Diplomarbeit
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View metadata, citation and similar papers at core.ac.uk brought to you by CORE provided by OTHES DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit Die Autobiographischen Schriften der Marie von Ebner-Eschenbach Verfasserin Anna Fleisch angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag. Phil) Wien, 2010 Studienkennzahl lt. Studienblatt A 332 Studienrichtung lt. Studienblatt: Diplomstudium Deutsche Philologie Betreuerin/Betreuer: em. O. Univ.-Prof. Dr. Herbert Zeman INHALTSVERZEICHNIS: EINLEITUNG 1 - 2 I. Die Autobiographie 1. Literaturtheoretische Bestimmungen 3 - 9 2. Literaturhistorische Erscheinungen 9 - 23 II. Die historische Wirklichkeit der von Marie von Ebner-Eschenbach beschriebenen Jahre 23 – 28 III. Die Autobiographischen Schriften der Marie von Ebner-Eschenbach A1 Meine Kinderjahre 28 - 31 1. Die Entstehung des Werkes 31 – 35 2. Orientierung an Goethes Dichtung und Wahrheit 35 - 40 - Die Idee der Entelechie als gestaltendes Prinzip in der Autobiographie 40 - 45 - Historisch-sozialer Hintergrund 45 - 49 3. Meine Kinderjahre als Manifest der Autorin 49 - 51 - Öffentlichkeitswirkung 51 - 53 - Leidensjahre 53 – 59 - Personendarstellung 59 - 67 - Künstlerisches Selbstverständnis 67 – 69 A2 Aus einem zeitlosen Tagebuch 69 - 74 1. Aphorismen als Regeln oder Maxime 74 - 75 2. Die Autobiographischen Aphorismen 75 - 81 A3 Meine Erinnerungen an Grillparzer 81 – 82 1. Besuche bei Grillparzer 82 – 89 2. Grillparzers Frauenbild und sein Verhältnis zu Frauen seiner Zeit – Widersprüchlichkeiten zu seinem Frauenbild 89 – 90 Grillparzers Frauenbild und die selbständige Frau 90 – 94 3. Franz Grillparzer und Marie von Ebner-Eschenbach : Eine Vater-Tochter-Beziehung 94 – 95 4. Schlussbetrachtung von Marie von Ebner-Eschenbach nach dem Tod des Dichters 95 - 97 IV. Ästhetische Anschauungen 97 V. Zusammenfassung 98 - 99 EINLEITUNG: In der literaturwissenschaftlichen Forschung ist unbestritten, dass die Gattung Autobiographie im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte. Diese Blütezeit der Autobiographie wird mit der Zeit von 1770 bis 1830 festgesetzt. Die Verfasser, meistens Gelehrte, Schriftsteller oder andere Vertreter des Bürgertums, haben dieses Genre als Ausdrucksmöglichkeit für ihre Selbstdarstellung genützt und auch der Öffentlichkeit entsprechend demonstriert. Sie haben auf diese Art versucht, den „gesellschaftlichen Wert einer nicht an der Herrschaft beteiligten Klasse“ 1 bestätigt zu sehen. Aus diesem Umfeld heraus entstand auch Goethes Autobiographie, die in der Literaturgeschichte als Kulminationspunkt der Gattung gesehen wird. Dichtung und Wahrheit galt lange Zeit als Leitbild, wobei Goethe auf Grund seiner besonderen „historischen und sozialhistorischen Situation eine reine Autobiographie mit bejahter Identität zu schreiben, geglückt war.“ 2 Historisch gesehen ein Sonderfall ist aber das Entstehen von Autobiographien, die Kindheit und Jugend nicht nur als kurze Einleitung bringen, sondern ausschließlich diesen Lebensabschnitt beschreiben. Im Zeichen der beginnenden Aufklärung wuchs das pädagogische und psychologische Interesse an der prägenden Bedeutung von Eindrücken der frühen Kindheit. Die Kindheit galt fortan nicht mehr nur als Zeit der Weichenstellung für das spätere Leben, sondern vielmehr als Mikrokosmos, in dem alles „Folgende schon enthalten, keimhaft angelegt ist.“ 3 Für die im 19. Jahrhundert steigende Tendenz, die Kinderzeit zum Inhalt der Selbstdarstellung zu wählen, werden aber auch sozialhistorische Gründe angegeben. Das Gefühl der politischen und gesellschaftlichen Machtlosigkeit des Bürgertums und die Verunsicherung unter dem Einfluss der beginnenden Industrialisierung erweckte einerseits das Bedürfnis nach Rückzug in die Idylle, anderseits wurde die Kindheitsbiographie als reinste Darstellungsform einer Persönlichkeitsentwicklung 1 Schmidt, Christa-Maria: Marie von Ebner-Eschenbach. Kritische Texte und Deutungen. Autobiogra- phische Schriften I. Meine Kinderjahre. Aus meinen Kinder- und Lehrjahren. Hrsg. Karl Konrad Polheim Tübingen 1989, Bd. 4, S. 215. 2 Neumann, Bernd: Identität und Rollenzwang. Zur Theorie der Autobiographie. Frankfurt 1970, S. 136. 3 Schmidt, S. 221. 1 gesehen, die „die wechselseitige Bezogenheit von Ich und Welt nach Goetheschem Modell zu erfassen bestrebt ist“. 4 Tatsache ist, dass Kindheitsautobiographien im 19. Jahrhundert großen Erfolg hatten. Auch Marie von Ebner-Eschenbach folgte mit ihrer Autobiographie Meine Kinderjahre der Tendenz dieser Zeit. Ein weiterer Beweggrund mag wohl auch gewesen sein, dass männliche als auch weibliche Zeitgenossen bereits ihre Lebensgeschichte geschrieben hatten. Die Besonderheit der Kinderjahre liegt aber darin, dass im Vergleich mit den Schriften der weiblichen Vorgängerinnen Stoff und Motivation anders gelagert sind. Marie von Ebner-Eschenbach hatte kurz vor ihrer eigenen Autobiographie die Erinnerungen der Freundin Malwida von Meysenbug gelesen und hatte auch Kenntnis von der Autobiographie Fanny Lewalds. Während diese beiden Autorinnen ihre Erfahrungen mit den politischen Ereignissen dieser Zeit in ihren Autobiographien verarbeiteten, schrieb Marie von Ebner-Eschenbach ihre Autobiographie vor dem Hintergrund der individuellen familiären Situation. