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Chronologie 2015

Dezember 2015

31.12.2015: Nach Angaben des Palästinensischen Statistikbüros in Ramallah werden Ende 2017 im historischen Palästina 6,34 Millionen Juden und 6,22 Millionen Araber leben.

30.12.2015: Das israelische Verteidigungsministerium und der Auslandsgeheimdienst „Shin Beth“ befürchten wachsende Sympathien für den „Islamischen Staat“ unter den beduinischen und sonstigen arabischen Staatsbürgern des Landes. Am 01. Januar 2016 erschießt ein arabischer Staatsbürger in einem Tel Aviver Szenelokal zwei Menschen.

29.12.2015: Die Ministerialbürokratie des israelischen Erziehungsministeriums untersagt den Roman „Der lebende Zaun“ der Autorin Dorit Rabinyan für das Curriculum der Oberstufe. Die Liebesgeschichte würde „die jüdische Identität bedrohen“ und der Assimilation Vorschub leisten. Minister unterstützt das Verbot und bemerkt, dass das Buch überall käuflich erworben werden könne. Amos Oz reagiert auf das Verbot mit der ironischen Empfehlung, doch gleich die ganze Bibel zu verbieten, weil dort von den Königen David und Salomon an sexuelle Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden geschildert würden 1.

1 Dazu mein Kommentar „Erbarmen mit Benjamin Netanjahu?“ in dieser Homepage.

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28.12.2015: Das Oberste Gericht verurteilt mit den Stimmen aller fünf Richter den früheren Jerusalemer Bürgermeister und späteren Ministerpräsidenten Ehud Olmert (2005 – 2009) im Berufungsverfahren zu 18 Monaten Gefängnis ohne Bewährung wegen Korruption. Der heute 70 Jahre alte Olmert muss seine Strafe am 15. Februar antreten. Die Entscheidung in einem weiteren Verfahren steht noch aus 2.

27.12.2015: Auf der wöchentlichen Kabinettssitzung wird ein Gesetz auf den Weg gebracht, wonach alle israelischen NGO’s, die finanziell zu mehr als 50 Prozent ihres Budgets von auswärtigen Regierungen unterstützt werden, dies öffentlich bekanntmachen müssen. Verletzungen des Gesetzes sollen mit zu 7.500 US-Dollar Strafe belegt werden können. wenn die Kennzeichnungspflicht für NGO-Mitarbeiter bei Besuchen in der umgangen wird. Der zur Koalition gehörende Abgeordnete (ehemals Botschafter in Washington, D.C.) von der Partei „Wir alle (Kulanu)“ bringt zwar Verständnis für die Abwehr der Gruppe „Das Schweigen brechen“ auf, bemängelt aber, dass die rechtsgerichteten NGO’s nicht betroffen seien. Mit diesem Verzicht würde den BDS-Befürwortern in die Hände gespielt. Der Abgeordnete Volker Beck („Bündnis 90/Die Grünen“), Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe im Bundestag, zeigt sich irritiert 3.

Ebenfalls auf der wöchentlichen Kabinettssitzung betont Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass es einen Unterschied

2 Vgl. die Eintragungen am 25.05.2015, am 31.03.2014 und am 13.05.2014 in dieser Zeitleiste.

3 Vgl. die Eintragung am 03.12.2015 in dieser Zeitleiste.

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zwischen dem jüdischen und dem arabischen Terror gebe. Während ersterer von der Regierung verurteilt werde und nur vereinzelt vorkomme, werde der andere von der Palästinensischen Autonomiebehörde belobigt.

Im Zuge der NATO-Verpflichtungen beschließt, wie jetzt bekannt wird, die Bundesregierung per Schreiben vom 18. Dezember den Einsatz von deutschen AWACS-Aufklärungsflugzeugen über der Türkei mit dem Ziel Konya. Sarah Wagenknecht, neben Dietmar Bartsch Vorsitzende der LINKS-Fraktion im Bundestag, und Stefan Liebig, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses für seine Partei. verurteilen die Entscheidung, weil sie nicht erkläre, gegen wen sie der Einsatz richte, und eine Rückendeckung für den türkischen Präsidenten Recep Tayyib Erdo ğan darstelle. Auch die Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ verlangt Aufklärung. Die Bundesregierung weist die Aufforderung zurück, für den AWACS-Einsatz das Mandat des Bundestages einzuholen. Die LINKE prüft eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Johannes Leithäuser verweist in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ darauf, dass die damals in der Opposition sich befindende FDP nach der Absage Gerhard Schröders, in die „Allianz der Willigen“ unter US-amerikanischer Führung in den Krieg gegen Saddam Hussein einzutreten, vor dem Bundesverfassungsgericht eine Klage angestrengt habe, ob die Beteiligung von deutschen AWACS-Maschinen vom Bundestag habe genehmigt werden müssen. Karlsruhe habe erst 2010 argumentiert, dass der Bundestag hätte beteiligt werden müssen, weil „nach den rechtlichen und tatsächlichen Umständen“ zu erwarten gewesen sei, dass deutsche Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen einbezogen würden. Heute würden das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt in ihrer anderthalbseitigen Information an die Fachpolitiker des Parlaments erklären, der „Einsatz von www.reiner-bernstein.de 4 – Chronologie 2015

Waffengewalt“ sei „im Kontext der Integrierten Luftverteidigung der Türkei derzeit nicht zu erwarten“ 4.

Nach irakischen Angaben sollen die Terrormilizen des „Islamischen Staates“ seit Anfang des Jahres 17 Prozent der von ihnen besetzten Gebiete im Irak und in Syrien verloren haben. Die irakische Provinzhauptstadt Ramadi wird vom „Islamischen Staat“ zurückerobert.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davuto ğlu schließt die „Demokratischen Partei der Völker (HDP)“ unter Leitung von Selahattin Demirta ş von der Beteiligung an der den Verfassungsreform aus. Die Partei besteht auf einer größeren Autonomie für die türkischen Kurdengebiete 5.

25.12.2015: Bei einem russischen Luftangriff kommt in einem Damaszener Vorort der Führer der größten Rebellengruppe in Syrien , der „Djaish Al- Islam (Armee des Islam)“, Mohamed Zachran Alloush zu Tode. Mit ihm stirbt der zweite führende Islamist nach dem Tod Samir Quntar am 19. Dezember, den eine israelische Rakete getroffen haben soll. Alloush hatte an der Konferenz der syrischen Oppositionsgruppen am 10. Dezember im saudischen Riyadh teilgenommen 6.

23.12.2015: 37 international bekannte Juristen, unter ihnen Prof.Dr. em. Michael Bothe (Frankfurt am Main), richten einen Brief an alle Mitglieder des Europäischen Parlaments, an die EU-

4 Johannes Leithäuser: Ein Reizwort mit fünf Buchstaben, in FAZ 29.12.2015, S. 4.

5 Vgl. die Eintragung am 26.07.2015 in dieser Zeitleiste.

6 Vgl. die Eintragung am 10.12.2015 in dieser Zeitleiste.

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Außenbeauftragte Federica Mogherini und die EU- Handelskommissarin Cecilia Malström, in dem sie die Abgeordneten und die EU-Mitgliedsstaaten auffordern, die „grundlegenden rechtlichen Verpflichtungen anzuerkennen und ihnen Rechnung zu tragen, die aus der Verpflichtung der Nicht- Anerkennung und der Absage [non-assistance] an die israelischen Siedlungen und ihre wirtschaftliche Aktivität resultieren“ 7.

21.12.2015: Auf der Grundlage eines Vortrags in New York 8 verwahrt sich Amira Hass gegen Vorwürfe, einseitig für die Palästinenser und gegen zu sein 9.

20.12.2015: Die Militäraktionen der Türkei mit mehr als 10.000 Soldaten auf kurdische Gebiete im Südosten des Landes dauern unvermindert an. Nach Presseberichten sind seit dem Sommer mehr als 200.000 Menschen auf der Flucht.

Die Bundesrepublik liefert ein U-Boot an Israel aus10 .

19.12.2015:

7 Der Text des Briefes kann von uns abgerufen werden: mail@reiner- bernstein.de .

8 Vgl. die Eintragungen am 16.12.2015 in dieser Zeitleiste.

9 Amira Hass: My message to Diaspora Jews: Don’t become accomplices to Israel’s crimes, in „” 21.12.2015. Deutsche Übersetzung in der Menüleiste „Berichte aus Nahost”.

10 Vgl. die Eintragung am 31.03.2015 in dieser Zeitleiste.

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Eine Mitteilung der „Hisbollah“ bestätigt, dass am 19. Dezember einer ihrer wichtigsten Kommandeure, der libanesische Druse Samir Quntar, bei einem israelischen Luftangriff auf einen Stadtteil in Damaskus getötet worden ist. Quntar, Mitglied der radikalen „Palästinensischen Befreiungsfront“, war am 22. April 1979 an der Ermordung einer Familie in Naharija beteiligt und wurde im Juli 2008 unter Vermittlung des deutschen Bundesnachrichtendienstes gegen die Übergabe der Leichname der israelischen Soldaten Ehud Goldwasser und Eldad Regev ausgetauscht 11 . Jenseits der Rabulistik über den „zionistischen Feind“ wird aus der Mitteilung nicht ersichtlich, ob der Luftangriff gezielt Quntar galt. Am Nachmittag schlagen mehrere Raketen aus dem Süden Libanons in Israel ein. Eine Mitteilung der „Hisbollah“ bestätigt, dass am 19. Dezember einer ihrer wichtigsten Kommandeure, der libanesische Druse Samir Quntar, bei einem israelischen Luftangriff auf einen Stadtteil in Damaskus getötet worden ist. Quntar, Mitglied der radikalen „Palästinensischen Befreiungsfront“, war am 22. April 1979 an der Ermordung einer Familie in Naharija beteiligt und wurde im Juli 2008 unter Vermittlung des deutschen Bundesnachrichtendienstes gegen die Übergabe der Leichname der israelischen Soldaten Ehud Goldwasser und Eldad Regev ausgetauscht 12 . Jenseits der Rabulistik über den „zionistischen Feind“ wird aus der Mitteilung nicht ersichtlich, ob der Luftangriff gezielt Quntar galt. Am Nachmittag schlagen mehrere Raketen aus dem Süden Libanons in Israel ein.

18.12.2015: Der UN-Sicherheitsrat nimmt einstimmig einen Fahrplan für den Friedensprozess in Syrien an. Beteiligt sind u.a. die Außenminister der 5 UN-Vetomächte, der Bundesrepublik Deutschland, Irans, Saudi-Arabiens, Jordaniens und der Türkei

11 Vgl. die Eintragung am 16.07.2008 in dieser Zeitleiste.

12 Vgl. die Eintragung am 16.07.2008 in dieser Zeitleiste.

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sowie UN-Generalsekretär Ban ki-Moon. Das Regime in Damaskus ist nicht vertreten. In einem Interview betont Präsident Bashar Assad, dass er keinen Tag länger im Amt bleiben wolle, wenn das Volk dies wünsche. Der UN- Sicherheitsrat beschließt am selben Tag einstimmig eine Resolution, die zu einem Waffenstillstand und ab Januar 2016 zu Gesprächen zwischen der syrischen Regierung und der Opposition mit dem Ziel von Wahlen ankündigt 13 . Am 19. Dezember zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ Berichte aus US-amerikanischen Medien, wonach sich Präsident Barack Obama gegen einen Einsatz von Bodentruppen im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ ausgesprochen habe, weil er zu vielen Soldaten das Leben kosten würde und zu teuer sei.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) sind gegenwärtig mehr als 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, darunter 34 Millionen Binnenvertriebene. In der Türkei seien 2,29 Millionen Flüchtlinge aus Syrien in 25 Lagern untergebracht. In der Bundesrepublik werden 350.000 Flüchtlinge gezählt, wovon ihr Status zur Hälfte ungeklärt sei.

In Genf sollen vertrauliche Gespräche zwischen israelischen und türkischen Diplomaten und Geheimdienstlern mit dem Ziel stattfinden, die politische Eiszeit zwischen beiden Staaten nach der Erstürmung des israelischen Bootes „Navi Marmara“ Ende Mai 2010 zu beenden.

17.12.2015: Der UN-Sicherheitsrat beschließt einstimmig eine Resolution mit dem Ziel, die Geldzuflüsse des „Islamischen Staates“ auszutrocknen.

13 Vgl. die Eintragungen am 15.11.2015 in dieser Zeitleiste.

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16.12.2015: Im Plenum der Knesset fordert Oppositionsführer Yitzhak (Isaac) Herzog am Nachmittag des 16. Dezember 2015 Ministerpräsident Benjamin („Bibi“) Netanjahu in dramatischen Worten auf, sich schützend vor Staatspräsident Reuven (Ruby) Rivlin zu stellen. Dieser hatte auf der von „Haaretz“ und dem „New Israel Fund“ organisierten Konferenz am 13. Dezember in New York ausgeführt, dass Israel nicht allein mit Hilfe seines Militärs stark und sicher bleiben werde. Außerdem hatte er seine Kritiker und die Anhänger Netanjahus – die „Bibistim“ – zurechtgewiesen, die ihn wegen seiner Teilnahme an der Konferenz angegriffen hatten, weil er sich nicht gegen den Auftritt von Vertretern der Gruppe „Das Schweigen brechen (Breaking the Silence)“ in einer der vielen Arbeitsgruppen gewehrt hatte. Die Gruppe aus demobilisierten Soldaten hatte 2012 im Willy-Brandt-Haus in der deutschen Öffentlichkeit ihre Arbeit im Rahmen einer Ausstellung vorgestellt. Offenkundig aus Sorge vor Attentatsversuchen sah sich Herzog zu der Aufforderung an die Sicherheitsdienste veranlasst, den Staatspräsidenten besser zu bewachen. Herzog erinnert daran, dass vor der Ermordung Yitzhak Rabins am 04. November 1995 Aufrufe verbreitet wurden „Mit Blut und Feuer werden wir Rabin vertreiben“ , die nicht ernst genommen worden seien. Jetzt würden ähnliche Drohungen wie „Ruby Rivlin trägt die Farben Palästinas“ über Facebook verbreitet. In seiner Antwort distanziert sich Netanjahu von der Hetze, vermeidet es aber, explizit von den Angriffen auf Rivlin abzurücken. „Die Seele der Demokratie ist die kritische Auseinandersetzung.“ Außerdem fordert er Herzog auf, dass dieser sich öffentlich von der Gruppe „Das Schweigen brechen“ distanziere, weil sie das Militär in der ganzen Welt diffamiere und daran arbeite, den Staat Israel bei seiner Verteidigung die Hände zu binden. Auf Drängen des palästinensischen Chefdiplomaten Saeb Erakat wird während dessen Rede die israelische Flagge am Podium eingezogen. Am 15. Dezember ordnet Verteidigungsminister Moshe Ya’alon an, dass www.reiner-bernstein.de 9 – Chronologie 2015

Angehörige von „Breaking the Silence“ nicht vor Soldaten auftreten dürfen. Am 16. Dezember verbietet Erziehungsminister Naftali Bennett ihren Auftritt in Schulen.

Das Bau- und Planungsreferat der Jerusalemer Stadtverwaltung billigt den Bau von weiterten 891 Wohneinheiten in dem nach 1967 angelegten Vorort Gilo.

Bei ihrem Besuch in beabsichtigt die Delegation des „Nahost-Quartetts“, zu der der UN-Sonderkoordinator für den Nahost-Friedensprozess Nikolai Mladenow und der EU- Sondervertreter für Nahost-Friedensprozess Fernando Gentilini gehören, ein Paket mit vertrauensbildenden Schritten zur Rettung der Zwei-Staaten-Lösung vortragen.

Im marokkanischen Badeort Skhirat unterzeichnen die libyschen Konfliktparteien unter Vermittlung des UN-Sondergesandten Martin Kobler einen Friedensplan mit einer Übergangsregierung der nationalen Einheit bis zu Parlamentswahlen in zwei Jahren.

15.12.2015: Der saudische Verteidigungsminister, Kronprinz Mohamed Bin Salman Al-Saud, kündigt in Riyadh eine militärische Allianz aus 34 Staaten, allesamt Mitglieder der „Organisation für islamische Zusammenarbeit (OIC)“, gegen den Terrorismus an; Algerien, Iran und die schiitisch-geführte Regierung Iraks sowie Bashar Assads alawitisches Regime in Damaskus sind nicht beteiligt. Da der Begriff „Terrorismus“ nicht definiert wird, seien interne Koordinationskonflikte vorprogrammiert, erwarten Beobachter.

Vor Versöhnungsgesprächen in Genf zwischen den verfeindeten Parteien kündigt Saudi-Arabien eine einwöchige Waffenruhe im Jemen an. www.reiner-bernstein.de 10 – Chronologie 2015

14.12.2015: Im Interview mit der „New York Times“ warnt US-Außenminister John Kerry Israel davor, ein binationaler Staat zu werden, wenn es weiterhin inkonsequente Verhandlungen führe, die dem Ziel des Durchbruchs im Konflikt mit den Palästinensern dienen. Das Ergebnis wäre für Israel die Entstehung einer „großen Festung“ . Würde Israel eine Demokratie bleiben, ein jüdischer Staat, ein unitarischer Staat mit zwei Systemen, oder würde Israel die Palästinenser mit drakonischen Maßnahmen beherrschen wollen?, fragt Kerry 14 . Als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Senats habe er 2010 vom syrischen Präsidenten Bashar Assad einen unterzeichneten Brief mit einem Friedensvorschlag und dem Angebot der Anerkennung Israels erhalten, wenn sich Israel von den Golanhöhen zurückziehe. Als Ministerpräsident Benjamin Netanjahu davon gehört habe, habe er die Initiative abgelehnt.

In einer Meinungsumfrage in der Westbank sprechen sich fast zwei Drittel der Palästinenser, darunter vor allem Jugendliche im Alter zwischen 18 und 22 Jahre, für die Rückkehr zur bewaffneten „Intifada“ aus. Präsident Machmud Abbas verliere immer mehr politischen Rückhalt, während die Zustimmung zu Ismail Haniyeh, dem Ministerpräsidenten im Gazastreifen, wachse.

13.12.2015: Das russische Verteidigungsministerium bestätigt, dass eines ihrer Kriegsschiffe im Ägäischen Meer ein türkisches Boot beschossen hat. Beide Seiten machen sich gegenseitig verantwortlich. Am 14.

14 Vgl. die Eintragung am 04.12.2015 in dieser Zeitleiste.

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Dezember ereignet sich ein zweiter Zwischenfall, dieses im Schwarzen Meer 15 .

12.12.2015: Bei den heutigen Wahlen in 284 Kommunen Saudi-Arabiens haben die Frauen erstmals volles aktives und passives Wahlrecht. Wahlberechtigt sind mehr als 12 Millionen Saudis im Alter ab 18 Jahre. Unter den 6.140 Kandidaten befinden sich 865 Frauen; ihre Wahlbeteiligung liegt bei 82, die der Männer bei 44 Prozent. Aufgrund der strengen Geschlechtertrennung geben Frauen und Männer ihre Stimme in unterschiedlichen Wahllokalen ab. Gewählt werden 20 Frauen.

Nach offiziellen Angaben haben 4.806 Israelis zwischen 2000 und 2013 Selbstmord begangen. Darunter waren 1.658 Personen, die eingewandert waren – zu fast 80 Prozent aus der früheren Sowjetunion.

11.12.2015: Nach Berechnungen des Lebenshaltungsindexes des nationalen Versicherungsinstituts lebt fast jeder fünfte Israeli unterhalb der Armutsgrenze. In Kreisen der jüdischen Orthodoxie sind es 54,3 und im arabischen Bevölkerungsteil 52,6 Prozent. In den kommenden Jahren sei mit einer Steigerung der Arbeitslosigkeit zu rechnen, heißt es weiter.

10.12.2015: In seiner wöchentlichen Kolumne für die „Jerusalem Post“ berichtet Gershon Baskin, dass 30 Prozent aller jüdischen Israelis jeglichen

15 Vgl. die Eintragung am 24.11.2015 in dieser Zeitleiste.

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Vertrag mit den Palästinensern ablehnen, darunter 99,5 Prozent aller Siedler, obwohl sie im Zuge eines Gebietsaustauschs Bürger des Staates Israel bleiben würden. Auch einige arabische Staatsbürger würden einen solchen Vertrag ablehnen, weil sie die Definition Israels als Nationalstaat des jüdischen Volkes zurückweisen. Baskin weist darauf hin, dass 70 Prozent aller Israelis einem Vertrag mit den Palästinensern zustimmen würden 16 , geht aber nicht auf das Problem ein, wo für ihre Kompromissbereitschaft die Schmerzgrenze überschritten wäre: in Jerusalem, im Jordantal?

Die ersten Einheiten der Bundeswehr brechen zum Kampf gegen den „Islamischen Staat“ vom Stützpunkt Jagel in Schleswig-Holstein nach Syrien mit Zwischenstation auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Irçilik auf 17 . Auf dem SPD- Bundesparteitag in den Berliner Messehallen betont Parteichef Sigmar Gabriel mit Nachdruck, dass es mit der SPD keine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Afrika geben werde. Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterstreicht in dramatischen Worten die Einbettung des Militäreinsatzes in unermüdliche Bemühungen um eine politische Lösung. Der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz bezeichnet es als eine Schande für Europa, dass sich viele Staaten an der Aufnahme der Flüchtlinge nicht beteiligen wollen. Aufgrund von Einwänden aus der SPD-Linken, vorgetragen von Heidemarie Wieczorek-Zeul und Hilde Mattheis, die ein US-Mandat als Voraussetzung der deutschen Beteiligung verlangen, sagt Gabriel zu, dass im Falle der Erweiterung der Entscheidung des Bundestages vom 01. Dezember alle SPD- Mitglieder aufgerufen würden, darüber zu entscheiden.

16 Gershon Baskin: Encountering Peace: To those who oppose Israeli- Palestinian peace, in „The Jerusalem Post” 10.12.2015.

17 Vgl. die Eintragung am 01.12.2015 in dieser Zeitleiste.

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Die in Riyadh versammelten Oppositionsgruppen gegen Syriens Bashar Assad verständigen sich auf eine politisch vage gehaltene Abschlusserklärung, in der die Herstellung eines territorial einheitlichen pluralistisch-zivilen Rechtsstaates in Syrien festgehalten wird, in der die religiösen Minderheiten respektiert werden sollen 18 .

09.12.2015: Beim Abendessen mit dem israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin im Weißen Haus drückt US-Präsident Barack Obama seine tiefe Sorge über die festgefahrenen Verhandlungen mit den Palästinensern und die politische Zukunft von Präsident Machmud Abbas aus. Es werde immer schwerer, der Erosion des internationalen Status Israels entgegenzuwirken. „Haaretz“ berichtet am 11. Dezember, dass Rivlin nach dem Gespräch mit Obama nicht länger sicher sei, dass die USA im UN-Sicherheitsrat gegebenenfalls für ein Veto zugunsten Israels sorgen würden. Vor einigen Monaten [im Mai] habe er die Warnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gehört, dass Israels Position unter seinen Freunden schwächer werde, wenn das diplomatische Patt anhalte. Ergänzend weist der der diplomatische Korrespondent darauf hin, dass der israelische Botschafter in Washington Ron Dermer von Obamas Nationaler Sicherheitsberaterin Susan Rice, ohne die der Präsident fast keine wichtigen Entscheidungen fälle, nie zu einem Gespräch eingeladen worden sei 19 . Beim Treffen Rivlins mit Vertretern der liberalen und konservativen Gemeinden am 11. Dezember in New York beschweren sich diese darüber, dass Israel die einzige Demokratie sei, die der Mehrheit des jüdischen Volkes keine gleichen Rechte, nämlich für nicht-orthodoxe Juden, im Falle der Eheschließung, der

18 Vgl. die Eintragung am 05.12.2015 in dieser Zeitleiste.

19 Barak Ravid: Obama tells Rivlin: With no peace process, U.S. at a loss on how to defend Israel diplomatically, in „Haaretz” 11.12.2015.

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Scheidung, der Konversion und des Gebets an der Jerusalemer „Klagemauer“ einräume. Antworten Rivlins sind nicht bekannt. Rivlin vertritt am 13. Dezember zum Abschluss der von „Haaretz“ initiierten mehrtägigen Konferenz in New York die Auffassung, dass Israel nicht allein mit Hilfe seines Militärs stark und sicher bleiben könne, und verteidigt seine Beteiligung gegen israelische Kritiker. Der Vater des jüdischen Attentäters am 01. August beim Brandanschlag in dem Dorf Duma, bei dem drei Palästinenser getötet wurden, bezeichnet den Präsidenten als „Führer Rivlin“ . Ohne ein Bekenntnis zur Zwei- Staaten-Lösung abzugeben, betont der Vorsitzende der „Vereinigten Liste“ in der Knesset Ayman Oudeh, dessen Ansprache mehrfach vom Beifall unterbrochen wird, ebenfalls am 13. Dezember, dass Israel keine wahre Demokratie sein könne, wenn es ein anderes Volk unterdrücke; für Oudeh gilt das für die arabischen Staatsbürger wie für die Palästinenser in den besetzten Gebieten. Die US- amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen Samantha Power unterstreicht, dass die fortgesetzte Siedlungspolitik Zweifel an Israels langfristigen Zielen wecke. Gleichzeitig verwahrt sie sich gegen ständige Bemühungen in den UN-Gremien, Israel zu delegitimieren.

Nachdem Donald Trump, führender Kandidat der „Republikaner“ für die US-Präsidentschaftswahlen 2016, weltweite Empörung mit der Drohung ausgelöst hat, Muslimen generell die Einreise in die USA zu verweigern, kündigt er an, während seines bevorstehenden Besuchs in Israel das Gespräch mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu suchen zu wollen. Achmed Tibi, Abgeordneter der „Vereinigten Liste“, will dafür sorgen, dass dem „Neonazi“ kein Zugang zur Knesset gewährt wird. Andere Abgeordnete bezeichnen Trump als „Rassisten“ . Am 10. Dezember sagt Trump seinen Besuch „aus Termingründen“ vorläufig ab.

08.12.2015: www.reiner-bernstein.de 15 – Chronologie 2015

Nach Berichten, wonach zwischen 2009 und 2014 mehr als 220 Millionen US-Dollar von privaten Mitteln aus den USA für den „Aufbau des Landes Israel“ eingegangen sind, berichtet „Haaretz“ am 09. Dezember, dass der stellvertretende israelische Verteidigungsminister Eli Ben-Dahan und ein Großspender aus den USA für die Übertragung der israelischen Souveränität auf den Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt Finanzhilfen geleistet haben. Das Amt des Ministerpräsidenten habe auf eine entsprechende Nachfrage nicht geantwortet, berichtet das Blatt 20 .

05.12.2015: Gegenüber „Bild am Sonntag“ kündigt der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel an, „dass die Zeit des Wegschauens“ vor der saudischen Unterstützung des islamistischen Terrorismus vorbei sei. Der Salafismus sei genauso gefährlich wie der Rechtextremismus, betont Gabriel, fügt aber hinzu, dass „Saudi-Arabien zur Lösung der regionalen Konflikte“ gebraucht werde.

In einem Interview mit einem französischen Blatt schließt Außenminister Laurent Fabius nicht länger die Einbindung des syrischen Staatschefs Bashar Assad in Verhandlungen um das Ende des Bürgerkriegs in Syrien aus. Bereits in der kommenden Woche, so die „Süddeutsche Zeitung“, sollen in Riyadh unter saudischer Führung zahlreiche syrische Oppositionsgruppen eine Liste mit Persönlichkeiten zusammenstellen, die in bevorstehenden Übergangsverhandlungen mit Vertretern des Assad-Regimes jene sunnitischen Gruppen repräsentieren sollen, die nach den Vorstellungen in Riyadh in die Friedensverhandlungen einbezogen werden sollen. Parallel dazu seien in Amman Geheimdienstexperten

20 Uri Blau: Government minister, Netanyahu donor gave to groups trying to change Temple Mount status quo, in „Haaretz” 09.12.2015.

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aus Jordanien, Saudi-Arabien, der Türkei, dem Iran, Russlands und den USA dabei, eine „rote Liste“ jener Milizen und Terrororganisationen zu erstellen, die an den Verhandlungen nicht beteiligt werden dürften. Schon am 18. Dezember könnten voraussichtlich in New York die Weichen gestellt werden. Das Blatt zitiert Personen, die mit den Vorgängen vertraut seien, dahingehend, dass sich ein Konsens über das Schicksal Assads abzuzeichnen beginne, der möglichst bald durch eine Übergangsregierung ersetzt werden könnte – wobei die personellen Alternativen nicht klar seien; auch Außenminister John Kerry warne vor einem übereilten Machtwechsel. Präsident Wladimir Putin habe klargemacht, dass er einer Ablösung Assads nicht im Wege stehen werde, wenn die russischen Interessen in Syrien gewahrt blieben 21 .

Nach Auskunft von Ministerpräsident Ahmet Davuto ğlu hat die Türkei ein Ausbildungsbataillon für Sunniten und Kurden zum Kampf gegen den „Islamischen Staat“ in die Nähe der irakischen Stadt Mossul verlegt. Ministerpräsident Haydr Al-Abadi verwahrt sich gegen die Verletzung der Souveränität Iraks. Das auf 48 Stunden ausgelegte Ultimatum verstreicht ergebnislos. Der sich derzeit in Bagdad aufhaltende deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigt sich im Gespräch mit seinem Amtskollegen Ibrahim Al-Djafari über die neuerlichen irakisch-türkischen Spannungen frustriert. Während seines Besuchs in Erbil am 08. Dezember stellt Steinmeier den Kurden unter Führung ihres Präsidenten Massud Barsani weitere Militärhilfe für den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ in Aussicht.

Zum formellen Abschluss der Feierlichkeiten zum 50. Jahr der diplomatischen Beziehungen trifft Bundespräsident Joachim Gauck nach Mai 2012 zu seinem zweiten Staatsbesuch in Israel ein. Am 06. Dezember spricht er an der Hebräischen Universität

21 Stefan Braun und Stefan Kornelius: Stunde der Diplomaten, in SZ 05./06.12.2015, S. 6.

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in Jerusalem, wo er die Ehrendoktorwürde erhält, und betont unter Verweis auf Martin Buber, Albert Einstein – Einstein bei der zeremoniellen Eröffnung der Hebräischen Universität am 18. November 1924: „Juden und Araber müssen trotz allem zusammenkommen“ – und Richard Koebner die „intellektuelle, die geistige und die kulturelle Heimat“ zwischen Deutschland und Israel. Bei der Begegnung mit Staatspräsident Reuven Rivlin sagt er Israel die unverbrüchliche Freundschaft Deutschlands zu und bringt seinen Wunsch zum Ausdruck, dass „Juden [sic!] und Palästinenser … die endlose Spirale der Gewalt endlich durchbrechen und friedlich und selbstbestimmt zu einem Miteinander finden“ . Anschließend reist Gauck nach Amman zu Gesprächen mit König Abdullah II. und in das nach Za’atari 22 zweitgrößte Lager Asraq mit 28.000 Flüchtlingen aus Syrien weiter. Dort fordert er unter dem Eindruck des tagtäglichen Elends der Bewohner die internationale Gemeinschaft zu mehr Hilfe auf.

04.12.2015: Im Alter von 75 Jahren stirbt Yossi Sarid völlig unerwartet an einem Herzinfarkt. Sarid, 1940 in Rechovot geboren, wurde 1974 erstmals für die Arbeitspartei unter Führung von Golda Meir in die Knesset gewählt. 1984 verließ er die Partei im Streit und schloss sich der Bürgerrechtsbewegung „Ratz“ mit Shulamit Aloni (sie starb am 24. Januar 2014) an der Spitze, zog 1992 für die linksbürgerliche Partei „ (Kraft, Stärke)“ erneut ins Parlament ein und wurde in der Regierung Yitzhak Rabins Umwelt- und 1999 in der Regierung Ehud Baraks Erziehungsminister. Nach dem enttäuschenden Wahlergebnis für „Meretz“ schied er 2003 als ihr Vorsitzender aus der Knesset aus und war seither ständiger Gastautor für die Tageszeitung „Haaretz (Das Land)“ tätig.

22 Vgl. die Eintragung am 22.09.2015 in dieser Zeitleiste.

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Vor dem „Saban Center“ in Washington, D.C., führt US- Außenminister John Kerry in Anwesenheit von Verteidigungsminister Moshe Ya’alon und Oppositionsführer Isaac Herzog aus, dass der israelisch-palästinensische Konflikt in einer „Einstaat-Realität“ zu enden drohe. Er fordert Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dazu auf, die Zwei- Staaten-Lösung nicht zu einem „Slogan“ verkommen zu lassen. Wenn die Lage anhalte, drohe die Palästinensische Autonomiebehörde zu kollabieren, und Israel würde auf hohen Kosten für Schulen, Krankenhäuser sowie die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung sitzenbleiben. Und wenn sich die Einstaat-Realität durchsetze –: Wie würde Israel seinen jüdischen und demokratischen Charakter zwischen Mittelmeer und Jordan bewahren? Würde Israel den Palästinensern dieselben Grundrechte wie den israelischen Staatsbürgern einräumen einschließlich des Wahlrechts, oder würden die Palästinenser auf einen Status der „dauerhaften Unterordnung“ verwiesen sein? Wie würde die internationale Antwort ausfallen, wenn Israel große Teile der Westbank annektiere? Würde die „arabische Straße in der Welt von heute“ dies zulassen? Dazu zitiert Kerry einen seiner am meisten geschätzten „Friedenskrieger“ , Shimon Peres: Wer die Zwei- Staaten-Lösung zurückweise, werde keine Einstaatlösung herbeiführen, sondern „einen Krieg bringen, keinen Staat“ . In diesem Jahr 2015 sei den Palästinensern keine einzige Baugenehmigung in der Zone C der Westbank mit 60 Prozent des Territoriums von den israelischen Behörden genehmigt worden. Stattdessen sei das israelische Militär in die Zone A eingedrungen, obwohl diese gemäß der Osloer Interimsvereinbarung von 1995 ausschließlich unter der palästinensischen Jurisdiktion stehen solle. Bei seinem Gespräch mit Präsident Machmud Abbas in Ramallah am 24. November habe er wie nie zuvor dessen „ Verzweiflung und www.reiner-bernstein.de 19 – Chronologie 2015

Hoffnungslosigkeit“ gespürt, auch wenn er – Kerry – frage, ob die Palästinenser alles getan hätten, „um alle Formen des Aufstachelung“ zu verhindern. Die Entscheidung über das Ende des Konflikts müsse von Israelis und Palästinensern selbst kommen, er habe seinen Teil getan, fügt Kerry frustriert hinzu. Den Palästinensern müsse ein „politischer Horizont“ eingeräumt werden. Der Frieden sei die beste Garantie für die Sicherheit. Seit 2009 hätten die USA 20 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe an Israel gezahlt und damit mehr als die Hälfte aller Militärhilfe weltweit. Israel sei der einzige Staat im Mittleren Osten, an den die USA die fünfte Generation seiner Kampfflugzeuge verkauft hätten. Zuvor hatte Ya’alon versichert, Israel wolle nicht über die Palästinenser herrschen, während der Vorsitzende der oppositionellen Partei „ (Es gibt eine Zukunft)“ seine Regierung dazu aufrief, mehr für die Beendigung des Konflikts zu tun. Am 06. Dezember befürchtet die sich um die demokratische Nominierung bemühende Hillary Clinton, dass die Alternative zu Abbas der „Islamische Staat“ werden könnte. Gleichzeitig ruft sie die arabischen Staaten auf, ihre Friedensinitiative vom März 2002 zu aktualisieren und Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Am selben Tag betont Netanjahu vor der wöchentlichen Kabinettssitzung, dass „Israel kein binationaler Staat“ werde. Er spricht sich für einen demilitarisierten Staat Palästina aus und fordert Abbas auf, vor sein Volk zu treten und von ihm die Bereitschaft einzufordern, an der Seite des jüdischen Staates Israel leben zu wollen. Der diplomatische „Haaretz“-Korrespondent Barak Ravid berichtet am 07. Dezember aus Washington, dass die Lippendienste Netanjahus für die Zwei-Staaten-Lösung niemand mehr beeindrucke. Verstanden werde, dass Netanjahu eine „Anderthalbstaatslösung“ favorisiere: Israel kontrolliere den größten Teil der Westbank, während den Palästinensern mehrere Kantone für ihre Selbstverwaltung bleiben sollten.

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03.12.2015: Nach der über 3 Monate anhaltenden Schließung des Grenzübergangs bei Rafah öffnen ihn die ägyptischen Behörden für 2 Tage. Die Flutung der Tunnelanlagen von der Sinai-Halbinsel dauert an.

Israels Justizministerin Ayelet Shaked weist in ihrer Antwort an die Bundestagsabgeordneten Volker Beck („Bündnis 90/Die Grünen“), Gitta Connemann (CDU/CSU), Kerstin Griese (SPD) und Jan Korte (Die Linke) deren Bitte vom 27. November zurück, auf die Vorlage eines „Transparenz-Gesetzes“ zu verzichten, das israelische NGO’s und deutsche politische Stiftungen der besonderen Aufsicht unterwerfen soll, weil sie aus dem Ausland finanziert werden. In ihrer Antwort verwahrt sich Shaked gegen die Verletzung der israelischen Souveränität und die Einmischung in innere Angelegenheiten. Es bleibe bei der Gesetzesvorlage. Im Gespräch mit Parlamentspräsident , der seit dem 01. Dezember in Berlin weilte, und seiner Begleitung soll sich Beck dahin geäußert haben, dass ihn das Vokabular Shakeds an Wladimir Putin erinnere. Der Vorgang insgesamt ist von Bedeutung, weil die Abgeordneten ganz im Einklang mit der deutschen Außenpolitik nicht müde wurden, im Schreiben an Shaked ihr Vertrauen in die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit Israels zum Ausdruck zu bringen. Am 07. Dezember tritt Shaked bei der von Bundesjustizminister Heiko Maas geplanten Tagung „Demokratie und Rechtsstaat“ in Berlin auf 23 .

„Nachhaltigkeit und Innovation“ lautet die Veranstaltung der Robert- Bosch-Stiftung und des „Jüdischen Nationalfonds (KKL)“ in Stuttgart.

23 Dazu unser Brief an Bundesjustizminister Heiko Maas in unserer Homepage www.jrbernstein.de mit aktuellen Nachträgen.

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Dabei geht es um die Entwicklung von Projekten, mit denen sich beide Seiten in Afrika engagieren wollen. Der Finanz- und Wirtschaftsminister Baden-Württembergs Nils Schmid (SPD) gibt seiner Freude darüber Ausdruck, „dass wir an der deutsch- israelischen Freundschaft so nachhaltig arbeiten“ . Anschließend berichtet Christian Lange, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, dass, wenn er an Israel denke, auch an die Begrünung der Wüste im Negev durch den KKL denke. [Lange unterschlug den Hinweis, dass die damalige SPD-Bundesgeschäftsführerin Andrea Nahles vor einigen Jahren heftige Proteste auslöste, weil deutsche Finanzmittel zur Begrünung zur Lasten der ansässigen beduinischen Bevölkerung gingen.] Der Geschäftsführer der Stiftung Joachim Rogall führt aus, dass bestimmte Projekte nicht abzulehnen seien, weil sie aus Israel kommen.

Nach einer Meldung des israelischen Rundfunks hat sich Staatspräsident Reuven Rivlin für zwei Staaten im Rahmen einer Konföderation mit einer Armee, der israelischen, und zwei Verfassungen ausgesprochen 24 .

Entgegen ersten Meldungen stellt sich die Mordtat in einem Kairoer Nachtclub mit 16 Toten nicht als Tat von Islamisten, sondern als ein persönlicher Racheakt heraus.

02.12.2015: Hans-Christian Rößler berichtet in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass die palästinensischen Attentäter gegen jüdische Ziele in Israel und in den besetzten Gebieten immer jünger würden. Das gelte auch für Frauen, zitiert der Korrespondent eine Mitarbeiterin

24 Rivlin: Confederation of two states, Israel and Palestine, is the only solution, in „Haaretz” 03.12.2015.

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des „International Institute for Counter-Terrorism“ in Herzliyah, das unter der Leitung von Boaz Gan‘or steht.

01.12.2015: Die Zweite Komitee der UN-Generalversammlung leitet dieser einen Bericht zu, in dem unter dem Terminus „Permanent sovereignty of the Palestinian people in the Occupied Territories, including East Jerusalem, and of the Arab population in the occupied Syrian Golan over their natural resources“ die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch Israel, die Verletzung der Menschenrechte sowie die Existenz der jüdischen Siedlungen und der Trennungsmauern beklagt werden. Dem Bericht stimmt auch Deutschland zu, während Israel, die USA, Kanada, die Marschallinseln, Mikronesien, Nauru und Palau dagegen stimmen. Australien, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, die Elfenbeinküste, Honduras, Papual- Neuguinea, Paraguay, Togo und Tonga enthalten sich.

Im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ kündigt der Präsident der Knesset Yuli Edelstein an, dass er bei seinem heutigen Besuch in Berlin die Bundesregierung auffordern werde, sich nicht den „EU-Guidelines“ anzuschließen. Er unterstütze die Entscheidung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die Kontakte zur Europäischen Union auszusetzen, denn die „Richtlinien“ würden die Lage im Nahen Osten „völlig falsch“ einschätzen. Die Hauptleidtragenden der Kennzeichnungspflicht wären die palästinensischen Arbeiter „in den israelischen [sic!] Industriezonen in Judäa, Samaria … und Jerusalem“ . Ihre Kinder würden verzweifeln, und „ eine neue Generation von Messerstechern und Selbstmordattentätern“ würde heranwachsen 25 . Nach dem 45 Minuten dauernden Treffen mit dem russischen Präsidenten

25 „Die EU schätzt die Lage in Nahost völlig falsch ein“, in FAZ 01.12.2015, S. 6.

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Wladimir Putin auf der internationalen Klimakonferenz in Paris berichtet Netanjahu in Akko, dass zwischen beiden Ländern eine engere militärische Zusammenarbeit geplant sei.

Das Bundeskabinett beschließt den Einsatz der Bundeswehr mit bis zu 1.200 Soldaten, bis zu 6 „Tornado“-Aufklärungsmaschinen vom Stützpunkt Jagel in Schleswig-Holstein, mit einem Tankflugzeug, Aufklärungssatelliten sowie der Entsendung einer Fregatte gegen den „Islamischen Staat“ in Syrien . Völkerrechtlich abgesichert sei der Einsatz, der auf ein Jahr beschränkt sein soll – Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen prophezeit jedoch einen „langen Atem“ –, durch Artikel 24 GG, Artikel 51 der UN-Charta in Verbindung mit der Resolution des UN-Sicherheitsrates 2249 vom 20. Oktober. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betont, dass „keiner mehr als die Bundesregierung für eine politische Lösung gestritten“ habe, sieht zwar noch keinen „Grund zum Optimismus“ , doch „zum ersten Mal eine ganz schmale Basis für ein gemeinsames Handeln“ . Die Fraktion „Die Linke“ erwägt, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, weil ein solches Mandat völkerrechtlich auf wackligen Füßen stehe. Die Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ sind gespalten; nach den Worten des Parteivorsitzenden Cem Özdemir solle die Entscheidung „im Schweinsgalopp“ durchgezogen werden. Der Bundestag erteilt am 05. Dezember das Mandat ; die Entscheidung fällt mit 445 gegen 145 Stimmen – unter ihnen 28 SPD-, 3 „Grüne“- und 2 CDU-Abgeordnete – bei 7 Enthaltungen (darunter 3 SPD-Abgeordnete). Während die Entscheidung in 3 Stunden gefällt wird, nimmt sich am 02. Dezember das britische Unterhaus 10 Stunden Zeit, um über die von Premierminister David Cameron eingebrachte Vorlage zu votieren. Da die „Labour Party“ den Fraktionszwang aufgehoben hat, findet die Regierung jenseits ihrer absoluten Mehrheit mit 397 gegen 223 Stimmen breite Zustimmung. Britische Kampfflugzeuge vom Typ „Typhoon“ starten von Zypern aus Einsätze in Syrien.

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November 2015

29.11.2015: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der auch das Außenministerium führt, ordnet die vorläufige Suspendierung aller Kontakte zur Europäischen Union wegen deren „Guidelines“ zur Kennzeichnung von Waren aus den palästinensischen Gebieten vom 11. November an. Dagegen sollen alle bestehenden Kontakte zu Deutschland , Großbritannien und Frankreich fortgesetzt werden, soweit sie den „Friedensprozess“ betreffen, ergänzt der Sprecher des Außenministeriums. Am 30. November verlangt die EU- Außenbeauftragte Federica Mogherini eine Klarstellung, nachdem Netanjahu überlegt haben soll, sich gegen sie zu stellen.

Das israelische Militär schließt einen weiteren palästinensischen Sender in Hebron mit der Begründung, zu Aufruhr und Gewalt aufzurufen 26 .

27.11.2015: „Human Rights Watch“, die Berliner Akademie der Künste und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels fordern die Bundesregierung dringend auf, die Vollstreckung des Todesurteils gegen den 35 Jahre alten saudi-arabischen Autor Ashraf Fayyad zu verhindern und sich für seine sofortige Freilassung einzusetzen. Fayyad, palästinensischer Herkunft und staatenlos, habe sich in einem seiner Gedichte blasphemisch gegen den Islam geäußert, heißt es in dem Urteil vom 17. November. Die Zahl der vollstreckten

26 Vgl. die Eintragung am 03.11.2015 in dieser Zeitleiste.

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Todesurteile soll seit Anfang des Jahres auf mittlerweile 151 gestiegen sein 27 .

24.11.2015: US-Außenminister John Kerry trifft zu Gesprächen in Jerusalem ein, um – wie es heißt – zur Beruhigung der Lage beizutragen. Im Vorfeld wird bekannt, dass ihn Ministerpräsident Benjamin Netanjahu während seines jüngsten Besuchs in Washington aufgefordert hat, die großen Siedlungsblöcke Gush Etzion, Ost-Jerusalem/Maale Adumim und Ariel anzuerkennen, wofür er im Gegenzug „bedeutsame Maßnahmen“ in der Westbank erbringen wolle. Das Thema eines Gebietsaustauschs oder das Jordantal als Israels Sicherheitsgrenze wird in dem Bericht nicht angesprochen. In Jerusalem selbst drückt Kerry seine „vollständige Verurteilung jedweden Terrors gegen unschuldiges Zivilisten“ aus, welcher „das tägliche Leben einer Nation untergräbt“ . Israel habe „jedes Recht in der Welt, sich zu verteidigen“ . Netanjahu nimmt diese Zusage wahr und erklärt, unter solchen Umständen könne es keinen Frieden mit ihnen geben. Die internationale Gemeinschaft solle im „Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei“ zusammenstehen. Ungeachtet der erneuten Verurteilung palästinensischer Terrorakte beim Empfang durch Staatspräsident Reuven Rivlin beantwortet Kerrys Sprecher das Angebot „bedeutsamer Maßnahmen“ mit einem „großen Nein“ . Am Nachmittag fährt Kerry zum Gespräch mit Präsident Machmud Abbas nach Ramallah weiter. Seine Gespräche enden vollständig ergebnislos.

Die Knesset verabschiedet eine Gesetzesnovelle, die darauf abzielen soll, dass ultraorthodoxe Juden nicht, wie bisher

27 Vgl. die Eintragungen am 29.10.2015 und am 25.08.2015 in dieser Zeitleiste.

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beschlossen, ab dem Jahr 2017, sondern erst ab 2020 vom Wehrdienst befreit seien 28 .

Die Luftwaffe der Türkei schießt ein russisches Kampfflugzeug ab, das 17 Sekunden lang von Osten über die Südspitze des türkischen Territoriums geflogen sein soll. Einer der beiden Piloten soll getötet worden sein. Während sich Staatspräsident Recep Tayyib Erdo ğan um Mäßigung bemüht, zumal die Türkei weitgehend von aus Russland gelieferten Gas- und Erdöllieferungen abhängig ist, kündigt sein russischer Amtskollege Wladimir Putin ankündigte, dass die russische Luftwaffenabwehr im syrischen Luftwaffenstützpunkt Latakia verstärkt werde.

Beim Bombenattentat auf den Bus der Präsidentengarde im Herzen der tunesischen Hauptstadt Tunis sterben 12 Leibwächter.

23.11.2015: Im ZDF beklagt die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks der (UNHCR) Melissa Fleming die steigende Not in den Lagern der Türkei , Iraks, Jordaniens, Syriens und Libanons. Die Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft bleibe weit hinter den Versorgungsbedürfnissen zurück. Der Sprecher des UN- Kinderhilfswerks (UNICEF) befürchtet aufgrund der katastrophalen sanitären und ökologischen Bedingungen den Ausbruch der Malaria. 6,2 Millionen Kinder in und außerhalb Syriens seien dem bevorstehenden Winter hilflos ausgeliefert.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster erklärt gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ und in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Bundesrepublik über kurz oder lang an Obergrenzen bei der

28 Vgl. die Eintragung am 23.05.2013 in dieser Zeitleiste.

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Aufnahme von Flüchtlingen nicht umhinkommen werde. Viele arabische Flüchtlinge, die vor dem „Islamischen Staat“ fliehen, „entstammen Kulturen, in denen der Hass auf Juden und die Intoleranz ein fester Bestandteil“ seien. Die Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“ bezeichnet Schusters Ablehnung als „befremdlich“ , weil sie die Europäische Menschenrechtskonvention außer Kraft setze. In einem Kommentar zu den Ausführungen Schusters verweist die „Süddeutsche Zeitung“ am 25. November auf das das kaum beachtete Ablenkungsmanöver: Der Antisemitismus unter ankommenden Flüchtlingen sei „weder die Wurzel noch der Kern des Problems“ : Die „bürgerliche Form der Judenfeindschaft“ sei in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet 29 .

22.11.2015: Die stellvertretende israelische Außenministerin Tsipi Hotovely erklärt, dass die jüdischen Siedlungen kein Hindernis für den Frieden mit den Palästinensern seien. Doch die „Entwurzelung“ von 300.000 Siedlern „aus ihrer Heimat“ wäre nichts anderes als ein „Transfer“ der israelischen Araber aus dem Land. Israel könne es sich nicht erlauben, mit 20 Prozent Arabern zu leben, und der Autonomiebehörde „Judenreinheit“ durchgehen lassen. „Haaretz“ zitiert am 23. November außerdem Koby Huberman von der „Israel Peace Initiative“ mit dem Ergebnis seiner Umfrage unter jüdischen Israelis, dass niemand mehr daran glaube, Jerusalem sei vereint. Niemand glaube, dass die Stadtteile Sheikh Jarrach und Shu’fat von König David erbaut worden seien, und niemand glaube, dass „wir

29 Matthias Drobinski: Obergrenzen für Antisemitismus?, in SZ 25.11.2015, S. 4.

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uns 2.000 Jahre nach einer Stadt mit einer nicht-zionistischen Mehrheit sehnten“ 30 .

Nach der ersten Runde der Wahlen zum 596 Mitglieder umfassenden Parlament in Ägypten am 17. Oktober, bei der die Wahlbeteiligung bei 26,6 Prozent lag, findet bis zum 23. November der zweite Durchgang in 13 der 27 Regierungsbezirke statt. Die Endergebnisse werden in einigen Tagen erwartet. Als Kontrollinstanz fällt das Parlament vollständig aus.

20.11.2015: Der UN-Sicherheitsrat nimmt einstimmig die von Frankreich eingebrachte Resolution 2249 an, die den Terrormilizen des „Islamischen Staates“ den Kampf ansagt 31 .

Nach einem Bericht von „Spiegel online“ hat das Berliner „Kaufhaus des Westens (KaDeWe)“ bestätigt, dass es gemäß den „EU- Guidelines“ vom 11. November Produkte aus den jüdischen Siedlungen aus seinem Sortiment genommen hat 32 . Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fordert die Bundesregierung auf, gegen den „Boykott“ aktiv zu werden. Christian Schmidt (CSU), Bundeslandwirtschaftsminister, betont gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass die EU-Kommission keine neue Verordnung erlassen, sondern eine schon seit 2013 bestehende Herkunftsrichtlinie konkreter ausgelegt habe. „Was drauf steht, muss auch drin sei“ , zitiert die FAZ den Ressortsprecher: Die Verbraucher sollten vor Täuschungen geschützt werden. Dennoch die Geschäftsleitung nimmt am 22. November die Entscheidung mit dem

30 Judy Maltz: Deputy FM Hotovely: Settlements were never the issue, in „Haaretz“ 23.11.2015.

31 Vgl. die Eintragung am 19.11.2015 in dieser Zeitleiste.

32 Vgl. die Eintragung am 11.11.2015 in dieser Zeitleiste.

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Beteuerung zurück, „jede Form von Diskriminierung und Intoleranz“ abzulehnen: „Deshalb ist es selbstverständlich, dass wir auch über 200 israelische Produkte [sic!] anbieten.“ Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg Nils Busch-Petersen stimmt der Begründung des „KaDeWe“ mit dem weitergehenden Urteil zu, dass die „Guidelines“ „eine Zumutung für Händler“ seien.

Der inzwischen 61 Jahre alte US-amerikanische Staatsbürger Jonathan Pollard ist nach einer 30jährigen Haftstrafe aus einem Gefängnis in North Carolina auf Bewährung freigelassen worden. Pollard war im November 1985 festgenommen worden, weil er in der US-amerikanischen Marine für Israel Spionagedienste leistete, und 1987 zu 30 Jahren Haft verurteilt worden.

19.11.2015: Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London sind die Gespräche zwischen der Armee und Rebellengruppen über einen 15 Tage dauernden Waffenstillstand im Norden des Landes gescheitert. Frankreich und Russland bringen unabhängig voneinander einen Entwurf für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates ein, um den „Islamischen Staat“ international zu bekämpfen. Der russische Vorstoß sieht dabei den Machterhalt Bashar Assads vor, den Barack Obama erneut ablehnt.

Nach einem Bericht in „Haaretz“ ventilieren Mitglieder der israelischen Regierung eine Klage vor der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die „EU-Guidelines“ zur Kennzeichnung von Produkten aus den jüdischen Siedlungen der palästinensischen Gebiete, die für den europäischen Markt bestimmt sind. An der Spitze solcher Überlegungen stünden Justizministerin Ayelet Shaked („“) und Strategieminister Gil’ad Erdan (Partei „Wir alle“), während sich das Außenministerium, geführt von Ministerpräsident Benjamin www.reiner-bernstein.de 30 – Chronologie 2015

Netanjahu, und das Wirtschaftsministerium mit Moshe Kachlon an der Spitze dagegen aussprechen würden 33 .

