Biturbo Ghibli II

Maserati Ghibli II - oder „der Kampf Nicht böse genug. auf der Landstraße“ Nachdem ich mich mit meinem Geschäftspart- ner überworfen hatte, war auch die Lust am Eines gleich vorab: Der folgende Bericht ist Porsche versiegt. Überhaupt schien es aus alles andere als objektiv und behandelt neben deutscher Produktion nichts wirklich Aufre- ein paar Randcharakteren den Protagonisten gendes mehr zu geben. Mal abgesehen von II. Die Inhalte sind nicht einmal einem M1 oder einem Flügeltürer. Verschulden gut recherchiert und spiegeln neben Erfah- wollte ich mich für ein Auto aber nicht. rungswerten ganz viel Freude an den Biturbos von Maserati wider. Die deutsche Korrektheit und das ständige Streben nach Perfektion im Automobilbau Das Thema Maserati beschäftigt mich seit nervten mich. meiner Jugend. Damals viel zu exklusiv und damit nicht bezahlbar, musste ich den Genuss, So kam ich über Umwege doch noch zum Ma- selber einmal einen Maserati zu besitzen, serati. Ein Biturbo musste es werden und nach lange vor mir her schieben. Später war es dann langen Gesprächen mit Arno fuhren wir nach das ungute Gefühl, welches mich nach einigen Solaro um bei Herrn Campana einen 2.24v Alfas beschlich, nicht nach einem Maserati zu für mich zu holen. Ein Top-Exemplar, welches greifen, sondern mich im Hause Porsche näher keinen Zweifel an seiner sportlichen Herkunft umzusehen. aufkommen ließ. Dieser kleine Wagen bereite- te mir unglaublich viel Spaß, die ihm oft ange- Auch durch meine einst berufliche Tätigkeit hängte Unzuverlässigkeit trat noch nicht einmal im direkten Porscheumfeld (wir betrieben eine ansatzweise ein. Porsche-Restaurationswerkstatt) hatte ich die Gelegenheit, beinahe jedes klassische Modell So entschied ich mich einige Zeit später, mich zu fahren und konnte mir so über die unter- weiter in der Biturbo-Modellpalette zu orien- schiedlichen Konzepte ein klares Bild machen. tieren, Arno riet mir dringend zum Kauf eines Ghibli II. Soviel ist zu sagen: Nach einigen privaten Car- Nachdem wir –ebenfalls bei Campana- ein rera fuhr ich zum Schluss meiner Porsche-Kar- schönes Exemplar gefunden hatten, stand die riere einen 968 CS. Einer der aufsteigenden Heimreise an. Youngtimer-Sterne. Und das zu Recht. Nichts ist mehr übrig vom Hausfrauen-Image der 924er. Eine pure Fahrmaschine, gewichtsre- duziert, sehr neutral, fast langstreckentauglich und auf der Landstraße durchaus böse.

Natürlich auf eigener Achse. Es war die schönste Überführungsfahrt in mei- ner Zeit als Autoliebhaber. Der Ghibli hat nichts aber auch gar nichts von einem vergleichbaren Porsche. Bedingt durch seinen traumhaften 2-Liter-Bi- turbo-Motor ist der Wagen so bissig, wie ich es selbst bei modernen Exoten (z.B. Gran Cabrio) noch nicht erlebt habe. Kein Wunder, dass den Ghibli Open Cup zugunsten der Challenge eingestellt hat

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Das elektrisch verstellbare Fahrwerk mit der Es ist zum Schlapplachen, wie Yuppies in ihren sehr präzisen Lenkung geben dem Eindruck Boxstern einfach nicht an meine „Belva“ (zu der kompromisslosen Überlegenheit den Rest. dt.: Bestie) herankommen. Eines der ganz wenigen Fahrzeuge mit vorne Das Ganze vor einer einzigartigen Soundkulis- verbautem Motor und Heckantrieb, welches ein se, die der Modena-Sportauspuff in eine Oper, solches Fahrgefühl zulässt. vergleichbar derer Richard Wagners, verwan- delt. Laut, monumental, dramatisch! Die Göt- Doch Vorsicht! Nasse Straßen sind zwar ohne terdämmerung. Zweifel das Terrain eines Ghibli, doch der Fah- rer sollte wissen, was er tut. Dann kann man Na ja, gut, das ist vielleicht etwas übertrieben. den Maserati mit einer Leichtigkeit quer durch Aber nah dran. Ein Lambo oder auch mancher Kurven fahren, ohne dabei den peinlichen Ein- Ferrari mögen krawalliger klingen. druck des prollig herbeigeführten Driftens zu Der Maserati-Sound passt aber exakt zum Ge- erwecken. samtkonzept des Ghibli.

