Verbreitung und Ökologie der Kriebelmacken (Diptera, Simuliidae) in der Schweiz
Von ROLF GLATTHAAR. ZÜRICH
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 71 2. Untersuchungsgebiet, Material und Methoden 72 a) Aufsammeln der Kriebelmücken 72 b) Chemische Analysen 81 3. Verbreitung der Arten in der Schweiz 82 4. Phänologie der Simuliidae 93 5. Assoziationen zwischen Simuliidenarten 96 6. Autökologie der präimaginalen Kriebelmücken 104 7. Prognostische Bedeutung der Analysen 114 S. Diskusslon I16 9. Zusammenfassung — Resume — Summary 119 10. Literaturverzeichnis 121
1. Einleitung
Die Kriebelmücken (Simuliidae), eine der individuenreichsten Dipteren-Familien, kommen mit Ausnahme des vergletscherten Hochgebir ges in allen Gegenden der Schweiz vor. Ihre Larven und Puppen leben im Benthos^fast aller Schweizer Fliess- gewässer. Die Weibchen saugen Blut an Mensch und Tier. In einigen Gebieten treten sie besonders im Frühjahr so zahlreich auf, dass sie dem Vieh durch ihre Stiche gefährlich werden können (BARANOV, 1939; WILHELMI, 1920; RUEHM, 1967; ENIGK, 1955). In der Schweiz kam es erstmals 1968 zu Todesfällen, als deren Ursache Kriebel- mückenstiche nach gewiesen wurden (EcKERT et al., 1969). Trotz der starken Präsenz der Kriebelmücken liegt mit Ausnahme eini ger lokaler Nachweise (GALLI-VALERIO, 1927; KUHN, 1952; ECKERT et al. , 1969; L. DAVIES, 1957; D. M. DAVIES, 1961: ZWICK, 1974) noch keine Darstellung ihrer geographischen Verbreitung oder der 72 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich I978
Abundanz einzelner Arten in der Schweiz vor, wie es sie für andere europäische Länder bereits gibt. Mir bot sich hauptsächlich in den Sommermonaten der Jahre 1973 und 1974 Gelegenheit, dieser Fra ge nachzu gehen. Ausserdem untersuchte ich eine Anzahl von Umweltfaktoren, welche die häufigeren Arten beeinflussen könnten. Bei der Bestimmung, Taxonomie und Nomenklatur stützte ich mich auf die Arbei- ten von KNOZ (1965), ZWICK (1974), RIVOSECCHI und CARDINALI (1975) sowie Rus- zow (1959-1964), auf die für die Nachweise ausserschweizerischer Funde sowie für die ältere Literatur verwiesen wird.
Dank. Herr Prof. Dr. J. ECKERT, Direktor des Institutes für Parasitologie der Universität Zürich, schlug das Thema vor. Herr Prof. Dr. W. RUEHM, Institut für Parasitolo gie der Tierärztlichen Hochschule in Hannover, jetzt Zoologisches Institut der Universität Hamburg, ermö glichte mir einen einmonati gen Studienaufenthalt in Hannover und vermittelte mir die Kenntnis der mitteleuropäischen Simuliidenarten. Ausserdem überliess er mir eine Serie individuell aufgezo gener Odagmia-ornata-Ima- gines für eine numerisch-taxonomische Analyse. Frau Dr. H. ZWICK-PODSZUHN, Max- Planck-Institut für Limnologie in Schlitz (Hessen, BRD), stand mir in taxonomischen Fragen zur Seite und verifizierte mehrere Kriebelmückenproben. Herr Prof. Dr. H. BUR- LA, Direktor des Zoologischen Museums der Universität Zürich, und Oberassistent Dr. G. BAECFLI gaben Ratschläge und halfen bei der Abfassung des Manuskripts. Assistent Dipl.-Math. W. STAHEL beriet mich in Fragen der numerischen Taxonomie und in der rechnerischen Auswertun g, die ich am Rechenzentrum der Universität durch- führte. Herr Prof. Dr. W. STUMM, Direktor der Eid genössischen Anstalt für Wasser- versorgung, Abwasserreini gung und Gewässerschutz (EAWAG) in Dübendorf ZH, stellte die hydrochemischen Daten der Lan gzeitnntersuchun g an der Glatt und am Chriesbach zur Verfü gung und erlaubte mir, unter der Anleitung von Mitarbeitern der Chemischen Abteilun g, Wasseranalysen an der EAWAG durchzuführen. Herr Prof. Dr. H. AMBUEHL, Leiter der Limnologischen Abteilun g der EAWAG, überliess mir die Daten der Querschnittsanalyse der schweizerischen Fliessgewässer des Jahres 1974 (Projekt Mapos), Herr Dr. P. PERRET und Herr F. STOESSEL die Ergebnisse der Faunenanalysen, die von verschiedenen Mitarbeitern der Limnologischen Abteilung durchgeführt worden waren. Herr Dr. J. ZOBRIST, Chemische Abteilung der EAWAG, beriet mich in hydrochemischen Fragen und be gutachtete das Manuskript. Die KARL-HESCHELER- Stiftung gewährte einen Kostenbeitra g an die Sammelexkursionen, für welche meine Eltern ihren Wa gen zur Verfü gung stellten. Die Naturforschende Gesellschaft in Zürich leistete einen Beitrag an die Druck- kosten.
2. Untersuchungsgebiet, Material Hnd Methoden
a) Aufsammeln der Kriebelmiicken Vom April 1973 bis Ende Oktober 1974 suchte ich etwa 250 Probestellen auf, die sich mit Ausnahme der Kantone Appenzell und Genf über die ganze Schweiz ver- teilen. Sie umfassen alle in der Schweiz vorkommenden Typen von Fliessgewässern. Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebelmücken 73
Die Sammeltätigkeit gliederte sich in zwei Serien. Vom Frühjahr 1973 bis zum Frühlin g 1974 bearbeitete ich fast alle grösseren Wasserläufe des Kantons Zürich, von den zahlreichen Wald- und Wiesenbächen eine Auswahl. 23 Fundstellen, die reichlich Simuliiden lieferten, sowie zwei Orte, die zu keiner Jahreszeit von ihnen besiedelt waren, unterzo g ich einer Lan gzeitbeobachtung. In der Wachstumssaison, Anfang April bis Ende Oktober, nahm ich alle drei bis fünf Wochen, in der folgenden kalten Jahreszeit alle sechs bis acht Wochen je eine Kriebelmücken- und eine Wasser- probe. Mit wöchentlichen Stichproben führte die Eid genössische Anstalt für Wasser- versorgung. Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) in der Glatt und im Chriesbach ihre Langzeitanalysen durch (ZoBRIST et al., 1976), deren Daten ich mit einbezog. Im Sommer 1974 nahm die EAWAG eine Untersuchung über den Zustand der schweizerischen Fliess gewässer in An griff (PERRET, 1977), in deren Rahmen alle grös- seren Wasserläufe mit mindestens einer Probestelle berücksichti gt wurden, an welcher je eine bis drei Wasserproben und eine Faunenprobe genommen wurden. Es handelt sich somit um eine «Momentaufnahme», nachstehend «Querschnittsuntersuchung» genannt. Aus dieser wählte ich hundert Probestellen aus, die sich über das ganze Alpengebiet sowie die Voralpen und das Flachland der Kantone Aargau, Bern, Luzern und Schwyz verteilen. An 85 Stellen wurden Kriebelmücken gefunden. Die Abbildun gen 1 und 2 sowie Tabelle 1 geben eine Übersicht über die Fundorte. Die auf der Schweizerkarte (Abb. 1) ein getragenen werden im fol genden mit einer dreistelligen Zahl zitiert, deren erste Ziffer die Strom gebietszugehöri gkeit angibt (grosse Zahlen in Abb. 1), die beiden fol genden in der Reihenfolge abnehmender Höhenla ge die Nummer der Probestellen (kleine Zahlen). Für die Langzeitunter- suchun g sowie für die Thur wählte ich als Code die Abkürzung des Gewässernamens und numerierte, wo nötig. die Probestellen in der Fliessrichtung.
Tabelle 1. Liste der Probenahmestellen der Langzeit- und der Querschnlttsuntersuchung. Codes wie in Abb. 1 und 2. In Klammern steht die Anzahl der entnommenen Kriebelmücken- und Wasser- proben; fehlende Angabe bedeutet 1 Probe. Die Stellen der Langzeituntersuchung sind mit einem Stern (") markiert.