Bei zwei palästinensischen Anschlägen werden insgesamt fünf Personen getötet: im „Gush Etzion (Etzion-Block)“ ein Israeli, ein US- amerikanischer Tourist und ein Palästinenser sowie in Tel Aviv zwei Israelis. Die israelischen Behörden verwehren am 20. November 1.200 Palästinensern aus dem Distrikt Hebron die Einreise nach Israel, solange die Untersuchung der Anschläge andauert. Vom Einreiseverbot nicht betroffen sind Palästinenser mit einer Arbeitserlaubnis – ihre Zahl beträgt insgesamt 140.000 – und Menschen, die eine medizinische Behandlung suchen.

18.11.2015: Bei einer Razzia in Paris wird Abdel Hamid Abaaoud getötet, außerdem 2 weitere Verdächtige. Der 28 Jahre alte belgische Staatsbürger Abaaoud mit marokkanischen Wurzeln wurde zu den Drahtziehern der Terrorakte am 13. November in Paris und gegen die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar gerechnet. In Brüssel war Abaaoud in Abwesenheit zu 12 Jahren Haft verurteilt worden.

In einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ vertritt Bernard Heykel, Professor für „Near East Studies“ in Princeton, die Auffassung, dass der Terrorismus in Paris am 13. November die verzweifelte Reaktion auf seine jüngsten militärischen Niederlagen sei. Deshalb brauche der „Islamische Staat“ mit seiner „Propagandamaschinerie … dringend neue ‚Erfolgsgeschichten‘“. Der Autor plädiert, da der „Islamische Staat“ militärisch nicht zu besiegen sei, um der Brutalisierung der arabischen Bevölkerungen

33 Barak Ravid: Israel considers suing EU over decision to label settlement products, in „Haaretz“ 19.11.2015. Vgl. dazu die Eintragung am 11.11.2015 in dieser Zeitleiste.

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durch eigene Regimes Einhalt zu gebieten, für mehr Bildungs- und wirtschaftliche Entwicklungsangebote sowie kulturelle Leistungen 34 . In den ZDF-Nachrichten am 19. Januar berichtet Uli Gack, dass der „Islamische Staat“ nach schweren Verlusten die Stadt Raqqa im Norden Syriens mit 500.000 eingekesselten Bewohnern aufgegeben und sich noch Mossul (Irak) zurückgezogen habe. Manche Kämpfer hätten sich den Bart abgeschnitten, um unerkannt untertauchen zu können.

Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vertritt der algerische Schriftsteller Boualem Sansal die Auffassung, dass es dem „Islamischen Staat“ um die Eroberung der Welt gehe. „Die Islamisten treiben den Westen vor sich her. Sie brauchen gar keine Ministerposten, sie regieren auf ihre Art. Sie erzeugen eine Stimmung der Angst und des Schreckens, um ihre Ziele durchzusetzen.“ Der Autor befürchtet „eine Art urbaner Guerillakrieg“ 35 .

Im selben Blatt zitiert Constantin Schreiber, Moderator mit langjährigen Erfahrungen in Syrien, Libanon, Dubai und Ägypten, auf zahlreiche arabische Stimmen in den sozialen Medien, die dem Staat Israel die Schuld für die Terrorakte am 13. November in Paris zuschieben 36 . Klaus-Dieter Frankenberger zitiert aus einem Essay des Direktors des „Center for Strategic and International Studies“ in Washington, D.C., Anthony [H.] Cordesman, in dem dieser eine „lange, lange Abnutzungsschlacht“ prognostiziert. Brutstätten des Terrorismus seien staatliche Unterdrückung, Staatsterrorismus und gescheiterte säkulare politische Systeme. So sei der Bürgerkrieg in

34 Bernard Heykel: Sie sind schwächer, als wir denken, in SZ 18.11.2015, S. 11.

35 Boualem Sansal: Die Anschläge werden nicht aufhören“ (Interview), in FAZ 18.11.2015, S. 9.

36 Constantin Schreiber: Die Rache dafür, was mit uns geschieht, in FAZ 18.11.2015, S. 13.

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Syrien nicht in erster Linie ein Kampf zwischen der Regierung in Damaskus und dem „Islamischen Staat“, sondern ein Kampf zwischen einem repressiven, autoritären, staatsterroristischen Regime und einem Mix arabisch-sunnitischer Rebellen, deren Spannweite von relativ gemäßigten bis zu Untergliederungen von „Al-Qaida“ reiche. Der Islamismus lebe auch vom starken Bevölkerungswachstum, der nach US-amerikanischen Angaben von gegenwärtig 1,6 bis 2050 auf 2,8 Milliarden Menschen anwachsen werde. Damit sei in einem repressiven Umfeld für Nachschub gesorgt. Der Westen könne angesichts der aktuellen Bedrohung nicht auf militärische Schritte verzichten, so Cordesman 37 .

Der französische Premierminister Manuel Valls kündigt in Paris an, dass aufgrund der militärischen Einsätze gegen den „Islamischen Staat“ in Syrien die Maastricht-Schuldenobergrenze des europäischen Stabilitätspakte von 3 Prozent „zwangsläufig überschritten“ werden dürfte.

17.11.2015: Der neue polnische Außenminister Witold Wazczykowski schlägt vor, dass die aus Syrien stammenden Flüchtlinge eine „Befreiungsarmee“ gründen sollten, statt untätig in Cafés und auf den Straßen in Europa herumzusitzen. Die Zuwanderung von Muslimen nach Polen sei abzulehnen. Denselben Vorschlag einer Rekrutierung männlicher Flüchtlinge brachte der slowenische Oppositionspolitiker Janez Janša am 19. November ins Spiel.

„Haaretz“ meldet, dass der frühere Justiz- und Gesundheitsminister Chaim Ramon in dieser Woche einen Plan vorlegen wolle, bei dem ein symbolischer Eckstein für einen neuen Zaun verlegt werden soll,

37 Klaus-Dieter Frankenberger: Eine lange Abnutzungsschlacht, in FAZ 18.11.2015, S. 8.

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um die meisten arabischen Wohnviertel vom jüdischen West- Jerusalem abzutreten und sie der Autonomiebehörde zu übergeben. Der Plan stammt von Shaul Arieli, der für die „Genfer Initiative“ vom Dezember 2003 die Landkarten zeichnete. Danach würden die Altstadt und das „Heilige Bassin“ (Altstadt, Zionsberg, Ölberg und Garten Gethsemane) bei Israel bleiben. Die israelischen Bewohner des der Autonomiebehörde zu unterstellenden Teils der Stadt würden nicht evakuiert werden. Von allen jüdischen Seiten hagelt es Proteste gegen die Teilung 38 . Am selben Tag autorisiert Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Bau von 454 neuen Wohneinheiten in den jüdischen Vororten Ramat Shlomo und Ramot 39 .

US-Außenminister John Kerry erwartet die baldige Ablösung des syrischen Diktators Bashar Assad. Die Einlösung der Chancen für einen großen Umbruch in Syrien sei nur noch Wochen entfernt.

16.11.2015: Auf der Grundlage der aus der britischen Mandatszeit stammenden Notstandsverordnungen beschließt das israelische Kabinett das Verbot des nördlichen Zweigs der „Islamischen Bewegung“ in Israel. Danach werden deren Besitz konfisziert und deren Büros samt der dort lagernden Akten und Computer geschlossen sowie deren Wohltätigkeitseinrichtungen aufgehoben. Außerdem sind die Bankkonten eingefroren 40 .

38 Nir Hasson: Ex-minister, former Israeli officers propose plan to unilaterally divide Jerusalem, in „Haaretz“ 17.11.2015.

39 Vgl. die Eintragungen am 03.11.2015 in dieser Zeitleiste.

40 Vgl. die Eintragungen am 13.11. und am 10.10. 2015 in dieser Zeitleiste.

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Der „Zentralrat der Muslime“ Deutschland, der 8 Organisationen vertreten und knapp zwei Drittel aller hier lebenden Muslime repräsentiert, verurteilt in Düsseldorf die Terrorakte in Paris am 13. November als „barbarisch und niederträchtig“ , und kündigt an, sich stärker als bisher mit radikalen Kräften in den Gemeinden auseinanderzusetzen.

15.11.2015: Beim G-20-Gipfeltreffen im türkischen Badeort Antalya unter Leitung von Staatspräsident Recep Tayyib Erdo ğan verständigen sich US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin in einem halbstündigen Gespräch, deren Ergebnisse von beiden Außenministern in Wien vorbereitet wurden, dass unter dem Dach der Vereinten Nationen Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Syrien aufgenommen werden und in den kommenden 6 Monaten Wahlen stattfinden sollen. Die in Antalya anwesenden Saudi- Arabien, die Golfstaaten und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die um Mitternacht zu einem Gespräch mit Putin zusammentrifft, sowie der Iran und die Türkei stimmen den Vorhaben zu. Offen bleibt, welche in Syrien agierenden militärischen Einheiten als „Terroristen“ zu bezeichnen sind. Zunächst soll es darum gehen, humanitären Hilfsorganisationen den Zugang zu vom Krieg besonders betroffenen Regionen Syriens zu verschaffen. Bei der Begegnung Merkels mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davuto ğlu wird verabredet, dass die türkischen Außengrenzen besser geschützt werden sollen und um „aus illegaler Migration [nach Europa] wo immer möglich legale Migration zu machen“ . In der Abschlusserklärung wird beschlossen, den Terror zu bekämpfen, das Bankvermögen des „Islamischen Staates“ besser zu identifizieren, robuste Sanktionsmechanismen gegen die Finanziers des Terrorismus einzuleiten, die Grenzen besser zu überwachen und die www.reiner-bernstein.de 35 – Chronologie 2015

Zusammenarbeit in Sicherheitsbelangen zu verbessern. Es wird vermutet, dass der verheerende Terroranschlag des „Islamischen Staates“ am 13. November in Paris die internationale Verständigung gefördert hat.

Auf der Sinai-Halbinsel werden die Leichen von 15 Sudanesen gefunden, die von der ägyptischen Polizei getötet worden sein sollen. Die Sudanesen befanden sich angeblich auf dem Weg nach Israel.

14.11.2015: Im Norden Iraks sind 80 Leichen von jezidischen Frauen, Männern und Kindern entdeckt worden, die auf das Konto der Terroristen des „Islamischen Staates“ gehen sollen.

13.11.2015: Seit dem schwersten Anschlag seit dem 11. September 2001 in New York werden bei konzentrierten islamistischen Attentaten an mehreren Stellen in Paris nach offiziellen Angaben 130 Menschen (darunter 2 Deutsche) getötet – genau ein Jahr nach der Verabschiedung des Antiterrorgesetzes. Die Mörder dringen in die Konzerthalle „Bataclan“ – allein hier sterben 89 Menschen –, in mehrere Cafés, Restaurants und in ein Einkaufszentrum nahe dem „Stade de “ ein, wo die Fußballmannschaften von Frankreich und Deutschland ein Freundschaftsspiel austragen, und schießen wild um sich. Alle 7 Attentäter, überwiegend französische Staatsbürger mit nordafrikanischem und nahöstlichem (Immigrations-)Hintergrund, sterben. Nach ersten Erkenntnissen seien die Mordtaten im Ausland geplant worden. In Belgien soll ein Ehepaar festgenommen worden sein. Vor einer Woche wurde in der Nähe Rosenheims ein Montenegriner gefasst, in dessen Auto Maschinenpistolen und Sprengstoff gefunden wurden. Staatspräsident François www.reiner-bernstein.de 36 – Chronologie 2015

Hollande sagt seine Teilnahme an der G-20-Gipfelkonferenz in Antalya ab und macht die Terrormilizen des „Islamischen Staates“ für die Verbrechen verantwortlich, verhängt über das ganze Land den Ausnahmezustand und verfügt eine drei Tage dauernde Staatstrauer. Inzwischen liegt ein IS- Bekennerschreiben vor, das den barbarischen Terrorakt mit der französischen Beteiligung am Kampf gegen den „Islamischen Staat“ begründet. Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel drücken ihre tiefe Bestürzung und die deutsche Verbundenheit mit dem französischen Volk aus und tragen sich in der Berliner französischen Botschaft mit Kabinettsmitgliedern in das Kondolenzbuch ein. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnt beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel am 16. November vor übereilten Militärreaktionen Frankreichs. Der Kampf gegen den IS-Terrorismus könne „am Ende“ militärisch nicht gewonnen werden. Die muslimischen Verbände in Deutschland verurteilen die Mordtaten nachdrücklich, ebenso die Spitze der sunnitischen „Al Azhar University“ in Kairo. In einer selbstgerechten Stellungnahme erklärt Israels Premier Benjamin Netanjahu, er habe es doch schon immer gesagt... Am 15. November fordert Verteidigungsminister Moshe Ya’alon die Europäer auf, die Sorgen um die Sicherheit über den Schutz der Menschenrechte zu stellen. Am 16. November sollen beide Häuser des französischen Parlaments in Versailles zusammentreten. Hollande beginnt in Versailles seine Ansprache mit dem Satz „Frankreich ist im Krieg“ , doch befinde sich das Land nicht in einem „Krieg der Zivilisationen“ , denn der „Islamische Staat“ repräsentiere keine Zivilisation. Er wolle den UN-Sicherheitsrat mit dem Ziel einer Resolution anrufen, den „Islamischen Staat“ auf syrischem Boden zu zerstören. Islamisten mit doppelter Staatsbürgerschaft sollte die französische Staatsbürgerschaft abgesprochen werden, so Hollande. Er kündigt an, die Notstandsgesetzgebung von 1955 www.reiner-bernstein.de 37 – Chronologie 2015

am 18. November im Parlament durch eine Verfassungsänderung an die aktuelle Lage anzupassen, um den Ausnahmezustand auf 3 Monate ab 25. November zu verlängern. Die Beschlussfassung erfolgt am 19. November. Damit sind Einschnitte in bürgerliche Freiheiten zu erwarten.

Anshel Pfeffer, regelmäßiger Kolumnist in „Haaretz“, vertritt die Auffassung, dass die europäische Kennzeichnung von Produkten aus den jüdischen Siedlungen jenseits der Grünen Linie vor dem Junikrieg 1967 nichts ändern würden. Sie würden lediglich einen zu vernachlässigenden wirtschaftlichen Schaden, wenn überhaupt, nach sich ziehen und einigen Produzenten schaden. Denn Israels Wirtschaft trage sich selbst und – wenn schon – würden die Palästinenser von ihr abhängig sein. Israel könne noch Jahrzehnte fortfahren, die Palästinenser besetzt zu halten, und dennoch werde seine Wirtschaft florieren. Es stimme, dass Israel alle Verträge unterschrieben habe, die für das Territorium Israels von 1967 relevant seien. Doch die „Guidelines“ seien eine leere Geste, geboren aus europäischer Frustration, ein Symbol der Impotenz und falscher Prioritäten nach der langen Zeit, in der die europäischen Politiker versucht hätten, Israel und den Palästinensern mit Geld zu irgendeiner Lösung beizustehen, und ein Ablenkungsmanöver von den Herausforderungen, den nach Europa strömenden Flüchtlingen zu helfen. Schließlich seien die „Guidelines“ ein bedeutungsloser Sieg für die Palästinenser und ihre Unterstützer. Er, Pfeffer, würde sich wünschen, dass kein Israeli in der Westbank lebe, an einem Ort, der das Leben der Palästinenser und die Aussichten auf eine tragfähige Lösung des Konflikts noch schwieriger machen. Der Vergleich Benjamin Netanjahus zwischen den Kennzeichnungen und dem Boykott jüdischer Geschäfte in Nazi-Deutschland sei eine Verhöhnung der Geschichte, denn diesmal gehe es nicht um den www.reiner-bernstein.de 38 – Chronologie 2015

Boykott gegen Juden 41 . Am 13. November macht die „Deutsch- Palästinensische Gesellschaft“ in einer Pressemitteilung darauf aufmerksam, 2010 habe der Europäische Gerichtshof entschieden, dass das Zollpräferenzabkommen mit Israel nicht für die Produkte aus den jüdischen Siedlungen in den palästinensischen Gebieten gelte. Diese Entscheidung sei im März 2013 vom Bundesfinanzhof bestätigt worden.

In einem Vorbericht auf die Gipfelkonferenz der G 20 unter Beteiligung eines größeren Teilnehmerkreises – so der „Internationale Währungsfonds“ und die „Organisation für Wirtschaft und Entwicklung (OECD)“ – am 15./16. November im türkischen Antalya schreibt Michael Martens in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der designierte türkische Außenminister Mevlüt Cavuso ğlu wolle vorschlagen, eine Reform der Vereinten Nationen anzumahnen, da sie nicht mehr die Verhältnisse in der Welt abbildeten. Die G-20-Staaten würden 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, 75 Prozent des Handels und 65 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren. Außerdem würde die Regierung in Ankara die G-20-Staaten gern zu einem Lenkungsausschuss der Weltpolitik aufwerten. Im Blick auf die Europäische Union zitiert der Korrespondent den ehemaligen türkischen UN-Botschafter Faruk Logo ğlu, der heute zur oppositionellen „Republikanischen Volkspartei“ gehört, mit dem Satz: „Die EU-Staaten haben es lange versäumt, eine Strategie oder auch nur eine koordinierte Politik zum Flüchtlingsthema zu erarbeiten 42 .“ Für die „Süddeutsche Zeitung“ vermutet in ihrer Wochenendausgabe 14./15.11.2015, dass es „eine

41 Anshel Pfeffer: The futile moral satisfaction of Europe’s settlement label gesture, in „Haaretz“ 13.11.2015.

42 Michael Martens: Alphabetisierung der Sumpfohreule, in FAZ 13.11.2015, S. 3. Die ukrainische „Sumpfohreule“ steht als Synonym für die Aussichtslosigkeit der türkischen Bemühungen um einen Lenkungsausschuss.

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große Überraschung“ wäre, wenn sich Angela Merkel und Recep Tayyib Erdo ğan in Antalya unter vier Augen treffen würden.

Den kurdischen „Peschmerga (Die dem Tod ins Auge zu sehen Bereiten)“ gelingt es, die strategisch wichtige irakischen Stadt Sindjar nahe der Grenze zu Syrien von den Terroristen des „Islamischen Staates“ zurückzuerobern. Die Angriffe wurden von der Anti-IS- Allianz, die auch von der Bundesrepublik mit Waffen unterstützt wird, unter Führung der US-Luftwaffe unterstützt. Die Stadt war im Sommer 2014 an den IS gefallen.

In einem Rückblick auf die 17 Staaten umfassende Syrien-Konferenz am 30. Oktober 2015 führt Rainer Hermann in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aus, dass neben den Außenministern John Kerry und Sergej Lawrow die Bundesregierung es durchgesetzt habe, dass auch der Syrien-Beauftragte der Vereinten Nationen Staffan Misura eingeladen wurde. Damals waren 4 Arbeitsgruppen eingerichtet worden, wobei dem Direktor der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ in Berlin Volker Perthes die Leitung der Arbeitsgruppe für Militär, Sicherheit und Terrorabwehr übertragen worden sei. Außerdem leiste die Bundesregierung neben der politischen und militärischen Unterstützung auch einen Beitrag zur Stabilisierung jener Gebiete, die vom „Islamischen Staat“ zurückerobert worden seien. In der Arbeitsgruppe „Stabilisierung“ habe die Bundesrepublik die Leitung in der Anti-IS-Koalition übernommen, außerdem gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten die Arbeitsgruppe „Wirtschaftliche Entwicklung“ in Kooperation mit der „Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)“ den „Syria Recovery Trust Fund“. In der Wiener Abschlusserklärung hätten sich die teilnehmenden Staaten verpflichtet, Syrien als säkularen Staat und in seiner territorialen Integrität zu erhalten43 . Am 14./15. findet die

43 Rainer Hermann: Politisch, militärisch, humanitär, in FAZ 13.11.2015, S. 10.

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Syrien-Konferenz in Wien ihre Fortsetzung. Mehrere Agenturen berichten, dass nach Einschätzungen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in den nächsten 18 Monaten Wahlen in Syrien stattfinden könnten. Steinmeiers Amtskollegen John Kerry und Sergeij Lawrow erwarten in den kommenden anderthalben Jahren die Bildung einer Übergangsregierung in Damaskus 44 .

44 Vgl. die Eintragung am 28.10.2015 in dieser Zeitleiste. – Statement of the International Syria Support Group, Washington, DC, November 14, 2015: Meeting in Vienna on November 14, 2015 as the International Syria Support Group (ISSG), the Arab League, China, Egypt, the EU, France, Germany, Iran, Iraq, Italy, Jordan, Lebanon, Oman, Qatar, Russia, Saudi Arabia, Turkey, United Arab Emirates, the United Kingdom, the United Nations, and the United States to discuss how to accelerate an end to the Syrian conflict. The participants began with a moment of silence for the victims of the heinous terrorist attacks of November 13 in Paris and the recent attacks in Beirut, Iraq, Ankara, and Egypt. The members unanimously condemned in the strongest terms these brutal attacks against innocent civilians and stood with the people of France. Subsequently, the participants engaged in a constructive dialogue to build upon the progress made in the October 30 gathering. The members of the ISSG expressed a unanimous sense of urgency to end the suffering of the Syrian people, the physical destruction of Syria, the destabilization of the region, and the resulting increase in terrorists drawn to the fighting in Syria. The ISSG acknowledged the close linkage between a ceasefire and a parallel political process pursuant to the 2012 Geneva Communique, and that both initiatives should move ahead expeditiously. They stated their commitment to ensure a Syrian-led and Syrian-owned political transition based on the Geneva Communique in its entirety. The group reached a common understanding on several key issues. The group agreed to support and work to implement a nationwide ceasefire in Syria to come into effect as soon as the representatives of the Syrian government and the opposition have begun initial steps towards the transition under UN auspices on the basis of the Geneva Communique. The five Permanent Members of the UN Security Council pledged to support a UNSC resolution to empower a UN-endorsed ceasefire monitoring mission in those parts of the country where monitors would not come under threat of attacks from terrorists, and to support a political transition process in accordance with the Geneva Communique. All members of the ISSG also pledged as individual countries and supporters of various belligerents to take all possible steps to require adherence to the ceasefire by these groups or individuals they support, supply or influence. The ceasefire would not apply to offensive or defensive actions against Da’esh [ISIS] or Nusra or any other group the ISSG agrees to deem terrorist. The participants welcomed UN Secretary General Ban’s statement that he has ordered the UN to accelerate planning for supporting the implementation of a nationwide ceasefire. The group agreed that the UN should lead the effort, in consultation with interested parties, to determine the requirements and modalities of a ceasefire. www.reiner-bernstein.de 41 – Chronologie 2015

The ISSG expressed willingness to take immediate steps to encourage confidence-building measures that would contribute to the viability of the political process and to pave the way for the nationwide ceasefire. In this context, and pursuant to clause 5 of the Vienna Communique, the ISSG discussed the need to take steps to ensure expeditious humanitarian access throughout the territory of Syria pursuant to UNSCR 2165 and called for the granting of the UN’s pending requests for humanitarian deliveries. The ISSG expressed concern for the plight of refugees and internally displaced persons and the imperative of building conditions for their safe return in accordance with the norms of international humanitarian law and taking into account the interests of host countries. The resolution of the refugee issue is important to the final settlement of the Syrian conflict. The ISSG also reaffirmed the devastating effects of the use of indiscriminate weapons on the civilian population and humanitarian access, as stated in UNSCR 2139. The ISSG agreed to press the parties to end immediately any use of such indiscriminate weapons. The ISSG reaffirmed the importance of abiding by all relevant UN Security Council resolutions, including UNSCR 2199 on stopping the illegal trade in oil, antiquities and hostages, from which terrorists benefit. Pursuant to the 2012 Geneva Communique, incorporated by reference in the Vienna statement of October 30, and in U.N. Security Council Resolution 2118, the ISSG agreed on the need to convene Syrian government and opposition representatives in formal negotiations under UN auspices, as soon as possible, with a target date of January 1. The group welcomed efforts, working with United Nations Special Envoy for Syria Staffan de Mistura and others, to bring together the broadest possible spectrum of the opposition, chosen by Syrians, who will decide their negotiating representatives and define their negotiating positions, so as to enable the political process to begin. All the parties to the political process should adhere to the guiding principles identified at the October 30 meeting, including a commitment to Syria’s unity, independence, territorial integrity, and non-sectarian character; to ensuring that State institutions remain intact; and to protecting the rights of all Syrians, regardless of ethnicity or religious denomination. ISSG members agreed that these principles are fundamental. The ISSG members reaffirmed their support for the transition process contained in the 2012 Geneva Communique. In this respect they affirmed their support for a ceasefire as described above and for a Syrian-led process that will, within a target of six months, establish credible, inclusive and non-sectarian governance, and set a schedule and process for drafting a new constitution. Free and fair elections would be held pursuant to the new constitution within 18 months. These elections must be administered under UN supervision to the satisfaction of the governance and to the highest international standards of transparency and accountability, with all Syrians, including the diaspora, eligible to participate. Regarding the fight against terrorism, and pursuant to clause 6 of the Vienna Communique, the ISSG reiterated that Da’esh, Nusra, and other terrorist groups, as designated by the UN Security Council, and further, as agreed by the participants and endorsed by the UN Security Council, must be defeated. The Hashemite Kingdom of Jordan agreed to help develop among intelligence and military community representatives a common understanding of groups and individuals for possible determination as terrorists, with a target of completion by the beginning of the political process under UN auspices. www.reiner-bernstein.de 42 – Chronologie 2015

12.11.2015: Bei zwei verheerenden Selbstmordattentaten im Süden Beiruts – der Hochburg der schiitischen „Hisbollah“ –, zu denen sich der sunnitische „Islamische Staat“ bekennt, werden 44 Personen getötet.

Beim EU-Afrikagipfel auf der Insel Malta beschließen die Staats- und Regierungschefs die Bereitstellung von 1,8 Milliarden Euro für Hilfsprojekte in den Bereichen Ausbildung, Förderung der Wirtschaft, Umweltschutz und „good governance“, um die Fluchtursachen aus Afrika zu bekämpfen. Zehn afrikanische Staaten wollen Experten nach Europa entsenden, um Migranten ohne Ausweispapier zu identifizieren.

11.11.2015: Nach zweijährigen Vorarbeiten – seit Juli 2013 – veröffentlicht die EU-Kommission eine „Interpretative Notice on indication of origin of goods from the territories occupied by Israel since June 1967“ – „Guidelines“ – zur Kennzeichnung aller Waren und Güter aus den 1967 von Israel besetzten Gebieten. Als Hüterin der Verträge garantiere die Kommission die Einhaltung der Verpflichtungen und werde, wenn nötig, gegen Mitgliedsstaaten ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Dem Außenministerium in Jerusalem und seinen Botschaftern in den 28 EU-Mitgliedstaaten war es nicht gelungen, an relevante Informationen über die neuen „Leitlinien“ heranzukommen. Der EU-Botschafter Lars Faaborg-Andersen

The participants expect to meet in approximately one month in order to review progress towards implementation of a ceasefire and the beginning of the political process.

www.reiner-bernstein.de 43 – Chronologie 2015

wird ins Außenministerium einbestellt, um dort den israelischen Protest entgegenzunehmen: Er spielt die Bedeutung der „Guidelines“ herunter und erklärt, bei ihnen handele es sich lediglich um eine „interpretatorische Notiz“ , eine „sehr kleine Ergänzung zu etwas, was schon sehr lange [gemäß dem Assoziierungsabkommen seit 2004] existiert“ . Nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu solle sich die Europäische Union schämen, und kündigt an, dass sich Israel nicht daran halten wolle. In einer Stellungnahme weist das Außenministerium die „Guidelines“ zurück, weil sie auf „politische Gründe“ zurückzuführen seien und einem Boykott ähneln würden. Mit ihnen werde den Radikalen unter den Palästinensern der Rücken gestärkt 45 . Das Auswärtige Amt in Berlin verweist auf ihre Antwort auf die Anfrage der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ vom 15. Mai 2013: „Die Kennzeichnung ‚Made in Israel‘ ist nach Auffassung der Bundesregierung nur zulässig für Produkte aus dem israelischen Staatsgebiet innerhalb der Grenzen von 1967.“ Die Verpflichtung zur Kennzeichnung bestehe insbesondere für Lebensmittel. „Alle Maßnahmen müssen sich in den EU- rechtlich vorgegebenen einheitlichen Rechtsrahmen zur Herkunftsbezeichnung einfügen.“ Die Bundesregierung, hieß es damals weiter, erwarte für die „ Auslegung des EU-Rechts in Bezug auf eine rechtskonforme und korrekte Kennzeichnung in allen EU-Ländern … von der EU-Kommission [eine] weitere Orientierungshilfe, um eine kohärente Anwendung des EU- Rechts durch die Mitgliedsstaaten zu erleichtern“ . Gemäß einer mündlich vorgetragenen Information würden die zuständigen Bundesministerin für die Koordinierung ihrer Maßnahmen sorgen, wenn die „Guidelines“ im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht seien. Insgesamt würde es die Arbeit der

45 Vgl. zuletzt die Eintragungen am 07.11.2015, am 05.11.2015 und am 13.05.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 44 – Chronologie 2015

Bundesregierung erleichtern, wenn Beschwerden von Bürgern über eine irreführende Kennzeichnung von Produkten an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Durchschlag an Außenminister Frank-Walter Steinmeier gerichtet würden. In einem Offenen Brief rufen prominente Israels „aus tiefer Sorge um die Zukunft unseres Landes“ dazu auf, die Europäer mögen die Produkte aus den Siedlungen kennzeichnen. Zu den auch in Deutschland bekannten Unterzeichnern gehören Ilan Baruch, Avraham Burg, Naomi Chazan, Yael Dayan, Dani Karavan, Alon Liel, Avishai Margalit, Nurit Peled-Elhanan, Mossi Raz, Tsali Reshef, Yossi Sarid, Uri Segal und Ze’ev Sternhell. Am 03. Dezember sind Burg, Chazan und Benjamin Begin, Sohn des früheren Ministerpräsidenten, zu einer dreiteiligen Tagung in die USA zum Thema „Zwei Staaten, ein Heimatland“ eingeladen.

„Haaretz“ zitiert einen namentlich nicht genannten westlichen Diplomaten, dass niemand in den Außenämtern Zeit oder Interesse habe, Berichte über die Vorgänge auf dem Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt zu lesen.

Auf der „Friedenskonferenz“ von „Haaretz“ in Jerusalem äußert Israels Staatspräsident Reuven Rivlin die Überzeugung, dass bei den künftigen Friedensverhandlungen die Klärung des Status von Jerusalem, „die Hauptstadt Israels“ , im Vordergrund stehen müsse. Wenn 70 Prozent der palästinensischen Bewohner unter der Armutsgrenze leben würden, sei dies für Israel ein Sicherheitsproblem. Israel müsse lernen, dass die Palästinenser „in unserer Mitte leben und nicht woanders hingehen werden“ , wie dies die Anhänger des „Groß-Israel“ wollten. Auf demselben Podium führt der zwischen 2007 und Juni 2015 amtierende Beauftragte des „Nahost-Quartetts“ Tony Blair aus, dass der Grund für das Scheitern der bisherigen Bemühungen nicht im Streit über die Kernprobleme Grenzen, Sicherheit, Flüchtlinge und Jerusalem liege, sondern um www.reiner-bernstein.de 45 – Chronologie 2015

mangelnden Vertrauen zwischen Israelis und Palästinensern. Drei Dinge seien entscheidend: 1. Das Rahmenwerk der „Arabischen Friedensinitiative“ vom März 2002 mit Modifikationen müsse mit den „arabischen Mächten“ einbezogen werden. 2. Das tägliche Leben der Palästinenser müsse sich durch wirtschaftliche Hilfen „radikal und sofort“ verbessern; ohne einen palästinensischen Staat auf der Grundlage der Versöhnung zwischen den palästinensischen Flügeln werde Israel keinen Frieden und der palästinensische Staat keine Lebensfähigkeit gewinnen. Der Vorsitzende der „Vereinigten Liste“ in der Knesset Ayman Oudeh hofft, dass sich Israelis und Palästinenser von der Besatzung befreien. Das führende Mitglied von „Fatah“ Jibril Rajoub beklagt, dass die israelische Regierung die Friedenspolitik von Präsident Machmud Abbas nicht honoriere, und des deshalb die jüngsten Gewalttaten von Palästinensern nicht verwunderlich seien. Die fortwährende Okkupation könne nicht ewig dauern. Weder Israelis noch Palästinenser würden bis dahin Frieden finden. Für die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kann Europa die Option der zwei-Staaten-Lösung mit politischen, sicherheitsrelevanten und wirtschaftlichen Maßnahmen unterstützen.

US-Außenminister John Kerry führt auf einer Veranstaltung bei den Vereinten Nationen in New York zu Ehren des früheren israelischen Staatspräsidenten Chaim Herzog aus, dass „der zionistische Traum das Konzept Israels als eine jüdische Demokratie, ein Leuchtfeuer für alle Völker, umfasst“ .

10.11.2015: Die EU-Kommission veröffentlicht den „Fortschrittsbericht“ über die Beziehungen zur Türkei, der ursprünglich schon im Oktober vorgelegt werden sollte, aber wegen der türkischen Parlamentswahlen auf 01. November verlegt wurde. Darin werden der Regierung in Ankara erhebliche Rückschritte bei der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit www.reiner-bernstein.de 46 – Chronologie 2015

vorgehalten. Außerdem werden die Militärschläge gegen die „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ kritisiert und die schleppende Aufklärung des Terroranschlags in Ankara am 10. Oktober, bei der 97 Personen getötet wurden. Gleichwohl erwartet die EU- Kommission einen „Wandel durch Annäherung“, wodurch die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union erleichtert würden.

08.11.2015: „Haaretz“ berichtet, dass Barack Obamas im Gespräch mit Benjamin Netanjahu am morgigen Tag die Idee eines Staates zwischen Mittelmeer und Jordan ventilieren werde. Sie gehe auf Robert Malley zurück, den Leiter des „Middle East Desk“ des Nationalen Sicherheitsrates 46 . Bereits vor der Begegnung bekennt sich Netanjahu zur „Vision zweier Staaten für zwei Völker“ . Nach der Begegnung führt er in entspannter Stimmung aus, nachdem er von Obama und Außenminister John Kerry über die Möglichkeit einer politischen Regelung informiert worden ist, dass eine internationale Verständigung zu Syrien nicht auf Kosten Israels gehen dürfe. Israel werde keine Angriffe aus Syrien, von den Golanhöhen, deren Teilannexion er nicht zurückziehen wolle, und vom Libanon aus hinnehmen. „Wir werden es nicht akzeptieren, dass uns Gefolgsleute des Iran angreifen“ , erklärt Netanjahu. Seine Berater berichten, dass Israel ab 2017 zehn Jahre lang von Seiten der USA jährlich 5 Milliarden US-Dollar erhalten solle; gegenwärtig erhält Israel 3,1 Milliarden US-Dollar. Dem Vernehmen nach soll das Geld für die Anschaffung von Kampfflugzeugen, Anti-Raketen-Batterien und für Technologien verwendet werden, die palästinensische Tunnelanlagen besser orten. Oppositionsführer Yitzhak (Isaac) Herzog lobt Netanjahus Ausführungen in Washington in der

46 Barak Ravit: When the White House starts talking about one state, Netanyahu should worry, in „Haaretz“ 08.11.2015.

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Hoffnung, dass die Zwei-Staaten-Lösung politisch umgesetzt werde; in einem Kommentar am 13. November bezeichnet Uri Misgav in „Haaretz“ Herzog als „Pepsi-Cola-Opposition“ . Am 09. November berichtet der „Haaretz“-Korrespondent aus einem Telefonat mit Obamas Spitzen-Berater Ben Rhodes, in Israel solle niemand glauben, dass der internationale Druck anhalten werde, gleichgültig wer in Washington die Präsidentschaft gewinne.

Die aus dem Wettbewerb ausgeschiedene republikanische Präsidentschaftskandidatin Michele Bachmann (Minnesota) ruft nach ihrer Rückkehr von einem Besuch in Israel dazu auf, die Juden mehr denn je zum Christentum zu bekehren, weil die Ankunft Jesu Christi nahe sei.

06.11.2015. Auf dem Rückflug aus Albanien plädiert Bundesinnenminister Thomas de Maizière für die Begrenzung der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien . Da nicht alle Teile des Landes vom Krieg und Tod bedroht seien, solle künftig in Einzelfällen geklärt werden, ob einem Flüchtling lediglich ein sogenannter sekundärer Schutz einer vorläufigen Aufenthaltsdauer von einem Jahr gewährt werde. Auch ihr Familiennachzug wäre damit gefährdet. Trotz der Distanzierung durch Kanzleramtsminister Peter Altmeyer als Koordinator der Entscheidungen über den Flüchtlingszuzug schließen sich große Teile der CDU der Auffassung de Mazières an, so auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Trotz der Vertrauenserklärung Angela Merkels für de Maizière durch Regierungssprecher Steffen Seibert könnte der Widerstand gegen sie in einen Putsch münden, heißt es dazu in Journalistenkreisen. Am 10. November kündigt de Maizière die Wiedereinsetzung des „Dublin-Verfahrens“ an, wonach die Flüchtlinge in jene Staaten www.reiner-bernstein.de 48 – Chronologie 2015

zurückgeschickt werden können, die sie auf europäischem Boden zuerst betreten.

07.11.2015: Im englischsprachigen Programm der „Deutschen Welle“ unterstreicht Yair Lapid, Vorsitzender der Partei „Kulanu (Wir alle)“ in der Knesset, dass die für den 11. November angekündigten „EU- Guidelines“ zur Kennzeichnung von Waren und Produkten aus den jüdischen Siedlungen, die für den europäischen Markt bestimmt sind, antisemitisch seien. Mit Ausnahme Deutschlands sei die Mehrheit der EU-Staaten dem Antisemitismus zugetan. Er, Lapid, favorisiere die Trennung von den 3,4 Millionen Palästinensern im Rahmen einer Zweistaatenlösung, könne aber nicht einsehen, warum es Juden verboten sein solle, in Hebron zu leben.

06.11.2015: Nach israelischen Medienberichten plant Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei seinem Treffen mit US-Präsident Barack Obama am 09. November in Washington, ihm eine Reihe von vertrauensbildenden Maßnahmen vorzutragen. Dazu sollen die Aufhebung von „Checkpoints“ in der Westbank, die Erweiterung der Bewegungsfreiheit der Palästinenser und die Stabilisierung der palästinensischen Wirtschaft gehören, soweit sie in der von Israel kontrollierten Zone C tätig ist. Die geplanten Maßnahmen kommen zu einer Zeit, in der die anhaltenden palästinensischen Attacken auf israelische Zivilisten vermeintlich die nationale Sicherheit Israels bedrohen. Der Besuch Netanjahus gilt jedoch vor allem der Forderung, von den USA für sein Stillhalten im „Iran-Deal“ finanzielle und militärische Kompensationsleistungen durchzusetzen.

05.11.2015: www.reiner-bernstein.de 49 – Chronologie 2015

Ari Shavit, führender Kolumnist von „Haaretz“, berichtet aus den USA, dass die große Mehrheit der dort lebenden Juden die israelische Politik nachdrücklich ablehne. Die Siedlungspolitik grenze für sie an Gotteslästerung, sie sei nicht jüdisch und beschädige ihre Zukunft in der Diaspora. Der wahre Zionismus sei jener, den Theodor Herzl vertreten habe, modern, liberal und frei. An den Universitäten könne nur der Blinde leugnen, was dort vorgehe, wobei weder die BDS-Kampagnen noch der Antisemitismus die jüdischen Studenten bedrohe. Vielmehr sei es der Charakter des jüdischen Staates mit seinem ultraorthodoxen Zügen, der sie veranlasse, Israel den Rücken zu kehren 47 .

Der Knesset liegt die Eingabe eines „Likud“-Abgeordneten mit dem Ziel vor, dass israelische Verbraucher künftig keine Staaten kaufen, die „israelische Produkte boykottieren“. Wie zu erwarten, unterscheidet der Antrag, der Gesetzesform annehmen soll, nicht zwischen Israel in den Grenzen vor dem Junikrieg 1967 und den besetzten palästinensischen Gebieten. Importeure und Vermarkter sollen mit Haft bestraft werden, wenn sie sich nicht an der gesetzlichen Vorgabe halten. Der ehemalige israelische Botschafter in Washington und heute Abgeordnete der Partei „Kulanu (Wir alle)“ Michael Oren führt aus, dass die „EU-Guidelines“, die am 11. November für die Kennzeichnung von Waren und Produkten aus den jüdischen Siedlungen veröffentlicht werden sollen, „nichts weniger als eine antisemitische Entscheidung“ sei.

Amos Oz hat mitgeteilt, dass er künftig an Kulturveranstaltungen nicht mehr teilnehmen werde, die vom Staat unterstützt und finanziert werden. Der Schriftsteller A.B. Yehoshua berichtet von einer Veranstaltung aus Anlass des israelischen Rückzugs aus dem Gazastreifen vor 10 Jahren. Dabei habe er daran erinnert, dass

47 Ari Shavit: The Israeli right’s assault on the Jewish future, in „Haaretz“ 05.11.2015.

www.reiner-bernstein.de 50 – Chronologie 2015

Verteidigungsminister Moshe Ya’alon keine Chance für den Frieden zu seinen Lebzeiten erwarte, worauf er – Yehoshua – geantwortet habe, wenn die Politik so weitermache, werde es auch für Ya’alon Kinder und Enkel keinen Frieden geben 48 .

„Amnesty International“ erhebt schwerste Vorwürfe gegen das Assad-Regime in Syrien . 65.000 Menschen habe es verschwinden lassen, und Folterungen seien an der Tagesordnung. Die Organisation fordert die ungehinderte Untersuchung der Vorgänge durch eine unabhängige Menschenrechtskommission vor Ort. Am 06. November erheben unabhängige Experten erneut schwere Vorwürfe gegen das Assad-Regime, dem sie vorwerfen, Senfgas in der nordsyrischen Stadt Marea eingesetzt zu haben.

04.11.2015: Nach israelischen Medienberichten hat das Exekutivkomitee der PLO in Ramallah die Grundlinien eines politischen Programms verabschiedet, wonach die Autonomiebehörde ihre Zustimmung zu früheren Vereinbarungen mit Israel, die Sicherheitskooperation und den Status der Behörde ändern wolle.

Die Knesset entscheidet über eine Gesetzesvorlage, mit der jenen, die zum Boykott Israels aufrufen, die Einreise verboten werden soll.

Die Europäische Union hat ihre Hilfe für das UN-Flüchtlingswerk und das UN-Welternährungsprogramm um weitere 133 Millionen auf nunmehr 4,333 Milliarden Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei , in Jordanien und im Libanon aufgestockt.

48 A. B. Yehoshua: The possibility of binational thinking, in „Haaretz“ 06.11.2015.

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Die Bundestagsfraktion von „Bündnis 90/Die Grünen“ hat in einem Antrag, der am 05. November im Bundestag debattiert werden soll, die Bundesregierung aufgefordert, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Ägypten an die Prinzipen des Rechtsstaates zu binden.

03.11.2015: Nach einem Bericht von „Haaretz“ hat die israelische Polizei in den vergangenen Tagen damit begonnen, „checkpoints“ in überwiegend arabisch bewohnten Wohnvierteln Jerusalems aufzuheben, so in Ras Al-Amud, Silwan und Djabal Mukaber, nicht jedoch in A-Tur. Außerdem sei am 02. November die Genehmigung von weiteren, dem jüdischen Bevölkerungsteil vorbehaltenen 88 Wohneinheiten in Ramat Shlomo auf Eis gelegt worden, wohl auf Druck der USA, um den Besuch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kommende Woche in Washington nicht zusätzlich zu belasten. Der Rat der Stadt leugnet den Zusammenhang 49 . Am 05. November berichtet „Haaretz“, dass Netanjahus Sprecher Ran Baratz kurz vor dem Auftreten seines Chefs am 03. März vor dem US-Kongress Präsident Barack Obama des Antisemitismus und John Kerry als „infantil“ geziehen habe. Am 06. November meldet „Haaretz“, dass Obama nicht mehr erwarte, während seiner verbliebenen Amtszeit einen Friedensvertrag zwischen Israel und den Palästinensern zu erleben, so der Nahost-Berater Obamas Robert („Bob“) Malley. Er wolle während des Gesprächs mit Netanjahu diesen warnen, dass dessen Politik auf die Ein-Staat-Konstruktion zulaufe.

Eine israelische Militäreinheit stürmt den palästinensischen Sender „Al-Hurriyeh (Die Gerechtigkeit)“ in Hebron und beschlagnahmt das technische Gerät. Dem Sender wird von Seiten der israelischen

49 Nir Hasson: Israeli police start removing Jerusalem checkpoints, Palestinians report, in „Haaretz“ 03.11.2015.

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Behörden Hetzpropaganda vorgeworfen. Der Direktor des Sender Ayman Kawasmeh weist den Vorwurf mit Nachdruck zurück.

02.11.2015: Nach Angaben des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCS) sind allein im Monat Oktober 218.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gekommen – mehr als im gesamten Vorjahr 2014.

Nach einem Bericht von „Haaretz“ beabsichtigt die Europäische Union, am 11. November die Kriterien für die Kennzeichnung von Waren und Produkten aus den jüdischen Siedlungen zu veröffentlichen. Trotz intensiver Bemühungen sei es den israelischen Botschaften nicht gelungen, sich relevante Informationen über die Leitlinien zu verschaffen. Weniger als zehn Personen der Europäischen Union seien sie vertraut.

Für den Historiker Tom Segev ist Jerusalem „eine ziemlich unerträgliche Stadt geworden“ . Durch die Stadt „zieht sich eine Linie von Angst, Hass und nationaler Verschiedenheit“. Nationalreligiöse Juden würden demonstrativ in arabischen Vierteln der Stadt wohnen. Das „geeinte Jerusalem“ sei ein Mythos. Die Politik in Israel werde von Extremisten bestimmt. Die Demokratie werde immer schwächer 50 .

01.11.2015: Bei den Parlamentswahlen in der Türkei gewinnt die „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP)“ von Staatspräsident Recep Tayyib Erdo ğan, dessen Mitgliedschaft ruht, mit 49,5 Prozent bei

50 Tom Segev: „Das geeinte Jerusalem ist ein Mythos.“ Interview mit Inge Günther in „Qantara“ 02.211.2015.

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einer Wahlbeteiligung von 85,5 Prozent die absolute Mehrheit und strebt ein Präsidialsystem an. Die die kurdisch dominierte „Demokratische Partei der Völker (HDP)“ mit dem 43 Jahre alten Rechtsanwalt Selehattin Demirta ş an der Spitze, die bei den Wahlen am 07. Juni 13 Prozent gewann, erhält diesmal 10,8 Prozent und zieht mit 59 Abgeordneten der 550 Sitze in das Parlament ein. Die Opposition befürchtet die Verschärfung der Repressionen, die weitere Einschränkung der Presse- und Versammlungsfreiheit sowie die Aushöhlung des Rechtssystems. Meinungsforscher vertreten die Auffassung, dass die Mehrheit der Türken wenig Interesse an diesen Wertekanon zeige, sondern auf ihr persönliches Wohlergehen bedacht sei. Die Bundesregierung setzt laut ihrem Sprecher Steffen Seibert weiterhin auf die Dialogbereitschaft der türkischen Regierung. Die parlamentarische Opposition in Berlin wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut vor, mit ihrem Besuch am 18. Oktober in Ankara der AKP Wahlhilfe geleistet zu haben.

Oktober 2015

31.10.2015: Aus Anlass des 20. Todestages von versammeln sich in Tel Aviv über 100.000 Menschen – nach anderen Angaben sind es 40.000 bis 50.000 – mit Ansprachen von Präsident Reuven Rivlin und dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton. Der amtierende Präsident Barack Obama ist per Video zugeschaltet. Auch ein Vertreter des arabischen Bevölkerungsteils spricht zu den Versammelten. Vor dem Auswärtigen und Sicherheitsausschuss der Knesset tituliert Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Rabin als „diese Person“ .

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Im Oktober sterben bei den Gewaltausbrüchen in Israel und in den besetzten Gebieten 73 Palästinenser und 11 Israelis.

US-Präsident Barack Obama kündigt die Entsendung von „weniger als 50“ Elitesoldaten zur Bekämpfung des „Islamischen Staates“ nach Syrien an 51 . In einem Interview weist Obama am 02. November den Vorwurf zurück, dass erstmals amerikanische Soldaten nach Syrien entsandt worden seien.

Über der nördlichen Sinai-Halbinsel stürzt ein russisches Verkehrsflugzeug auf dem Weg von Sharm El-Sheikh ab, wobei alle 224 Urlauber und die Mannschaft getötet werden. Die russische und die ägyptische Regierung halten an unterschiedlichen Interpretationen des Vorfalls fest.

30.10.2015: Im Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ bekennt Yossi Beilin, dass bei ihm erstmals Zweifel an „Oslo“ nach dem Massaker des israelischen Arztes Baruch Goldstein am 24. Februar 1994 – dem Vorabend von „Purim“ – in der Ibrahim- Moschee in Hebron gekommen seien, als Goldstein 26 Palästinenser niederschoss. Als Benjamin Netanjahu 1996 erstmals Ministerpräsident wurde, sei ihm klar geworden, dass „Oslo“ gescheitert sei. Beilin, der als Chefdiplomat von Außenminister Shimon Peres gerühmt worden ist, räumt ein, dass die israelische Regierung unter Yitzhak Rabin einen Endstatus-Vertrag statt einer auf fünf Jahre – bis Mai 1999 – währenden Übergangsphase hätte anstreben sollen. Von einem Palästinenserstaat habe Rabin nie gesprochen, vielmehr von einer palästinensischen Entität, ohne zu erklären, was er damit meine. Er habe die politische Unterstützung von rechts nicht

51 Vgl. die Eintragung am 28.10.2015 in dieser Zeitleiste.

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verlieren wollen. Außerdem sei es ein Fehler gewesen, im Dezember 1992 nach der Ermordung eines israelischen Soldaten 415 „“-Führer in den Libanon abzuschieben, die nach einem Jahr „als zusammenschweißte Gruppe“ in den Gazastreifen zurückgekehrt seien. Machmud Abbas zeichne Schwäche aus. „Er regiert nur dank der Einmischung der Welt. Sie hält ihn heute als Präsidenten im Amt, obwohl er die Freiheiten seines Volkes immer mehr einschränkt und per Dekret regiert. Er wird überall anerkannt, außer vom eigenen Volk.“ Netanjahu sei „kein Partner für eine endgültige Lösung. Zu einer Übergangslösung wäre er jedoch bereit. Sie wäre heute der richtige Ansatz, schließlich kann Abbas nicht für den Gazastreifen sprechen. So ein Vertrag müsste als Teilumsetzung der arabischen Friedensinitiative [vom März 2003] betrachtet werden, arabische Staaten müssten mit uns Beziehungen aufnehmen. Aber im Endeffekt gibt es keine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung.“ Beilin zeigt sich davon überzeugt, dass Israel sicherheitsstrategisch die Jordansenke nicht braucht. Israel sei heute nicht gewalttätiger, aber weniger demokratisch geworden. „Bei uns werden die Spiegelregeln nicht mehr eingehalten. Und religiöse Kreise stellen das Machtmonopol des Staates infrage. Das ist eine Gefahr 52 .“

29.10.2015: Hans-Christian Rößler berichtet über das trostlose Leben syrischer Flüchtlinge in Jordanien mit seinen 7,7 Millionen Staatsbürgern. Beim UN-Flüchtlingswerk (UNHCR) waren Mitte Oktober 630.000 Flüchtlinge registriert, die jordanische Regierung spricht von 1,4 Millionen Syrern, um die internationale Hilfe zu mehren. Mehr als 80 Prozent von ihnen würden in Städten leben, der Rest in drei

52 „Bei uns werden Spiegelregeln nicht mehr eingehalten“ (Interview), in „Die Welt“ 30.20.2015.

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Container-Lagern. Die Arbeitsaufnahme sei ihnen verboten, wer sich als Tagelöhner verdinge, müsse mit der Ausweisung rechnen. Auch wenn das Welternährungsprogramm (WFP) bis Anfang 2017 weiteren 250.000 Syrern helfen könne, würde eine immer größere Zahl nach Syrien mit dem Ziel zurückkehren, sich von dort nach Europa und vor allem nach Deutschland durchzuschlagen 53 . 6 Millionen Syrer befinden sich auf der Flucht, die Zahl der Toten liegt bei über 300.000.

Das Europäische Parlament zeichnet den saudi-arabischen Blogger Raif Badawi mit dem Sacharow-Menschenrechtspreis aus. Badawi war im vergangenen Jahr wegen seiner Kritik am Regime der Wahhabiten zu 50 Stockschlägen verurteilt worden und musste, inzwischen schwerverletzt, 50 über sich ergehen lassen. Parlamentspräsident Martin Schulz fordert die Regierung in Riyadh auf, Badawi sofort freizulassen.

28.10.2015: „Haaretz“ berichtet, dass vor drei Wochen 110 deutsche Soldaten der 1. Panzerdivision in der im Negev gelegenen israelischen Militärbasis Ze’elim eingetroffen sind, um an Kampfübungen teilzunehmen, die der Unterdrückung von Unruhen in Städten gelten. Dies sei beim Besuch von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Mai vereinbart worden. Der Kommandeur der Einheit Brigadegeneral Ernst-Peter Horn wird mit den Worten zitiert, dass er es für seine Pflicht gehalten habe, die Gedenkstätte Yad vaShem in Jerusalem zu besuchen. Die Soldaten sollen am 30. Oktober nach Deutschland zurückkehren 54 .

53 Hans-Christian Rößler: Flucht ohne Wiederkehr, in FAZ 29.10.2015, S. 2.

54 Gili Cohen: Israeli, German armies hold joint training exercise in Israel to practice urban warfare, in „Haaretz” 28.10.2015.

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In einer Rede in Washington führt US-Außenminister John Kerry aus, wer sich für einen gemeinsamen jüdisch-arabischen Staat in Palästina einsetze, solle sich die Gewaltausbrüche von heute vergegenwärtigen.

Im Jerusalemer Teddy-Kollek-Fußballstadion skandieren Anhänger von „ Yerushalaim“ den Namen von Yigal Amir, dem Mörder Yitzhak Rabins am 04. November 1995.