Stichwort „prollig“. Die Drehfreudigkeit des Motors ist fantastisch Der Ghibli ist ein Meister des Understatements. und ab 3000 Touren gibt’s richtig Feuer! Am Nähme man die Markenembleme ab, hätte der liebsten verlässt man die Autobahn und fährt ein oder andere Zeitgenosse Schwierigkeiten, weiter über schöne Nebenstrecken. den Wagen seiner italienischen Herkunft zuzu- Wie Arno mir einst erklärte: „Der Ghibli ist ge- ordnen. So wird man bei beinahe jedem Tank- baut für den Kampf auf der Landstraße!“ stopp gefragt, ob es sich denn tatsächlich um einen Maserati handele. Und das ist schön! Er hat doch recht. Selbst mancher Motorrad- Der Ghibli bewegt sich weit ab von den üb- fahrer hält nach ersten Überholversuchen lichen Mainstreamern und sichert so seinem gebührenden Abstand. Fahrer das entsprechende Quantum an Exklu- Des Öfteren habe ich die Gelegenheit, das ak- sivität. tuelle Gran Cabrio meines Geschäftspartners zu fahren. Ein tolles Ding. 450 PS, Klappen- Seine luxuriöse Innenausstattung macht ihn auspuff, toller Sound, traumhafte Silhouette. zum idealen Autobahn-Cruiser. Aber irgendwie auch wie alkoholfreies Bier. Doch so sehr man sich das Cruisen auch vor- Es fehlt etwas. Es ist gut geeignet als Hoch- nimmt, es will einfach nicht gelingen. zeitskutsche und als schneller Überlandflieger. Auf kurviger Strecke wirkt es jedoch beinahe Sagen wir es mal so: Von meinem Wohnort schwerfällig, limousinenartig im direkten Ver- bis zur Autobahn in die nächsten Ballungsräu- gleich zum Ghibli. Möglicherweise tue ich dem me sind es so knappe 25 Kilometer. Schade Wagen unrecht, vielleicht liegt es schlichtweg eigentlich, der Weg zur Auffahrt ist schon sehr auch am Bediener, aber der Ghibli ist gefühlt reizvoll. Die Zeit möchte ich meinem Ghibli wesentlich agiler. aber geben, um auf eine ihm angenehme Be- triebstemperatur zu kommen. Auch die ersten Kommen wir zurück zu Porsche. Der 911 paar Kilometer auf dem Schnellweg können ist völlig überbewertet. Hätte der 968 mehr ganz gemütlich vergehen. Dampf, wäre er schon eine denkbare Alterna- Spätestens der erste 3.0 TDI Kombi mit Licht- tive, wenngleich ihn auch zart besaitete Ge- hupe ist dann der Erste, dem man schon ohne müter sportlich bewegen können. Vollgas zeigen kann, „wo Lutz dat Bier wech Leider ist und war die Nähe zu Volkswagen im- holt“. mer unverkennbar, so dass man auch hier nur Es macht richtig Laune, die irritierten Gesichter in einem Großserienprodukt Platz nimmt. der in billige Polyacryl-Anzüge gehüllten Ver- treter zu sehen, wie sie mit ihren Kombis im Es ist sicher möglich, dass ein Porsche über Rückspiegel immer kleiner werden!! Bei denen viele Jahre im Unterhalt günstiger ist. Wahr ist selbstverständlich mit Vollgas. wohl auch, dass man fast jedes Porscheteil zu 29 Maserati Biturbo Ghibli II jederzeit überall her bekommt.

Die Mähr vom unzuverlässigen Biturbo stimmt jedoch nicht. Er ist auch nicht problematischer als ein Alfa (Alfasud und andere Rostlauben zählen nicht!) oder Ferrari, denn bisher war bei meinen Biturbos noch nichts von Bedeutung de- fekt und mit Kleinigkeiten kann man doch leben.

Dafür hat man aber ein einzigartiges Auto, was nicht nur in dieser Preisklasse an Exklusivität kaum zu überbieten ist.

Eine Lanze für deutsche Sportwagen möchte ich nun doch brechen. Vor einigen Tagen habe ich den Artega GT aus Delbrück zur Probe gefahren. Schön unper- fekt, sehr giftig und laut. Wird bestimmt mal ein Klassiker.

Dennoch bleibe ich den Italienern treu und denke schon über meinen nächsten Maserati nach. Es wird bestimmt wieder einer mit zwei Turbos. Zwei Zylinder mehr wären auch nicht schlecht! Arno, bitte aktiv werden!! Markus Engelskirchen

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