Code Gewässer, Ort 101 Vorderrhein unterhalb Disentis 102 Glogn bei Ilanz 103 Hinterrhein bei Splügen 104 Averserrhein unterhalb Ausserferrera 105 Hinterrheln unterhalb Thusis 106a Albula bei Fürstenaubruck 106b Seitenbach unterhalb Fürstenaubruck 107 Sertigbach oberhalb Davos 108 Dischmabach oberhalb Davos 109 Plessur bei Molins 110 Landquart bei Auja oberhalb Klosters (2) 111 Landquart unterhalb Klosters (2) 112 Schlappina, Alp Schlappin oberhalb Klosters 113 Landquart bei Küblis (2) 114 Rhein bei der Brücke östlich Haag 74 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1978 Jahrgan g 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökolo gie der Kriebelmücken 75
Abb. 2. Laoc der rmucouxmoncteoder LangzeitbeobachtungunducrTuucsuämtemogm,Sioou tureo bei Abb. l, Liste der Fundorte in Tabelle l. Der zniscu o den pfeo n lie gende Abschnitt der
Abb.|.Ubecsicb,u berdie9mhcnahmcorlleodc,linteoucouwppcdodem73/74.8tellenoit:e- [n8terSienatu,vurucooebonvb.zuw,ozhiedcneo/axrmziteo.uufgcsucht.uiea^elleomhDmrss- sigomurourriomal.aait Quadraten sind die durch die EAWAG ausgeführten Probenahmen gekenn- zeichnet (Querschnittsuntersuchung), mit Kreisen die vom Autor genommenen Proben. Die Nume' rieruon[u|»cstmmoruict,nciseucmorfäDc.oieomoeozumcourzcicbocodieStmmgehiete: lnhdn.zAvre.smeuo.4Dn,x/Limmocsmbuoc/oouhs.oTiciou.7a,rgcU/puscN^xoEoouuio (/oo/oovou). 8 Rambach/Etsch. Nicht numerierte Probestellen lieferten keine Simuüid^ob^ouo. Die ,t,ich-puoxhrrteoLinicugre000uiestmm:ebietogeocociouoacruhomringec`bmtco,bictunu' 5uut die Lan gzeitbeobachtun gen und ist in Abb. 2 ver grössert dargestellt. Liste der Fundorte in Tabelle I. 76 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1978
Code Gewässer, Ort
115 Simmibach unterhalb GaIns 116 Rheintaler Binnenkanal östlich Sevelen 117 Rhein bei Wagenhausen 118 Biber unterhalb Ramsen 119a Rhein bei Rheinklingen 119 b Geisslibach unterhalb Diessenhofen 120a Rhein beim Kloster St. Katharinenthal 120b Seitenbach bei Paradies 121 Rhein bei Zurzach 122 Sissle oberhalb Sisseln 123 Möhlinbach oberhalb Möhlin 124 Ergolz oberhalb Augst 125 St.-Alban-Teich, Baselstadt 126 Birs bei Basel 127 Lucelle-Teichausfluss 128 Etang de Bollement, Auslauf 129 Scheltenbach unterhalb Schelten
201 Lombach unterhalb Habkern 202 Aare bei Münsingen 203 Aare, Hagneckkanal oberhalb Hagneck 204 Kleine Simme oberhalb Zweisimmen 205 Simme bei Oey 206 Chirel bei Oey 207 Gürbe bei Belp 208 Saane bei Saanen 209 Sarine (Saane) bei La Tine 210 La Gerine bei Marly-le-Grand 211 Broye unterhalb Payerne 212 Emme bei Burgdorf 213 Emme unterhalb Luterbach 214 Quell- und Waldbäche, Balmberg oberhalb Günsberg (2) 215 Dünnern bei Laupersdorf 216 Dünnern bei Niederbuchsiten 217 Aare bei Wolfwil 218 Köllikerbach unterhalb Kölliken 219 Napfgebiet, Waldbäche 220 Wigger oberhalb Willisau 221 Mauensee-Ausfluss 222 Wigger bei Brittnau 223 tirke bei Oberentfelden 224 Wyna unterhatb Zetzwil 225 Wyna bei Suhr 226 Suhre unterhalb Schöftland 227 Suhre unterhalb Suhr 228 Ron unterhalb Hochdorf 229 Aabach bei Mosen (2) 230 Aabach unterhalb Seon 231 Aabach bei Wildegg 232 Bünz unterhalb Bünzen 233 Bünz unterhalb Dottikon 234 Bünz bei Wildegg 235 Aare bei Wildegg Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebelmücken 77
Code Gewässer, Ort 301 Reuss bei Andermatt 302 Reuss bei Erstfeld 303 Schächenbach bei Unterschächen (2) 304 Isleterbach bei Isleten 305 Muota unterhalb Muotathal 306 Steiner Aa oberhalb Steinen 307 Steiner Aa unterhalb Steinen 308 Rigi-Aa bei Arth 309 Engelberger Aa bei Engelber g, Titlisbahnstation 310 Engelberger Aa bei Büren NW 311 Melch-Aa oberhalb Sarnen 312 Sarner Aa bei Alpnach 313 Waldemme bei Flühli 314 Kleine Emme bel Ebnet 315 Fontannen bei Doppleschwand 316 Kleine Emme bei Maltee (3) 317 Ränggbach oberhalb Blatten LU 318 Kleine Emme bei Emmenbrücke (2) 319 Rotbach bei Inwil 320 Reuss oberhalb Hellingen 321 Lorze, A gerisee-Ausfluss bei Unterägeri 322 Lorze bei Baar (2) 323 Lorze, Zugersee-Ausfluss bei Cham 324 Jonen unterhalb Jonen
401 Fätschbach, Urnerboden (4) 402 Linth bei Hasten 403 Linth, Walensee-Einmündung 404 Seez bei Flums 405 Minster bei Atmig 406a Sihl bei Studen SZ (2) 406b Waag bei Studen SZ (2) 407 Alp bei Trachslau (2) 408 Alp bei Biberbrugg (2) 409 Biber, Altmatt 410 Biber bei Biberbrugg (2) 411 Wiesenbach bei Egg bei Einsiedeln 412 Sihl bei Sihlbrugg (4) 413 Sihl bei Langnau am Albis (2) 414 Sihl beim Zürcher Hauptbahnhof 415 Limmat beim Kloster Fahr (2) 416 Furtbach bei Würenlos 417 Reppisch bei Landikon 418 Reppisch bei Bergdietikon 419 Reppisch unterhalb Dietikon 420a Hüttenersee-Auslauf oberhalb der Schleuse (2) 420b Hüttenersee-Ausfluss unterhalb der Schleuse (2) 501 Saltina oberhalb Brig 502 Turtmänna bei Turtmann 503 a La Printse unterhalb Beuson 503b La Borgne bei Bramois 504 La Salentse bei Saillon 505 La Vizze bei Monthey 78 Vierteljahrsschrift der Naturforsch:nden Gesellschaft in Zürich 1978
Code Gewässer, Ort 506a La Gryonne oberhalb Bex 506b L'Avangon oberhalb Bex 507 Grande Eau oberhalb Aigle 508 Eau Froide oberhalb Villeneuve 509 Doubs bei St-Ursanne 510 L'Atlaine oberhalb Alle
601 a Ritomsee-Zuflüsse, Val Piora 601 b Ticino oberhalb Airolo 602a Ticino bei Faido (2) 602b Seitenbach bei Quinto 603 Ticino unterhalb Giornico (4) 604 Ticino bei Claro (2) 605 Brenno bei Campo Blenio 606a Brenno unterhalb Acquarossa (3) 606b Quellbächtein am Pizzo Molare oberhalb Acquarossa 606c Bächlein bei der Capanna Adula CAS 607 Calancasca im Calancatal 608 Moesa unterhalb Mesocco (3) 609 Moesa bei Grono (2) 610 Morobbia unterhalb Giubiasco 611 Sementina unterhalb Sementina 612 Magadinoebene, linker Seitenkanal 613 Verzasca bei Lavertezzo 614 Maggia bei Ponte Brolla 615 Isorno bei Intraena 616 Bach bei Bosco{Gurin 617 Vedeggio bei Vira (2) 618 Cassarate bei Canobbio 619 Vedeggio bei Agno 620 Magliasina bei Brenno 621 Magliasina unterhalb Magliaso 622 Tresa bei Ponte Cremenaga (2) 623 Mara bei Maroggia 624 Breggia unterhalb Chiasso 625 Doveria unterhalb Ruden/condo
701 MaiIa unterhalb Casaccia 702 Maira bei Castasegna 703 Mera bei Piuro/Borgonovo, Italien 704 Poschiavino bei Le Prese 705 Poschiavino unterhalb Brusio 706 Quellbäche Alp Grüm / Alpe Palü
801 Inn beim \Ialoja-Hotel 802 Wiesenbächlein auf der Maloja-Passhöhe 803 a Fedacla unterhalb Sils-Maria 803 b Silsersee-Ausfluss (so genannter See-Inn) (2) 804a Auslauf des Lej Nair (3) 804b Hahnensee-Auslauf 805 Quellbach oberhalb Hotel St. Moritzbad (3) 806 Inn bei Samedan (3)
901 Rambach (II Rom) unterhalb Müstair Jahrgang 123 R. GL 1-rHAAR. Verbreitung und Ökolo gie der Kriebelmücken 79