Kurz vor den Parlamentswahlen am 01. November stürmt die Polizei in Istanbul das Gebäude der „Koza Ipek“-Mediengruppe, um eine politisch unliebsame Stimme zum Schweigen zu bringen. Kritiker sprechen mittlerweile vom „Staatsterror“ gegen die Meinungsfreiheit.

Das Pentagon erwägt den Einsatz von Spezialkommandos gegen den „Islamischen Staat“ im Irak und in Syrien . Außerdem kündigt sich nach den Worten des Verteidigungsministeriums eine Kehrtwende Washingtons an, wonach die USA der Beteiligung Irans an einer politischen Lösung in Syrien zustimmen. An der Konferenz in Wien sollen am 30. Oktober neben den UN-Vetomächten USA , Russland , Frankreich , Großbritannien und China auch die Außenminister aus Deutschland , Frankreich , die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, Ägypten , Irak , Libanon , Saudi-Arabien und der Türkei teilnehmen. Von Athen aus drückt Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Hoffnung aus, dass in Wien ein Zeichen für die territoriale Integrität Syriens ausgehe. Der Chef der „Bundesagentur für Arbeit“ Hans-Jürgen Weise erwartet, dass von den in diesem Jahr in Deutschland eintreffenden 800.000 syrischen Flüchtlingen 40 Prozent auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar sind. Konkrete Ergebnisse der Konferenz in Wien sind nicht erkennbar.

Nach Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, dem Berliner Regierenden Bürgermeister Michael Müller und dem hessischen www.reiner-bernstein.de 58 – Chronologie 2015

Ministerpräsident Volker Bouffier stattet nun auch Thüringen Ministerpräsident Bodo Ramelow mit einer großen Delegation Israel seinen ersten Auslandsbesuch ab.

27.10.2015: Nach einem Bericht des Londoner „Guardian“ haben 343 britische Akademiker in einem Offenen Brief die Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen und jenen, die von ihnen finanziert und organisiert werden, abgelehnt. Die Ankündigung gelte nicht für persönliche Kontakte.

24.10.2015: Nach Gespräche mit seinem Amtskollegen Nasser Judeh in Amman verurteilt US-Außenminister John Kerry „die Terrorangriiffe gegen unschuldige Zivilisten“ , für die es keine Rechtfertigung gebe und kündigt an, dass mit der israelischen Regierung eine Rundum- Überwachung des Tempelbergs vereinbart worden sei. Dabei werde „die besondere Rolle des Haschemitischen Königreichs Jordans respektiert“ . Judeh ergänzt, dass es keinen Schlussvertrag zwischen Israel und den Palästinensern ohne die Einwirkung und die Beteiligung Jordaniens geben könne. Am Abend erklärt Premier Benjamin Netanjahu, dass es keine Veränderung des Status quo auf dem Tempelberg geben werde und Israel nicht die Absicht habe, „den Tempelberg zu teilen“ . Stattdessen solle er weiterhin friedlichen Betern offenstehen. Shaul Arieli hatte am 19. Oktober daran erinnert, dass Ehud Barak beim Gipfeltreffen in Camp David (Juli 2000) Yasser Arafat angeboten habe, dass der Tempelberg, das Jüdische und das Armenische Viertel unter israelischer Souveränität bleiben, während die restliche Altstadt mit dem Moslemischen Viertel und der Grabeskirche an die Palästinenser fallen würde. Auf dem www.reiner-bernstein.de 59 – Chronologie 2015

Tempelberg solle ihnen eine Art Aufsicht eingeräumt werden, die es den Juden gestatte, dort zu beten 55 .

22.10.2015: Das US-Repräsentantenhaus verurteilt einstimmig die palästinensische Gewalt und droht der Autonomiebehörde den Entzug der Finanzhilfe an. Die Entschließung hat keine bindende Wirkung.

Bis dato sterben 50 Palästinenser und 10 Israelis. Beim Krisengipfel in Berlin mit Angela Merkel, Benjamin Netanjahu, Frank-Walter Steinmeier, John Kerry und Federica Mogherini ermahnt Merkel Israel und die Palästinenser zur „Deeskalation“ und zur „Verhältnismäßigkeit“ . Beim gemeinsamen Abendessen mit Netanjahu, heißt es, habe sie die Siedlungspolitik angesprochen. Kerry zeigt nach dem drei Stunden lang dauernden Gespräch mit Netanjahu „ein vorsichtiges Maß an Optimismus“ an und drückt in der gemeinsamen Pressekonferenz die Hoffnung aus, „jenseits von Verurteilungen und jenseits der Rhetorik“ politisch weiterzukommen. Nach Berichten soll es auch darum gegangen sein, für den Zugang zum Tempelberg eine schriftliche Vereinbarung zu treffen. Zuvor hatte Netanjahu „Hamas“, den „Islamischen Djihad“ und Machmud Abbas persönlich für die Terrorakte verantwortlich gemacht. Kerry kündigt an, dass er am 23. Oktober mit Sergej Lawrow sowie den Außenministern Saudi-Arabiens und der Türkei Adel Bin Ahmad Al-Jubeir und Feridun Hadi Sinirlioğlu in Wien und tags darauf mit Jordaniens König Abdullah II. und Abbas in Amman zusammenkommen werde, wobei auch der

55 Shaul Arieli: Why Jerusalem can and must be divided, in „Haaretz” 19.10.2015.

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Krieg in Syrien zur Sprache kommen soll. In Wien tagt dann außerdem das „Nahost-Quartett“ 56 .

Der Kolumnist Ari Shavit erinnert in „Haaretz“ daran, dass er seine erste Berufserfahrung im Büro von Meron Benvenisti gesammelt habe, als dieser Mitte der 1980er Jahre systematisch die israelische Siedlungspolitik dokumentiert und dabei den „point of no return“ herausgearbeitet habe. Damals habe er, Shavit, noch geglaubt, dass Israel von einem Albtraum verschont bleiben werde. Jetzt habe er gelernt, dass die „menschliche Krankheit“ und die „fanatische Mordlust der Messerstecher oder die Panik [und] das bestialische Verhalten des Lynchmobs“ ein „direktes, unvermeidliches Resultat der 40 Jahre lang währenden politischen Krankheit“ sei. Ohne die Trennung beider Völker würden sich die Israelis und die Palästinenser in einem Blutbad wiederfinden, auch wenn die Teilung des Landes Feindseligkeit erzeugen werde. Der Albtraum

56 Conclusions of the Meeting of the Middle East Quartet, Vienna, October 23, 2015: Representatives of the Quartet – Russian Foreign Minister Sergey Lavrov, United States Secretary of State John Kerry, European Union High Representative for Common Foreign and Security Policy Federica Mogherini, and United Nations Secretary General Ban Ki-Moon (represented by United Nations Special Coordinator for the Middle East Peace Process Nickolay Mladenov) – met in Vienna on October 23.

The Quartet expresses grave concern over the continuing escalation of tensions between Israelis and Palestinians. The Quartet condemns all acts of terror and violence against civilians. Underscoring the urgent need to restore calm the Quartet reiterates its call for maximum restraint and avoidance of provocative rhetoric and actions. It encourages Israel to work together with Jordan to uphold the status quo at the holy sites in Jerusalem in both word and practice, recognizing the special role of Jordan as per its peace treaty with Israel. Recalling its previous statements and relevant UN Security Council resolutions and recognizing that security measures alone cannot stop the cycle of violence, the Quartet calls for significant steps to be taken, consistent with the transition contemplated by prior agreements, in order to restore confidence and hope in the viability of a negotiated two-state solution that resolves the final status issues, including that of Jerusalem, and ends the occupation that began in 1967. The Quartet reaffirms its strong commitment to act in coordination with regional and international stakeholders in an effort to stabilize the situation and to assure and actively support a just, comprehensive and lasting settlement of the Palestinian-Israeli conflict.

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Benvenistis werde wahr. Die einzige Frage, so Shavit abschließend, sei: „Werden wir verstehen, was jetzt geschieht, bevor wie jenen Punkt erreichen, und was dann? Werden wir aufwachen, wenn es noch möglich ist, das Feuer auszutreten, oder erst dann, wenn die Flammen das ganze Haus verzehren 57 ?“

21.10.2015: Russland und die USA vereinbaren Regeln, um Kollisionen ihrer Kampfflugzeuge im syrischen Luftraum auszuschließen.

Kurz vor seinem Abflug nach Berlin löst Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf der 37. Tagung des Zionistischen Weltkongresses in Jerusalem eine Welle heftiger Proteste aus, als er dem einstigen Mufti von Jerusalem Hadj Amin Al-Husseini (1893 – 1974), der sich seit 1941 in Berlin aufhielt, die Urheberschaft für die „Shoah“ unterstellt, während Adolf Hitler die Juden ursprünglich nur habe vertreiben wollen. In einer Reaktion auf die Kritik betont Netanjahu, dass der Mufti am 28. November 1941 beim Empfang durch Hitler für die Idee der „Shoah“ verantwortlich sei, während sie von den Deutschen ausgeführt worden wurde. Die Vorsitzende der Partei „Meretz (Energie, Stärke)“ Zahava Gal’on weist darauf hin, dass der Mord an 33.771 Juden im polnischen Babi Yar im September 1941 stattfand, während Verteidigungsminister Moshe Ya’alon immerhin Hitler als den Hauptverantwortlichen für die „Shoah“ bezeichnet, ohne die Autonomiebehörde zu schonen. Der palästinensische Chefdiplomat Saeb Erakat betont, dass viele tausend Palästinenser an der Seite der Alliierten gegen Nazi-Deutschland gekämpft haben. Am Nachmittag weist Regierungssprecher Steffen Seibert die

57 Ari Shavit: Without Israel-Palestinian border, disaster is inevitable, in „Haaretz“ 22.10.2015. Verwiesen sei auf das von Meron Benvenisti gemeinsam mit Ziad Abu-Zayed und Danny Rubinstein herausgegebene „The West Bank Handbook. A Political Lexicon“. Verlag der „Jerusalem Post“ 1986.

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Interpretationen Netanjahus deutlich zurück. Am 22. Oktober verweist „Haaretz“ auf die These des US-amerikanischen Historikers Christopher Browning, dass die in die Sowjetunion eingefallenen deutschen Einsatzgruppen im Oktober 1941 den Weg in den institutionalisierten Massenmord geebnet hätten 58 .

Russische Kampfflugzeuge und Einheiten des syrischen Regimes greifen Ziele im Süden Aleppos an und treiben nach UN-Angaben mehr als 35.000 Menschen in die Flucht. Syriens Staatspräsident Bashar Assad hält sich zu einem Kurzbesuch in Moskau auf und dankt Russland für seine Unterstützung gegen die „Terroristen“. Staatspräsident Wladimir Putin wiederholt, dass es eine politische Lösung zur Beendigung des syrischen Bürgerkriegs geben müsse. Russische Medien vermuten, dass Moskaus militärischer Einsatz den Weg für eine von ihm angeführte politische Lösung ebnen solle, bei dem nach Wahlen auch das Schicksal Assads auf dem Spiel stehe. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davuto ğlu äußert am 21. Oktober die Hoffnung, dass Assad in Moskau politisches Asyl beantragt.

20.10.2015: „Haaretz“ berichtet in der hebräischsprachigen Ausgabe, dass Premier Benjamin Netanjahu die Vorsitzenden aller Parteien in der Knesset wegen des aktuellen Gewaltausbruchs zu einem Gespräch eingeladen habe, ausgenommen den Vorsitzenden der mehrheitlich arabischen „Vereinigten Liste“ Ayman Oudeh. Damit folgt Netanjahu einer Tradition, die nach dem Regierungsantritt Menachem Begins 1977 von Seiten des Bewegung „Frieden Jetzt“ eingeleitet wurde.

58 Von Christopher Browning liegen in deutscher Sprache folgende Bücher vor: „Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die ‚Endlösung‘ in Polen (Reinbek 1993); „Juden, NS-Politik, Zwangsarbeit und das Verhalten der Täter“ (Frankfurt am Main 2001); „Die Entfesselung der ‚Endlösung‘. Nationalsozialistische Judenpolitik 1939 – 1942“ (Berlin und München 2003).

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Die Begründung lautete, dass die jüdische Öffentlichkeit nur dann für einen politischen Kurswechsel gewonnen werden könne, wenn der arabische Bevölkerungsteil Israels davon ausgeschlossen sei. Auch die Vorsitzende der Partei „Meretz (Energie, Stärke)“ Zahava Gal’on und Yariv Oppenheimer, der vor einigen Tagen von seiner Position als „“-Leiter, haben gegen den Ausschluss Oudehs nicht protestiert.

18.10.2015: Aus Anlass des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ankara und ihrer Gespräche mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdo ğan und Ministerpräsident Ahmet Davuto ğlu zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ die in Ankara stationierte britische Leiterin von „Human Rights Watch“ Emma Sinclair-Webb mit der rhetorischen Frage: „Wenn die Türkei die Rechte ihrer eigenen Bürger verletzt, wird sie dann die Rechte der zwei Millionen Flüchtlinge achten, die sich hier aufhalten 59 ?“

Auf Anordnung der Regierung beginnt die israelische Polizei mit dem Bau einer Betonmauer im Ost-Jerusalemer Stadtteil Djabal Mukaber. Er wird von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am 20. Oktober als voreilig gestoppt, weil damit der Status Jerusalems als vereinigte Hauptstadt Israels in Frage gestellt würde. Aus Ost-Jerusalem stammt die große Mehrheit der palästinensischen Attentäter. Ungeachtet des „Fehlers“ soll eine Sperranlage im arabischen Vorort Issawiyeh errichtet worden, um Steinwürfe auf die Zugangsstraße nach Ma‘ale Adumim zu verhindern. Im Flüchtlingslager Shuafat im Norden der Stadt mit 60.000 Menschen fehlt es an ausreichender Trinkwasserversorgung und Anschlüssen an das kommunale

59 Michael Martens: Bis hierher und nicht weiter, FAZ 19.10.2015, S. 2. Dazu mein Beitrag „Europas türkischer Rettungsanker?“ in der Menüleiste „Kommentare“.

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Elektrizitätsnetz. Am 20. Oktober müssen 5 arabische Familien ihre Häuser in Silwan verlassen, die dort seit 1948 wohnten, nachdem die Familien einen langwierigen Gerichtsprozess gegen die rechtsextremistische Siedlergruppe „Ateret Cohanim (Krone der Hohepriester)“ verloren hatten. Deren Synagoge steht im Moslemischen Viertel der Altstadt etwa an der 3. Station der Via Dolorosa. Bei einem Kurzbesuch in Jerusalem am 20. Oktober ruft UN-Generalsekretär Ban ki-Moon zum Ende der Gewalt auf. Am Tag darauf besucht Ban in Ramallah den dortigen Präsidenten Machmud Abbas. Bis zum 20. Oktober sterben 40 Palästinenser und 8 Israelis.

17.10.0215: Am Samstagabend, zum Ausklang des Shabbat, demonstrieren rund 1.500 israelische Juden und Araber mit der Parole „Wir lassen uns von der Verzweiflung nicht unterkriegen“ gegen die fortwährende Gewalt. Zahava Gal’on, Vorsitzende der Partei „Meretz (Energie, Stärke)“ fordert Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf, auf den französischen Vorschlag zugunsten einer internationalen Präsenz auf dem Tempelberg zuzugehen. Dov Khenin, Abgeordneter der „Vereinigten Liste“, betont, dass nur das jüdisch-arabische Zusammenstehen die Gewalt beenden könne, „die uns alle zu ertränken droht“ . Die Proteste sind von der jüdisch-arabische Gruppe „Wir stehen zusammen“ organisiert worden.

Auf dem Weg von Teheran nach Riyadh, wo Außenminister Frank-Walter Steinmeier den Iran und Saudi-Arabien bewegen will, einen positiven Beitrag zur Beendigung des Krieges in Syrien zu leisten, besucht er syrische Flüchtlinge, denen die Arbeitsaufnahme in Jordanien bei Strafe der Ausweisung verboten ist. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet über Steinmeiers Begegnung mit einem 28 Jahre alten Syrer, dem von der jordanischen Geheimpolizei die Zähne eingeschlagen www.reiner-bernstein.de 65 – Chronologie 2015

worden seien, und schreibt: „Zwar ist Jordanien eine konstitutionelle Monarchie [!], König Abdallah versteht sich als modernes Staatsoberhaupt und sieht sein Land auf einem Kurs ‚gelenkter Demokratisierung‘: Auf dem Papier wurde in seiner Amtszeit seit 1999 das Parlament gestärkt. Doch nach Jahrzehnten der Unterdrückung sind politische Parteien schwach, im Parlament sitzen Dutzende unabhängige Politiker, und so ist das Abgeordnetenhaus weniger Gegengewicht zur Monarchie als Puffer zur Bevölkerung. Die Macht liegt weiter beim König, und dessen Geheimdienste kontrollieren das Land 60 .“ Am Rande der Berichterstattung über Steinmeiers vergebliche Bemühungen in Riyadh, Saudi-Arabien und den Iran zur Beendigung des Krieges in Syrien an einen Tisch zu bringen, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ am 21. Oktober „amnesty international“, wonach im wahhabitischen Königreich allein in diesem Jahr 170 und im Iran 700 Personen hingerichtet worden sind 61 . Zum Abschluss seiner Gespräche in Teheran und Riyadh zeichnet Steinmeier am 20. Oktober ein düsteres Bild und macht am jordanischen Teil des Toten Meeres zwecks Teilnahme an einer Konferenz der Mittelmeer-Anrainer Zwischenstation auf dem Rückweg nach Berlin 62 .

16.10.2015: Kurz vor Beginn der Sitzung des UN-Sicherheitsrats, die auf Verlangen Jordaniens einberufen worden ist, verkündet Israels Botschafter Danny Danon, dass seine Regierung jegliche internationale Intervention oder Aufsicht auf dem Jerusalemer Tempelberg/Heiligem Schrein ablehne. Die Beteiligung würde dem

60 Lea Frehse: 50 Cent pro Tag zum Essen, in SZ 19.10.2015, S. 8.

61 Vgl. die Eintragung am 25.08.2015 in dieser Zeitleiste.

62 Vgl. die Eintragung am 09.10.2015 in dieser Zeitleiste.

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Status quo zuwiderlaufen. Am Tag darauf wird bekannt, dass der französische UN-Botschafter François Delattre namens seiner Regierung zumindest eine Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrates betreibe. Am 18. Oktober erklärt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass Israel die Lösung und nicht das Problem der Wahrung des Status quo auf dem Tempelberg sei. Berichten aus Jerusalem und Washington melden, dass das Telefongespräch von US-Außenminister John Kerry mit Netanjahu schwierig gewesen sei.

In Nablus zerstören Palästinenser das Grab des jüdischen Patriarchen Joseph. Es steht unter der Souveränität Israels, obwohl die Stadt zur Zone A mit voller palästinensischer Autonomie in der Westbank gehört. Präsident Machmud Abbas verurteilt den Vandalismus und kündigt materielle Entschädigung an.

15.10.2015: Nachdem US-Außenminister John Kerry in Washington die „Terrorangriffe gegen israelische Zivilisten“ in scharfen Tönen verurteilt hat, sieht sich sein Sprecher John Kirby gezwungen, seinen Kommentar zurückzuziehen, Israel habe den Status quo auf dem Tempelberg verletzt.

13.10.2015: Nach weiteren palästinensischen Attacken in Jerusalem, Ra’anana, Tel Aviv und Kiryat Ata (in der Nähe Haifas) mit Toten und Verletzten beruft Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für den Nachmittag das Sicherheitskabinett ein. Am 14. Oktober beschließt es neue Maßnahmen, zu denen die mögliche Abriegelung von Teilen Jerusalems, die Sprengung von Häusern, die Familien von Terroristen gehören, und der Entzug des Wohnrechts in Jerusalem. Getötete Palästinenser sollen nicht mehr von ihren Angehörigen beerdigt werden dürfen. Nach Presseberichten hat sich Netanjahu www.reiner-bernstein.de 67 – Chronologie 2015

am selben Tag gerühmt, dass seit seinem Amtsantritt 2009 die Zahl der Siedler um 120.000 gewachsen sei. In der israelischen Ortschaft Sakhnin in Untergaliläa demonstrieren 20.000 arabische Staatsbürger gegen die Regierungspolitik. Bürgermeister Mazen Ghaim betont vor den Versammelten, dass das gesamte palästinensische Volk seine Rechte, seine Unabhängigkeit und das Ende der Besatzung verlange. Ghaim ruft die zerstrittenen Fraktionen in der Westbank und im Gazastreifen zur Einheit sowie die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung der Palästinenser bei der Erlangung ihrer Rechte auf. Achmad Tibi, Abgeordneter der „Vereinigten Liste“, verwahrt sich gegen den Vorwurf, dass die Palästinenser die Unruhen herbeigeführt hätten, vielmehr sei Netanjahus Politik die wahre Aufwiegelung. Der Vorsitzende der „Vereinigten Liste“ in der Knesset Ayman Oudeh fordert am 14. Oktober Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein auf, gegen Netanjahu ein Verfahren wegen Aufwiegelung und Verleumdung einzuleiten, weil er tags zuvor bei der Eröffnung der Wintersitzungsperiode der Knesset Palästinenser beschuldigte, mit dem „Islamischen Staat“ zu kooperieren. Der 57 Jahre alte Führer des nördlichen Arms der „Islamischen Bewegung“ in Israel Sheikh Raed Salah kündigt an, dass er und seine Anhänger nicht kapitulieren werden: „Wir werden leben oder sterben 63 .“ Ihm wird die Ausreise zu Teilnahme an einer Konferenz in Istanbul verwehrt. Israels Innenminister Silvan Shalom droht am 15. Oktober demonstrierenden arabischen Israelis mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft.

Das Parlament des Iran billigt endgültig das Abkommen über die Beschränkung des Nuklearprogramms mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland vom 30. Juni 64 . Am 14. Oktober folgt der religiöse „Rat der Weisen“ dem Votum des Parlaments.

63 Vgl. die Eintragung am 10.10.2015 in dieser Zeitleiste.

64 Vgl. die Eintragung am 28.06.2015 in dieser Zeitleiste. www.reiner-bernstein.de 68 – Chronologie 2015

Mehrere Golfstaaten verhandeln über US-amerikanische Mittelsmänner mit Israel über die Lieferung von Abwehrraketen vom Typ „Iron Dome“, um sich gegen eventuelle Angriffe aus dem Iran verteidigen zu können.

11.10.2015: Der Ministerausschuss für Rechtsfragen entscheidet über die Vorlage eines Gesetzes, wonach Israels Gerichte künftig ihre Urteile auf der Grundlage des Religionsgesetzes, der „Halacha“, fällen sollen. In der Begründung dazu heißt es, dass durch ein solches Gesetz „Israel näher an einen Religionsstaat gebracht werden soll, der im Gegensatz zu Israels Richtschnur als demokratischer Staat steht, welcher der Nationalstaat des jüdischen Volkes ist“ 65 .

Entgegen einer Resolution des UN-Sicherheitsrates testet Iran eine ballistische Rakete mit Namen „Emad“. Bisher galt das iranische Potential als wenig wirkungsvoll und treffsicher.

10.10.2015: Am Morgen werden vor dem Hauptbahnhof in Ankara bei zwei Bombenanschlägen mittlerweile 97 Menschen getötet, die sich zu einer Friedensdemonstration der prokurdischen „Demokratischen Partei der Völker (HDP)“, der Gewerkschaft für Angestellte des öffentlichen Dienstes und kleinerer linker Gruppen gegen die Regierung zusammengefunden haben. Die Kundgebung sollte ein Signal gegen die Gewalt zwischen der Staatsmacht und der kurdischen „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ aussenden . Ministerpräsidenten Ahmet Davuto ğlu macht

65 Jonathan Lis: Minister to decide whether Israeli courts must use Jewish law, in „Haaretz” 11.10.2015.

www.reiner-bernstein.de 69 – Chronologie 2015

wahlweise die PKK oder den „Islamischen Staat“ für das Blutbad verantwortlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilt die Mordtat als „feige Akte“. Am selben Tag werden in und um die kurdische Stadt Diyabakir bei Anschlägen zwei Polizisten getötet. In vielen Großstädten kommt es zu Solidaritätskundgebungen für die Demonstranten. Die Regierung ordnet eine dreitägige Staatstrauer an. Die PKK setzt ihre Angriffe aus, woran sich das türkische Militär nicht hält. Zwei ihrer Soldaten werden getötet. Die Abgeordnete von „Bündnis 90/Die Grünen“ Claudia Roth zieht die geplante Einbeziehung der Türkei als sicheres Herkunftsland für Flüchtlinge aus Syrien in Zweifel. Gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ kritisiert sie, wer die Türkei zu einem sicheren Herkunftsland erklären wolle, „könnte eigentlich jedes Land zum sicheren Herkunftsland machen“ 66 . Ankara bittet die Europäische Union, vorläufig die Verhandlungen über die Einrichtung von Transitlagern auf seinem Territorium auszusetzen. Am 01. November sollen Parlamentswahlen in der Türkei stattfinden. Sie auszusetzen, heißt es in der „Süddeutschen Zeitung“, „wäre eine Einladung an alle, die das Land in den Abgrund treiben wollen“ 67 . Am Rande des EU- Außenministertreffens in Luxemburg bringt Frank-Walter Steinmeier am 12. Oktober die Hoffnung zum Ausdruck, dass eine „gemeinsame Migrationspolitik“ mit der Türkei möglich sei. Dagegen betont eine Sprecherin der EU-Kommission, dass nach dem Anschlag in Ankara neu über die Türkei als sicheres Herkunftsland diskutiert werden müsse. Am 18. Oktober wird Merkel zu Gesprächen nach Ankara reisen.

66 Dagmar Dehmer und Ulrike Scheffer: EU-Außenminister reden über die Türkei als sicheres Herkunftsland, in „Der Tagesspiegel“ 08.10.2015. Dazu auch mein Kommentar „Europas türkischer Rettungsanker“ in dieser Homepage. Vgl. auch die Eintragung am 25.07.2015 in dieser Zeitleiste.

67 Peter Münch: Kampf ohne Plan, in SZ 10./11.10.2015, S. 4.

www.reiner-bernstein.de 70 – Chronologie 2015

Bei den Kämpfen zwischen palästinensischen Demonstranten – die „Süddeutsche Zeitung“ nennt sie „Turnschuh-Bataillone“ 68 – und der Polizei und dem Militär Israels sind inzwischen 17 Palästinenser und 4 Israelis getötet worden. Erstmals greifen die Unruhen auch auf Israel in den Grenzen von 1967 über, als im Kleinen Dreieck zwischen Hadera und Afula, wo eine palästinensische Frau von Juden schwer verletzt wurde, Palästinenser auf die Straße gehen. Für den 13. Oktober sei ein Generalstreik geplant, heißt es. Die EU- Außenbeauftragte Federica Mogherini kündigt an, dass in Kürze das „Nahost-Quartett“ aus den USA, der EU, Russland und dem UN- Generalsekretär, zusammentreten soll. Dabei soll es auch um die französische Initiative gehen, in den UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur israelischen Siedlungspolitik in der Westbank und in Ost-Jerusalem einzubringen 69 . Am 11. Oktober ordnet Netanjahu an, dass der Inlandsgeheimdienst „Shin Bet“ den Strafbehörden Erkenntnisse liefert, um den nördlichen Arm der „Islamischen Bewegung“ in Israel verbieten zu lassen. Am 11. Oktober ruft Mogherini in Telefonaten Benjamin Netanjahu und Machmud Abbas dazu auf, für Besonnenheit zu sorgen und den „Friedensprozess“ wiederaufzunehmen. Am Abend wird die Reise des „Nahost- Quartetts“ nach Jerusalem abgesagt, nachdem Netanjahu sie als zeitlich unangemessen bezeichnet hat.

Im Vorgriff auf das neue Buch „Doomed to Success: The U.S-Israel Relationship from Truman to Obama“ des US-amerikanischen Chefunterhändlers Dennis Ross bei den Verhandlungen mit Israel und den Palästinensern berichtet „Haaretz“, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe 2010 zugesagt, dass sich Israel aus dem

68 Christiane Schlötzer: Erdo ğans Verantwortung, in SZ 12.10.2015, S. 4.

69 Dazu der Bericht von Barak Ravid: France to push for UN Security Council resolution on settlements, in „Haaretz“ 11.10.2015, S. 1 via www.jrbernstein.de.

www.reiner-bernstein.de 71 – Chronologie 2015

größten Teil der Westbank zurückzuziehen bereit sei, wenn seine Sicherheitsbedürfnisse befriedigt würden 70 .

09.10.2015: Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zeigt sich der Präsident des „Zentralrats der Juden in Deutschland“ Josef Schuster erfreut über die deutsche Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen. Gleichzeitig befürchtet er, dass nach der langen Zeit der Vermittlung von Israel- und Juden-feindlichen Bildern in manchen Herkunftsländern in der Bundesrepublik die Zahl antisemitischer Vorkommnisse steigen könnte. Deshalb sei „es ganz wichtig, dass wir jedem Flüchtling nahebringen, dass in Deutschland das Grundgesetz die Lebensgrundlage aller Menschen ist und zu unserem Wertekanon die Ablehnung jeglicher Form von Antisemitismus sowie das Bekenntnis zum Existenzrecht Israels dazugehören“ . Bei dieser Aufgabe müssten auch die muslimischen Verbände und die Moschee-Gemeinden mithelfen. Doch das Schimpfwort „Du Jude!“ sei nicht nur unter Neu-Einwanderern, sondern auch unter Kindern zu hören, die in Deutschland aufgewachsen sind. Schuster kündigt an, dass am 15. November ein „Mitzvah-Day“ stattfinden werde, „der jüdische Tag der guten Tat, an dem sich sehr viele jüdische Gemeinden für Flüchtlinge engagieren“ würden. Die „Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland“ werde darüber hinaus Integrationskurse für Flüchtlinge anbieten, weil „wir zuallererst wissen, was es bedeutet, flüchten zu müssen und seine Heimat zu verlieren“ 71 . „Sollte es in Deutschland Konflikte geben, die sich an Ereignissen im Nahost-Konflikt entzünden, stünden die meisten syrischen Einwanderer auf Seiten der

70 Howard Goller: Dennis Ross: Netanyahu agreed to withdraw from the West Bank in 2010, in Haaretz” 10.10.2015.

71 „Israelfeindliche Bilder könnten zu uns getragen werden“ (Interview), in FAZ 09.10.2015, S. 4. Dazu die Eintragung am 04.10.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 72 – Chronologie 2015

Palästinenser“ , fügt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 10. Oktober hinzu 72 .

Bei neuen Zusammenstößen werden 5 Palästinenser an der Grenze zum Gazastreifen getötet und 2 Israelis verletzt. Der „Hamas“-Ministerpräsident Ismail Haniyeh spricht bei den Freitagsgebeten von einer neuen „Intifada“.

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an das „Quartett des Nationalen Dialogs“ Tunesiens. Ihm gehören die Gewerkschaft, der Arbeitgeberverband, die Anwaltskammer und die Liga für Menschenrechte an. Der Preis, der mit umgerechnet 800.000 Euro dotiert ist, soll am 10. November, dem Todestag Alfred Nobels, in Oslo verliehen werden. Am 13. Oktober beginnt in Tunis die Europäische Union mit Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen.

Der spanische UN-Sonderbotschafter für Libyen Bernardino Léon schlägt im marokkanischen Skhirat nach langen Verhandlungen eine Einheitsregierung unter Beteiligung der international anerkannten Regierung in Tobruk und dem weite Teile des Landes kontrollierenden Regime in Tripolis vor. Angesichts vielfältiger Widerstände wird daran gezweifelt, dass der Plan eine Chance hat. Nachfolger Léons soll der deutsche Diplomat Martin Kobler werden 73 . Nach dem Scheitern des Friedensplanes zeigt sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier am 20. Oktober auf der Konferenz der Mittelmeer-Anrainer auf der jordanischen Seite des Toten Meeres tief besorgt über die Zukunft Libyens.

Der UN-Sicherheitsrat legitimiert mit 14 Stimmen bei der Enthaltung Venezuelas den EU-Einsatz gegen Schleuserbanden im Mittelmeer.

72 Rainer Hermann: „Islam im Gepäck, in FAZ 10.10.2015, S. 10.

73 Vgl. die Eintragung am 21.09.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 73 – Chronologie 2015

08.10.2015: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bestätigt, dass er am Vortag jüdische und arabische Minister und Knesset-Abgeordnete aufgefordert habe, von einem Besuch auf dem Tempelberg/Noblem Heiligtum Abstand zu nehmen. Die frühere Vorsitzende der Arbeitspartei Shelly Yachimovich begrüßt die Ankündigung Netanjahus. Dagegen verwahrt sich Landwirtschaftsminister Uri Ariel („Das jüdische Haus“) gegen sie, soweit sie Juden betreffe. Niemand, fügt der für Jerusalem zuständige Minister Ze’ev Elkin („Likud“) hinzu, hetze mehr als die Abgeordneten der arabisch geführten „Vereinigten Liste“. Ihr Vorsitzender Ayman Oudeh kündigt an, dass sich seine Partei der Aufforderung Netanjahus nicht beugen werde, in der Al-Aqza-Moschee nicht zu beten. Sie sei Teil des besetzten Gebiets. Am Abend versammeln sich einige hundert jüdische Extremisten an der „Klagemauer“, rufen „ Tod den Araber“ und bezeichnen Israel als einen „Polizeistaat“ .

Jerusalems Bürgermeister hat in einem Rundfunkinterview alle (jüdischen) Staatsbürger aufgerufen, wie während des Reservedienstes – er dauert für Männer 30 Monate – immer ihre lizensierten Waffen bei sich zu tragen, um in Jerusalem und in der Westbank Terrorakten zu begegnen. Nach einer amtlichen Statistik waren im Jahr 2013 rund 157.000 Waffen in privater Hand, zusätzlich 43.000 bei Angehörigen der Sicherheitsdienste.

Der emeritierte Historiker an der Hebräischen Universität in Jerusalem Shlomo Avineri spricht den USA die Fähigkeit ab, zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beitragen zu können. Diese Vorstellung sei eine „Illusion“. Auch die von der israelischen Opposition, dem „Zionistischen Lager“, befürwortete Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Palästinensern werde ergebnislos bleiben, solange sie keinen www.reiner-bernstein.de 74 – Chronologie 2015

radikalen Kampf für den völligen und bedingungslosen Stopp des Siedlungsbaus bis zur „Grünen Linie“ von 1967 aufnehme und darüber Einbußen bei ihrer Wählerschaft fürchte. Avineri schlägt vor, die jüdische Diaspora für ein großzügiges Entschädigungsprogramm für die zurückkehrenden Siedler zu gewinnen, nachdem es der Regierung jahrelang gelungen sei, sie für die Erweiterung der Siedlungen in der Westbank und in Ost-Jerusalem zu gewinnen 74 .

Kulturstaatsministerin Monika Grütters und ihre israelische Amtskollegin („Likud“) verleihen in Berlin erstmals den Deutsch-Hebräischen Übersetzerpreis. Ruth Achlama erhält den Preis für die Übersetzung zweier Romane aus dem Hebräischen ins Deutsche: David Vogel: „Eine Wiener Romanze“, und Yoram Kaniuk: „1948“. Der Preis für Übersetzungen ins Hebräische geht zu gleichen Teilen an Nitza Ben-Ari für ihre Übersetzung von Johann Wolfgang von Goethes „Hermann und Dorothea“ und an Yirmiyahu Yovel für seine Übersetzung der „Kritik der reinen Vernunft“ von Immanuel Kant.

07.10.2015: Unter dem Schirm russischer Kampfflugzeuge beginnt das Assad-Regime mit einer Bodenoffensive gegen gemäßigte Rebellengruppen im Nordwesten Syriens, in Hama und in der Provinz Idlib. Außerdem startet Russland vom Kaspischen Meer 26 Marschflugkörper auf Stellungen des „Islamischen Staates“. Präsident Wladimir Putin bestätigt die Einsätze, die jedoch alle gegen den IS gerichtet gewesen seien. Am 08. Oktober werden erneut russische Marschflugkörper abgeschossen, von denen jedoch einige irrtümlicherweise im Iran gelandet sein sollen. Allein die Drohung, die NATO-Präsenz in der Türkei zu stärken,

74 Shlomo Avineri: Why Washington will never resolve the Israeli- Palestinian conflict, in Haaretz” 08.10.2015.

www.reiner-bernstein.de 75 – Chronologie 2015

werde auf Russland abschreckend wirken, heißt es in Brüssel. Ungeachtet der militärischen Intervention Russlands sei der IS weiter auf dem Vormarsch, so um Aleppo, meldet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 10. Oktober 75 .

Nicht ganz unerwartet, sagt Benjamin Netanjahu gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittag die am nächsten Tag geplanten Regierungskonsultationen mit der Bundesrepublik in Berlin „wegen der angespannten Sicherheitslage“ in Israel ab; ursprünglich wollte Netanjahu bis zum 09. Oktober in Berlin bleiben. In der von „Haaretz“ verbreiteten Nachricht wird darauf hingewiesen, dass Netanjahu seinen Besuch bei den Vereinten Nationen nicht abgekürzt habe, als am 02. Oktober das Ehepaar Hankin in der Westbank von einem Palästinenser ermordet wurde. Wann die Bundesregierung der israelischen Bitte nachkommt, einen neuen Termin vorzuschlagen, lässt sich nicht absehen. Am Nachmittag wird erstmals in Israel selbst, in Petach Tiqwa, ein jüdischer Israeli bei einem Anschlag verletzt, der Täter wird festgenommen. „Ausgerechnet die Unruhen zwischen Palästinensern und Israels haben Merkel ein paar Stunden Ruhe verschafft“ , notiert die „Süddeutsche Zeitung“ am 10. Oktober 76 .

Im Interview mit „Haaretz“ zeigt der palästinensische Präsident Machmud Abbas Verständnis für den Aufruhr von Palästinensern in Jerusalem und in der Westbank, distanziert jedoch noch einmal von Gewalttaten. Aber niemand in Israel solle sich wundern, dass nach der „Aggression“ auf dem Jerusalemer Noblem Heiligtum, den Brandschatzungen und den Tötungen die palästinensische Gesellschaft rebelliere 77 .

75 IS in Syrien weiter auf dem Vormarsch, in FAZ 10.10.2015, S. 1.

76 Nico Fried: Bitte?, in SZ 10.10.2015, S. 3.

77 Vgl. die Eintragungen am 30.09.2015 und am 21.09.2015 in dieser Zeitleiste. www.reiner-bernstein.de 76 – Chronologie 2015

06.10.2015: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet aus Jerusalem, dass sich in den kommenden Tagen erstmals israelische und russische Militärs treffen würden, um ihre Aktionen auf den Golanhöhen und in Syrien zu koordinieren. Daraus hätten sich Wladimir Putin und Benjamin Netanjahu am 21. September in Moskau geeinigt 78 . Um keine Eskalation zu provozieren, hat Russland außerdem amerikanische und weitere ausländische Offiziere zur Koordinierung des Vorgehens gegen den „Islamischen Staat“ eingeladen. US- Verteidigungsminister Ashton Carter weist das russische Angebot zurück 79 . Am 09. Oktober kündigt Carter einen Strategiewechsel an: Nur noch solche Oppositionsgruppen in Syrien würden militärisch unterstützt, die gegen den IS kämpfen.

05.10.2015: Nach einem Bericht von „Haaretz“ hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Kabinett erklärt, dass er weitere Siedlungsbauten in der Westbank nicht genehmigen werde, um nicht die weiteren Sicherheitsgespräche mit den USA zu belasten. Sein Berater Itzhak Molcho habe dazu erläutert, dass Washington gegenüber der Regierung ein Ultimatum abgegeben habe. Ansonsten seien die USA gezwungen, im UN- Sicherheitsrat nicht mehr von ihren Vetorecht Gebrauch zu

78 Jack Khoury: Abbas to Haaretz: I’m not inciting violence, I want to restore calm, in „Haaretz” 07.10.2015.

79 Vgl. die Eintragungen am 30.09.2015 und am 21.09.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 77 – Chronologie 2015

machen. Das State Department habe nicht bestritten, dass es dem Büro Netanjahus eine Botschaft übermittelt habe80 .

04.10.2015: In seiner Rede aus Anlass des 25. Jahrestags der deutschen Einheit verlangt Bundespräsident Joachim Gauck bei den Feierlichkeiten in Frankfurt am Main von den in Deutschland ankommenden Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und anderen Teilen des Nahen Ostens und Afrikas beim anstehenden „Verständigungsprozess“ über die freiheitliche Grundordnung der Bundesrepublik „die Gesetze des säkularen Staates“ zu befolgen. „Dazu zählt unsere entschiedene Absage gegen jede Form des Antisemitismus und unser Bekenntnis zum Existenzrecht von Israel.“

Angehörige der Terrormilizen des „Islamischen Staates“ zerstören in Palmyra das Hadrianstor. Es war im Jahr 129 zu Ehren des römischen Kaisers errichtet worden 81 .

03.10.2015: Die Gewalttätigkeit in der Jerusalemer Altstadt steigt kontinuierlich; auch der westliche Teil der Stadt wird erfasst. Beobachter befürchten, dass sich die Vorgänge zu einer beispiellosen Konfrontation mit bisher unvorstellbaren Konsequenzen auswachsen könnten. Auf dem Tempelberg / Noblem Heiligtum werden schwarze Flaggen des „Islamischen Staates“ gesichtet. Nachdem am 03. und 04. Oktober in der Westbank und in Jerusalem vier Israelis ermordet worden sind – die palästinensischen Attentäter wurden erschossen –, wird am

80 Barak Ravid: Netanyahu says West Bank settlement construction could harm post-Iran deal talks with U.S., in „Haaretz” 08.10.2015.

81 Dazu zuletzt die Eintragung am 30.08.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 78 – Chronologie 2015

04. Oktober die Altstadt – vorübergehend, heißt es – für Palästinenser gesperrt, es sei denn, sie sind über 50 Jahre alt und wollen auf dem Noblen Heiligtum beten; Frauen sind von den Einschränkungen nicht betroffen. Generell haben nur israelische Staatsbürger, Bewohner und Geschäftsleute in der Altstadt sowie Touristen Zutritt. Junge Juden ziehen randalierend mit Ausrufen wie „Mohamed ist tot“ , „Tod den Arabern“ und „Möge ihr [der Araber] Name aus dem Buch des Lebens ausgelöscht werden“ durch die Altstadt, ohne dass sich die israelische Polizei zum Eingreifen veranlasst sieht.

Am 04. Oktober erteilt Israels früherer Verteidigungs- und Außenminister Moshe Arens in „Haaretz“ unter dem Titel „The curtain falls on a Palestinian state“ einem Staat Palästina eine Absage und beruft sich dabei auf die Erklärung des Führers der „Neuen Zionistischen Organisation“ im Mandatsgebiet Vladimir Zeev Jabotinsky vor dem britischen Oberhaus am 11. Februar 1937: „Ich sagte bereits, dass unsere Forderung gar nichts enthält, was die Araber verdrängen sollte. Im Gegenteil, die Idee ist, dass Palästina zu beiden Seiten des Jordans die Araber und ihre nachkommenden Generationen und viele Millionen Juden umfassen muss. Was ich nicht leugne, ist, dass die Araber in diesem Prozess unvermeidlich in eine Minderheit in Palästina verwandelt werden. Und was ich leugne, ist, dass das eine Unterdrückung sein soll. … Wenn aber die arabische Forderung [nicht in die Minderheit geraten zu wollen] mit unserer jüdischen – nach Rettung – verglichen wird, dann ist sie wie die Forderung des Appetits im Vergleich zur Forderung des Hungers.“

Am 04. und 05. Oktober sterben zwei junge Palästinenser in der Westbank an den ihnen zugefügten Schussverletzungen. Die Zahl der palästinensischen Verletzten übersteigt mittlerweile die www.reiner-bernstein.de 79 – Chronologie 2015

Marke von 70082 . Am 05. Oktober kündigt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Zuge eines umfangreichen Maßnahmenpakets den „Kampf bis zum Tod“ des „palästinensischen Terrorismus“ an. Am Abend verlangen Israelis vor dem Amtssitz Netanjahus Rache für den Tod ihrer Landsleute und fordern die Fortsetzung des Siedlungsbaus, ihr Stopp würde von den Palästinensern als Schwäche empfunden werden. Erziehungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ayelet Shaked (beide von der Partei „Das jüdische Haus“) beschuldigen Netanjahu auf Facebook der Schwäche. Allein Umweltminister , der Vorsitzende der Partei der „Sefardischen Thorawächter ()“, wendet sich in einem Interview gegen die Gefahr, dass Israelis das Heft in die Hand nehmen. Während Palästinenser gegen die tödliche Gewalt und alltägliche Willkür von Siedlern protestieren und dagegen nicht geschützt würden, seien die Mörder des palästinensischen Babys in dem Dorf Duma 83 nicht einmal festgenommen worden. Im Ostteil Jerusalems werden am 06. Oktober die Häuser zweier palästinensischer Attentäter gesprengt, welche die israelische Armee getötet hatte. In den Medien werden Israelis mit der Forderung zitiert, Attentäter mit dem Tode zu bestrafen. Die Unruhe unter den israelischen Staatsbürgern arabischer Volkszugehörigkeit wächst. In „Haaretz“ heißt es am 06. Oktober, die jeweils andere Seite zu verstehen, würde mittlerweile als Verrat betrachtet 84 .

01.10.2015:

82 Vgl. die Eintragung am 01.08.2015 in dieser Zeitleiste.

83 Vgl. die Eintragungen am 27./28. und am 13.09.2015 in dieser Zeitleiste.

84 Chaim Levinson: Israel’s new right wants blood in the street, in „Haaretz“ 06.10.2015.

www.reiner-bernstein.de 80 – Chronologie 2015

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ruft in New York am Rande der UN-Generalversammlung die Außenminister der USA, Russlands, der Europäischen Union und der UN – das „Nahost- Quartett“ – und Ägyptens, Jordaniens, Saudi-Arabiens und den Generalsekretär der Arabischen Liga zusammen.

September 2015

30.09.2015: Auf Bitten des syrischen Präsidenten Bashar Assad bombardieren russische Kampfflugzeuge erstmals Stellungen von vermeintlichen Terroristen in der Nähe von Homs. Beobachter vertreten jedoch die Auffassung, dass die Angriffe gemäßigte Islamisten getroffen hätten. Es heißt, dass eine für Syrien neue russisch-amerikanische Sicherheitsarchitektur entstehe. Israel sei von den bevorstehenden russischen Angriffen vorab informiert worden, heißt es. Am 05. Oktober verwahrt sich die Türkei energisch gegen die Verletzung ihres Luftraums durch zwei russische Kampfflugzeuge.

In ihrem Bericht vermerkt die Weltbank in einem 68 Punkte umfassenden Katalog, dass die Wirtschaft der palästinensischen Territorien unter den gegenwärtigen Bedingungen fragil bleibe. Die palästinensische Bevölkerung werde jedes Jahr um ein Drittel ärmer. 2014 hätten 16 Prozent in der Westbank und 39 Prozent im Gazastreifen unter der Armutsgrenze gelebt. Die Überweisungen der internationalen Geberstaaten würden immer geringer und durch die Lebenshaltungskosten aufgebraucht. Von den Zusagen der Geberkonferenz am 12. Oktober 2014 in Kairo über 5,1 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau des Gazastreifens seien bis zum 31. August 2015 lediglich 1,229 Milliarden US-Dollar ausgezahlt worden, wobei der Anteil für das UN-Flüchtlingswerk (UNRWA) für ihre www.reiner-bernstein.de 81 – Chronologie 2015

Aufgaben nicht ausreiche. 2015 würde das Haushaltsdefizit 400 Millionen US-Dollar betragen. Doch auch ohne einen Friedensvertrag könne sich die Wirtschaft erheblich erholen, wenn die bestehenden Verträge eingehalten und die Beschränkungen aufgehoben würden. Die Reformen müssten von Seiten der Autonomiebehörde fortgeführt werden 85 . Nach Angaben der „International Crisis Group“ sind in Kairo Leistungen in Höhe von 5,4 Milliarden US-Dollar zugesagt worden, 4,5 Milliarden US-Dollar davon für den Gazastreifen. 58 Prozent aller Jugendlichen seien arbeitslos, 39 Prozent leben unter der Armutsgrenze, und 80 Prozent sind Hilfen der Geberländer angewiesen. Nur 60 Prozent der Wohnungen sind an Abwasseranlagen angeschlossen, 100 Millionen Liter Wasser werden täglich ungefiltert ins Mittelmeer gepumpt, und ein Drittel der Bevölkerung hat nur sechs bis acht Stunden täglich Zugang zum Wasser 86 .

Der palästinensische Präsident Machmud Abbas kündigt in der UN-Vollversammlung die Osloer Vereinbarungen auf, fordert die vollständige Anerkennung Palästinas und kündigt eine Regierung der nationalen Einheit an 87 . Nach einer Meinungsumfrage im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung haben 48 Prozent der Palästinenser die Erwartung an einen eigenen Staat aufgegeben, während 42 Prozent für den bewaffneten Kampf gegen Israel plädieren. Vor dem UN- Hauptquartier in New York wird im Beisein des russischen Außenministers Sergej Lawrow und des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davuto ğlu erstmals die

85 The World Bank: Economic Monitoring Report to the Ad Hoc Liaison Committee. New York, September 30, 2015.

86 International Crisis Group: No Exit? Gaza & Israel Between Wars, „Middle East Report” # 162 / 26 August 2015, S. 4 + 7.

87 Rede des Präsidenten in der Menüleiste „Erklärungen und Interviews“ dieser Homepage.

www.reiner-bernstein.de 82 – Chronologie 2015

palästinensische Flagge gehisst. Die deutsche Delegation habe sich, als darüber diskutiert wurde, der Stimme enthalten, heißt es. In seiner Antwort am 01. Oktober betont Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass er „ohne Vorbedingungen“ zu Verhandlungen für die Zwei-Staaten- Lösung bereit sei. Im gemeinsamen Auftritt vor der Presse am 02. Oktober spricht Netanjahu John Kerry mit „John“ an, während Kerry beim förmlichen „Mr. Prime Minister“ bleibt.

29.09.2015: Bei einem saudisch geführten Luftangriff auf die Hafenstadt Mokha im Südwesten des Jemen werden über 130 Menschen während einer Hochzeitsfeier getötet.

Die G-7 stocken auf Initiative von Bundesaußenminister Frank- Walter Steinmeier die finanzielle Hilfe für die Versorgung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei , in Jordanien und im Libanon um 1,6 Milliarden US-Dollar auf.

Nach einem Bericht der Weltbank lebt ein Viertel aller Palästinenser in Armut. Im Gazastreifen habe die Jugendarbeitslosigkeit 60 Prozent erreicht. Das Institut beklagt das schwache Wirtschaftswachstum, rückläufige Hilfen der internationalen Geberländer und die häufige Suspendierung von Überweisungen durch die israelische Regierung gemäß dem Pariser Protokoll vom April 1994. Die Reformbemühungen der Autonomiebehörde hätten die Finanzierungslücke nicht verhindern können.

27./28.09.2015: Nach erneuten schweren Zusammenstößen mit palästinensischen Jugendlichen in der Jerusalemer Altstadt sperrt die israelische Polizei unter Einsatz von Blendgranaten muslemischen Gläubigen www.reiner-bernstein.de 83 – Chronologie 2015

den Zutritt zum „Noblen Heiligtum“, um Juden aus Anlass des Laubhüttenfestes („Sukkot“) das Gebet auf dem „Tempelberg“ zu ermöglichen. Die Tore zum Gelände werden mit Eisenketten versperrt 88 . In den Ansprachen der führenden Staats- und Regierungschefs bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York findet der israelisch-palästinensische Konflikt keine Aufmerksamkeit. US-Präsident Barack Obama verliert kein Wort dazu. Der jordanische König Abdullah II. verwahrt sich lediglich gegen das israelische Vorgehen in der Jerusalemer Altstadt. Es blieb der brasilianischen Dilma Roussef vorbehalten, einen Staat Palästina zu fordern. Der iranische Präsident Hassan Rouhani lässt sich zu der Anklage hinreißen, dass ohne das „zionistische Regime“ der Nahe und Mittlere Osten eine atomwaffenfreie Region wäre. Der Auftritt Rouhanis findet im Plenum geringe Aufmerksamkeit.

Frankreichs Kampfflugzeuge bombardieren erstmals Stellungen des „Islamischen Staates“ in Syrien .

23.09.2015: Auf dem EU-Sondergipfeltreffen in Brüssel sprechen sich die Staats- und Regierungschefs dafür aus, aus 1 Milliarde Euro EU-Mitteln zur Versorgung der Flüchtlinge aus Syrien der Türkei , dem Libanon und Jordanien bereitzustellen. Einen Tag darauf plädiert der SPD- Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann im Bundestag für die Intensivierung der deutschen Außenpolitik mit dem Ziel der Beendigung des Bürgerkriegs. Dazu müsse auch die Einbeziehung von Repräsentanten des Regimes von Bashar Assad in Gespräche erwogen werden. In ihrer Regierungserklärung bezeichnet Bundeskanzlerin Angela Merkel die 60 Millionen Flüchtlinge weltweit als eine globale Herausforderung.

88 Vgl. die Eintragung zuletzt am 13.09.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 84 – Chronologie 2015

Frankreich verkauft zwei Kriegsschiffe vom Typ „Mistral“ an Ägypten , das 50 Kampfhubschrauber in Russland bestellt. Präsident François Hollande verspricht sich eine Demokratisierung des Staates am Nil.

Zu Beginn des heute beginnenden islamischen Opferfestes sterben bei einer Massenpanik in Mina vor den Toren Mekkas bei der symbolischen Steinigung des Teufels über 796 Pilger. Der geistliche Führer des Iran Ajatollah Ali Khamenei fordert vom saudischen Könighaus eine Entschuldigung. Bei der größten Katastrophe dieser Art waren 1990 über 1.426 Muslime ums Leben gekommen 89 .

22.09.2015: Während seines Besuchs in dem für syrische Flüchtlinge eingerichteten Lager Za’atari im Norden Jordaniens betont Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, dass er angesichts des Elends „demütig“ werde. „Es gibt [hier] keine Chance für die, die am Leben bleiben wollen.“ In dem Flüchtlingslager sind etwa 80.000 Menschen untergebracht. Nach UN-Angaben haben in Jordanien mehr als 680.000 Syrer Unterschlupf gefunden 90 .