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen beabsichtigte sie mit ihrem Lebenszeugnis keine didaktischen Absichten. 5 Sie wollte lediglich Rückschau halten und im Alter war sie nun bereit, sich versöhnlich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Außerdem war sie zu diesem Zeitpunkt eine bereits anerkannte Schriftstellerin und die Zeit verlangte es. Die Autobiographischen Schriften Meine Kinderjahre verfasste sie 1905, Aus einem zeitlosen Tagebuch 1916 und die 1916 posthum veröffentlichte letzte Schrift Meine Erinnerungen an Grillparzer vollendete sie erst kurz vor ihrem Tod. Ziel der Arbeit, deren Thema die Autobiographischen Schriften sind, ist, die Autobiographie als Gattung sowie die Entwicklung der Autobiographie von der Antike bis zur Gegenwart in einem knappen chronologischen Überblick darzustellen. Der zweite Teil beschreibt die historische Wirklichkeit der von Ebner-Eschenbach beschriebenen Jahre. Auf die Autobiographie von Frauen und hier insbesondere im ausgehenden 19. Jahrhundert bzw. um die Jahrhundertwende wird im Besonderen eingegangen. 4 Schmidt, S. 224. 5 Vgl.ebd., S. 228-229. 2 I. DIE AUTOBIOGRAPHIE: 1. Literaturtheoretische Bestimmungen: Was drückt der Begriff Autobiographie aus? Jean Paul wählte für sein Werk als wörtliche Übersetzung „Selberlebensbeschreibung“. Die Bestimmung des Begriffes Autobiographie erfolgt in der Fachliteratur zwar in unterschiedlicher Weise, der Grundtenor scheint aber der gleiche zu sein. So wird die Autobiographie als Darstellung des eigenen Lebens zum Zweck der Vergewisserung der personalen Identität, der Vermittlung zeitgeschichtlicher Zeugenschaft und der Rechtfertigung gelebter Überzeugungen gesehen. 6 Die Autobiographie (vgl. griech. autos = selbst, bios = Leben, graphein = schreiben) wird auch als „literarische Darstellung des eigenen Lebens bezeichnet, von der primitiven Aneinanderreihung äußerer Geschehnisse und den sachlichen Darstellungen denkwürdiger Geschehnisse bis zur bekenntnishaften Bildungs- und Entwicklungsgeschichte der eigenen Seele, die den Schlüssel zum Verständnis der Persönlichkeit in den Lebensbedingungen, der psychologischen Entwicklung und besonderen Erlebnissen sucht“. 7 Autobiographie im engeren Sinn bezeichnet aber auch die Beschreibung des eigenen Lebens oder von Lebensabschnitten aus dem Rückblick. Von einer Reinform kann nur in seltenen Fällen gesprochen werden, da die Gattung zur hybriden Form neigt. Die eigentliche, reine oder förmliche Autobiographie existiert nur als Konstrukt, das in idealer Weise einen Annäherungswert aller autobiographischen Genres bildet. Der Begriff der Autobiographik als Quersumme aller autobiographischen Formen wäre am ehesten geeignet, die aufgefächerte und in Übergängen bzw. Annäherung befindliche Gesamtheit autobiographischer Schreibweisen zu benennen. 8 6 Lorenz, Otto: Kleines Lexikon literarischer Grundbegriffe. München 1992, S. 17-18. 7 Wilpert, von Gero: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart. 2001, S.60. 8 Vgl. Brunner, Horst: Literaturwiss. Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin 1997, S. 35. 3 Bernd Neumann unterlegt bei seiner Definition kontrastierend die Memoiren und meint: Wenn die Memoiren das Ergehen eines Individuums als Träger einer sozialen Rolle schildern, so beschreibt die Autobiographie das Leben des noch nicht sozialisierten Menschen, die Geschichte seines Werdens und seiner Bildung, seines Hineinwachsens in die Gesellschaft. Memoiren setzen eigentlich erst mit dem Erreichen der Identität, mit der Übernahme der sozialen Rolle ein, die Autobiographie endet dort. 9 Dies gelte nach heutigem Verständnis zumindest für die deutsche hochbürgerliche, typische „klassische“ Autobiographie. Er beruft sich dabei auf Lebenserinnerungen bekannter Autobiographen, wobei hier Namen wie Carl Philipp Moritz, Johann Wolfgang von Goethe und Jean Paul genannt seien. Die Beendigung der Autobiographie mit dem Erreichen der Identität und der damit verbundenen Eingliederung in die Gesellschaft erscheint ihm als das wichtigste Charakteristikum der deutschen hochbürgerlichen, “klassischen“, entwicklungsgeschichtlichen Autobiographie. 10 Auch Goethe beendet Dichtung und Wahrheit mit seiner Abreise nach Weimar. Es war seine erklärte Absicht, seine Autobiographie mit dem Antritt der Weimarer Stellung abzuschließen. 11 Für Bernd Neumann ist die Gattung Autobiographie nach Brief