Code Gewässer, Ort Al *Altbach unterhalb Bassersdorf (9) Ch * Chriesbach bei der EAWAG (18) Eu * Eulach bei der Kläranlage Elgg (8) Fl * Flaacherbach unterhalb Flaach (10) G 1 *Glatt bei Schwerzenbach (14) G 2 *Glatt bei Opfikon (7) G 3 * Glatt bei Rümlang (6) G 4 * Glatt bei Niederglatt (7) G 5 * Glatt bei Glattfelden (16) Hü Hüttwilerseebach (5, ohne Wasser) Ke * Kempt bei der Kläranlage Illnau-Effretikon (11) Li Lindbergwaldbäche (8) Lü * Lützelseeausfluss (6) Nä * Näfbach bei Pfungen (11) Ni Niderbach bei Dachsenhausen (6) Gr * Grendelbach oberhatb Bisikon (10) Rh *Rhein bei Ellikon am Rhein (10) Se * Sennhofbach bei Sennhof im Tösstal (6) Sn * Schneitbach unterhalb Schneit/Hagenbuch (5) Th 1 Säntisthur, Thurboden (3, ohne Wasser) Th 2 Säntisthur bei Unterwasser (3, ohne Wasser) Th 3 Thur bei Alt St. Johann (4, ohne Wasser) Th 4 Thur bei Nesslau (4, ohne Wasser) Th 5 Thur unterhalb Ebnat-Kappel (4, ohne Wasser) Th 6 Thur unterhalb Bütschwil (4, ohne Wasser) Th 7 Thur oberhalb Uzwil (4. ohne Wasser) Th 8 Thur bei Bischofszell (3, ohne Wasser) Th 9 Thur bei Amlikon (3, ohne Wasser) Th 10 * Thur bei Altikon (10) GK *rechtsseitiger Grundwasserkanal bei Th 10 (8) ZB *sogenannter Zürcher Binnenkanal links der Thur bei Th 10 (9) Tö 1 * Töss bei Sennhof (10) Tö 2 ;Töss bei Pfun gen (7) Tö 3 . Töss oberhalb Tössegg, Rheinmündung (10) Wa * Walcheweiher-Auslauf im Lindbergwald (6)
Bei jeder Probestelle beider Serien protokollierte ich die folgenden Umwelt- faktoren:
— Höhe über Meer. — Wassertemperatur. — Flussbreite. Wassertiefe, an drei Stellen des Flussquerschnittes. — Fliess geschwindi gkeit, an denselben drei Stellen, mit Messflügel geräten der Firmen STOPPANI AG, Bern. und E. SCHILTKNECHT AG , Gossau ZH. — Abflussmen ge, errechnet aus den Breiten-, Tiefen- und Fliessgeschwindigkeitsmes- 80 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1978
sungen. Für den Rhein bei Ellikon (Rh in Abb. 2) griff ich auf die Daten des Elektrizitätswerkes der Stadt Schaffhausen zurück (DEMMERLE, 1966). — Turbulenz am Entnahmeort der Kriebelmücken, anhand folgender subjektiv an- wendbaren Skala: 1 Glatte, stellenweise leicht gekräuselte Wasseroberfläche, geräuschloser Fluss, von Makrophyten bewachsen. Bachbett meist sandig oder schlickig. Meist bei Seeausläufen. 2 Wasseroberfläche gekräuselt, murmelndes Fliess geräusch. Einzelne Strom- schnellen, Bachbett mit Grobkies. Wenige Makrophyten. 3 Rauschender Fluss mit zahlreichen Stromschnellen und kleineren Stufen. Bach- bett mit Geröll. 4 Starkes, bei grösseren Gewässern donnerndes Rauschen, grössere Schnellen und Stufen. Felsblöcke im Bachbett. Ausbildung einer Spritzzone. — Hydrophytenbewuchs des Flussbettes, als relativer Anteil aller subaquatisch wur- zelnden Makrophyten plus der ins Wasser ra genden Teile der Uferpflanzen an der Wasseroberfläche. — Grad der Uferbeschattung, aus gedrückt durch den prozentualen Anteil der Him- melshemisphäre, der durch Pflanzen, Bauten oder Gebir ge ständi g verdeckt ist. — Mittlere Grösse der Substrateinheiten (Länge von Blättern und Aster': grösster Durchmesser von Steinen, Plastikfolien usw.). — Oberfläche des nach Kriebelmücken ab gesuchten Substrates, unter Ausschluss nicht besiedelbarer Teile wie etwa die Auflageflächen von Steinen.
Bei kleinen Proben oder geringer Populationsdichte las ich die Tiere mit einem Pinsel oder einer Pinzette vom Substrat ab und fixierte sie mit 70% Alkohol. Grössere Proben, vor allem solche, die dicht mit Larven und Puppen besiedelte Pflanzenteile enthielten, transportierte ich in frisch benetzten, nötigenfalls gekühlten Thermos- behältern. Die Gele ge, Larven und Exuvien reini gte ich von Al gen und Detritus und fixierte sie mit 70% Alkohol. Wenn ich für die Artbestimmun g Ima gines benötigte, setzte ich die Puppen in etwa 10 cm lan ge.. abtropfnasse Glastuben zu 50 cm 3 Inhalt. Geeignete Desinfektionsmassnahmen sowie eine sor gfältige Manipulation beugten dem Pilzwachstum vor. Die Tuben mit den einzeln gehaltenen Puppen standen, mit der Öffnun g nach unten, in einem Plastikbecken an einem hellen, kühlen Platz, bis die Ima gines schlüpften. Mit diesem Verfahren erzielte ich bei genügend reifen Puppen Schlüpferfolge von 60 bis 100%. Nachdem die Ima gines mindestens einen Tag Zeit gehabt hatten, um auszuhärten und auszufärben, fixierte ich sie. Die für die biozönotische Gliederun g der Thur, Töss und Glatt verwendeten Proben bestimmte und zählte ich vollständi g aus, bei den übri gen Gewässern nur die klei- neren. Bei grösseren wertete ich nur etwa 200 Tiere aus, wobei Altlarven und Puppen den Vorzu g erhielten. Den Rest prüfte ich auf Vertreter seltener Arten und schätzte die Anzahl Individuen je häufige Art. Um die Phänologie der häufi geren Arten erfassen zu können, untersuchte ich auch die Altersstruktur in den grösseren Proben. Ich unterschied sechs Altersklassen, die in der warmen Jahreszeit Abschnitten von einer bis zwei Wochen entsprechen: Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebelmücken 81
1. Gelege 2. Junglarven (erstes bis fünftes Stadium) 3. Sechstes Larvenstadium 4. Siebentes Larvenstadium 5. Puppen 6. Exuvien und Kokons (entsprechen der Anzahl Imagines) Um verschieden grosse Proben miteinander vergleichen zu können, schätzte ich die Besiedlungsdichte je Art, wobei ich mich einer logarithmischen Skala bediente, deren Einheit einer Zehnerpotenz entspricht: 1 1 bis 10 Individuen pro m'' 2 10 bis 100 Individuen pro m' 3 100 bis 1 000 Individuen pro m2 4 1 000 bis 10 000 Individuen pro m2 5 mehr als 10 000 Individuen pro m2
b) Chemische Analysen
Soweit die Wasserproben nicht unmittelbar nach dem Einsammeln analysiert wer- den konnten, wurden sie in Glas- oder imprägnierten Polyäthylenflaschen an einen kühlen Ort verbracht, wo die Temperatur 10° C nicht überstieg. Tabelle 2 gibt Aus- kunft über die erfassten hydrochemischen Faktoren. Die Analysen zur Langzeit-
Tabelle 2. Übersicht über die untersuchten hydrochemischen Faktoren
Langzeit- Querschnitts - Faktor untersuchung untersuchung Kanton Zürich Schweiz Sauerstoffgehalt Sauerstoffsättigung Biochemischer 0 2-Bedarf (BSB 5) Chemischer O•-Bedarf (CSB) pH Leitfähigkeit Gesamthärte Karbonathärte Phosphatgehalt Nitritgehalt Nitratgehalt Ammoniumgehalt Chloridgehalt Gesamter organischer Kohlenstoff (TOC) Sulfatgehalt Silikatgehalt Calciumhärte Magnesiumhärte Kaliumgehalt Natriumgehalt Filterrückstand (Millipore, 0,45 pm) 82 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1978 beobachtun g führte ich selbst durch, mit Ausnahme der Stellen in der Glatt und im Chriesbach; die Querschnittsanalysen besorgte die EAWAG im Sommer 1974. Infolge der zeitlichen Verschiebung und der etwas abweichenden Zielsetzun g unterscheiden sich die Programme in einigen Faktoren. Den Analysen lagen die Vorschriften des Schweizerischen Lebensmittelbuches, Kapitel 27, zugrunde sowie die Methoden in den «Vorläufigen Empfehlungen über die regelmässige Untersuchun g der schwei- zerischen Oberflächengewässer» (Eidgenössisches Departement des Inneren, 29. Mai 1974).