21.09.2015: Bei seinem Blitzbesuch in Moskau äußert Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Sorge, dass die russischen Waffenlieferungen an das Regime von Bashar Assad, die dem Kampf gegen den „Islamischen Staat“ dienen sollen, auch bei der libanesischen „Hisbollah“ landen und gegen israelische Ziele auf den Golanhöhen eingesetzt werden könnten. Präsident Wladimir Putin

89 Vgl. die Eintragung am 11.09.2015 in dieser Zeitleiste.

90 Christoph Heckmann: Den Tränen nahe, in SZ 23.09.2015, S. 6. Vgl. die Eintragung am 08.09.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 85 – Chronologie 2015

beruhigt nach Pressemeldungen die israelischen Bedenken. Beide Seiten vereinbaren die Koordination ihrer sicherheitspolitischen Interessen 91 .

Die Mehrheitsfraktionen in der Knesset bemühen sich, den früheren Repräsentanten der Siedler in der Westbank Dani Dayan, einen vehementen Gegner der Zwei-Staaten-Lösung, als neuen israelischen Botschafter in Brasilien durchzusetzen.

Der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Libyen Bernardino Léon verkündet eine Friedensvereinbarung zwischen den rivalisierenden Kräften mit dem Ziel einer Einheitsregierung.

20.09.2015: Nach einem Bericht in „Haaretz“ hat der palästinensische Präsident Machmud Abbas gegenüber europäischen Diplomaten betont, dass er während seiner Rede vor der UN-Vollversammlung nicht die Auflösung der Autonomiebehörde ankündigen werde 92 .

Die ägyptische Regierung beginnt mit der Flutung der in den Gazastreifen führenden Tunnelanlagen von der Sinai-Halbinsel aus mit Meerwasser. Am 22. September lässt sie 3.200 Wohnhäuser bei Rafah zerstören.

18.09.2015: Auf einer Konferenz in Berlin deutet Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Bereitschaft zum Einsatz militärischer Mittel aus Deutschland in Syrien an, nachdem eine Stabilisierung im Zuge eines „politischen Minimalkonsenses“ der internationalen

91 Vgl. die Eintragung am 08.09.2015 in dieser Zeitleiste.

92 Vgl. die Eintragung am 10.09.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 86 – Chronologie 2015

Staatengemeinschaft erreicht und von den Vereinten Nationen gebilligt worden sei. Dabei dürften die deutschen Soldaten nicht „zwischen den Mühlsteinen“ der Konfliktparteien verrieben werden. Einen Tag später berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass immer mehr junge Männer das Land verlassen würden, um dem Militärdienst des Regimes zu entgehen 93 .

15.09.2015: Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger plädiert im „Deutschlandfunk“ dafür, nicht von vornherein eine militärische Option gemäß Kapitel 7 der UN-Charta („robustes Mandat“) auszuschließen, wenn das Fluchtelend in und aus Syrien beendet werden solle. Auch den Einsatz von Bodentruppen wolle er nicht ausschließen. Das Wegschauen von Verantwortung befreie nicht. Dagegen warnte am 16. September Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im „ZDF-Morgenmagazin“ vor „diesen sehr einfachen Lösungen“ . Am 16. September beschließt das Bundeskabinett den künftigen Einsatz deutscher Soldaten bei der EU-Mission im Mittelmeer. Gegenüber der „Berliner Zeitung“ vertritt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD- Bundestagsfraktion Rolf Mützenich am 17. September die Auffassung, dass Russland in eine politische Lösung einbezogen werden müsse 94 .

Ein Gericht in Kuwait-City verurteilt sieben Islamisten zum Tode, weil sie im Juni einen Anschlag auf eine Moschee verübten, bei dem 27 Menschen getötet wurden. Gegen die Urteile sind Berufungen möglich.

93 Christoph Ehrhardt: Assads Armee gehen die Männer aus, in FAZ 18.09.2015, S. 2.

94 Thomas Kröter: Marine im Mittelmeer statt Truppen in Syrien, in „Berliner Zeitung“ 17.09.2015, S. 2.

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14.09.2015: Die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert die Sprecherin des UN- Flüchtlingswerks (UNHCR) Melissa Fleming, dass von den für die Versorgung der syrischen Flüchtlinge in der Region zugsagten 4,5 Milliarden US-Dollar nur 37 Prozent eingegangen seien. In Jordanien , heißt es in dem Blatt weiter, musste das UN- Welternährungsprogramm (WFP) die Hilfe für die dort eingetroffenen 230.000 Flüchtlinge komplett einstellen 95 . Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betont, dass man „natürlich“ auch mit Leuten aus der Gefolgschaft von Präsident Bashar Assad sprechen müsse.

13.09.2015: Am Vorabend des neuen jüdischen Jahres kommt es auf dem Tempelberg / Noblem Heiligtum in Jerusalem zu schweren Ausschreitungen zwischen jungen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften. Die Auseinandersetzungen halten an und eskalieren am 14. September, den Beginn des neuen jüdischen Jahres. Am 21. September verhaftet die israelische Polizei 27 Palästinenser in Jerusalem und weitere zwölf in der Westbank. Die Regierung will künftig scharfe Munition gegen demonstrierende Palästinenser einsetzen. Am 21. September fordert Israels Staatspräsident Reuven Rivlin gegenüber der Gruppe „Kids Creating Peace“ die Knesset, die Medien und die Öffentlichkeit dazu auf, mit dem palästinensischen Volk Vertrauen aufzubauen. Das sei keine Aufforderung an die politische Rechte oder Linke, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe derjenigen, die das Land

95 Paul-Martin Krüger: „Es ist besser, im Mittelmeer zu ertrinken, als hier langsam zu sterben“, in SZ 14.09.2015, S. 2.

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lieben. In einer Videobotschaft beklagt der palästinensische Präsident Machmud Abbas, dass eine Jugend in beiden Völkern heranwachse, die sich gegenwärtig nicht kennenlernen würden 96 .

12.09.2015: Nach schweren Vorwürfen wegen Bestechung gegen den Landwirtschaftsminister reicht das ägyptische Kabinett unter Führung von Ibrahim Mahlab seinen Rücktritt ein. Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi beauftragt den bisherigen Ölminister Sharif Ismail, binnen einer Woche eine neue Regierung zu bilden. Am 13. September töten Sicherheitskräfte bei einer Anti-Terror-Operation südlich von Kairo versehentlich acht ausländische Touristen, einen Reiseführer und drei Fahrer der Geländewagen. Am 21. September wird das neue Kabinett mit 16 Ministern vereidigt. Zentrale Positionen wie das Innen- und das Finanzministerium werden nicht neu besetzt.

11.09.2015: Bei einem schweren Sturm in der wichtigsten Pilgerstadt Mekka kommen am Nachmittag beim Umstürzen eines Krans neben der Großen Moschee 107 Menschen zu Tode.

10.09.2015: Der Ko-Vorsitzende der „Palestinian-Israeli Regional Initiative“ Gershon Baskin warnt in seiner wöchentlichen Kolumne in der „Jerusalem Post“ die Palästinensische Autonomiebehörde davor, alle bisherigen Vereinbarungen mit Israel aufzukündigen

96 Jonathan Lis: Israeli President Rivlin: Building trust with Palestinians not only for leftists, in „Haaretz“ 22.09.2015.

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und gleichzeitig zu erklären, dass der Staat Palästina ein besetzter Staat sei. Da Palästina nur einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen innehabe, sei der Sicherheitsrat nicht automatisch zum Einschreiten aufgefordert. Bleibe der Eingriff aus New York aus, könnte sich in der palästinensischen Öffentlichkeit ein gewaltiger Sturm der Entrüstung gegen die Autonomiebehörde erheben, von dem auch Israel nicht unberührt bleiben würde. Baskin schlägt im Gegenzug vor, dass die Palästinenser eine einseitige Friedenserklärung gegenüber dem Staat Israel abgeben und darin vier Bedingungen formulieren: 1. Ende der israelischen Besatzung; 2. Bekenntnis zu den Grenzen vor dem Junikrieg 1967; 3. Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas sowie 4. Vorbereitung eines Rückkehrgesetzes für alle Palästinenser in der ganzen Welt. Für dieses Vorhaben solle in der israelischen Öffentlichkeit und in der ganzen Welt mit einer aggressiven Friedensoffensive geworben werden, womit der bilaterale Konflikt in die zwischenstaatliche Ebene überführt würde 97 .

09.09.2015: Das Europäische Parlament fordert in einem 22 Punkte umfassenden Katalog auf der Grundlage früherer Entschließungen und der Bemühungen der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini die Regierungen der Europäischen Union zu vermehrten Anstrengungen für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern auf. Gleichzeitig bekennt sich das Parlament zur Zwei-Staaten- Lösung, erinnert an seine Ablehnung der israelischen Siedlungspolitik und fordert die Palästinenser zur Überwindung ihrer Kontroversen auf. Zu den Unterzeichnern gehört der Vorsitzende des

97 Gershon Baskin: Encountering peace: Palestinian unilateralism, in „The Jerusalem Post“10.09.2015.

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Auswärtigen Ausschusses Elmar Brok und der „GRÜNEN“- Abgeordnete Reinhard Bütikofer.

08.09.2015: Nachdem das russische Außenministerium die Entsendung von „Militärspezialisten“ nach Damaskus angekündigt hat, um syrische Truppenteile unter dem Befehl von Präsident Bashar Assad bei der Einweisung in Militärgerät zu unterstützen, warnt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in der Haushaltsdebatte des Bundestages vor einer weiteren Militarisierung des dortigen Bürgerkrieges. Er sei „wirklich eine Geschichte ausgelassener Chancen“ , räumt Steinmeier ein. An die Adresse Großbritanniens und Frankreichs gerichtet, betont er, es könne nicht sein, dass jetzige wichtige Partner, die für eine politische Regelung gebraucht würden, „auf die militärische Karte setzen“ . Am 09. September bestätigt der russische Außenminister Sergeij Lawrow erstmals die Lieferung von Militärgütern nach Damaskus. Russischen Medienberichten zufolge soll es sich unter anderen um Panzerfäuste, Schützenpanzerwagen und Transportfahrzeuge handeln. Am selben Tag beklagt der frühere französische Staatspräsident und heutige Vorsitzende der Partei „Die Republikaner“ Nicolas Sarkozy, dass sich die Europäische Union einen neuen Kalten Krieg in Syrien beteiligt habe, statt Russland politisch einzubinden. Der außenpolitische Obmann der Union im Bundestag Roderich Kiesewetter (CDU) deutet an, dass die Bundesregierung zur Entlastung der Türkei , Jordaniens und Libanons mehr tun könne. Der Kommentator der „Süddeutschen Zeitung“ beschwört die gemeinsamen Interessen der USA, Russlands und der Europäischen Union, den Krieg in Syrien zu beenden, und schreibt: „Hier kommt Berlin ins Spiel. Ukrainekrise und Atomabkommen haben gezeigt: Derzeit gibt es kein anderes Land, dass in den USA, in Russland und in Iran als Vermittler und Übersetzer der jeweils anderen Sichtweisen höheres Ansehen genießt als Deutschland. Das kann man mögen oder nicht. Aber eine www.reiner-bernstein.de 91 – Chronologie 2015

Regierung, die seit Monaten über Verantwortung redet, muss diese Verantwortung jetzt annehmen 98 .“ Russland beginnt mit der Erweiterung seiner Militärpräsenz in der Hafenstadt Latakia im nahe gelegenen Luftwaffenstützpunkt Hamim. Präsident Wladimir Putin plant, am 28. September vor der UN-Vollversammlung zu sprechen.

Auf Drängen Saudi-Arabiens verlegt Ägypten erstmals Bodentruppen mit 150 bis 200 Soldaten mit Panzern und Transportfahrzeugen in den Jemen , um die von Iran unterstützten schiitischen Houthi- Rebellen zu bekämpfen. Bislang sind im Jemen auch Einheiten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und aus Qatar aktiv.

08.09.2015: Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ nennt der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani vier Bedingungen für eine politische Lösung der Syrien-Krise: 1. Alle syrischen Parteien müssen beteiligt werden. 2. Alle Parteien müssen an einer neuen Regierung beteiligt werden. 3. Die Rechte der Minderheiten müssen geschützt werden. 4. Die Extremisten müssen bekämpft werden 99 .

07.09.215: Der Vorschlag von Präsident Machmud Abbas, palästinensische Flüchtlinge aus Syrien in der Westbank aufzunehmen, ist von Israels Integrationsminister Ze’ev Elkin mit dem Argument zurückgewiesen worden, dadurch würde „ein Rückkehrrecht durch die Hintertür“ geschaffen werden 100 .

98 Stefan Braun: Reden mit Assad, in SZ 11.09.2015, S. 4.

99 Rainer Hermann: „Ein Zerfall Syriens wäre eine Belohnung der Terroristen“, in FAZ 09.09.2015, S. 6.

100 Peter Münch: Überall Sperrwall, in SZ 08.09.2015, S. 5.

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Am Nachmittag tritt die palästinensische Fußballnationalmannschaft in Ramallah in unmittelbarer Nähe der „Trennungsmauer“ gegen die Elf der Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) an. Die israelischen Behörden lassen die Mannschaft einreisen.

Nach bislang hinhaltenden Erklärungen zeigt sich der britische Premier David Cameron vor dem Unterhaus bereit, innerhalb von 5 Jahren bis zu 20.000 Flüchtlinge aus Syrien in Großbritannien aufzunehmen. Zu den vorrangigen Kriterien sollen Waisen und Flüchtlinge gehören, die Opfer von Folterungen und sexueller Gewalt gewesen seien. Cameron lobt die einzigartige Hilfe seit 2011, an die „kein anderes europäisches Land auch nur ansatzweise“ herankomme.

02.09.2015: Im US-Senat verfehlt die vorwiegend republikanisch getragene Opposition die Zweidrittmehrheit in der Abstimmung über den Vertrag mit dem Iran; 34 Senatoren stimmen für den Vertrag. Er kann damit im Oktober in Kraft treten. Die Botschafter der 4 Veto-Mächte Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschlands hatten zuvor versucht, zumindest die demokratischen Senatoren vom „Iran Deal“ zu überzeugen. Die jüdische Gemeinschaft zeigt sich tief zerrissen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mike Huckabee wird mit den Worten zitiert, Präsident Barack Obama führe Israel mit dem Vertrag „bis an die Ofentür“ von Auschwitz 101 . Am 09. September wird bekannt, dass 42 demokratische Senatoren den „Iran Deal“ unterstützen, wodurch den Republikanern die Chance entzogen ist, ihn mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zu kippen.

Die UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) berichtet, dass der Gazastreifen nach den Kriegen von 2008/9,

101 Dazu zuletzt die Eintragung am 26.08.2015 in dieser Zeitleiste.

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2012 und 2012 die dortigen „sozioökonomischen Bedingungen auf den dem Tiefpunkt“ angelangt seien. Allein die offizielle Arbeitslosenzahl liege bei 44 Prozent. Für fast drei Viertel der 1,8 Millionen Bewohner sei die tägliche Versorgung mit Nahrungsmitteln ungesichert. Die Hälfte der Bevölkerung sei von der Versorgung durch das UN-Hilfswerk für Flüchtlinge (UNHCR) abhängig. 360.000 Menschen würden an psychischen Problemen leiden. 95 Prozent des Trinkwassers seien durch die Versickerung des Abwassers in den Boden und den ungeklärten Abfluss ins Mittelmeer ungenießbar und versalzen.

Das Arbeitsgericht in Tel Aviv verfügt das Verbot von Fußallspielen am Shabbat. Der Fußballverband droht daraufhin, am 12. September, einem Sonntag, sämtliche Fußballspiele in Israel ausfallen zu lassen. Staatspräsident Reuven Rivlin wehrt sich gegen die Aufhebung des „Status quo“, wonach man nach dem Besuch in der Synagoge regelmäßig auf den Sportplatz gegangen sei. Rivlin ist seit Jahrzehnten Anhänger des Klubs „Beitar Jerushalaim“. Am 09. September weigert sich die Generalstaatsanwaltschaft, die Entscheidung des Arbeitsgerichts umzusetzen.

01.09.2015: Internationale Medien berichten, dass Saudi-Arabien aufgrund des gesunkenen Ölpreises ein Rekord-Haushaltsdefizit von 19,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bevorsteht, so dass die geplanten Investitionen zurückgefahren werden müssten. Überlegt würden überdies die Einführung der Mehrwertsteuer, die Erhöhung der Energiepreise und eine Absenkung der Gehälter für die Angestellten des öffentlichen Dienstes.

www.reiner-bernstein.de 94 – Chronologie 2015

August 2015

31.08.2015: In Israel sind die 45 christlichen Schulen mit 3.000 Lehrern und 33.000 Schülern – Christen und Moslems – in den Streik getreten. Da die Schulen außerhalb der staatlichen Schulaufsicht tätig sind, belaufen sich die Zuschüsse auf lediglich 34 Prozent. Die Schulen verlangen die Vollfinanzierung.

30.08.2015: Der italienische Energiekonzern „Ente Nazionale Idrocarburi (ENI)“ meldet den Fund des größten Gasfeldes, dem der Name „Zohr“ gegeben wurde, innerhalb der 370-Kilometer-Zone (200 Meilen) vor der ägyptischen Küste mit 850 Milliarden Kubikmetern in 1.430 Meter Tiefe. Die Ausbeutung, die 2020 beginnen soll, würde Ägyptens Energiekrise auf Jahrzehnte entlasten. Israel hat bislang mit der Ausbeutung von Mittelmeer-Gasvorkommen „Leviathan“ zu 40 Prozent den ägyptischen Markt versorgt 102 .

In Beirut halten die seit Tagen andauernden „Müll-Unruhen“ an. Sie richten sich gegen den Unrat, der seit Juli nach der Schließung der zentralen Müllkippe Na’ameh nicht abgeräumt wird. Hinter den Protesten werden aber auch Forderungen nach einer Neuordnung des politischen Systems laut, das durch die Eliten-Dynastien und durch Korruption gekennzeichnet ist, verschärft durch die über eine Million zählenden Flüchtlinge aus Syrien.

Milizen des „Islamischen Staates“ beschädigen durch Sprengungen den Tempel des Baal in Palmyra 103 . Am selben Tag bombardieren

102 Dazu die Eintragung am 20.08.2015 in dieser Zeitleiste.

103 Dazu die Eintragung am 19.08.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 95 – Chronologie 2015

saudische Kampfflugzeuge die weltberühmte Altstadt von Sana’a (Jemen).

Die Wahlkommission gibt die Termine für die Wahl des neuen Parlaments in Ägypten bekannt: Der erste Wahlgang soll ab dem 17. Oktober stattfinden, gefolgt von den Gouverneurswahlen bis Anfang Dezember.

27.08.2015: Die israelische Marine will Ingenieure nach Deutschland entsenden, um beim Bau von Schiffen bei „Thyssen Krupp Marine System“ behilflich zu sein, die ab 2017 beim Schutz der Erdgasbohrungen im Mittelmeer eingesetzt werden sollen 104 .

Nach einer Meldung von „Haaretz“ leben 60.000 jüdische US- Staatsbürger in der Westbank, mithin machen sie 15 Prozent aller Siedler aus 105 .

26.08.2015: Eine international getragene Online-Petition, die die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens durch Israel verlangt, hat innerhalb weniger Stunden über 500.000 Sympathisanten erreicht. Die Petition richtet sich an Präsidenten und Regierungschefs in aller Welt, so an US-Präsident Barack Obama, den französischen Präsidenten François Hollande, den britischen Premier David Cameron, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

104 Dazu die Eintragung am 31.05.2015 in dieser Zeitleiste.

105 Judi Maltz: 60,000 American Jews live in the West Bank, new study reveals, in „Haaretz” 27.08.2015.

www.reiner-bernstein.de 96 – Chronologie 2015

Die israelische Kulturministerin Miri Regev hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, die geplante Reise Daniel Barenboims mit der Berliner Staatskapelle nach Teheran zu verhindern. Der Auftritt Barenboims wurde die israelischen Bemühungen torpedieren, die Ratifizierung des Iran-Abkommens vom 14. Juli zu verhindern. Am 28. August teilt die iranische Nachrichtenagentur mit, dass Barenboim die Einreise nach Teheran in Begleitung des Besuchs von Merkel nicht erlaubt werde.

25.08.2015: Von Anfang Januar bis Ende Juni 2015 sollen in Saudi-Arabien 102 Menschen hingerichtet worden sein, berichtet „amnesty international“. Am 26. August folgen vier weitere Hinrichtungen. Im gesamten Vorjahr seien es 90 gewesen, beklagt die Organisation, beklagt unfaire Prozesse und weist darauf hin, dass fast die Hälfte der Hingerichteten ausländische Staatsbürger gewesen seien.

22.08.2015: Der spirituelle Leiter der Moslembruderschaft in Ägypten Mohamed Badie wird von einem Gericht in Port Said erneut zu lebenslanger Haft verurteilt, nachdem gegen ihn schon zweimal die Todesstrafe drohte.

20.08.2015: Der palästinensische Präsident Machmud Abbas schließt das palästinensische Büro der „Genfer Initiative“ in Ramallah, das seit Anbeginn im Rahmen der „Palästinensischen Friedenskoalition“ arbeitete. Das Vermögen des Büros soll eingezogen werden. Die Auflösung stehe im Zusammenhang mit der Absetzung des Generalsekretärs der PLO Yasser Abed www.reiner-bernstein.de 97 – Chronologie 2015

Rabbo, der den Führungsstil des Präsidenten scharf kritisiert hatte. Auch die Hilfsorganisation des früheren Ministerpräsidenten Salam Fayyad sei geschlossen worden, heißt es. Fayyad hatte Anfang Juni 2013 aus Protest gegen die politischen Eigenmächtigkeiten Abbas‘ sein Amt aufgegeben. Gemeinsam mit Yossi Beilin hatte Abed Rabbo am 01. Dezember 2003 die „Genfer Initiative“ der internationalen Öffentlichkeit vorgestellt. In einem Gastbeitrag am 15. Mai 2015 für die „International New York Times“ distanzierte sich Beilin von der Idee der Zwei-Staaten-Lösung als illusorisch und sprach sich für eine Föderation mit den Palästinensern in den seit 1967 besetzten Gebieten aus 106 . Die Schließung des Büros in Ramallah löst international ein negatives Echo zu Lasten der Autonomiebehörde und ihres Präsidenten aus. Am 21. August verkündet der Abbas seinen Rücktritt als Vorsitzender des Exekutivausschusses der PLO. Er soll im September wirksam werden. Dann soll auch der über 700 Personen umfassende Palästinensische Nationalrat tagen, der zuletzt 1994 in Gaza-City zusammengetreten war. An den Gremien vorbei wird Chefunterhändler Saeb Erakat zum neuen Vorsitzenden des Exekutivausschusses ernannt. Am 26. August nimmt Abbas auf Schweizer und EU-Druck die Schließung des Büros in Ramallah zurück. Damit soll an der Zwei-Staaten-Lösung festgenhalten werden – und Beilins Abschied von ihr wird von fernen Gestaden aus desavouiert. Am 09. September wird die für den 14. September vorgesehene Neuwahl es Palästinensischen Nationalrates in Ramallah verschoben.

19.08.2015: Der frühere Direktor der antiken Stätten im syrischen Palmyra, der 82 Jahre alte Khaled Assad, wird von Mördern des „Islamischen

106 Dazu die Eintragung am 15.05.2015 in dieser Zeitleiste. www.reiner-bernstein.de 98 – Chronologie 2015

Staates“ in Palmyra enthauptet, sein Körper der Menge, an einer Säule, gebunden vorgeführt. Assad wurde Loyalität gegenüber dem Regime von Bashar Assad und „unislamischer Götzendienst“ vorgeworfen.

18.08.2015: Der israelische Oppositionsführer in der Knesset Yitzhak (Isaac) Herzog trifft in Ramallah zu einem 75 Minuten dauernden Gespräch mit dem palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas zusammen. Wenn die Gewalt in den besetzten Gebieten aufhöre, könnten beide Seiten innerhalb von zwei Jahren zu einem Friedensvertrag kommen, führt Herzog aus.

16.08.2015: In Ägypten werden von Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi per Dekret die sogenannten Sicherheitsgesetze verschärft. Danach ist auch mittels Einrichtung von Sondergerichten für vermeintliche Gründer und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung die Todesstrafe oder lebenslange Haft vorgesehen, die Mitgliedschaft kann bis zu 10 Jahren Haft bestraft werden. Journalisten, Bloggern Menschenrechtlern und Juristen drohen schwere Geldstrafen, sollten sie von den offiziellen Medienverlautbarungen, die den Kampf gegen Terroristen angehen, abweichende Nachrichten und Kommentare verbreiten.

Auf Druck der BDS-Bewegung ist der amerikanisch-jüdische Reggae-Sänger Matisyahu von einem Musikfestival am 22. August im Osten Spaniens ausgeladen worden, weil er sich öffentlich nicht für einen Staat Palästina aussprechen wollte. Nach internationalen Protesten wird die Ausladung zurückgezogen 107 .

107 Vgl. die Eintragung am 12.08.2015 in dieser Zeitleiste. www.reiner-bernstein.de 99 – Chronologie 2015

15.08.2015: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kündigt an, dass die Bundeswehr ihre vor zwei Jahren begonnene Stationierung des „Patriot“-Raketenabwehrsystems mit 250 deutschen Soldaten bis Ende Januar 2016 aus dem NATO-Partnerland Türkei abschließen will. Die Ankündigung gilt auch als eine Warnung an die Regierung in Ankara, die gegen die Terrormilizen des „Islamischen Staates“ operierenden Einheiten der „Kurdischen Arbeiterpartei (PKK)“ militärisch weiter zu bekämpfen. Die LINKE im Bundestag fordert darüber hinaus die sofortige Einstellung aller deutschen Waffenlieferungen in die Region. Am 16. August folgen die USA mit der Ankündigung, auch ihre Raketen aus dem türkischen Grenzgebiet zu Syrien abziehen zu wollen.

14.08.2015: Die israelische Regierung ernennt Danny Danon, der der äußersten Rechten in seiner „Likud“-Partei angehört, zum neuen Botschafter bei den Vereinten Nationen. Danon war am 15. Juli 2014 von dem damals auch als Verteidigungsminister amtierenden Benjamin Netanjahu als sein Stellvertreter entlassen worden, weil er eine Entscheidung des Sicherheitskabinetts kritisiert hatte. In der im März 2015 gewählten Regierung dient er seither als Minister für Wissenschaft, Technologie und Raumfahrt. Für den Botschafterposten in Großbritannien ist Netanjahus wichtigster Medienberater Mark Regev vorgesehen, der den bereits zurückgekehrten Daniel Taub ablösen soll.

Nachrichtenagenturen und Korrespondentenberichte widmen sich lebhaften diplomatischen Bemühungen um politische Kompromisse

www.reiner-bernstein.de 100 – Chronologie 2015

in Syrien, an denen vor allem Iran , Russland , Saudi-Arabien und Oman beteiligt sind. Am 17. August beschließt der UN-Sicherheitsrat einstimmig ein Mandat zur Bildung von vier syrischen Arbeitsgruppen, um Wege zur Beendigung des seit Mitte März 2011 anhaltenden Bürgerkriegs zu erkunden. Die Terrororganisationen der „Al-Nusra-Front“ und des „Islamischen Staates“ sind nicht angesprochen. Bisher ist unklar, ob die anderen syrischen Parteien das Gesprächsangebot akzeptieren. Am 26. August spricht der ägyptische Präsident Abdel Fatah Al-Sisi in Moskau vor. Während es seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin darauf ankommt, den syrischen Präsidenten Bashar Assad in eine politische Regelung einzubeziehen, sind Saudi-Arabien und die Golf-Emirate strikt gegen solche Pläne.

13.08.2015: In einem mehrheitlich von Schiiten bewohnten Stadtteil Bagdads werden auf einem Markt mindestens 60, andere Berichte melden 70 Menschen getötet. Terroristen des „Islamischen Staates (IS)“ übernehmen die Verantwortung.

Erstmals nutzen US-Kampfflugzeuge nach Mitteilung Washingtons die Militärbasis Inçirlik im Süden der Türkei , um Angriffe auf IS- Basen im Norden Syriens zu fliegen. Die türkische Regierung dementiert: Es handele sich lediglich um Aufklärungsflüge.

In Ankara scheitern Regierungsverhandlungen zwischen der regierenden „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP)“ und der oppositionellen „Republikanischen Volkspartei (CHP)“. Es werden Neuwahlen erwartet.

Unter schwere Bewachung findet in Paris auf einem 100 Meter langen Abschnitt des Flusses das Freundschaftstreff „Paris sur Seine“ statt. Nebenan riefen Demonstranten zu „Gaza plage“ auf. Die www.reiner-bernstein.de 101 – Chronologie 2015

französische Hauptstadt unterhält mit 50 Städten in aller Welt Freundschaftsabkommen.

Ein Zelt von Beduinen in der Nähe Ramallahs (Westbank) wird in der Nacht zum 08. August von drei jüdischen Terroristen in Brand gesetzt. Die Täter sprühen auf einen Felsen neben einem Davidstern die Worte „Rache" , um gegen die Festnahme von drei jungen Israelis zu protestieren, denen Gewalttaten gegen Palästinenser und die Inbrandsetzung des Benediktinerklosters an der Kirche der Brotvermehrung in Tabgha am See Genezareth zur Last gelegt wird. Die drei Verdächtigen werden festgenommen 108 .

12.08.2015: Der „Islamische Staat (IS)“ stellt ein Video ins Netz, das einen in der Nähe Kairos enthaupteten jungen Kroaten zeigt. Er war am 06. Oktober 2014 entführt worden. Ihm wurde vorgeworfen, am Kampf gegen den IS beteiligt gewesen zu sein.

Seit dem 07. August hat eine Petition 41.000 Unterschriften generiert, die dafür Sorge tragen soll, dass Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu während seines Besuchs in London im September wegen Kriegsverbrechen während der Militäroperation „Schutzschild“ im Sommer 2014 zur Rechenschaft gezogen wird. Sollten bis September 100.000 Unterschriften zusammenkommen, ist eine Debatte im britischen Unterhaus unausweichlich. Bis zum 23. August gehen fast 80.000 Unterschriften ein.

11.08.2015:

108 Vgl. die Eintragungen am 01.08.2015, am 30.07.2015 und am 18.06.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 102 – Chronologie 2015

Im libanesischen Parlament scheitert erneut der Versuch, das seit über einem Jahr verwaiste Amt des Staatspräsidenten neu zu besetzen, an der Rivalität unterschiedlicher Interessen 109 .

10.08.2015: Ohne Gegenstimmen nimmt das Parlament des Iraks das von der Regierung vorbereitete Reformpaket zur Bekämpfung der Korruption und für ein besseres Regierungshandeln an. Zu den Maßnahmen zählt die Verkleinerung des Kabinetts, wobei die Ministerämter nicht mehr nach dem Religionsproporz, sondern nach der Qualifikation vergeben werden sollen. Eines der Grundübel ist der aufgeblähte Staatsapparat.

08.08.2015: Eine erste Gruppe von mehreren Dutzend palästinensischen Häftlingen beginnt in israelischen Gefängnissen wegen ihrer schlechten Behandlung einen unbefristeten Hungerstreik. Seit dem 07. August wird ein anderer Häftling, der 31 Jahre alte Mohamed Alaan, der seit November 2014 in „Verwaltungshaft“ festsitzt, in einem Krankenhaus in Beersheva zwangsernährt. Alaan fällt am 14. August ins Koma. Am 17. August zeigen sich die israelischen Behörden unter dem Eindruck massiver Proteste bereit, Alaan unter der Bedingung freizulassen, dass er ins Ausland geht. Am 21. August beendet er seinen Hungerstreik. Zur Rekonvaleszenz wird er in ein Krankenhaus in Nablus überführt.

06.08.2015:

109 Vgl. die Eintragung am 30.07.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 103 – Chronologie 2015

Mit einer feierlichen Zeremonie wird ein zweiter Arm des Suezkanals eröffnet. Er ermöglicht streckenweise den Gegenverkehr auf dieser Wasserstraße.

Israelische Zeitungen berichten, dass am 13. August eine palästinensische Familie aus dem Jerusalemer Wohnbezirk Silwan evakuiert werden soll, die dort seit 1948 wohnt, nachdem ihre Angehörigen während des damaligen Krieges aus dem Westen der Stadt vertrieben worden waren. Die Anordnung gilt als Auftakt, weitere palästinensische Familie aus Silwan zu evakuieren, um jüdischen Familien Platz zu machen.

Nach Agenturberichten soll im Gazastreifen ein Palästinenser von einem Militärgericht zum Tode verurteilt worden sein, weil er für Israel Spionage betrieben habe.

Im Süden Saudi-Arabiens werden bei einem Bombenanschlag auf eine Moschee in der Stadt Abha 15 Männer getötet, vorwiegend Angehörige der Sicherheitskräfte. Der „Islamische Staat“ bekennt sich zu dem Terrorakt.

05.08.2015: Am Abend verteidigt US-Präsident Barack Obama in einer ungewöhnlich langen und außerordentlich politisch präzisen Ansprache in der „American University“ in Washington, DC, das Abkommen mit dem Iran vom 14. Juli gegen seine innenpolitischen Gegner und ihre Finanziers sowie gegen die Einmischung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in die nationalen Interessen der USA. Er nehme selbstverständlich die israelischen Einwände ernst, aber Israel sei der einzige Staat, der gegen den Vertrag opponiere: „Als Präsident der Vereinigten Staaten wäre es eine Absage an meine verfassungsgemäße Aufgabe, gegen mein wohlbegründetes www.reiner-bernstein.de 104 – Chronologie 2015

Urteil zu handeln, nur weil [der Vertrag] eine zeitweilige Störung des Verhältnisses zu unserem teuren Freund und Alliierten hervorruft.“ Die Gäste reagieren mit einem stürmischen Applaus. Wäre der Vertrag nicht zustande gekommen, so Obama weiter, wäre über kurz oder lang ein neuer Krieg die Konsequenz. Anwesende beobachten in der Ansprache einen verächtlichen Unterton zu Lasten Netanjahus. Ein Sprecher der israelischen Regierung weist Obamas Kritik zurück. Staatspräsident Reuven Rivlin warnt Netanjahu davor, die Beziehungen zu den USA dramatisch aufs Spiel zu setzen.

Das israelische Kabinett verabschiedet bei Stimmenthaltung von Verteidigungsminister Moshe Ya’alon den Staatshaushalt für 2015/16 in Höhe von 329,5 Milliarden Neuen Shekel (~ 76 Milliarden Euro).

04.08.2015: Ein christlicher Fundamentalist aus Frankreich wird auf dem „Noblen Heiligtum“ („Felsendom“) in der Altstadt Jerusalems tätlich angegriffen, weil er eine israelische Fahne geschwenkt hat.

01.08.2015: In Jerusalem, Tel Aviv und versammeln sich am frühen Abend viele tausend Menschen, darunter vor allem junge Teilnehmer, um gegen den Mord an dem palästinensischen Baby in dem Dorf Duma und die Anschläge auf die „Gay Pride Parade“ in Jerusalem zu protestieren (am 02. August stirbt das dabei schwer verletzte 16 Jahre alte Mädchen) 110 . Staatspräsident Reuven Rivlin beklagt: „Flammen haben unser Land umschlungen.“ Oppositionsführer Ithakas (Isaac) Herzog („Arbeitspartei“) betont: „Terror ist Terror. Punkt, ob

110 Vgl. die Eintragung am 30.07.2015 in dieser Zeitleiste.

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moslemisch oder jüdisch.“ Die Vorsitzende von „Meretz (Energie)“ Zahava Gal-On führt aus: „Jüdischer Terror ist ISIS- Terror, anders kann man das nicht sagen.“ Erziehungsminister Naftali Bennett („Das jüdische Haus“) ist von den Veranstaltern als Redner ausgeladen worden. In Hebräisch sprachigen Internet-Einträgen wird Rivlin von Lesern aufgefordert, endlich „nach Gaza (zu) verschwinden“ und sein Amt niederzulegen: „Du bist nicht unser Präsident“ , heißt es dort. Verteidigungsminister Moshe Ya’alon ordnet die Festnahme von Verdächtigen in die „Verwaltungshaft“ an, die bisher für Palästinenser galt. Rechtlich gesehen, kann damit ein Verdächtiger zeitlich unbegrenzt festgehalten werden. Noch am 30. Juli hatte der „Haaretz“-Leitartikel das Ende der „Verwaltungshaft“ verlangt, deren Zahl sich im Zuge der Militäroperation „Schutzschild“ im vergangenen Jahr 2014 verdoppelt hatte, weil sie den schweren Straftatbestand der Freiheitsberaubung erfülle 111 . „Wird die israelische Rechte endlich zur Besinnung kommen?“ , fragt voller Skepsis der Schriftsteller David Grossman am 03. August 112 . Am 06. August zitiert „Haaretz“ aus einer öffentlichen Diskussion, in der ein fanatischer Orthodoxer mit Namen Ben-Zion („Benzi“) Gopstein von der religiös-extremistischen Gruppe „Lehava 113 “ das Anzünden von Kirchen als eine religiöse Pflicht gegen den Götzendienst verteidigt. Dafür würde er auch 50 Jahre ins Gefängnis gehen. Das Eingreifen der Justiz ist nicht bekannt 114 . Nach einer Vernehmung fordert Gopstein den Staat auf, für die

111 Genug der Verwaltungshäftlinge!, in „Haaretz“ 30.07.2015 (Hebr.).

112 David Grossman: Will the Israeli right finally come to its senses?, in „Haaretz“ 03.08.2015.

113 „Lehava”: Akronym „Zur Verhinderung der Assimilation im Lande Israel.”

114 Chaim Levinson: Israeli extremist group leader calls for torching of churches, in „Haaretz“ 06.08.2015.

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Zerstörung von Kirchen und Klöstern zu sorgen, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, vom Vatikan abhängig zu sein. Am 20. August zeigt sich der Sprecher des „State Department“ gegenüber Journalisten „tief besorgt“ über die Vorgänge. Am 07. September stirbt Riham Dahawshe, die Mutter des in den Flammen umgekommenen Babys, an den Folgen ihrer Verletzungen.

Juli 2015

31.07.2015: „Wer noch einen Beweis braucht, dass dieser Staat nicht funktioniert – bitte sehr!“ , zitiert die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einen Passanten in der Innenstadt Beiruts. Anlass der Klage sind die Müllberge in der Hauptstadt Libanons, die nicht abgeräumt werden, weil zu viele Politiker Eigeninteressen verfolgen würden, bevor der Müll entsorgt oder recycelt werden kann. Die „Dysfunktionalität des Staates“ , heißt es in dem Bericht weiter, habe mit der notorischen Vetternwirtschaft, der Korruption und der Unfähigkeit der Regierung zu tun, drängende Probleme zu lösen. Seit 14 Monaten sucht das Land nach einem neuen Präsidenten 115 .

In derselben Zeitung wird die Frage aufgeworfen, ob sich das Format der Sechsergruppe aus den 5 UN-Vetomächten und Deutschland in den Verhandlungen mit dem Iran über dessen Nuklearprogramm „mutatis mutandis nicht auch in anderen Krisen anwenden lässt“ . Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier habe dazu schon eine Andeutung gemacht. Vielleicht ließe sich das Momentum nutzen, so Steinmeier, „um anderswo in der Region Versuche zu starten, die schweren Konflikte zu

115 Stephan Löwenstein: Die glorreichen Sechs, in FAZ 31.07.2015, S. 8.

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entschärfen“ 116 . Auf der traditionell im August stattfindenden Botschafterkonferenz in Berlin am 24. August variiert Steinmeier: Das Wiener Abkommen könne „diplomatische Handlungsspielräume in dieser Konfliktregion öffnen“ . Das „Iran-Abkommen“ habe „neue Gesprächskanäle geöffnet“ . Die „Sorgen Israels und die Sorgen der Golfstaaten“ würden „sehr ernst“ genommen werden.

30.07.2015: Bei einem von vier Siedlern verübten Brandanschlag in dem palästinensischen Dorf Duma bei Nablus wird das anderthalb Jahre alte Baby Ali Sa’ad Dawabshe getötet. Die Eltern Sa’ad und Reham sowie der 4 Jahre alte Bruder Achmed müssen ins Krankenhaus eingeliefert werden; auch die Eltern sterben. Zuvor waren auf Anordnung des Obersten Gerichts zwei illegal von Siedlern errichtete Häuser von Soldaten abgerissen worden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilt die Tat. Die Europäische Union geißelt den Terrorakt mit scharfen Worten. Am 01. August werden zwei palästinensische Jugendliche vom israelischen Militär in der Nähe von Ramallah und an der Grenze zum Gazastreifen getötet. Am Abend schießt ein religiöser Jude, der nach zehnjähriger Haft gerade aus dem Gefängnis entlassen worden war, in Jerusalem sechs Menschen nieder, die an der „Gay Pride Parade“ teilnehmen wollen; ein Mädchen stirbt. Staatspräsident Reuven Rivlin warnt: „Wenn es jemanden gibt, der uns von innen zerstören kann, dann sind wir es selbst.“ Netanjahu distanziert sich von dem „verabscheuungswürdigen Verbrechen des Hasses“ .

29.07.2015:

116 Christoph Ehrhardt: Willkommen in Beirut, in FAZ 31.07.2015, S. 26.

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Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet, dass die Erdgasvorkommen vor der Küste Israels 150 Jahre lang reichen würden. Viele Bürger fürchteten, dass sie von den Vorräten nicht profitieren, weil die beiden Monopol-Betreiber der Förderfelder „Tamar“ und „Leviathan“ den Markt beherrschen und die Verbraucherpreise diktieren würden. Auch im israelischen Kabinett ist ein entsprechendes Gesetzesvorhaben bislang umstritten. Internationale Firmen würden vor einer Zusammenarbeit zurückschrecken, weil sie Schwierigkeiten mit arabischen Staaten fürchten, heißt es in dem Blatt weiter 117 .

Während seines Besuchs in Teheran hat Frankreichs Außenminister Laurent Fabius im Auftrag von Staatspräsident François Hollande den iranischen Präsidenten Hassan Rohani nach Paris eingeladen.

28.07.2015: In einem Schreiben an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die Vorsitzende Auswärtigen Ausschusses Dianne Feinstein (D-Cal.) die israelische Regierung dringend davor gewarnt, die palästinensische Ortschaft Sussia in den südlichen Hebron-Bergen zu zerstören und ihre Bewohner, die dort seit 1830 lebten, zu vertreiben. Ein solches Vorgehen würde Israels internationale Isolierung weitertreiben, betont Feinstein in ihrem Brief auf dem Kopfbogen des US-Senats 118 . Am 29. Juli beginnt die Zerstörung von 24 palästinensischen Wohnungen, die ohne israelische Genehmigung errichtet wurden, in der Siedlung in Bet El bei Ramallah, in der 8.000 Menschen wohnen, um für 300 neuen Wohneinheiten für Siedler Platz zu machen.

117 Hans-Christian Rößler: Kampf um Tamar und Leviathan, in FAZ 29.07.2015, S. 6. Vgl. die Eintragung am 11.05.2015 in dieser Zeitleiste.

118 Vgl. die Eintragung am 20.07.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 109 – Chronologie 2015

In Sondergericht verurteilt den Sohn des früheren libyschen Diktators Muammar Ghaddafi, Said Al-Islam Ghaddafi in Abwesenheit, sowie den ehemaligen Ministerpräsidenten Bagdadi Al-Machmudi und den früheren Geheimdienstchef Abdullah Senoussi wegen Kriegsverbrechen und Korruption zum Tode. Eine Berufung ist vor dem Obersten Gericht des Landes zugelassen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hatte sich vergeblich um die Auslieferung Ghaddafis und Senoussis bemüht.

25.07.2015: Mit der Begründung, Terrormilizen des „Islamischen Staates“ anzugreifen, bombardiert die türkische Luftwaffe seit dem Abend auch Stellungen der „Kurdischen Arbeiterpartei (PKK)“ im Norden Iraks und kurdische Stellungen im Norden Syriens. Am 26. Juli fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefonat Ministerpräsident Ahmet Davuto ğlu die Regierung in Ankara auf, den türkisch-kurdischen Friedensprozess nicht zu gefährden, und das „Gebot der Verhältnismäßigkeit“ angemahnt. Dagegen verteidigen die USA die türkischen Angriffe, weil sie „terroristischen Zielen“ gelten würden. Ankara verlangt eine Dringlichkeitssitzung der 28 NATO-Mitglieder, die am 28. Juli in Brüssel stattfindet. Dort erklärt NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „Wir sind uns einig in der Verurteilung des Terrorismus.“ Am selben Tag verkündet Staatspräsident Recep Tayyip Erdo ğan in Ankara das Ende des 2012 initiierten Friedensprozesses mit der PKK, weil sie eine terroristische Organisation sei. Außerdem werde die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten der ins Parlament eingezogenen kurdischen „Demokratischen Partei der Völker (HDP)“ unter Leitung von Selahattin Demirta ş erwogen, denen Verbindungen zur „terroristischen Szene“ vorgeworfen werden. Bei einer Dringlichkeitssitzung des Parlaments am 29. Juli in Ankara teilt der Innenminister mit, dass in den vergangenen Tagen 1.302 Personen, darunter über 800 Kurden und 300 IS-Terroristen, festgenommen www.reiner-bernstein.de 110 – Chronologie 2015

worden seien. Die USA und Teheran unterzeichnen einen Vertrag über die Nutzung von Luftwaffenstützpunkten im Süden des Landes. Die türkischen Luftangriffe auf Ziele im Norden Iraks finden eine Fortsetzung. Im Berliner Bundestag wird quer durch alle Parteien harsche Kritik bis hin zur Forderung laut, die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union auf Eis zu legen 119 . Am 21. August kündigt Erdo ğan Neuwahlen am 01. November an.

24.07.2015: Auf dem Tempelberg/Nobles Heiligtum in der Altstadt Jerusalems kommt es zu Zusammenstößen zwischen palästinensischen Jugendlichen und der israelischen Polizei.

23.07.2015: In einer Umfrage einer jüdischen Wochenzeitung in Los Angeles sprechen sich 53 Prozent der befragten Juden für und 35 Prozent dagegen aus, dass der US-Kongress den „Fahrplan (Road Map)“ mit dem Iran billigt. In der Gesamtbevölkerung stimmten nur 41 Prozent gegen 38 Prozent für die Annahme.

22.07.2015: Der Europäische Rat für Auswärtige Beziehungen empfiehlt in seinem Papier „EU Differentiation and Israelis Settlements“ von Hugh Lovatt und Mattia Toaldo, in Europa tätige israelische Banken mit geschäftlichen Beziehungen in den palästinensischen Gebieten zu kennzeichnen. Davon betroffen seien die „First International Bank of Israel“, „Bank Leumi“, „Bank Hapoalim“ und „Dexia“ 120 . Die Knesset

119 Vgl. die Eintragung am 07.06.2015 in dieser Zeitleiste.

120 Das Papier kann gegen eine Schutzgebühr von 5,00 Euro von uns als pdf-Datei angefordert werden.

www.reiner-bernstein.de 111 – Chronologie 2015

billigt am 23. Juli vorläufig die Überweisung von Haushaltsmitteln an die Siedlungsabteilung der Zionistischen Weltorganisation, damit der Staat selbst für den Siedlungsbau keine politische Verantwortung übernehmen muss. Im Februar hatte sich die stellvertretende Generalstaatsanwältin gegen dieses Verfahren ausgesprochen.

Israel und Kanada erneuern das Freihandelsabkommen von 1997. Im vergangenen Jahr betrug sein Volumen den Gegenwert von 1,6 Milliarden US-Dollar.

21.07.2015: Einer Delegation des Europäischen Parlaments in Begleitung von Diplomaten ist auf Betreiben von Parlamentspräsident Yuli Edelstein („Unser Haus Israel“) der Zutritt zur Knesset verwehrt worden, wo sie sich mit Abgeordneten der arabischen „Vereinigten Liste“ treffen wollte; die Begegnung fand schließlich außerhalb des Parlamentsgebäudes statt. Gleichwohl hielt die Delegation im Anschluss an Terminen im Knesset-Gebäude fest, so auch mit Edelstein. Am Abend berichtet „Haaretz“, dass die stellvertretende Außenministerin Tsipi Hotovely den niederländischen Botschafter und die Mitglieder der Delegation unterrichtet habe, dass ihr Ministerium ein Gesetz vorbereite, das europäischen Regierungen Finanzhilfen von als links eingestuften NGO’s in Israel unterbinden soll.

20.07.2015: Der UN-Sicherheitsrat bestätigt mit der Resolution 2231 den „Fahrplan (Road Map)“ zwischen den 5 UN-Vetomächten und Deutschland und dem Iran vom 14. Juli. Er tritt in 90 Tagen in Kraft. Mit dem Beschluss wird das Ende der Sanktionen eingeleitet.

www.reiner-bernstein.de 112 – Chronologie 2015

Bei einem Selbstmordattentat, das einer 18 Jahre alten Sympathisantin der Terrororganisation „Islamischer Staat“ zugeschrieben wird, werden in der südtürkischen Stadt Suruç mindestens 32 türkische und (syrisch-)kurdische Jugendliche getötet. Sie hatten sich versammelt, um ihre praktische Solidarität mit den Bewohnern der nahe gelegenen syrischen Stadt Kobane zu bekunden, die lange von den Terroristen belagert wurde und weitgehend zerstört worden ist.

Die Außenminister der 28 EU-Staaten auf ihrer Sitzung in Brüssel bestehen auf der Zwei-Staaten-Lösung, die ohne Alternative und aufgrund der Radikalisierung und des Terrors in der Region dringender denn je sei. Besondere Aufmerksamkeit widmen sie der schwerwiegenden Lage der Bevölkerung im Gazastreifen und fordern die zerstrittenen Flügeln der Palästinenser auf, zusammenzufinden. Außerdem fordern sie die israelische Regierung auf, den „Transfer“ der palästinensischen 340 Bewohner den Ortschaften Sussia und Abu Nwar in den südlichen Hebron-Bergen und die Zerstörung von 37 Strukturen zu stoppen, von denen über 20 mit europäischer Finanzhilfe errichtet wurden. Sussia liegt in der Zone C der Westbank, die unter vollständiger israelischer Kontrolle steht. Damit folgen die Außenminister den US-amerikanischen Protesten. In den 1980er Jahren entdeckten israelische Archäologen auf dem Gelände die Überreste einer Synagoge, auf sich die jüdischen Ansprüche von heute berufen. Am 22. Juli veröffentlichen mehr als 200 israelische Autoren, Künstler, Wissenschaftler und Juristen einen Aufruf in „Haaretz“, in dem sie gegen die befürchtete „Vertreibung“ der Palästinenser aus Sussia protestieren. Nach Angaben der dem Verteidigungsministerium unterstehenden israelischen „Zivilverwaltung“ für die besetzten Gebiete gehört das Gelände, das für die Zerstörung vorgesehen ist, palästinensischen Privatpersonen. Am 26. Juli versammeln sich Hunderte Palästinenser und Israelis in Sussia, um sich mit den Bewohnern zu solidarisieren. www.reiner-bernstein.de 113 – Chronologie 2015

Am Abend beschließt die Knesset auf Betreiben von Justizministerin Ayelet Shaked („Das jüdische Haus)“ eine Ergänzung des Strafgesetzes, wonach Steinwerfer auf Autos mit bis zu 20 Jahren Haft verurteilt werden können, wobei ihnen nicht die Absicht der Beschädigung des Wagens oder die Verletzung seiner Insassen nachgewiesen werden müsse. „Die Toleranz gegen Terroristen geht heute zu Ende“ , begründet Shaked die Ergänzung. Sie wird von einigen Abgeordneten der oppositionellen „Zionistischen Liste“ und namentlich von der früheren Justizministerin Tsipi Livni unterstützt.

19.07.2015: Bei seiner Ankunft in Teheran stellt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel klar, dass für Deutschland das Existenzrecht Israels nicht verhandelbar ist.

Oppositionsführer Yitzhak (Isaac) Herzog betont, dass seine Arbeitspartei nicht daran denke, sich der israelischen Regierung anzuschließen, dass sie jedoch die Ablehnung des Vertrages mit dem Iran mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teile. Er selbst, Herzog, strebe das Amt des Regierungschefs an.

18.07.2015: Zur Beendigung des islamischen Fastenmonats, dem „Ramadan“, sterben in einer Ortschaft nördlich von Bagdad bei einem Bombenattentat mindestens 210 Schiiten. Die Terrormilizen des „Islamischen Staates“ bekennen sich zu der Mordtat.

Die stellvertretende israelische Außenministerin Tsipi Hotovely („Likud“) schlägt vor, dass alle Staatsgäste künftig die „Klagemauer“ im besetzten Ost-Jerusalem als Zeichen ihrer Anerkennung der mehr www.reiner-bernstein.de 114 – Chronologie 2015

als zweitausend Jahre alten Verbundenheit des jüdischen Volkes mit dem Heiligen Land besuchen sollen.

17.07.2015: Erstmals seit einem Jahr telefoniert Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit dem palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas.

Eine religiöse Jüdin wird in der Jerusalemer Altstadt mit Handschellen abgeführt, als sie versucht, eine Thora-Rolle an die Frauenabteilung der „Klagemauer“ zu schmuggeln. Einen Tag zuvor berichtete „Haaretz“ von einer Frau aus dem Zentrum der Ultraorthodoxie Bnei Brak östlich von Tel Aviv, die sich darüber beschwert, dass sie in öffentlichen Bussen gezwungen werden solle, auf einen der hinteren Plätze Platz zu nehmen. Dabei helfe ihr nicht die Betonung, dass sie keine Feministin sei, nicht für gleiche Rechte mit den Männern eintrete, vollkommen den göttlichen Segen für die Männer nachvollziehe, dass sie nicht als eine Frau geboren worden seien, und dass sie keine Gebetsriemen anlege. Mit dieser Einstellung, so würden ihr auch Frauen entgegentreten, werde sie nie einen Ehemann finden 121 .

Der Chef der Politischen Abteilung von „Hamas“ Khaled Meshal und weitere leitende Angehörige der Islamischen Widerstandsbewegung führen in der saudischen Hauptstadt Riyadh Gespräche mit dem König, dem Kronprinzen und dem Verteidigungsminister. Die Beziehungen von „Hamas“ zum Iran, das lange für den Ausgleich des Haushalts im Gazastreifen sorgte, gelten als zerrüttet. „Hamas“ selbst gerät von Seiten der Salafisten vom Schlage der Terrormilizen des „Islamischen Staates“ immer mehr unter Druck.

