euro. Statt mit dem Geld ei- Kraft: Die meisten Summen, die da genannt halten wollen und nicht verstehen können, nige wenige Unternehmen noch reicher zu werden, sind viel zu hoch. Es würde 700 der spiegel 52/2006 25 Deutschland Millionen bis eine Milliarde Euro pro Jahr Kraft: Es war sehr richtig, dass Gerhard Ypsilanti: Jedenfalls keine Lösung, die dau- kosten, eine Sockelförderung von zehn Schröder den Prozess mit der Agenda 2010 erhaft Strukturen schafft, die einer Bür- Millionen Tonnen zu erhalten. Wenn wir eingeleitet hat.
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