3. Verbreitung der Arten in der Schweiz
Im Laufe der Sammeljahre 1973 und 1974 erbeutete ich über 250000 Larven und Puppen sowie etwa 50000 schwärmende Weibchen, unter denen sich auch einige Dutzend Männchen befanden. Die Ima gines fin g ich auf der Viehweide und am weidenden Vieh bei Thalheim an der Thur, wo sie durch ihre Stiche lästi g wurden, sowie am Stadtrand von Winterthur , wo sie mich an fl o gen. Beim Entlan gstreifen an der Ufervegetation von Thur, Töss und Gla tt gingen nur vereinzelte Imagines ins Netz. Alle 28 nachstehend aufgeführten Arten sind durch Puppenfunde belegt; von den meisten züchtete ich aus Puppen insgesamt über 1000 Imagines. Trotz den grossen Individuenzahlen lassen sich erst im Kanton Zürich Verteilung und Abundanz der einzelnen Arten detailliert an geben, da die übri gen Gebiete noch zuweni g durchsucht worden sind. Der gegenwärti ge Stand der Chorologie zei gt, dass keine Art auf die Schweiz beschränkt ist und dass der Alpenkamm für keine Art eine Verbreitungs- grenze darstellt. Die folgende Artenliste gibt die Anzahl der gesammelten präimaginalen Individuen nnd in der Reihenfolge abnehmender Populationsdichte die Codes der wichtigsten Fundorte mit einer kurzen Beschreibung der Fundumstände. Bei den selteneren Arten werden ausserdem ökolo gische Beobachtun gen mitgeteilt. Die in der Schweiz erstmals nachgewiesenen Arten sind mit Stern (') vor dem Namen gekennzeichnet.
Unterfamilie Prosimuliinae ROUBAUD 1906
Tribus Gymnopaidini
Genus Twinn a STONE und JAMNB.vCK 1955 Twi,mia hvdroides NOVAK 1956 Fundorte: 401. 805, 706. Etwa 300 Larven und Puppen.
Von der in der Tschechoslowakei entdeckten Art (KNOZ, 1965) gibt es erst drei aussertschechische Fundorte: Polen. der Schwarzwald und das Oberen gadin, Stelle 805 (D. M. DATES 1961). Mitte Juni 1974 und 1977 konnte ich den schweizerischen Nachweis bestäti gen. Etwa 15 Minuten oberhalb des St. Moritzer Badhotels am Weg zum Hahnensee, auf etwa 1900 m über Meer , fand ich in beiden Jahren zwar noch Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebelmücken 83 keine Puppen, aber mehrere Altlarven (5. bis 7. Stadium) auf Gras und Wassermoos sitzend, Mitte Juni 1977 in zwei gleichartigen Quellbächen auf der Alp Grüm und Alpe Palü unterhalb der Berninapasshöhe (706), ebenfalls auf etwa 1900 m über Meer, drei Larven des 6. Stadiums. Den ergiebi gsten Twinnia führenden Quellbach entdeckte ich Mitte Juni 1977 auf etwa 1400 m über Meer. Beim Gasthaus Klausenpass dicht neben der Passstrasse entspringend, führte er Grundwasser, etwa 5 Liter pro Sekunde, und war dicht mit Gras und Wassermoos bewachsen. Auf einer Plastikfolie konnte ich neben einigen Altlarven über 250 Puppen und Exuvien ablesen. Be gleitarten waren P. latimucro in etwa gleicher Dichte sowie etwa 80 Larven von E.^cryoplrilum, im Oberen gadin trat zu diesen Arten noch E. crenobium. Alle bisheri gen Funde machen es wahrscheinlich, dass T. hydroides reichlich mit Pflanzen bewachsene Quellbäche höherer La gen besiedelt und dass in der Schweiz noch weitere Fundorte zu ent- decken sind. Tribus Prosimuliini
Genus Pros/muliurn ROUBAUD 1906 Prosirrrulium hirtipes (FRIES 1824) Hauptfundorte: Th 1, 405, 407. 601, 301, 406a, 410, 411. 214. 374 Larven und Puppen. Die Art, die zu manchen taxonomischen Diskussionen Anlass gegeben hat (RUB- zow, 1959-1964; ROTHFELS, 1956), wird in der vorlie genden Arbeit im Sinne von KNOZ (1965) und ZWICK (1974) verstanden. Den Erstnachweis für die Schweiz führte L. DAVIES (1957) in seinen alpinen Funden. Wenn auch die Höhenangaben für die Fundorte stark differieren – bei KNOZ (1965) 450 bis 600 m. bei DORIER (1961) 1130 bis 2000 m über Meer –, stimmen doch alle Autoren darin überein, dass P. hirtipes am weitesten von allen Prosirnulium-Arten ins Alpenvorland hinab vorstösst. Man findet sie nicht nur in der montanen Region. sondern gelegentlich auch in Wald- bächen der collinen Stufe, beispielsweise in einem der untersten Seitenbäche der Töss bei der Tössegg (Tö 3). Auch im Tessin fand ich eini ge Larven. Weitere Prosimulium- Funde stammen aus der Westschweiz. Weil es sich aber um nicht identifizierbare Junglarven handelt, habe ich sie nicht ausgewertet. Die in der Thur (Th 10) und in der Töss (Tö 3) gefundenen Einzelgän ger dürften kaum dort aufgewachsen. sondern eher mit der Drift dorthin verfrachtet worden sein.
Prosirnuliurrr rufipes (MEILEN 1830) Hauptfundorte: Th 1, 801, 303, 401, 405, 109, 301, 406b, 407, 704, 803a, 601b, 606 b, c. Etwa 5000 Larven und Puppen.
Die Erstmeldun g lieferte 1927 GALLI-VALERIO aus dem Unterwallis unter dem Synonym S. gallü (Eow.kRUS, 1933), die zweite stammt von L. DAVIES (1957). Ich fand die Art in den meisten Alpenbächen und -flüssen. Trotz einer gegenüber anderen Arten grösseren Variabilität (KNOZ, 1965) bilden meine Funde ein Taxon, das mit den Befunden von Zwic1 (1974) übereinstimmt. Beim alten Maloja-Hotel (801) 84 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1973 wurde ich an einem sonnigen Juni-Nachmittag des Jahres 1974 von P. ropes-Weib- chen angeflogen, ohne dass es zu Stichen gekommen wäre. Mitte September fing ich bei der Adula-Hütte, etwa 2000 m über Meer (606c), aus einem Schwarm einige Männchen.
Prosimulium latimucro (ENDERLEI 1925) Fundorte: 401, 802, 606b, c, 106b. 406a, 805, 309, Th 1, 706. Etwa 2000 Larven und Puppen.
Diese Art, die nur in Quellbächen höherer La gen gefunden worden ist, ist längere Zeit unbekannt geblieben als die anderen Prosimuliuru-Arten. L. DAVIES beschrieb sie 1957 aus schweizerischem Material als P. inflaturu; im Jahre 1961 fand sie D. M. DAVIES zusammen mit T. hydroides im Oberengadin. Wie diese beiden Autoren stellte ich an den Fundorten reichlichen Makrophytenbewuchs, relativ geringes Gefälle und gutes Lichtangebot fest.