121 Shahar Ilan: An ultra-Orthodox woman who refuses to sit at the back of the bus, in „Haaretz” 16.07.2015.

www.reiner-bernstein.de 115 – Chronologie 2015

16.07.2015: „Haaretz“ berichtet, dass die liberale US-amerikanische Organisation „J Street“ noch in dieser Woche mit einer großen öffentlichen Kampagne starten werde, in der die Vereinbarung mit dem Iran gewürdigt werden solle 122 . Einen Tag später wird berichtet, dass sich das rechtskonservative „American Israel Public Affairs Committee (AIPAC)“ darauf vorbereite, für die Ablehnung der Vereinbarung im Kongress zu sorgen.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag kündigt eine Untersuchung an, die den Tod von neun Passieren des Bootes „Navi Marmara“ am 31. Mai 2010 durch die israelische Marine vor der Küste des Gazastreifens klären soll. In der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ erscheint am 17. Juli ein Aufruf von 13 der 28 europäischen Außenminister, der die Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofs verlangt. Die Unterschrift des deutschen Außenministers fehlt 123 .

15.07.2015: Ohne auf den israelisch-palästinensischen Konflikt einzugehen, verbreitet das Berliner Auswärtige Amt eine Bewertung von Frank-Walter Steinmeier zum „Fahrplan (Road Map)“ zwischen Iran sowie den 5 UN-Vetomächten und Deutschland vom 14. Juli 124 . Nach Einschätzung Steinmeiers bringt die Vereinbarung

122 Stärken wir den Internationalen Strafgerichtshof!, in FAZ 17.07.2015, S. 10.

123 Jacob Kornbluh: J Street launches multimillion campaign in support of Iran nuclear deal, in „Haaretz” 16.07.2015.

124 Vgl. die Eintragung am 28.06.2015 in dieser Zeitleiste. Dazu mein Kommentar „Osirak und Bushihr“ in der Menüleiste „Veröffentlichungen“ dieser Homepage.

www.reiner-bernstein.de 116 – Chronologie 2015

„ein Mehr an Sicherheit für die Region und schließt einen Griff Teherans nach der Atombombe langfristig und nachprüfbar aus. Weitreichende Beschränkungen der iranischen Nuklearaktivitäten sind mit einem engmaschigen, umfassenden Kontrollregime abgesichert.“ Vielleicht, so Steinmeier weiter, „können wir jetzt das Momentum der historischen Einigung von Wien nutzen, um anderswo in der Region Versuche zu starten, die schweren Konflikte zu entschärfen“, wozu es der Einigkeit der internationalen Gemeinschaft und des festen Willens bedürfe, „nach gemeinsamen Interessen zu handeln, aber auch die Geduld und Bereitschaft, sich einer Lösung in kleinen, pragmatischen Schritten zu nähern, Misstrauen abzubauen und Ideen und Gesprächsformate zu erproben“ . Als Beispiele nennt der deutsche Außenminister Libyen , Syrien , Türkei und Saudi- Arabien . In einem Interview mit dem israelischen Fernsehen hält der frühere Ministerpräsident Ehud Barak Israel für stark genug, im Falle der Gefahr dem Iran militärisch entgegentreten zu können. Viel eher komme es darauf an, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sein Verhältnis zu US-Präsident Barack Obama korrigiere. In seiner Pressekonferenz im Weißen Haus vermeidet es Obama, Netanjahu persönlich anzusprechen, betont jedoch die Sicherheitsinteressen des Staates Israel durch die Entsendung von Verteidigungsminister Ashton Carter nach Jerusalem; er trifft dort am 19. Juli ein. Im britischen Parlament kommt Außenminister Philip Hammond zum Schluss, dass Netanjahu statt einer Vereinbarung eine „Sackgasse (standoff)“ bevorzuge.

14.07.2015: Meirav Arlosoroff vergleicht Israel mit dem erschreckenden Zustand Griechenlands und führt aus, dass auch in Israel politische Ernennungen Gang zu gäbe seien, der öffentliche Sektor ineffektiv sei, der Bankensektor eine grundlegende Neuordnung brauche, der www.reiner-bernstein.de 117 – Chronologie 2015

Arbeitsmarkt reformiert werden müsse, die Vergabe von Privilegien an jene aufhören müsse, die nahe an der Macht dran sind, der Einfluss des Oberrabbinats eingeschränkt sowie das Monopol der Schiffsmagnaten und der Barone im Naturgasgeschäft gebrochen werden müsse 125 .

13.07.2015: Bei 5 Bombenanschlägen in der irakischen Hauptstadt Bagdad werden mindestens 20 Menschen, vorwiegend Schiiten, getötet.

12.07.2015: Auf Vermittlung des UN-Sondergesandten Bernardino Léon kommt eine Einigung unter den zwei Konfliktparteien im Osten und Westen Libyens zustande. Am Tag darauf werden beim Beschuss eines Wohngebiets in Benghasi mindestens 5 Menschen getötet.

11.07.2015: Vor der Botschaft Italiens in Kairo wird eine Autobombe gezündet, die einen Zivilisten tötet. Ein Ableger des terroristischen „Islamischen Staates“ bekennt sich zu der Tat 126 .

08.07.2015: Nach offiziellen Angaben sind 2014 die Zerstörungen von Häusern und Einrichtungen in anerkannten und nicht-anerkannten Beduinen- Dörfern im Negev um 54 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.

125 Meirav Arlosoroff: How Israel is following Greece’s ruinous path, in „Haaretz” 14.07.2015.

126 Vgl. die Eintragung am 29.06.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 118 – Chronologie 2015

02.07.2015: Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass im Gazastreifen „Hamas“ mit aller Härte gegen die dortigen Salafisten vom Schlage des „Islamischen Staates“ und ihre Moscheen vorgehe, nachdem sie ihr eine Laxheit bei der Durchsetzung des islamischen Rechts, der „Sharia“, vorgeworfen haben. Die Salafisten sollen auch für den jüngsten Raketenbeschuss Israels verantwortlich sein. Während der Militäroperation „Schutzschild“ im Sommer 2014 habe der scheidende US-Militärgeheimdienstchef Michael Flynn Israel geraten, „Hamas“ nicht zu zerschlagen, weil dann „etwas noch Bedrohlicheres entstehen“ könnte 127 .

In einem Brief an den US-amerikanischen Milliardär und Groß- Spender Haim Saban wendet sich die demokratische US- Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gegen die gegen Israel gerichteten BDS-Kampagnen und unterstützt die Zwei-Staaten- Lösung durch direkte Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern.

01.07.2015: Im Rechtsausschuss der Knesset wird mitgeteilt, dass Israel gegenwärtig 5.686 Palästinenser gefangen hält, darunter 1.610 Verwaltungshäftlinge, das heißt ohne Verfahren. Gegenüber 2011 ist dies ein Anstieg um 26 Prozent. Anlass der Sitzung des Rechtsausschusses war die Verfügung, dass die Gefangenen endgültig nicht länger mit ihren Familienangehörigen telefonieren dürfen.

127 Peter Münch: Ein neuer Feind im Haus, in SZ 02.07.2015, S. 9.

www.reiner-bernstein.de 119 – Chronologie 2015

Juni 2015

30.06.2015: Das „US State Department“ wendet sich in einer Erklärung gegen internationale Kampagnen zum Boykott des Staates Israel, diese Ablehnung sich jedoch entgegen Forderungen aus dem Senat nicht auf die „von Israel kontrollieren Gebiete“ beziehe. Am 02. Juli heißt es in einem „Haaretz“-Beitrag, dass die palästinensischen Kampagnen gegen eine Normalisierung der Beziehungen zu israelischen Partnern mit den Zielen „Ende der Besatzung“ , Herstellung der Rechtsgleichheit zwischen Israelis und Palästinensern sowie „volles Rückehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge“ viel gefährlicher seien als internationale BDS-Ansätze, weil sie auf die Legitimierung Israels hinauslaufen würden 128 .

In einer Vorabankündigung über den neuen Bericht der „International Crisis Group“ verhandeln die israelische und die jordanische Regierungen sowie die Autonomiebehörde über die Neuregelung des Zugangs zum Noblen Heiligtum / Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt für nicht- moslemische Besucher. Die Abmachung käme Juden und Christen zugute. Die Einnahmen sollen der moslemischen religiösen Stiftung, dem „Waqf“, zugutekommen.

Die israelische Regierung billigt Pläne, einen 30 Kilometer langen Sicherheitszaun zwischen dem Badeort Eilat und dem vor allem für den Tourismus geplanten internationalen Flughafen Timna zu bauen.

29.06.2015: Der zypriotische Staatspräsident Nicos Anastasiades bemüht sich darum, dass der palästinensische Ministerpräsident Machmud Abbas

128 Joel Braunold and Huda Abuarquob: A bigger threat than BDS: anti- normalization, in „Haaretz” 02.07.2015.

www.reiner-bernstein.de 120 – Chronologie 2015

und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei nächster Gelegenheit vor den 28 Staats- und Regierungschef der Europäischen Union in Brüssel sprechen.

Der ägyptische Generalstaatsanwalt Hisham Barakat stirbt im Kairoer Stadtteil Heliopolis an seinen Verletzungen, die ihm und seinen Begleitern am Morgen eine ferngesteuerte Autobombe zufügte. Der 65 Jahre alte höchste Strafverfolger des Landes war für Hunderte Verfahren gegen Moslembrüder und für Anträge zur Verhängung der Todesstrafe verantwortlich. Die Regierung kündigt die Verschärfung von Strafmaßnahmen an. Am 01. Juli richten Terroristen, die sich zum „Islamischen Staat“ bekennen, im Norden der Sinai-Halbinsel ein Blutbad an. Zu den Opfern sollen nach ägyptischen Angaben 38 Zivilisten und über 50 Soldaten und Polizisten gehören. Über die Zahl der getöteten Terroristen liegen unterschiedliche Informationen vor.

Der vor einem Jahr im Zuge einer israelischen Verhaftungswelle festgenommene Khader Adnan, hat nach 56 Tagen seinen Hungerstreik aufgegeben. Adnan, gegen den keine Anklage erhoben worden ist, soll bald freigelassen werden 129 . Die Freilassung erfolgt am 12. Juli.

Amos Oz wird der Internationale Literaturpreis für seinen Roman „Judas“ zugesprochen. Die Auszeichnung mit 25.000 Euro soll am 08. Juli in Berlin verliehen werden.

28.06.2015: Die USA kündigen an, den Abschluss des für den 30. Juni geplanten Vertrags mit dem Iran über das dortige Nuklearprogramm bis zum 07. Juli zu verlängern. Am 07. Juli werden die Verhandlungen in

129 Vgl. die Eintragung am 14.06.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 121 – Chronologie 2015

Wien bis zum 10. Juli und dann noch einmal bis zum 13. Juli verlängert. Am Morgen des 14. Juli wird der „Fahrplan (Road Map)“ in Wien vom iranischen Außenminister Mohamed Javad Zarif unter Beteiligung der Außenminister der fünf UN-Vetomächte und des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier unterzeichnet. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nennt die Abmachung „einen schweren Fehler von historischer Bedeutung“ . Steinmeier verbittet sich Netanjahus „grobschlächtige Kritik“ . Für US- Außenminister John Kerry ist sie „weit überzogen“ . Oppositionsführer Yitzhak (Isaac) Herzog hingegen stimmt der Einschätzung Netanjahus zu und kritisiert, dass die Vereinbarung ohne die Berücksichtigung der Interessen Israels abgeschlossen worden sei. Dagegen preist US-Präsident Barack Obama den „Fahrplan“ mit den Worten, dass seine Administration von der „Position der Stärke und der Prinzipien“ aus verhandelt habe. Hillary Clinton, die Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten, schließt sich Obama an und ergänzt, dass die USA immer dafür sorgen würden, dass Israel gegenüber seinen Feinden einen militärisch qualitativen Vorsprung („Qualitative Military Edge“) behalte. Am 18. Juli zitiert „Haaretz“ ein hochrangiges Mitglied der deutschen Regierung, das gegenüber einem gleichfalls hochrangigen Mitglied der israelischen Regierung deren Sorgen teilt, den Gesprächspartner aber fragt, ob „Ihr verrückt geworden seid“ .

Das international besetzte Boot „Marianne“, das von Griechenland aus Hilfsgüter zur Unterstützung für einige der 1,8 Millionen Palästinenser im Gazastreifen bringen sollte, wird am Abend von der israelische Marine 150 Seemeilen vor der Küste gestoppt und nach Ashdod geschleppt. Zu den Insassen gehören der frühere tunesische Präsident Moncef Marzouki, der arabische Knesset-Abgeordnete Basel Ghattas und der in Stockholm lebende israelische Komponist und Musiker Dror Feiler, der lange Jahre Vorsitzender der Gruppe „European Jews for a Just Peace“ war.

www.reiner-bernstein.de 122 – Chronologie 2015

26.06.2015: Bei einem Anschlag auf das von der TUI-Gruppe betriebene Hotel „Imperial Merhaba“ in der Nähe der tunesischen Stadt Sousse sterben 38 Touristen, darunter 30 britische und zwei deutsche Staatsbürger, durch Seifeddine Rezgui, einen Studenten der Ingenieurwissenschaften . Der junge Attentäter, der sich wie ein Tourist bekleidet hat, wird von Sicherheitskräften erschossen. Die Regierung ordnet die Schließung von 80 Moscheen von Hasspredigern an 130 . In Kuwait-City kommen bei einem Selbstmordattentat 27 schiitische Gläubige in der „Imam Sadeq- Moschee“ ums Leben. Südlich von Lyon durchbricht ein 35 Jahre alter Islamist tunesischer Herkunft, dessen Name mit Yassin Salhi angegeben wird, die Absperrung einer Anlage zur Produktion von Industriegas und tötet einen Menschen. Auf dem Gelände wird ein enthaupteter Mann, sein Arbeitgeber, gefunden. Salhi verweigert zunächst seine Identifizierung. Er war 2006 observiert worden, wurde aber zwei Jahre später aus der Überwachungsliste gestrichen. Die Frankreich leben schätzungsweise 6 Millionen Muslime. Die Regierung in Paris beabsichtigt, für die Schließung von etwa 90 Moscheen mit salafistischen Predigern zu sorgen. Bei ihrem Besuch in Tunis am 29. Juli sagt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen der Regierung deutsche militärische Ausrüstungshilfen und Leistungen zur Grenzsicherung zu. Das tunesische Fernsehen sendet Bilder vom Bau eines steinernen Grenzwalls zu Libyen.

25.06.2015: Nach Ermittlungen des „2015 World Investment Report“ der Handels- und Entwicklungsorganisation der Vereinten Nationen sind im vergangenen Jahr die ausländische Investitionen in

130 Vgl. die Eintragungen am 17.03.2015 und am 07.01.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 123 – Chronologie 2015

Israel um fast 50 Prozent gefallen. Der Rückgang sah auf BDS- Kampagnen und die israelischen Militäroperation „Schutzschild“ im Gaza-Streifen im Sommer 2014 zurückzuführen.

Anwesende Journalisten zeigen sich schockiert, als ihnen eine Sprecherin der israelischen Botschaft in Berlin in Anwesenheit von Botschafter Ya’acov Hadas-Hanselsman bedeutet habe, ihre Regierung sei an einer vollständigen Normalisierung der Beziehungen zur Bundesrepublik nicht interessiert, weil sie die deutsche Schuld an der „Shoah“ mindern würde. Die Sprecherin betont anschießend, dass es sich um eine vertrauliche Information („off the record“) gehandelt habe 131 . Am selben Tag führt Ari Shavit aus, dass es aus der Militäroperation „Schutzschild“ im Gaza-Streifen nur eine Konsequenz geben könne – die Änderung der politischen Richtung. Ungeachtet des fehlerhaften UN-Berichts über israelische Verbrechen im Krieg werde es ohne eine Friedensinitiative über kurz oder lang eine neue Runde des asymmetrischen Konflikts geben, und zwar im Süden und im Norden Israels 132 .

23.06.2015: Das Präsidium des Deutschen Bundestages mit seinem Präsidenten Norbert Lammert an der Spitze ist zu einem zweitägigen Besuch nach Israel aufgebrochen. Vorgesehen ist eine Rede Lammerts in der Knesset, eine Begegnung mit Staatspräsident Reuven Rivlin und Gespräche mit Angehörigen der parlamentarischen Opposition.

131 Nir Gontarz: Israeli diplomat in Berlin: Maintaining German guilt about Holocaust helps Israel, in „Haaretz“ 25.06.2015.

132 Ari Shavit: The UN is preserving the Israeli occupation, in „Haaretz“ 25.06.2015.

www.reiner-bernstein.de 124 – Chronologie 2015

Die Deutsch-Israelische Schulbuchkommission stellt in ihrem Bericht über die Darstellung des jeweils anderen Landes zwischen 2011 und 2014 fest, dass, insgesamt gesehen, Israel zu sehr unter dem Blickwinkel des Konflikts mit den Palästinensern dargestellt werde und vor allem die Medienberichterstattung widerspiegele. In israelischen Schulbüchern werde Deutschland nach 1945 kaum oder gar nicht behandelt. Wenn überhaupt, komme das heutige Deutschland als fortschrittliches, westliches und demokratisches Land vor.

„Haaretz“ widmet einen Beitrag dem nach London zurückkehrenden britischen Botschafter Matthew Gould, der in den Jahren seines Dienstes in Israel vielfach undiplomatisch angeeckt und von rechts beschuldigt worden sei, gegen Israels Interessen zu arbeiten. Seine Kritik, so das Blatt, habe er sich auch deshalb erlauben können, weil er Jude sei, ohne dass er mit seinen offenen Worten die israelische Öffentlichkeit erreicht hätte133 . Am 13. Juli tritt David Quarrey die Nachfolge Goulds an.

22.06.2015: Der UN-Menschenrechtsrat unter Vorsitz der US-amerikanischen Richterin Mary McGowan Davis legt seinen Bericht über Menschenrechtsverletzungen im Gaza-Krieg im Sommer 2014 vor. Darin beschuldigt der Bericht „Hamas“ und andere Organisationen des rücksichtslosen Vorgehens gegen israelische Zivilisten durch den Raketenbeschuss und beklagt die große Zahl toter palästinensischer Zivilisten sowie die immensen materiellen Schäden unter der palästinensischen Zivilbevölkerung. Beide Parteien hätten „möglicherweise Kriegsverbrechen begangen“ . Die israelische

133 Anshel Pfeffer: Outgoing U.K. envoy in Israel leaves legacy of quashing ‚dual loyalty‘ claims, in „Haaretz“ 23.06.2015.

www.reiner-bernstein.de 125 – Chronologie 2015

Regierung, die am 14. Juni einen eigenen Bericht vorgelegt hat, weist die Anschuldigungen an ihre Adresse zurück. Ihre Armee habe im Einklang mit dem Völkerrecht gehandelt, als sie das Land gegen eine „mörderische Terrororganisation“ verteidigt habe. Am 23. Juni weist das US-State Department den Bericht zurück und kündigt an, ihn gegebenenfalls im UN-Sicherheitsrat zu verhindern.

Die US-amerikanische NGO „Partners for Progressive Israel“ – früher der amerikanische Ableger der linksbürgerlichen israelischen Partei „Meretz (Energie)“ – wendet sich an die Vereinten Nationen und an die Konfliktparteien mit einem Papier, wobei Washington eine besondere Verantwortung zugewiesen wird: Erarbeitung einer Zeitleiste für einen Vertrag zwischen Israel und dem Staat Palästina in zwei Jahren. Darin enthalten sollen sein: 1) Vereinbarung der Grenzen zwischen beiden Staaten entlang der Linien vor 1967 mit der Option des Gebietsaustauschs. 2) Jerusalem als Hauptstadt beider Staaten. 3) Eine vereinbarte, gerechte, faire und realistische Lösung der (palästinensischen) Flüchtlingsfrage einschließlich eines Mechanismus für Reparationen, Wiederansiedlung, Entschädigungen und anderer vereinbarter Maßnahmen. 4) Faire Kompensationen und / oder Wiederansiedlung der jüdischen Siedler im Staat Israel, soweit sie nicht Bürger des Staates Palästina werden wollen. 5) Respektierung der vernünftigen und legitimen Sicherheitsbedürfnisse beider Staaten. 6) Klärung aller ausstehenden Probleme mit dem Ziel des gegenseitigen Vertrauens und des permanenten Endes der Feindseligkeiten. Es fällt in dem Papier auf, dass nicht auf die Arabische Friedensinitiative vom März 2002 eingegangen wird 134 .

21.06.2015:

134 Partners of Progressive Israel: Statement on the United Nations and the Conflict, 22.06.2015.

www.reiner-bernstein.de 126 – Chronologie 2015

Zum Abschluss seines Aufenthalts in Kairo, Amman, Ramallah und Jerusalem behauptet der französische Außenminister Laurent Fabius auf einer Pressekonferenz in Jerusalem, dass nach seinem Eindruck die USA „offener denn je“ für die Idee einer Resolution des UN- Sicherheitsrates zur Beendigung des israelisch-palästinensischen Konflikts seien. Das Ziel müssten die Wiederaufnahme der direkten Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der Palästinensischen Autonomiebehörde, die Einberufung einer internationalen Konferenz unter Beteiligung der fünf UN-Vetomächte (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China) bei Berücksichtigung weiterer europäischer Staaten und von arabischen Staaten sowie eine UN-Resolution mit einer präzisen Zeittafel für einen Endstatus-Vertrag und mit Prinzipien für die Klärung der strittigsten Konfliktfelder sein. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu distanziert sich umgehend von den Überlegungen, weil sie Israels Sicherheitsbedürfnissen nicht gerecht würden. Der Frieden mit den Palästinensern werde nur durch direkte Verhandlungen ohne Vorbedingungen erreicht werden. Dagegen begrüßt der palästinensische Präsident Machmud Abbas die Vorschläge von Fabius.

Nach einer mehrjährigen Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen kündigt die ägyptische Regierung die Ernennung von Hazem Khairat als neuen Botschafter in Israel an. Er soll im September seine Arbeit in Tel Aviv aufnehmen, heißt es. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu begrüßt die Entscheidung, weil sie den Frieden näherbringen werde.

18.06.2016: Am Morgen wird das Benediktinerkloster der zum „Deutscher Verein vom Heiligen Lande“ mit Sitz im Erzbistum Köln gehörigen Kirche der Brotvermehrung in Tabgha am See Genezareth angezündet und geschändet. „Götzendienerei wird www.reiner-bernstein.de 127 – Chronologie 2015

vernichtet“ , lautet die Schmiererei auf der Mauer. Das Erzbistum Köln und der Vatikan protestieren mit scharfen Worten gegen die mangelnde Aufsichtspflicht der israelischen Behörden, solche Anschläge zu verhindern. Der deutsche Botschafter Andreas Michaelis stattet fährt sofort nach Tabgha und fordert die Behörden auf, die christlichen Kirchen so zu schützen, wie das in Deutschland bei Synagogen und Moscheen selbstverständlich sei. Von Seiten des Auswärtigen Amts in Berlin ist keine Stellungnahme bekannt. Eine aus je drei katholischen deutschen Bischöfen und Rabbinern bestehende Delegation, die sich zufällig in Tabgha aufhält, zeigt sich von dem Anschlag erschüttert und empört. Die arabisch dominierte „Arabische Liste“ in der Knesset verlangt die Entlassung des Polizeichefs und die Aufnahme extremistischer Gruppen als Terrororganisationen. Von der Polizei festgenommene junge Siedler werden wieder freigelassen, weil sich der Tatverdacht gegen sie nicht bestätigt habe. „Haaretz“ berichtet, dass nach den elf Anschlägen seit 2011 auf christliche und moslemische Einrichtungen keine einzige Strafverfolgung eingeleitet worden sei. Am 29. Juli werden zwei Israelis der „Hügeljugend“ der Tat angeklagt. Gegen einen der Angeklagten soll auch wegen des Brandanschlags für die Dormitio-Abtei in Jerusalem ermittelt werden 135 .

Die palästinensische Regierung der nationalen Einheit mit „Fatah“ und „Hamas“ zerbricht. Ministerpräsident Rami Hamdallah erklärt seinen Rücktritt, wird aber von Präsident Machmud Abbas mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.

17.06.2015:

135 Vgl. die Eintragung am 24.-26.05.2014 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 128 – Chronologie 2015

Gegenüber dem Erziehungsausschuss der Knesset betonen die Spitzen israelischer Universitäten und Forscher in einem Gespräch, dass der akademische Boykott gegen akademische Einrichtungen in Israel nicht offen, sondern verdeckt stattfinde. Auch ausländische Wissenschaftler würden sich inzwischen scheuen, nach Israel zu kommen und mit ihren dortigen Kollegen zusammenzuarbeiten. Als Gegenmaßnahme wird im Ausschuss die verstärkte Finanzierung von Projekten vor allem auf dem Campus US-amerikanischer Universitäten empfohlen 136 .

16.05.2015: Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks sind in den vergangenen zwei Tagen nicht weniger als 23.000 Syrer in die Türkei geflohen.

Kairoer Gerichte bestätigen frühere Urteile gegen den ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi. Das eine Urteil besteht auf der Todesstrafe, das andere auf lebenslängliches Gefängnis. Gegen beide Urteile ist Berufung möglich 137 .

15.06.2015: Die israelische Polizei lässt zum zweiten Mal ein Haus in dem arabischen Ort Kafr Kana in Galiläa abreißen. Es war von Freunden und Helfern wieder aufgebaut worden, nachdem sich die Familie jahrelang vergeblich um eine Genehmigung bei den Behörden bemüht hatte. Arabische Knesset-Abgeordneten hatten zuvor an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein appelliert, den Abriss wenigstens zu verschieben.

136 Yarden Skoff: Spitzen der Universitäten und Forscher im Gespräch mit der Knesset: Ein stiller Boykott gegen Israel, in „Haaretz“ 17.06.2015 (Hebr.).

137 Vgl. die Eintragung am 16.05.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 129 – Chronologie 2015

Der zwischen 2009 und 2013 in Washington amtierende israelische Botschafter Michael B. Oren, der seit den Wahlen im März 2015 für die Partei „Es gibt eine Zukunft (Yesh Atid)“ in der Knesset sitzt, beschuldigt US-Präsident Barack Obama, dass er Israel seit seiner Wahl 2008 schrittweise fallengelassen habe, ohne anti-israelisch zu sein, weil er Israel militärisch weiter gestärkt habe. Doch habe Obama zwei Grundprinzipien über Bord geworfen: keine Missklänge in der Öffentlichkeit auszutragen und die Politik nicht mit Kursänderungen zu überraschen. Der Auftritt von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor beiden Häusern des US-Kongresses am 03. März sei als Reaktion auf die Fehler Obamas zu verstehen. Während der palästinensische Präsident Machmud Abbas keinen politischen Preis habe bezahlen müssen, obwohl er all seine Verpflichtungen verletzt habe, habe das Weiße Haus routinemäßig die israelische Bautätigkeit verurteilt. Im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern habe Obama im Vorfeld seiner Rede in Kairo im Juni 2009 Netanjahu nicht informiert, ihm also keine Kopie zur Kommentierung überlassen. Im Mai 2011 habe Obama im Widerspruch zu der 40 Jahre alten Tradition Israel auf die Grenzen von 1967 mit der Möglichkeit eines Gebietsaustauschs festlegen wollen. Außerdem habe der Präsident Israel vorgeführt, als er die Unterstützung einer Untersuchungskommission des UN-Sicherheitsrates zur Siedlungspolitik angeboten sowie die ägyptischen und türkischen Bemühungen unterstützt habe, Israels Nukleargeheimnisse zu lüften. Schließlich sei Obama in Gespräche mit dem Iran eingetreten, ohne Netanjahu zu unterrichten 138 . Der US-amerikanische Botschafter in Tel Aviv Dan Shapiro distanziert sich nachdrücklich von den

138 Michael B. Oren: How Obama Abandoned Israel, in „The Wall Street Journal” 15.06.2015.

www.reiner-bernstein.de 130 – Chronologie 2015

Äußerungen Orens, während Netanjahu keinen Anlass sieht, Orens Ausführungen zu kommentieren, obwohl Shapiro ihn darum bat. Kommentatoren vermuten, dass Oren mit dem Auftritt seinem Buch „Ally“ über die israelisch-amerikanischen Beziehungen Publizität verschaffen wolle.

14.06.2015: Das israelische Kabinett beschließt auf seiner Sitzung, dass palästinensische Häftlinge im Hungerstreik befindliche Khader Adnan zwangsweise ernährt werden sollen 139 .

Der Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) untersagt die Eröffnung der Ausstellung „Breaking the Silence“, die zuvor im Willy- Brandt-Haus in Berlin sowie in Hamburg und in Zürich gezeigt wurde. Auf öffentlichen Druck hin soll die Ausstellung nun 2016 stattfinden. Am 17. Juni findet in einem Unterausschuss für Menschenrechte in Brüssel eine Anhörung unter Beteiligung von „Breaking the Silence“- Vertretern statt.

12.06.2015: Im Interview mit „Haaretz“ vertritt der Vorsitzende der „Zionistischen Union“ in der Knesset Yitzhak Herzog die Auffassung, dass sich die BDS-Kampagnen nicht nur gegen – wie er sagt – „Judäa und Samaria“, sondern gegen die Existenz des Staates Israel richten. Diese Kampagnen würden von arabischen Staaten, so von Saudi- Arabien und vom Golf, unterstützt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu treibe das Land „um Himmels willen“ in einem arabisch- jüdischen Staat. Er wolle nicht eines Tages 61 arabische Abgeordnete in der Knesset haben. Als Führer der Opposition im

139 Amira Hass: Cabinet OKs bill to force-feed security inmates, in „Haaretz” 15.06.2015, S. 1 f.

www.reiner-bernstein.de 131 – Chronologie 2015

Parlament müsse er nicht in „tief in der Linken“ verhaftet sein. Zwischen 2009 und 2014 habe Israel 2,5 Milliarden US-Dollar in „Judäa und Samaria“ investiert 140 . Am 17. Juni berichtet „Haaretz“ aus vertraulichen Quellen, dass 2912 der Gesamtwert der Exporte aus den jüdischen Siedlungen der Westbank, in Ost-Jerusalem und vom Golanhöhen nicht mehr al 100 Millionen US-Dollar ausgemacht und damit wenig mehr als 1 Prozent des Gesamtexports (ausschließlich Diamanten) betragen habe 141 .

Im Rückblick auf den Ausbruch der zweiten „Intifada“ im Herbst 2000 schreibt Meirav Arolosorff in „Haaretz“, dass in der 67 Jahre alten Geschichte des Staates Israel zum Teil durch massive Bodenenteignungen arabischer Grundbesitzer mehr als 700 neue jüdische Ortschaften und keine einzige arabische entstanden seien, obwohl die arabische Bevölkerung seit 1948 um das Siebenfache gewachsen sei. In der Planungskommission des Staates sitzen nach Angaben des Innenministeriums lediglich 12 arabische Mitglieder 142 . Am 14. Juni wird berichtet, dass die Spitzen aller israelischen Universitäten bei Präsident Reuven Rivlin vorstellig geworden sind, damit dieser sich gegen die drohende Enteignung weiterer Böden zu Lasten der Beduinen im Negev einsetze.

11.06.2015:

140 Meirav Arlosoroff: An end to the Judaization of the Galialee?, in „Haaretz” 12.06.2015, S. 9. Vgl. den Beitrag „Räson oder Wagenburg“ in der Menüleiste „Veröffentlichungen“ dieser Homepage.

141 Judy Maltz: EU drive to label West Bank settlement exports unlikely to harm Israel, in „Haaretz” 17.06.2015.

142 Nir Gontarz: ‘I am opposition from the center (Interview),’ in „Haaretz” 12.06.2015, S. 9. Die hebräischsprachige Fassung trägt den Titel „Ich habe nicht gesagt, dass ich ein Mann von links bin. Ich bin ein Führer, der von der Mitte gekommen ist.“ Vgl. dazu die Ausführungen von Reuven Rivlin am 09.06.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 132 – Chronologie 2015

Das spanische Parlament beschließt ein Gesetz, wonach jüdische Israelis die spanische Staatsbürgerschaft erwerben können, wenn sie den Nachweis erbringen, Nachfahren der 1492 aus dem Land vertriebenen Juden zu sein.

10.06.2015: Die vom Westen unterstützte „Freie Syrische Armee“ hat mit Hilfe ihres Ablegers „Südliche Front“ die im Süden Syriens gelegene Stadt Dera’a eingenommen, von der aus im März 2011 der Aufstand gegen das Assad-Regime begann. Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London sind bei Ausbruch der Kämpfe mehr als 230.000 Menschen getötet worden, darunter sind fast 70.000 Zivilisten mit 11.493 Kindern und 7.371 Frauen.

In einem Interview droht die israelische Kulturministerin Miri Regev („Likud“) „weitere Mittelstreichungen“ an, „wenn sie den Staat Israel schädigen. Am 09. Juni war die Zuweisung für das jüdisch-arabische Kindertheater „Elmina“ in Jaffa/Yaffo angekündigt worden. Am 15. Juni berichtet „Haaretz“ von scharfen Protesten David Grossmans gegen die Drohung Regevs, dem Kindertheater die Zuweisungen zu entziehen, weil sein Direktor sich geweigert habe, eine Produktion des Haifa-Theaters in einer jüdischen Siedlung im Jordantal aufzuführen. Damit, so Grossman, verschärfe Regev die weltweite Isolierung Israels 143 . Am 16. Juni entzieht Regev dem arabischen „Al- Midan Theatre“ in Haifa die finanzielle Unterstützung mit der Begründung, zunächst müsse dessen Finanzmanagement in Ordnung gebracht werden. Auch Erziehungsminister Naftali Bennett („Das jüdische Haus“) droht mit dem Entzug von Subventionen. Das Theater wollte ein Stück des Autors Bashar Murkus auf die Bühne bringen, in dem die Geschichte eines arabischen Attentäters

143 Gili Izikovich: David Grossman: Culture minister turning Israel into a militant, fundamental sect, in „Haaretz” 15.06.2015.

www.reiner-bernstein.de 133 – Chronologie 2015

geschildert wird, der 1984 einen Israeli tötete und dafür zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Mehr als 3.000 israelische Künstler schließen sich den Protesten gegen die Eingriffe in die Freiheit des künstlerischen Schaffens an.

09.06.2015: Auf der Jahreskonferenz in Herzliyah führt Staatspräsident Reuven Rivlin aus, dass Israel zu einem Land mit 4 „großen Stämmen“ geworden sei: mit säkularen Juden, religiös- zionistischen Juden, ultraorthodoxen Juden und Arabern, die sich untereinander mit Furcht und Feindschaft begegnen würden. Mit der Demographie werde „eine neue israelische Ordnung“ geschaffen, in der es keine klaren Mehrheiten und Minderheiten gebe und keine apokalyptische Prophezeiung, sondern eine Realität sei. Aus seiner Analyse leitet Rivlin ein neues Konzept der Partnerschaft mit „vier Säulen“ ab: 1) ein Gefühl der Sicherheit, in dem keine Gruppe ihre grundlegenden Elemente der Identität aufgeben müsse; 2) eine gemeinsame Verantwortung für Staat und Gesellschaft; 3) Gerechtigkeit und Gleichheit und 4) die Schaffung einer gemeinsamen israelischen Eigenheit. Der Berichterstatter, der den Präsidenten als „kollektives israelisches Gewissen“ feiert, unterstreicht, dass es für Rivlin nur einen Staat zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan geben könne, womit er die populärste Figur in Israel sei. Dagegen habe der Vorsitzende der Arbeitspartei Yitzhak Herzog das „überkommene Klischee“ der Zwei-Staaten-Lösung vorgetragen 144 .

144 Asher Schechter: Reuven Rivlin has proven that he is president of the real Israel, in „Haaretz” 09.06.2015, S. 9. Vgl. meinen Beitrag „Räson oder Wagenburg” in der Menüleiste „Veröffentlichungen” dieser Homepage. Zur demographischen Verteilung der Bevölkerung Israels s. den Eintrag am 01.06.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 134 – Chronologie 2015

07.06.2015: Bei den Parlamentswahlen in der Türkei um die 550 Sitze verfehlt die „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP)“ von Staatspräsident Recep Tayyip Erdo ğan und Ministerpräsident Ahmet Davuto ğlu in den 81 Provinzen die absolute Mehrheit mit 41 Prozent und verfügt nunmehr über 259 Abgeordnete. Die „Republikanische Volkspartei“ wird mit 25 Prozent zweitstärkste Kraft im künftigen Parlament, während die kurdisch dominierte „Demokratische Partei der Völker (HDP)“ mit dem 43 Jahre alten Rechtsanwalt Selehattin Demirta ş an der Spitze geht mit 13 Prozent aus dem Rennen. Die rechtsextreme „Partei der nationalistischen Bewegung (MHP)“ vereinigt 16,5 Prozent auf sich. Unter den in Deutschland lebenden Türken gewinnt die AKP 53,6 Prozent und die HDP 18,7 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung liegt insgesamt bei 86,5 Prozent. Der Anteil der weiblichen Abgeordneten steigt von 79 (Wahlen 2011) auf nunmehr 96. Es werden schwierige Koalitionsverhandlungen erwartet. Bis zum 18. August muss die Regierungsbildung abgeschlossen sein.

06./07.06.2015: Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass die Präsidenten der israelischen Universitäten über eine schleichende Ausgrenzung in der akademischen Welt klagen: Die Aufnahme von Veröffentlichungen in ausländischen Fachblättern würde verweigert, und Einladungen zu internationalen Konferenzen würden ausbleiben. Staatspräsident Reuven Rivlin habe daraufhin erklärt, er sei der Soldat der Universitäten in diesem Kampf 145 . Am 07. Juni kündigt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine weltweite Kampagne gegen Boykottaufrufe an. Sie würden sich nicht gegen Produkte aus „Judaä und Samaria“ richten, sondern gegen Tel Aviv und Jaffa, Haifa und Jerusalem, begründet Netanjahu die Absichten. Die

145 Peter Münch: Ausgegrenzt von Freunden, in SZ 06./07.06.2015, S. 9.

www.reiner-bernstein.de 135 – Chronologie 2015

Palästinenser würden vor Verhandlungen davonlaufen und wollten dafür sorgen, gegen Israel bei den Vereinten Nationen und beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vorzugehen. „Haaretz“ berichtet zusätzlich, dass das Außenministerium die Kennzeichnung von Produkten aus der Westbank, aus Ost-Jerusalem und von den Golanhöhen, die für den europäischen Markt bestimmt sind, verhindern oder Entscheidungen zumindest verschieben wolle, weil für sie die Zeit nicht reif sei. Dafür würden die israelischen Botschafter in den europäischen Hauptstädten und in Brüssel vorstellig. Bei der EU-Kommission sollen zumindest 4 der 7 Hochkommissare gewonnen werden 146 .

06.06.2015: Das ägyptische Appellationsgericht in Kairo ordnet die Streichung von „Hamas“ von der Liste der Terrororganisationen an.

05.06.2018: Der französische Außenminister Laurent Fabius erklärt auf israelischen Druck hin, dass seine Regierung „einen Boykott gegen Israel strikt“ ablehne, auch wenn es die israelische Siedlungspolitik kritisiere. In der Knesset fordert Justizministerin Ayelet Shaked („Das jüdische Haus“) zum „Boykott gegen die Boykotteure“ auf. Anlass der „Orange“-Erklärung ist die Entscheidung des französischen Telekom- Giganten „Orange“, die geschäftlichen Beziehungen zu Israel zu beenden, denn man liebe Israel. Am 06. Juni zieht „Orange“ seine Pläne zurück. Die Aufregung beruhe auf einem „riesigen Missverständnis“ der Absichten des Unternehmens, lautet die Begründung. Am 07. Juni weist Benjamin Netanjahu den israelischen Botschafter in Paris an, ein Gespräch mit dem

146 Barak Ravid: Netanyahu: Israel preparing ‚offensive‘ to combat boycott calls, in Haaretz” 07.06.2015. Vgl. dazu die Eintragung am 19.05.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 136 – Chronologie 2015

Vorstandsvorsitzenden von „Orange“ Stephane Richard abzulehnen. Am selben Tag bezeichnet der Vorsitzende der oppositionellen Partei „Es gibt eine Zukunft (Yesh Atid)“ Yair Lapid die BDS-Anhänger als „durchgängig Antisemiten“ , die im Puppentheater von „Hamas“ und „Islamischem Djihad“ spielen würden. Yossi Verter kommentiert, dass der Ring um Israel „wahrlich enger“ werde, nachdem auch US- Präsident Barack Obama in einem Interview mit dem israelischen Fernsehen vor einigen Tagen kein automatisches Veto gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrats mehr ausgeschlossen hat 147 . Am 09. Juni teilt das Kosmetik-Unternehmen „Ahava“ mit, dass darüber nachgedacht werde, seine Produktionsstätte von Mitzpe Shalem am südlichen Ausgang des Toten Meeres nach Israel zu verlagern.

„Human Rights Watch“ fordert UN-Generalsekretär Ban ki-Moon auf, Israel auf die „Liste der Schande“ zu setzen wegen der Tötung von 540 palästinensischen Kindern im Gaza-Krieg 2014. Auf der Liste stehen bereits die „Hamas“, der „Islamische Staat“, „Boko Haram“, Syrien, Jemen, Pakistan, Indien und die Demokratische Republik Kongo. Der Aufforderung soll ein 22 Seiten langer Bericht einer UN- Agentur zugrunde liegen. Samantha Power, die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, habe sich deutlich gegen die Aufnahme Israels in die Liste ausgesprochen, heißt es. Am 08. Juni entscheidet Ban ki-Moon, Israel nicht auf die Liste zu setzen, während „Hamas“ von ihr genommen werde.

In der Beilage zur „Süddeutschen Zeitung“ berichtet die Wochenausgabe der „International New York Times“, dass Israel durch massive Investitionen in die Entsalzung von Meerwasser und die Aufbereitung von Schmutzwasser vor Trockenheit aufgrund geringer Regenfälle bestens vorbereitet sei. Umweltschützer würden kritisieren, dass durch die Entnahmen aus dem Mittelmeer die

147 Yossi Verter: Netanyahu’s government is hard-pressed to weather the mounting storm of international isolation, in Haaretz” 07.06.2015.

www.reiner-bernstein.de 137 – Chronologie 2015

dortige Flora und Fauna belastet seien. Palästinenser in der Westbank würden beklagen, dass für sie aufgrund der israelischen Kontrolle der dortigen Bergrücken nicht genügend Wasser zur Verfügung stehe und es zu teuer sei.

03.06.2015: Ägyptens Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi wird zur Beginn seines zweitägigen Besuchs in Berlin von Bundespräsident Joachim Gauck mit militärischen Ehren empfangen. Geplant sind Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat eine Begegnung mit Al-Sisi abgelehnt, weil Zehntausende Ägypter in Gefängnissen sitzen würden und viele hundert zum Tode verurteilt worden seien. Außerdem sei noch immer nicht das Parlament gewählt worden. Aus Anlass des Staatsbesuchs werden die Todesurteile gegen den früheren Präsidenten Mohamed Mursi und weitere Verurteilte zunächst aufgehoben. In Gesprächen mit Journalisten warnt Al-Sisi vor einem Scheitern seines Landes, dessen Folgen auch Europa spüren werde. Gleichzeitig verteidigt er den Sturz Mursis, der auf eine „Revolution des Volkes“ zurückgehe. Da sich die arabische Welt einem „beispiellosen Aufruhr“ gegenübersehe, müssten alle Instrumente eingesetzt werden, um den weiteren Vormarsch der Terrormilizen des „Islamischen Staates“ zu stoppen. Dafür sei Ägypten ein Anker der Stabilität und der Sicherheit in der Region. In der gemeinsamen Pressekonferenz unterstreicht Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass „Ägypten eines der zentralen Länder in einer Region“ sei, „die von Unruhen und Instabilität geplagt“ sei. Merkel äußert sich deutlich – „unter keinen Umständen“ – gegen die Verhängung von Todesstrafen, woraufhin Al-Sisi um Geduld bittet. Die Bundesregierung, so Merkel weiter, halte an der Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und www.reiner-bernstein.de 138 – Chronologie 2015

Palästinenser fest und plädiere für eine Versöhnung zwischen „Fatah“ und „Hamas“, wobei Ägypten „eine wichtige Rolle spielen“ könne. Indirekt fordert die Bundeskanzlerin ihren Gast auf, den Grenzübergang Rafah zu öffnen, und die „Konrad- Adenauer-Stiftung“ ungehindert arbeiten zu lassen – wozu sich Al-Sisi nur vage äußert 148 . Am 06.Juni berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ von einem Besuch des Vorsitzenden der CDU/CDU-Fraktion Volker Kauder in Kairo und seinem dortigen Gespräch mit dem Großscheich der „Al-Azhar University“ Ahmad Al-Tayyeb, der ihm einen „intensiven Vortrag“ über eine zionistisch-amerikanische Verschwörung zugunsten des „Islamischen Staates“ gehalten habe. Kauder daraufhin: „Wir sind viel weiter voneinander entfernt, als ich geglaubt habe.“ In dem Bericht heißt es: „Bleierne Zeiten sind eingekehrt vier Jahre nach der Revolution, ein Klima der Ausgrenzung und Einschüchterung beherrscht das Land 149 .“

Zum ersten Mal wird eine israelische Palästinenserin, Aida Touma- Suliman von der „Vereinigten Liste“, zur Vorsitzenden eines Knesset- Ausschusses gewählt. Sie steht dem politisch bislang bedeutungslosen Ausschuss für die Gleichstellung der Frauen vor.

Israels Generalstabschef Gadi Eisenkot ordnet die Neuordnung der Bildungsabteilungen des Militärs und des Rabbinats an. In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen beiden durch die Einflussnahme des damaligen obersten Militärrabbiners Avichai Rontzki belastet worden 150 . Die gegen einen Soldaten – einem Neueinwanderer aus den USA – verhängte Gefängnisstrafe wird zugunsten einer Ausgangssperre aufgehoben. Der Soldat hatte ein

148 Vgl. die Eintragungen am 16.05.2015 und am 15.03.2015 in dieser Zeitleiste.

149 Markus Bickel: Islam? Welcher Islam?, in FAZ 06.06.2015, S. 3.

150 Vgl. die Eintragung am 28.12.2014 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 139 – Chronologie 2015

Schinkenbrot gegessen und damit gegen die jüdischen Speisegesetze verstoßen. In Zukunft solle gewährleistet werden, dass religiöse und säkulare Soldaten einander mit Respekt begegnen.

02.06.2015: Nach israelischen Geheimdienstinformationen plant die Palästinensische Autonomiebehörde ihre Einflussnahme auf internationale Organisationen und Foren zu verstärken, nachdem alle Verhandlungsbemühungen vergeblich geblieben seien.

Das Jerusalemer Auswärtige Amt weist seinen Botschafter in der Schweiz Yigal Caspi an, die Ausstellung „Breaking the Silence“, in der israelische Soldaten über ihre Erfahrungen in den besetzten Gebieten Auskunft geben, in Zürich zu verhindern. Das Schweizer Außenamt fördert die Ausstellung mit 15.000 und die Stadt Zürich mit weiteren 10.000 Franken. „Haaretz“ berichtet am 05. Juni, dass vor wenigen Tagen Angehörige von „Breaking the Silence“ in Washington mit führenden Vertretern des Weißen Hauses und des „State Department“ zusammengetroffen seien 151 .

01.06.2015: Nach einer Langzeitstudie der israelischen „Zentralen Statistikbehörde“, die erst jetzt bekannt wird, wird die nicht-religiöse jüdische Bevölkerung bis zum Jahr 2059 auf 50,3 Prozent fallen (gegenwärtig macht sie 67,9 Prozent aus), während der orthodoxe Bevölkerungsanteil von gegenwärtig 11,1 auf 26,6 Prozent steigen werde. Der arabische Bevölkerungsanteil werde von jetzt 20,9 auf

151 Barak Ravid: Israeli NGO Breaking the Silence meets Obama aides in Washington, in „Haaretz“ 05.06.2015.

www.reiner-bernstein.de 140 – Chronologie 2015

23,1 Prozent steigen. Damit werde sich die Kluft zwischen den staatlichen Einnahmen und Ausgaben auf 2,3 Milliarden US-Dollar erhöhen. Als Remedur schlägt die Behörde steuerliche Anpassungen, die Anhebung des Renteneintrittsalters für Männer und Frauen auf 69 Jahre sowie die erhöhte Eingliederung der Orthodoxen und der arabischen Bevölkerung in den Arbeitsmarkt vor. Würden die Vorschläge nicht aufgenommen werden, drohe Israel auf mittlere Sicht ein steuerlicher Bankrott152 .

„Haaretz“ berichtet von Befürchtungen, dass die christlich geführten Schulen in Israel, die von führenden arabischen Staatsbürgern besucht worden sind, in staatliche Regie überführt werden sollen. Zu den Absolventen gehören mehr als 30 Prozent aller arabischen Knesset-Abgeordneten, so der Vorsitzende der „Vereinigten Liste“ Ayman Oudeh und die Abgeordnete Hanin Zuabi 153 .

Mai 2015

31.05.2015: Während seines Besuchs vor Ort trifft Bundesaußenminister Frank- Walter Steinmeier den palästinensischen Ministerpräsidenten Rami Hamdallah in Ramallah, stattet Israels Staatspräsidenten Reuven Rivlin in Jerusalem einen Höflichkeitsbesuch ab und empfängt an der Hebräischen Universität eine Ehrendoktorwürde, wobei er in einer sehr persönlichen Rede ausführt „Deutsche und Israelis sind einander ans Herz gewachsen“ – womit er die jüdischen Israelis gemeint haben dürfte. Während Ministerpräsident Benjamin

152 Meirav Arlosoroff: Finance Ministry warns: Israel heading for Greek- Style tragedy, in „Haaretz“ 01.06.2015. Vgl die Eintragungen am 08.10.2013, 15.12.2012 und am 23.01.2012 in dieser Zeitleste.

153 Oudeh Basharat: Must every Arab flower be crushed?, in „Haaretz“ 01.06.2015.

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Netanjahu bei der Begegnung die iranische Bedrohung hervorhebt, verweist Steinmeier darauf, dass ein Abkommen mit Teheran einen „Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit Israels“ sein werde. Die von der deutschen Politik festgehaltene Zwei-Staaten-Lösung verbindet Steinmeier mit der Überzeugung, dass es „eine wirkliche Sicherheit für Israel nicht ohne einen friedlichen, lebensfähigen Staat für die Palästinenser“ geben werde. Netanjahu entgeget, dass die Palästinenser für einen eigenen Staat noch nicht reif seien, weil sie sich weigerten, Israel als jüdischen Nationalstaat anzuerkennen. Am 01. Juni reist Steinmeier in den Gazastreifen weiter, wobei er die dortigen Lebensbedingungen als „katastrophal“ bezeichnet und für eine internationale Aufbauhilfe plädiert, die nicht auf Fortschritte bei der Zwei-Staaten-Lösung warten könne. Der Status quo sei „nicht haltbar“ , betont Steinmeier, der die deutsche Hilfe von bisher 60 um weitere 37 Millionen Euro aufstockt. „So, wie es ist, darf und wird es nicht bleiben.“ Gesprächen mit Repräsentanten der „Hamas“ geht er aus dem Wege, obwohl die Osloer Vereinbarungen von 1993 und 1995 die territoriale Einheit der Westbank und des Gazastreifens betonen und die Idee zweier Staaten darauf gründen. Triumphierend führt Verteidigungsminister Moshe Ya’alon aus, dass Steinmeiers Aufenthalt lediglich dem Wiederaufbau des Gazastreifens und der Begegnung mit Vertretern der Vereinten Nationen und des Internationalen Roten Kreuzes gedient habe.

Die US-Regierung kündigt zugunsten der Versorgung der Flüchtlinge aus Syrien eine dritte Kredittranche für Jordanien bis zu 1,5 Milliarden US-Dollar mit einer Laufzeit von 10 Jahren an.

30.05.2015: Nach Informationen internationaler Menschenrechtsorganisationen setzt das Assad-Regime in Syrien gegen seine Gegner die besonders heimtückischen und international geächteten Fassbomben ein, bei denen in Aleppo und in der Region mindestens www.reiner-bernstein.de 142 – Chronologie 2015

70 Zivilisten ums Leben kommen. Arabischen Medien berichten, dass Russland begonnen habe, Experten aus Syrien abzuziehen.

Bei einer Meinungsumfrage schneidet Staatspräsident Reuven Rivlin als beliebtester israelischer Politiker mit 72 Prozent Zustimmung ab, gefolgt von Knesset-Präsident Yuli Edelstein (65 Prozent), Verteidigungsminister Moshe Ya’alon (58 Prozent), Generalstabschef Gadi Eisenkot (57 Prozent) und Oppositionsführer Yitzhak Herzog (41 Prozent) 154 . Es fällt auf, dass in der Rangliste der Name von Benjamin Netanjahu fehlt.

28.05.2015: „Amnesty international“ berichtet, dass seit Januar 2015 in Saudi- Arabien so viele Todesurteile vollstreckt worden seien wie nie zuvor. ZU den Getöteten gehören vor allem Saudis, gefolgt von Pakistanis, Jemeniten, Syrern, Jordaniern, Indern, Philippen und Indonesiern.

27.05.2015: Der Vorsitzende des palästinensischen Fußballverbandes Djibril Radjub fordert die Vereinten Nationen auf, ein Votum zum Status der fünf israelischen Fußballmannschaften in der Westbank abzugeben, die in israelischen Ligen spielen. Erst dann wolle sein Verband den Antrag zurückziehen, Israel die Mitgliedschaft in der FIAFA abzuerkennen. Am 28. Mai zieht Radjoub den Antrag zurück. Ein Ausschuss soll für die Bewegungsfreiheit palästinensischer Spieler sorgen.

Gegenüber diplomatischen Korrespondenten betont Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass Israel zu den größten

154 Yossi Verter: Haaretz poll: President Rivlin is Israel’s most popular public figure, in „Haaretz“ 30.05.2015.

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Demokratien der Welt gehöre, obwohl es großen Herausforderungen ausgesetzt sei. Kritiker hätten das Recht auf die eigene Meinung, fügt Netanjahu im Blick auf kritische Äußerungen von US-Präsident Barack Obama hinzu.

26.05.2015: Nach 80 Tagen öffnen die ägyptischen Behörden den Übergang bei Rafah für Palästinenser in den Gazastreifen. Die Ausreise aus dem Gazastreifen bleibt dagegen weiterhin untersagt.

Nachdem eine Rakete aus dem Gazastreifen im Süden Israels niedergegangen ist und mit israelischem Beschuss quittiert wird, verhaftet „Hamas“ einige Angehörige des „Islamischen Djihad“ am 27. Mai.

In einem Bericht von „amnesty international“ wird „Hamas“ beschuldigt, im Sommer 2014 während des Krieges („Operation Schutzschild“ war dafür die israelische Bezeichnung) angebliche Kollaborateure Israels verhaftet, gefoltert und getötet zu haben. Bei 6 der 23 Hingerichteten soll dies öffentlich geschehen sein.

25.05.2015: Der im US-Bundesstaat Connecticut geborene Dore Gold wird von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zum Generaldirektor des Auswärtigen Amtes ernannt, nachdem sein Vorgänger Nissim Ben- Sheetrit entlassen worden ist. Gold, ein expliziter Gegner eines Staates Palästina, diente Israel als UN-Botschafter und war ohne eine offizielle Funktion als politischer Berater Netanjahus tätig. In der Vergangenheit leitete er das „Jerusalem Center for Policy Affairs“, einen nationalistischen Think Tank.

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Nachdem er in einem ersten Verfahren wegen passiver Bestechung während seiner Amtszeit als Bürgermeister Jerusalems zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, verurteilt ein Gericht den früheren Ministerpräsidenten (bis 2009, als er gegeben Benjamin Netanjahu die Wahl verlor) Ehud Olmert ebenfalls wegen passiver Bestechung zu 8 Monaten Gefängnis. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

23.05.2015: Nach Medienberichten sollen mittlerweile 680.000 syrische und 30.000 irakische Flüchtlinge in Jordanien angekommen sein und damit mehr als 10 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Da die Flüchtlinge aus Syrien zu 85 Prozent in Städten wohnten und dort Arbeitsplätze suchten, mache sich unter der einheimischen Bevölkerung Frustration breit, weil sie selbst unter der hohen Arbeitslosigkeitsrate leiden würden. Presseberichte darüber seien verboten. Das „Center for Defending Freedom of Journalists“ schätze, dass 90 Prozent aller Journalisten sich nicht trauen würden, den König, seine Familie, den königlichen Hof und die Armee zu kritisieren.

Der frühere Präsident des Obersten Gerichtshofs in Israel Aharon Barak betont in einem Interview mit „Yediot Achronot (Letzte Nachrichten)“: „Die Erinnerung ist wichtig, dass eine Demokratie nicht nur die Herrschaft der Mehrheit ist. Eine Demokratie, welche die Menschenrechte verletzt, ist in meinen Augen keine Demokratie. Nach allem [was geschehen ist] wurde auch die Nazipartei von der demokratischen Mehrheit gewählt 155 .“

22.05.2015:

155 Aharon Barak: Eine Demokratie, welche die Menschenrechte verletzt, ist keine Demokratie, in „Haaretz“ 23.05.2015 (Uebr.).

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Der linker Neigungen abholde Ari Shavit schreibt in seinem Kommentar: Selbst wenn Machmud Abbas einer göttlichen Eingebung folgte, die ihn in Liebe zur zionistischen Bewegung entbrennen ließe, ihn zur Anerkennung Israels als jüdischen Staat drängen würde und er den Allon-Plan vom Juli 1967 akzeptiere – der damalige Arbeitsminister Yigal Allon schlug die Einverleibung Hebrons sowie die Annexion der Golanhöhen und der Jordansenke vor –, würde Benjamin Netanjahu Nein sagen 156 .

21.05,2015: In einem Zeitschrifteninterview führt US-Präsident Barack Obama aus, dass die anti-arabischen Bemerkungen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gegen eigene Staatsbürger am Wahltag des 17. März Konsequenzen für die Außenpolitik haben müssten. Obama verwahrt sich gegen Unterstellungen, dass die Ablehnung der Siedlungspolitik anti-israelisch oder gar anti-jüdisch sei.

19.05.2015: Die EU-Außen- und Sicherheitsbeauftragte Federica Mogherini bricht zu einer Reise nach Ramallah und Jerusalem auf. Ein israelisches Internet-Portal berichtete am 15. Mai, das Mogherini den EU-Außenministern, die am 18. Mai in Brüssel tagten, vorgeschlagen habe, israelischen Staatsbürgern mit Wohnort in den palästinensischen Gebieten einschließlich Jerusalems ein Visum bei der Einreise nach Europa abzuverlangen, und israelischen Staatsbürgern aus den palästinensischen Gebieten mit einer zweiten europäischen Staatsbürgerschaft letztere zu entziehen. Am 21. Mai bekennt sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gegenüber Mogherini zur Zwei-Staaten-Lösung – mit

156 Ari Shavit: Netanyahu’s government is on a flight to nowhere, in „Haaretz“ 22.05.2015.

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einem demilitarisierten Staat, der Israel als jüdischen Staat anerkenne. Ihm gegenüber soll die Außenbeauftragte betont haben, dass die Kennzeichnung von Produkten gemäß der EU- Richtlinie vom 28. Juni 2013 aus den besetzten Gebieten nicht mehr gestoppt werden könne. Die Regierung in Jerusalem bestreitet eine solche Aussage.

Am selben Tag verlangt die stellvertretende Außenministerin Tsipi Hotovely („Likud“) von ihren Mitarbeitern in aller Welt, dass sie sich in ihren öffentlich Äußerungen zum jüdischen Recht auf das ganze Land Israel bekennen, nachdem bisher das Argument der nationalen Sicherheit im Vordergrund gestanden habe. Dazu verweist die religiös nicht auffällige Hotovely auf einen Kommentar des führenden Bibel- und Talmudkenners Solomon Ben-Isaac (Rashi, 1040 – 1105): „Rashi sagt, dass die Thora mit der Geschichte der Schaffung der Welt beginnt, so dass, wenn die Völker der Welt zu uns kommen und uns sagen, wir seien Besatzer, ihr antworten müsst, dass das ganze Land dem Schöpfer der Welt gehört, und wenn er das gewollt hat, es ihnen nahm und uns gab.“ Bei der Ansprache anwesende Diplomaten, heißt es in einem Bericht, hätten sich irritiert gezeigt, dass Hotovely einen Thora-Kommentar benutzt habe, um Israels öffentliche Diplomatie zu fördern 157 .

Am 26. Mai berichtet „Haaretz“, dass Netanjahu bei seinem Treffen mit Mogherini mögliche Grenzziehungen der jüdischen Siedlungen in der Westbank angesprochen habe. Er, heißt es in dem Bericht weiter, sei sehr über die Kennzeichnung von Produkten aus den Siedlungen auf dem europäischen Markt besorgt sowie über den französischen Vorstoß, im UN- Sicherheitsrat Prinzipien für die Lösung des Konflikts mit den

157 Barak Ravid: Quoting medieval Talmud scholar, deputy FM tells Israeli diplomats: This is our land, in „Haaretz“ 11.05.2015.

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Palästinensern einzubringen. Statt die internationale Formel von den zwei Staaten zu wiederholen, habe Mogherini die israelische Wortwahl „zwei Staaten für zwei Völker“ verwendet. Gleichwohl habe sie darauf bestanden, dass die israelische Politik Schritte vorweise, welche diese Wortwahl rechtfertige 158 . Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erakat weist die Vorstellung Netanjahus zurück, die Grenzziehung in den drei Siedlungsblöcken ins Gespräch zu bringen, als Versuch der Legitimierung der Siedlungen insgesamt zurück. Ebenfalls am 26. Mai ernennt Netanjahu den Rechtsaußen seiner „Likud“- Partei Ze’ev Elkin zum Beauftragten für Jerusalem- Angelegenheiten, wozu Elkin die Beauftragung für strategische Angelegenheiten an Gil’ad Erdan abgeben muss 159 . Mit Elkins Bevollmächtigung wird noch einmal klar, dass an eine Friedensvereinbarung, in der für Jerusalem eine politische Regelung zwingend ist, nicht zu denken ist.

Von Seiten der israelischen Regierung wird ein Programm aufgelegt, wonach Palästinenser bei Rückkehr in die Westbank denselben Checkpoint benutzen müssen, dabei aber keine israelischen Busse benutzen dürfen. Am 20. Mai wird die Direktive wieder zurückgenommen. Staatspräsident Reuven Rivlin begrüßt die Entscheidung, um fortzufahren: „Unsere Souveränität verpflichtet uns, unsere Fähigkeit unter Beweis zu stellen, dass wir Seite an Seite leben können“. In einer Stellungnahme zeigt sich Oppositionsführer Yitzhak Herzog (Arbeitspartei) besorgt über das Image, dass eine Trennung von Juden und Arabern international beschädigen würde. Die Vorsitzende der linksbürgerlichen Partei „Meretz (Energie)“ Zahava Gal’on fürchtet um die israelische Demokratie. In einem Kommentar erinnert Yossi Verter daran, mit

158 Barak Ravid: Netanyahu proposes talks on borders of settlement blocs, in „Haaretz“26.05.2015.

159 Vgl. die Eintragung am 14.05.2015 in dieser Zeitleiste.

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ihrer Initiative habe die Regierung vergessen, dass im Weißen Haus ein Präsident sitze, bei dem die Trennung von Schwarzen und Weißen in der amerikanischen Geschichte ungute Gefühle wecke 160 .

18.05.2015: Syrische Einheiten vertreiben Kämpfer des „Islamischen Staates“ aus den antiken Tempelanlagen in Palmyra. Dagegen ist es ihm gelingen, die irakische Provinzhauptstadt Ramadi einzunehmen. Am 01. Mai erobert der „Islamische Staat“ den Ort zurück. Inzwischen soll über die Hälfte des syrischen Staatsgebiets unter seiner Kontrolle haben.

17.05.2015: Im Rahmen der Heiligsprechung zweier aus Palästina gebürtiger Nonnen bezeichnet Papst Franziskus den palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas als „Friedensengel“ . Damit löst er in Israel Kritik aus. Am 13. Mai hatte der Vatikan Palästina als Staat anerkannt, mit dem er einen Vertrag über die katholische Arbeit in den palästinensischen Gebieten abschließen wolle.

16.05.2015: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mahnt im jordanischen Flüchtlingslager Zaatari, in dem 80.000 der in Jordanien gestrandeten Flüchtlinge aus Syrien leben, ein gerechtes Quotensystem für die Aufnahme der Flüchtlinge in Europa an. Sein jordanischer Amtskollege beklagt anschließend die Tatenlosigkeit Europas, die hinter der Rhetorik zurückbleibe. In Amman verlangt Steinmeier anschließend mit König Abdullah II. die Wiederbelebung

160 Yossi Verter: For Bibi, it’s time to take revenge on the media, in „Haaretz“ 23.05.2015.

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der israelisch-palästinensischen Verhandlungen mit dem Ziel der Zwei-Staaten-Lösung.

Ein Kairoer Gericht verhängt den im Juni 2013 gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi die Todesstrafe. Ihm wird die Beteiligung an einem Gefängnisausbruch und die Weitergabe von Staatsgeheimnissen an die palästinensische „Hamas“ und der libanesischen „Hisbollah“ zur Last belegt. Zur Abschreckung werden am 17. Mai 6 Muslimbrüder in Kairo gehenkt. Die USA zeigen sich über das Urteil gegen Mursi „tief beunruhigt“. Bündnis 90/Die Grünen und die LINKE fordern eine Überprüfung der Einladung an den ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah Al-Sisi, der für Anfang Juni in Berlin angekündigt ist. In Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE erklärt das Bundesinnenministerium, dass es an einer Zusammenarbeit deutscher und ägyptischer Sicherheitsdienste bei der Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus festhalten werde. Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrt auf dem Empfang Al- Sisis, während Bundestagespräsident Norbert Lammert, ebenfalls CDU, die Begegnung mit ihm absagt. In der Antwort wird eingeräumt, dass seit dem Machtantritt von Al-Sisi „Hunderte von Todesopfern und zahlreiche Verhaftungen“ vorgekommen seien. Nach Angaben von Menschenrechtlern sind allein in diesem Jahr 15 Todesurteile vollstreckt worden. Ein geplantes Anti-Terror-Gesetz soll die Liste der Tatbestände erweitern, um lebenslange Haftstrafen und Todesurteile verhängen zu können. Außerdem sollen Rechtsmittel gegen Urteile eingeschränkt und Sondergerichte eingeführt werden. Da seit Juni 2012 das Parlament aufgelöst ist, regiert Al-Sisi mit dem Erlass von Gesetzen, die im Amtsblatt verkündet werden.

15.05.2015: In einem Gastbeitrag für die „International New York Times“ gibt der israelische Vorsitzende der „Genfer Initiative“ Yossi Beilin die Zwei-Staaten-Lösung auf, weil „unsere beiden Völker zu eng www.reiner-bernstein.de 150 – Chronologie 2015

beieinander, um für immer völlig getrennt zu leben“. Als Ausweg bringt Beilin „die Idee einer israelisch- palästinensischen Konföderation“ ins Spiel, ohne sich zu deren verfassungsrechtlichen Ausgestaltung näher zu äußern 161 . Im Interview bezieht sich die stellvertretende Außenministerin Tsipi Hotovely auf Beilins Erkenntnis, dass sich die Zwei-Staaten- Lösung erledigt hat 162 .

In einer Erklärung aus Anlass der Erinnerung an die Katastrophe („Nakba“) der Flucht und Vertreibung von rund 750.000 Arabern 1947/49 aus dem entstehenden Staat Israel stellt der palästinensische Präsident Machmud Abbas drei Vorbedingungen für die Wiederaufnahme von Gesprächen mit Israel: Einfrieren der Siedlungstätigkeit in der Westbank, Freilassung der palästinensischen Gefangenen vor den Osloer Vereinbarungen; Wiederaufnahme der Verhandlungen binnen eines Jahres mit dem Ziel einer Zeittafel zur Beendigung der Besatzung bis 2017.

„Haaretz“ sind Dokumente aus dem Militär zugespielt worden, wonach die Ausbildung von Kommandeuren im Jahr 2014 stark von ultraorthodoxen Organisationen geschieht. Die Beteiligung von Rabbinerinnen an solchen Kursen entspreche nicht dem „Weltbild“, heißt es auf Nachfrage 163 .

161 Yossi Beilin: Confederation Is the Key to Mideast Peace, in „International New York Times“ 14.05.2015. Dazu Judith & Reiner Bernstein: „Kein Spiel mit Unbekannten. Israel und Palästina als Überforderung der westlichen Diplomatie?“ München 2015, Kap. XI & XII.

162 Nir Guntadj: „Ich schüttele die Hand ausländischer Diplomaten, da ich keine Angst vor Zuneigung habe“ (Interview), in „Haaretz““ 28.05.2015 (Hebr.).

163 Or Kashti: Religious groups increase say over Israeli army’s educational efforts, in „Haaretz“ 15.05.2015.

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14.05.2015: Am Abend wird die 34. israelische Regierung vereidigt: Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident; Benjamin Netanjahu, Außenminister; Moshe Ya’alon, Verteidigungsminister; Naftali Bennett, Erziehungsminister („Das jüdische Haus“); Ayelet Shaked, Justizministerin („Das jüdische Haus“); Moshe Kachlon, Wirtschaftsminister („Kulanu“); , Minister für Energie und Kommunikation („Likud“); , Minister für Transport und Geheimdienste („Likud“) – er gilt in seiner Partei als der starke Mann; Silvan Shalom, Innenminister und stellv. Ministerpräsident („Likud“) – der erklärte Gegner der Zwei-Staaten-Lösung soll in der Nachfolge der früheren Justizministerin Tsipi Livni für künftige Verhandlungen mit den Palästinensern verantwortlich sein 164 ; Uri Ariel, Landwirtschaftsminister („Das jüdische Haus“); Avi Gabai, Minister für Umweltschutz („Das jüdische Haus“); Arye Deri, Minister für Wirtschaft sowie die regionale Entwicklung in Galiläa und im Negev („Shas“); David Azoulay, Minister für religiöse Angelegenheiten („Shas“); , Bauminister („Kulanu“); Chaim Katz, Minister für Wohlfahrt und Sozialwesen („Likud“); Miri Regev, Ministerin für Kultur und Sport („Likud“); Danny Danon, Minister für Wissenschaft und Raumfahrt („Likud“); , Minister für Tourismus und Innere Sicherheit („Likud“); Ze’ev Elkin, Minister für Strategische Angelegenheiten („Likud“); , Ministerin für Gleichberechtigung der Geschlechter, Senioren und Minderheiten („Likud“); Yitzhak Cohen, stellv. Wirtschaftsminister („Shas“); Meshulam Nehri, stellv. Erziehungsminister („Shas“); Tsipi Hotovely, stellv. Außenministerin („Likud“); Eli Ben-Dahan, stellv. Verteidigungsminister („Das jüdische Haus“); Ya’acov Litzmann, stellv. Gesundheitsminister („“); Ayoub Kara („Likud“), stellv. Minister für regionale Entwicklung sowie für die

164 Die Palästinensische Autonomiebehörde weist am 19. Mai neue Gespräche mit der israelischen Regierung als sinnlos zurück, solange diese den Rückzug auf die Linien von 1967 und die Schaffung eines souveränen Staates Palästina ablehne.

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Entwicklung der Gemeinschaften der Drusen und Tscherkessen; , Minister ohne Geschäftsbereich („Likud“); Ofir Akuni, Minister ohne Geschäftsbereich („Likud“). Der Netanjahu tief ergebene Gil’ad Erdan, bisheriger Innenminister, geht leer aus. Tsachi Hanegbi („Likud“), der sich ebenfalls Hoffnungen auf ein Ministeramt machte und mit dem Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss der Knesset vorliebnehmen muss, gibt der Regierung keine lange Lebensdauer, wenn sie keine weiteren Koalitionspartner finde. Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein warnt zuvor in einem Brief an das Amt des Ministerpräsidenten vor der Ernennung Deris und Galant, weil diese wegen Korruption und persönlicher Vorteilsnahme verurteilt wurden.

Die Sitzung der Knesset beginnt mit zweistündiger Verspätung, weil Netanjahu in Einzelgesprächen Abgeordneten seiner Partei erklären musste, warum sie nicht mit ihrer Ernennung rechnen könnten. In der Debatte bietet Netanjahu Oppositionsführer Yitzhak Herzog (Arbeitspartei) das Außenministerium an, was dieser in scharfen Worten zurückweist: „Kein anständiger Führer wird sich dem Netanjahu-Zirkus anschließen.“ Der Ministerpräsident sei für die internationale Isolierung Israels verantwortlich, beschädige die Beziehungen zu den Minderheiten und zum Obersten Gerichtshof, greife nach der Pressefreiheit und lasse die Verhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde scheitern, auch wenn diese selbst Fehler begangen habe. In seinem Kommentar warnt Rogel Alpher davor, von Herzog als Außenminister die Auflösung einer einzigen Siedlung zu erwarten, werde bitter enttäuscht werden 165 . Statt sich dem üblichen Gruppenfoto mit der neuen Regierung zu stellen, zieht es Staatspräsident Reuven Rivlin vor, frühzeitig das Parlament zu verlassen.

165 Rogel Alpher: Only the people of Europe can save Israel, in „Haaretz” 17.05.2015.

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Nehemia Shtrasler schreibt: „Die enge Mehrheit [der Regierung mit 61 der 120 Abgeordneten], die fehlende Leidenschaft, eigenartige Ernennungen und enorme Summen für die Koalitionsparteien bei gleichzeitiger Untergrabung der Prinzipien von Gleichheit, Arbeit und Militärdienst lassen die Regierung besonders schlecht aussehen. Sie ist so schlecht, dass man schwer entscheiden kann, mit welcher Ungerechtigkeit man beginnen soll.“ Anschließend rechnet Shtrasler vor, dass sich die Koalitionsparteien aus dem Staatshaushalt mit nicht weniger als 8 Milliarden Shekel (knapp 2 Milliarden Euro) bedient haben: für die Siedler, für Schulen und (Kinder-)Tagesstätten der Ultraorthodoxen – obwohl diese nach wie vor Englisch, Mathematik und andere wissenschaftliche Fächer nicht unterrichten, so dass die Abgänger für den Arbeitsmarkt ungeeignet sind – und für die Universität Ariel in der Westbank 166 . In einer ersten Reaktion zeigt sich US-Präsident Barack Obama von seinem Landsitz Camp David aus über die Ernennung einiger Minister, welche die Zwei- Staaten-Lösung ablehnen, erstaunt. In seinem Kommentar schreibt Peter Münch: „In Netanjahus Kabinett dominieren die Siedlerfreunde und entschiedenen Gegner eines Palästinenserstaates. Worüber also sollten John Kerry oder Frank-Walter Steinmeier noch reden in Jerusalem 167 ?“

Am 25. Mai wird der „Likud“-Abgeordnete Gil’ad Erdan in der Knesset als Minister für öffentliche Sicherheit, strategische Angelegenheiten und öffentliche Diplomatie vereidigt.

Ari Shavit berichtet aus Gesprächen mit jüdischen Studenten an 27 US-amerikanischen Universitäten, die sich in der Auseinandersetzung mit den immer stärker werdenden BDS- Kampagnen von der jüdischen Führung und von der israelischen

166 Nehemia Shtrasler: Cheating secular Israelis in 8 billion ways, in „Haaretz“ 14.05.2015.

167 Peter Münch: Nein zur Welt, in SZ 16./17.05.2015, S. 4.

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Politik alleingelassen fühlen. Israels Schicksal, so Shavit, werde nicht nur an Israels südlicher und nördlicher Grenze entschieden, sondern auch an den amerikanischen Universitäten 168 .

„Haaretz“ berichtet über Auseinandersetzungen in der vergangenen Woche beim traditionellen „Französisch-Israelischen Dialog“, der diesmal in Jerusalem stattfindet, über den Pariser Vorstoß, beim UN- Sicherheitsrat eine Resolution zu den israelisch-palästinensischen Beziehungen einzubringen. Die israelische Regierung habe kritisiert, dass dieser Vorstoß hinter ihrem Rücken erfolgt sei169 .

Aus Anlass der Verleihung des Internationalen Karlspreises an den Präsidenten des Europa-Parlaments Martin Schulz in Aachen erinnert Jordaniens König Abdullah II. die Europäer an ihre politische Verantwortung für den Nahen Osten, was in ihrem eigenen Interesse liege, im Kampf gegen den Terrorismus und den Islamismus im Gewand von „Al-Qaida“ und „ISIS“. Außerdem beklagt der König die Fortdauer der israelischen Besatzungspolitik

13.05.2015: Die Knesset verabschiedet mit den Stimmen der Koalitionsparteien eine Änderung des Grundrechts „Die Knesset“ und lässt die Erhöhung der Zahl der Minister von bisher 18 zu. Es gibt 12 Anwärter aus dem Kreis der „Likud“-Abgeordneten, die sich um die Aufnahme in die neue Regierung bewerben. Es wird erwartet, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu stellvertretende Minister und Minister ohne Geschäftsbereich aufnimmt, während andere Bewerber mit führenden Positionen in den Ausschüssen des

168 Ari Shavit: Israel has abandoned young U.S. Jews in fight against BDS, in „Haaretz“ 14.05.2015.

169 Barak Ravid: Strategic talks between Israel, France deteriorate into serious dispute, in „Haaretz“ 14.05.2015. Vgl. die Eintragung am 28.04.2015 in dieser Zeitleiste.

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Parlaments oder mit interessanten diplomatischen Posten abgefunden werden.

Das israelische Internet-Portal „+972“ fasst den Brief von europäischen Spitzendiplomaten, die in der „European Eminent Persons Group (EEPG)“ zusammenarbeiten, vom 11. Mai an die EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini zusammen: „Das Osloer Rahmenwerk für den Frieden ist Vergangenheit, Netanjahu hinsichtlich der Zwei-Staaten- Lösung unaufrichtig, die Europäer verlängern nur die Okkupation durch die Finanzierung der Palästinensischen Autonomiebehörde, und die Vereinigten Staaten sind nie ein objektiver Friedensmakler gewesen 170 .“ In dem Schreiben an Mogherini verlangen die Diplomaten nach der Wiederwahl von Benjamin Netanjahu von der Europäischen Union dringend eine kohärente und effektive Politik zur Palästina-Frage. Wenn die Option einer Zwei-Staaten-Lösung Bestand haben solle, müsse unter anderen darauf hingewirkt werden, dass

– der innerpalästinensische Prozess der Aussöhnung ermutigt werde,

– beide Seiten die internationalen Menschenrechte und die humanitären Normen achten,

– auf das Ende der Siedlungsausweitung und auf die Einbeziehung der gegenwärtigen Siedlungen in die Verhandlungen um den Endstatus hingewirkt wird,

170 Michael Schaeffer Omer-Man: European Leaders: Find ways to hold Israel accountable for occupation, in „+972” 13.03.2015.

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– auf vollen und gleichen Rechten aller Bürger im Staat Israel ungeachtet ihres ethnischen Hintergrunds geachtet werde und

– den EU-„Guidelines“ vom Juni 2013 zur korrekten Kennzeichnung der Produkte aus den Siedlungen Geltung verschafft werde.

Unterschrieben ist der Brief von Hubert Védrine (Pariser Außenminister 1997 – 2002), Wolfgang Ischinger (deutscher Botschafter in Washington und gegenwärtiger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz), Jeremy Greenstock (britischer Botschafter bei den Vereinten Nationen 1998 – 2003), Andreas van Agt (Ministerpräsident der Niederlande 1977 – 1982), Frans Andriessen (Vizepräsident der Europäischen Kommission 1985 bis 1993), Laurens Jan Brinkhorst (stellvertretender Ministerpräsident der Niederlande 2005 – 2006), Roland Dumas (französischer Außenminister 1988 – 1993), Benita Ferrera- Waldner (EU-Außenbeauftragte 2004 – 2009), Elisabeth Guigou (französische Ministerin für europäische Angelegenheiten 1997 bis 2000), Lena Hjelm-Wallén (schwedische Außenministerin 1994 – 1998), Miguel Moratinos (spanischer EU- Sonderbeauftragter für den nahöstlichen Friedensprozess 1996 bis 2003 und Außenminister 2004 – 2010), Teresa Patricio de Gouvela (portugiesische Außenministerin 2003 – 2004), Ruprecht Polenz (Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages 2005 – 2013), Mary Robinson (irische Präsidentin 1990 – 1997 und UN-Kommissarin für Menschenrechte 1997 – 2002), Michel Rocard (französischer Ministerpräsident 1988 – 1991), Javier Solana (NATO- Generalsekretär 1995 – 1999 und EU-Außen- und Sicherheitsbeauftragter 1995 – 1999) sowie Peter Sutherland www.reiner-bernstein.de 157 – Chronologie 2015

(EU-Wettbewerbskommissar 1985 – 1989 und Generaldirektor der Welthandelsorganisation 1993 – 1995) 171 .

12.05.2015: In einem Interview zeigt sich US-Präsident Barack Obama besorgt über die Realisierungschancen der Zwei-Staaten-Lösung.

In einem Interview mit der von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Zeitschrift „Internationale Politik und Gesellschaft“ führt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier aus, dass Deutschland und Israel Partner seien, „die gleiche Werte teilen und in Wirtschaft und Wissenschaft aufs Engste zusammenarbeiten“ . „Die einzigartige Beziehung, die uns heute mit Israel verbindet, ist überhaupt nur denkbar, weil Deutschland Verantwortung nicht nur für die Verbrechen des Holocaust, sondern auch für die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel übernommen hat.“ Zum Thema „Zwei-Staaten- Lösung“ brauche es von Seiten Israels „Mut zum Kompromiss“ . Steinmeier plädiert dafür, abzuwarten, „wie sich die neue israelische Regierung positioniert“ 172 .

11.05.2015: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen nimmt in Tel Aviv mit ihrem Amtskollegen Moshe Ya’alon an der Unterzeichnung eines Vertrages über die deutsche Lieferung von 4 raketengestützten Booten für die israelische Marine zum Schutz der Erdgasbohrungen im internationalen Gewässer des Mittelmeeres teil. Die Lieferung zu

171 Vgl. die Eintragung am 13.04.2015 in dieser Zeitleiste.

172 „Es grenzt an ein Wunder. “Frank-Walter Steinmeier über 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen und den Sinn des Tanzens, in „Internationale Politik und Gesellschaft“.

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einem vergünstigten Stückpreis soll den Wert von 430 Millionen Euro haben. Es bleibe für Deutschland „sehr wichtig, Israels Verteidigungsfähigkeit zu stärken“ , so von der Leyen.

Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ betont der israelische Schriftsteller David Grossman , „dass Deutschland nicht dafür verantwortlich ist, dass Israel Kriege führt. Aber Deutschland ist verantwortlich dafür, dass Israel nicht in der Lage ist, Frieden zu schließen 173 .“

Israels Oberstes Gericht weist „mit schwerem Herzen“ die Klage von zwei Menschenrechtsgruppen zurück, welche den gewöhnlich von Tausenden Israelis durch die Jerusalemer Altstadt am „Jerusalem- Tag“, der diesmal auf den 17. Mai – beginnend am Vorabend, bei Ausgang des Shabbat – fällt, untersagen lassen wollten. Die Präsidentin des Gerichts Miriam Naor verlangt, dass Rufe wie „Tod den Arabern“ nicht den Anspruch auf Meinungsfreiheit erfüllen und dass ihre Täter sofort festgenommen werden. Am 17. Mai kommt es in Jerusalem zu schweren Zusammenstößen von ultraorthodoxen und ultra-nationalistischen Juden und aufgebrachten Palästinensern mit der Polizei. Rufe wie „Tod den Arabern“ und „Mohamed ist tot“ sind zu hören. In der Altstadt schließen im Moslemischen Viertel die Händler ihre Läden aus Angst vor Verwüstungen. Die Straßenbahn, die West- und Ost-Jerusalem verbindet, befährt nur einige Strecken.

Die Niederlande wollen die Richtlinien für Pensionszahlungen für Opfer der „Shoah“ überarbeiten, die heute in den palästinensischen Gebieten leben. Anlass der Erstentscheidung war die Klage einer 90 Jahre alten Niederländerin, die bei ihrem Sohn in einer Siedlung nahe von Modiin wohnt. Ihre Pension war um 35 Prozent gekürzt worden. Inzwischen wird der Frau die Pension erneut aufgezahlt.

173 Carsten Hueck: Die Wunde und die Freiheit (Interview mit David Grossman), in SZ 11.05.2015, S. 12.

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In Teheran ist die geplante Ausstellung mit Karikaturen abgesagt worden, in der die „Shoah“ ins Lächerliche gezogen werden sollte.

09./10.05.2015: Im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ spricht sich Israel Staatspräsident Reuven Rivlin, der am 11. Mai zu einem dreitätigen Staatsbesuch in Berlin eintrifft, gegen die Zwei-Staaten-Lösung und für eine nicht näher ausgeführte Föderation mit den Palästinensern aus. Es sei „fast unmöglich, darauf zwei Staaten zu bilden, die sich bedrohen könnten“ . Er, Rivlin, wisse, dass die Palästinenser auf einem „richtigen Staat“ bestehen, doch leider sei sein Freund Machmud Abbas nicht in der Lage, sein Volk zur Anerkennung der Existenz des jüdischen Staates zu bewegen. Gleichwohl glaube er, „dass es unser Schicksal ist, zusammenzuleben… Wenn die Menschen sehen, dass Israelis und Araber (sic!) in Israel zusammenleben, dann können sie vielleicht auch in Palästina zusammenleben und danach vielleicht im Nahen Osten 174 .“ Gegenüber der Bundesregierung wiederholt Rivlin am 12. Mai seine Ablehnung zweier Staaten. Bundespräsident Joachim Gauck bedauert gegenüber seinem Gast, dass die israelisch- palästinensischen Verhandlungen „ausgesetzt“ seien. Nur mit den USA und mit Israel, in dem noch fast 200.000 Überlebende des „Shoah“ wohnen, verbindet die Bundesrepublik „besondere Beziehungen“.

174 Peter Münch: „Wir müssen einen Weg finden zusammenzuleben“ (Interview mit Reuven Rivlin), in SZ 09./10.05.2015, S. 2.

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08.05.2015: In einer ganzseitigen Anzeige in „Haaretz“ warnen mit einem dramatischen Appell mehr als 700 israelische Staatsbürger – Wissenschaftler, Intellektuelle und Künstler – davor, die Besetzung der palästinensischen Gebiete über das 50. Jahr hinaus, also über 2017, fortzusetzen, und verlangen eine Intervention der internationalen Staatengemeinschaft:

„Do not Let the Occupation Turn 50!

In two years Israel's military occupation of the territories it captured in 1967 will be 50 years old. Out of deep concern for our country's physical survival and moral integrity, we the undersigned, citizens of Israel, call to end the occupation before it reaches the half-century mark. To achieve this urgent goal, we call on the international community and the 15 members of the UN Security Council:

1. To support the Palestinian Authority's appeal to the UN and immediately recognize the State of Palestine and accept it as a full member.

2.To impose an economic and cultural boycott on the settlement enterprise in the territories Israel occupied in June 1967.

We invite other citizens to join us: the greater our numbers the louder the Israeli voice in favour of stopping the current deterioration before it is too late.

07.05.2015: Benjamin Netanjahu stellt Staatspräsident Reuven Rivlin seine 61 Abgeordnete umfassende Koalition aus „Likud“, „United Torah www.reiner-bernstein.de 161 – Chronologie 2015

Judaism“ sowie der Parteien „Wir alle“ und der „Sefardischen Thorawächter (Shas)“ vor, ohne die Verteilung der Ministerien zu benennen. Bekannt ist, dass er auch das Außenministerium kommissarisch leiten will in der Hoffnung, dass er den Vorsitzenden der Arbeitspartei Yizhak Herzog zum Eintritt in die Regierung bewegen kann – ohne Tsipi Livni. Herzog selbst lehnt jede Beteiligung an der Regierung unter Führung Netanjahus ab. Außerdem soll die 39 Jahre alte Ayelet Shaked („Likud“) Justizministerin – „die legendäre ‚Gott-sei-bei-Uns‘ Bibis und Saras“ (Yossi Verter) – werden mit Sitz in der Ost-Jerusalemer Salah A-Din- Straße. Von einigen Parlamentariern und von vielen Kommentatoren werden ihr die rechtsstaatliche Eignung abgesprochen. Es wird erwartet, dass zu den ersten Maßnahmen ein Gesetzentwurf gehören wird, der NGO’s zum Nachweis ihrer Spenden von auswärtigen Regierungen zwingen soll, die israelische Menschenrechtsverletzungen kritisieren. Außerdem soll am 11. Mai über die Änderung des Grundgesetzes „Die Knesset“ entschieden werden, so dass die Zahl der bislang vorgeschriebenen 18 Minister erhöht werden kann. Anlass der Initiative ist die Unzufriedenheit mancher „Likud“-Abgeordneter, kein Ministerium zugeteilt zu bekommen. Am 13. Mai soll die 34. Regierung vereidigt werden. Schon am 08. Mai schrieb Shmuel Rosner in der „International New York Times“, dass nach einer Umfrage nur 7 Prozent der Israelis sich als „links“ einstufen. Von rechts werde ihnen vorgeworfen, dass sie Israels Image in aller Welt „beschmutzen“ und dass sie ihr Land „säkularisieren“ , damit es nicht länger „eine jüdische Seele“ habe 175 .

Nach einer Mitteilung von „Peace Now“ hat der Jerusalemer Bezirksplanungsausschuss den Bau von weiteren 900 Wohneinheiten vor allem für ultraorthodoxe Juden in Ramat Slomo

175 Shmuel Rosner: Israel’s churlish coalition, in „The International New York Times” 08.05.2015, S. 13.

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genehmigt. Der Sprecher des „US State Department“ äußert sich „enttäuscht“ und „besorgt“ .

02.05.2015: Im „Spiegel‘“ lässt sich der frühere deutsche Botschafter in Israel Rudolf Dressler mit der Einschätzung zitieren, dass die „Lage [gemeint sind die deutsch-israelischen Beziehungen] ziemlich hoffnungslos“ sei. Dressler verlange gegenüber der israelischen Siedlungspolitik deutsche Konsequenzen, „eine klare Sprache“; man habe schon zu lange gewartet. Ähnlich kritisch äußern sich der stellvertretende SPD- Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europa-Parlament Elmar Brok (CDU). Der in Jerusalem lebende Publizist und Historiker Tom Segev verlangt von Bundeskanzlerin Angela Merkel „mehr Druck…, um etwa den Siedlungsbau zu beeinflussen“ . Die größten Bremser würden in Berlin sitzen, zitieren die Autoren einen EU-Diplomaten. Im Mai 2014 habe Merkels außenpolitischer Sicherheitsberater Christoph Heusgen dem nationalen Sicherheitsberater Israels Yossi Cohen mitgeteilt, dass ein Preisnachlass für die Lieferung von vier Korvetten im Bundestag keine Mehrheit finden werde, doch habe er sich bei Merkel damit nicht durchsetzen können 176 .

Tausende Einwanderer aus Äthiopien protestieren in Tel Aviv gegen ihre Diskriminierung, nach ein äthiopischer Polizist von Sicherheitskräften zusammengeschlagen wurde. Staatspräsident Reuven Rivlin entschuldigt sich bei den Einwanderern, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verspricht eine Untersuchung.

176 Nicola Abé, Christiane Hoffmann, Horand Knaub, René Pflster, Christoph Schult: Der schwierige Freund“, in „Der Spiegel“ 02.05.2015, S. 36-38.

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Bei seinem Besuch in Israel und in den palästinensischen Gebieten drängt der frühere US-Präsident Jimmy Carter in Ramallah Machmud Abbas dazu, möglichst umgehend Wahlen anzuberaumen. Die letzten Wahlen fanden im Januar 2006 statt.

April 2015

29.04.2015: Moshe Kahlon, Vorsitzender der Partei „Wir alle (Kulanu)“, stimmt dem Koalitionsvertrag unter Führung von Benjamin Netanjahu zu mit Ausnahme einer Begrenzung der Kompetenzen des Obersten Gerichtshofs. In der neuen Regierung übernimmt er das Finanzministerium. In einem Kommentar heißt es, dass von Kahlon keine neuen Initiativen zugunsten einer Regelung mit den Palästinensern ausgehen werden. Sein Interesse gelte der Innen- und Sozialpolitik 177 . So sollen die geplanten Beihilfen für Senioren und für Kinder mehr als 1,6 Milliarden US-Dollar kosten. A, 04. Mai unterzeichnet die Partei der „Sefardischen Thorawächter (Shas)“ den Koalitionsvertrag. Ihr Vorsitzender Arye Deri übernimmt das Wirtschaftsministerium. Die bisherigen Koalitionsabsprachen sehen erstmals keine Aussagen zum Verhältnis gegenüber den Palästinensern vor. Netanjahu muss bis zum 07. Mai um 12 Uhr dem Präsidenten Reuven Rivlin mitteilen, dass sich seine Regierung auf mindestens 61 der 120 Abgeordneten stützen kann.

Die US-Administration fordert die französische Regierung auf, den palästinensischen Antrag auf UN-Mitgliedschaft nicht zu unterstützen, weil er die Zustimmung des US-Senats zur Übereinkunft mit dem Iran belasten würde.

177 Zvi Bar’el: Kahlon bestätigt Schweden, in „Haaretz“ 29.04.2015, S. 2 (Hebr.).

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28.04.2015: Die gegenwärtige Präsidentin des Obersten Gerichts Miriam Naor und ihre Amtsvorgänger Aharon Barak und Asher Grunis sowie Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein warnen Benjamin Netanjahu davor, durch zwei neue Gesetze als Teil des bevorstehenden Koalitionsregierung das Gericht durch die Besetzung mit Politikern zu schwächen. Nach den Worten Naors sei das Gericht „die letzte Barriere gegen die Verletzung der menschlichen Würde und anderer grundlegender Rechte in unserem demokratischen System" .

In Tel Aviv versammeln sich mehr als 3.000 Staatsbürger arabischer Volkszugehörigkeit aus allen Teilen des Landes unter palästinensischen Fahnen im Protest gegen die Zerstörung ihrer Häuser und gegen ihre Wohnungsnot. Ihre Botschaft ist eindeutig: „Keine Ruhe und kein Frieden für die Juden ohne Ruhe und Frieden für die Araber 178 .“ Am 07. Mai warnt ein Abgeordneter der vorwiegend „Arabischen Liste“ vor dem Abriss von 50.000 arabischen Häusern, deren Platz für den Wohnungsbau für jüdische Staatsbürger vorgesehen sein soll.

Nach Angaben einer unabhängigen Einrichtung bemühen sich immer mehr palästinensische Schüler in Ost-Jerusalem um das israelische Abitur. Während es 2013 noch 1.392 gewesen seien, sei ihre Zahl im Folgejahr auf 1.934 gestiegen.

Der 79 Jahre alte saudische König Salman Al-Saudi regelt die Nachfolge im Falle seines Todes zugunsten der Sudairi-Familie grundlegend neu. So steigt Prinz Mohamed Bin-Nayef, der bisher für

178 Jack Khoury: Aufstand gegen die Wohnungsnot der Araber Israels, in „Haaretz“ 29.04.2015, S. 1 + 3 (Hebr.).

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die Abwehr des Terrorismus zuständig ist, zum Kronprinzen auf und verdrängt seinen Halbbruder Prinz Muqrin Bin-Abdel Azizs.

27.04.2015: Nachdem die US-Regierung die Lieferung von neuen Kampfflugzeugen an Israel im kommenden Jahr zugesagt hat, droht sie damit, dass sie die Mitgliedschaft Palästinas bei den Vereinten Nationen unterstützen werde, sollte die Regierung in Jerusalem die Zwei-Staaten-Lösung weiterhin torpedieren. In der Wochenend- Beilage der „Jerusalem Post“ erinnert Sarah Honig an einen Gefühlsausbruch des damaligen Ministerpräsidenten Menachem Begin, als Washington 1982 Israel mit dem Stopp der Hilfe drohte: „Don’t threaten us with cutting off your aid. It will not work. I am not a Jew with trembling knees. I am a proud Jew with 3,700 years of civilized history. Nobody came to our aid when we were dying in the gas chambers and ovens. Nobody came to our aid, when we were striving to create our country. We paid for it. We fought for it. We died for it. We will stand by our principles. We will defend them. And, when necessary, we will die for then again, with or without your aid 179 .“

Die israelische Regierung genehmigt die Ausschreibung von 77 neuen Wohneinheiten in Ost-Jerusalem.

13.04.2015: 16 der 28 Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft erinnern die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini an die Kennzeichnung von Produkten aus den jüdischen Siedlungen, sofern sie für den europäischen Markt bestimmt sein. Zu den

179 Sarah Honig: Thanks, but ‘no,’ Joe, in „The Jerusalem Post” 01.05.2015, S. 22.

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Unterzeichnern gehören Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich, Schweden, Finnland, Irland, Portugal, Slowenien, Ungarn, Malta und Luxemburg. Nicht unterschrieben haben Deutschland, Griechenland, Estland, Litauen, Lettland, Slowakien, Tschechien, Polen, Zypern, Bulgarien, Rumänien und Kroatien.

10.04.2015: Nach einem Bericht der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London hat das syrische Militär begonnen, gegen die Terroristen des „Islamischen Staates“ im palästinensischen Flüchtlingslager Yarmouk vorzugehen. Ihm sollen sich palästinensische Einheiten angeschlossen haben. Die Zahl der Toten wird mit über 200 angegeben. UN-Generalsekretär Ban ki-Moon befürchtet, dass Yarmouk zu einem „Todeslager“ werde 180 . Der Kommentator von „Haaretz“ fordert die Regierung auf, den von beiden Seiten eingeschlossenen palästinensischen Flüchtlingen zu helfen und dabei mit Präsident Machmud Abbas zusammenzuarbeiten 181 .

Der britische Oppositionsführer Ed Miliband erklärt in einem Gespräch, dass er im Falle des Wahlsieges seiner „Labour Party“ am 07. Mai den Staat Palästina anerkennen wolle, wenn dieser Schritt zur Beruhigung der Lage im Nahen Osten beitragen würde 182 .

08.04.2015:

180 Vgl. die Eintragung am 01.04.2015 und am 06.06.2011 in dieser Zeitleiste.

181 Help Yarmouk’s refugees, in „Haaretz“ 10.04.2015, S. 9.

182 Vgl. die Eintragung am 13.10.2014 in dieser Zeitleiste.

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Qatar bewilligt der Palästinensischen Autonomiebehörde einen Kredit von 100 Millionen US-Dollar für Gehaltszahlungen und die Behebung der Wirtschaftskrise 183 .

07.04.2015: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdo ğan trifft zu seinem Besuch in Teheran ein, wo er von seinem Amtskollegen Hassan Rohani begrüßt wird. Bei den Gesprächen geht es um den Abbau von Spannungen zwischen beiden Ländern, nachdem Erdo ğan verlangt hatte, Iran solle die Unterstützung der „Houthi“-Milizen im Jemen einstellen, während Ankara selbst sich den saudischen Luftangriffen angeschlossen hat, und um vermehrte Gaslieferungen aus dem Iran.

05.04.2015: Aufgrund des Drucks von US-Menschenrechtsgruppen hat „SodaStream“ aus Ma‘ale Adumim, östlich von Jerusalem gelegen, die Herkunftsangabe ihrer Produktion geändert: „Made in the West Bank“.

04.04.2015: Der palästinensische Präsident Machmud Abbas zeigt sich im Interview mit der Zeitung „Arabische Stimme“ bereit, nach der Regierungsbildung in Jerusalem die Verhandlungen mit Israel wiederaufzunehmen. Während Ministerpräsident Benjamin Netanjahu behaupte, keinen Partner in ihm zu haben, könne er – Abbas – es sich nicht aussuchen, mit wem er spreche. Gleichzeitig beschuldigt er „Hamas“, eine Versöhnung mit „Fatah“ aus dem Wege zu gehen.

183 Vgl. die Eintragung am 05.03.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 168 – Chronologie 2015

02.04.2015: Am Abend tragen die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der iranische Außenminister Mohamed Javad Zarif in Lausanne wortgleich die Ergebnisse der „entschiedenen Schritte“ einer Vereinbarung zwischen den fünf UN- Vetomächten und Deutschland vor. Danach – beträgt die Laufzeit der Vereinbarung zwischen 10 und 15 Jahre. in denen es eine strikte Begrenzung und Überwachung des iranischen Nuklearprogramms geben soll; – wird es dem Iran weiter erlaubt, 6.104 der rund 19.000 Zentrifugen zur Uran-Anreicherung zu betreiben. Alle erlaubten Zentrifugen stammen aus der älteren Produktion. 1.000 der jüngeren Zentrifugen werden an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) geliefert. – verpflichtet sich Iran, 15 Jahre lang Uran nicht mehr als bis zu 3,5 Prozent anzureichern und eine weitere Anlage über Natanz hinaus nicht zu bauen. In Natanz gelagertes Material wird unter die Aufsicht der IAEA gestellt; – verpflichtet sich Iran, die meisten Uran-Lager mit gering angereichertem Uran aufzulösen; – wird die unterirdisch liegende Anreicherungsanlage im Reaktor von Fordo in eine Forschungseinrichtung umgewandelt; – wird der Schwerwasser-Reaktor Arak so strukturiert, dass keine Nuklearwaffen produziert werden können; – wird Iran 10 Jahre lang die Forschung und die Entwicklung der fortgeschrittenen Uran-Anreicherung nicht nutzen; – erhält die IEAE freien und regelmäßigen Zugang zu allen Anlagen und Forschungseinrichtungen; – unterschreibt Iran das Protokoll der Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen. www.reiner-bernstein.de 169 – Chronologie 2015

Im Gegenzug heben die USA und die Europäer nach Erfüllung der Vereinbarung alle Sanktionen auf. Der UN-Sicherheitsrat wird zu einer Resolution aufgefordert, welche die früheren 6 Resolutionen ersetzt, in denen die Sanktionen beschlossen wurden und in der über jene Sanktionen entschieden wird, die in Kraft bleiben sollen. Hält sich Iran nicht an die Vereinbarung, greifen die Sanktionen unverzüglich erneut. Die US-Sanktionen zu Terror, Verletzung von Menschenrechten und Raketenprogramm bleiben in Kraft. US-Präsident Barack Obama und Bundesaußenminister Frank- Walter Steinmeier begrüßen die Vereinbarung als einen wichtigen Schritt. Der französische Außenminister Laurent Fabius äußert sich zurückhaltend. Nach einem für ihn enttäuschenden Telefonat mit Obama – die Vereinbarung „gefährdet das Überleben Israels“ – beruft Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für den 04. April sein Sicherheitskabinett ein, das sich nach dreistündigen Beratungen „vereint in der Opposition gegen die Abmachung mit dem Iran“ zeigt. Strategie- und Sicherheitsminister Yuval Steinitz sieht für Israel die militärische Option auf dem Tisch. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ betont Steinmeier am 04. April, dass sich Dauer und Mühen gelohnt haben: „Auch in den schwierigsten Konflikten sind politische Verhandlungslösungen möglich 184 .“ Am selben Tag weist die Sprecherin des „State Department“ die Forderung Netanjahus zurück, Teheran müsse den Staat Israel anerkennen, mit der Bemerkung zurück, die Vereinbarung betreffe nur das iranische Nuklearprogramm. Dabei bleibe es. Am 07. April bezeichnet Obama in einem Interview die israelische Forderung als „fundamentale Fehleinschätzung“, dass Iran Israel anerkenne. Gleichzeitig wiederholt der Präsident, dass die USA Israels engster

184 Frank-Walter Steinmeier: Umfassendere Kontrollen als jemals zuvor, in FAZ 04.04.2015, S. 10.

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Verbündeter sein und bleiben werde. Am 09. April macht der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei seine Unterschrift unter die Genfer Vereinbarung davon abhängig, dass die internationalen Sanktionen gegen Iran aufgehoben werden. Die Warnung steht in Übereinstimmung von der Erklärung von Staatspräsident Hassan Rohani vom Vortag. Kommentatoren sprechen von „Theaterdonner“ beider Seiten, um die innenpolitischen Gegner der Vereinbarung ruhigzustellen.

Im Norden der Sinai-Halbinsel sterben bei Kämpfern 15 Terroristen, 15 ägyptische Soldaten und zwei Zivilisten.

Der Kommandeur des israelischen Zentralkommandos ordnet die Festnahme der palästinensischen Abgeordneten Khalida Farrar aus El-Bireh ohne formellen Grund an. Nach palästinensischen Angaben gehört Farrar zu einem Komitee, das nach Belegen für die Anklage beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sucht. Sie habe nach israelischer Auskunft die Auflage verletzt, sich nur im Distrikt Jericho aufzuhalten.

Die Leitung der Hebräischen Universität beschließt das Verbot der rechtsextremistischen Gruppe „Wenn ihr wollt“ – eine Anspielung an Theodor Herzls zionistischen Aufruf an die Juden in aller Welt – weil sie faschistisch sei. Der Antragsteller Professor Amiram Goldblum begründete seinen Vorstoß damit, dass einst die Hitler-Jugend gegen Juden und Kommunisten aufgetreten ist. Ein Sprecher der Zelle wehrt sich mit der Behauptung, dass „Wenn ihr wollt“ für die „Werte des Zionismus in der israelischen Gesellschaft“ und für die „Freiheit der Wissenschaft“ sowie für die „Liebe zum Land Israel“ eintrete. Wer sie mit den Faschisten vergleiche, verunglimpfe die Opfer der „Shoah“.

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Nach 26 Monate langer Unterbrechung nehmen Tunesien und Syrien die diplomatischen Beziehungen wieder auf.

01.04.2015: Palästina wird förmlich 123. Vollmitglied des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Wann, ob und wozu das Gericht Voruntersuchungen zu israelischen und palästinensischen Verbrechen einleitet, ist nach wie vor unklar 185 . Nach Auffassung von Akiva Eldar unterstützt eine große Mehrheit der israelischen Bevölkerung die Mitgliedschaft Palästinas in den Vereinten Nationen Nach Auffassung von Akiva Eldar unterstützt eine große Mehrheit der israelischen Bevölkerung die Mitgliedschaft Palästinas in den Vereinten Nationen. Eldar ruft Oppositionsführer Isaac (Yitzhak) Herzog auf, dafür initiativ zu werden186 .

Die Bildung der neuen israelischen Regierung mit Benjamin Netanjahu gestaltet sich schwieriger, als von diesem erwartet. Die streng orthodoxe aschkenasische Partei „United Torah Judaism“ verlangt den Vorsitz im Finanzausschuss der Knesset sowie die Stellvertretung im Gesundheits- und Erziehungsministerium. die streng orthodoxe Partei der „Sefardischen Thorawächter“ beansprucht das Innenministerium und die Zuständigkeit für die Raumplanung.

Angehörige der Terrormilizen des „Islamischen Staates“ übernehmen weite Teile des südlich von Damaskus gelegenen palästinensischen Flüchtlingslagers Yarmouk, wobei es zu heftigen Kämpfen mit syrischen Truppenteilen kommt. Von den ehemals 180.000 leben noch 18.000 Menschen in diesem Lager, das 1957 von den

185 Vgl. die Eintragung am 18.01.2015 in dieser Zeitleiste.

186 Akiva Eldar: Will the real Isaac Herzog please stand up?, in „Haaretz” 31.03.2015.

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syrischen Behörden eingerichtet wurde. Am 07. April stellt die Europäische Union 2,75 Millionen US-Dollar für die Behebung der Not in Yarmouk zur Verfügung. Am 08. April berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass Präsident Bashar Assad gegenüber den Terrormilizen des „Islamischen Staates“ immer hilfloser werde und augenscheinlich den Rückhalt in seinem Militär verliere 187 .

März 2015

31.03.2015: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet von der Präsentation der aus der Bundesrepublik stammenden U-Boote vom Typ „Krokodil“ durch die israelische Marine. Sie könnten in tiefe feindliche Gewässer vordringen und raketenbestückt „lange und komplexe Missionen“ über mehrere tausend Kilometer ausführen 188 .

Beim Treffen des Ministerrates in Berlin beschließen die Bundesregierung und die französische Regierung den Bau von Drohnen zur Luftaufklärung, die aber auch bewaffnet werden können, bis 2015. In der Bundesrepublik unterliegen die Pläne der Zustimmung des Bundestages. Mit dem Projekt solle ein Zeichen technischer Kompetenz und der politischen Unabhängigkeit gesetzt werden, erklärt Präsident François Hollande. Israel ist neben den USA weltweit der bedeutendste Hersteller von Drohnen.