Unterfamilie Simuliinae ROUBAUD 1906
Tribus Eusimuliini RUBZOW 1974
Genus Eusimuliurn ROUBAUD 1906 Gruppe Eusimuliurn vernum (MALQUART) h Eusiniulium vernum (MALQUART 1826) Hauptfundorte: 804a, 802, GK, Li, 409, 401, 411, 602b, 214, 614, ZB. Etwa 1900 Larven und Puppen.
Obwohl die Art weit verbreitet ist, lie gt noch kein früherer Nachweis aus der Schweiz vor. Ich fand sie in fast allen untersuchten natürlichen Quellbächen der col- linen Stufe. besonders in bewaldeten Gebieten. Sie stei gt auch in die alpine Region empor. Im Oberengadin besiedelt sie in beachtlicher Dichte den – über 16° C warmen – Auslauf des Lej Nair (804a), in dessen Nähe ich an einem sonnigen Nachmitta g Mitte Juni 1974 von E. vernum-Weibchen beflogen wurde, ohne gestochen zu werden. Im Mittelland dagegen erwischte ich kein einziges Individuum beim Anflu g oder gar bei der Blutmahlzeit, im Gegensatz zu KNOZ (1965) und RUBZOW (1959-1964), welche diese Art als Blutsauger an Tier und Mensch einstufen. Während RUBZOW (1959-1964) fünf Subspezies unterscheidet, die er alle in Russland lokalisiert. ist für Mitteleuropa nur mit einem Taxon im Sinne von KNOZ (1965). und ZWICK (1974) zu rechnen.
* Eusimuliurn costatum (FRIEDERICHS 1920) Fundorte: Li, 214. GK. Gr. 530 Larven und Puppen.
So strikte sich die Art auf Waldbäche der collinen Stufe beschränkt, kann doch mit einem geschlossenen Verbreitungs gebiet für Höhenlagen unterhalb 1000 m über Meer gerechnet werden, da sie in den Nachbarländern im selben Habitat an zahl- Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebelmücken 85 reichen Orten gefunden worden ist. Die Präima ginalstadien erreichen keine hohen Populationsdichten, und die Ima gines sind noch nicht beim Blutsaugen beobachtet worden.
Eusimulium crenobium KNOZ 1961 Fundorte: 706, 805. 62 Larven und Puppen. Im Juni 1977 entdeckte ich die Art in den T. hydroides enthaltenden Proben aus dem Oberen gadin. Aus einem kleinen, gut belichteten Quellbach auf der Alp Grüm/ Alpe Palü (706) auf der Südseite des Berninapasses, etwa 1900 m über Meer, stammen etwa 50 Larven des 5. bis 7. Stadiums sowie vier Puppen, aus denen zwei Männchen aufgezogen werden konnten, die ZWICK (1977, in litt.) verifizierte. Begleitarten waren neben T. hydroides P. latimucro, E. cr yophilurrr sowie sporadische E. vermin!.
Eusimulium cryophilum Ruszow 1959 Hauptfundorte: 401, Th 1, 406b. 802, 219, 303, 406a, 602b. Etwa 700 Larven und Puppen.
Die Art verhält sich ähnlich wie E. vernum. ausser dass sie in höheren Lagen ihre dichtesten Populationen entwickelt. Während sie im Fuldagebiet die häufigste Eusi- muliurn-Art ist (ZwicK, 1974), tritt sie in der Schweiz hinter die beiden zuerst be- sprochenen Eusirnuliurn-Arten zurück. Erst ab etwa 700 m über Meer beginnt sie häufiger zu werden und E. vernum zu ersetzen; im Tessin schon ab etwa 250 m, weil dort die montane Region auf diese Höhe hinabreicht. Aufgrund der Dichte der vor- lie genden Nachweise kann im Alpengebiet mit einer geschlossenen Verbreitung ge- rechnet werden. Einzelne Individuen fand ich auch in collinen Waldbächen (Li).
Eusimulium carthusiense (GRENIER und DORIER 1958) Hauptfundorte: 401, Th 1, 704, 803a, 303, 305, 309. 320 Larven und Puppen.
Obschon keine der fündi gen Proben grosse Individuenzahlen enthält, lässt ihre geographische Verteilun g eine gleichmässige Besiedlun g der einschlägigen Biotope erwarten, zumal da diese Art auch aus den Nachbarländern gemeldet worden ist.
Eusimulium bertrandi (GRENIER und DORIER 1958) Fundorte: 304, 407. 3 Puppen. Obwohl die Art aus den Westalpen, den Pyrenäen, der Alpensüdseite sowie aus Osteuropa bekannt ist, fehlen noch Nachweise für Zentraleuropa, bis auf zwei Funde aus der Schweiz. Der eine Fundort liegt bei Trachslau oberhalb Einsiedeln (407), etwa 900 m über Meer, wo ich am 25. Mai 1974 ein gut erhaltenes Exuvium mit Kokon in der Alp fand, einem mittel grossen, mässig turbulenten Bergbach, zusammen mit S. rheophilum, P. hirtipes und P. rufipes sowie mit einigen E. vernum und S. variega- 86 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1978
turn. Zwei weitere Puppen fand ich im Isleterbach bei Isleten (304), der der Alp stark gleicht, zusammen mit E. cryophilurn und O. ornata. Trotz den im Verhältnis zur Anzahl Probestellen in geei gneten Habitaten spärlichen Funden dürften in der Schweiz noch weitere Nachweise möglich sein, da sie auch KNOZ (1965) in schnellen, turbulenten Ber gbächen gefunden hat.
Gruppe Eusirnuliurn angustitarse (LUNDSTROM) Eusirnuliurn angustitarse (LUNDSTROM 1911) Fundorte: 409, Gr. 3 Larven und Puppen.
Ani 25. Mai 1974 fand ich im Quell gebiet der Biber, in einem Wiesenbächlein in der schwyzerischen Altmatt (409), zwei Puppen sowie im Grendelbach (Gr) eine Alt- larve. KNOZ (1965) und ZWICK (1974) melden aus gleichen Habitaten ergiebigere Funde.
Eusirnuliurn latigoniurr RUBZOW 1956 Fundorte: Gr, Ni, G 4, Hii. Etwa 2500 Larven und Puppen.
Von der Art sind bis heute ausserhalb von Russland erst weni ge Fundorte bekannt geworden, nämlich aus der Tschechoslowakei (Kwoz, 1965), dem Apennin (Rivo- SECCHI, 1967) sowie je ein Fund aus England (L. DAVIES, 1966) und aus dem Fulda- gebiet (ZwicK, 1974). Aufgrund der vorliegenden Aufsammlungen gehört sie im Kan- ton Zürich zu den häufi gen Eusirnuliurn-Arten. Wie die genannten Autoren überein- stimmend berichten, leben die Präimaginalstadien in kleinen, nur mässi g rasch flies- senden und daher im Sommer warm werdenden, stark mit Pflanzen zugewachsenen Bächen und Entwässerungsgräben. Im Kanton Zürich passt die Beschreibung auf den Grendelbach (Gr) und den Niderbach (Ni), welche die dichtesten Populationen be- herbergen. Sporadisch fand ich E. latigoniwn im Hüttwilerseebach (Hü) sowie in der Glatt bei Niederglatt (G 4); die Art besiedelt somit vor allem Ausläufe kleinerer Seen oder von Riedgebieten. Ausserhalb des Kantons Zürich und des angrenzenden Thur- gaus gibt es noch keine Funde.
Gruppe Ezrsimulium aureum (FRIES) Eusimuliwn angustipes (EDWARDS 1915) Fundorte: Ni, 804a, Hü, 120b. 621. 229, 624. Etwa 4000 Larven und Puppen.
Die E. aureum-Gruppe umfasst einige nahe verwandte Arten, die nur anhand der Genitalien identifiziert werden können. Vertreter dieser Gruppe fand ich als Larven oder Puppen an verschiedenen Orten der AlpeHnord- wie auch der Südseite. Puppen- funde, aus denen Ima ginalzuchten gelangen, lie gen aus dem Niderbach (Ni), aus dem Hüttwilerseebach (HU) sowie aus dem Auslauf des Lej Nair (804a) vor. Die Genitalien Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebelmücken 87 stimmen mit den Abbildun gen überein, die RUBZOW (1959-1964) von E. securiforme Ruszow 1956 = E. angustipes (EDWARDS 1915) (Zwick, 1974) herausgab. Am nörd- lichen Stadtrand von Winterthur fing ich am Abend des 16. August 1973 mit einem Schwarm von etwa 1000 W. lineata-Weibchen auch eines von E. angustipes, in einer Entfernung von über 10 km vom nächsten nach gewiesenen Brutplatz, in einem jauche- haltigen Wasser graben bei Thalheim an der Thur, etwa zwei km westlich von Th 10.