187 Markus Bickel: Kontrollverlust an vielen Fronten, in FAZ 08.04.2015, S. 2.

188 Hans-Christian Rößler: Bereit zum Gegenschlag gegen eine Atommacht Iran, in FAZ 31.03.2015, S. 5. Vgl. die Eintragung am 14.12.2014 in dieser Zeitleiste.

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Nach israelischen Medienberichten plant die Regierung den Beginn von Ausweisungen illegal in Israel lebender Eritreer und Sudanesen. Gegenwärtig gibt es 42.000 Menschen aus diesen beiden Ländern.

30.03.2015: In Kuwait-City beginnt eine internationale Geberkonferenz zur Versorgung von 8,9 Millionen Syrern unter Leitung von UN- Generalsekretär Ban Ki-Moon.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder besucht trifft in Kairo mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Abdel Fatah Al-Sisi zusammen, weil „stabile politische Verhältnisse“ im „ureigensten Interessen“ Deutschlands liegen würden. Zuvor hatte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sich ähnlich geäußert. Internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen werfen dem Regime die schwere Verletzung von Grundrechten vor 189 .

22.03.2015: „Human Rights Watch“ beklagt, dass nicht nur die Terrormilizen des „Islamischen Staates“ und der „Al-Nusra“-Front, sondern auch die bewaffnete Opposition in Syrien mit mörderischer Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vorgehe.

21.04.2015: In einem Interview stellt US-Präsident Barack Obama die politische Glaubwürdigkeit Benjamin Netanjahus in Frage. Er sei nicht davon überzeugt, dass der israelische Ministerpräsident an der Zwei-Staaten-Lösung festhalte. Auch wenn Israels

189 Vgl. die Eintragung am 15.03.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 174 – Chronologie 2015

Sicherheit ernst genommen werden müsse, könne man den Status quo nicht dauerhaft aufrechterhalten 190 .

Bei der Eröffnung des Jahreskonferenz von „J Street“ im selben „Convention Center“, in der das „American Public Affairs Committee (AIPAC)“ in Washington, D.C., ab dem 03. März tagte, stellt ihr Vorsitzender Jeremy Ben-Ami vor über 2.000 Delegierten aus allen Teilen des Landes – darunter 1.100 Schülern und Studenten („J Street U[niversities]“) – die selbstkritische Frage, wie die jüdische Gemeinschaft in den USA die Zwei-Staaten-Lösung glaubhaft fördern wolle, wenn sie nicht zwischen dem Staat Israel und den besetzten Gebieten unterscheide. „Wir sagen Netanjahu, der im Namen aller Juden der Welt zu sprechen beansprucht – Du sprichst nicht für uns.“ Pro-israelisch zu sein, bedeute nicht, anti- palästinensisch zu sein.

20.03.2015: Bei einem Anschlag der sunnitischen Terrormilizen des „Islamischen Staates“ kommen im Norden Syriens bei der Feier des schiitischen Neujahrsfests mindestens 45 Menschen ums Leben.

In der jemenitischen Hauptstadt Sana‘a und der im Norden gelegenen Stadt Sa’ada kommen bei mehreren Selbstmord- und Sprengstoffanschlägen über 150 Menschen zu Tode. Nach Syrien – und damit Libanon – und Libyen ist der Jemen in Gefahr, ebenfalls zum „failed state“ zu werden. Nach der Entmachtung von Präsident Abd Rabbo Mansour Hadi fliegen seit dem 26. März saudische Kampfflugzeuge in der Operation „Entschiedener Sturm“ Einsätze gegen die schiitischen „Houthi“-Rebellen im Jemen. Außerdem sollen 150.000 Soldaten an die Grenze zum Jemen verlegt werden. Die

190 Barak Ravid: Obama believes Netanyahu not interested in Palestinian state, in „Haaretz“ 21.03.2015.

www.reiner-bernstein.de 175 – Chronologie 2015

Saudis werden von Pakistan, Jordanien , Marokko , Sudan , Bahrain , Kuwait , Qatar und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt. Ägypten hat Kriegsschiffe in den Golf von Aden verlegt. Iran warnt vor einer Eskalation. Die USA leisten nachrichtendienstliche und logistische Hilfe. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnt von unübersehbaren Risiken der Intervention. Auf dem Krisentreffen der Arabischen Liga am 28./29. März in Sharm El-Sheikh soll über eine arabische Einsatztruppe beraten werden. Eine Verständigung kommt aufgrund unterschiedlicher nationaler Interessenlagen zumindest vorerst nicht zustande.

19.03.2015: Ergänzend zu den bisherigen 250 Millionen Euro, stockt die Bundesregierung ihre Hilfe für die syrischen Flüchtlinge im Libanon um weiterte 50 Millionen Euro auf.

17.03.2015: Entgegen den Prognosen geht die „Likud“-Partei von Benjamin Netanjahu als Siegerin aus den Wahlen zur 20. Knesset hervor. Im einzelnen: Wahlberechtigt waren 5.881.696 Personen. Es bewarben sich 25 Parteien mit 1.280 Kandidaten. Für ein Mandat mussten rund 25.000 Stimmen abgegeben werden. Es entfielen auf den „Likud“ (Spitzenkandidat Netanjahu) 30 Mandate; auf das „Zionistische Lager“ (Yitzhak Herzog/Tsipi Livni) 24 Mandate; auf die arabisch dominierte „Vereinigte Liste“ (Ayman Oudeh) 13 Mandate; auf „Es gibt eine Zukunft“ (Yair Lapid) 11 Mandate; auf „Wir alle“ (Moshe Kahlon) 10 Mandate; auf „Das Jüdische Haus“ (Naftali Bennett) 8 Mandate; auf die Partei der „Sefardischen Thorawächter“ (Arye Deri) 7 Mandate; auf „United Torah Judaism“ () 6 Mandate; auf „Unser Haus Israel“ () 6 Mandate und auf „Meretz“ (Zahava Gal‘on) 5 Mandate. Noch am Abend kündigt Gal’on ihren Rücktritt an. Von den 120 Mandaten gehen 29 an Frauen. www.reiner-bernstein.de 176 – Chronologie 2015

prozentual am meisten bei „Meretz“: 3 der 5 Abgeordneten sind Frauen.

In ersten Kommentaren schreibt Ari Shavit in „Haaretz“, dass mit dem Sieg Netanjahus der Frieden, die Teilung des Landes und die Schaffung einer wahren Demokratie auf die Knie gezwungen worden seien. In derselben Zeitung fragt Bradley Burston, wie lange sich die Bevölkerung noch die Verleumdungen, die Lüge, Profitjägerei, verzweifelte Feigheit, einen „Schmaltz-Händler“ und den Rassismus Netanjahus gefallen lassen wolle, wenn er am Wahltag vor der Gefahr warne, dass viele arabische Wähler an die Urnen drängen würden. Auch Ilene Prusher kritisiert scharf Netanjahus Warnung vor den arabischen Wählern. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erakat macht die internationale Gemeinschaft für den Sieg Netanjahus verantwortlich, weil sie die systematische Verletzung des internationalen Rechts gegen die Palästinenser zugelassen habe. US-Präsident Barack Obama lässt mitteilen, dass er keine Zeit mehr verlieren wolle, sich von Netanjahus Ausfällen gegen die arabischen Wähler distanziere und erwäge, beim UN-Sicherheitsrat Prinzipien für die Zwei-Staaten-Lösung vorzulegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gratuliert in einem Telefonat Netanjahu, wobei sie an der Zwei-Staaten-Lösung festhält.

Bei einem Attentat im Bardo-Museum am Parlamentsgebäude von Tunis werden 22 Einheimische – darunter ein Polizist - und Touristen getötet. Der Polizeipräsident der Stadt und der Chef der Sicherheitsbehörden werden am 22. März entlassen. Am 28. März demonstrieren über 10.000 Menschen in Tunis gegen den Terror des „Islamischen Staates“.

16.03.2015: In einem Interview wiederholt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, dass er im Falle seiner Wiederwahl am17. März die www.reiner-bernstein.de 177 – Chronologie 2015

Entstehung eines Staates Palästina keinesfalls erlauben werde. Sollte das „Zionistische Lager“ unter Yitzhak Herzog und Tsipi Livni erfolgreich sein, würde es sich der internationalen Gemeinschaft anschließen und ihren Forderungen nachkommen, so auch dem Einfrieren des Siedlungsbaus in der Westbank und in Ost-Jerusalem 191 .

Markus Bickel, Nahost-Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, berichtet über eine drohende Konfrontation zwischen dem israelischen Militär, der schiitischen „Hisbollah“ unter Beteiligung des Irans und dem syrischen Ableger von „Al-Qaeda“, der „Al-Nusra“- Front auf den Golanhöhen 192 . Dazu passt die Ankündigung von US- Außenminister John Kerry am Vortag, dass die Wideraufnahme von Gesprächen mit dem syrischen Staatspräsidenten Bashar Assad unumgänglich werden könnte.

15.03.2015: Nach Abschluss der Reparaturarbeiten öffnet der jüdische Großmarkt, in dem in Paris am 07. Januar vier Juden ermordet worden waren, wieder seine Tore. Als einer der ersten Kunden betritt der französische Innenminister Bernard Cazeneuve das Geschäft.

Auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv hält Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor den Wahlen am 17. März die Abschlusskundgebung „Vereint für Israel“ seiner „Likud“-Partei ab. Dabei betont er gegenüber den rund 25.000 Teilnehmern, dass nur er das Land vor den Gefahren des internationalen Terrorismus und vor dem Nuklearprogramm Irans retten könne. Gleichzeitig bestätigt er, dass mit ihm die Teilung Jerusalems

191 Vgl. die Eintragung am 08.03.2015 in dieser Zeitleiste.

192 Markus Bickel: Eine neue Front auf dem Golan, in FAZ 16.03.2015, S. 6.

www.reiner-bernstein.de 178 – Chronologie 2015

und der Verzicht auf „Judäa und Samaria“ ausgeschlossen seien. Auch der nach Netanjahu auftretende Vorsitzende der Partei „Das jüdische Haus“ Naftali Bennett kündigt an, das er auf keinen Zentimeter der Westbank verzichten werde. Zur Misere im Schulwesen, zu den hohen Lebenshaltungskosten, zum knappen Wohnungsmarkt und zu den steigenden Immobilienpreisen, die im Sommer 2011 in Tel Aviv und in anderen Städten zu Massendemonstrationen geführt hatten, äußert sich Netanjahu nicht.

Im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheikh geht die international besuchte „Egyptian Economic Development Conference“ zu Ende, auf der Verträge und Absichtserklärungen mit einem Volumen von etwa 133 Milliarden Euro abgeschlossen worden sind. Die Regierung in Kairo plant, eine neue Verwaltungshauptstadt südlich der Hauptstadt mit 5 Millionen Einwohnern zu errichten. Die deutsche Delegation stand unter der Leitung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi die Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel überbrachte. Die Opposition im Bundestag kritisierte den bevorstehenden Besuch, weil Merkel zuvor die Wahl des neuen Parlaments verlangt hatte, die durch Einsprüche des Verfassungsgerichts erneut verschoben wurde. Das Parlament war im Juni 2012 aufgelöst worden 193 .

13.03.2015: In Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zeigt sich der libanesische Ministerpräsident Tammam Salam, der gemäß dem „Nationalpakt“ von 1943 ein Sunnit ist, über die kontinuierliche Schwäche der Innenpolitik seines Landes tief besorgt, weil dort christliche Fraktionen und die schiitische „Hisbollah“ politische Entscheidungen verzögern, so die Wahl eines neuen Präsidenten,

193 Vgl. die Eintragung am 25.02.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 179 – Chronologie 2015

der Christ sein muss, sowie die Beziehungen zu Syrien und zum Iran. Gegen die Terrormilizen des „Islamischen Staates (ISIS)“ könne nur der Einsatz von Bodentruppen sinnvoll sein. Zum Vorschlag des Generalsekretärs der Arabischen Liga einer gemeinsamen militärischen Streitmacht gegen die ISIS äußert er sich nicht direkt. „In diesem Zusammenhang sollten wir auch den Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern nicht vergessen. Nur wenn dieser Konflikt gelöst wird, entsteht überhaupt erst die Grundlage, ernsthaft gegen Extremisten [vom Schlage des „Islamischen Staates“] vorzugehen – und moderaten Kräften mehr Kraft zu verleihen. Bis dahin wird es mehr Gewalt und Extremismus geben“ , schließt Salam das Interview ab 194 .

Ohne die schweren Menschenrechtsverletzungen zu minimieren, denen die palästinensische Bevölkerung in der Westbank und in Ost- Jerusalem täglich ausgesetzt ist, ohne den rechten Flügel der Siedler von ihrem Anspruch auf das ganze Land freizusprechen und ohne die ständige Schwächung der Autonomiebehörde durch die israelische Regierung kleinzureden, bezeichnet Amos Oz einen einzigen Staat zwischen Mittelmeer und Jordan als „eine Angelegenheit von Leben und Tod für den Staat Israel“ . Den Staat Israel zu retten, bedeute die Durchsetzung der Zwei-Staaten- Lösung 195 . Oz verrät nicht, wie diese Regelung durchgesetzt werden soll.

12.03.2015:

194 Tammam Salam: „Wir müssen die Extremisten ausmerken“, in FAZ 13.03.2015, S. 5. Vgl. die Eintragung am 09.03.2015 sowie den Aufruf von Pax Christi: „Den Krieg in Syrien beenden!“ in der Menüleiste „Berichte aus Nahost“ dieser Homepage.

195 Amos Oz. Dreams Israel should abandon – fast, in „Haaretz“ 15.03.2015, S. 8.

www.reiner-bernstein.de 180 – Chronologie 2015

Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) sind seit Beginn der Demonstrationen in Syrien gegen Präsident Bashar Assad allein 10.000 Kinder getötet worden. Die Gesamtzahl der Toten wird mit 200.000 angegeben.

09.03.2015: Der Generalsekretär der Arabischen Liga Nabil Al-Arabi spricht sich auf einem Treffen arabischer Außenminister in Kairo für eine gemeinsame Militärstreitmacht zur Bekämpfung islamistischer Gruppen aus.

Wegen der Befürchtung vor Terroranschlägen im Umfeld der israelischen Knesset-Wahlen am 17. März nimmt die Autonomiebehörde in der Westbank rund 50 Mitglieder von „Hamas“ und „Islamischem Djihad“ fest.

Die Sprecherin des „State Department“ Jen Psaki drückt in einer Erklärung die Erwartung der US-Administration aus, dass die nächste israelische Regierung an der Zwei-Staaten-Lösung festhält. Am 08. März hatte ihr Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Absage erteilt 196 .

08.03.2015: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärt, dass seine Rede vor der Bar-Ilan University im Juni 2009 zugunsten der Zwei-Staaten- Lösung „null und nichtig“ sei, weil sich die Lage im Nahen Osten verändert habe. Jedes aufgegebene Territorium würde in die Hände von islamischen Extremisten und von Terrororganisationen fallen, die vom Iran unterstützt würden.

196 Vgl. die Eintragung in der Dokumentation „Die nächsten Runden“ am 03.02.2015 in der Menüleiste „Berichte aus Nahost“.

www.reiner-bernstein.de 181 – Chronologie 2015

07.03.2015: Am Abend findet in Tel Aviv die lang angekündigte Massendemonstration mit über 40.000 Teilnehmern gegen die Regierung unter Führung von Benjamin Netanjahu statt 197 . Sie wird von mehreren Gruppen unter Leitung der Bewegung „Eine Million Hände“ angeführt. Der Hauptredner Meir Dagan, ehemaliger Chef des Inlandsgeheimdienstes („Mossad“) lässt keinen Zweifel an den nuklearen Kapazitäten des Iran und an der Feindschaft rund um Israel, beschuldigt aber Netanjahu, in seiner bisherigen Amtszeit nichts für die Sicherheit des Landes getan zu haben. Stattdessen habe er es geschafft, mit den USA auf Kriegsfuß zu stehen. Die Witwe eines Oberstleutnants, der im Sommer 2014 im Krieg gegen „Hamas“ im Gazastreifen getötet wurde, fordert in einer eindrucksvollen Rede zur Wahl einer neuen Führung auf.

Im Vorfeld der heute beginnenden Reise von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Saudi-Arabien und in die Golfstaaten haben ihn Abgeordnete der „LINKEN“ und von „Bündnis 90/Die Grünen“ aufgefordert, die schweren Menschenrechtsverletzungen, denen der Blogger Raif Badawi unterworfen ist, in Riyadh „energisch“ anzusprechen und die Ausreise Badawis zu erreichen. Gabriel zeigt Verständnis für das Verlangen 198 .

In Kairo wird ein Islamist gehenkt, dem nach dem Sturz von Präsident Mohamed Mursi im Juni 2013 der Mord an zwei Jugendlichen vorgeworfen worden war.

197 Vgl. die Eintragung am 19.02.2015 in dieser Zeitleiste.

198 Vgl. die Eintragung am 23.01.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 182 – Chronologie 2015

06.03.2015: Der UN-Sicherheitsrat verurteilt den Einsatz von Giftgas seitens der Bürgerkriegsparteien in Syrien .

05.03.2015: US-Präsident Barack Obama lässt eine neue Nahost-Initiative nach den israelischen Wahlen am 17. März ankündigen. Obama sei über den drohenden Kollaps der Palästinensischen Autonomiebehörde tief beunruhigt, weil die von Israel einbehaltenen Abgaben gemäß dem Pariser Protokoll vom April 1994 nach Ramallah nicht weitergeleitet würden. Hintergrund der israelischen Weigerung ist der palästinensische Gang zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Diplomaten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien beschweren sich, dass die Palästinensische Autonomiebehörde nicht genug für die Wiederaufbauten im Gazastreifen tue. Dafür sei die Beendigung des Streits mit „Hamas“ erforderlich.

Ohne ausdrückliche Positionierung von Machmud Abbas beschließt das Exekutivkomitee der PLO die Beendigung der sicherheitspolitischen Koordination mit Israel. Die Versöhnung mit „Hamas“ solle vorangetrieben werden.

03.03.2015: Nach seiner Rede vor dem „American Israel Public Affairs Committee (AIPAC)“ am Vortag spricht Benjamin Netanjahu „in historischer Mission“ vor beiden Häusern des US-Kongresses, dem rund 50 Abgeordnete und Senatoren seinem Auftritt fernbleiben und ihn frühzeitig verlassen wie die Sprecher der Minderheitenfraktion der Demokraten Nancy Pelosi. Zum „Friedensprozess“ mit den Palästinensern äußert sich Netanjahu mit keinem Wort. Stattdessen www.reiner-bernstein.de 183 – Chronologie 2015

konzentriert er sich erneut auf die Kritik an den Verhandlungen Washingtons mit dem Iran, „dem größten Sponsor des internationalen Terrorismus“ , der die Existenz Israels bedrohe. Unter den Anwesenden erntet er stürmischen Beifall. Vom republikanischen Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus John Boehner wird Netanjahu mit einer kleinen Churchill-Statue beschenkt. Weder Vizepräsident Joe Biden noch Außenminister John Kerry nehmen an der Sitzung teil. Präsident Barack Obama weist Netanjahus Kritik entschieden zurück und teilt vom Weißen Haus aus mit, dass dieser „nichts Neues“ gesagt und keine Alternative angeboten habe.

Vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf, der in diesem Jahr von der Bundesrepublik geleitet wird, betont Außenminister Frank- Walter Steinmeier, dass die Arbeit für Menschenrechte und die Arbeit für Frieden und Sicherheit untrennbar miteinander verbunden seien. Auch umgekehrt sei ohne Achtung der Menschenrechte der Frieden niemals sicher.

Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass in den ersten Monaten dieses Jahres in Saudi-Arabien so viele Todesurteile wie nie zuvor vollstreckt worden seien.

02.03.2015: Nach einer „Gallup“-Umfrage vor Benjamin Netanjahus Auftritt vor beiden Häusern des US-Kongresses am 03. März sehen ihn 45 Prozent der US-Amerikaner in einem günstigen Licht. 24 Prozent tun dies nicht.

01.03.2015: In einem CNN-Interview bezeichnet die demokratische Senatorin Dianne Feinstein (Kalifornien) den Anspruch Benjamin Netanjahus www.reiner-bernstein.de 184 – Chronologie 2015

als „eine ziemlich arrogante Bemerkung“, am 03. März vor beiden Häusern des US-Kongresses m Namen des gesamten jüdischen Volkes zu sprechen. Sie helfe Israel nicht weiter, fügt Feinstein hinzu.

Auf dem Flug nach Washington teilt ein Begleiter Benjamin Netanjahus Journalisten in einem Hintergrundgespräch mit, dass Israel eine hinreichende Zahl glaubwürdiger Informationen über die geplante Vereinbarung zwischen den USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland und dem Iran über dessen Nuklearprogramm verfüge.

28.02.2015: Vor seiner Abreise nach Washington am 01. März, um dort am 02. März vor der Jahreskonferenz des „American Israel Public Affairs Committee (AIPAC)“ zu sprechen, besucht Benjamin Netanjahu die „Klagemauer“ in der Jerusalemer Altstadt und betont dort vor Journalisten, dass er Präsident Barack Obama respektiere und an „die Stärke der Beziehungen zwischen Israel und den USA“ glaube. Gleichwohl sei er als Ministerpräsident für die Sicherheit Israels verantwortlich und deshalb strikt gegen einen Vertrag mit dem Iran , der die Existenz Israels gefährde. Im Vorgriff auf seine Ansprache kündigt Netanjahu an, dass „ wir zusammenstehen und auch die Gefahren erklären (müssen), die für Israel, die Region und die Welt von diesem Vertrag ausgehen“ 199 .

27.02.2015: Der an der drittältesten englischen Universität in Durham Verfassungslehre unterrichtende Ilan Zvi Baron bemerkt in einem Gastbeitrag für „Haaretz“ angesichts antijüdischer und

199 Vgl. die Eintragung am 26.02.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 185 – Chronologie 2015

antisemitischer Vorfälle in Europa, dass das Verhältnis der Juden in der Diaspora zu Israel zunehmend verworren sei. Auf der einen Seite sei es lächerlich, ihnen eine Mitverantwortung für die Politik Israels zu unterstellen. Auf der anderen Seite würden sie die Errungenschaften Israels in den höchsten Tönen loben. Um diesen Standpunkt zu verteidigen, hätten sich zu viele Juden entschieden, „Israels moralische Verbrechen zu ignorieren oder sie im Namen der Sicherheit zu rechtfertigen“ : Ein guter Jude müsse Israel unterstützen, während die Infragestellung der israelischen Politik einem Verrat am jüdischen Volk gleichkomme. Von dritter Seite würde die Kritik an Israel als Verteidigung der jüdischen Werte bezeichnet. Der Autor verweist darauf, dass Israel keine „einheitliche Kraft“ sei 200 .

26.02.2015: An der Palästinensischen Autonomiebehörde vorbei unterzeichnen Israel und Jordanien unter Beteiligung der Weltbank und der US- Botschaften in Tel Aviv und Amman einen Vertrag über den Bau eines Kanals für die rund 180 Kilometer lange Strecke zwischen dem Roten Meer (Golf von Aqaba) und dem Toten Meer, um für Trinkwasser nach Israel, Jordanien und die Westbank zu sorgen. Dazu soll eine gemeinsame Behörde errichtet werden. Israel fordert die Autonomiebehörde auf, eine gesonderte Vereinbarung zu schließen, falls sie dies wünsche 201 .

Wenige Tage, nachdem Präsident Barack Obamas Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice den geplanten Auftritt Benjamin Netanjahus am 03. März in Washington kritisiert hat,

200 Ilan Baron: Israel is tearing Jewish communities apart, in „Haaretz“ 27.02.2015.

201 Ora Coren: Israel, Jordan sign Red-Dead canal agreement, in „Haaretz“ 27.02.2015.

www.reiner-bernstein.de 186 – Chronologie 2015

teilt das „American Israel Public Affairs Committee (AIPAC)“ mit, dass sie dort auftreten werde. Schon im Vorfeld wird der Auftritt von Rice von der „Zionist Organization of America (ZOA)“ als „unverschämt“ und „feindlich“ kritisiert. Netanjahu selbst spricht am 01. März in der AIPAC-Konferenz in Washington 202 . Es wird erwartet, dass einige demokratische und republikanische Senatoren dem Auftritt Netanjahus im Kongress fernbleiben. Beobachter sehen eine schwierige Entscheidung für jüdische Wähler voraus, die in überwältigend große Zahl bisher die Demokratische Partei gewählt haben: Halten sie daran fest, oder sollen sie Israels Politik unter Führung Netanjahus unterstützen? US-Außenminister John Kerry verwahrt sich scharf gegen die Kritik Netanjahus an den amerikanischen Verhandlungen mit dem Iran über dessen Nuklearprogramm. Netanjahu habe keine Ahnung, erklärt Kerry. Am 28. Februar erscheint in der „New York Times“ eine Anzeige, in der Rice an der Seite von Totenköpfen abgebildet wird. Gideon Levy befürchtet am 01. März, dass die USA nach den Wahlen am 17. März Israel mit oder ohne Netanjahu blind unterstützen würden. Netanjahu sei ein schlechter Ministerpräsident, doch nicht viel schlechter als seine Vorgänger: Er habe weniger Kriege als Ehud Olmert angezettelt, weniger Siedlungen als Ehud Barak bauen lassen, und er sei weniger korrupt als Ariel Sharon. Seine Ablösung durch Yitzhak Herzog (Arbeitspartei), Tsipi Livni („Die Bewegung“) und Moshe Kahlon („Wir alle“) werde garantiert keine Lösung für den Konflikt mit den Palästinensern bringen 203 .

In Ost-Jerusalem wird auf ein griechisch-orthodoxes Seminar ein Brandanschlag verübt.

202 Vgl. zuletzt die Eintragung am 08.02.2015 in dieser Zeitleiste.

203 Gideon Levy: Netanyahu’s exist won’t redeem Israel, in „Haaretz“ 01.03.2015.

www.reiner-bernstein.de 187 – Chronologie 2015

Der IS-Terrorist, der mehrere Ausländer enthauptet hat, ist als der in London aufgewachsene 27 Jahre alte Kuwaiti Mohamad Emzawi identifiziert worden 204 .

25.02.2015: Der ägyptische Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi setzt per Dekret, das angesichts der seit fast drei Jahren verschleppten Neuwahl des Parlaments ein Anti-Terror-Gesetz in Kraft, mit dessen Hilfe auch gegen öffentliche Proteste und Demonstrationen, welche „die öffentliche Sicherheit“ und das „Wohlergehen“ der Bevölkerung gefährden würden, vorgegangen werden kann. Nachdem das Verfassungsgericht am 01. März Teile des Zuschnitts von Stimmbezirken verworfen hat, müssen die ursprünglich für Ende März vorgesehenen Wahlen erneut verschoben werden.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier stellt in Berlin den Abschlussbericht der von ihm Ende 2013 eingeleiteten Initiative „Review 2014 – Außenpolitik Weiter denken“ unter dem Titel „Review: Krise –Ordnung – Europa“ vor. Entgegen den ursprünglichen Absichten, dem Bedeutungsverlust des Auswärtigen Amtes im Kabinett und in der Gestaltung der auswärtigen Beziehungen entgegenzuwirken, stehen in dem Bericht die veränderten internationalen Rahmenbedingungen und insbesondere die weltweit gewachsene Zahl der Krisen im Mittelpunkt, um „früher, entschiedener und substantieller“ entscheiden zu können. Dazu wird nach den Worten Steinmeiers eine „Abteilung für Krisenprävention, Stabilisierung und Konfliktnachsorge“ – der „Abteilung II“ unter Leitung des bisherigen Botschafters in Israel Andreas Michaelis – gebildet, in der Referate mehrerer Abteilungen gebündelt werden

204 Vgl. die Eintragungen am 20.01.2015, am 14.09.2014, am 02.09.2014 und am 24.08.2014 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 188 – Chronologie 2015

sollen. In die deutsche Gesellschaft hinein soll der „Bürgerdialog“ intensiviert werden 205 .

24.02.2015: Internationale Menschenrechtsorganisationen berichten, dass Terroristen des „Islamischen Staates“ im Norden Syriens mindestens 90 assyrische Christen entführt haben. 15 von ihnen sollen ermordet worden sein.

Der stellvertretende Leiter des Politischen Büros von „Hamas“ Ismail Haniyye verwahrt sich auf einer Konferenz in Gaza-Stadt gegen ägyptische Vorwürfe, sich in dortige innere Angelegenheiten eingemischt und Terrorakte auf der Sinai-Halbinsel unterstützt zu haben. Dennoch stuft ein Kairoer Gericht am 01. März „Hamas“ unter dem Vorwurf, auf dem Sinai Terrorakte unterstützt zu haben, als terroristische Organisation ein.

19.02.2015: In einer Erklärung verwahrt sich die größte jüdisch-liberale Organisation Frankreichs „JCall“ gegen den Aufruf des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, nach dem Terrorattentat gegen den jüdischen Supermarkt am 07. Februar in Paris, bei dem vier Juden getötet wurden, „zurückzukehren“ . Einen Tag später, am 20. Februar, folgt der US-amerikanische Publizist Roger Cohen in der „International New York Times“ mit einem ähnlichen Aufruf. Gleiches gilt für eine geplante Anzeige in der „International New York Times“ für den 02. März

205 Die Rede Steinmeiers ist mit einigen Zusammenfassungen aus dem Bericht „Review: Krise – Ordnung – Europa“ in der Menüleiste „Erklärungen und Interviews“ dieser Homepage dokumentiert.

www.reiner-bernstein.de 189 – Chronologie 2015

– ein Tag vor der Ansprache Netanjahus vor beiden Häusern des US-Kongresses 206 .

Die „Jüdische Allgemeine“ berichtet von der basisdemokratischen israelischen Friedensgruppe „V15- Erfolg“ mit fast 100.000 freiwilligen Helfern, die im ganzen Land von Haustür zu Haustür gehen, mit dem Ziel, mit einem politischen Neuanfang die gegenwärtige Koalition unter Führung Benjamin Netanjahus durch eine Mitte-Links-Regierung abzulösen. Die Gruppe macht keinen Hehl daraus, dass sie von ausländischen Geldgebern unterstützt wird, so von dem US-amerikanischen Milliardär S. Daniel Abraham 207 . Am 07. März soll auf einer Großveranstaltung auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv der frühere Geheimdienstchef Meir Dagan auftreten. Dagan hatte kürzlich Netanjahu beschuldigt, Israel durch eine Politik der internationalen Isolierung – Dagan nannte Barack Obama, Angela Merkel, David Cameron, François Hollande und Wladimir Putin – an einen kritischen Punkt seiner Existenz manövriert zu haben, und einen „regime change“ verlangt.

Nach der Vorlage des Berichts des Staatskontrolleurs Joseph Shapira fordert der Kolumnist Ari Shavit in scharfem Ton die Wähler dazu auf, am 17. März Benjamin Netanjahu abzuwählen, um die Würde Israels wiederherzustellen. Am 27. Februar teilt Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein mit, dass die Untersuchung der Vorwürfe erst nach der Parlamentswahl am 17. März beginnen solle 208 .

206 Sabine Brandes: Wahlkämpfer in Israel, in „Jüdische Allgemeine“ 19.02.2015. Ihre Website in hebräischer Sprache ist erreichbar unter www.v15.org.il .

207 Die drei Texte sind in der Menüleiste „Erklärungen und Interviews“ dieser Homepage dokumentiert.

208 Ari Shavit: Replace Netanyahu to restore Israel’s dignity, in „Haaretz“ 19.02.2015.

www.reiner-bernstein.de 190 – Chronologie 2015

17.02.2015: Die USA stellen dem UN-Welternährungsprogramm weitere 125 Millionen US-Dollar für die Versorgung der syrischen Flüchtlinge zur Verfügung.

Der Beauftragte des Nahost-Quartetts Tony Blair befürchtet eine neue humanitäre Katastrophe im Gazastreifen.

Der israelische Staatskontrolleur Joseph Shapira rügt in seinem Bericht für die Jahre 2009 bis 2013 die exorbitanten Ausgaben für die Bewirtung von Gästen und die Pflegeleistungen sowie die ausgebliebene Rückerstattung von Ausgaben an Bedienstete in den Residenzen des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem und in Caesarea 209 . Am 23. Februar wird berichtet, dass Meni Naftali, ein ehemaliger Bediensteter in der Jerusalemer Residenz Netanjahus, nach seiner Aussage bei der Polizei am 20. Februar Todesdrohungen erhalten habe.

Der Schatzmeister des „United Kingdom Jewish Board of Deputies” Laurence Brass kündigt an, nicht weitere sechs Jahre im Amt bleiben zu wollen, um sich nicht länger kritische Bemerkungen zur israelischen Regierung zu versagen.

15.02.2015: Angehörige der Terrormilizen des „Islamischen Staates (ISIS)“ enthaupten bei Derna in Libyen 21 koptische Wanderarbeiter aus Ägypten . Die ägyptische Luftwaffe bombardiert Ziele des ISIS. Auch „Hamas“ verurteilt die Ermordung der Kopten scharfer Form. Der Großscheich der sunnitischen „Al-Azhar“-Universität in Kairo Achmad Al-Tayyib kritisiert die Mordtaten als „barbarisch“ und

209 Vgl. die Eintragung am 28.01.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 191 – Chronologie 2015

„verbrecherisch“ . In Libyen sollen rund 100.000 Ägypter arbeiten. Am 22. Februar ruft Tayyib auf einer Anti-Terror-Konferenz in Mekka die Regierungen in der moslemischen Welt zu Bildungsreformen auf, um weitere Fehlinterpretationen des Korans und der Lehren des Propheten Mohamed entgegenzuwirken. Das Erstarken islamischer Tendenzen führt Tayyib außerdem auf einen „neuen, mit dem Weltzionismus verbündeten Kolonialismus“ zurück.

Nach Pressemeldungen beabsichtigen die USA nicht, die israelische Regierung weiterhin voll über den Stand der Verhandlungen mit dem Iran über dessen Nuklearprogramm zu informieren, weil in Washington befürchtet werde, das Informationen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zum eigenen politischen Nutzen verwendet würden.

14.02.2015: Bei zwei Terroranschlägen in Kopenhagen, ausgeführt von einem in Kopenhagen geborenen 22 Jahre alten Palästinenser, werden zwei Menschen getötet, und zwar bei einer Diskussionsveranstaltung im Kulturzentrum zum Thema „Kunst, Blasphemie über die Meinungsfreiheit“ auf dem Hintergrund Mohamed-kritischer Karikaturen und dann der jüdische Wachmann Dan Uzan um Mitternacht vor den Türen der Synagoge, in der eine Bat-Mitzwa- Feier, bei der ein 12 Jahre altes Mädchen in die Gemeinde eingeführt wird, stattfindet. Am 15. Februar wird der Attentäter von der Polizei erschossen. Bei Hausdurchsuchungen werden zwei Verdächtige festgenommen. Erneut ruft Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu alle Juden der Welt zur Einwanderung nach Israel auf, wogegen sich Alt-Staatspräsident Shimon Peres ausspricht. Auch der dänische Oberrabbiner Bernt Melchior weist die Aufforderung zurück. In Braunschweig wird der für den kommenden Rosenmontag der Karnevalszug von den Behörden aufgrund einer Gefährdungsmeldung abgesagt. Nach dem Mordanschlag in www.reiner-bernstein.de 192 – Chronologie 2015

Kopenhagen schützen als Zeichen ihrer Solidarität mit dem jüdischen Opfer tausend Moslems in Oslo am 21. Februar, einem Shabbat, die dortige Synagoge.

13.02.2015: In einem Gastkommentar für „Haaretz“ schreibt der emeritierte Jerusalemer Historiker Ze’ev Sternhell, dass nach allen bisherigen Erfahrungen den Wahlen am 17. März die Chancen für neue Verhandlungen mit den Palästinensern gleich null seien, und zwar gleichgültig wird die neue Regierung führen werde.

12.02.2015: Das Weiße Haus bringt eine Resolution in den Kongress ein, mit der Präsident Barack Obama gemäß der „Authorization for the Use of Military Force Against Terrorists (AUMF)“ vom 14. September 2001 zum militärischen Kampf gegen den „Islamischen Staat“ autorisiert würde. Das damalige Gesetz verleiht dem Präsidenten eine breite Vollmacht, gegen Personen und Gruppen vorzugehen, die Terrorakte „geplant, autorisiert oder unterstützt“ haben.

Der israelische Schriftsteller David Grossman zieht seine Kandidatur für den seit 60 Jahren vergebenen „Israel-Preis für Literatur“ zurück, nachdem Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf die Auswahl der Juroren Einfluss zu nehmen versucht hat, die daraufhin allesamt zurücktreten. Andere Preis-Bewerber, unter ihnen die 98 Jahre alte Ruth Dayan, Witwe des legendären einstigen Verteidigungsministers Moshe Dayan, ziehen sich ebenfalls zurück und verurteilen die Politisierung der Preisvergabe. Am 13. Februar versucht Netanjahu einzulenken.

www.reiner-bernstein.de 193 – Chronologie 2015

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet, dass in der Rangfolge der „Reporter ohne Grenzen“ Deutschland in Sachen „Pressefreiheit“ von Platz 14 auf Platz 12 vorgerückt sei. Die Vereinigten Staaten würden auf Platz 49, Israel auf Platz 101, die Palästinenser auf Platz 140, Türkei auf Platz 149, Russland auf Platz 152, Libyen auf Platz 154, Ägypten auf Platz 159, Saudi-Arabien auf Platz 184 und der Iran auf Platz 173 rangieren 210 .

10.02.2015: Ohne sich von Meldungen zu distanzieren, gibt Syriens Staatschef Bashar Assad im Interview mit der BBC bekannt, dass er über den Irak und andere über die Luftschläge gegen die Terrormilizen des „Islamischen Staates“ auf Stützpunkt im Norden seines Landes informiert sei.

Anlässlich seines Staatsbesuchs in Kairo überreicht der russische Präsident Wladimir Putin seinem ägyptischen Amtskollegen Abdel Fatah Al-Sisi eine Kalaschnikow als Gastgeschenk. Beide unterzeichnen mehrere Abkommen, zu denen auch die Lieferung von russischen Kampfhubschraubern und Kampfflugzeugen gehört.

Nachdem Schweden am 29. Oktober 2014 Palästina förmlich anerkannt hat 211 , weiht Präsident Machmud Abbas am Abend die palästinensische Botschaft in Stockholm ein. Abba und der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfgen unterschreiben zudem ein Partnerschaftsabkommen, wonach Schweden in den kommenden fünf Jahren mehr als 150 Millionen Euro den Palästinensern zur Verfügung stellen will.

210 Liste der Pressefreiheit, in FAZ 12.02.2015, S. 15.

211 Vgl. die Eintragung dort in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 194 – Chronologie 2015

US-Präsident Barack Obama bestätigt den Tod der 26 Jahre alten Kayla Mueller im Norden Syriens. Die junge Frau aus einer jüdischen Familie in Arizona war am 04. August 2013 von Angehörigen der Terrormilizen des „Islamischen Staates (ISIS)“ im Norden Syriens entführt worden. Mueller hatte zuvor in verschiedenen Hilfsprojekten in den USA, in Ost-Jerusalem und in den palästinensischen Gebieten sowie in Tel Aviv gearbeitet. Die Umstände ihres Todes sind bislang ungeklärt. Sie soll entweder von ISIS-Terroristen hingerichtet worden oder bei einem Luftschlag der jordanischen Armee auf ISIS- Stellungen ums Leben gekommen sein. Während Obama verspricht, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, sprach Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dem US-Präsidenten, dem amerikanischen Volk und der Familie der Toten sein Beileid aus.

08.02.2015: Die israelische Regierung hat die „Civil Administration“, die für Angelegenheiten in der Westbank tätig ist, angewiesen, 374 Hektar für die Erweiterung von vier Siedlungen auszuweisen.

In der jüngsten Meinungsumfrage zu den Wahlen am 17. März in Israel werden den Parteien unterschiedliche Chancen zugeschrieben: „Likud“ 26 Mandate (2013: 31 Mandate212 ); „Zionistisches Lager“ 23 Mandate 213 ; „Ha-Bait ha-Yehudi (Das jüdische Haus)“ 13 Mandate (2013: 12 Mandate); „“ (12 Mandate) 214 ; „Yesh Atid (Es gibt eine Zukunft)“ 11 Mandate (19

212 Damals trat sie in einer gemeinsamen Liste mit „Israel Beiteinu (Unser Haus Israel)“ von Avigdor Liebermann an. Beide errangen 31 Mandate.

213 2013 trat die heutige Listenverbindung aus Arbeitspartei und Tsipi Livnis Partei „Ha-Tnuah (Die Bewegung)“ getrennt an.

214 2013 trat die heutige Listenverbindung aus „Chadash (Demokratische Bewegung für Frieden und Gleichheit)“, „Bal‘ad (Nationaldemokratische Liste)“, „Ta’al (Arabische Bewegung für Erneuerung)“ und „Ra’am (United Arab List)“ getrennt an. Sie errangen 11 Sitze.

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Mandate); „Kulanu (Mit uns)“ 7 Mandate 215 ; „United Torah Judaism“ 7 Mandate (7 Mandate); „Shas (Sefardische Thorawächter)“ 6 Mandate (11 Mandate); „Meretz (Energie)“ 6 Mandate (6 Mandate), „Israel Beiteinu (Unser Haus Israel)“ 5 Mandate 216 und „Ha’am Itanu (Das Volk ist mit uns)“ 4 Mandate 217 .

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigt an, dass er seine Rede am 03. März vor beiden Häusern des US-Kongresses im Namen des gesamten jüdischen Volkes halten werde wie in Paris während der Demonstration gegen die Ermordung von Juden im dortigen Supermarkt und der Redakteure des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ 218 Am 12. Februar wird in einer Meinungsumfragen festgestellt, dass 47 Prozent der Amerikaner die Einladung an Netanjahu für unangemessen halten und 30 Prozent ihr zustimmen. Gleichzeitig empfehlen 58Prozent eine Begegnung zwischen Netanjahu und Präsident Barack Obama. Am 15. Februar bestätigt der republikanische Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus John Boehner, die Einladung an Netanjahu bewusst am Weißen Haus geplant zu haben.

Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz ruft das Nahost- Quartett zur Wiederaufnahme der israelisch-palästinensischen Verhandlungen auf. Auf der internationalen Geberkonferenz am 14. Oktober 2014 hatten Qatar 1 Milliarde, Saudi-Arabien 500 Millionen und die Vereinigten Arabischen Emirate 300 Millionen US-Dollar für den Wiederaufbau im Gazastreifen zugesagt. Aus Anlass des Besuchs des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin in Kairo

215 Die Partei tritt erstmals an mit dem früheren „Likud“-Mitglied Moshe Kahlon.

216 Die Partei trat 2013 in einer gemeinsamen Listenverbindung mit dem „Likud“ an.

217 Die Partei tritt erstmals an.

218 Vgl. die Eintragung am 21.01.2015 in dieser Zeitleiste.

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wurde am 10. Februar 2015 von umfangreichen Waffenlieferungen Russlands an Ägypten im Wert von 3,5 Milliarden Dollar berichtet. Die Zusagen an die Palästinenser dürften damit an Gewicht verloren haben 219 .

Bei einem Fußballspiel in Kairo zwischen rivalisierenden Vereinen finden 19 Menschen den Tod, viele von ihnen werden bei einer Panik totgetrampelt. Die Behörden unterbrechen den Ligabetrieb.

06.02.2015: Bei einem Angriff der syrischen Luftwaffe sterben in der Nähe von Damaskus 82 Menschen, nachdem Aufständische Raketen auf das Zentrum der Stadt abgefeuert haben.

Das Bundesverteidigungsministerium bestätigt die Lieferung von „Milan“-Raketen an die kurdischen „Peschmerga (Die dem Tod ins Auge zu sehen Bereiten)“ zum Kampf gegen die Terroreinheiten des „Islamischen Staates“. 2014 soll die Bundesregierung Waffen und Ausrüstungen im Wert von 79,5 Millionen US-Dollar geliefert haben.

Die „Gemeinsame Arabische Liste“ gibt ihre Entscheidung bekannt, dass sie den Listenführer des „Zionistischen Lagers“ Isaac (Yitzhak) Herzog für den Fall seiner Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten nach den Wahlen am 17. März nicht unterstützen werde. Zuvor hatten führende Repräsentanten der Arbeitspartei bei der Zentralen Wahlkommission – ihr sitzt das Mitglied des Obersten Gerichtshofs Salim Joubran vor – beantragt, die arabische Abgeordnete Hanin Zoabi (Liste – Bal‘ad“) als Kandidatin nicht zuzulassen. Vor den Knesset-Wahlen 2013 hatte der Oberste

219 Text der Erklärung in der Menüleiste „Erklärungen und Interviews“ dieser Homepage. Zu den Zusagen der Kairoer Geberkonferenz: Eintragung am 12.10.2014 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 197 – Chronologie 2015

Gerichtshof einen entsprechenden Antrag abgelehnt, der mit ihrer Teilnahme an den Protesten der „Mavi Maamara“-Flotte 2010 begründet wurde 220 . Am 08. Februar berichtet Jack Khoury, dass der Wahlkampf der Liste nur schleppend anlaufe, von Argwohn unter den beteiligten Parteien und von einem gemeinsamen politischen Programm geprägt sei. Das „Versöhnungskomitee“ komme fast täglich zusammen und tage stundenlang 221 . Am 10. Februar weist Zoabi in einer eidesstattlichen Erklärung den Vorwurf zurück, sie habe zum bewaffneten Kampf gegen Israel aufgerufen oder sich schriftlich dafür ausgesprochen. Am selben Tag wird berichtet, dass jüdische Mitglieder nach den Wahlen am 17. März Abgeordneten der „Vereinigten Arabischen Liste aus „Chadash (Demokratische Bewegung für Frieden und Gleichheit)“, „Bal‘ad (Nationaldemokratische Liste)“, „Ta’al (Arabische Bewegung für Erneuerung)“ und „Ra’am (United Arab List)“ die Mitgliedschaft im Außen- und Sicherheitsausschuss der Knesset ein Sitz verweigern wollen, weil dort auch geheimdienstliche Angelegenheiten behandelt worden. In der Vergangenheit sind mehrfach Sitzungen abgesagt worden, weil ein arabischer Abgeordneter turnusmäßig dem Ausschuss angehörte. Am 11. Februar spricht sich Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein gegen die Disqualifizierung Zoabis als Kandidatin aus. Am 13. Februar entzieht die Zentrale Wahlkampfkommission Zoabi und dem rechtextremistischen früheren Abgeordneten Baruch Marzel die Erlaubnis zu kandidieren. Gegen die Entscheidung kann beim Obersten Gerichtshof Klage eingereicht werden.

220 Vgl. den Bericht „Das ‚Zionistische Lager‘ und Israels arabische Parteien“ in der Menüleiste „Berichte aus Nahost“ dieser Homepage.

221 Jack Khouri: Joint Arab election list criticized for lack of effective messaging, campaigning, in „Haaretz“ 08.02.2015.

www.reiner-bernstein.de 198 – Chronologie 2015

Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu verlässt die Münchner Sicherheitskonferenz, um nicht mit der israelischen Delegation unter Führung von Verteidigungsminister Moshe Ya’alon zusammenzutreffen.

05.02.2015: Die irakische Regierung kündigt die Aufhebung der Ausgangssperre, die für die Zeit zwischen 24 und 5 Uhr morgens galt, ab dem 07. Februar an. Am 09. Februar werden bei einem Selbstmordattentat im Norden Bagdads, der überwiegend von Schiiten bewohnt wird, 12 Menschen getötet.

Nach der Ermordung des 26 Jahre alten jordanischen Piloten 222 durch die Terroristen des „Islamischen Staates (IS)“ kündigt Jordaniens König Abdullah II. einen „gnadenlosen Kampf“ gegen sie an. Rund 80 Kampfjets fliegen Angriffe gegen IS-Stellungen in Syrien 223 . Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bietet Jordanien die Unterstützung gegen die „barbarische Grausamkeit“ der Terroristen an. Die Angriffe werden am 06. Februar fortgesetzt, diesmal auch gegen IS-Ziele im Irak.

Das tunesische Parlament spricht der Regierung von Habib Essid mit 166 der 204 Stimmen das Vertrauen aus. Zum Programm der Regierung gehören der Kampf gegen den Terrorismus, die Reform der Verwaltung und die Einbindung der Zivilgesellschaft in politische Entscheidungsprozesse 224 .

222 Dazu die Eintragung am 28.01.2015 in dieser Zeitleiste.

223 Dazu mein Bericht „Jordaniens Überleben“ in der Menüleiste „Berichte aus Nahost“ dieser Homepage.

224 Vgl. die Eintragung am 21.12.2014 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 199 – Chronologie 2015

03.02.2015: US-Außenminister John Kerry und sein jordanischer Amtskollege Nasser Judeh unterzeichnen in Washington als Ausdruck „der strategischen Beziehungen und der Partnerschaft“ zwischen beiden Staaten ein Beistandsmemorandum, um „den vielfältigen Gefahren und Herausforderungen zu begegnen“ , denen sich das Königreich gegenübersieht. Als einen ersten Schritt wollen die USA zu den bereits bewilligten 467 Millionen US-Dollar weitere 1 Milliarde US- Dollar bis 2017 als wirtschaftliche und technische Hilfe sowie als Beitrag zur Verteidigung bereitstellen. Außerdem soll Jordaniens Zugang zum internationalen Finanzmarkt gestärkt werden 225 .

Gemäß der Meinungsumfrage des „Israel Democracy Institute“ und des „Guttman Center“ liegen die USA und Deutschland mit 84 und 60 Prozent beim Schutz der jüdischen Gemeinschaften in der „Diaspora“ vorn, gefolgt von Großbritannien mit 49, Frankreich mit 39,5, Russland mit 25,5 und Argentinien mit 21 Prozent.

02.02.2015: Kobi Niv veröffentlicht in „Haaretz“ einen flammenden Appell zur Zusammenarbeit „Schulter an Schulter“ mit „unseren Brüdern und arabischen Staatsbürgern“, um den Staat vor dem „Rand am Abgrund“ und vor einem „korrupten und elenden Scharlatan“ – gemeint ist Benjamin Netanjahu – bei den Wahlen am 17. März zu retten. „Unsere Feinde“ , schreibt der Autor weiter, „die unser Leben gefährden, sind nicht die arabischen Staatsbürger“ , sondern es seien vielmehr „der Nationalismus, der Fanatismus und der Rassismus“. Auf der gemeinsamen Liste steht Dov Khenin auf Platz 3 226 . Einen Tag später beklagt

225 Dazu die Eintragungen am 28.01.2015 in dieser Zeitleiste.

226 Kobi Niv: Without Arabs, there won’t be democracy in Israel, in „Haaretz“ 02.02.2015. Dazu auch der Beitrag „Das ‘Zionistische Lager‘ und www.reiner-bernstein.de 200 – Chronologie 2015

Uzi Baram in derselben Zeitung die kleinlichen Streitigkeiten innerhalb der parteipolitischen Opposition gegen Netanjahu. Statt den Schulterschluss zu suchen, würden sie sich in heftigen Zweifeln über Isaac (Yitzhak) Herzog, Tsipi Livni, Zahava Gal‘On und Yair Lapid ergehen und darüber die Propagandamaschinerie des Netanjahu-Sprachrohr „Israel ha- Yom (Israel heute)“ übersehen, das von dem US- amerikanischen Casino-Betreiber, dem Milliardärs Shelson Adelson, finanziert wird 227 .

In einem Brief an den UN-Menschenrechtsausschuss erklärt der Leiter der dreiköpfigen UN-Untersuchung, zu der eine singalesische und eine US-amerikanische Juristin gehören, zur Militäroperation „Schutzschild“ im Gazastreifen vom Sommer 2014 William Schabas seinen sofortigen Rücktritt, nachdem ihm die israelische Regierung Voreingenommenheit zugunsten der Palästinenser vorgeworfen hat. Er wolle den weiteren Untersuchungen nicht im Wege stehen, schreibt Schabas 228 . Am 03. Januar ernennt der amtierende Präsident des Menschenrechtsrates, der deutsche Diplomat Joachim Rücker, die US-Amerikanerin Mary McGowan-Davis zur Nachfolgerin Schabas‘.

Ein ägyptisches Gericht verurteilt 183 Moslembrüder zum Tode, weil sie im vergangenen Sommer elf Polizisten gelyncht haben sollen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Westliche Juristen und „amnesty international“ kritisieren seit langem Massenurteile und halten sie für skandalös 229 .

Israels arabische Parteien” in der Menüleiste „Berichte aus Nahost” dieser Homepage.

227 Uzi Baram: United against Netanyahu, divided on everything else, in „Haaretz“ 03.02.2015.

228 Vgl. die Eintragung am 23.07.2014 in dieser Zeitleiste.

229 Vgl. Eintragungen 2014 und 2013 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 201 – Chronologie 2015

Nach Presseberichten steht die Rückkehr des jordanischen Botschafters Walid Obeidat nach Israel kurz bevor. Er war vor drei Monaten aus Protest gegen das israelische Vorgehen auf dem moslemischen „Erhabenen Heiligtum“ (Tempelberg) in Jerusalem abgezogen worden.

Der Präsident des „Zentralrats der Juden in Deutschland“ Josef Schuster warnt gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vor Fremdenfeindlichkeit und antiislamischer Hetze in Deutschland und nennt neben der NPD auch den Internet-Blog „Politically Incorrect“. Der hatte sich u.a. immer wieder gegenüber jeder Kritik an der israelischen Regierung verwahrt.

Januar 2015

31.01.2015: Nach Angaben der Vereinten Nationen sind allein in diesem Monat Januar rund 1.400 Menschen im Irak ums Leben gekommen, die Mehrzahl von ihnen Zivilisten. Allein in Bagdad wurden 250 Menschen getötet.