Tribus Wilhelmiini RUBZOy 1974
Genus Wilhelmia ENDERLEIN 1921 Wilhelmia equina (LINNAEUS 1747) Hauptfundorte: G 5, Tö 2, Tö 3, ZB, Fl, 207, 211, 217, G 2 bis G 4, Rh, 120b, 231, 509, Th 10. Etwa 8300 Larven und Puppen. W. equina ist in allen Teilen des europäischen Flachlandes häufig und wird seit langer Zeit als Blutsau ger an Tier und Mensch gefürchtet. In der Westschweiz ist sie, auch wenn die ungleiche Probestellendichte berücksichtigt wird, seltener als in der Ostschweiz, insbesondere im Kanton Zürich, wo mehrere ergiebige Brutplätze bekannt geworden sind; es handelt sich durchwe gs um eutrophe, wenig turbulente, grössere Bäche oder Flüsse. KUHN (1952) meldet einen nicht verifizierbaren Fund aus dem bedeutend kleineren Stadtzürcher Wehrenbach, der zum grossen Teil Waldgebiet durchfliesst. Im Sommer 1973 fing ich einige Dutzend Weibchen beim Anflug ans Vieh.
x Wilhebnia lineata (MEIGEN 1804) Hauptfundorte: 117, Rh, Th 10, 120a, G 2 bis G 4, 119a, 121, 235, 415, 203, 217, 229, 509, Th 9. Über 28000 Larven und Puppen.
Die Art fand ich nicht, wie RUBZOW (1959-1964), in raschen, kühlen und klaren Bächen der Submontanstufe, sondern in lan gsameren, eher trüben Bächen und See- ausflüssen des Flachlandes, die sich im Sommer auf über 20' C erwärmen können, wie RUBZOW für das Synonym W. salopiensis angibt. Die Nachweise von W. lineata konzentrieren sich noch stärker auf die Nordostschweiz als jene von W. equina. Ob- wohl sie in der Thur (Th 10) und im Hochrhein (Rh, 117, 119a, 120a, 121) jeden Sommer grosse Populationsdichten erreicht und ihre Frühsommergeneration zu Zehn- tausenden übers Weidevieh herfällt, fehlte sie bis jetzt in der schweizerischen Faunen- liste. Ende Juni 1973 fielen in Thalheim an der Thur vier Rinder ihren Stichen zum Opfer (ECKERT, unpubliziert). Der Mensch wird ebenfalls umschwärmt; Blutsaugen konnte ich aber nicht beobachten. Nachdem auch aus Rheinfelden und Muttenz Klagen über Kriebelmücken-Anflüge laut geworden sind, ist anzunehmen, dass der Hochrhein bis Basel besiedelt ist, soweit nicht Stauwehre den Fluss hemmen. Unter- halb von Basel scheint der Rhein wohl infolge der starken zivilisatorischen Belastung frei von Simuliiden zu sein (GRUNEWALD, 1972). 88 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1978
Tribus Simuliini GRENIER und RAGEAU 1960
Genus Boophthora ENDERLEIN 1921 Boophthora erythrocephala (DEGEER 1776) Hauptfundorte: 323, Hü, 230, G 1, 204, 612, 229, G 2 bis G 4, Rh, 415, 416, 622, Ni, 203, 420 a. Über 35000 Larven und Puppen.
Weil B. erythrocephala im Aller-Leine-Gebiet schon seit Jahrzehnten als Blutsauger berüchtigt ist, wird ihre Biolo gie mit Unterbrüchen seit 1920 (WILHELMI) extensiv, seit 1967 (RUEHM et al.) intensiv untersucht. Sieht man von der nicht verifizierbaren An- gabe von KUHN (1952) für den Wehrenbach ab, so verdanken wir den Erstnachweis der Art für die Schweiz ECKERT et al. (1969), die durch die Todesfälle von Rindern bei Schwerzenbach auf den 1968 offenbar besonders dicht besiedelten Brutplatz G 1 aufmerksam wurden. Auch 1973 beteiligte sie sich an den Attacken auf das Vieh, kann aber wegen ihrer gegenüber W. lineata zehnfach geringeren Individuenzahl nicht in erster Linie für die Todesfälle bei Thalheim verantwortlich gemacht werden. Da- gegen kam es bei Expositionsversuchen zu Anflug und Stichen am Menschen, wobei B. erythrocephala die Unterschenkel sowohl der stehenden wie auch der sitzenden, nur mit Turnhosen bekleideten Versuchsperson am häufi gsten an griff. Auch Unterarme und Gesicht waren Ziele ihrer Anflüge. Innert 15 Minuten konnte ich 50 Weibchen absammeln, die zum Stich angesetzt hatten. Alle gehörten zu B. erythrocephala, keines zur gleichzeitig in der Überzahl anflie genden Gattung Wilhelrnia. Wichti gste Brut- stätten von B. erythrocephala im nördlichen Kanton Zürich und angrenzenden Thur- gau sind der Hochrhein (120 a) und der Hüttwilerseeauslauf (Hü), wo die Mücken. ihre Larven und Puppen am reichlichen Schilfbewuchs viel Eiabla ge- und Anheftungs- substrat vorfinden, das ihnen Besiedlungsdichten bis 5 ermö glicht. Weitere Fundorte befinden sich in der Limmat, in der Aare sowie vor allem in Seeausflüssen, unter denen die Lorze bei Cham (323) besonders dicht besiedelt war. Auf der Alpensüdseite fand ich die Art in der Tresa (622) sowie in einem kleinen, trägen und stark ver- krauteten Lan genseezufluss, der links neben dem Ticino bei Maltadino in den Zan gen- see mündet (612). Höchst gelegener Fundort ist der Auslauf des Hüttenersees (420) auf etwa 650 m über Meer.
Genus Odagmia ENDERLEIN 1921 Odagmia ornata (MEIGEN 1818) Hauptfundorte: Sn, Nä, 222, 322, Fl, 510, 228, Tö 3, 125, 120b, 119b, ZB, Gr, Se, Tö 2, Hü, G 5, Ke, Tö 1. Über 180000 Larven und Puppen. Odagrrria ornata ist die häufi gste Kriebelmückenart der Schweiz. Im Mittelland und Jura fehlt sie in fast keinem Bach oder Fluss und entwickelt ihre dichtesten Popula- tionen in kleineren Wiesenbächen, einem der häufigsten Gewässertypen der Schweiz. Mehr als ein Drittel aller gesammelten Kriebelmücken gehört zu dieser Art. Die höchsten Fundorte liegen im Oberengadin: im Auslauf des Lej Nair (804 a) und im Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebelmücken 89
Inn bei Samedan (806), der den St. Moritzersee entwässert. Diese Gewässer sind keine typischen Ber gbach-Habitate, sondern gleichen eher den Flachland gewässern (hohe Sommertemperaturen, geringe Fliess geschwindigkeit und Turbulenz, starker Pflanzen- bewuchs). Auf der Alpensüdseite ist sie in der Magadinoebene (Seitenbäche des Ticino) und im Mendrisiotto häufi g. O. ornata wird auch in der Schweiz ab und zu lästig. So berichtet GALLI-VALERIO bereits 1927, bei der Erstmeldung für die Schweiz, dass Weibchen der Art in Lausanne Menschen beflo gen haben. Meine Anflugbeob- achtungen umfassen einige Weibchen, die im Oktober 1973 ums Vieh schwärmten, sowie solche, die Mitte März 1974, an den ersten warmen Frühlingstagen des Jahres, mich anflo gen und zu stechen versuchten. Weil O. ornata als Artkomplex angesprochen worden ist (Ruszow, 1959-1964; RUEHM, 1967), führte ich an mitteleuropäischem Material eine morphometrische Analyse durch, die indessen keine Anhaltspunkte für eine taxonomische Heterogenität ergab (GLATTHAAR, in Vorbereitung).
Oclagruia spinosa (Dom' und DEBLOCK 1957) Hauptfundorte: 214, 215, 401, 112 , 129, 506. Über 2500 Larven und Puppen.