30.01.2015: Der Schriftsteller David Grossman reflektiert in einem Beitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ über die Freiheit. Darin zählt Grossman die Gründe auf, warum Israel kein „Ort der Freiheit“ sei: Die Illusion der persönlichen und kollektiven Sicherheit; die Resignation von Menschen, die sich in einen Zustand der Hoffnungslosigkeit und Unabänderlichkeit des Konflikt mit den Palästinensern fügen; die Zerstrittenheit zwischen Ramallah www.reiner-bernstein.de 202 – Chronologie 2015

und Gaza; die Schlaffheit und die fehlende Initiative der israelischen Regierung und die seit 47 Jahren anhaltende Okkupation. Nach der Shoah könne es auch im 50. Jahr der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland von jüdisch-israelischer Seite kein Vergessen und kein Verzeihen geben. Doch nach 1945 seien neue Generationen herangewachsen, die sich mit der Shoah und mit der Prüfung für sie selbst auseinandersetzen. Damit würden Brücken über den Abgrund geschlagen. Grossman schließt: „In dieser Fähigkeit, sich zu erinnern und Verantwortung zu übernehmen, Schmerz zu empfinden und uns gegenseitig als Menschen in die Augen zu schauen – auch darin liegt eine große Freiheit 230 .“

Die Jerusalemer Bau- und Planungskommission veröffentlicht Ausschreibungen für 450 neue Wohneinheiten in der Westbank: 102 in Kiryat Arba, 78 in Alfei Menashe, 156 in Elkana und 114 in Migron. Außerdem werden weitere 93 Wohneinheiten in Gilo südlich Jerusalems ausgeschrieben 231 . Die Sprecherin des „State Department“ Jen Psaki kritisiert die Entscheidung. Sie werde die Spannungen weiter entflammen, Israel weiter international isolieren und Israels Sicherheit nicht erhöhen.

29.01.2015: Eine militante Gruppe auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel, die „Al- Qaeda“ nahesteht, tötet in der Nähe von El-Arish und Rafah 30 Offiziere der Sicherheitsdienste. Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi bricht seinen Aufenthalt bei der Gipfelkonferenz der Afrikanischen Staaten in Adis Abeba ab. Ronen Steinke schreibt Ende Januar in der „Süddeutschen Zeitung“, dass die Diktatur heute härter sei als in

230 David Grossman: Israel ist kein Ort der Freiheit, in SZ 30.01.2015, S. 11.

231 Dazu die Eintragung am 27.01.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 203 – Chronologie 2015

den früheren Jahrzehnten; in ägyptischen Gefängnissen sollen mehr als 40.000 Menschen festgehalten werden. Der neue Machthaber „wütet furchtbarer als Mubarak in seiner nervösesten Endphase. Sisi bemüht sich, anders als sein Vorvorgänger, nicht einmal mehr um eine Fassade von ‚gelenkter‘ Pressefreiheit und unterwanderter Opposition.“ Trotzdem könne man „nun staunend dabei zusehen, wie die westliche Welt einen immer entspannteren Umgang mit dem Putschgeneral Sisi pflegt. Viele, etwa in Europa, haben eine böse Alternative vor Augen: das chaotische Inferno, das Dschihadisten- Milizen rings herum in arabischen Bürgerkriegsländern anrichten. Dagegen verspricht Sisi immerhin Ordnung. Die deutsche Kanzlerin hat bereits in Aussicht gestellt, nach der ägyptischen Parlamentswahl in sieben Wochen sei Sisi in Berlin ein willkommener Gast“ 232 . Nach Angaben von „Human Rights Watch“ sitzen seit dem Machtwechsel im Juli 2013 nicht weniger als 41.000 Menschen im Gefängnis, darunter 29.000 Moslembrüder. Am 31. Januar stuft ein Gericht in Kairo den militärischen Arm von „Hamas“ als Terrororganisation ein. Ihm wird vorgeworfen, durch die Tunnelanlagen Waffen an die ägyptischen Kämpfer des „Islamischen Staates“ geliefert zu haben.

Über die „UN Interim Force in Lebanon (NIFIL)“ teilt die „Hisbollah“- Führung mit, dass sie die Kampfhandlungen mit Israel beendet, nachdem am 18. Januar auf den Golanhöhen sechs „Hisbollah“- Milizionäre und sechs Angehörige der iranischen Revolutionsgarden getötet worden waren und sie selbst den Angriff auf einen israelischen Militärkonvoi am 28. Januar, bei dem zwei israelische Soldaten ums Leben kamen, als Vergeltung bezeichnete. Am bei einem israelischen Angriff wurde ein spanischer Soldat der UNIFIL getötet, worauf die Regierung in Madrid ungewöhnlich scharf Israel kritisierte. UNIFIL wurde 1978 auf der Grundlage der Resolutionen 425 und 525 des Sicherheitsrates mit dem Auftrag gegründet, den Rückzug der israelischen Truppen aus dem Süden Libanons zu

232 Ronen Steinke: Sisis Staat, in SZ 31.01./01.02.2015, S. 4.

www.reiner-bernstein.de 204 – Chronologie 2015

überwachen und dort den Frieden zu sichern. Während des Krieges 2006 wurde mittels der Resolution 1701 das UNIFIL-Mandat in der Richtung erweitert, dass es sich nunmehr gemäß Artikel VII der UN- Charta um eine bewaffnete Mission handelt. Ihre Mannschaftsstärke beläuft sich auf maximal 1.500 Personen. Seit Juli 2014 steht sie unter dem Kommando eines italienischen Generals.

28.01.2015: Vor der UN-Vollversammlung hat sich Israels Staatspräsident Reuven Rivlin von Auffassungen distanziert, dass sich „der Westen, Christen und Juden mit dem Islam im Krieg“ befinden. Die Opfer von barbarischen Terrorakten hätten mit der Religion oder den Aussagen des Propheten Mohamed nichts zu tun. UN-Generalsekretär Ban ki- Moon würdigt Rivlin bei der Begrüßung als eine ausdauernde und manchmal einsame Stimme der Toleranz.

Jordanien bietet den Austausch eines zum „Islamischen Staat“ gehörigen Terroristen gegen die Freilassung eines als Geiseln festgehaltenen Piloten an, der am 24. Dezember 2014 über dem Nordirak abgeschossen wurde. Nach Informationen der „New York Times“ sollen in Jordanien 60 Islamisten mit Verbindungen zum „Islamischen Staat“ und zu „Al-Qaeda“ festgehalten werden 233 . Am 03. Februar wird der Tod des zweiten Piloten gemeldet. In einem Video wird gezeigt, dass der 26 Jahre alte Mann bei lebendigem Leibe in einem Käfig verbrannt wird. König Abdullah II. bricht vorzeitig seine Besuch in Washington ab. Jordanien ordnet Staatstrauer an. Das Militär schwört Rache. Am frühen Morgen des 04. Februar werden als Vergeltung zwei irakische Djihadisten gehenkt.

233 Dazu die Eintragung am 20.01.2015 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 205 – Chronologie 2015

Wütende Bewohner aus Gaza-Stadt stürmen das Büro des UN- Flüchtlingswerks (UNRWA) aus Protest gegen dessen Entscheidung, die Finanzierung von Häusern einzustellen, die während der israelischen Militäroperation „Schutzschild“ im Sommer 2014 zerstört wurden. Die „Hamas“-Regierung distanziert sich von den Angriffen.

Israels Staatskontrolleur hat sich an den Generalstaatsanwalt mit der Aufforderung gewandt, eine förmliche Untersuchung gegen Sara Netanjahu einzuleiten. Ihr wird vorgeworfen, seit 2009 – dem Amtsantritt ihres Mannes als Ministerpräsident – Pfandmarken Tausender Flaschen im Wert von rund 5.000 bis 6.000 US-Dollar einbehalten zu haben, obwohl das Leergut dem Staat gehört. Nach Auskunft eines Juristen könnte der Vorgang den Tatbestand des Diebstahls oder den eines falschen Vorwandes erfüllen. Ein früherer Angestellter der Residenz des Ministerpräsidenten, der gegen Sara Netanjahu schwere Vorwürfe wegen schlechter Behandlung eingereicht hat, soll erklärt haben, dass er ihr die Pfandmarken habe aushändigen müssen. „Dass es dabei um Flaschen geht, ist nun in der Politik nicht unüblich“ , schreibt Peter Münch am 04. Februar in der „Süddeutschen Zeitung“ bissig zur „endlose(n) Sara-Saga über Kleinmut und Größenwahn, Raffgier und Verschwendungssucht“ 234 .

27.01.2015: Die „Israel Land Administration“ kündigt die Ausschreibung für den Bau großer Hotels im „Heiligen Bassin“, bestehend aus Altstadt, Zionsberg, Ölberg und Garten Gethsemane, im Ostteil Jerusalems an. Auf 129.000 Quadratmetern sollen 580 Betten entstehen, um den Tourismus zu fördern. Das Bezirksgericht Jerusalem hatte am 26. Januar entschieden, dass der Einzug von Siedlern in Silwan rechtens gewesen sei. Die Häuser waren von der nationalistischen jüdischen

234 Peter Münch: Flasche leer, in SZ 04.02.2015, S. 10.

www.reiner-bernstein.de 206 – Chronologie 2015

Organisation „El’ad (In Ewigkeit)“, die im Ausland registriert ist, über palästinensische Strohmänner gekauft worden.

In einem Kommentar mutmaßt Bradley Burston, dass sich das politische Klima in Israel zu Lasten der gegenwärtigen Regierung wende. Der „Likud“ Benjamin Netanjahus liege in Meinungsumfragen hinter der Listenverbindung aus Arbeitspartei Isaac (Yitzhak) Herzogs und der Partei „Die Bewegung (Ha-Tnuah)“ Tsipi Livnis unter dem Namen „Zionistisches Lager“, und Avigdor Liebermans „Unser Haus Israel (Israel Beiteinu)“ müsse um ihren Wiedereinzug in die Knesset fürchten. Nur Naftali Bennetts Partei „Das jüdische Haus (Ha-Bait ha-Yehudi)“ seien in der Wählergunst im Aufwind. Der arabischen Listenverbindung würden mittlerweile 12 Mandate – eines mehr als bisher – zugesprochen 235 .

26.01.2015: Unter Leitung der Hohen Beauftragten der Europäischen Union, der Italienerin Federica Mogherini, kommt in Brüssel das Nahost-Quartett mit seinen Botschaftern aus den USA, der EU, Russland und dem UN-Generalsekretariat zusammen, wobei seine Rolle bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde für die Zwei-Staaten-Lösung erörtert, „die Wichtigkeit der engen Abstimmung mit seinen Partnern“ betont und die Dringlichkeit der Verbesserung der Lebensbedingungen im Gazastreifen unterstrichen werden.

25.01.2015:

235 Bradley Burston: Something’s in the wind in Israel: A change for the better, in „Haaretz“ 27.01.2015. Vgl. dazu meinen Bericht „Das ‘Zionistische Lager’ und Israels arabische Parteien” in der Menüleiste „Berichte aus Nahost“ in dieser Homepage.

www.reiner-bernstein.de 207 – Chronologie 2015

Aus Anlass des vierten Jahrestages des beginnenden „Arabischen Frühlings“ am 25. Januar 2011 in Kairo, der Mitte Februar zum Sturz von Staatspräsident Hosni Mubarak führte, kommen in mehreren Städten Ägyptens infolge brutaler Polizeieinsätze gegen Demonstranten nach Pressemeldungen 18 Menschen ums Leben.

24.01.2015: Obwohl sie sie Benjamin Netanjahu in der Vergangenheit als „unmoralisch, verantwortungslos und dumm“ bezeichnet hat, bietet er Caroline B. Glick, die sich in ihrem Buch „The Israeli Solution“ (New York 2014) für einen Staat Israel zwischen Mittelmeer und Jordan ausgesprochen hat, den 11. Platz auf der „Likud“-Kandidatenliste für die Wahlen am 17. März an.

Israels Staatspräsident Reuven Rivlin verzichtet während seines Besuchs in den USA aus Anlass des Gedenkens an die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar auf eine Begegnung mit Barack Obama, um sich nicht in die gestörten Beziehungen zwischen dem US-Präsidenten und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hineinziehen zu lassen.

Nach einem Bericht von „Bild am Sonntag“ hat die Bundesregierung die Auslieferung von Kriegswaffen an Saudi-Arabien gestoppt. „Haaretz“ berichtet am 26. Januar, dass die USA das israelische Verteidigungsministerium daran gehindert haben, die ausgemusterten Helikopter vom Typ „Cobra“ an Nigeria zu verkaufen.

23.01.2015: Der frühere türkische Staatspräsident Abdullah Gül fordert seinen Amtsnachfolger Recep Tayyip Erdo ğan aufgefordert, für mehr Demokratie und Rechtsstaat zu sorgen. www.reiner-bernstein.de 208 – Chronologie 2015

US-Präsident Barack Obama würdigt nach dem heutigen Tod des 91 Jahre alten saudischen Königs Abdullah Bin Abd Al-Aziz die strategische Partnerschaft zwischen beiden Staaten. Dagegen vergleicht der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz die Bestrafung des saudischen Bloggers Raif Badawi als eine „Hinrichtung auf Raten“ mit den Hinrichtungen der Terrormilizen des „Islamischen Staates“. Nach Medienberichten soll die Auspeitschung mittlerweile gestoppt und die verfügte Haftstrafe reduziert worden sein 236 . Nachfolger Abdullahs, der am 01. August 2005 den Thron bestieg, ist sein am 31. Dezember 1935 geborener Halbbruder Salman. In mehreren arabischen Staaten wird Trauer angeordnet. Zvi Bar’el erinnert am 24. Januar daran, dass Thomas L. Friedman im Vorfeld der Arabischen Friedensinitiative, die von Saudi-Arabien auf der arabischen Gipfelkonferenz in Beirut im März 2002 vorgetragen wurde, den damaligen Kronprinzen Abdullah interviewt hat, wobei dieser betont habe: „I wanted to find a way to make clear to the Israeli people that the Arabs don’t reject or despise them. But the Arab people do reject what their leadership is now doing to the Palestinians, which is inhumane and oppressive” 237 . Da Salman gesundheitlich als gebrechlich gilt, werden dem 69 Jahre alten Prinz Muqrin Chancen für eine baldige Nachfolge eingeräumt. Bei den Trauerfeierlichkeiten am 24. Januar wird Deutschland durch den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff vertreten. Die britische Regierung ordnet auf ihren Regierungsgebäuden und am Buckingham Palace Trauerbeflaggung an. Um seine Stellung als Herrscher zu festigen, entlässt Salman am 30. Januar eine Reihe hochrangiger Repräsentanten des Regimes. In ihren Ämtern bleiben Außenminister Saud Al-Faisal und Finanzminister Ibrahim Al-Assaf.

236 Vgl. die Eintragung am 12.01.2015 in dieser Zeitleiste.

237 Zvi Bar’el: The Saudi king is dead, long live the kingdom, in „Haaretz“ 24.01.2015.

www.reiner-bernstein.de 209 – Chronologie 2015

21.01.2015: Nach offiziellen statistischen Angaben und Untersuchungen von „Haaretz“ sind in den vergangenen zwei Jahren – seit dem Amtsantritt von Uri Ariel als Wohnungsbauminister – fast ein Drittel des Wohnungsbau-Budgets in die jüdischen Siedlungen gegangen, womit 2.400 der insgesamt 8.000 Wohneinheiten dort mit Kosten von 46,7 Millionen US-Dollar entstanden sind 238 .

Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses John Boehner (Republican / Ohio) lädt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für den 11. Februar zu einer Rede vor beiden Häusern des Kongresses ein. Dort soll sich Netanjahu, der die Einladung akzeptiert hat, „zu den schweren Bedrohungen seitens des radikalen Islam und zu Iran“ als Herausforderung für die Sicherheit Israels äußern. Das Weiße Haus und die Sprecherin des „State Department“ kritisieren die Einladung als „Abweichung vom üblichen Protokoll“ . Kommentatoren bezeichnen sie als Einmischung in den israelischen Wahlkampf zugunsten des „Likud“ und ein politisches Votum für einen Republikaner in der Amtsnachfolge Barack Obamas. Am 22. Januar telefoniert Obama mit Netanjahu und verbittet sich dessen Einmischung in die Verhandlungen mit dem Iran über dessen Nuklearprogramm. Gleichzeitig wird bekannt, dass Obama, Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry eine Begegnung mit Netanjahu meiden wollen, wenn dieser nunmehr am 03. März nach Washington kommt. Am 01. März will Netanjahu vor dem „American Israel Public Affairs Committee /AIPAC)“ auftreten. In der „New York Times“ wird Dennis Ross, der frühere Berater von Präsident Bill Clinton, am 22. Januar mit den Worten zitiert, dass es in den Beziehungen zwischen Obama und Netanjahu sicher nicht nur

238 Chaim Levinson: Settlement housing gets third of Israeli state funds for ‘national priority’ areas, in „Haaretz“ 21.01.2015; Chaim Levinson: Ministry planned expansion of West Bank settlement beyond separation barrier, in „Haaretz“ 26.01.2015.

www.reiner-bernstein.de 210 – Chronologie 2015

Spannungen, sondern „eine Menge Misstrauen“ gebe 239 . Am 24. Januar spricht sich die US-amerikanische Senatorin Diane Feinstein (Democrat / California) gegenüber „Haaretz“ gegen den Auftritt Netanjahus vor dem Kongress aus und verwahrt sich gegen die israelische Einmischung in die Verhandlungen Washingtons mit dem Iran 240 . Auch der frühere israelische Botschafter in Washington zwischen 2009 und 2013 Michael Oren verlangt von Netanjahu den Verzicht. Am 30. Januar berichtet „Haaretz“ von einem Telefonat Netanjahus mit dem Vorsitzenden der Demokraten im Senat Harry Reid, in dem dieser angekündigt habe, die Unterstützung für ein Gesetz für weitere Sanktionen gegen den Iran zurückzuziehen.

Mit dem Terroranschlag in Paris vergleichend, macht Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Palästinensische Autonomiebehörde für den Anschlag eines aus Tulkarem stammenden 23 Jahre alten Mannes auf einen Bus in Tel Aviv verantwortlich, bei dem 12 Israelis verwundet wurden. Der Mann wird festgenommen. Außenminister Avigdor Lieberman beschuldigt außerdem die politische Führung der arabischen Bevölkerung Israels, für den Anschlag verantwortlich zu sein.

20.01.2015: In einem Video verlangt die Terrororganisation „Islamischer Staat“ für die Freilassung von zwei japanischen Geiseln von der Regierung in Tokio innerhalb von 72 Stunden 200 Millionen US-Dollar Lösegeld und den Verzicht auf die weitere Beteiligung am internationalen Militäreinsatz gegen ihre Milizen. Am 24. Januar wird bekannt, dass eine der beiden Geiseln geköpft wurde. Am 31. Januar stellen die

239 David E. Sanger, Michael D. Shear and Jodi Rudoren: Obama Not Planning to Meet With Israeli Premier, in NYT 22.01.2015.

240 Chemi Shalev: Feinstein tells Haaretz: PM speech ‘inappropriate,’ Iran sanctions ‘dangerous’, in „Haaretz“ 24.01.2015.

www.reiner-bernstein.de 211 – Chronologie 2015

Terrormilizen ein Video mit der Hinrichtung der zweiten japanischen Geisel ins Netz.

In einem Gespräch mit dem palästinensischen Chefunterhändler Saeb Erakat in Jerusalem, aus dem „Haaretz“ berichtet, beschuldigt dieser die US-Administration und besonders Außenminister John Kerry, jegliche Zusammenarbeit bei der Erarbeitung eines Entwurfs für den UN-Sicherheitsrat zur Beendigung der israelischen Besatzung und zur Gründung des Staates Palästina bis Ende 2017 verweigert und alle Hebel in Bewegung gesetzt zu haben, auf die anderen Mitglieder des Gremiums Einfluss zu nehmen 241 .

19.01.2015: Die Partei „Israel Beiteinu (Unser Haus Israel)“ beschließt unter symbolischer Beteiligung ihrer Mitglieder die Kandidatenliste für die Wahlen am 17. März. Sie bestehe, urteilt „Haaretz“, aus einem Kommandeur – Avigdor Lieberman – und einer „Reihe disziplinierter Fußsoldaten“ , von denen die meisten unbekannt seien. Gegenüber den Wahlen 2009 mit 13 Abgeordneten könne die Partei diesmal nur mit fünf oder sechs Mandaten rechnen. Unter den ersten 10 Listenplätzen sind je vier Frauen und vier Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Zu den Werbeslogans der Partei gehört die Forderung, von den Staatsbürgern arabischer Volkszugehörigkeit einen „Loyalitätseid“ für Israel zu verlangen, sowie die Annexion der in der Westbank liegenden Siedlerstadt Ariel mit 20.000 Einwohnern und die Abgabe der größten arabischen Stadt in Israel Um El-Fahm mit 50.000 Einwohnern an einen Staat Palästina – dessen Gründung Lieberman ablehnt 242 .

241 Aaron Magid: A crisis in U.S.-Palestinian ties, in „Haaretz“ 20.01.2015. Vgl. die Eintragung am 05.01.2015 in dieser Zeitleiste.

242 Dazu mein Beitrag „Das ‚Zionistische Lager‘ und Israels arabische Parteien“ in der Menüleiste „Veröffentlichungen“ dieser Homepage. www.reiner-bernstein.de 212 – Chronologie 2015

Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ lässt im autonomen Kurdistan Iraks 196 Jeziden – vor allem Kranke, alte Menschen und Kinder – frei, die sich seit fünf Monaten in ihrer Gefangenschaft befanden. Die Gründe für die Freilassung sind unbekannt.

18.01.2015: Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ordnet gemäß seinen Richtlinien eine Voruntersuchung zur „Lage in Palästina“ seit dem 13. Januar 2014 an. Gegen die Entscheidung ruft Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Bundesrepublik Deutschland, Kanada und Australien auf, die Finanzierung des Gerichtshofs einzustellen, weil es sich politische Kompetenzen anmaße. Außenminister Avigdor Lieberman geht noch einen Schritt weiter und verlangt seine Auflösung. Dagegen begrüßen die Palästinensische Autonomiebehörde und die „Hamas“-Regierung im Gazastreifen die Entscheidung aus Den Haag 243 . In einem Interview mit der Zeitschrift „Internationale Politik und Gesellschaft“ warnt der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Christoph Strässer davor, die Finanzierung des Gerichtshofs einzustellen. Außerdem verweist er darauf, dass das Gericht nicht nur israelische, sondern auch palästinensische Kriegsvergehen untersuchen wolle. Vor und während des Gaza-Krieges im Sommer 2014 seien „schwerste Menschenrechtsverletzungen von Seiten der Hamas-Regierung begangen worden“, so Exekutionen und „extra legale Tötungen“244 . Am 25. Januar veröffentlicht „Haaretz“ ein juristisches Porträt von Fatou Bensouda, der Chefanklägerin in Den Haag. 1961 in Gambia in eine muslimische Familie geboren, hatte sie eine steile juristische

243 Vgl. die Eintragung am 07.01.2015 in dieser Zeitleiste.

244 Christoph Strässer: „Die Reaktion Israels ist kontraproduktiv und überzeugen“ (Interview), in „Internationale Politik und Gesellschaft“19.01.2015.

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Karriere in Afrika hinter sich, bevor sie 2012 ernannt wurde. Der Autor des Porträts zitiert Bensouda mit der Ankündigung „Straflosigkeit findet ein Ende“ 245 .

Auf den Golanhöhen kommt es bei der syrischen Ortschaft Quneitra zu einem schweren Zwischenfalls, bei dem es durch zwei unbenannte israelische Drohnen 12 Tote gibt, darunter zwei „Hisbollah“-Kommandeure und ein iranischer General der „Revolutionsgarden“, die an der Seite des syrischen Präsidenten Bashar Assad kämpfen. Unter den Toten ist auch der 25 Jahre alte Djihad Mughniyeh, dessen Vater Imad Mughniyeh am 12. Februar 2008 bei einem Attentat in Damaskus ums Leben kam 246 . Die Vereinten Nationen bezeichnen den Zwischenfall als eine Verletzung des israelisch-syrischen Truppenentflechtungsabkommens von 1974.

14.01.2015: Öffentliche Spekulationen – auch heute noch einmal von Uri Avnery in Aussicht genommen –, dass der Vorsitzende der neuen Partei „Wir alle (Kulanu)“ Moshe Kahlon – sie tritt auch unter dem Namen „Mit uns (Kulanu)“ auf – nach den Knesset-Wahlen am 17. März in eine sogenannte Mitte-Links-Regierung eintreten könnte, macht dieser mit der Bemerkung zunichte, dass er keine Chancen für einen Friedensvertrag mit den Palästinensern in absehbarer Zukunft sehe. Gegenwärtig haben wir keinen Partner auf der anderen Seite, mit dem wir sprechen könnten, begründet Kahlon seine Absage. Ein mutiger Führer müsse dafür sorgen, dass Israel als jüdischer Staat, wenn auch ohne den Gesetzentwurf zur Definition Israels als „Nationalstaat des jüdischen Volkes“, mit einem unter allen Umständen vereinigten Jerusalem und den großen Siedlungsblöcken

245 Aeyal Gross: Meet the ICC prosecutor who may shape the course of Israeli-Palestinian conflict, in „Haaretz“25.01.2015.

246 Vgl. zuletzt die Eintragung am 16.07.2008 in dieser Zeitleiste.

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in der Westbank [Gush Etzion, Ma‘ale Adumim und Nachbarorten sowie Ariel] anerkannt werde. Eine Rückkehr auf die Grenzen vor 1967 komme nicht in Frage, und die Frage um die palästinensischen Flüchtlinge müsse zurückgewiesen werden. Seine Partei repräsentiere einen gemäßigten „Likud“. Der ehemalige Botschafter in Washington Michael Oren schließt sich der Partei an.

Im arabischen Vorort Beit Safara südlich Jerusalems werden 11 Autos mit der Parole „Militärischer Trennungsbefehl“ besprüht.

Wegen seiner Kritik an der israelischen Politik bezeichnet Außenminister Avigdor Lieberman gegenüber israelischen Botschaftern den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdo ğan als einen „antisemitischen Schläger“ . Die Nachrichtenagentur „Reuters“ erinnert in ihrem Bericht daran, das Lieberman 1970, aus Moldavien kommend, in Israel eingewandert sei und als Rausschmeißer in einem Nachtklub gearbeitet habe.

13.01.2015: Auf dem Friedhof Givat Shaul in Jerusalem, gelegen an der Autobahn-Ausfahrt in Richtung Tel Aviv, werden die vier jüdischen Opfer Yoav Hattab, Philippe Braham, Yohan Cohen und François- Michel Saada des Mordanschlags in Paris am 09. Januar 2015 zu Grabe getragen. In seiner Ansprache fordert Staatspräsident Reuven Rivlin die europäischen Regierungen auf, für die Sicherheit ihrer jüdischen Staatsbürger zu sorgen. Es könne nicht sein, dass 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Juden Angst haben, mit einer Kippa und mit Schaufäden („Tsitsiot“) auf den Straßen zu gehen 247 .

Für den am Abend vor dem Berliner Brandenburger Tor vorgesehenen Mahnwache der „Türkischen Gemeinde“ und des

247 Vgl. die Eintragung am 07.01.2015 in dieser Zeitleiste.

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„Zentralrats der Muslime in Deutschland“ unter Beteiligung von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel heißt es im Aufruf des Zentralrates: „Wir Muslime in Deutschland verurteilen die niederträchtigen Terroranschläge in Frankreich auf das Schärfste. Wir wollen unsere Solidarität mit dem französischen Volk zum Ausdruck bringen 248 .“ Am 15. Januar will nach einer Erklärung von Bundestagspräsident Norbert Lammert die Bundeskanzlerin eine Regierungserklärung zu den Terroranschlägen in Paris im Bundestag abgeben.

Bei den internen Wahlen der Arbeitspartei für die Aufstellung der Kandidaten für die Entscheidungen am 17. März gewinnen neben dem Spitzenkandidaten Isaac (Yitzhak) Herzog die Anführer der sozialen Proteste vom Sommer 2011 Stav Shaffir und Itzik Shmuli die Listenplätze 4 und 5. Platz 2 ist Tsipi Livni als Repräsentantin der Partei „Die Bewegung (ha-Tnuah)“ vorbehalten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisiert die Kandidaten als Antizionisten.

12.01.2015: J.J. Goldberg meldet in dem US-amerikanisch-jüdischen Blatt „Forward“, dass die israelische Tageszeitung „Yedioth Achronot“ über ein geheimes Papier berichtet habe, wonach hohe Mitarbeiter des Jerusalemer Auswärtigen Amtes vor einer wachsenden Entfremdung zwischen Europa und Israel wegen der Siedlungspolitik gewarnt haben. Auch sei nicht mehr sicher, dass Washington nach den Knesset-Wahlen am 17. März mit einem Sieg der politischen Rechten erneut mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat drohen werde, sollte bei den Vereinten Nationen neuerlich ein palästinensischer Antrag auf Mitgliedschaft eingehen. Die Europäer, heiße es weiter in dem Papier, das den israelischen Botschaftern übermittelt worden

248 Vgl. die Eintragung am 07.01.2015 in dieser Zeitleiste.

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sei, würden eine klare Verbindung zwischen den politischen und den wirtschaftlichen Beziehungen zu Israel herstellen, weil die Regierungen das Scheitern der israelisch-palästinensischen Friedensgespräche überwiegend der Politik Benjamin Netanjahus zuschreiben würden. Die Forderung des Ministerpräsidenten anlässlich der Mordanschläge in Paris, dass Europa im Kampf gegen den Terrorismus Israel unterstützen solle, verkenne, schreibt Goldberg unter Bezugnahme auf europäische Kreise, dass sich der islamistische Terror gegen die Siedlungspolitik, der gegen Europa aber gegen die westliche Zivilisation richte249 .

Der ägyptische Staatspräsident Abdel Fatah Al-Sisi ermächtigt die Regierung, alle ausländischen Publikationen zu verbieten, die die Religion abgreifen, weil sie die öffentliche Ordnung gefährden würden.

12.01.2015: In Berlin und in Jerusalem stellt die Konrad-Adenauer-Stiftung die Ergebnisse ihrer Umfrage unter Israelis und Palästinensern zu deren Deutschlandbild vor. Danach hat jeder vierte Israeli eine „sehr positive Einstellung“, ein Fünftel bewertet Deutschland negativ. 57 Prozent glaubten, dass man den Deutschen trauen könne. 60 Prozent vertraten die Auffassung, dass Deutschland eine wichtige Rolle in der internationalen Politik spielen könne, während 54 Prozent die Meinung vertraten, dass die Bundesregierung im Konflikt mit den Palästinensern ein „ehrlicher Maler“ sein könne. Unter den Palästinensern halten 68 Prozent diese Rolle für verfehlt, während die Mehrheit sich ebenfalls für ein stärkeres deutsches Engagement in der internationalen Politik aussprach. Der Vorsitzende der Stiftung

249 J.J. Goldberg: Secret Israeli report sees rift with Europe growing, in „Forward“ 12.01.2015.

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Hans-Georg Pöttering bekennt sich bei der Präsentation zur Zwei- Staaten-Lösung, meldete aber zugleich „heftigsten Widerstand“ gegen den Siedlungsbau“ und „jede Form der Gewalt (an) , die insbesondere von Hamas ausgeht“ .

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes teilt während einer Pressekonferenz in Berlin mit, dass nach seinen Informationen weit mehr als 700 Millionen Euro aus deutschen Mitteln für die Opfer des Bürgerkrieges in Syrien bereitgestellt worden seien. Da das Ende des Bürgerkrieges nicht in Sicht sei, bemühe sich der UN- Sonderbeauftragte Staffan de Mistura wenigstens um darum, an verschiedenen Brennpunkten – so in Aleppo – die Einstellung der Kämpfe zu erreichen. Allerdings seien diese „Bemühungen in den letzten Monaten nicht deutlich vorangekommen“ . Das „Niveau der Gewalt ist weitgehend unverändert“ . Die Resolution des Sicherheitsrates 250 habe zwar Verbesserungen gebracht, „ohne dass irgendjemand behaupten würde, dass die Lage bereits so wäre, dass wir alle damit zufrieden sind“ . In einer zweiten Fragerunde verurteilt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes scharf die „entsetzliche und durch gar nichts zu rechtfertigende“ Strafe von 10 Jahren Haft und 1.000 Peitschenhieben für den saudischen Blogger Raif Badawi, dem die „Beleidigung des Islam“ und Kritik an der Religionspolizei „Mutawa“ vorgeworfen wurde. Außerdem soll er eine Strafe von 200.000 Euro zahlen. Sein Überleben ist fraglich. Die Regierung in Riyadh hatte die islamistischen Anschläge in Paris verurteilt. Die Zahl der 2014 vollstreckten Todesurteile ist enorm.

11.01.2015: In einem Telefonat zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Präsident Barack Obama über die Mitgliedschaft der Palästinenser im Internationalen Strafgerichtshof in Den

250 Vgl. etwa die Eintragung am 22.02.2014 in dieser Zeitleiste.

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Haag bestätigt Obama, dass Palästina kein Staat sei, so dass die USA der Mitgliedschaft nicht zustimmen würden. Die Berichte über das Telefonat melden nicht, dass die israelische Politik einer palästinensischen Staatlichkeit die Zustimmung verweigert.

Durch die Mitgliedschaft von Avraham Burg in der überwiegend arabischen „Demokratischen Front für Frieden und Gleichheit“ 251 ist eine heftige innerjüdische Debatte entbrannt. Dass ihn ausgerechnet Yossi Beilin, der Leiter des israelischen Teams der „Genfer Initiative“, dafür kritisiert hat, ist von dem früheren Knesset-Präsidenten mit der Bemerkung zurückgewiesen worden, sein Freund – dem er den Einstieg in die Politik verdanke – hänge noch immer an den alten Slogans, wonach sich der Zionismus mit der Gründung des Staates Israel 1948 noch nicht erfüllt habe. Dieser sei zwar zu einem erstaunlichen Erfolg für die jüdischen Staatsbürger, jedoch zur Ursache der Verzweiflung für alle anderen geworden. Die Zeit sei gekommen, so Burg, die Rolle der zionistischen Bewegung durch eine Empfindung für den Israelismus („Israeliness“) zu ersetzen – gleiche Rechte für alle Staatsbürger anstatt Ungerechtigkeit und Diskriminierung im Namen einer Ideologie, die sich überholt habe 252 .

Die israelischen Behörden verweigern 7 von 15 Bischöfen die Einreise in den Gazastreifen. Eine aus 40 Personen bestehende Delegation aus 15 Ländern hält sich auf Einladung des Lateinischen Patriarchen Fouad Twal gegenwärtig zur Teilnahme am „Internationalen Bischofstreffen zur Solidarität mit den Christen im Heiligen Land“ im Land auf.

251 Dazu der Beitrag „Israels arabische Parteien ringen um eine gemeinsame Liste“ in der Menüleiste „Berichte aus Nahost“ dieser Homepage.

252 Avraham Burg: Beilin, my friend:Your ideological path has reached its end. Let’s try something else, in „Haaretz”11.01.2015.

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09.01.2015: „Haaretz“ berichtet über eine Untersuchung für die Knesset, wonach die internationalen Sanktionsmaßnahmen und die BDS-Kampagnen einzelner Protestgruppen in Israel auf der makroökomischen Fläche wenig Wirkung gezeigt hätten. So hätten sich die israelischen Exporte in die Europäische Union seit 2005 verdoppelt, von jährlich 7,8 auf nunmehr 15,6 Milliarden US-Dollar. Ausfälle seien durch steigende Exporte in asiatische Staaten ausgeglichen worden. Außerdem ließen sich exportierte Bauteile besonders für elektronische Produkte, die von internationalen Unternehmen genutzt würden, schwer kontrollieren 253 .

08.02.2015: Die Wahlkommission Ägyptens gibt bekannt, dass zwischen dem 22. März und 27. April in zwei Etappen die neuen 627 Abgeordneten des Parlaments in den 237 Wahlkreisen gewählt werden sollen, wobei am 07. Mai die Stichwahlen stattfinden würden.

Im Interview, das „Haaretz“ heute veröffentlicht, erklärt der frühere Ministerpräsident Ehud Barak, dass er im Gespräch mit seinem Amtsnachfolger Benjamin Netanjahu dazu geraten habe, einen Angriff auf die Nuklearanlagen des Iran durch neue Verhandlungen mit den Palästinensern zu begleiten. Damit würden sich auch die getrübten Beziehungen zu Europa verbessern. Für Barak ist der Marsch in einen Staat für zwei Nationen vorprogrammiert. Der ihn interviewende Journalist hält es für möglich, dass sich Barak die Option als nationale Führungsreserve offenhält wie einst Charles de Gaulle, der den Bürgerkrieg in Algerien beendete. Bei den bevorstehenden Wahlen am 17. März gibt sich Barak als Anhänger

253 Ora Cohen and Zvi Zrahiya: Knesset report: BDS movement has no impact on economy, in „Haaretz” 09.01.2015.

www.reiner-bernstein.de 220 – Chronologie 2015

der Arbeitspartei unter Führung von Isaac (Yitzhak) Herzog zu erkennen 254 .

Ari Shavit bedauert in seinem Kommentar, dass sich der Wahlkampf für den 17. März mittlerweile wieder auf die Themen „Wirtschaft“ und „soziale Fragen“ konzentriere und Israels Außenwelt nicht zur Kenntnis genommen werde, obwohl sich die Vorstellung von „Sicherheit ohne Frieden“ als Illusion erwiesen habe 255 .

07.01.2015: Zwei islamistische Terroristen, die Brüder Chérif und Saïd Kouachi, ermorden am Mittag in Paris zehn Mitarbeiter der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ und zwei Polizisten, darunter einen Moslem durch einen gezielten Kopfschuss. Die Zeitschrift hatte verschiedentlich Karikaturen mit Zeichnungen des Propheten Mohamed, so im Jahr 2011, und am Tag des Anschlags mit dem Kalifen des „Islamischen Staates“ Abu Bakr Al-Bagdadi veröffentlicht. Über Paris wird der Ausnahmezustand verhängt. In vielen Großstädten des Landes finden Solidaritätsdemonstrationen für die Pressefreiheit statt. Moslemische Verbände und Einrichtungen in Frankreich und international verurteilen die Bluttat scharf. Auch der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdo ğan betont, der „Terrorismus hat keine Religion und keinen Nationalität“ . Die Propagandisten des „Islamischen Staates“ verbreiten ein Video der Mordtat. Am 08. Februar kommt es in Frankreich zu mehreren Anschlägen gegen Moscheen und Gewalttaten mit Todesfolge, die „Trittbrettfahrern“ zugeordnet werden. Bei einer Suchaktion von Sicherheitskräften in der Ortschaft Dammartin-en-Goële (Region Île de France) soll am

254 Gidi Weitz: Former MP Barak: Netanyahu leading Israel to disaster, in „Haaretz” 08.01.2015.

255 Ari Shavit: Herzog’s mission: Give Israelis a concrete plan for hope, in „Haaretz” 08.01.2015.

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frühen Morgen des 09. Januar mindestens ein Mensch ums Leben gekommen sein. Am Nachmittag werden die beiden Attentäter von Paris getötet. In Paris wird am Abend ein dritter Islamist, Amedy Coulibaly, getötet, als er in dem jüdischen „Hyper Cacher“-Markt in der Rue de Rosiers an der Porte de Vincennes die vier Juden Yoav Hattab (22 Jahre), Philippe Braham (45 Jahre), Yohan Cohen (22 Jahre) und François- Michel Saada (55 Jahre) ermordet, weil „das Juden sind“ . Sie werden am 12. Januar auf dem Ölberg in Jerusalem mit Staatspräsident Reuven Rivlin an der Spitze der Trauernden begraben. Nach Medienberichten sollen bis zu zehntausend Juden beabsichtigen, Frankreich in Richtung Israel zu verlassen; 2014 sollen fast 6.700 dorthin ausgewandert sein; bei der Einweihung des „Mémorial de la Shoah“ am 27. Januar in Paris berichtet Staatspräsident François Hollande, dass 3.293 Juden im Jahr 2013 und 7.231 im Jahr 2014 nach Israel ausgewandert seien. Am 10. Januar erklärt Premierminister Manuel Valls, dass sich Frankreich mit dem radikalen Islam im Krieg befinde. Es gebe einen neuen Antisemitismus im Lande, der sich aus mehreren Quellen speise: in Nachbarschaften sowie unter Einwanderern aus dem Nahen Osten und aus Nordafrika. Es sei legitim, die Politik Israels zu kritisieren, doch die radikale Kritik an der Existenz Israels sei antisemitisch. Eine Republik ohne Juden sei keine Republik mehr 256 .

Amos Harel erinnert in „Haaretz“ an Terrorakte in Brüssel 2011 gegen das Jüdische Museum und in Toulouse 2012 gegen eine jüdische Schule sowie im australischen Sydney im Dezember 2014. Auch wenn, so der Autor, Europa zunehmend verwundbar gegen den Terror geworden sei, bedeute das noch keine wachsende Empathie für das israelische Vorgehen gegen „Hamas“ und den „Islamischen Djihad“, denn beide seien mit den mörderischen

256 Jeffrey Goldberg: French Prime Minister Warns: If Jews Flee, the Republic Will Be Judged a Failure, in „The Atlantic” 10.01.2015.

www.reiner-bernstein.de 222 – Chronologie 2015

Aktivitäten des „Islamischen Staates“ nicht gleichzusetzen 257 . Roy Iscarowitz ergänzt, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit der Bemerkung richtig liege, dass der Pariser Terrorakt sich gegen die westliche Zivilisation insgesamt richte, dabei jedoch fälschlicherweise annehme, dass er in Israel zu ihren Verteidigern gehöre 258 . Wenn Israel gemäß den Worten Netanjahus tatsächlich vom Gesetz regiert werde und seine Armee das internationale Recht achte, fragt Caroline Landsman, warum verwahre er sich dann gegen den palästinensischen Gang nach Den Haag 259 ? In einem Interview bekennt Daniel Cohn-Bendit nach dem Mord an vier Juden am 09. Januar im Pariser „Hyper Cacher“-Markt, dass er sich als Jude fühle, nachdem sein ganzes bisheriges Leben nicht-jüdisch gewesen sei.

Der Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“ Kurt Kister kommentiert am 09. Januar, dass „der Allmächtige, sollte er denn irgendwie existieren, (…) keine solchen Rächer aus der Gosse (braucht)“. Die „Mörder seien Feinde Gottes und der Menschen“ 260 .

Am Nachmittag des 10. Januar versammeln sich in Dresden 35.000 Demonstranten gegen „Pegida“. Der Sprecher des örtlichen Islamischen Zentrums verurteilt die Mordtaten in Paris und drückt die Hoffnung aus, dass die Flüchtlinge aus dem arabischen Raum ein Leben ohne Angst führen können.

Am 09. Januar veröffentlichen die Spitzen der Katholischen und Evangelischen Kirche in Deutschland, der Muslime und der Juden

257 Amos Harel: Paris shooting won’t garner European sympathy for Israel, in „Haaretz” 08.01.2015.

258 Roy Iscarowitz:Bibi’s vulgarity: Using the Paris shooting to justify Israeli colonialism, in „Haaretz” 08.01.2015.

259 Caroline Landsman: Freezing the Palestinian funds and Netanyahu’s distorted vision, in „Haaretz” 09.01.2015.

260 Kurt Kister: Einig gegen die Fanatiker, in SZ 09.01.2015, S. 4.

www.reiner-bernstein.de 223 – Chronologie 2015

einen gemeinsamen Aufruf gegen den Terror und für das friedliche Miteinander der Religionen in der „Bild-Zeitung“. Am 11. Januar nehmen an einer Gedenkmarsch auf dem „Place de la République“ allein in Paris viele hunderttausend Menschen teil – darunter Tausende Muslime. Inoffizielle Angaben sprechen von bis zu 1,5 Millionen Demonstranten. Der „Front National“ mit Marine Le Pen an der Spitze bleibt formal – das heißt ohne ausdrückliche Einladung – trotz ihrer Intervention bei Staatspräsident François Hollande ausgeschlossen. Angemeldet sind über 50 Staats und Regierungschefs aus aller Welt, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel – neben Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Innenminister Thomas de Maizière –, der britische Premierminister David Cameron, Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, sein spanischer Amtskollege Mariano Rajoy, der Präsident der Europäischen Union Jean-Claude Juncker, der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz , der türkische Ministerpräsident Ahmet Davuto ğlu und der jordanische König Abdullah II. Vertreten sind außerdem der palästinensische Präsident Machmud Abbas und – nachdem die israelischen Minister Avigdor Lieberman – wohnhaft in der Siedlung Nokdim in der Westbank –, Naftali Bennett und Eli Yishai ihre Teilnahme angekündigt haben – auch Benjamin Netanjahu. Die USA begnügen sich mit einer Grußbotschaft von Außenminister John Kerry, Russland ist durch Kerrys Amtskollegen Sergej Lawrow vertreten. Am späten Nachmittag besuchen Hollande und Netanjahu die Große Synagoge in Paris. In einer aufgezeichneten Ansprache ruft Netanjahu die französischen und europäischen Juden zur Einwanderung nach Israel auf, weil Europa mit dem Antisemitismus nicht fertig werde; 2014 sollen 26.500 französische Juden nach Israel gegangen sein, andere Angaben sprechen von 7.000 oder nur 6.000. In der Wiedergabe des Sammelfotos von der Solidaritätskundgebung in Paris sind in der ultraorthodoxen Zeitung „Der Bote (ha-Mevasser)“ www.reiner-bernstein.de 224 – Chronologie 2015

Merkel und die jordanische Königin Rania entfernt worden, weil Frauen im öffentlichen Leben nichts zu suchen hätten. Das zweite israelische Fernsehprogramm meldet, dass der Elysée darum gebeten habe, dass Netanjahu nicht nach Paris komme, um die Solidaritätskundgebung für die 17 Mordopfer nicht durch Kommentare zu den jüdisch-moslemischen Beziehungen, zum Nahostkonflikt und zu antisemitischen Vorgängen in Frankreich zu vermischen. Auch solle vermieden werden, dass Netanjahu seinen Aufenthalt für eine Werbetour zum 17. März nutze. Erst als Netanjahu auf seiner Teilnahme bestanden habe, sei auch der palästinensische Präsident Machmud Abbas eingeladen worden.

In der Nacht zum 11. Januar wird das Gebäude der „Hamburger Morgenpost“ Ziel eines Brandanschlags, nachdem das Blatt Karikaturen von „Charlie Hebdo“ übernommen hatte. Für den 13. Januar haben der „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ unter Leitung von Aiman Mazyek von der „Türkischen Gemeinde“ zu einer Mahnwache für Weltoffenheit und Toleranz vor dem Berliner Brandenburger Tor aufgerufen. An ihr werden Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit zahlreichen Mitgliedern des Kabinetts teilnehmen.

Am 16. Januar bezweifelt der an der Hebräischen Universität in Jerusalem und am Darmouth College lehrende Bernard Avishai, dass die nach Israel auswandernden französischen Juden das nicht finden würden, was sie in ihrer alten Heimat mittlerweile vermissen: die Trennung von Staat und Religion, welche das Zelotentum mildert, die Rechtsgleichheit aller Staatsbürger, welche die Gewalt einschränkt, soziale Gerechtigkeit zwischen arm und reich und, ein Ende von Unterdrückung, unter der die Palästinenser leiden? Dreimal nein, antwortet Avishai 261 . Am selben Ort fragt der Publizist

261 Bernard Avishai: Netanyahu sells French Jews short, und Shmuel Rosner: Why leave France for Israel?, in „The International New York Times” 16.01.2015, S. 8. www.reiner-bernstein.de 225 – Chronologie 2015

Shmuel Rosner, ob der Staat Israel tatsächlich auf die Botschaft der Terroristen einschwenken wolle, dass es in Frankreich für Juden keinen Platz gebe und damit eine viele Jahrhunderte lange jüdische Geschichte beendet werden solle. Rosner erinnert daran, dass beim Besuch Netanjahus in der Pariser Großen Synagoge die „Marseillaise“, die französische Nationalhymne, mit dem Refrain „An die Waffen, Bürger!“ gesungen wurde.

In einer ausführlichen Rechtsbetrachtung listet Reinhard Müller in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die Chancen und Hürden der palästinensischen Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag auf, wobei er zunächst darauf hinweist, dass sich 122 Staaten – nicht jedoch die USA , Russland und China – diesem Vertragswerk unterworfen haben. Auch wenn den Palästinensern bisher nur ein Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen zustehe, sei ein „Beobachterstaat (…) eben auch ein Staat“ , zumal da Palästina „schon Partei anderer völkerrechtlicher Verträge“ sei. Die Voraussetzung des ICC, tätig zu werden, hänge davon ab, dass „der betroffene Staat selbst nicht willens oder gar in der Lage ist, die ihm vorgeworfenen schweren Straftaten zu verfolgen“ , nämlich Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wobei zu letzteren laut ICC-Statut Handlungen zählen, „die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen“ worden seien 262 .

Erstmals in der Geschichte besucht mit Abdel Fatah Al-Sisi ein ägyptischer Staatspräsident den koptischen Festgottesdienst in der Kairoer Markus-Kathedrale, wo er von Papst Tawadros II. feierlich begrüßt wird. „Wir sind alle Ägypter“ , betont Al-Sisi, der sich auf die

262 Reinhard Müller: Israel vor Gericht?, in FAZ 07.01.2015, S. 8.

www.reiner-bernstein.de 226 – Chronologie 2015

koptische Unterstützung gegen die Moslembrüder und deren Gewaltpotential berufen kann.

06.01.2015: UN-Generalsekretär Ban ki-Moon empfiehlt gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag die Aufnahme Palästinas zum 01. April 263 . In der Kabinettssitzung am 04. Januar hatte sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu dagegen verwahrt, dass israelische Soldaten und Offiziere vor Gericht „gezerrt“ würden. Eine israelische Publizistin bemerkt am selben Tag, dass Israel ohne formelle Gerichtsverfahren international am Pranger stehe 264 .

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärt in einem Interview, das er im Falle seines Wahlsieges am 17. März, wenn er erneut mit der Regierungsbildung beauftragt würde, keine einzige Siedlung in der Westbank aufgeben werde. Sein Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung im Juni 2009 habe sich durch die Politik der Palästinenser erledigt 265 .

Der Libanon führt den Visumszwang für syrische Staatsbürger ein, nachdem es seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges im März 2013 rund 1,1 Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland bei einer Eigenbevölkerung von knapp 4 Millionen aufgenommen hat.

Ein israelisches Militärgericht verurteilt Hussam Qawasmeh zu dreimalig lebenslänglicher Haft wegen der Ermordung der drei

263 Vgl. zuletzt die Eintragung am 31.12.2014 in dieser Zeitleiste.

264 Daniella Peled: How Israel stands to lose at the ICC, without a single trial taking place, in „Haaretz” 06.01.2015.

265 Jonathan Lis: Netanyahu: If reelected, I won’t evacuate any West Bank settlement, in „Haaretz” 07.01.2015.

www.reiner-bernstein.de 227 – Chronologie 2015

Religionsschüler Gilad Sha’ar, Naftali Fraenkel und Eyal Yifrach266 . Die Ermordung war der Auslöser der Militäroperation „Schutzschild“ im Gazastreifen gegen den Gazastreifen im Sommer 2014.

Israels Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein erwägt die Anklageerhebung gegen die arabische Knesset-Abgeordnete Hanin Zoabi von der „Nationaldemokratischen Liste (Bal‘ad)“, weil sie im Juli 2014 – zwei Tage vor Beginn der israelischen Militäroperation „Schutzschild“ – zur Gewalt gegen zwei Polizisten in Nazareth aufgerufen habe.

Das Emirat Qatar weist den „Hamas“-Führer Khaled Meshal und andere Angehörige der Moslembruderschaft auf Betreiben Saudi- Arabiens aus. Quellen im Gazastreifen bestreiten die Ausweisung. Meshal soll die Türkei um Aufnahme gebeten haben.

05.01.2015: Vor allem Jordanien will die Palästinensische Autonomie im laufenden Jahr dem UN-Sicherheitsrat erneut den Entwurf einer Resolution zur Anerkennung des Staates Palästina in den Grenzen vor dem Junikrieg 1967 vorlegen 267 . In einem Interview hatte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius am 04. Januar die Palästinenser davor gewarnt, auf einen politischen Konsens mit Israel zu verzichten.

04.01.2015: Israelische Diplomaten werden im US-Kongress mit der Bitte vorstellig, mittels eines Gesetzes die Finanzhilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde von jährlich 400 Millionen US-

266 Vgl. zuletzt die Eintragung am 23.08.2014 in dieser Zeitleiste.

267 Vgl. zuletzt die Eintragung am 31.12.2014 in dieser Zeitleiste.

www.reiner-bernstein.de 228 – Chronologie 2015

Dollar einzustellen, um diese für ihren Antrag auf Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bestrafen.

In der Türkei wird es den rund 100.000 Christen erstmals seit 1923, dem Jahr der Gründung der Republik, erlaubt, wieder Kirchen bauen. Ein erstes Gotteshaus soll in Istanbul mit Mitteln einer Stiftung errichtet werden.

02.01.2015: Die israelische Regierung beschließt als Strafmaßnahme, keine Überweisung von 127 Millionen US-Dollar, die aus Zoll- und Abgabeneinnahmen herrühren, an die Palästinensische Autonomiebehörde vorzunehmen, die ihr gemäß dem Pariser Protokoll vom April 1994 zustehen. Zuletzt waren die Überweisungen im April 2014 unterbrochen worden, nachdem die Vermittlungsbemühungen von US-Außenminister John Kerry gescheitert waren – eine israelische Autorin der Rechten, die eine Zweistaatenreglung ablehnt, beschuldigte ihn, „im Fatansialand“ zu leben 268 – und die Autonomiebehörde daraufhin die Mitgliedschaft in 15 internationalen Konventionen und Verträgen suchte. Israel nimmt jährlich mehr als 1 Milliarde US-Dollar ein, die nach Ramallah abgeführt werden müssten. Staatspräsident Reuven Rivlin distanziert sich am 05. Januar vor israelischen Diplomaten von der Regierungsentscheidung, kritisiert jedoch den palästinensischen Antrag auf Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Am selben Tag bezeichnet die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini den Stopp der Überweisung als eine Verletzung der Osloer Vereinbarungen.

Als Gegenmaßnahme zum palästinensischen Antrag auf Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag

268 Caroline B. Glick: The Israeli Solution. New York 2014, S. 246 ff.

www.reiner-bernstein.de 229 – Chronologie 2015

präsentiert Israel on New York Dokumente, in denen die USA ersucht werden, gegen Machmud Abbas Anklage zu erheben, weil dieser durch die Beteiligung seiner „Fatah“ in der Einheitsregierung mit „Hamas“ an Kriegsverbrechen während der Militäroperation „Schutzschild“ im Sommer 2014 beteiligt gewesen sei.

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