Diese nächste Verwandte von O. ornata kann nur auf dem Puppenstadium anhand der zahlreichen, spitzen Thorakaltuberkel zweifelsfrei von der Schwesterart unter- schieden werden. ZwicK (1974) wies sie in der Gryonne bei Bex (506) nach, ein Fund, den ich 1974 bestätigen konnte. Weitere Fundmeldungen lie gen aus allen Nachbar- ländern vor; alle Autoren haben sie in Quell- und Waldbächen gefunden. Bei Einzel- funden in grösseren Flüssen (Reuss bei Mellingen [320] und Töss [To 2]) dürfte es sich um Individuen handeln, die aus den genannten Habitaten verdriftet worden sind. Auch in den grösseren Alpenflüssen ist sie selten, während kleinere Voralpen- und Jurabäche die grössten Populationen beherbergen. Gerade am Jurasüdfuss scheint sie die häufi gste Art zu sein. In einem kleinen, schnell fliessenden Bächlein beim Restau- rant Glutzenberg oberhalb von Günsberg (214) ersetzt sie O. ornata in ähnlichen Populationsdichten. Dort fand ich an Grasblättern und Zweigen auch Eiklumpen, die ich O. spinosa zuschreibe. In ähnlicher Dichte besiedelt sie einen Zufluss des Fätschbaches auf dem Urnerboden (401), wo ich im Juni 1977 etwa 700 Larven und Puppen sammelte. Puppen fand ich von April bis Oktober, ohne ihre Generationen- zahl angeben zu können. Auch über das Verhalten der Ima gines liegen noch keine Beobachtungen vor.
Genus Tetisiinuliurn RuBZOw 1963 *Tetisirttulium bezzii (CORTI 1916) Fundorte: 503 b. 210, 209. 27 Larven und Puppen.
Obwohl die Art als zirkummediterraner Endemit gilt (Ruszow, 1967; ZWICK, 1974), konnte ich sie für die Schweiz und zu gleich für die «Re gion 9» der «Limno- fauna Europaea» im August 1973 erstmals nachweisen, nämlich in der Gerine bei Marly-le-Grand im Üchtland (210), einem mittelgrossen Voralpenfluss mit relativ 90 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1978 seichtem, turbulentem Wasser, der die Sohle eines kleinen Tobels einnimmt. Von der Probe, die nur wenige Individuen umfasste, gelang mir aus einer Puppe die Aufzucht eines Männchens, dessen Identität ZWICK (in litt.) bestätigte. Im Rahmen der Quer- schnittsuntersuchung machte ich zwei weitere Funde, den einen in der Saane bei La Tine (209), einem Ort, der dem genannten stark gleicht, einige Puppen und Exuvien, den anderen im Wallis in der Bor gne bei Bramois (503 b), mit 17 Larven und Puppen den ergiebigsten. Vermutlich markieren diese Funde die Nordost grenze des Verbrei- tungsgebietes.
Genus Simulium LATREiLLE 1802 Subgenus Simulium LATREILLE Gruppe Simulium variegatum (NEIGEN) Simulium variegatum (MEIGEN 1818) Hauptfundorte: 412, 322, 610, 206, 505, 507. 703. Etwa 5000 Larven und Puppen.
S. variegatum lebt in grösseren Bächen und Flüssen der Submontanstufe, besiedelt pflanzliches, aber auch anorganisches Substrat und hält sich im all gemeinen unter 1000 m über Meer. Die Art wird für gleichartige Habitate aus Mittel-. West- und Südeuropa sowie aus Grossbritannien gemeldet, nicht aber aus Nordeuropa. Den für die Schweiz ersten und zu gleich ergiebigsten Fund machte ich am 1. Juli 1973 in der Sihl bei Sihlbrugg (412), wo Larven und Puppen in grosser Dichte siedelten und O. ornata fast ganz fehlte. Puppen fand ich von Mai bis Oktober; KNOZ (1965) und ZWICK (1974) geben zwei Generationen an. Im Oktober fand ich bei Sihlbru gg Jung- larven, die ich dieser Art zurechne, und nehme an, dass sie auf dem Larvenstadium überwintert. Im Frühjahr 1974 fing ich im unteren Tösstal auf einer mit Rindern bestossenen Weide einige Weibchen, so dass die Art auch in der Schweiz Blut saugen dürfte.
Gruppe Simulium monticola FRIEDRICHS Simulium monticola FRIEDRICHS 1920 Hauptfundorte: 129, 112, 406b, Th 1. 255 Larven und Puppen.
Trotz reichlichen Funden der Art in den Nachbarländern – ZWICK (1974) beob- achtete so gar ihre Eiabla ge – erbeutete ich selten mehr als vereinzelte Individuen pro Sammelstelle. Als er giebigste erwiesen sich die Proben aus dem Scheltenbach bei Schelten (129) aus dem Solothurner Jura, sowie aus Wiesenbächlein bei Klosters und auf der Alp Schlappin oberhalb Klosters (112) im Herbst 1973. Die Nachweise stüt- zen sich auf Puppenfunde, da die Larven nicht mit genügender Sicherheit von jenen der nahe verwandten Arten S. rheophilum, S. maximum und S. variegatum zu unter- scheiden sind. Anders als KNOZ (1965) und ZWICK (1974) fand ich S. monticola am ehesten in kleineren Wiesenbächen und Quellrinnsalen der Montanstufe; sie scheint Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebelmücken 91 auch weniger weit ins Mittelland hinab vorzustossen als S. variegation und S. rheo- philum.
Sirnulium rheophilum (KNoz 1961) Hauptfundorte: 407, 129, 206, 411, 505, 606b. Etwa 2400 Larven und Puppen.
Im Unterschied zu ZWICK (1974) fand ich die Präima ginalstadien der Art, wie KNoz (1965), in grösseren, wasserreichen und turbulenten Bergbächen, wenn auch meist nur in geringer Dichte. Nur in der Alp oberhalb Einsiedeln, bei Trachslau (407), erreichte sie hohe Dichtegrade, wo ich am 25. Mai 1974 eine Probe nahm. Die meisten Puppen sassen auf faust- bis kopfgrossen Geröllen. Höhenlage und Bachtypus gleichen dem Habitat von S. variegaturn.
Sirnulium maxirnum (KNoz 1961) Hauptfundorte: 303, 301, 601b, 801, 602b. 214 Larven und Puppen.
Von der Art liegen auch aus den Nachbarländern erst wenige Fundmeldungen vor. Wie KNoz (1965) fand ich sie in grösseren, raschen und turbulenten Gebirgsbächen und -flüssen, in Gesellschaft mit P. rufipes uHd S. rheophilum, sowie auch in kleineren Seitenbächen, zusammen mit S. rnonticola. Ergiebi gste Fundorte waren der Schächen- bach (303), wo ich Anfang Juli 1974 auf Ästen und Steinen zahlreiche Puppen fand, sowie das Gotthardgebiet (301. 601 b).
Gruppe Sirnulium tuberosum (LUNDSTROM) * Sirnulium tuberosurn (LuNnsTROM 1911) Fundorte: 601 a, 410, 411, 322. 340 Larven und Puppen.
Die Art wird aus Mittel- und Nordeuropa als häufiger Bewohner grösserer, relativ lan gsamer, tiefer und turbulenzarmer Mittelgebirgsbäche gemeldet (KNoz, 1965; ZWICK, 1974), ferner aus den Pyrenäen (GRENZER, 1953) sowie aus dem Apennin (RlvosEccxt und LIPP.ARONI. 1965), welche Funde etwa die südliche Verbreitungs- grenze markieren dürften. Die Erstfunde für die Schweiz beschränken sich auf vier Orte, von denen nur einer ergiebi g war. Es handelt sich um den Ausfluss aus dem Lar go Cada gno, einem relativ warmen und rasch fliessenden kleineren Zufluss zum Ritomsee oberhalb von Airolo (601 a), die mit 1900 m über Meer mit Abstand höchst- gelegene Fundstelle. Vereinzelte Larven und Puppen fand ich in der Lorze bei Baar (322), wo S. variegation dominierte, ferner in der Alp bei Biberbrugg, vor der Ein- mündun g in die Biber (410), auf Steinen, und schliesslich in einem Wiesenbach in Egg bei Einsiedeln (411) eini ge Altlarven. Diese Habitate der kleinsten schweizerischen Simuliidenart entsprechen den ausländischen weitgehend. 92 Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 1978
Gruppe Simuliurn argyreatum (MEIGEN) Sirnuliwn argyreatum (MEIGEN 1838) Fundorte: 127, 128, 420b, Lü, 221, 804a, b, 229, 321, Ni, Gr. Etwa 12000 Larven und Puppen.
Die zahlreichen Fundmeldun gen für die Art betreffen fast ausschliesslich Teich- und kleinere Seeausflüsse, wo sie sich auf die vom Wasser überströmten Pflanzen, Dammkronen, Steine sowie die Gegenstrudel der Kolke konzentriert. An solchen Orten entwickelt sie maximale Populationsdichten. Larven und Puppen sitzen oft mehrschichti g übereinander und bilden Klumpen, erweisen sich dennoch als driftfest. Ergiebi gste Fundorte sind der Lützelseeauslauf (Lü, Dammkrone), die Schleuse des Hüttwilerseeauslaufes (420b), der Lucelle-Teichausfluss (127, Abflussschacht und Kaskade), der Bollement-Teichausfluss (128, ein mit Fontinalis bewachsener Kanal) sowie, als höchstgelegener Fundort, der Hahnenseeauslauf auf 2150 m über Meer (804b), an Steinen oberhalb der ersten Stromschnellen. In wenig tnrbulenten See- ausflüssen tieferer Lagen kommt S. argyreatum nur sporadisch vor, am zahlreichsten im Grendelbach (Gr). ZWICK und RUEHM (1972) berichten über Blutsausen der Som- mergeneration.
Gruppe Simulium reptans (LINNE)
Sirnulium reptans (LINNAEUS 1758) Hauptfundorte: Th 6-10, 320, Tö 2/3, 322, 413, 415, 509, 412, 803b. Etwa 32000 Larven und Puppen.
Obwohl die Art zu den ältesten bekannten Simuliiden gehört und in Mitteleuropa nicht selten ist, liegt aus der Schweiz noch keine Fundmeldun g vor. Ähnlich wie bei den beiden Wilhelmia-Arten fand ich die grössten und dichtesten Populationen in der Nordostschweiz, in relativ seichten, mässi g raschen, turbulenten und im Sommer sich erwärmenden Flüssen und grösseren Bächen des Alpenvorlandes. Höchstgelegener Fundort ist der Silsersee-Ausfluss (803 b). Die Weibchen werden in manchen Gegen- den Europas als Blutsauger gefürchtet. So identifizierte ich neben B. erytlrroceplrala und W. lineata auch einige Individuen als S. reptans in den Kriebelmückenproben, die das Institut für Parasitolo gie der Universität Zürich von den Ende Juni 1973 bei Thalheim verendeten Rindern genommen hatte. Dennoch fing ich aus den Schwärmen mit dem Kescher nie mehr als vereinzelte Exemplare – am meisten am 28. April 1975 – und wurde nie von S. reptans gestochen.
Sub genus Cleitosirnulium SEGUY und DORIER 1936
* Simuliurn argenteostriatum STROBL, 1898 Hauptfundorte: 309, 603, 606a. Tb 1, 316, 314. Th 4-6, 318, 610, 621, 703. Etwa 7400 Larven und Puppen.
Einzelfunde sind aus allen benachbarten Alpengebieten gemeldet worden. Aus der Schweiz liegt nun ein reichhaltiges Material vor. Nicht nur konnte ich die Art für die Jahrgang 123 R. GLATTHAAR. Verbreitung und Ökologie der Kriebehnücken 93 meisten Ber gbäche und Bergflüsse nachweisen, sondern stiess auch auf Populationen hoher Dichte grade in der En gelberger Aa bei der Titlisbahnstation in Engelber g (309), im Ticino bei Giornico (603), im Brenno bei Acquarossa (606a), im Oberlauf der Thur (Th 1 bis 6), in der Kleinen Emme (314, 316) sowie auch in der Mera bei Piuro (703). Trotz des reichlichen Vorkommens der Präimaginalstadien konnte ich keine Imagines beim Schwärmen oder beim Anflug beobachten.
Slrrtuhurn degrangei DORIER und GRENIER 1959 Fundorte: Th 4 bis 10, sowie grössere Zuflüsse. Über 400 Larven und Puppen. Von der Art, welche ähnliche ökologische Ansprüche zu stellen scheint wie S. ar- genteostriatum, liegen erst wenige Fundmeldun gen vor: Französische Alpen (DORIER und GRENIER, 1959; DORIER, 1961), Italien (RIvosEccHi, 1963, 1967), Jugoslawien (ZIVKOVlrcx, 1961) sowie Tschechoslowakei (KNOZ, 1963). In der Schweiz fand ich sie nur in der Thur und in den unteren Partien ihrer grösseren Nebenflüsse im mitt- leren Toggenburg, wo die Larven und Puppen in grosser Zahl auf Steinen und ver- holzten Zweigen sassen. Die meisten Puppen fand ich im Frühjahr, die letzten Ende Juli, im Unterlauf bereits Ende Mai. Der höchstgelegene Fundort ist Th 4, 740 m über Meer. Da S. degrangei auf dem Larvenstadium nicht von S. argenteostriatum unter- schieden werden kann, die an allen Fundstellen ebenfalls vorkommt, konnte ich ihre Eiablageplätze nicht lokalisieren. KNOZ (1965) meldet einen etwa 1000 m über Meer gelegenen Fundort.
4. Phänologie der Simuliidae
Die Lebenszyklen von 24 mitteleuropäischen Simuliidenarten wurden von ZWICK (1974) anhand von Material aus dem Fuldagebiet dargestellt. Deshalb kann ich mich im fol genden auf ergänzende An gaben beschränken. Tabelle 3 gibt Auskunft über das zeitliche Auftreten von Larven und Puppen der 13 am häufi gsten gefundenen Arten anhand des 1973 und 1974 gefundenen Materials, dargestellt über ein Kalenderjahr hinwe g und geordnet nach zunehmender Anzahl Generationen. Die Prosimulium-Arten durchlaufen auch nach meinen Beobachtungen nur eine Generation im Jahr. Bei P. rufipes zieht sich die Puppenzeit am län gsten hin. P. hir- tipes, eine Art, die auch in tieferen Lagen vorkommt, verpuppt sich schon im Früh- jahr. Da im Herbst keine Prosirnulium-Larven gefunden worden sind, ist anzunehmen, dass die Gattun g im Eistadium überwintert. Die Eusimulium-Arten unterliegen von Zyklus zu Zyklus den grössten Bestandes- schwankungen; ihre Populationsdichten sind fast durchwegs gering, und die K lima- faktoren wie auch die hydrologischen Bedingun gen dürften einen stärkeren Einfluss ausüben. Während E. vernum im Frühjahr die ergiebigsten Funde lieferte, tendierten die übrigen Arten der Gattung zu Dichtemaxima im Sommer. Beide hVilhelmia-Arten waren im Frühjahr in relativ geringer Populationsdichte zu Tabelle 3. Phünologie der 13 häufigsten Simuliidenarten in der Schweiz, verglichen mit Angaben aus der Literatur, soweit sie genügend detailliert sind.
Ein Stern (" ) bezeichnet eigene Beobachtung.
Puppenperioden Über- Art Larven Autor winterungs- 2 3 4 stadiunm
P. rufipes März-Juli " Juli-Sept." RUnzow 1959-1964 Ei (Aug.) Nlai---Juni KNOZ 1965
Y. latimucra Miirz--Juli" Jnni--Aug. RutIZOW 1959-1964 Ei
S. degrangei (Febr.-Juni ` März-Juli"
L. casurtum ganzes Ja li r -Mai Juli-Aug. s Zwici. 1974 Larve (Sept.)
13. anguslipes ganzes Jahr (März-April) Juli-Sept." Larve" August Runzow 1959-1964
S. algenteoslrialum ganzes Jahr April--Juni Aug.---01( Larve` Mai-Aug. KNOZ 1965 Juni 12uazow 1959-1964, GRENIER 1953, Mai Juli Sept. SUPPERrR/KUTZGR 1967 S. replans Jan.-Juli"` April-Mai "` Juli-Aug.* Ei / April-Sept. Mai-Juni Aug.-Sept. KNOZ 1965, ZWICK 1974 Larve Mai Juli Sept. Sut'hr_RER/KUrzER 1967
E. vermin) ganzes Jahr* März--April "` Juni-Juli"' Sept.(--Okt.)* KNOZ 1965, ZWICK 1974 Larve (Mai)* Mai-Juni Juli-Aug. Runzow 1959-1964
E. Ialigoniunr ganzes Jahr:': April-Mai "` August* Oktober:': Ei Aug.--Sept. Runzow 1959-1964, ZWICK 1974 April-Mai L. DAvtss 1966
W. egnina ganzes Jahr* April-Mai Juli"` Sept.-Okt.' Gtu NtER 1953 Larve* April-Juni Juli-Aug. Sept. -Okt. ZwtcK 1974